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Marburger Zeitung. Nr. 222, Marburg, 30.09.1917.

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Tagblatt
Marburger Zeitung



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Bezugspreise:

In Marburg abgeholt monatlich .. K. 2.--, vierteljährig .. K. 6.--
" zugestellt " .. K. 2·40, " .. K. 7 20
mit der Post täglich zugesendet monatl. K. 2.40, " .. K. 7 20
Einzelnummer 10 Heller, Sonntagsnummer 14 Heller.
Namenlose und unfrankierte Briefe werden nicht angenommen, Beiträge nicht
zurückgesendet.
[Spaltenumbruch] Schriftleitung, Verwaltung und Druckere[i]
Marburg a. D., Edmund Schmidgasse 4. Fernsprecher Nr. 24.
Verschleißstellen: in Graz, Klagenfurt, Pettau, Cilli, Leibnitz,
Radkersburg, Mureck, Wildon, Pragerhof, W.-Feistritz, Rann
a. S., Roh.-Sauerbrunn, W.-Graz, Spielfeld, Straß, Ehrenhau-
sen, Unter-Drauburg, Bleiburg, Völkermarkt, Pöltschach, Friedau,
Luttenberg, Deutsch-Landsberg, Eibiswald, Stainz, Schönstein,
Wöllan, Mahrenberg, Gonobitz, Triest.
[Spaltenumbruch] Anzeigenannahme: In Marburg: Bei der Verwaltung, R. Gaisser u.
A. Platzer. In Graz: Bei Josef Kienreich, Sackgasse. In Klagenfurt:
Bei Sova's Nachf. Tschauer. In Wien: Bei Ed. Braun, I., Stroblgasse 2,
M. Duckes Nachf., ., Wollzeile 16, Haasenstein u. Vogler, I., Schulerstraße
Nr. 11, Rud. Mosse, I., Seilerstätte 2, Heinrich Schalek, I., Wollzeile 11,
J. Rafael, I., Graben 28, Bock und Herzfeld, I., Adlergasse 6.




Nr. 222 Marburg, Sonntag den 30. September 1917 57. Jahrg.


Die Luftschiffhalle in Ancona zerstört.

[Spaltenumbruch]
Eine Kanzlerrede.


Der deutsche Reichskanzler hat gestern im
Hauptausschusse des Reichstages gesprochen. Es ist
eine Rede, die die Entente kaum erwartet haben
dürfte und deren Worte den englischen Machthabern
gellend in die Ohren klingen werden. Mit trockener
Gelassenheit sprach der Kanzler den Satz aus: "Ich
muß es zur Zeit ablehnen, unsere
Kriegsziele zu präzisieren und unsere
Unterhändler festzulegen!"
Die Entente
wird, durch den bekannten Friedensbeschluß der
Mehrheitsparteien im deutschen Reichsrat veranlaßt
und bestärkt durch die fortwährenden Kämpfe, die
Michaelis mit diesen zu bestehen hat, wohl gedacht
haben, daß sich nunmehr der deutsche Reichskanzler
in der Friedensfrage etwas fügsamer zeigen wird
und daß es England doch noch gelingen könnte,
jenen billigen Frieden zu erringen, nach
dem es angenblicklich mit aller Macht
hinstrebt.
Mannhaft zerriß nun der Kanzler die
Schleier, die von gewissen Dunkelmännern vor die
deutsche Politik gehängt wurden und rein und klar
erscheint das Bild von der Entschlossenheit Deutsch-
lands, nunmehr das Erträgnis der ungeheuren
Opfer, die ihm durch die wüste und rücksichtslose
Kriegspolitik des Vierverbandes auferlegt wurden,
einzuheimsen. Ganz richtig bemerkte der Kanzler,
daß es unverständlich ist, wie Kenner der inter-
nationalen Lage jemals glauben konnten, Deutsch-
land würde in der Lage sein, eine einseitig
gegebene öffentliche Erklärung in Bezug auf
wichtige Friedensfragen abzugeben.

Im deutschen Volke wird die Rede Dr. Michaelis
sicherlich hellen Jubel hervorrufen. Denn durch sie
ist mit der schwächlichen Haltung der Reichsregierung
gegenüber England gebrochen und dem Verbande
einmal klar und deutlich gesagt worden, wie es
eigentlich um Deutschland steht. Dieses übermütige
England und der Patentfreiheitsheld Wilson werden
nun wohl mit unerbitterlicher Wucht aus ihrem
Wahn herausgeschlendert: Deutschland müsse
um Frieden bitten.

Solche Worte, wie sie der Reichskanzler ge-
sprochen hat, tragen unleugbar zur Kürzung des
Kriegszustandes bei. Denn durch sie erfahren die
Völker des Vierverbandes, daß sie von ihren
Regierungen mit einem Lügennetz umstrickt sind,
in dessen Maschen immer und ewig wieder das
Märchen von dem bevorstehenden Zusammenbruch
der Mittelmächte eingewebt werden.

Mit flatternden Fahnen und mit hochmütigen
Worten sind die Vierverbändler im August 1914
in den Krieg gezogen. In den Reden ihrer Staats-
männer kehrte immer und ständig die Versicherung
der Gewißheit von der Zertrümmerung
Deutschlands
wieder. Nun konnte die Entente
aus dem Munde des Leiters der auswärtigen
deutschen Politik hören, wie es um diese Zer-
trümmerung steht und wie ihre Macht, die sie auf
Hunderte von Millionen Menschen stützen konnte
und mit deren Riesenhilfe sie den sicheren Sieg
erhoffte, aussieht.

"Ich muß es zur Zeit ablehnen, unsere
Kriegsziele zu präzisieren!" Dieser Ausspruch wird
ein ohnmächtiges Wutgeheul bei den Vierverbands-
leuten und der ihr ergebenen Presse auslösen.


[Spaltenumbruch]
Italien vor höchsten Existenzsorgen.

Die ungeheuren Opfer des Krieges haben im öffent-
lichen Geiste ein Höchstmaß an Störungen erzeugt. Italien bekommt mehr als
jedes andere Land das ganze Gewicht des A-Boot-Krieges zu spüren. Die
Schwierigkeiten der Verpflegung sind groß. Die Unruhen in Turin hätten eine
ernste Bedeutung. -- Die Kirche San Bernardino soll von den Aufrührern in
Brand gesteckt worden sein.

Die italienische Krise sei in der Regierung und im Volke latent. Der
weitere Verlauf der Dinge werde von dem Fortgang des Krieges abhängen.
Trient, Triest und das Trentino verschwinden vor den höchsten
Existenzsorgen.


[Spaltenumbruch]

Aus Italien kommen Nachrichten von
höchster Wichtigkeit, Die innere Krise erreicht
einen Höhepunkt der jetzt nicht wehr über-
boten werden kann. Eine österreichische
Offensive
gegen Italien [würde] d[ie] nur
schwach niedergehaltenen revolutionären Be-
[Spaltenumbruch] strebungen mit einemmale freimachen und
das Haus Savoyen hätte dann wohl die
längste Zeit regiert. Im Volksmund geht der
Spruch, daß der Krieg zuerst gegen Italien
zu einem [si]egreichen Ende komme und diesmal
dürfte im Volksmunde Gottesstimme gelegen sein.




Gegenrevolution in Rußland.
Rußland unter Zwangsverwaltung der Entente.

Nach Pariser Blättern werden nunmehr England,
Amerika und Japan Rußlands Finanzen, Heer, Verproviantierung, Eisenbahnen usw.
unter ihre Kontrolle stellen. England wird die Leitung der russischen Finanzen(!),
Frankreich die Führung der militärischen Operationen, Amerika und Japan die
Eisenbahnen übernehmen.

Kerenskijs Kampf gegen seine Gegner.

[Spaltenumbruch]

Fort-
setzung des Berichtes über die demokratische
Konferenz. Nach der Wahl des Büros ergriff
Kerenskij das Wort und sagte: In der Kor-
nilow-Affäre habe er seit langem Nachricht
über den vorbereiteten Staatsstreich gehabt.
Die Regierung sei sich bewußt gewesen, daß
die Ereignisse in Galizien neue Anstren-
gungen sorderten, um die Zerrüttung der
Armee zu bekämpfen. Aber er sei zu diesem
Zwecke seinen eigenen Weg gegangen. Das
Hauptquartier habe jedes Mißgeschick an der
Front dazu benützt, sofort ein Ultimatum nach
Petersburg zu richten. Nach dem Zusammen-
[Spaltenumbruch] bruch bei Riga seien die Vorstellungen des
Hauptquartiers noch eindringlicher geworden.

An der Front stehen große Eeeignisse
bevor und wir wissen nicht, mit welchen
Mitteln wir ihnen die Stirne bieten sollen.
Jeder, der die freie russische Republik antastet,
wird die ganze Macht der revolutionären
Regierung erfahren.

Kriegsminister General Worhowsky stellt
fest: Die Armee und die Flotte weigerten
sich nicht zu kämpfen, aber unglücklicherweise
seien sie nicht von dem Geiste des Sieges be-
seelt, der allein Rußland retten könne.

Kerenskij wird gestürzt.
Karnilow und Kerenskij verbündet.

Der Sturz Kerenskijs steht bevor. Der
neue große Mann für Rußland ist Tschernow. Kerenskij und Kor-
nilow haben sich angesichts des Auftretens Tschernows vereinigt.

Aufruhr unter den Bergarbeitern.

Der "Lokalanzeiger" meldet ans Stockholm: Aus
Charkow und dem Kohlengebiet am Donez wurden schwere
Ausschreitungen
der russischen Bergarbeiter gemeldet. Die bedeutendsten
Bergwerke wurden einfach unter Wasser gesetzt und die Arbeiter
veranstalteten Pogroms gegen ihre Vorgesetzten.


Tagblatt
Marburger Zeitung



[Spaltenumbruch]
Bezugspreiſe:

In Marburg abgeholt monatlich .. K. 2.—, vierteljährig .. K. 6.—
„ zugeſtellt „ .. K. 2·40, „ .. K. 7 20
mit der Poſt täglich zugeſendet monatl. K. 2.40, „ .. K. 7 20
Einzelnummer 10 Heller, Sonntagsnummer 14 Heller.
Namenloſe und unfrankierte Briefe werden nicht angenommen, Beiträge nicht
zurückgeſendet.
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Marburg a. D., Edmund Schmidgaſſe 4. Fernſprecher Nr. 24.
Verſchleißſtellen: in Graz, Klagenfurt, Pettau, Cilli, Leibnitz,
Radkersburg, Mureck, Wildon, Pragerhof, W.-Feiſtritz, Rann
a. S., Roh.-Sauerbrunn, W.-Graz, Spielfeld, Straß, Ehrenhau-
ſen, Unter-Drauburg, Bleiburg, Völkermarkt, Pöltſchach, Friedau,
Luttenberg, Deutſch-Landsberg, Eibiswald, Stainz, Schönſtein,
Wöllan, Mahrenberg, Gonobitz, Trieſt.
[Spaltenumbruch] Anzeigenannahme: In Marburg: Bei der Verwaltung, R. Gaiſſer u.
A. Platzer. In Graz: Bei Joſef Kienreich, Sackgaſſe. In Klagenfurt:
Bei Sova’s Nachf. Tſchauer. In Wien: Bei Ed. Braun, I., Stroblgaſſe 2,
M. Duckes Nachf., ., Wollzeile 16, Haaſenſtein u. Vogler, I., Schulerſtraße
Nr. 11, Rud. Moſſe, I., Seilerſtätte 2, Heinrich Schalek, I., Wollzeile 11,
J. Rafael, I., Graben 28, Bock und Herzfeld, I., Adlergaſſe 6.




Nr. 222 Marburg, Sonntag den 30. September 1917 57. Jahrg.


Die Luftschiffhalle in Ancona zerstört.

[Spaltenumbruch]
Eine Kanzlerrede.


Der deutſche Reichskanzler hat geſtern im
Hauptausſchuſſe des Reichstages geſprochen. Es iſt
eine Rede, die die Entente kaum erwartet haben
dürfte und deren Worte den engliſchen Machthabern
gellend in die Ohren klingen werden. Mit trockener
Gelaſſenheit ſprach der Kanzler den Satz aus: „Ich
muß es zur Zeit ablehnen, unſere
Kriegsziele zu präziſieren und unſere
Unterhändler feſtzulegen!“
Die Entente
wird, durch den bekannten Friedensbeſchluß der
Mehrheitsparteien im deutſchen Reichsrat veranlaßt
und beſtärkt durch die fortwährenden Kämpfe, die
Michaelis mit dieſen zu beſtehen hat, wohl gedacht
haben, daß ſich nunmehr der deutſche Reichskanzler
in der Friedensfrage etwas fügſamer zeigen wird
und daß es England doch noch gelingen könnte,
jenen billigen Frieden zu erringen, nach
dem es angenblicklich mit aller Macht
hinſtrebt.
Mannhaft zerriß nun der Kanzler die
Schleier, die von gewiſſen Dunkelmännern vor die
deutſche Politik gehängt wurden und rein und klar
erſcheint das Bild von der Entſchloſſenheit Deutſch-
lands, nunmehr das Erträgnis der ungeheuren
Opfer, die ihm durch die wüſte und rückſichtsloſe
Kriegspolitik des Vierverbandes auferlegt wurden,
einzuheimſen. Ganz richtig bemerkte der Kanzler,
daß es unverſtändlich iſt, wie Kenner der inter-
nationalen Lage jemals glauben konnten, Deutſch-
land würde in der Lage ſein, eine einſeitig
gegebene öffentliche Erklärung in Bezug auf
wichtige Friedensfragen abzugeben.

Im deutſchen Volke wird die Rede Dr. Michaelis
ſicherlich hellen Jubel hervorrufen. Denn durch ſie
iſt mit der ſchwächlichen Haltung der Reichsregierung
gegenüber England gebrochen und dem Verbande
einmal klar und deutlich geſagt worden, wie es
eigentlich um Deutſchland ſteht. Dieſes übermütige
England und der Patentfreiheitsheld Wilſon werden
nun wohl mit unerbitterlicher Wucht aus ihrem
Wahn herausgeſchlendert: Deutſchland müſſe
um Frieden bitten.

Solche Worte, wie ſie der Reichskanzler ge-
ſprochen hat, tragen unleugbar zur Kürzung des
Kriegszuſtandes bei. Denn durch ſie erfahren die
Völker des Vierverbandes, daß ſie von ihren
Regierungen mit einem Lügennetz umſtrickt ſind,
in deſſen Maſchen immer und ewig wieder das
Märchen von dem bevorſtehenden Zuſammenbruch
der Mittelmächte eingewebt werden.

Mit flatternden Fahnen und mit hochmütigen
Worten ſind die Vierverbändler im Auguſt 1914
in den Krieg gezogen. In den Reden ihrer Staats-
männer kehrte immer und ſtändig die Verſicherung
der Gewißheit von der Zertrümmerung
Deutſchlands
wieder. Nun konnte die Entente
aus dem Munde des Leiters der auswärtigen
deutſchen Politik hören, wie es um dieſe Zer-
trümmerung ſteht und wie ihre Macht, die ſie auf
Hunderte von Millionen Menſchen ſtützen konnte
und mit deren Rieſenhilfe ſie den ſicheren Sieg
erhoffte, ausſieht.

„Ich muß es zur Zeit ablehnen, unſere
Kriegsziele zu präziſieren!“ Dieſer Ausſpruch wird
ein ohnmächtiges Wutgeheul bei den Vierverbands-
leuten und der ihr ergebenen Preſſe auslöſen.


[Spaltenumbruch]
Italien vor höchſten Exiſtenzſorgen.

Die ungeheuren Opfer des Krieges haben im öffent-
lichen Geiſte ein Höchſtmaß an Störungen erzeugt. Italien bekommt mehr als
jedes andere Land das ganze Gewicht des A-Boot-Krieges zu ſpüren. Die
Schwierigkeiten der Verpflegung ſind groß. Die Unruhen in Turin hätten eine
ernſte Bedeutung. — Die Kirche San Bernardino ſoll von den Aufrührern in
Brand geſteckt worden ſein.

Die italieniſche Kriſe ſei in der Regierung und im Volke latent. Der
weitere Verlauf der Dinge werde von dem Fortgang des Krieges abhängen.
Trient, Trieſt und das Trentino verſchwinden vor den höchſten
Exiſtenzſorgen.


[Spaltenumbruch]

Aus Italien kommen Nachrichten von
höchſter Wichtigkeit, Die innere Kriſe erreicht
einen Höhepunkt der jetzt nicht wehr über-
boten werden kann. Eine öſterreichiſche
Offenſive
gegen Italien [würde] d[ie] nur
ſchwach niedergehaltenen revolutionären Be-
[Spaltenumbruch] ſtrebungen mit einemmale freimachen und
das Haus Savoyen hätte dann wohl die
längſte Zeit regiert. Im Volksmund geht der
Spruch, daß der Krieg zuerſt gegen Italien
zu einem [ſi]egreichen Ende komme und diesmal
dürfte im Volksmunde Gottesſtimme gelegen ſein.




Gegenrevolution in Rußland.
Rußland unter Zwangsverwaltung der Entente.

Nach Pariſer Blättern werden nunmehr England,
Amerika und Japan Rußlands Finanzen, Heer, Verproviantierung, Eiſenbahnen uſw.
unter ihre Kontrolle ſtellen. England wird die Leitung der ruſſiſchen Finanzen(!),
Frankreich die Führung der militäriſchen Operationen, Amerika und Japan die
Eiſenbahnen übernehmen.

Kerenskijs Kampf gegen ſeine Gegner.

[Spaltenumbruch]

Fort-
ſetzung des Berichtes über die demokratiſche
Konferenz. Nach der Wahl des Büros ergriff
Kerenskij das Wort und ſagte: In der Kor-
nilow-Affäre habe er ſeit langem Nachricht
über den vorbereiteten Staatsſtreich gehabt.
Die Regierung ſei ſich bewußt geweſen, daß
die Ereigniſſe in Galizien neue Anſtren-
gungen ſorderten, um die Zerrüttung der
Armee zu bekämpfen. Aber er ſei zu dieſem
Zwecke ſeinen eigenen Weg gegangen. Das
Hauptquartier habe jedes Mißgeſchick an der
Front dazu benützt, ſofort ein Ultimatum nach
Petersburg zu richten. Nach dem Zuſammen-
[Spaltenumbruch] bruch bei Riga ſeien die Vorſtellungen des
Hauptquartiers noch eindringlicher geworden.

An der Front ſtehen große Eeeigniſſe
bevor und wir wiſſen nicht, mit welchen
Mitteln wir ihnen die Stirne bieten ſollen.
Jeder, der die freie ruſſiſche Republik antaſtet,
wird die ganze Macht der revolutionären
Regierung erfahren.

Kriegsminiſter General Worhowsky ſtellt
feſt: Die Armee und die Flotte weigerten
ſich nicht zu kämpfen, aber unglücklicherweiſe
ſeien ſie nicht von dem Geiſte des Sieges be-
ſeelt, der allein Rußland retten könne.

Kerenskij wird gestürzt.
Karnilow und Kerenskij verbündet.

Der Sturz Kerenskijs ſteht bevor. Der
neue große Mann für Rußland iſt Tſchernow. Kerenskij und Kor-
nilow haben ſich angeſichts des Auftretens Tſchernows vereinigt.

Aufruhr unter den Bergarbeitern.

Der „Lokalanzeiger“ meldet ans Stockholm: Aus
Charkow und dem Kohlengebiet am Donez wurden ſchwere
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der ruſſiſchen Bergarbeiter gemeldet. Die bedeutendſten
Bergwerke wurden einfach unter Waſſer geſetzt und die Arbeiter
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[[1]/0001] Tagblatt Marburger Zeitung Bezugspreiſe: In Marburg abgeholt monatlich .. K. 2.—, vierteljährig .. K. 6.— „ zugeſtellt „ .. K. 2·40, „ .. K. 7 20 mit der Poſt täglich zugeſendet monatl. K. 2.40, „ .. K. 7 20 Einzelnummer 10 Heller, Sonntagsnummer 14 Heller. Namenloſe und unfrankierte Briefe werden nicht angenommen, Beiträge nicht zurückgeſendet. Schriftleitung, Verwaltung und Druckerei Marburg a. D., Edmund Schmidgaſſe 4. Fernſprecher Nr. 24. Verſchleißſtellen: in Graz, Klagenfurt, Pettau, Cilli, Leibnitz, Radkersburg, Mureck, Wildon, Pragerhof, W.-Feiſtritz, Rann a. S., Roh.-Sauerbrunn, W.-Graz, Spielfeld, Straß, Ehrenhau- ſen, Unter-Drauburg, Bleiburg, Völkermarkt, Pöltſchach, Friedau, Luttenberg, Deutſch-Landsberg, Eibiswald, Stainz, Schönſtein, Wöllan, Mahrenberg, Gonobitz, Trieſt. Anzeigenannahme: In Marburg: Bei der Verwaltung, R. Gaiſſer u. A. Platzer. In Graz: Bei Joſef Kienreich, Sackgaſſe. In Klagenfurt: Bei Sova’s Nachf. Tſchauer. In Wien: Bei Ed. Braun, I., Stroblgaſſe 2, M. Duckes Nachf., ., Wollzeile 16, Haaſenſtein u. Vogler, I., Schulerſtraße Nr. 11, Rud. Moſſe, I., Seilerſtätte 2, Heinrich Schalek, I., Wollzeile 11, J. Rafael, I., Graben 28, Bock und Herzfeld, I., Adlergaſſe 6. Nr. 222 Marburg, Sonntag den 30. September 1917 57. Jahrg. Die Luftschiffhalle in Ancona zerstört. Eine Kanzlerrede. Marburg, 29. September. Der deutſche Reichskanzler hat geſtern im Hauptausſchuſſe des Reichstages geſprochen. Es iſt eine Rede, die die Entente kaum erwartet haben dürfte und deren Worte den engliſchen Machthabern gellend in die Ohren klingen werden. Mit trockener Gelaſſenheit ſprach der Kanzler den Satz aus: „Ich muß es zur Zeit ablehnen, unſere Kriegsziele zu präziſieren und unſere Unterhändler feſtzulegen!“ Die Entente wird, durch den bekannten Friedensbeſchluß der Mehrheitsparteien im deutſchen Reichsrat veranlaßt und beſtärkt durch die fortwährenden Kämpfe, die Michaelis mit dieſen zu beſtehen hat, wohl gedacht haben, daß ſich nunmehr der deutſche Reichskanzler in der Friedensfrage etwas fügſamer zeigen wird und daß es England doch noch gelingen könnte, jenen billigen Frieden zu erringen, nach dem es angenblicklich mit aller Macht hinſtrebt. Mannhaft zerriß nun der Kanzler die Schleier, die von gewiſſen Dunkelmännern vor die deutſche Politik gehängt wurden und rein und klar erſcheint das Bild von der Entſchloſſenheit Deutſch- lands, nunmehr das Erträgnis der ungeheuren Opfer, die ihm durch die wüſte und rückſichtsloſe Kriegspolitik des Vierverbandes auferlegt wurden, einzuheimſen. 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September. Die ungeheuren Opfer des Krieges haben im öffent- lichen Geiſte ein Höchſtmaß an Störungen erzeugt. Italien bekommt mehr als jedes andere Land das ganze Gewicht des A-Boot-Krieges zu ſpüren. Die Schwierigkeiten der Verpflegung ſind groß. Die Unruhen in Turin hätten eine ernſte Bedeutung. — Die Kirche San Bernardino ſoll von den Aufrührern in Brand geſteckt worden ſein. Die italieniſche Kriſe ſei in der Regierung und im Volke latent. Der weitere Verlauf der Dinge werde von dem Fortgang des Krieges abhängen. Trient, Trieſt und das Trentino verſchwinden vor den höchſten Exiſtenzſorgen. Aus Italien kommen Nachrichten von höchſter Wichtigkeit, Die innere Kriſe erreicht einen Höhepunkt der jetzt nicht wehr über- boten werden kann. Eine öſterreichiſche Offenſive gegen Italien würde die nur ſchwach niedergehaltenen revolutionären Be- ſtrebungen mit einemmale freimachen und das Haus Savoyen hätte dann wohl die längſte Zeit regiert. Im Volksmund geht der Spruch, daß der Krieg zuerſt gegen Italien zu einem ſiegreichen Ende komme und diesmal dürfte im Volksmunde Gottesſtimme gelegen ſein. Gegenrevolution in Rußland. Rußland unter Zwangsverwaltung der Entente. Berlin, 28 September. Nach Pariſer Blättern werden nunmehr England, Amerika und Japan Rußlands Finanzen, Heer, Verproviantierung, Eiſenbahnen uſw. unter ihre Kontrolle ſtellen. England wird die Leitung der ruſſiſchen Finanzen(!), Frankreich die Führung der militäriſchen Operationen, Amerika und Japan die Eiſenbahnen übernehmen. Kerenskijs Kampf gegen ſeine Gegner. KB. Petersburg, 28. September. Fort- ſetzung des Berichtes über die demokratiſche Konferenz. Nach der Wahl des Büros ergriff Kerenskij das Wort und ſagte: In der Kor- nilow-Affäre habe er ſeit langem Nachricht über den vorbereiteten Staatsſtreich gehabt. Die Regierung ſei ſich bewußt geweſen, daß die Ereigniſſe in Galizien neue Anſtren- gungen ſorderten, um die Zerrüttung der Armee zu bekämpfen. 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Aufruhr unter den Bergarbeitern. Berlin, 28. September. Der „Lokalanzeiger“ meldet ans Stockholm: Aus Charkow und dem Kohlengebiet am Donez wurden ſchwere Ausſchreitungen der ruſſiſchen Bergarbeiter gemeldet. Die bedeutendſten Bergwerke wurden einfach unter Waſſer geſetzt und die Arbeiter veranſtalteten Pogroms gegen ihre Vorgeſetzten.

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Zitationshilfe: Marburger Zeitung. Nr. 222, Marburg, 30.09.1917, S. [1]. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_marburger222_1917/1>, abgerufen am 16.04.2024.