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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 99. Köln, 10. September 1848.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 99. Köln, Sonntag den 10. September. 1848.

Die "Neue Rheinische Zeitung" erscheint vom 1. Juni an, mit Ausnahme des Montags, täglich. Bestellungen für das nächste Quartal, Oktober bis Dezember, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.

Für Frankreich übernehmen Abonnements Hr. G. A. Alexander, Nr. 28 Brandgasse in Straßburg, und Nr. 23 Rue Notre-Dame de Nazareth in Paris, so wie das königl. Ober-Postamt in Aachen; für England die Herren J. J. Ewer et Comp. 72 Newgate-Street in London; für Belgien und Holland die resp. königl. Brief-Postämter und das Postbureau in Lüttich.

Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 1 Thlr. 24 Sgr. 6 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.

Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.

Die neuerdings getroffenen Anordnungen werden es in wenigen Tagen der Expedition möglich machen, die Versendung des Blattes mit der größten Regelmäßigkeit zu besorgen.

Zu Nr. 98 der N. Rh. Z. wurde heute Morgen ein Extrablatt für unsere städtischen Abonnenten ausgegeben und so viel wie möglich versandt. Für unsere übrigen Abonnenten wird der Inhalt desselben nochmals an der Spitze des Blattes abgedruckt.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Sturz des Ministeriums der That. -- Seine Nachfolger. -- Der dänisch-preußische Waffenstillstand. -- Mili#airjustiz. -- Demokratischer Verein). Frankfurt. (National-Versammlung). Berlin. (Vereinbarungsdebatte: Majorität gegen die Minister. -- Ein Barrikadenkämpfer). Wien. (Die Minister. -- Der Trauerzug durchgesetzt. -- Der demokratische Verein). Düsseldorf. (Freiligrath). Mainz. (Armeebefehl Friedrich Wilhelm III.). Kiel. (Moltke). Rendsburg. (Truppendurchmärsche. -- Wrangel und Bonin. -- Moltke. -- Reedtz. -- Landesversammlung). Hamburg. (konstit. Versammlung). Königsberg. (Kirchmann, Deputirter). Hirschberg. (Die Bauern) Ratibor. (Schloß Hultschin zerstört). Hultschin. (Mißtrauensvotum gegen Lichnowsky). Dessau. (persönliche Freiheit). Braunschweig. (Adresse wegen des Waffenstillstands).

Italien. (Die Finanzverhältnisse zwischen Oesterreich und der Lombardei. -- Die Vertagung des römi#chen Parlaments). Mailand (Zeitungen). Monza. (Konflikt mit den Oesterreichern). Verona. (Guerrillakampf).

Ungarn. Pesth. (Krawallbefürchtungen -- Die Staatsschuld).

Französische Republik. Paris. (Rüstungen in Toulon. -- Die alte dynastische Linke. -- Vermischtes. -- National-Versammlung).

Spanien. Madrid. (Deportation).

Großbritannien. London. (Die Journale. -- Louis Blanc. -- Ld John. -- Die Königin. -- Experimente mit komprimirter Luft).

Deutschland.
* Köln, 8. Sept., 10 Uhr Abends.

Das Ministerium der That ist gestürzt. Nachdem es mehrere Mal "gestolpert", hielt es sich nur noch durch seine Unverschämtheit. Endlich haben die immer steigenden Anforderungen des Ministeriums der Versammlung gezeigt, was das Geheimniß der Existenz des Ministeriums war.

In der gestrigen Sitzung der Vereinbarungs-Versammlung kam der Steinsche Antrag zur Debatte. Der Antrag lautet:

"Es sei dringende Pflicht des Staatsministeriums, den am 9. August beschlossenen Erlaß ohne Weiteres zur Beruhigung des Landes, so wie zur Vermeidung eines Bruches mit der Versammlung ergehen zu lassen."

Das Ministerium hatte erklärt, es werde sich auf keine Beschönigung, keine Vermittlung einlassen.

Die Linke hatte erklärt, sie werde austreten, wenn die Versammlung ihren Beschluß vom 9. August fallen lasse.

In der gestrigen Sitzung nun brachte, nach einer nichtssagenden Rede des Minister-Präsidenten, der Abg. Unruh folgendes Amendement ein:

"In Erwägung, daß die Beschlüsse vom 9. August keine Erforschung der Gesinnung, keinen Gewissenszwang, sondern nur die im konstitutionellen Staat nothwendige Uebereinstimmung zwischen Volk und Heer herbeizuführen, und reaktionäre Bestrebungen, sowie fernere Konflikte zwischen den Bürgern, welche zum Heer, und denen, welche zum Civilstande gehören, zu vermeiden bezwecken,"

erklärt die Versammlung:

"daß das Ministerium das Vertrauen des Landes nicht besitzt, wenn es ferner Anstand nimmt, einen dem Beschluß vom 9. August entsprechenden Erlaß an das Heer ergehen zu lassen."

Diesem Amendement des linken Centrums wurde ein zweites vom rechten Centrum entgegengestellt, durch den Abgeordneten Tamnau.

Es lautet:

"Die Nationalversammlung wolle erklären, wie folgt: die Nationalversammlung hat bei ihrem Beschluß vom 9. Aug. d. J. die Absicht gehabt, an die Befehlshaber der Armee einen ähnlichen Erlaß herbeizuführen, wie ihn die Ministerien der Finanzen und des Innern unter dem 15. Juli an die Regierungspräsidenten erlassen haben. Sie beabsichtiget nicht, die Offiziere der Armee zur Darlegung ihrer politischen Gesinnung zu nöthigen oder dem Kriegsminister den Wortlaut des Erlasses vorzuschreiben. Sie erachtet einen derartigen Erlaß, in welchem die Offiziere der Armee vor reaktionären und republikanischen Bestrebungen gewarnt werden, im Interesse des staatsbürgerlichen Friedens und zur Förderung des neuen konstitutionellen Staatssystems für nothwendig.

Nachdem eine Zeitlang hin und her debattirt, erklärt sich der "edle" Schreckenstein im Namen des Ministeriums mit dem Amendement Tamnau einverstanden. Das nach der stolzen Versicherung, keine Vermittlung annehmen zu wollen!

Nachdem die Debatte noch eine Zeit lang fortgedauert, nachdem sogar Herr Milde die Versammlung gewarnt hatte, kein revolutionärer Nationalkonvent zu werden, (die Angst des Hrn. Milde ist ganz überflüssig!) wird unter einem ungeheuern Andrang des Volks gegen den Sitzungssaal abgestimmt:

Namentliche Abstimmung:

Das Amendement Unruh mit 320 gegen 38 Stimmen verworfen.

Das Amendement Tamnau mit 210 gegen 156 Stimmen verworfen.

Der Stein'sche Antrag wird mit 219 gegen 152 Stimmen angenommen. Majorität gegen die Minister:

67 Stimmen.

Einer unserer Berliner Korrespondenten berichtet:

Die Aufregung war heute groß in der Stadt; Tausende von Menschen umlagerten das Sitzungsgebäude der Versammlung, so daß Herr Reichensperger, als der Präsident die ganz loyale Adresse der Bürgerwehr verlas, den Antrag stellte, die Versammlung solle ihre Sitzungen nach einer andern Stadt verlegen, da Berlin gefährdet sei.

Als die Nachricht von der Niederlage des Ministeriums dem versammelten Volke bekannt wurde, brach ein unaussprechlicher Jubel aus und als die Abgeordneten der Linken heraustraten, wurden sie mit ununterbrochenen Vivats bis zu den Linden begleitet. Als aber der Abgeordnete Stein (der Antragsteller der heutigen Abstimmung) erblickt wurde, da erreichte der Enthusiasmus die höchste Stufe. Einige Männer aus dem Volke setzten ihn sogleich auf ihre Schultern und trugen ihn so im Triumphzug nach seinem Hotel in der Taubenstraße. Tausende von Menschen schlossen sich diesem Zuge an und unter immerwährendem Hurrahrufen wälzten sich die Ma#en über den Opernhausplatz. Noch nie hat man hier einen solchen Freudenausdruck gesehen. Je größer die Besorgniß um den Erfolg war, desto überraschender ist der glänzende Sieg.

Gegen das Ministerium stimmte: die Linke, das linke Centrum (die Partei Rodbertus-Berg) und das Centrum (Unruh, Dunker, Rosch). Der Präsident stimmte in allen drei Fragen für das Ministerium. Ein Ministerium Waldeck-Rodbertus hat sich hiernach einer vollständigen Majorität zu erfreuen.

Wir werden also das Vergnügen haben, den Urheber der Zwangsanleihe, den Minister der That, den Herrn Hansemann "Excellenz." in wenigen Tagen hier durchspazieren, an seine "bürgerliche Vergangenheit" wieder anknüpfen und über Düchatel und Pinto nachdenken zu sehen.

Camphausen ist auf anständige Weise gefallen. Herr Hansemann, der ihn durch seine Intriguen zu Fall gebracht, Herr Hansemann hat ein gar trauriges Ende genommen! Armer Hansemann-Pinto!

** Köln, 9. Sept.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
** Köln, 9. Sept.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Die rothe Laterne.
19 Köln, 9. Sept.

Wir haben unsere Kölnischen Leser von einer wunderbaren Erscheinung zu unterhalten, -- von einer Erscheinung, nicht im trivialen Sinn gewöhnlichen Zeitungsstils, sondern einer wahrhaften romantischen Erscheinung, wie sie die seligen Herren Spieß und Cramer in ihren Zaubergeschichten, und Hr. Gustav Pfarrius in seinen romantischen Sagen nicht besser aufweisen können.

In der That handelt es sich um nichts Geringeres, als um einen seltsamen Spuk, der sich in unsern Mauern gezeigt hat.

Man erinnert sich des großartigen Fackelzugs, mit welchem der Reichsverweser und unser "engerer Landesvater" beim Domfest begrüßt wurden. Die Feierlichkeit erhob alle braven Gemüther, -- als eine fremde, höchst seltsame Erscheinung Unruhe und Verwirrung erzeugte: zwischen den vielen schwarz-roth-gelben und schwarz-weißen Lampen der Fackelträger erschien plötzlich, wie aus der Erde gezaubert, eine riesige rothe Laterne.

Unsere Leser wissen, wir sind keine Spökenkiker; wir betrachten die deutschen Erscheinungen ohne alle poetische Ammen-Romantik. Nichtsdestoweniger müssen wir bekennen, daß wir die Besorgniß der guten Bürger beim Anblick der geheimnißvollen "rothen Laterne" vollständig gerechtfertigt finden. Eine rothe Laterne! Rechnet man hinzu, daß der Träger dieser Laterne einen weißen Hut auf dem Schädel hatte, und daß in der Luft viele blaue Dünste waren, so wird jeder Mann von einiger Ueberlegung auf sonderbare Schlüsse kommen. Die Laterne war übrigens von besonders seltsamen, gespenstigem Aussehen; selbst Se. Majestät der König blickte von dem Balkon des Regierungsgebäudes unausgesetzt nach ihr, und sagte, wie man uns mittheilt, bei ihrem Verschwinden: "Gottlob, daß sie fort ist!"

Allerdings, sie verschwand. Und auf eine wundersame Weise, wie es der ganzen seltsamen Erscheinung würdig war. Ein guter Bürger ermannte sich, um der Realität dieses Spuks auf den Grund zu kommen, und wie der Gallier einst in dem eroberten Rom Einen der 300 alten, bildsäulenartigen Senatoren am Bart zupfte, um sich von seinem Leben zu überzeugen, so faßte unser Mitbürger seinen Regenschirm und schlug ihn auf den weißen Hut des Unbekannten. Der weiße Hut und die rothe Laterne rollten in die Gosse, und der Spuk endete mit einer feierlichen Prügelei.

Die geheimnißvolle Angelegenheit droht indeß, vor einem andern Forum weiter abgehaspelt zu werden. Ein Lieutenant S., der, nachdem er seinen Abschied genommen, noch wegen "demokratischer Gesinnung" in ehrengerichtliche Untersuchung verwickelt ist, war in der Nähe der "rothen Laterne" gesehen worden. Könnte der Geist der "rothen Laterne" nicht vielleicht in diesen Mann gefahren sein? Der Ehrenrath entschied, die Angelegenheit der "rothen Laterne" mit der frühern Untersuchung zu vereinigen, und in der That wollen einige der anwesenden Spökenkiker bemerkt haben, daß die Prügelei dem demokratischen Offizier gefährlich nahe gekommen sei.

Wir werden, um diese beunruhigende Angelegenheit vollends aufzuklären, s. Z. das Resultat dieses interessanten Prozesses mittheilen. Vorläufig können aber unsere Mitbürger ruhig ihrem nächtlichen Schlafe fröhnen: die "rothe Laterne" hat sich nicht wieder sehen lassen.

Amtliches.

Womit man sich in Frankfurt während der Minister- und Waffenstillstandskrise beschäftigt:

Die Oberpostamtszeitung bringt heute in ihrem amtlichen Theil folgende wichtige Mittheilung:

Der Reichsverweser hat die von dem Gesammt-Reichs-Ministerium zur Regelung der im schriftlichen Verkehr zwischen ihm und den Reichsbehörden, sowie der letztern untereinander und gegenüber von den Behörden und Beamten der deutschen Einzelstaaten zu beobachtenden hier unten folgenden Formen der Ueberschrift, der Anrede und des Schlusses beantragten Bestimmungen am 2. d. M. genehmigt und verfügt, daß hiernach von Seite der Reichsministerien und Behörden verfahren werde.

I. An den Reichsverweser.

1) Aufschrift: an den Reichsverweser.

2) Der Reichsverweser hat folgende Anrede: hoher Reichsverweser, im Contexte: der hohe Reichsverweser, Sie und Kaiserliche Hoheit.

3) Schluß: In Ehrerbietung der Minister de .....

II. An die Ministerien.

1) Aufschrift und Ueberschrift, statt der Anrede:

An das Reichsministerium de .....

2) Im Context: das Reichsministerium.

3) Kein Schluß, sondern bloß Ort und Datum, dann die Unterschrift.

III. An die Minister und Unterstaatssekretäre.

1) Aufschrift: An den Ministerpräsidenten des Reichsministeriums, Herrn .....

oder: An den Reichsminister der auswärtigen Angelegenheiten, Herrn .....

oder: An den Unterstaatssekretär im Reichsministerium des Innern, Herrn .....

2) Anrede: Herr Ministerpräsident!

oder: Herr Minister!

oder: Herr Unterstaatssekretär!

3) Statt der Schlußanrede bloß Ort, Datum und Unterschrift.

IV. Die Anreden und Aufschriften Exzellenz, Hochwohlgeboren etc. sind aufgehoben.

V. Die Reichsministerien gebrauchen, gegenüber von den Behörden und Beamten der einzelnen deutschen Staaten, eine gleich einfache Titulatur, wie sie dieselbe für sich selbst eingeführt haben.

Sie bedienen sich daher in der Ueberschrift und Anrede lediglich

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 99. Köln, Sonntag den 10. September. 1848.

Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an, mit Ausnahme des Montags, täglich. Bestellungen für das nächste Quartal, Oktober bis Dezember, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an.

Für Frankreich übernehmen Abonnements Hr. G. A. Alexander, Nr. 28 Brandgasse in Straßburg, und Nr. 23 Rue Notre-Dame de Nazareth in Paris, so wie das königl. Ober-Postamt in Aachen; für England die Herren J. J. Ewer et Comp. 72 Newgate-Street in London; für Belgien und Holland die resp. königl. Brief-Postämter und das Postbureau in Lüttich.

Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 1 Thlr. 24 Sgr. 6 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf.

Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung.

Die neuerdings getroffenen Anordnungen werden es in wenigen Tagen der Expedition möglich machen, die Versendung des Blattes mit der größten Regelmäßigkeit zu besorgen.

Zu Nr. 98 der N. Rh. Z. wurde heute Morgen ein Extrablatt für unsere städtischen Abonnenten ausgegeben und so viel wie möglich versandt. Für unsere übrigen Abonnenten wird der Inhalt desselben nochmals an der Spitze des Blattes abgedruckt.

Uebersicht.

Deutschland. Köln. (Sturz des Ministeriums der That. — Seine Nachfolger. — Der dänisch-preußische Waffenstillstand. — Mili#airjustiz. — Demokratischer Verein). Frankfurt. (National-Versammlung). Berlin. (Vereinbarungsdebatte: Majorität gegen die Minister. — Ein Barrikadenkämpfer). Wien. (Die Minister. — Der Trauerzug durchgesetzt. — Der demokratische Verein). Düsseldorf. (Freiligrath). Mainz. (Armeebefehl Friedrich Wilhelm III.). Kiel. (Moltke). Rendsburg. (Truppendurchmärsche. — Wrangel und Bonin. — Moltke. — Reedtz. — Landesversammlung). Hamburg. (konstit. Versammlung). Königsberg. (Kirchmann, Deputirter). Hirschberg. (Die Bauern) Ratibor. (Schloß Hultschin zerstört). Hultschin. (Mißtrauensvotum gegen Lichnowsky). Dessau. (persönliche Freiheit). Braunschweig. (Adresse wegen des Waffenstillstands).

Italien. (Die Finanzverhältnisse zwischen Oesterreich und der Lombardei. — Die Vertagung des römi#chen Parlaments). Mailand (Zeitungen). Monza. (Konflikt mit den Oesterreichern). Verona. (Guerrillakampf).

Ungarn. Pesth. (Krawallbefürchtungen — Die Staatsschuld).

Französische Republik. Paris. (Rüstungen in Toulon. — Die alte dynastische Linke. — Vermischtes. — National-Versammlung).

Spanien. Madrid. (Deportation).

Großbritannien. London. (Die Journale. — Louis Blanc. — Ld John. — Die Königin. — Experimente mit komprimirter Luft).

Deutschland.
* Köln, 8. Sept., 10 Uhr Abends.

Das Ministerium der That ist gestürzt. Nachdem es mehrere Mal „gestolpert“, hielt es sich nur noch durch seine Unverschämtheit. Endlich haben die immer steigenden Anforderungen des Ministeriums der Versammlung gezeigt, was das Geheimniß der Existenz des Ministeriums war.

In der gestrigen Sitzung der Vereinbarungs-Versammlung kam der Steinsche Antrag zur Debatte. Der Antrag lautet:

„Es sei dringende Pflicht des Staatsministeriums, den am 9. August beschlossenen Erlaß ohne Weiteres zur Beruhigung des Landes, so wie zur Vermeidung eines Bruches mit der Versammlung ergehen zu lassen.“

Das Ministerium hatte erklärt, es werde sich auf keine Beschönigung, keine Vermittlung einlassen.

Die Linke hatte erklärt, sie werde austreten, wenn die Versammlung ihren Beschluß vom 9. August fallen lasse.

In der gestrigen Sitzung nun brachte, nach einer nichtssagenden Rede des Minister-Präsidenten, der Abg. Unruh folgendes Amendement ein:

„In Erwägung, daß die Beschlüsse vom 9. August keine Erforschung der Gesinnung, keinen Gewissenszwang, sondern nur die im konstitutionellen Staat nothwendige Uebereinstimmung zwischen Volk und Heer herbeizuführen, und reaktionäre Bestrebungen, sowie fernere Konflikte zwischen den Bürgern, welche zum Heer, und denen, welche zum Civilstande gehören, zu vermeiden bezwecken,“

erklärt die Versammlung:

„daß das Ministerium das Vertrauen des Landes nicht besitzt, wenn es ferner Anstand nimmt, einen dem Beschluß vom 9. August entsprechenden Erlaß an das Heer ergehen zu lassen.“

Diesem Amendement des linken Centrums wurde ein zweites vom rechten Centrum entgegengestellt, durch den Abgeordneten Tamnau.

Es lautet:

„Die Nationalversammlung wolle erklären, wie folgt: die Nationalversammlung hat bei ihrem Beschluß vom 9. Aug. d. J. die Absicht gehabt, an die Befehlshaber der Armee einen ähnlichen Erlaß herbeizuführen, wie ihn die Ministerien der Finanzen und des Innern unter dem 15. Juli an die Regierungspräsidenten erlassen haben. Sie beabsichtiget nicht, die Offiziere der Armee zur Darlegung ihrer politischen Gesinnung zu nöthigen oder dem Kriegsminister den Wortlaut des Erlasses vorzuschreiben. Sie erachtet einen derartigen Erlaß, in welchem die Offiziere der Armee vor reaktionären und republikanischen Bestrebungen gewarnt werden, im Interesse des staatsbürgerlichen Friedens und zur Förderung des neuen konstitutionellen Staatssystems für nothwendig.

Nachdem eine Zeitlang hin und her debattirt, erklärt sich der „edle“ Schreckenstein im Namen des Ministeriums mit dem Amendement Tamnau einverstanden. Das nach der stolzen Versicherung, keine Vermittlung annehmen zu wollen!

Nachdem die Debatte noch eine Zeit lang fortgedauert, nachdem sogar Herr Milde die Versammlung gewarnt hatte, kein revolutionärer Nationalkonvent zu werden, (die Angst des Hrn. Milde ist ganz überflüssig!) wird unter einem ungeheuern Andrang des Volks gegen den Sitzungssaal abgestimmt:

Namentliche Abstimmung:

Das Amendement Unruh mit 320 gegen 38 Stimmen verworfen.

Das Amendement Tamnau mit 210 gegen 156 Stimmen verworfen.

Der Stein'sche Antrag wird mit 219 gegen 152 Stimmen angenommen. Majorität gegen die Minister:

67 Stimmen.

Einer unserer Berliner Korrespondenten berichtet:

Die Aufregung war heute groß in der Stadt; Tausende von Menschen umlagerten das Sitzungsgebäude der Versammlung, so daß Herr Reichensperger, als der Präsident die ganz loyale Adresse der Bürgerwehr verlas, den Antrag stellte, die Versammlung solle ihre Sitzungen nach einer andern Stadt verlegen, da Berlin gefährdet sei.

Als die Nachricht von der Niederlage des Ministeriums dem versammelten Volke bekannt wurde, brach ein unaussprechlicher Jubel aus und als die Abgeordneten der Linken heraustraten, wurden sie mit ununterbrochenen Vivats bis zu den Linden begleitet. Als aber der Abgeordnete Stein (der Antragsteller der heutigen Abstimmung) erblickt wurde, da erreichte der Enthusiasmus die höchste Stufe. Einige Männer aus dem Volke setzten ihn sogleich auf ihre Schultern und trugen ihn so im Triumphzug nach seinem Hotel in der Taubenstraße. Tausende von Menschen schlossen sich diesem Zuge an und unter immerwährendem Hurrahrufen wälzten sich die Ma#en über den Opernhausplatz. Noch nie hat man hier einen solchen Freudenausdruck gesehen. Je größer die Besorgniß um den Erfolg war, desto überraschender ist der glänzende Sieg.

Gegen das Ministerium stimmte: die Linke, das linke Centrum (die Partei Rodbertus-Berg) und das Centrum (Unruh, Dunker, Rosch). Der Präsident stimmte in allen drei Fragen für das Ministerium. Ein Ministerium Waldeck-Rodbertus hat sich hiernach einer vollständigen Majorität zu erfreuen.

Wir werden also das Vergnügen haben, den Urheber der Zwangsanleihe, den Minister der That, den Herrn Hansemann „Excellenz.“ in wenigen Tagen hier durchspazieren, an seine „bürgerliche Vergangenheit“ wieder anknüpfen und über Düchatel und Pinto nachdenken zu sehen.

Camphausen ist auf anständige Weise gefallen. Herr Hansemann, der ihn durch seine Intriguen zu Fall gebracht, Herr Hansemann hat ein gar trauriges Ende genommen! Armer Hansemann-Pinto!

** Köln, 9. Sept.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
** Köln, 9. Sept.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
Die rothe Laterne.
19 Köln, 9. Sept.

Wir haben unsere Kölnischen Leser von einer wunderbaren Erscheinung zu unterhalten, — von einer Erscheinung, nicht im trivialen Sinn gewöhnlichen Zeitungsstils, sondern einer wahrhaften romantischen Erscheinung, wie sie die seligen Herren Spieß und Cramer in ihren Zaubergeschichten, und Hr. Gustav Pfarrius in seinen romantischen Sagen nicht besser aufweisen können.

In der That handelt es sich um nichts Geringeres, als um einen seltsamen Spuk, der sich in unsern Mauern gezeigt hat.

Man erinnert sich des großartigen Fackelzugs, mit welchem der Reichsverweser und unser „engerer Landesvater“ beim Domfest begrüßt wurden. Die Feierlichkeit erhob alle braven Gemüther, — als eine fremde, höchst seltsame Erscheinung Unruhe und Verwirrung erzeugte: zwischen den vielen schwarz-roth-gelben und schwarz-weißen Lampen der Fackelträger erschien plötzlich, wie aus der Erde gezaubert, eine riesige rothe Laterne.

Unsere Leser wissen, wir sind keine Spökenkiker; wir betrachten die deutschen Erscheinungen ohne alle poetische Ammen-Romantik. Nichtsdestoweniger müssen wir bekennen, daß wir die Besorgniß der guten Bürger beim Anblick der geheimnißvollen „rothen Laterne“ vollständig gerechtfertigt finden. Eine rothe Laterne! Rechnet man hinzu, daß der Träger dieser Laterne einen weißen Hut auf dem Schädel hatte, und daß in der Luft viele blaue Dünste waren, so wird jeder Mann von einiger Ueberlegung auf sonderbare Schlüsse kommen. Die Laterne war übrigens von besonders seltsamen, gespenstigem Aussehen; selbst Se. Majestät der König blickte von dem Balkon des Regierungsgebäudes unausgesetzt nach ihr, und sagte, wie man uns mittheilt, bei ihrem Verschwinden: „Gottlob, daß sie fort ist!“

Allerdings, sie verschwand. Und auf eine wundersame Weise, wie es der ganzen seltsamen Erscheinung würdig war. Ein guter Bürger ermannte sich, um der Realität dieses Spuks auf den Grund zu kommen, und wie der Gallier einst in dem eroberten Rom Einen der 300 alten, bildsäulenartigen Senatoren am Bart zupfte, um sich von seinem Leben zu überzeugen, so faßte unser Mitbürger seinen Regenschirm und schlug ihn auf den weißen Hut des Unbekannten. Der weiße Hut und die rothe Laterne rollten in die Gosse, und der Spuk endete mit einer feierlichen Prügelei.

Die geheimnißvolle Angelegenheit droht indeß, vor einem andern Forum weiter abgehaspelt zu werden. Ein Lieutenant S., der, nachdem er seinen Abschied genommen, noch wegen „demokratischer Gesinnung“ in ehrengerichtliche Untersuchung verwickelt ist, war in der Nähe der „rothen Laterne“ gesehen worden. Könnte der Geist der „rothen Laterne“ nicht vielleicht in diesen Mann gefahren sein? Der Ehrenrath entschied, die Angelegenheit der „rothen Laterne“ mit der frühern Untersuchung zu vereinigen, und in der That wollen einige der anwesenden Spökenkiker bemerkt haben, daß die Prügelei dem demokratischen Offizier gefährlich nahe gekommen sei.

Wir werden, um diese beunruhigende Angelegenheit vollends aufzuklären, s. Z. das Resultat dieses interessanten Prozesses mittheilen. Vorläufig können aber unsere Mitbürger ruhig ihrem nächtlichen Schlafe fröhnen: die „rothe Laterne“ hat sich nicht wieder sehen lassen.

Amtliches.

Womit man sich in Frankfurt während der Minister- und Waffenstillstandskrise beschäftigt:

Die Oberpostamtszeitung bringt heute in ihrem amtlichen Theil folgende wichtige Mittheilung:

Der Reichsverweser hat die von dem Gesammt-Reichs-Ministerium zur Regelung der im schriftlichen Verkehr zwischen ihm und den Reichsbehörden, sowie der letztern untereinander und gegenüber von den Behörden und Beamten der deutschen Einzelstaaten zu beobachtenden hier unten folgenden Formen der Ueberschrift, der Anrede und des Schlusses beantragten Bestimmungen am 2. d. M. genehmigt und verfügt, daß hiernach von Seite der Reichsministerien und Behörden verfahren werde.

I. An den Reichsverweser.

1) Aufschrift: an den Reichsverweser.

2) Der Reichsverweser hat folgende Anrede: hoher Reichsverweser, im Contexte: der hohe Reichsverweser, Sie und Kaiserliche Hoheit.

3) Schluß: In Ehrerbietung der Minister de ‥…

II. An die Ministerien.

1) Aufschrift und Ueberschrift, statt der Anrede:

An das Reichsministerium de ‥…

2) Im Context: das Reichsministerium.

3) Kein Schluß, sondern bloß Ort und Datum, dann die Unterschrift.

III. An die Minister und Unterstaatssekretäre.

1) Aufschrift: An den Ministerpräsidenten des Reichsministeriums, Herrn ‥…

oder: An den Reichsminister der auswärtigen Angelegenheiten, Herrn ‥…

oder: An den Unterstaatssekretär im Reichsministerium des Innern, Herrn ‥…

2) Anrede: Herr Ministerpräsident!

oder: Herr Minister!

oder: Herr Unterstaatssekretär!

3) Statt der Schlußanrede bloß Ort, Datum und Unterschrift.

IV. Die Anreden und Aufschriften Exzellenz, Hochwohlgeboren etc. sind aufgehoben.

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      <div type="contents" n="1">
        <head>Uebersicht.</head>
        <p><hi rendition="#g">Deutschland</hi>. Köln. (Sturz des Ministeriums der That. &#x2014;                     Seine Nachfolger. &#x2014; Der dänisch-preußische Waffenstillstand. &#x2014; Mili#airjustiz. &#x2014;                     Demokratischer Verein). Frankfurt. (National-Versammlung). Berlin.                     (Vereinbarungsdebatte: Majorität gegen die Minister. &#x2014; Ein Barrikadenkämpfer).                     Wien. (Die Minister. &#x2014; Der Trauerzug durchgesetzt. &#x2014; Der demokratische Verein).                     Düsseldorf. (Freiligrath). Mainz. (Armeebefehl Friedrich Wilhelm III.). Kiel.                     (Moltke). Rendsburg. (Truppendurchmärsche. &#x2014; Wrangel und Bonin. &#x2014; Moltke. &#x2014;                     Reedtz. &#x2014; Landesversammlung). Hamburg. (konstit. Versammlung). Königsberg.                     (Kirchmann, Deputirter). Hirschberg. (Die Bauern) Ratibor. (Schloß Hultschin                     zerstört). Hultschin. (Mißtrauensvotum gegen Lichnowsky). Dessau. (persönliche                     Freiheit). Braunschweig. (Adresse wegen des Waffenstillstands).</p>
        <p><hi rendition="#g">Italien</hi>. (Die Finanzverhältnisse zwischen Oesterreich und                     der Lombardei. &#x2014; Die Vertagung des römi#chen Parlaments). Mailand (Zeitungen).                     Monza. (Konflikt mit den Oesterreichern). Verona. (Guerrillakampf).</p>
        <p><hi rendition="#g">Ungarn</hi>. Pesth. (Krawallbefürchtungen &#x2014; Die                     Staatsschuld).</p>
        <p><hi rendition="#g">Französische Republik</hi>. Paris. (Rüstungen in Toulon. &#x2014; Die                     alte dynastische Linke. &#x2014; Vermischtes. &#x2014; National-Versammlung).</p>
        <p><hi rendition="#g">Spanien</hi>. Madrid. (Deportation).</p>
        <p><hi rendition="#g">Großbritannien</hi>. London. (Die Journale. &#x2014; Louis Blanc. &#x2014;                     Ld John. &#x2014; Die Königin. &#x2014; Experimente mit komprimirter Luft).</p>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar099_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 8. Sept., 10 Uhr                         Abends.</head>
          <p><hi rendition="#b">Das Ministerium der That ist gestürzt. Nachdem es mehrere                             Mal &#x201E;gestolpert&#x201C;, hielt es sich nur noch durch seine                             Unverschämtheit.</hi> Endlich haben die immer steigenden Anforderungen                         des Ministeriums der Versammlung gezeigt, was das Geheimniß der Existenz des                         Ministeriums war.</p>
          <p>In der gestrigen Sitzung der Vereinbarungs-Versammlung kam der <hi rendition="#b">Steinsche Antrag</hi> zur Debatte. Der Antrag lautet:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Es sei dringende Pflicht des Staatsministeriums, den am 9.                         August beschlossenen Erlaß ohne Weiteres zur Beruhigung des Landes, so wie                         zur Vermeidung eines Bruches mit der Versammlung ergehen zu lassen.&#x201C;</p>
          <p>Das Ministerium hatte erklärt, es werde sich auf keine Beschönigung, keine                         Vermittlung einlassen.</p>
          <p>Die Linke hatte erklärt, sie werde austreten, wenn die Versammlung ihren                         Beschluß vom 9. August fallen lasse.</p>
          <p>In der gestrigen Sitzung nun brachte, nach einer nichtssagenden Rede des                         Minister-Präsidenten, der Abg. <hi rendition="#g">Unruh</hi> folgendes                         Amendement ein:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;In Erwägung, daß die Beschlüsse vom 9. August keine                         Erforschung der Gesinnung, keinen Gewissenszwang, sondern nur die im                         konstitutionellen Staat nothwendige Uebereinstimmung zwischen Volk und Heer                         herbeizuführen, und reaktionäre Bestrebungen, sowie fernere Konflikte                         zwischen den Bürgern, welche zum Heer, und denen, welche zum Civilstande                         gehören, zu vermeiden bezwecken,&#x201C;</p>
          <p>erklärt die Versammlung:</p>
          <p rendition="#et"> <hi rendition="#b">&#x201E;daß das Ministerium das Vertrauen des                             Landes nicht besitzt, wenn es ferner Anstand nimmt, einen dem Beschluß                             vom 9. August entsprechenden Erlaß an das Heer ergehen zu                         lassen.&#x201C;</hi> </p>
          <p>Diesem Amendement des <hi rendition="#b">linken Centrums</hi> wurde ein                         zweites vom <hi rendition="#b">rechten Centrum</hi> entgegengestellt, durch                         den Abgeordneten Tamnau.</p>
          <p>Es lautet:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Die Nationalversammlung wolle erklären, wie folgt: die                         Nationalversammlung hat bei ihrem Beschluß vom 9. Aug. d. J. die Absicht                         gehabt, an die Befehlshaber der Armee einen ähnlichen Erlaß herbeizuführen,                         wie ihn die Ministerien der Finanzen und des Innern unter dem 15. Juli an                         die Regierungspräsidenten erlassen haben. Sie beabsichtiget nicht, die                         Offiziere der Armee zur Darlegung ihrer politischen Gesinnung zu nöthigen                         oder dem Kriegsminister den Wortlaut des Erlasses vorzuschreiben. <hi rendition="#b">Sie erachtet einen derartigen Erlaß, in welchem die                             Offiziere der Armee vor reaktionären und republikanischen Bestrebungen                             gewarnt werden, im Interesse des staatsbürgerlichen Friedens und zur                             Förderung des neuen konstitutionellen Staatssystems für                         nothwendig.</hi> </p>
          <p>Nachdem eine Zeitlang hin und her debattirt, erklärt sich der &#x201E;edle&#x201C; <hi rendition="#g">Schreckenstein</hi> im Namen des Ministeriums mit dem                         Amendement <hi rendition="#b">Tamnau einverstanden.</hi> Das nach der                         stolzen Versicherung, keine Vermittlung annehmen zu wollen!</p>
          <p>Nachdem die Debatte noch eine Zeit lang fortgedauert, nachdem sogar Herr <hi rendition="#g">Milde</hi> die Versammlung gewarnt hatte, kein <hi rendition="#b">revolutionärer Nationalkonvent</hi> zu werden, (die Angst                         des Hrn. Milde ist ganz überflüssig!) wird unter einem ungeheuern Andrang                         des Volks gegen den Sitzungssaal abgestimmt:</p>
          <p>Namentliche Abstimmung:</p>
          <p>Das <hi rendition="#b">Amendement Unruh</hi> mit 320 gegen 38 Stimmen <hi rendition="#b">verworfen.</hi> </p>
          <p>Das <hi rendition="#b">Amendement Tamnau</hi> mit 210 gegen 156 Stimmen <hi rendition="#b">verworfen.</hi> </p>
          <p> <hi rendition="#b">Der Stein'sche Antrag wird mit 219 gegen 152 Stimmen                             angenommen. Majorität gegen die Minister:</hi> </p>
          <p> <hi rendition="#b">67 Stimmen.</hi> </p>
          <p>Einer unserer Berliner Korrespondenten berichtet:</p>
          <p>Die Aufregung war heute groß in der Stadt; Tausende von Menschen umlagerten                         das Sitzungsgebäude der Versammlung, so daß Herr Reichensperger, als der                         Präsident die ganz loyale Adresse der Bürgerwehr verlas, den Antrag stellte,                         die Versammlung solle ihre Sitzungen nach einer andern Stadt verlegen, da                         Berlin gefährdet sei.</p>
          <p>Als die Nachricht von der Niederlage des Ministeriums dem versammelten Volke                         bekannt wurde, brach ein unaussprechlicher Jubel aus und als die                         Abgeordneten der Linken heraustraten, wurden sie mit ununterbrochenen Vivats                         bis zu den Linden begleitet. Als aber der Abgeordnete Stein (der                         Antragsteller der heutigen Abstimmung) erblickt wurde, da erreichte der                         Enthusiasmus die höchste Stufe. Einige Männer aus dem Volke setzten ihn                         sogleich auf ihre Schultern und trugen ihn so im Triumphzug nach seinem                         Hotel in der Taubenstraße. Tausende von Menschen schlossen sich diesem Zuge                         an und unter immerwährendem Hurrahrufen wälzten sich die Ma#en über den                         Opernhausplatz. Noch nie hat man hier einen solchen Freudenausdruck gesehen.                         Je größer die Besorgniß um den Erfolg war, desto überraschender ist der                         glänzende Sieg.</p>
          <p>Gegen das Ministerium stimmte: die Linke, das linke Centrum (die Partei                         Rodbertus-Berg) und das Centrum (Unruh, Dunker, Rosch). Der Präsident                         stimmte in allen drei Fragen für das Ministerium. Ein Ministerium                         Waldeck-Rodbertus hat sich hiernach einer vollständigen Majorität zu                         erfreuen.</p>
          <p>Wir werden also das Vergnügen haben, den Urheber der Zwangsanleihe, den                         Minister der That, den Herrn Hansemann <hi rendition="#b">&#x201E;Excellenz.&#x201C;</hi> in wenigen Tagen hier durchspazieren, an seine &#x201E;bürgerliche Vergangenheit&#x201C;                         wieder anknüpfen und über Düchatel und Pinto nachdenken zu sehen.</p>
          <p>Camphausen ist auf anständige Weise gefallen. Herr Hansemann, der ihn durch                         seine Intriguen zu Fall gebracht, Herr Hansemann hat ein gar trauriges Ende                         genommen! Armer Hansemann-Pinto!</p>
        </div>
        <div xml:id="ar099_002_c" type="jArticle">
          <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Seine Nachfolger. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 682.</bibl>                </note>
          <head><bibl><author>**</author></bibl> Köln, 9. Sept.</head>
          <gap reason="copyright"/>
        </div>
        <div xml:id="ar099_003_c" type="jArticle">
          <note type="editorial">Edition: <bibl>Friedrich Engels: Der dänisch-preußische Waffenstillstand. In: MEGA<hi rendition="#sup">2</hi> I/7. S. 683.</bibl>                </note>
          <head><bibl><author>**</author></bibl> Köln, 9. Sept.</head>
          <gap reason="copyright"/>
        </div>
      </div>
      <div type="jFeuilleton" n="1">
        <div xml:id="ar099_004" type="jArticle">
          <head>Die rothe Laterne.<lb/><bibl><author>19</author></bibl> Köln, 9. Sept.</head>
          <p>Wir haben unsere Kölnischen Leser von einer wunderbaren Erscheinung zu                         unterhalten, &#x2014; von einer Erscheinung, nicht im trivialen Sinn gewöhnlichen                         Zeitungsstils, sondern einer wahrhaften romantischen Erscheinung, wie sie                         die seligen Herren Spieß und Cramer in ihren Zaubergeschichten, und Hr.                         Gustav Pfarrius in seinen romantischen Sagen nicht besser aufweisen                         können.</p>
          <p>In der That handelt es sich um nichts Geringeres, als um einen seltsamen                         Spuk, der sich in unsern Mauern gezeigt hat.</p>
          <p>Man erinnert sich des großartigen Fackelzugs, mit welchem der Reichsverweser                         und unser &#x201E;engerer Landesvater&#x201C; beim Domfest begrüßt wurden. Die                         Feierlichkeit erhob alle braven Gemüther, &#x2014; als eine fremde, höchst seltsame                         Erscheinung Unruhe und Verwirrung erzeugte: zwischen den vielen                         schwarz-roth-gelben und schwarz-weißen Lampen der Fackelträger erschien                         plötzlich, wie aus der Erde gezaubert, eine riesige <hi rendition="#g">rothe                             Laterne</hi>.</p>
          <p>Unsere Leser wissen, wir sind keine Spökenkiker; wir betrachten die deutschen                         Erscheinungen ohne alle poetische Ammen-Romantik. Nichtsdestoweniger müssen                         wir bekennen, daß wir die Besorgniß der guten Bürger beim Anblick der                         geheimnißvollen &#x201E;rothen Laterne&#x201C; vollständig gerechtfertigt finden. Eine                         rothe Laterne! Rechnet man hinzu, daß der Träger dieser Laterne einen weißen                         Hut auf dem Schädel hatte, und daß in der Luft viele blaue Dünste waren, so                         wird jeder Mann von einiger Ueberlegung auf sonderbare Schlüsse kommen. Die                         Laterne war übrigens von besonders seltsamen, gespenstigem Aussehen; selbst                         Se. Majestät der König blickte von dem Balkon des Regierungsgebäudes                         unausgesetzt nach ihr, und sagte, wie man uns mittheilt, bei ihrem                         Verschwinden: &#x201E;Gottlob, daß sie fort ist!&#x201C;</p>
          <p>Allerdings, sie verschwand. Und auf eine wundersame Weise, wie es der ganzen                         seltsamen Erscheinung würdig war. Ein guter Bürger ermannte sich, um der                         Realität dieses Spuks auf den Grund zu kommen, und wie der Gallier einst in                         dem eroberten Rom Einen der 300 alten, bildsäulenartigen Senatoren am Bart                         zupfte, um sich von seinem Leben zu überzeugen, so faßte unser Mitbürger                         seinen Regenschirm und schlug ihn auf den weißen Hut des Unbekannten. Der                         weiße Hut und die rothe Laterne rollten in die Gosse, und der Spuk endete                         mit einer feierlichen Prügelei.</p>
          <p>Die geheimnißvolle Angelegenheit droht indeß, vor einem andern Forum weiter                         abgehaspelt zu werden. Ein Lieutenant S., der, nachdem er seinen Abschied                         genommen, noch wegen &#x201E;demokratischer Gesinnung&#x201C; in ehrengerichtliche                         Untersuchung verwickelt ist, war in der Nähe der &#x201E;rothen Laterne&#x201C; gesehen                         worden. Könnte der Geist der &#x201E;rothen Laterne&#x201C; nicht vielleicht in diesen                         Mann gefahren sein? Der Ehrenrath entschied, die Angelegenheit der &#x201E;rothen                         Laterne&#x201C; mit der frühern Untersuchung zu vereinigen, und in der That wollen                         einige der anwesenden Spökenkiker bemerkt haben, daß die Prügelei dem                         demokratischen Offizier gefährlich nahe gekommen sei.</p>
          <p>Wir werden, um diese beunruhigende Angelegenheit vollends aufzuklären, s. Z.                         das Resultat dieses interessanten Prozesses mittheilen. Vorläufig können                         aber unsere Mitbürger ruhig ihrem nächtlichen Schlafe fröhnen: die &#x201E;rothe                         Laterne&#x201C; hat sich nicht wieder sehen lassen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar099_005" type="jArticle">
          <head>Amtliches.</head>
          <p>Womit man sich in Frankfurt während der Minister- und Waffenstillstandskrise                         beschäftigt:</p>
          <p>Die Oberpostamtszeitung bringt heute in ihrem amtlichen Theil folgende                         wichtige Mittheilung:</p>
          <p>Der Reichsverweser hat die von dem Gesammt-Reichs-Ministerium zur Regelung                         der im schriftlichen Verkehr zwischen ihm und den Reichsbehörden, sowie der                         letztern untereinander und gegenüber von den Behörden und Beamten der                         deutschen Einzelstaaten zu beobachtenden hier unten folgenden Formen der                         Ueberschrift, der Anrede und des Schlusses beantragten Bestimmungen am 2. d.                         M. genehmigt und verfügt, daß hiernach von Seite der Reichsministerien und                         Behörden verfahren werde.</p>
          <p>I. <hi rendition="#g">An den Reichsverweser</hi>.</p>
          <p>1) Aufschrift: an den Reichsverweser.</p>
          <p>2) Der Reichsverweser hat folgende Anrede: hoher Reichsverweser, im Contexte:                         der hohe Reichsverweser, Sie und Kaiserliche Hoheit.</p>
          <p>3) Schluß: In Ehrerbietung der Minister de &#x2025;&#x2026;</p>
          <p>II. <hi rendition="#g">An die Ministerien</hi>.</p>
          <p>1) Aufschrift und Ueberschrift, statt der Anrede:</p>
          <p>An das Reichsministerium de &#x2025;&#x2026;</p>
          <p>2) Im Context: das Reichsministerium.</p>
          <p>3) Kein Schluß, sondern bloß Ort und Datum, dann die Unterschrift.</p>
          <p>III. <hi rendition="#g">An die Minister und Unterstaatssekretäre</hi>.</p>
          <p>1) Aufschrift: An den Ministerpräsidenten des Reichsministeriums, Herrn                         &#x2025;&#x2026;</p>
          <p>oder: An den Reichsminister der auswärtigen Angelegenheiten, Herrn &#x2025;&#x2026;</p>
          <p>oder: An den Unterstaatssekretär im Reichsministerium des Innern, Herrn                         &#x2025;&#x2026;</p>
          <p>2) Anrede: Herr Ministerpräsident!</p>
          <p>oder: Herr Minister!</p>
          <p>oder: Herr Unterstaatssekretär!</p>
          <p>3) Statt der Schlußanrede bloß Ort, Datum und Unterschrift.</p>
          <p>IV. Die Anreden und Aufschriften Exzellenz, Hochwohlgeboren etc. sind                         aufgehoben.</p>
          <p>V. Die Reichsministerien gebrauchen, gegenüber von den Behörden und Beamten                         der einzelnen deutschen Staaten, eine gleich einfache Titulatur, wie sie                         dieselbe für sich selbst eingeführt haben.</p>
          <p>Sie bedienen sich daher in der Ueberschrift und Anrede lediglich
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
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[0495/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 99. Köln, Sonntag den 10. September. 1848. Die „Neue Rheinische Zeitung“ erscheint vom 1. Juni an, mit Ausnahme des Montags, täglich. Bestellungen für das nächste Quartal, Oktober bis Dezember, wolle man baldigst machen. Alle Postämter Deutschlands nehmen Bestellungen an. Für Frankreich übernehmen Abonnements Hr. G. A. Alexander, Nr. 28 Brandgasse in Straßburg, und Nr. 23 Rue Notre-Dame de Nazareth in Paris, so wie das königl. Ober-Postamt in Aachen; für England die Herren J. J. Ewer et Comp. 72 Newgate-Street in London; für Belgien und Holland die resp. königl. Brief-Postämter und das Postbureau in Lüttich. Abonnementspreis in Köln vierteljährlich 1 Thlr. 15 Sgr., in allen übrigen Orten Preußens 1 Thlr. 24 Sgr. 6 Pf. Inserate: die vierspaltige Petitzeile oder deren Raum 1 Sgr. 6 Pf. Anzeigen aller Art erlangen durch die großen Verbindungen der Zeitung die weiteste Verbreitung. Die neuerdings getroffenen Anordnungen werden es in wenigen Tagen der Expedition möglich machen, die Versendung des Blattes mit der größten Regelmäßigkeit zu besorgen. Zu Nr. 98 der N. Rh. Z. wurde heute Morgen ein Extrablatt für unsere städtischen Abonnenten ausgegeben und so viel wie möglich versandt. Für unsere übrigen Abonnenten wird der Inhalt desselben nochmals an der Spitze des Blattes abgedruckt. Uebersicht. Deutschland. Köln. (Sturz des Ministeriums der That. — Seine Nachfolger. — Der dänisch-preußische Waffenstillstand. — Mili#airjustiz. — Demokratischer Verein). Frankfurt. (National-Versammlung). Berlin. (Vereinbarungsdebatte: Majorität gegen die Minister. — Ein Barrikadenkämpfer). Wien. (Die Minister. — Der Trauerzug durchgesetzt. — Der demokratische Verein). Düsseldorf. (Freiligrath). Mainz. (Armeebefehl Friedrich Wilhelm III.). Kiel. (Moltke). Rendsburg. (Truppendurchmärsche. — Wrangel und Bonin. — Moltke. — Reedtz. — Landesversammlung). Hamburg. (konstit. Versammlung). Königsberg. (Kirchmann, Deputirter). Hirschberg. (Die Bauern) Ratibor. (Schloß Hultschin zerstört). Hultschin. (Mißtrauensvotum gegen Lichnowsky). Dessau. (persönliche Freiheit). Braunschweig. (Adresse wegen des Waffenstillstands). Italien. (Die Finanzverhältnisse zwischen Oesterreich und der Lombardei. — Die Vertagung des römi#chen Parlaments). Mailand (Zeitungen). Monza. (Konflikt mit den Oesterreichern). Verona. (Guerrillakampf). Ungarn. Pesth. (Krawallbefürchtungen — Die Staatsschuld). Französische Republik. Paris. (Rüstungen in Toulon. — Die alte dynastische Linke. — Vermischtes. — National-Versammlung). Spanien. Madrid. (Deportation). Großbritannien. London. (Die Journale. — Louis Blanc. — Ld John. — Die Königin. — Experimente mit komprimirter Luft). Deutschland. * Köln, 8. Sept., 10 Uhr Abends. Das Ministerium der That ist gestürzt. Nachdem es mehrere Mal „gestolpert“, hielt es sich nur noch durch seine Unverschämtheit. Endlich haben die immer steigenden Anforderungen des Ministeriums der Versammlung gezeigt, was das Geheimniß der Existenz des Ministeriums war. In der gestrigen Sitzung der Vereinbarungs-Versammlung kam der Steinsche Antrag zur Debatte. Der Antrag lautet: „Es sei dringende Pflicht des Staatsministeriums, den am 9. August beschlossenen Erlaß ohne Weiteres zur Beruhigung des Landes, so wie zur Vermeidung eines Bruches mit der Versammlung ergehen zu lassen.“ Das Ministerium hatte erklärt, es werde sich auf keine Beschönigung, keine Vermittlung einlassen. Die Linke hatte erklärt, sie werde austreten, wenn die Versammlung ihren Beschluß vom 9. August fallen lasse. In der gestrigen Sitzung nun brachte, nach einer nichtssagenden Rede des Minister-Präsidenten, der Abg. Unruh folgendes Amendement ein: „In Erwägung, daß die Beschlüsse vom 9. August keine Erforschung der Gesinnung, keinen Gewissenszwang, sondern nur die im konstitutionellen Staat nothwendige Uebereinstimmung zwischen Volk und Heer herbeizuführen, und reaktionäre Bestrebungen, sowie fernere Konflikte zwischen den Bürgern, welche zum Heer, und denen, welche zum Civilstande gehören, zu vermeiden bezwecken,“ erklärt die Versammlung: „daß das Ministerium das Vertrauen des Landes nicht besitzt, wenn es ferner Anstand nimmt, einen dem Beschluß vom 9. August entsprechenden Erlaß an das Heer ergehen zu lassen.“ Diesem Amendement des linken Centrums wurde ein zweites vom rechten Centrum entgegengestellt, durch den Abgeordneten Tamnau. Es lautet: „Die Nationalversammlung wolle erklären, wie folgt: die Nationalversammlung hat bei ihrem Beschluß vom 9. Aug. d. J. die Absicht gehabt, an die Befehlshaber der Armee einen ähnlichen Erlaß herbeizuführen, wie ihn die Ministerien der Finanzen und des Innern unter dem 15. Juli an die Regierungspräsidenten erlassen haben. Sie beabsichtiget nicht, die Offiziere der Armee zur Darlegung ihrer politischen Gesinnung zu nöthigen oder dem Kriegsminister den Wortlaut des Erlasses vorzuschreiben. Sie erachtet einen derartigen Erlaß, in welchem die Offiziere der Armee vor reaktionären und republikanischen Bestrebungen gewarnt werden, im Interesse des staatsbürgerlichen Friedens und zur Förderung des neuen konstitutionellen Staatssystems für nothwendig. Nachdem eine Zeitlang hin und her debattirt, erklärt sich der „edle“ Schreckenstein im Namen des Ministeriums mit dem Amendement Tamnau einverstanden. Das nach der stolzen Versicherung, keine Vermittlung annehmen zu wollen! Nachdem die Debatte noch eine Zeit lang fortgedauert, nachdem sogar Herr Milde die Versammlung gewarnt hatte, kein revolutionärer Nationalkonvent zu werden, (die Angst des Hrn. Milde ist ganz überflüssig!) wird unter einem ungeheuern Andrang des Volks gegen den Sitzungssaal abgestimmt: Namentliche Abstimmung: Das Amendement Unruh mit 320 gegen 38 Stimmen verworfen. Das Amendement Tamnau mit 210 gegen 156 Stimmen verworfen. Der Stein'sche Antrag wird mit 219 gegen 152 Stimmen angenommen. Majorität gegen die Minister: 67 Stimmen. Einer unserer Berliner Korrespondenten berichtet: Die Aufregung war heute groß in der Stadt; Tausende von Menschen umlagerten das Sitzungsgebäude der Versammlung, so daß Herr Reichensperger, als der Präsident die ganz loyale Adresse der Bürgerwehr verlas, den Antrag stellte, die Versammlung solle ihre Sitzungen nach einer andern Stadt verlegen, da Berlin gefährdet sei. Als die Nachricht von der Niederlage des Ministeriums dem versammelten Volke bekannt wurde, brach ein unaussprechlicher Jubel aus und als die Abgeordneten der Linken heraustraten, wurden sie mit ununterbrochenen Vivats bis zu den Linden begleitet. Als aber der Abgeordnete Stein (der Antragsteller der heutigen Abstimmung) erblickt wurde, da erreichte der Enthusiasmus die höchste Stufe. Einige Männer aus dem Volke setzten ihn sogleich auf ihre Schultern und trugen ihn so im Triumphzug nach seinem Hotel in der Taubenstraße. Tausende von Menschen schlossen sich diesem Zuge an und unter immerwährendem Hurrahrufen wälzten sich die Ma#en über den Opernhausplatz. Noch nie hat man hier einen solchen Freudenausdruck gesehen. Je größer die Besorgniß um den Erfolg war, desto überraschender ist der glänzende Sieg. Gegen das Ministerium stimmte: die Linke, das linke Centrum (die Partei Rodbertus-Berg) und das Centrum (Unruh, Dunker, Rosch). Der Präsident stimmte in allen drei Fragen für das Ministerium. Ein Ministerium Waldeck-Rodbertus hat sich hiernach einer vollständigen Majorität zu erfreuen. Wir werden also das Vergnügen haben, den Urheber der Zwangsanleihe, den Minister der That, den Herrn Hansemann „Excellenz.“ in wenigen Tagen hier durchspazieren, an seine „bürgerliche Vergangenheit“ wieder anknüpfen und über Düchatel und Pinto nachdenken zu sehen. Camphausen ist auf anständige Weise gefallen. Herr Hansemann, der ihn durch seine Intriguen zu Fall gebracht, Herr Hansemann hat ein gar trauriges Ende genommen! Armer Hansemann-Pinto! ** Köln, 9. Sept. _ ** Köln, 9. Sept. _ Die rothe Laterne. 19 Köln, 9. Sept. Wir haben unsere Kölnischen Leser von einer wunderbaren Erscheinung zu unterhalten, — von einer Erscheinung, nicht im trivialen Sinn gewöhnlichen Zeitungsstils, sondern einer wahrhaften romantischen Erscheinung, wie sie die seligen Herren Spieß und Cramer in ihren Zaubergeschichten, und Hr. Gustav Pfarrius in seinen romantischen Sagen nicht besser aufweisen können. In der That handelt es sich um nichts Geringeres, als um einen seltsamen Spuk, der sich in unsern Mauern gezeigt hat. Man erinnert sich des großartigen Fackelzugs, mit welchem der Reichsverweser und unser „engerer Landesvater“ beim Domfest begrüßt wurden. Die Feierlichkeit erhob alle braven Gemüther, — als eine fremde, höchst seltsame Erscheinung Unruhe und Verwirrung erzeugte: zwischen den vielen schwarz-roth-gelben und schwarz-weißen Lampen der Fackelträger erschien plötzlich, wie aus der Erde gezaubert, eine riesige rothe Laterne. Unsere Leser wissen, wir sind keine Spökenkiker; wir betrachten die deutschen Erscheinungen ohne alle poetische Ammen-Romantik. Nichtsdestoweniger müssen wir bekennen, daß wir die Besorgniß der guten Bürger beim Anblick der geheimnißvollen „rothen Laterne“ vollständig gerechtfertigt finden. Eine rothe Laterne! Rechnet man hinzu, daß der Träger dieser Laterne einen weißen Hut auf dem Schädel hatte, und daß in der Luft viele blaue Dünste waren, so wird jeder Mann von einiger Ueberlegung auf sonderbare Schlüsse kommen. Die Laterne war übrigens von besonders seltsamen, gespenstigem Aussehen; selbst Se. Majestät der König blickte von dem Balkon des Regierungsgebäudes unausgesetzt nach ihr, und sagte, wie man uns mittheilt, bei ihrem Verschwinden: „Gottlob, daß sie fort ist!“ Allerdings, sie verschwand. Und auf eine wundersame Weise, wie es der ganzen seltsamen Erscheinung würdig war. Ein guter Bürger ermannte sich, um der Realität dieses Spuks auf den Grund zu kommen, und wie der Gallier einst in dem eroberten Rom Einen der 300 alten, bildsäulenartigen Senatoren am Bart zupfte, um sich von seinem Leben zu überzeugen, so faßte unser Mitbürger seinen Regenschirm und schlug ihn auf den weißen Hut des Unbekannten. Der weiße Hut und die rothe Laterne rollten in die Gosse, und der Spuk endete mit einer feierlichen Prügelei. Die geheimnißvolle Angelegenheit droht indeß, vor einem andern Forum weiter abgehaspelt zu werden. Ein Lieutenant S., der, nachdem er seinen Abschied genommen, noch wegen „demokratischer Gesinnung“ in ehrengerichtliche Untersuchung verwickelt ist, war in der Nähe der „rothen Laterne“ gesehen worden. Könnte der Geist der „rothen Laterne“ nicht vielleicht in diesen Mann gefahren sein? Der Ehrenrath entschied, die Angelegenheit der „rothen Laterne“ mit der frühern Untersuchung zu vereinigen, und in der That wollen einige der anwesenden Spökenkiker bemerkt haben, daß die Prügelei dem demokratischen Offizier gefährlich nahe gekommen sei. Wir werden, um diese beunruhigende Angelegenheit vollends aufzuklären, s. Z. das Resultat dieses interessanten Prozesses mittheilen. Vorläufig können aber unsere Mitbürger ruhig ihrem nächtlichen Schlafe fröhnen: die „rothe Laterne“ hat sich nicht wieder sehen lassen. Amtliches. Womit man sich in Frankfurt während der Minister- und Waffenstillstandskrise beschäftigt: Die Oberpostamtszeitung bringt heute in ihrem amtlichen Theil folgende wichtige Mittheilung: Der Reichsverweser hat die von dem Gesammt-Reichs-Ministerium zur Regelung der im schriftlichen Verkehr zwischen ihm und den Reichsbehörden, sowie der letztern untereinander und gegenüber von den Behörden und Beamten der deutschen Einzelstaaten zu beobachtenden hier unten folgenden Formen der Ueberschrift, der Anrede und des Schlusses beantragten Bestimmungen am 2. d. M. genehmigt und verfügt, daß hiernach von Seite der Reichsministerien und Behörden verfahren werde. I. An den Reichsverweser. 1) Aufschrift: an den Reichsverweser. 2) Der Reichsverweser hat folgende Anrede: hoher Reichsverweser, im Contexte: der hohe Reichsverweser, Sie und Kaiserliche Hoheit. 3) Schluß: In Ehrerbietung der Minister de ‥… II. An die Ministerien. 1) Aufschrift und Ueberschrift, statt der Anrede: An das Reichsministerium de ‥… 2) Im Context: das Reichsministerium. 3) Kein Schluß, sondern bloß Ort und Datum, dann die Unterschrift. III. An die Minister und Unterstaatssekretäre. 1) Aufschrift: An den Ministerpräsidenten des Reichsministeriums, Herrn ‥… oder: An den Reichsminister der auswärtigen Angelegenheiten, Herrn ‥… oder: An den Unterstaatssekretär im Reichsministerium des Innern, Herrn ‥… 2) Anrede: Herr Ministerpräsident! oder: Herr Minister! oder: Herr Unterstaatssekretär! 3) Statt der Schlußanrede bloß Ort, Datum und Unterschrift. IV. Die Anreden und Aufschriften Exzellenz, Hochwohlgeboren etc. sind aufgehoben. V. Die Reichsministerien gebrauchen, gegenüber von den Behörden und Beamten der einzelnen deutschen Staaten, eine gleich einfache Titulatur, wie sie dieselbe für sich selbst eingeführt haben. Sie bedienen sich daher in der Ueberschrift und Anrede lediglich

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Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 99. Köln, 10. September 1848, S. 0495. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz099_1848/1>, abgerufen am 29.03.2024.