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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 115. Köln, 13. Oktober 1848.

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[Deutschland]

[Fortsetzung] durch die stille Nacht.) Ein Brief aus Presburg vom 4. Octob., die einzige direkte Nachricht aus Ungarn, die ich heute aufgetrieben habe, könnte dies bestätigen. Es heißt darin: "Die Nordslaven haben sich, trotzdem sie schon gänzlich gesprengt waren und ihr Anführer Hodza erschossen sein soll, unter Hurban und Stur, die frische Horden von Mähren brachten, wiederum gesammelt und bei Miava ein Lager bezogen." - Wenn das Gerücht von dem Anzug Jellachich's sich bestätigt, so wird in und um Wien eine Hauptschlacht geliefert. - Vom Lande habe ich heute wenig gehört; 500 bewaffnete Bauern kampiren in der Brigittenau mit dem zurückgekehrten italienischen Regimente.

Um 5 Uhr las Schuselka seine Adresse an den Kaiser und die Proklamation an die Völker Oestreichs im Reichstage vor. Die erste ist sehr bescheiden, die letzte sehr ordnungsmäßig, ruhig. Die Kammer ist viel zahlreicher als am Morgen. Außer einigen Czechen und Bureaukraten sind auch viele entflohene Frösche der Centren wieder auf ihren Plätzen, laufen aber sogleich wieder davon, wenn in der Ferne der Tambour schlägt. Unter diesen Fröschen zeichnen sich zumal Gobbi und Neuwell aus. - Schuselka's Proklamation wird quintamäßig geschulmeistert, aber man disputirt nur über Worte, den Bourgeois-Geist und die Feigheit hat Schuselka darin so trefflich eingebracht, daß die Proklamation von dieser Seite unangefochten bleibt. Die Proklamation soll in Hunderttausenden von Exemplaren in die Provinzen geschleudert werden, jeder Abgeordnete soll davon in der Sprache seiner Wähler 40 erhalten, alle Behörden und sogar die Generalkommando's sollen damit beglückt werden und Schuselka's Styl bewundern lernen. - Ich bemerke Lubomirski, Doliak, Jorak und einige andere Czechen wieder auf ihren Bänken.

Zimmer beantragt, der Reichstag solle dem Grafen Auersperg den Befehl ertheilen, seine drohende Stellung am Belvedere und im Parke des Fürsten Schwarzenberg aufzugeben und die Stadt zu verlassen. - Es geht an den Wohlfahrtsausschuß, den man aber nun bereits zur bloßen Kommission degradirt hat. Der gutmüthige Wohlfahrtsausschuß oder die Kommission erhält von Auersperg die Antwort: er kenne keinen Reichstag, er kenne nur einen Kaiser, der ihm zu befehlen habe. Schuselka zeigt sich einigermaßen verwundert über diesen impertinenten Ungehorsam; Auersperg aber steht noch immer, wo der zum Nikolaus entflohene Ferdinand ihn hingestellt.

Borrosch hat noch gar nicht geschlafen und beantragt, der Reichstag wolle erlauben, daß 1/4 seiner Mitglieder auf etwa 8 Stunden schlafen gehen, 2/3 aber bleiben sollen und sofort. Der Antrag fällt durch; die ganze Permanenz bleibt auch für diese Nacht.

Heimerl beantragt die Aufhebung der Permanenz; das ganze Centrum und ein Theil der Linken erheben sich. Es ist offenbar die Majorität, allein Präsident Smolkameint, es sei die Minorität Die Kammer hat nicht den Muth, zu widersprechen. Es wird der Antrag angenommen, daß der Reichstag sich bei der geringsten Störung während der Nacht immer zusammenhalte; ferner wird die permanente Kommission um 10 Mitglieder verstärkt. Der Czeche Jorak will durchaus nicht dabei sein. Ich vermisse den Abgeordneten und Exminister v. Schwarzer. Der Zeughaussturm soll ihn vertrieben haben, die Bewaffnung der Arbeiter hat ihm vermuthlich seine Fünfkreuzersünden ins Gedächtniß zurückgerufen. Der Moment ist kitzlich, darum enthält sein kluges Blatt heute auch nicht eine Silbe über die gestrigen Ereignisse.

Umlauftmuthet dem Wohlfahrtsausschusse zu, das Nationalgardengesetz zu revidiren und die Revision in 36 Stunden dem Reichstag vorzulegen. Kraußwehrt sich entsetzlich gegen diesen nichtministeriellen Terrorismus. Jorak dem, da er ein Czeche ist. Lubomirski katerhaft zulauert, äußert sich wie der Minister; er will nur ein provisorisches Nationalgardegesetz. Borrosch hält das Gemeindegesetz und die Konstitution für dringlicher; er ist schon mit einem bloßen Nationalgardereglement zufrieden. Umlauft beruft sich darauf, daß Doblhof ihm schon am 14. August versprochen, in 14 Tagen ein Nationalgardegesetz einzubringen.

Borroschwill nicht, daß man dem noch so neuen, unausgebildeten Ministerium Vorwürfe mache. Die Fahrt nach Schönbrunn scheint unserm Borrosch überhaupt recht wohl bekommen zu sein. Die Versammlung singt schon wieder im besten alten Ton, da kommt die Nachricht, das Militär beginne auf der Wieden zu plündern, nachdem es schon am Nachmittage seine Bedürfnisse nicht mehr bezahlt habe. Jorak, der für Strobach II gelten kann, fährt darauf wieder im Nationalgardengesetz fort. Es wird darüber eine motivirte Tagesordnung Hagenauers angenommen, worauf Sierakowski beantragt, der Reichstag solle durch fünf Mitglieder eine Proklamation an die Armee verfassen lassen; die Kapitulationszeit auf drei Jahre herabsetzen; die Körperstrafen beim Militär abschaffen; die Regimentsinhaberschaft aufheben und die Beförderungen nach Verdienst geschehen lassen. Er meint, da der Bauer und Jude etwas bekommen, so müsse auch der Soldat etwas erhalten. Wollte Sierakowski sich oder den Reichstag damit den am Belvedere stehenden polnischen Regimentern empfehlen? Borrosch nennt diesen Antrag, weil kein Kriegsminister da und der dagewesene gehangen sei, einen unordentlichen. Man geht darüber zur Tagesordnung über. Kudlich beantragt, der Reichstag möge eine Kommission zur Vertheidigung der Stadt ernennen, die als Mittelpunkt aller Operationen diene, wenn die Stadt angegriffen würde. Er versichert, daß der Reichstag nur auf diese Weise Herr der Bewegung (?) bleibe. Der Oberkommandant Scherzer sei selber dieser Meinung und wolle nicht allein stehen, da Volk und Militär beim Parke Schwarzenbergs sich immer schroffer neckten.

Borrosch erklärt sich gegen eine solche Kommission, die sich für einen parlamentarischen Reichstag nicht gezieme. Er meint, der neue Gemeinderath sei dasjenige Organ, welches diese Angelegenheit zu besorgen habe. Einigen Abgeordneten wird bang, besonders da einer fünf Männer zur Kommission empfiehlt; sie laufen davon. Borrosch protestirt gegen die Fünfmännerherrschaft. Der Tambour schlägt, es wird unheimlich im Reichstage. Der Präsident bringt die Anträge zur Abstimmung. Umlauft's Antrag, der Reichstag möge dem Oberkommandanten Scherzer militärisch gebildete Mitglieder aus der Kammer zugesellen, fällt durch; dagegen wird Borrosch's Antrag, den Wohlfahrtsausschuß mit Mitgliedern zu verstärken, die militärische Kenntnisse besitzen, angenommen. Somit ist der Antrag Kudlichs beseitigt und das Volk bleibt verrathen. In dem Augenblicke, wo ich diesen Brief schließe (11 Uhr), ist noch alles ruhig; nur hie und da ertönt eine Glocke oder eine Trommel. Das Volk hält sich äußerst wachsam. Es wird sich zeigen, wer zuerst ermüdet, ob Volk oder Militär.

Die ungarischen Zeitungen sind heute wieder nicht angekommen. Seit zwei Tagen sind auch die hiesigen auf den Straßen verschwunden, weil auch die Ausrufer unter den Waffen sind. In meinem Hause wohnen Gesandte, Hofräthe und Fürsten, sie sind alle entflohen und ließen ihre besten Habseligkeiten auf die furchtsamste, geheimnißvollste Weise, wie Diebe, davontragen.

61 Wien, 8. Okt.

Statt des in der Nacht mit Bestimmtheit erwarteten Bombardements Auersperg bekamen wir heute Morgen folgende Auerspergische Kundmachung:

Zur Beruhigung wird nachfolgendes vom Ministerrathe dem hohen Reichstage mitgetheilte Schreiben des kommandirenden Generals Grafen Auersperg zur öffentlichen Kenntniß gebracht.

Wien, 7. Oktober 1848.

Franz Smolka, erster Vizepräsident.

Vom konstituirenden Reichstage, Wiser, Schriftführer.

An einen hohen Ministerrath!

Die gestrigen Ereignisse haben mich veranlaßt, die in verschiedenen Kasernen zerstreuten Truppen der Garnision auf einen einzigen militärischen Punkt zu konzentriren, um selbe vor jedem weiteren Insult und Angriff sicher zu stellen. Es ist dabei durchaus keine feindselige Absicht, ja, es wird mir sehr erwünscht sein, bei eintretender Ruhe und Beseitigung jedes weitern Angriffs auf das Militär, von dem jedoch gerade in diesem Augenblicke die verschiedensten Gerüchte herumgehen, diese außerordentlichen Maßregeln aufzugeben und in das gewohnte Verhältniß zurückzuführen.

Ueber die stattgefundenen Feindseligkeiten von Seiten des Militärs habe ich schon zu wiederholten Malen mein Bedauern und die Versicherung ausgesprochen, daß hiergegen die strengsten Verbote ergangen sind. (Noch gestern Abend wurde ein Bauer von dem polnischen Regimente Nassau zerhackt).

Wien, 7. Oktober 1848.

Graf Auersperg.

Die beiden folgenden Aktenstücke sind noch ungedruckt.

Manifest des Kaisers an die Völker Oestreichs!

Was ein Herrscher an Güte und Vertrauen seinen Völkern erweisen kann, das habe Ich erschöpft.

Mit Freude entsagte Ich der unbeschränkten Gewalt, welche Meine Vorfahren Mir hinterlassen, um durch größern Spielraum der Selbstständigkeit die Kraft, den Wohlstand, das Selbstgefühl Meiner Völker zu heben. Bereitwillig gestattete Ich die Verfassung nach dem Vorbilde, welche die Richtung der Zeit und der allgemeine Wunsch zu fordern schien und wenn die Gewaltthat des 15. Mai (aha!) Mich die Wohnung Meiner Ahnen zu verlassen zwang, so ward Ich doch nicht müde, zu geben und zu gewähren und auf breitester Grundlage des Wahlrechtes ward ein Reichstag berufen, welcher mit Mir zur Feststellung einer alle Interessen befriedigenden Verfassung zusammenwirken sollte.

Hierauf kehrte Ich in Meine Hauptstadt zurück ohne für Meine Sicherheit eine andere Bürgschaft zu verlangen, als das Rechtsgefühl und die Dankbarkeit der Oestreicher.

Doch eine an Zahl geringe, durch Verwegenheit starke Partei bedroht die Hoffnungen jedes Vaterlandsfreundes mit Vernichtung. Die Anarchie hat ihr Aeußerstes vollbracht, Wien ist mit Brand und Mord erfüllt; Mein Kriegsminister, den schon sein Greisenalter hätte schirmen sollen, hat unter den Händen einer meuchlerischen Rotte geendet.

In diesem entscheidungsvollen Augenblicke vertraue Ich auf Gott und Mein Recht und verlasse die Nähe Meiner Hauptstadt, um Mittel zu finden, der unterjochten Bevölkerung von Wien Hülfe zu bringen und die durch die empörendsten Frevel bedrohte Freiheit zu retten. Wer Oestreich, wer die Freiheit liebt, schaare sich um seinen Kaiser!

Schönbrunn, 7. Oktober 1848.

Ferdinand. m. p.

Völker Oestreichs!

Die Folgen verhängnißvoller Ereignisse drohen den kaum begonnenen Grundbau unseres neuen Staatsgebäudes zu erschüttern.

Der aus der freien Wahl der Völker Oestreichs hervorgegangene konstituirende Reichstag erkannte in den ernsten Stunden des 6. Okt. die heilige Pflicht, die er den Völkern gegenüber zu erfüllen und die schwere Verantwortlichkeit, die er vor der Mit- und Nachwelt zu tragen hat.

Als das Band der gesetzlichen Ordnung zu zerreißen drohte, bemühte sich der Reichstag, kraft seiner Völkervollmacht und durch Verständigung mit dem Volke von Wien, der Reaktion, wie der Anarchie entgegen zu wirken Er erklärte sich selber für permanent und wählte zugleich aus seinen Mitgliedern einen permanenten Ausschuß zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

Aber der konstituirende Reichstag hielt auch die Stellung fest, die er dem konstitutionellen Throne gegenüber einnimmt und jederzeit unerschütterlich einnehmen wird.

Er entsendete eine Deputation an Seine Majestät den konstitutionellen Kaiser, um im innigsten Verbande mit dem allerhöchsten Träger der Souveränetät die Wünsche des souveränen Volkes zu erfüllen und dessen heilige Interessen zu wahren.

In stets bewährter Herzensgüte waren Seine Majestät sogleich geneigt, die Männer, welche das Vertrauen des Volkes verloren hatten, aus dem Ministerium zu entlassen, die Bildung eines neuen volksthümlichen Ministeriums zu verfügen und die aufrichtigste, den Interessen aller Völker Oestreichs, wie den Zeitbedürfnissen entsprechende Berathung der Angelegenheiten des großen Gesammtvaterlandes zuzusichern.

Leider wurden Se. Majestät am 7. Oktbr. zu dem beklagenswerthen Entschluße bewogen, Sich aus der Nähe der Hauptstadt zu entfernen.

Dadurch ist das Vaterland, ist das Wohl und die so herrlich errungene Freiheit unseres hochberufenen Vaterlandes abermals in Gefahr; Rettung und Erhaltung der höchsten Güter des Bürgers und des Menschen ist nur dadurch möglich, daß das Volk von Wien, daß alle östreichischen Völker, die ein Herz für ihr Vaterland haben, wieder jene thatkräftige politische Besonnenheit und jenen hochherzigen Edelmuth beweisen, wie in den Tagen des Mai.

Völker Oestreichs! Volk von Wien! die Vorsehung hat uns einen eben so hohen als schwierigen Beruf angewiesen; wir sollen ein Werk vollbringen, welches, wenn es gelingt, alles übertreffen wird, was die Weltgeschichte Großes und Herrliches aufzuweisen hat; wir sollen einen politischen Staatsbau ausführen, der verschiedene Völker zu einem brüderlichen Völkerstaat vereinigt, dessen unerschütterliche Grundlage das gleiche Recht, dessen Lebensprinzip die gleiche Freiheit Aller sein soll.

Völker Oestreichs! Der Reichstag ist fest entschlossen, für diesen hohen Beruf das Seinige zu thun; thut auch Ihr das Eurige. Euer Vertrauen hat uns berufen, nur durch Euer Vertrauen sind wir stark. Alles, was wir sind, sind wir durch Euch und wollen wir für Euch sein! Dem Gebote der Nothwendigkeit und dem Gesetze der konstitutionellen Monarchie folgend, hat der konstitutionelle Reichstag heute folgende Beschlüsse gefaßt:

a) daß die Minister Dobblhoff (wegen angeblicher Krankheit noch immer unsichtbar), Hornbostel und Kroniß, die Geschäfte aller Ministerien führend, nicht nur für die Ordnung in dieser Geschäftsführung Sorge tragen, sondern auch durch Beziehung neuer Kräfte den Erfolg derselben sichern, endlich Sr. Majestät den Vorschlag der neu zu ernennenden Minister schleunigst vorlegen und sich mit dem Reichstag in ununterbrochener Verbindung erhalten soll.

b) Sei eine Denkschrift an Se. Maj. aus Anlaß höchst Ihres Manifestes zu erlassen. Darin soll der konstitutionelle Kaiser über den wahren Stand der Dinge aufgeklärt und ihm aus ehrlichem Herzen die Versicherung gegeben werden, daß die aufrichtige Liebe der Völker unerschütterlich für Ihn ist.

Volk Oestreichs! Europa blickt mit Bewunderung auf uns und die Geschichte hat unsere Erhebung zur Freiheit unter ihre glänzendsten Thaten eingereiht.

Bleiben wir uns selber getreu. Halten wir unerschütterlich fest an der Achtung vor dem Gesetz, an der konstitutionellen Monarchie, an der Freiheit.

Gott schütze Oestreich.

Wien, 7. Oktober 1848.

Vom konstituirenden Reichstage Karl Wiser, Schriftführer.

Franz Smolka, Erster Vice-Präsident.

3 Uhr. Daß die Kamarilla nichts ausrichten wird, ist ziemlich gewiß, unsere Lage bleibt aber dennoch bedenklich, weil die Bourgeoisie und das bewaffnete Proletariat nicht friedlich neben einander gehen werden. Schon spricht man überall von an der Stadtgarde zu nehmenden Rache. Die Stadtgarde ist am 6. nur ausgerückt, um auf das Volk zu schießen und ist gestern zu Hause geblieben. Der neue Oberkommandant Scherper bemüht sich in einem Maueranschlag dieselbe beim Volke dadurch rein zu waschen, daß er vorläugnet, ein Theil der Stadtgarde habe mit dem Militär das Zeughaus vertheidigt. Auch der neue Gemeinderath macht sich heute in einem Plakate bemerkbar. - Das Volk ist immer noch unter den Waffen, die Straßen sind noch voll Barrikaden. Der 6. Oktober kostete über 100 Todte und über 200 Verwundete, wie man sagt. Wohin der Hof geflüchtet ist, weiß man mit Bestimmtheit noch nicht. Adel, Beamte und reiche Bourgeoisie flüchten auch heute noch.

Ich höre, von dem in St. Pölten stehenden Regiment Heß treffe eben eine Deputation auf der Aula ein, welche, Offiziere an der Spitze, erklärt, mit dem Volke gemeinschaftliche Sache machen zu wollen. Sie verlangt, daß eine Gesandtschaft von Akademikern mit ihr nach St. Pölten zurückkehre, um das Regiment abzuholen. Man traut nicht recht. Auch von einem deutschen Jägerregimente, welches in der Nähe liegt, ist eine solche Deputation eingetroffen. Die Aula will den Vertheidigungsausschuß des Reichstags über die Sache konsultiren. Die Stadt wimmelt von Bauern aus allen Gegenden. Freiwillige treffen stündlich aus allen Städien ein, selbst aus Tyrol und Steiermark. Die Eisenbahn-Direktionen erklären in Maueranschlägen, kein Militär nach Wien befördern zu wollen. An einigen Linien hat das Militär gestern Schlachtvieh vom Eintritt in die Stadt zurückgehalten. Die Thore sind noch überall verbarrikadirt, die Basteien mit Geschützen bepflanzt, die von der Legion und Garde bedient werden. Während der Nacht brannten Wachtfeuer dabei.

Als ich um 11 Uhr den Reichstag besuchte, stellte Tucko den Antrag, zu beschließen, daß die Redaktion der Oesterreichischen Zeitung, deren Redakteur, wie ich gestern geschrieben, entflohen ist, ersucht werde, ihren im gestrigen Abendblatte gegebenen lügenhaften Bericht über den 6. Oktober zu widerrufen, da er dahin abziele, den Reichstag anzuschwärzen. - Der Präsident Smolka meinte, das sei Aufgabe der Presse im Allgemeinen; Löhner aber versicherte, daß schon vorgesehen sei, daß ein solcher Widerruf erfolgte. Nun entspann sich eine Debatte darüber, wie die Reichstags-Proklamation an die Völker Oesterreich's möglichst schnell zu drucken und zu verbreiten sei. Da es ein Sonntag ist, so bleibt die Entscheidung wegen des Feierns der Setzer schwierig. Man beschließt alle Anstrengungen zu machen, um den Druck zu beschleunigen. - Der 6. Oktober hat heute eine Legion von Maueranschlägen geboren, die alle aus dem eigentlichen Volke kommen und ziemlich sozial-demokratisch aussehen. Die Stockung der Geschäfte, der Kriegszustand im ganzen Reiche muß bald noch weiter treiben.

Das gestern ausgegebene erste Heft des Staatsvoranschlags für 1849 weis't eine Schuldenlast von 1011,071,385 Fl. mit nahe an 38 Millionen Fl. Zinsen nach. 2/3 dieser Schulden sind unter Metternich gemacht und zur Vernichtung der Grundsätze von 1789 verwendet worden.

Meines Erachtens dürfte die Kamarilla mit dem Sturz ihrer Kreaturen Wessenberg, Latour, Bach im Ministerrathe ihre Ohnmacht einsehen, besonders wenn Jellachich, wie es sich immer mehr bestätigt, geschlagen ist. Sie wird, wie man sagt, zu Kreuz kriechen; das Manifest vom 7. war ihr letzter Seufzer. Nun bekommen wir aber ein ganz neues Bourgeois-Ministerium und sind Berlin dann einen Sprung voraus.

Schließlich bemerke ich, daß fortwährend Militär in die Stadt desertirt, um dem Volke zu helfen.

* Wien, 8. Oktober.

In seiner heutigen Sitzung hat der Reichstag einstimmig folgende Anträge Borrosch's angenommen:

1) Der Reichstag, welcher ohnehin als konstituirender Reichstag vor Beendigung seiner Mission nicht auflösbar ist, erklärt auch, unter den bedrohlichsten Umständen sich auf keine Weise aufzulösen und seiner Pflicht unerschütterlich treu zu bleiben.

2) Der Reichsteg ist ein untheilbares Ganzes, er vertritt alle Völker Oesterreich's, die ihn beschickt haben.

3) Der Reichstag ist zufolge des kaiserlichen Manifestes vom 6. Juni und freier Wahl des Volkes das einzige legale konstitutionelle Organ der Einigung zwischen dem konstitutionellen Monarchen und dem souveränen Volke zur Wahrung der unverkümmerten Volksfreiheit und des erblichen Thrones.

4) Der Reichstag, bestehend aus den freien Vertretern freier Völker wird keinem Abgeordneten einen moralischen Zwang zum Bleiben auferlegen.

5) Der Reichstag wird auf dem konstitutionellen Boden fest beharren, um von ihm aus, mit konstitutionellen legalen Maßregeln das Vaterland, die Volksfreiheit und den erblichen Thron zu wahren.

6) Der Reichstag fordert alle mit oder ohne Urlaub abwesenden Mitglieder auf, sich binnen längstens 14 Tage von heute ab im Reichstage einzufinden.

* Wien, 8. Oktober.

Der Verein zur Wahrung der Volksrechte in Wien an das deutsche Volk:

Es war ein Augenblick, beispiellos in der Geschichte, als das deutsche Volk sich erhob, und laut seinen Willen hinausrief in die Welt: es wolle Eins sein nach tausendjähriger Zersplitterung! Die ganze gebildete Welt bezeugte seine Theilnahme, daß ein Volk so reich an Bürgertugenden, so unübertroffen an Schöpfungen der Kunst und Wissenschaft, endlich vereinigt eintreten wolle in die Völkerfamilie Europas und der berufene Bundestag zerfiel vor diesem Freiheitssturme in Moder und Asche und die Fürsten beugten sich in Demuth vor dem Gebote des Volkes und zum ersten Male - so schien es - tönte in ihrem Innern die mahnende Stimme, daß des Volkes Wille über ihrem stehe. Und das Volk vertraute im gläubigen Wahne der Betheuerung der Fürsten und das Volk - wurde betrogen.

Das Volk schickte seine Abgeordneten in die alte Kaiserstadt am Main, und überhäufte sie mit der Fülle seines Vertrauens. Wie der Moslim sich gläubig nach Mekka wendet, so richteten sich Aller Augen, Aller Herzen nach Frankfurt und harrten in Geduld des Wortes, das Freiheit, Glück und Macht dem deutschen Volke bringen sollte. So Manches geschah, was den heißen Wünschen zu langsam, so Manches, was dem Vaterlandsfreunde Besorgniß erregend war. Doch man beschied sich, man trug dem schwierigen Werke Rechnung, der Glaube, das Vertrauen des Volkes war unerschütterlich.

Zur Zeit, als der Völkerfrühling anbrach, hatte sich ein edler deutscher Mann erhoben, um fremdes Joch von sich zu schütteln. Ganz Deutschland jauchzte ihm zu und schickte seine besten Männer zum Kampfe. Bald war die deutsche Erde frei von Feinden und siegreich standen deutsche Krieger an Dänemarks Gränzen. Da, mitten im Siegeslaufe, veruntreute der König von Preußen die ihm von der deutschen Centralgewalt gegebene Vollmacht und schloß im Namen des todten deutschen Bundes einen Waffenstillstand mit Dänemark, der Besiegten nicht schmählicher hätte aufgebürdet werden können.

Mit Bangen blickte Deutschland nach Frankfurt, und fand sich diesmal nicht getäuscht. Der Beschluß vom 5. September sistirte den Waffenstillstand und stürzte ein volksverrätherisches Ministerium. Ein Sturm von Freude brauste durch das ganze Vaterland, Zuschriften des Beifalls und der Ermunterung erfolgten von allen Seiten Da nahte der 16. September, es sollte sich entscheiden, ob deutsche Ehre, deutsche Freiheit dem Auslande gegenüber noch Fürstenlaune verschachert, oder vom Volke selbst nach dessen Willen gewahrt werden sollte.

Die Mehrheit der Abgeordneten des deutschen Volkes entschied sich für das Erste; das Dräuen und die Huld der Fürsten galt ihnen mehr als das Wohl des Vaterlandes. Diese Mehrheit hat Deutschlands Ehre mit Füßen getreten, diese Mehrheit hat die kostbare Gelegenheit, wodurch sich Deutschland dem Auslande gegenüber als ein einiges starkes Volk zeigen könnte,

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[Fortsetzung] durch die stille Nacht.) Ein Brief aus Presburg vom 4. Octob., die einzige direkte Nachricht aus Ungarn, die ich heute aufgetrieben habe, könnte dies bestätigen. Es heißt darin: „Die Nordslaven haben sich, trotzdem sie schon gänzlich gesprengt waren und ihr Anführer Hodza erschossen sein soll, unter Hurban und Stur, die frische Horden von Mähren brachten, wiederum gesammelt und bei Miava ein Lager bezogen.“ ‒ Wenn das Gerücht von dem Anzug Jellachich's sich bestätigt, so wird in und um Wien eine Hauptschlacht geliefert. ‒ Vom Lande habe ich heute wenig gehört; 500 bewaffnete Bauern kampiren in der Brigittenau mit dem zurückgekehrten italienischen Regimente.

Um 5 Uhr las Schuselka seine Adresse an den Kaiser und die Proklamation an die Völker Oestreichs im Reichstage vor. Die erste ist sehr bescheiden, die letzte sehr ordnungsmäßig, ruhig. Die Kammer ist viel zahlreicher als am Morgen. Außer einigen Czechen und Bureaukraten sind auch viele entflohene Frösche der Centren wieder auf ihren Plätzen, laufen aber sogleich wieder davon, wenn in der Ferne der Tambour schlägt. Unter diesen Fröschen zeichnen sich zumal Gobbi und Neuwell aus. ‒ Schuselka's Proklamation wird quintamäßig geschulmeistert, aber man disputirt nur über Worte, den Bourgeois-Geist und die Feigheit hat Schuselka darin so trefflich eingebracht, daß die Proklamation von dieser Seite unangefochten bleibt. Die Proklamation soll in Hunderttausenden von Exemplaren in die Provinzen geschleudert werden, jeder Abgeordnete soll davon in der Sprache seiner Wähler 40 erhalten, alle Behörden und sogar die Generalkommando's sollen damit beglückt werden und Schuselka's Styl bewundern lernen. ‒ Ich bemerke Lubomirski, Doliak, Jorak und einige andere Czechen wieder auf ihren Bänken.

Zimmer beantragt, der Reichstag solle dem Grafen Auersperg den Befehl ertheilen, seine drohende Stellung am Belvedere und im Parke des Fürsten Schwarzenberg aufzugeben und die Stadt zu verlassen. ‒ Es geht an den Wohlfahrtsausschuß, den man aber nun bereits zur bloßen Kommission degradirt hat. Der gutmüthige Wohlfahrtsausschuß oder die Kommission erhält von Auersperg die Antwort: er kenne keinen Reichstag, er kenne nur einen Kaiser, der ihm zu befehlen habe. Schuselka zeigt sich einigermaßen verwundert über diesen impertinenten Ungehorsam; Auersperg aber steht noch immer, wo der zum Nikolaus entflohene Ferdinand ihn hingestellt.

Borrosch hat noch gar nicht geschlafen und beantragt, der Reichstag wolle erlauben, daß 1/4 seiner Mitglieder auf etwa 8 Stunden schlafen gehen, 2/3 aber bleiben sollen und sofort. Der Antrag fällt durch; die ganze Permanenz bleibt auch für diese Nacht.

Heimerl beantragt die Aufhebung der Permanenz; das ganze Centrum und ein Theil der Linken erheben sich. Es ist offenbar die Majorität, allein Präsident Smolkameint, es sei die Minorität Die Kammer hat nicht den Muth, zu widersprechen. Es wird der Antrag angenommen, daß der Reichstag sich bei der geringsten Störung während der Nacht immer zusammenhalte; ferner wird die permanente Kommission um 10 Mitglieder verstärkt. Der Czeche Jorak will durchaus nicht dabei sein. Ich vermisse den Abgeordneten und Exminister v. Schwarzer. Der Zeughaussturm soll ihn vertrieben haben, die Bewaffnung der Arbeiter hat ihm vermuthlich seine Fünfkreuzersünden ins Gedächtniß zurückgerufen. Der Moment ist kitzlich, darum enthält sein kluges Blatt heute auch nicht eine Silbe über die gestrigen Ereignisse.

Umlauftmuthet dem Wohlfahrtsausschusse zu, das Nationalgardengesetz zu revidiren und die Revision in 36 Stunden dem Reichstag vorzulegen. Kraußwehrt sich entsetzlich gegen diesen nichtministeriellen Terrorismus. Jorak dem, da er ein Czeche ist. Lubomirski katerhaft zulauert, äußert sich wie der Minister; er will nur ein provisorisches Nationalgardegesetz. Borrosch hält das Gemeindegesetz und die Konstitution für dringlicher; er ist schon mit einem bloßen Nationalgardereglement zufrieden. Umlauft beruft sich darauf, daß Doblhof ihm schon am 14. August versprochen, in 14 Tagen ein Nationalgardegesetz einzubringen.

Borroschwill nicht, daß man dem noch so neuen, unausgebildeten Ministerium Vorwürfe mache. Die Fahrt nach Schönbrunn scheint unserm Borrosch überhaupt recht wohl bekommen zu sein. Die Versammlung singt schon wieder im besten alten Ton, da kommt die Nachricht, das Militär beginne auf der Wieden zu plündern, nachdem es schon am Nachmittage seine Bedürfnisse nicht mehr bezahlt habe. Jorak, der für Strobach II gelten kann, fährt darauf wieder im Nationalgardengesetz fort. Es wird darüber eine motivirte Tagesordnung Hagenauers angenommen, worauf Sierakowski beantragt, der Reichstag solle durch fünf Mitglieder eine Proklamation an die Armee verfassen lassen; die Kapitulationszeit auf drei Jahre herabsetzen; die Körperstrafen beim Militär abschaffen; die Regimentsinhaberschaft aufheben und die Beförderungen nach Verdienst geschehen lassen. Er meint, da der Bauer und Jude etwas bekommen, so müsse auch der Soldat etwas erhalten. Wollte Sierakowski sich oder den Reichstag damit den am Belvedere stehenden polnischen Regimentern empfehlen? Borrosch nennt diesen Antrag, weil kein Kriegsminister da und der dagewesene gehangen sei, einen unordentlichen. Man geht darüber zur Tagesordnung über. Kudlich beantragt, der Reichstag möge eine Kommission zur Vertheidigung der Stadt ernennen, die als Mittelpunkt aller Operationen diene, wenn die Stadt angegriffen würde. Er versichert, daß der Reichstag nur auf diese Weise Herr der Bewegung (?) bleibe. Der Oberkommandant Scherzer sei selber dieser Meinung und wolle nicht allein stehen, da Volk und Militär beim Parke Schwarzenbergs sich immer schroffer neckten.

Borrosch erklärt sich gegen eine solche Kommission, die sich für einen parlamentarischen Reichstag nicht gezieme. Er meint, der neue Gemeinderath sei dasjenige Organ, welches diese Angelegenheit zu besorgen habe. Einigen Abgeordneten wird bang, besonders da einer fünf Männer zur Kommission empfiehlt; sie laufen davon. Borrosch protestirt gegen die Fünfmännerherrschaft. Der Tambour schlägt, es wird unheimlich im Reichstage. Der Präsident bringt die Anträge zur Abstimmung. Umlauft's Antrag, der Reichstag möge dem Oberkommandanten Scherzer militärisch gebildete Mitglieder aus der Kammer zugesellen, fällt durch; dagegen wird Borrosch's Antrag, den Wohlfahrtsausschuß mit Mitgliedern zu verstärken, die militärische Kenntnisse besitzen, angenommen. Somit ist der Antrag Kudlichs beseitigt und das Volk bleibt verrathen. In dem Augenblicke, wo ich diesen Brief schließe (11 Uhr), ist noch alles ruhig; nur hie und da ertönt eine Glocke oder eine Trommel. Das Volk hält sich äußerst wachsam. Es wird sich zeigen, wer zuerst ermüdet, ob Volk oder Militär.

Die ungarischen Zeitungen sind heute wieder nicht angekommen. Seit zwei Tagen sind auch die hiesigen auf den Straßen verschwunden, weil auch die Ausrufer unter den Waffen sind. In meinem Hause wohnen Gesandte, Hofräthe und Fürsten, sie sind alle entflohen und ließen ihre besten Habseligkeiten auf die furchtsamste, geheimnißvollste Weise, wie Diebe, davontragen.

61 Wien, 8. Okt.

Statt des in der Nacht mit Bestimmtheit erwarteten Bombardements Auersperg bekamen wir heute Morgen folgende Auerspergische Kundmachung:

Zur Beruhigung wird nachfolgendes vom Ministerrathe dem hohen Reichstage mitgetheilte Schreiben des kommandirenden Generals Grafen Auersperg zur öffentlichen Kenntniß gebracht.

Wien, 7. Oktober 1848.

Franz Smolka, erster Vizepräsident.

Vom konstituirenden Reichstage, Wiser, Schriftführer.

An einen hohen Ministerrath!

Die gestrigen Ereignisse haben mich veranlaßt, die in verschiedenen Kasernen zerstreuten Truppen der Garnision auf einen einzigen militärischen Punkt zu konzentriren, um selbe vor jedem weiteren Insult und Angriff sicher zu stellen. Es ist dabei durchaus keine feindselige Absicht, ja, es wird mir sehr erwünscht sein, bei eintretender Ruhe und Beseitigung jedes weitern Angriffs auf das Militär, von dem jedoch gerade in diesem Augenblicke die verschiedensten Gerüchte herumgehen, diese außerordentlichen Maßregeln aufzugeben und in das gewohnte Verhältniß zurückzuführen.

Ueber die stattgefundenen Feindseligkeiten von Seiten des Militärs habe ich schon zu wiederholten Malen mein Bedauern und die Versicherung ausgesprochen, daß hiergegen die strengsten Verbote ergangen sind. (Noch gestern Abend wurde ein Bauer von dem polnischen Regimente Nassau zerhackt).

Wien, 7. Oktober 1848.

Graf Auersperg.

Die beiden folgenden Aktenstücke sind noch ungedruckt.

Manifest des Kaisers an die Völker Oestreichs!

Was ein Herrscher an Güte und Vertrauen seinen Völkern erweisen kann, das habe Ich erschöpft.

Mit Freude entsagte Ich der unbeschränkten Gewalt, welche Meine Vorfahren Mir hinterlassen, um durch größern Spielraum der Selbstständigkeit die Kraft, den Wohlstand, das Selbstgefühl Meiner Völker zu heben. Bereitwillig gestattete Ich die Verfassung nach dem Vorbilde, welche die Richtung der Zeit und der allgemeine Wunsch zu fordern schien und wenn die Gewaltthat des 15. Mai (aha!) Mich die Wohnung Meiner Ahnen zu verlassen zwang, so ward Ich doch nicht müde, zu geben und zu gewähren und auf breitester Grundlage des Wahlrechtes ward ein Reichstag berufen, welcher mit Mir zur Feststellung einer alle Interessen befriedigenden Verfassung zusammenwirken sollte.

Hierauf kehrte Ich in Meine Hauptstadt zurück ohne für Meine Sicherheit eine andere Bürgschaft zu verlangen, als das Rechtsgefühl und die Dankbarkeit der Oestreicher.

Doch eine an Zahl geringe, durch Verwegenheit starke Partei bedroht die Hoffnungen jedes Vaterlandsfreundes mit Vernichtung. Die Anarchie hat ihr Aeußerstes vollbracht, Wien ist mit Brand und Mord erfüllt; Mein Kriegsminister, den schon sein Greisenalter hätte schirmen sollen, hat unter den Händen einer meuchlerischen Rotte geendet.

In diesem entscheidungsvollen Augenblicke vertraue Ich auf Gott und Mein Recht und verlasse die Nähe Meiner Hauptstadt, um Mittel zu finden, der unterjochten Bevölkerung von Wien Hülfe zu bringen und die durch die empörendsten Frevel bedrohte Freiheit zu retten. Wer Oestreich, wer die Freiheit liebt, schaare sich um seinen Kaiser!

Schönbrunn, 7. Oktober 1848.

Ferdinand. m. p.

Völker Oestreichs!

Die Folgen verhängnißvoller Ereignisse drohen den kaum begonnenen Grundbau unseres neuen Staatsgebäudes zu erschüttern.

Der aus der freien Wahl der Völker Oestreichs hervorgegangene konstituirende Reichstag erkannte in den ernsten Stunden des 6. Okt. die heilige Pflicht, die er den Völkern gegenüber zu erfüllen und die schwere Verantwortlichkeit, die er vor der Mit- und Nachwelt zu tragen hat.

Als das Band der gesetzlichen Ordnung zu zerreißen drohte, bemühte sich der Reichstag, kraft seiner Völkervollmacht und durch Verständigung mit dem Volke von Wien, der Reaktion, wie der Anarchie entgegen zu wirken Er erklärte sich selber für permanent und wählte zugleich aus seinen Mitgliedern einen permanenten Ausschuß zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.

Aber der konstituirende Reichstag hielt auch die Stellung fest, die er dem konstitutionellen Throne gegenüber einnimmt und jederzeit unerschütterlich einnehmen wird.

Er entsendete eine Deputation an Seine Majestät den konstitutionellen Kaiser, um im innigsten Verbande mit dem allerhöchsten Träger der Souveränetät die Wünsche des souveränen Volkes zu erfüllen und dessen heilige Interessen zu wahren.

In stets bewährter Herzensgüte waren Seine Majestät sogleich geneigt, die Männer, welche das Vertrauen des Volkes verloren hatten, aus dem Ministerium zu entlassen, die Bildung eines neuen volksthümlichen Ministeriums zu verfügen und die aufrichtigste, den Interessen aller Völker Oestreichs, wie den Zeitbedürfnissen entsprechende Berathung der Angelegenheiten des großen Gesammtvaterlandes zuzusichern.

Leider wurden Se. Majestät am 7. Oktbr. zu dem beklagenswerthen Entschluße bewogen, Sich aus der Nähe der Hauptstadt zu entfernen.

Dadurch ist das Vaterland, ist das Wohl und die so herrlich errungene Freiheit unseres hochberufenen Vaterlandes abermals in Gefahr; Rettung und Erhaltung der höchsten Güter des Bürgers und des Menschen ist nur dadurch möglich, daß das Volk von Wien, daß alle östreichischen Völker, die ein Herz für ihr Vaterland haben, wieder jene thatkräftige politische Besonnenheit und jenen hochherzigen Edelmuth beweisen, wie in den Tagen des Mai.

Völker Oestreichs! Volk von Wien! die Vorsehung hat uns einen eben so hohen als schwierigen Beruf angewiesen; wir sollen ein Werk vollbringen, welches, wenn es gelingt, alles übertreffen wird, was die Weltgeschichte Großes und Herrliches aufzuweisen hat; wir sollen einen politischen Staatsbau ausführen, der verschiedene Völker zu einem brüderlichen Völkerstaat vereinigt, dessen unerschütterliche Grundlage das gleiche Recht, dessen Lebensprinzip die gleiche Freiheit Aller sein soll.

Völker Oestreichs! Der Reichstag ist fest entschlossen, für diesen hohen Beruf das Seinige zu thun; thut auch Ihr das Eurige. Euer Vertrauen hat uns berufen, nur durch Euer Vertrauen sind wir stark. Alles, was wir sind, sind wir durch Euch und wollen wir für Euch sein! Dem Gebote der Nothwendigkeit und dem Gesetze der konstitutionellen Monarchie folgend, hat der konstitutionelle Reichstag heute folgende Beschlüsse gefaßt:

a) daß die Minister Dobblhoff (wegen angeblicher Krankheit noch immer unsichtbar), Hornbostel und Kroniß, die Geschäfte aller Ministerien führend, nicht nur für die Ordnung in dieser Geschäftsführung Sorge tragen, sondern auch durch Beziehung neuer Kräfte den Erfolg derselben sichern, endlich Sr. Majestät den Vorschlag der neu zu ernennenden Minister schleunigst vorlegen und sich mit dem Reichstag in ununterbrochener Verbindung erhalten soll.

b) Sei eine Denkschrift an Se. Maj. aus Anlaß höchst Ihres Manifestes zu erlassen. Darin soll der konstitutionelle Kaiser über den wahren Stand der Dinge aufgeklärt und ihm aus ehrlichem Herzen die Versicherung gegeben werden, daß die aufrichtige Liebe der Völker unerschütterlich für Ihn ist.

Volk Oestreichs! Europa blickt mit Bewunderung auf uns und die Geschichte hat unsere Erhebung zur Freiheit unter ihre glänzendsten Thaten eingereiht.

Bleiben wir uns selber getreu. Halten wir unerschütterlich fest an der Achtung vor dem Gesetz, an der konstitutionellen Monarchie, an der Freiheit.

Gott schütze Oestreich.

Wien, 7. Oktober 1848.

Vom konstituirenden Reichstage Karl Wiser, Schriftführer.

Franz Smolka, Erster Vice-Präsident.

3 Uhr. Daß die Kamarilla nichts ausrichten wird, ist ziemlich gewiß, unsere Lage bleibt aber dennoch bedenklich, weil die Bourgeoisie und das bewaffnete Proletariat nicht friedlich neben einander gehen werden. Schon spricht man überall von an der Stadtgarde zu nehmenden Rache. Die Stadtgarde ist am 6. nur ausgerückt, um auf das Volk zu schießen und ist gestern zu Hause geblieben. Der neue Oberkommandant Scherper bemüht sich in einem Maueranschlag dieselbe beim Volke dadurch rein zu waschen, daß er vorläugnet, ein Theil der Stadtgarde habe mit dem Militär das Zeughaus vertheidigt. Auch der neue Gemeinderath macht sich heute in einem Plakate bemerkbar. ‒ Das Volk ist immer noch unter den Waffen, die Straßen sind noch voll Barrikaden. Der 6. Oktober kostete über 100 Todte und über 200 Verwundete, wie man sagt. Wohin der Hof geflüchtet ist, weiß man mit Bestimmtheit noch nicht. Adel, Beamte und reiche Bourgeoisie flüchten auch heute noch.

Ich höre, von dem in St. Pölten stehenden Regiment Heß treffe eben eine Deputation auf der Aula ein, welche, Offiziere an der Spitze, erklärt, mit dem Volke gemeinschaftliche Sache machen zu wollen. Sie verlangt, daß eine Gesandtschaft von Akademikern mit ihr nach St. Pölten zurückkehre, um das Regiment abzuholen. Man traut nicht recht. Auch von einem deutschen Jägerregimente, welches in der Nähe liegt, ist eine solche Deputation eingetroffen. Die Aula will den Vertheidigungsausschuß des Reichstags über die Sache konsultiren. Die Stadt wimmelt von Bauern aus allen Gegenden. Freiwillige treffen stündlich aus allen Städien ein, selbst aus Tyrol und Steiermark. Die Eisenbahn-Direktionen erklären in Maueranschlägen, kein Militär nach Wien befördern zu wollen. An einigen Linien hat das Militär gestern Schlachtvieh vom Eintritt in die Stadt zurückgehalten. Die Thore sind noch überall verbarrikadirt, die Basteien mit Geschützen bepflanzt, die von der Legion und Garde bedient werden. Während der Nacht brannten Wachtfeuer dabei.

Als ich um 11 Uhr den Reichstag besuchte, stellte Tucko den Antrag, zu beschließen, daß die Redaktion der Oesterreichischen Zeitung, deren Redakteur, wie ich gestern geschrieben, entflohen ist, ersucht werde, ihren im gestrigen Abendblatte gegebenen lügenhaften Bericht über den 6. Oktober zu widerrufen, da er dahin abziele, den Reichstag anzuschwärzen. ‒ Der Präsident Smolka meinte, das sei Aufgabe der Presse im Allgemeinen; Löhner aber versicherte, daß schon vorgesehen sei, daß ein solcher Widerruf erfolgte. Nun entspann sich eine Debatte darüber, wie die Reichstags-Proklamation an die Völker Oesterreich's möglichst schnell zu drucken und zu verbreiten sei. Da es ein Sonntag ist, so bleibt die Entscheidung wegen des Feierns der Setzer schwierig. Man beschließt alle Anstrengungen zu machen, um den Druck zu beschleunigen. ‒ Der 6. Oktober hat heute eine Legion von Maueranschlägen geboren, die alle aus dem eigentlichen Volke kommen und ziemlich sozial-demokratisch aussehen. Die Stockung der Geschäfte, der Kriegszustand im ganzen Reiche muß bald noch weiter treiben.

Das gestern ausgegebene erste Heft des Staatsvoranschlags für 1849 weis't eine Schuldenlast von 1011,071,385 Fl. mit nahe an 38 Millionen Fl. Zinsen nach. 2/3 dieser Schulden sind unter Metternich gemacht und zur Vernichtung der Grundsätze von 1789 verwendet worden.

Meines Erachtens dürfte die Kamarilla mit dem Sturz ihrer Kreaturen Wessenberg, Latour, Bach im Ministerrathe ihre Ohnmacht einsehen, besonders wenn Jellachich, wie es sich immer mehr bestätigt, geschlagen ist. Sie wird, wie man sagt, zu Kreuz kriechen; das Manifest vom 7. war ihr letzter Seufzer. Nun bekommen wir aber ein ganz neues Bourgeois-Ministerium und sind Berlin dann einen Sprung voraus.

Schließlich bemerke ich, daß fortwährend Militär in die Stadt desertirt, um dem Volke zu helfen.

* Wien, 8. Oktober.

In seiner heutigen Sitzung hat der Reichstag einstimmig folgende Anträge Borrosch's angenommen:

1) Der Reichstag, welcher ohnehin als konstituirender Reichstag vor Beendigung seiner Mission nicht auflösbar ist, erklärt auch, unter den bedrohlichsten Umständen sich auf keine Weise aufzulösen und seiner Pflicht unerschütterlich treu zu bleiben.

2) Der Reichsteg ist ein untheilbares Ganzes, er vertritt alle Völker Oesterreich's, die ihn beschickt haben.

3) Der Reichstag ist zufolge des kaiserlichen Manifestes vom 6. Juni und freier Wahl des Volkes das einzige legale konstitutionelle Organ der Einigung zwischen dem konstitutionellen Monarchen und dem souveränen Volke zur Wahrung der unverkümmerten Volksfreiheit und des erblichen Thrones.

4) Der Reichstag, bestehend aus den freien Vertretern freier Völker wird keinem Abgeordneten einen moralischen Zwang zum Bleiben auferlegen.

5) Der Reichstag wird auf dem konstitutionellen Boden fest beharren, um von ihm aus, mit konstitutionellen legalen Maßregeln das Vaterland, die Volksfreiheit und den erblichen Thron zu wahren.

6) Der Reichstag fordert alle mit oder ohne Urlaub abwesenden Mitglieder auf, sich binnen längstens 14 Tage von heute ab im Reichstage einzufinden.

* Wien, 8. Oktober.

Der Verein zur Wahrung der Volksrechte in Wien an das deutsche Volk:

Es war ein Augenblick, beispiellos in der Geschichte, als das deutsche Volk sich erhob, und laut seinen Willen hinausrief in die Welt: es wolle Eins sein nach tausendjähriger Zersplitterung! Die ganze gebildete Welt bezeugte seine Theilnahme, daß ein Volk so reich an Bürgertugenden, so unübertroffen an Schöpfungen der Kunst und Wissenschaft, endlich vereinigt eintreten wolle in die Völkerfamilie Europas und der berufene Bundestag zerfiel vor diesem Freiheitssturme in Moder und Asche und die Fürsten beugten sich in Demuth vor dem Gebote des Volkes und zum ersten Male ‒ so schien es ‒ tönte in ihrem Innern die mahnende Stimme, daß des Volkes Wille über ihrem stehe. Und das Volk vertraute im gläubigen Wahne der Betheuerung der Fürsten und das Volk ‒ wurde betrogen.

Das Volk schickte seine Abgeordneten in die alte Kaiserstadt am Main, und überhäufte sie mit der Fülle seines Vertrauens. Wie der Moslim sich gläubig nach Mekka wendet, so richteten sich Aller Augen, Aller Herzen nach Frankfurt und harrten in Geduld des Wortes, das Freiheit, Glück und Macht dem deutschen Volke bringen sollte. So Manches geschah, was den heißen Wünschen zu langsam, so Manches, was dem Vaterlandsfreunde Besorgniß erregend war. Doch man beschied sich, man trug dem schwierigen Werke Rechnung, der Glaube, das Vertrauen des Volkes war unerschütterlich.

Zur Zeit, als der Völkerfrühling anbrach, hatte sich ein edler deutscher Mann erhoben, um fremdes Joch von sich zu schütteln. Ganz Deutschland jauchzte ihm zu und schickte seine besten Männer zum Kampfe. Bald war die deutsche Erde frei von Feinden und siegreich standen deutsche Krieger an Dänemarks Gränzen. Da, mitten im Siegeslaufe, veruntreute der König von Preußen die ihm von der deutschen Centralgewalt gegebene Vollmacht und schloß im Namen des todten deutschen Bundes einen Waffenstillstand mit Dänemark, der Besiegten nicht schmählicher hätte aufgebürdet werden können.

Mit Bangen blickte Deutschland nach Frankfurt, und fand sich diesmal nicht getäuscht. Der Beschluß vom 5. September sistirte den Waffenstillstand und stürzte ein volksverrätherisches Ministerium. Ein Sturm von Freude brauste durch das ganze Vaterland, Zuschriften des Beifalls und der Ermunterung erfolgten von allen Seiten Da nahte der 16. September, es sollte sich entscheiden, ob deutsche Ehre, deutsche Freiheit dem Auslande gegenüber noch Fürstenlaune verschachert, oder vom Volke selbst nach dessen Willen gewahrt werden sollte.

Die Mehrheit der Abgeordneten des deutschen Volkes entschied sich für das Erste; das Dräuen und die Huld der Fürsten galt ihnen mehr als das Wohl des Vaterlandes. Diese Mehrheit hat Deutschlands Ehre mit Füßen getreten, diese Mehrheit hat die kostbare Gelegenheit, wodurch sich Deutschland dem Auslande gegenüber als ein einiges starkes Volk zeigen könnte,

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        <head>[Deutschland]</head>
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          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> durch die stille Nacht.) Ein Brief aus Presburg vom 4. Octob., die einzige direkte Nachricht aus Ungarn, die ich heute aufgetrieben habe, könnte dies bestätigen. Es heißt darin: &#x201E;Die Nordslaven haben sich, trotzdem sie schon gänzlich gesprengt waren und ihr Anführer Hodza erschossen sein soll, unter Hurban und Stur, die frische Horden von Mähren brachten, wiederum gesammelt und bei Miava ein Lager bezogen.&#x201C; &#x2012; Wenn das Gerücht von dem Anzug Jellachich's sich bestätigt, so wird in und um Wien eine Hauptschlacht geliefert. &#x2012; Vom Lande habe ich heute wenig gehört; 500 bewaffnete Bauern kampiren in der Brigittenau mit dem zurückgekehrten italienischen Regimente.</p>
          <p>Um 5 Uhr las Schuselka seine Adresse an den Kaiser und die Proklamation an die Völker Oestreichs im Reichstage vor. Die erste ist sehr bescheiden, die letzte sehr ordnungsmäßig, ruhig. Die Kammer ist viel zahlreicher als am Morgen. Außer einigen Czechen und Bureaukraten sind auch viele entflohene Frösche der Centren wieder auf ihren Plätzen, laufen aber sogleich wieder davon, wenn in der Ferne der Tambour schlägt. Unter diesen Fröschen zeichnen sich zumal Gobbi und Neuwell aus. &#x2012; Schuselka's Proklamation wird quintamäßig geschulmeistert, aber man disputirt nur über Worte, den Bourgeois-Geist und die Feigheit hat Schuselka darin so trefflich eingebracht, daß die Proklamation von dieser Seite unangefochten bleibt. Die Proklamation soll in Hunderttausenden von Exemplaren in die Provinzen geschleudert werden, jeder Abgeordnete soll davon in der Sprache seiner Wähler 40 erhalten, alle Behörden und sogar die Generalkommando's sollen damit beglückt werden und Schuselka's Styl bewundern lernen. &#x2012; Ich bemerke Lubomirski, Doliak, Jorak und einige andere Czechen wieder auf ihren Bänken.</p>
          <p><hi rendition="#g">Zimmer</hi> beantragt, der Reichstag solle dem Grafen Auersperg den Befehl ertheilen, seine drohende Stellung am Belvedere und im Parke des Fürsten Schwarzenberg aufzugeben und die Stadt zu verlassen. &#x2012; Es geht an den Wohlfahrtsausschuß, den man aber nun bereits zur bloßen Kommission degradirt hat. Der gutmüthige Wohlfahrtsausschuß oder die Kommission erhält von Auersperg die Antwort: er kenne keinen Reichstag, er kenne nur einen Kaiser, der ihm zu befehlen habe. Schuselka zeigt sich einigermaßen verwundert über diesen impertinenten Ungehorsam; Auersperg aber steht noch immer, wo der zum Nikolaus entflohene Ferdinand ihn hingestellt.</p>
          <p><hi rendition="#g">Borrosch</hi> hat noch gar nicht geschlafen und beantragt, der Reichstag wolle erlauben, daß 1/4 seiner Mitglieder auf etwa 8 Stunden schlafen gehen, 2/3 aber bleiben sollen und sofort. Der Antrag fällt durch; die ganze Permanenz bleibt auch für diese Nacht.</p>
          <p><hi rendition="#g">Heimerl</hi> beantragt die Aufhebung der Permanenz; das ganze Centrum und ein Theil der Linken erheben sich. Es ist offenbar die Majorität, allein Präsident <hi rendition="#g">Smolka</hi>meint, es sei die Minorität Die Kammer hat nicht den Muth, zu widersprechen. Es wird der Antrag angenommen, daß der Reichstag sich bei der geringsten Störung während der Nacht immer zusammenhalte; ferner wird die permanente Kommission um 10 Mitglieder verstärkt. Der Czeche Jorak will durchaus nicht dabei sein. Ich vermisse den Abgeordneten und Exminister v. Schwarzer. Der Zeughaussturm soll ihn vertrieben haben, die Bewaffnung der Arbeiter hat ihm vermuthlich seine Fünfkreuzersünden ins Gedächtniß zurückgerufen. Der Moment ist kitzlich, darum enthält sein kluges Blatt heute auch nicht eine Silbe über die gestrigen Ereignisse.</p>
          <p><hi rendition="#g">Umlauft</hi>muthet dem Wohlfahrtsausschusse zu, das Nationalgardengesetz zu revidiren und die Revision in 36 Stunden dem Reichstag vorzulegen. <hi rendition="#g">Krauß</hi>wehrt sich entsetzlich gegen diesen nichtministeriellen Terrorismus. <hi rendition="#g">Jorak</hi> dem, da er ein Czeche ist. Lubomirski katerhaft zulauert, äußert sich wie der Minister; er will nur ein provisorisches Nationalgardegesetz. <hi rendition="#g">Borrosch</hi> hält das Gemeindegesetz und die Konstitution für dringlicher; er ist schon mit einem bloßen Nationalgardereglement zufrieden. <hi rendition="#g">Umlauft</hi> beruft sich darauf, daß Doblhof ihm schon am 14. August versprochen, in 14 Tagen ein Nationalgardegesetz einzubringen.</p>
          <p><hi rendition="#g">Borrosch</hi>will nicht, daß man dem noch so neuen, unausgebildeten Ministerium Vorwürfe mache. Die Fahrt nach Schönbrunn scheint unserm Borrosch überhaupt recht wohl bekommen zu sein. Die Versammlung singt schon wieder im besten alten Ton, da kommt die Nachricht, das Militär beginne auf der Wieden zu plündern, nachdem es schon am Nachmittage seine Bedürfnisse nicht mehr bezahlt habe. <hi rendition="#g">Jorak</hi>, der für Strobach II gelten kann, fährt darauf wieder im Nationalgardengesetz fort. Es wird darüber eine motivirte Tagesordnung <hi rendition="#g">Hagenauers</hi> angenommen, worauf <hi rendition="#g">Sierakowski</hi> beantragt, der Reichstag solle durch fünf Mitglieder eine Proklamation an die Armee verfassen lassen; die Kapitulationszeit auf drei Jahre herabsetzen; die Körperstrafen beim Militär abschaffen; die Regimentsinhaberschaft aufheben und die Beförderungen nach Verdienst geschehen lassen. Er meint, da der Bauer und Jude etwas bekommen, so müsse auch der Soldat etwas erhalten. Wollte Sierakowski sich oder den Reichstag damit den am Belvedere stehenden polnischen Regimentern empfehlen? <hi rendition="#g">Borrosch</hi> nennt diesen Antrag, weil kein Kriegsminister da und der dagewesene gehangen sei, einen unordentlichen. Man geht darüber zur Tagesordnung über. <hi rendition="#g">Kudlich</hi> beantragt, der Reichstag möge eine Kommission zur Vertheidigung der Stadt ernennen, die als Mittelpunkt aller Operationen diene, wenn die Stadt angegriffen würde. Er versichert, daß der Reichstag nur auf diese Weise Herr der Bewegung (?) bleibe. Der Oberkommandant Scherzer sei selber dieser Meinung und wolle nicht allein stehen, da Volk und Militär beim Parke Schwarzenbergs sich immer schroffer neckten.</p>
          <p><hi rendition="#g">Borrosch</hi> erklärt sich gegen eine solche Kommission, die sich für einen parlamentarischen Reichstag nicht gezieme. Er meint, der neue Gemeinderath sei dasjenige Organ, welches diese Angelegenheit zu besorgen habe. Einigen Abgeordneten wird bang, besonders da einer fünf Männer zur Kommission empfiehlt; sie laufen davon. Borrosch protestirt gegen die Fünfmännerherrschaft. Der Tambour schlägt, es wird unheimlich im Reichstage. Der Präsident bringt die Anträge zur Abstimmung. Umlauft's Antrag, der Reichstag möge dem Oberkommandanten Scherzer militärisch gebildete Mitglieder aus der Kammer zugesellen, fällt durch; dagegen wird Borrosch's Antrag, den Wohlfahrtsausschuß mit Mitgliedern zu verstärken, die militärische Kenntnisse besitzen, angenommen. Somit ist der Antrag Kudlichs beseitigt und das Volk bleibt verrathen. In dem Augenblicke, wo ich diesen Brief schließe (11 Uhr), ist noch alles ruhig; nur hie und da ertönt eine Glocke oder eine Trommel. Das Volk hält sich äußerst wachsam. Es wird sich zeigen, wer zuerst ermüdet, ob Volk oder Militär.</p>
          <p>Die ungarischen Zeitungen sind heute wieder nicht angekommen. Seit zwei Tagen sind auch die hiesigen auf den Straßen verschwunden, weil auch die Ausrufer unter den Waffen sind. In meinem Hause wohnen Gesandte, Hofräthe und Fürsten, sie sind alle entflohen und ließen ihre besten Habseligkeiten auf die furchtsamste, geheimnißvollste Weise, wie Diebe, davontragen.</p>
        </div>
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          <head><bibl><author>61</author></bibl> Wien, 8. Okt.</head>
          <p>Statt des in der Nacht mit Bestimmtheit erwarteten Bombardements Auersperg bekamen wir heute Morgen folgende Auerspergische Kundmachung:</p>
          <p>Zur Beruhigung wird nachfolgendes vom Ministerrathe dem hohen Reichstage mitgetheilte Schreiben des kommandirenden Generals Grafen Auersperg zur öffentlichen Kenntniß gebracht.</p>
          <p>Wien, 7. Oktober 1848.</p>
          <p>Franz Smolka, erster Vizepräsident.</p>
          <p>Vom konstituirenden Reichstage, <hi rendition="#g">Wiser,</hi> Schriftführer.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar115_006" type="jArticle">
          <p>An einen hohen Ministerrath!</p>
          <p>Die gestrigen Ereignisse haben mich veranlaßt, die in verschiedenen Kasernen zerstreuten Truppen der Garnision auf einen einzigen militärischen Punkt zu konzentriren, um selbe vor jedem weiteren Insult und Angriff sicher zu stellen. Es ist dabei durchaus keine feindselige Absicht, ja, es wird mir sehr erwünscht sein, bei eintretender Ruhe und Beseitigung jedes weitern Angriffs auf das Militär, von dem jedoch gerade in diesem Augenblicke die verschiedensten Gerüchte herumgehen, diese außerordentlichen Maßregeln aufzugeben und in das gewohnte Verhältniß zurückzuführen.</p>
          <p>Ueber die stattgefundenen Feindseligkeiten von Seiten des Militärs habe ich schon zu wiederholten Malen mein Bedauern und die Versicherung ausgesprochen, daß hiergegen die strengsten Verbote ergangen sind. (Noch gestern Abend wurde ein Bauer von dem polnischen Regimente Nassau zerhackt).</p>
          <p>Wien, 7. Oktober 1848.</p>
          <p>Graf <hi rendition="#g">Auersperg.</hi> </p>
          <p>Die beiden folgenden Aktenstücke sind noch ungedruckt.</p>
          <p>Manifest des Kaisers an die Völker Oestreichs!</p>
          <p>Was ein Herrscher an Güte und Vertrauen seinen Völkern erweisen kann, das habe Ich erschöpft.</p>
          <p>Mit Freude entsagte Ich der unbeschränkten Gewalt, welche Meine Vorfahren Mir hinterlassen, um durch größern Spielraum der Selbstständigkeit die Kraft, den Wohlstand, das Selbstgefühl Meiner Völker zu heben. Bereitwillig gestattete Ich die Verfassung nach dem Vorbilde, welche die Richtung der Zeit und der allgemeine Wunsch zu fordern schien und wenn die Gewaltthat des 15. Mai (aha!) Mich die Wohnung Meiner Ahnen zu verlassen zwang, so ward Ich doch nicht müde, zu geben und zu gewähren und auf breitester Grundlage des Wahlrechtes ward ein Reichstag berufen, welcher mit Mir zur Feststellung einer alle Interessen befriedigenden Verfassung zusammenwirken sollte.</p>
          <p>Hierauf kehrte Ich in Meine Hauptstadt zurück ohne für Meine Sicherheit eine andere Bürgschaft zu verlangen, als das Rechtsgefühl und die Dankbarkeit der Oestreicher.</p>
          <p>Doch eine an Zahl geringe, durch Verwegenheit starke Partei bedroht die Hoffnungen jedes Vaterlandsfreundes mit Vernichtung. Die Anarchie hat ihr Aeußerstes vollbracht, Wien ist mit Brand und Mord erfüllt; Mein Kriegsminister, den schon sein Greisenalter hätte schirmen sollen, hat unter den Händen einer meuchlerischen Rotte geendet.</p>
          <p>In diesem entscheidungsvollen Augenblicke vertraue Ich auf Gott und Mein Recht und verlasse die Nähe Meiner Hauptstadt, um Mittel zu finden, der unterjochten Bevölkerung von Wien Hülfe zu bringen und die durch die empörendsten Frevel bedrohte Freiheit zu retten. Wer Oestreich, wer die Freiheit liebt, schaare sich um seinen Kaiser!</p>
          <p>Schönbrunn, 7. Oktober 1848.</p>
          <p> <hi rendition="#g">Ferdinand. m. p.</hi> </p>
          <p>Völker Oestreichs!</p>
          <p>Die Folgen verhängnißvoller Ereignisse drohen den kaum begonnenen Grundbau unseres neuen Staatsgebäudes zu erschüttern.</p>
          <p>Der aus der freien Wahl der Völker Oestreichs hervorgegangene konstituirende Reichstag erkannte in den ernsten Stunden des 6. Okt. die heilige Pflicht, die er den Völkern gegenüber zu erfüllen und die schwere Verantwortlichkeit, die er vor der Mit- und Nachwelt zu tragen hat.</p>
          <p>Als das Band der gesetzlichen Ordnung zu zerreißen drohte, bemühte sich der Reichstag, kraft seiner Völkervollmacht und durch Verständigung mit dem Volke von Wien, der Reaktion, wie der Anarchie entgegen zu wirken Er erklärte sich selber für permanent und wählte zugleich aus seinen Mitgliedern einen permanenten Ausschuß zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.</p>
          <p>Aber der konstituirende Reichstag hielt auch die Stellung fest, die er dem konstitutionellen Throne gegenüber einnimmt und jederzeit unerschütterlich einnehmen wird.</p>
          <p>Er entsendete eine Deputation an Seine Majestät den konstitutionellen Kaiser, um im innigsten Verbande mit dem allerhöchsten Träger der Souveränetät die Wünsche des souveränen Volkes zu erfüllen und dessen heilige Interessen zu wahren.</p>
          <p>In stets bewährter Herzensgüte waren Seine Majestät sogleich geneigt, die Männer, welche das Vertrauen des Volkes verloren hatten, aus dem Ministerium zu entlassen, die Bildung eines neuen volksthümlichen Ministeriums zu verfügen und die aufrichtigste, den Interessen aller Völker Oestreichs, wie den Zeitbedürfnissen entsprechende Berathung der Angelegenheiten des großen Gesammtvaterlandes zuzusichern.</p>
          <p>Leider wurden Se. Majestät am 7. Oktbr. zu dem beklagenswerthen Entschluße bewogen, Sich aus der Nähe der Hauptstadt zu entfernen.</p>
          <p>Dadurch ist das Vaterland, ist das Wohl und die so herrlich errungene Freiheit unseres hochberufenen Vaterlandes abermals in Gefahr; Rettung und Erhaltung der höchsten Güter des Bürgers und des Menschen ist nur dadurch möglich, daß das Volk von Wien, daß alle östreichischen Völker, die ein Herz für ihr Vaterland haben, wieder jene thatkräftige politische Besonnenheit und jenen hochherzigen Edelmuth beweisen, wie in den Tagen des Mai.</p>
          <p>Völker Oestreichs! Volk von Wien! die Vorsehung hat uns einen eben so hohen als schwierigen Beruf angewiesen; wir sollen ein Werk vollbringen, welches, wenn es gelingt, alles übertreffen wird, was die Weltgeschichte Großes und Herrliches aufzuweisen hat; wir sollen einen politischen Staatsbau ausführen, der verschiedene Völker zu einem brüderlichen Völkerstaat vereinigt, dessen unerschütterliche Grundlage das gleiche Recht, dessen Lebensprinzip die gleiche Freiheit Aller sein soll.</p>
          <p>Völker Oestreichs! Der Reichstag ist fest entschlossen, für diesen hohen Beruf das Seinige zu thun; thut auch Ihr das Eurige. Euer Vertrauen hat uns berufen, nur durch Euer Vertrauen sind wir stark. Alles, was wir sind, sind wir durch Euch und wollen wir für Euch sein! Dem Gebote der Nothwendigkeit und dem Gesetze der konstitutionellen Monarchie folgend, hat der konstitutionelle Reichstag heute folgende Beschlüsse gefaßt:</p>
          <p>a) daß die Minister Dobblhoff (wegen angeblicher Krankheit noch immer unsichtbar), Hornbostel und Kroniß, die Geschäfte aller Ministerien führend, nicht nur für die Ordnung in dieser Geschäftsführung Sorge tragen, sondern auch durch Beziehung neuer Kräfte den Erfolg derselben sichern, endlich Sr. Majestät den Vorschlag der neu zu ernennenden Minister schleunigst vorlegen und sich mit dem Reichstag in ununterbrochener Verbindung erhalten soll.</p>
          <p>b) Sei eine Denkschrift an Se. Maj. aus Anlaß höchst Ihres Manifestes zu erlassen. Darin soll der konstitutionelle Kaiser über den wahren Stand der Dinge aufgeklärt und ihm aus ehrlichem Herzen die Versicherung gegeben werden, daß die aufrichtige Liebe der Völker unerschütterlich für Ihn ist.</p>
          <p>Volk Oestreichs! Europa blickt mit Bewunderung auf uns und die Geschichte hat unsere Erhebung zur Freiheit unter ihre glänzendsten Thaten eingereiht.</p>
          <p>Bleiben wir uns selber getreu. Halten wir unerschütterlich fest an der Achtung vor dem Gesetz, an der konstitutionellen Monarchie, an der Freiheit.</p>
          <p>Gott schütze Oestreich.</p>
          <p>Wien, 7. Oktober 1848.</p>
          <p>Vom konstituirenden Reichstage <hi rendition="#g">Karl Wiser,</hi> Schriftführer.</p>
          <p>Franz Smolka, Erster Vice-Präsident.</p>
          <p>3 Uhr. Daß die Kamarilla nichts ausrichten wird, ist ziemlich gewiß, unsere Lage bleibt aber dennoch bedenklich, weil die Bourgeoisie und das bewaffnete Proletariat nicht friedlich neben einander gehen werden. Schon spricht man überall von an der Stadtgarde zu nehmenden Rache. Die Stadtgarde ist am 6. nur ausgerückt, um auf das Volk zu schießen und ist gestern zu Hause geblieben. Der neue Oberkommandant Scherper bemüht sich in einem Maueranschlag dieselbe beim Volke dadurch rein zu waschen, daß er vorläugnet, ein Theil der Stadtgarde habe mit dem Militär das Zeughaus vertheidigt. Auch der neue Gemeinderath macht sich heute in einem Plakate bemerkbar. &#x2012; Das Volk ist immer noch unter den Waffen, die Straßen sind noch voll Barrikaden. Der 6. Oktober kostete über 100 Todte und über 200 Verwundete, wie man sagt. Wohin der Hof geflüchtet ist, weiß man mit Bestimmtheit noch nicht. Adel, Beamte und reiche Bourgeoisie flüchten auch heute noch.</p>
          <p>Ich höre, von dem in St. Pölten stehenden Regiment Heß treffe eben eine Deputation auf der Aula ein, welche, Offiziere an der Spitze, erklärt, mit dem Volke gemeinschaftliche Sache machen zu wollen. Sie verlangt, daß eine Gesandtschaft von Akademikern mit ihr nach St. Pölten zurückkehre, um das Regiment abzuholen. Man traut nicht recht. Auch von einem deutschen Jägerregimente, welches in der Nähe liegt, ist eine solche Deputation eingetroffen. Die Aula will den Vertheidigungsausschuß des Reichstags über die Sache konsultiren. Die Stadt wimmelt von Bauern aus allen Gegenden. Freiwillige treffen stündlich aus allen Städien ein, selbst aus Tyrol und Steiermark. Die Eisenbahn-Direktionen erklären in Maueranschlägen, kein Militär nach Wien befördern zu wollen. An einigen Linien hat das Militär gestern Schlachtvieh vom Eintritt in die Stadt zurückgehalten. Die Thore sind noch überall verbarrikadirt, die Basteien mit Geschützen bepflanzt, die von der Legion und Garde bedient werden. Während der Nacht brannten Wachtfeuer dabei.</p>
          <p>Als ich um 11 Uhr den Reichstag besuchte, stellte <hi rendition="#g">Tucko</hi> den Antrag, zu beschließen, daß die Redaktion der Oesterreichischen Zeitung, deren Redakteur, wie ich gestern geschrieben, entflohen ist, ersucht werde, ihren im gestrigen Abendblatte gegebenen lügenhaften Bericht über den 6. Oktober zu widerrufen, da er dahin abziele, den Reichstag anzuschwärzen. &#x2012; Der Präsident Smolka meinte, das sei Aufgabe der Presse im Allgemeinen; Löhner aber versicherte, daß schon vorgesehen sei, daß ein solcher Widerruf erfolgte. Nun entspann sich eine Debatte darüber, wie die Reichstags-Proklamation an die Völker Oesterreich's möglichst schnell zu drucken und zu verbreiten sei. Da es ein Sonntag ist, so bleibt die Entscheidung wegen des Feierns der Setzer schwierig. Man beschließt alle Anstrengungen zu machen, um den Druck zu beschleunigen. &#x2012; Der 6. Oktober hat heute eine Legion von Maueranschlägen geboren, die alle aus dem eigentlichen Volke kommen und ziemlich sozial-demokratisch aussehen. Die Stockung der Geschäfte, der Kriegszustand im ganzen Reiche muß bald noch weiter treiben.</p>
          <p>Das gestern ausgegebene erste Heft des Staatsvoranschlags für 1849 weis't eine Schuldenlast von 1011,071,385 Fl. mit nahe an 38 Millionen Fl. Zinsen nach. 2/3 dieser Schulden sind unter Metternich gemacht und zur Vernichtung der Grundsätze von 1789 verwendet worden.</p>
          <p>Meines Erachtens dürfte die Kamarilla mit dem Sturz ihrer Kreaturen Wessenberg, Latour, Bach im Ministerrathe ihre Ohnmacht einsehen, besonders wenn Jellachich, wie es sich immer mehr bestätigt, geschlagen ist. Sie wird, wie man sagt, zu Kreuz kriechen; das Manifest vom 7. war ihr letzter Seufzer. Nun bekommen wir aber ein ganz neues Bourgeois-Ministerium und sind Berlin dann einen Sprung voraus.</p>
          <p>Schließlich bemerke ich, daß fortwährend <hi rendition="#g">Militär in die Stadt desertirt, um dem Volke zu helfen.</hi> </p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 8. Oktober.</head>
          <p>In seiner heutigen Sitzung hat der Reichstag einstimmig folgende Anträge Borrosch's angenommen:</p>
          <p>1) Der Reichstag, welcher ohnehin als konstituirender Reichstag vor Beendigung seiner Mission nicht auflösbar ist, erklärt auch, unter den bedrohlichsten Umständen sich auf keine Weise aufzulösen und seiner Pflicht unerschütterlich treu zu bleiben.</p>
          <p>2) Der Reichsteg ist ein untheilbares Ganzes, er vertritt alle Völker Oesterreich's, die ihn beschickt haben.</p>
          <p>3) Der Reichstag ist zufolge des kaiserlichen Manifestes vom 6. Juni und freier Wahl des Volkes das einzige legale konstitutionelle Organ der Einigung zwischen dem konstitutionellen Monarchen und dem souveränen Volke zur Wahrung der unverkümmerten Volksfreiheit und des erblichen Thrones.</p>
          <p>4) Der Reichstag, bestehend aus den freien Vertretern freier Völker wird keinem Abgeordneten einen moralischen Zwang zum Bleiben auferlegen.</p>
          <p>5) Der Reichstag wird auf dem konstitutionellen Boden fest beharren, um von ihm aus, mit konstitutionellen legalen Maßregeln das Vaterland, die Volksfreiheit und den erblichen Thron zu wahren.</p>
          <p>6) Der Reichstag fordert alle mit oder ohne Urlaub abwesenden Mitglieder auf, sich binnen längstens 14 Tage von heute ab im Reichstage einzufinden.</p>
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          <head><bibl><author>*</author></bibl> Wien, 8. Oktober.</head>
          <p>Der Verein zur Wahrung der Volksrechte in Wien an das deutsche Volk:</p>
          <p>Es war ein Augenblick, beispiellos in der Geschichte, als das deutsche Volk sich erhob, und laut seinen Willen hinausrief in die Welt: es wolle Eins sein nach tausendjähriger Zersplitterung! Die ganze gebildete Welt bezeugte seine Theilnahme, daß ein Volk so reich an Bürgertugenden, so unübertroffen an Schöpfungen der Kunst und Wissenschaft, endlich vereinigt eintreten wolle in die Völkerfamilie Europas und der berufene Bundestag zerfiel vor diesem Freiheitssturme in Moder und Asche und die Fürsten beugten sich in Demuth vor dem Gebote des Volkes und zum ersten Male &#x2012; so schien es &#x2012; tönte in ihrem Innern die mahnende Stimme, daß des Volkes Wille über ihrem stehe. Und das Volk vertraute im gläubigen Wahne der Betheuerung der Fürsten und das Volk &#x2012; wurde betrogen.</p>
          <p>Das Volk schickte seine Abgeordneten in die alte Kaiserstadt am Main, und überhäufte sie mit der Fülle seines Vertrauens. Wie der Moslim sich gläubig nach Mekka wendet, so richteten sich Aller Augen, Aller Herzen nach Frankfurt und harrten in Geduld des Wortes, das Freiheit, Glück und Macht dem deutschen Volke bringen sollte. So Manches geschah, was den heißen Wünschen zu langsam, so Manches, was dem Vaterlandsfreunde Besorgniß erregend war. Doch man beschied sich, man trug dem schwierigen Werke Rechnung, der Glaube, das Vertrauen des Volkes war unerschütterlich.</p>
          <p>Zur Zeit, als der Völkerfrühling anbrach, hatte sich ein edler deutscher Mann erhoben, um fremdes Joch von sich zu schütteln. Ganz Deutschland jauchzte ihm zu und schickte seine besten Männer zum Kampfe. Bald war die deutsche Erde frei von Feinden und siegreich standen deutsche Krieger an Dänemarks Gränzen. Da, mitten im Siegeslaufe, veruntreute der König von Preußen die ihm von der deutschen Centralgewalt gegebene Vollmacht und schloß im Namen des todten deutschen Bundes einen Waffenstillstand mit Dänemark, der Besiegten nicht schmählicher hätte aufgebürdet werden können.</p>
          <p>Mit Bangen blickte Deutschland nach Frankfurt, und fand sich diesmal nicht getäuscht. Der Beschluß vom 5. September sistirte den Waffenstillstand und stürzte ein volksverrätherisches Ministerium. Ein Sturm von Freude brauste durch das ganze Vaterland, Zuschriften des Beifalls und der Ermunterung erfolgten von allen Seiten Da nahte der 16. September, es sollte sich entscheiden, ob deutsche Ehre, deutsche Freiheit dem Auslande gegenüber noch Fürstenlaune verschachert, oder vom Volke selbst nach dessen Willen gewahrt werden sollte.</p>
          <p>Die Mehrheit der Abgeordneten des deutschen Volkes entschied sich für das Erste; das Dräuen und die Huld der Fürsten galt ihnen mehr als das Wohl des Vaterlandes. Diese Mehrheit hat Deutschlands Ehre mit Füßen getreten, diese Mehrheit hat die kostbare Gelegenheit, wodurch sich Deutschland dem Auslande gegenüber als ein einiges starkes Volk zeigen könnte,</p>
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[0574/0002] [Deutschland] [Fortsetzung] durch die stille Nacht.) Ein Brief aus Presburg vom 4. Octob., die einzige direkte Nachricht aus Ungarn, die ich heute aufgetrieben habe, könnte dies bestätigen. Es heißt darin: „Die Nordslaven haben sich, trotzdem sie schon gänzlich gesprengt waren und ihr Anführer Hodza erschossen sein soll, unter Hurban und Stur, die frische Horden von Mähren brachten, wiederum gesammelt und bei Miava ein Lager bezogen.“ ‒ Wenn das Gerücht von dem Anzug Jellachich's sich bestätigt, so wird in und um Wien eine Hauptschlacht geliefert. ‒ Vom Lande habe ich heute wenig gehört; 500 bewaffnete Bauern kampiren in der Brigittenau mit dem zurückgekehrten italienischen Regimente. Um 5 Uhr las Schuselka seine Adresse an den Kaiser und die Proklamation an die Völker Oestreichs im Reichstage vor. Die erste ist sehr bescheiden, die letzte sehr ordnungsmäßig, ruhig. Die Kammer ist viel zahlreicher als am Morgen. Außer einigen Czechen und Bureaukraten sind auch viele entflohene Frösche der Centren wieder auf ihren Plätzen, laufen aber sogleich wieder davon, wenn in der Ferne der Tambour schlägt. Unter diesen Fröschen zeichnen sich zumal Gobbi und Neuwell aus. ‒ Schuselka's Proklamation wird quintamäßig geschulmeistert, aber man disputirt nur über Worte, den Bourgeois-Geist und die Feigheit hat Schuselka darin so trefflich eingebracht, daß die Proklamation von dieser Seite unangefochten bleibt. Die Proklamation soll in Hunderttausenden von Exemplaren in die Provinzen geschleudert werden, jeder Abgeordnete soll davon in der Sprache seiner Wähler 40 erhalten, alle Behörden und sogar die Generalkommando's sollen damit beglückt werden und Schuselka's Styl bewundern lernen. ‒ Ich bemerke Lubomirski, Doliak, Jorak und einige andere Czechen wieder auf ihren Bänken. Zimmer beantragt, der Reichstag solle dem Grafen Auersperg den Befehl ertheilen, seine drohende Stellung am Belvedere und im Parke des Fürsten Schwarzenberg aufzugeben und die Stadt zu verlassen. ‒ Es geht an den Wohlfahrtsausschuß, den man aber nun bereits zur bloßen Kommission degradirt hat. Der gutmüthige Wohlfahrtsausschuß oder die Kommission erhält von Auersperg die Antwort: er kenne keinen Reichstag, er kenne nur einen Kaiser, der ihm zu befehlen habe. Schuselka zeigt sich einigermaßen verwundert über diesen impertinenten Ungehorsam; Auersperg aber steht noch immer, wo der zum Nikolaus entflohene Ferdinand ihn hingestellt. Borrosch hat noch gar nicht geschlafen und beantragt, der Reichstag wolle erlauben, daß 1/4 seiner Mitglieder auf etwa 8 Stunden schlafen gehen, 2/3 aber bleiben sollen und sofort. Der Antrag fällt durch; die ganze Permanenz bleibt auch für diese Nacht. Heimerl beantragt die Aufhebung der Permanenz; das ganze Centrum und ein Theil der Linken erheben sich. Es ist offenbar die Majorität, allein Präsident Smolkameint, es sei die Minorität Die Kammer hat nicht den Muth, zu widersprechen. Es wird der Antrag angenommen, daß der Reichstag sich bei der geringsten Störung während der Nacht immer zusammenhalte; ferner wird die permanente Kommission um 10 Mitglieder verstärkt. Der Czeche Jorak will durchaus nicht dabei sein. Ich vermisse den Abgeordneten und Exminister v. Schwarzer. Der Zeughaussturm soll ihn vertrieben haben, die Bewaffnung der Arbeiter hat ihm vermuthlich seine Fünfkreuzersünden ins Gedächtniß zurückgerufen. Der Moment ist kitzlich, darum enthält sein kluges Blatt heute auch nicht eine Silbe über die gestrigen Ereignisse. Umlauftmuthet dem Wohlfahrtsausschusse zu, das Nationalgardengesetz zu revidiren und die Revision in 36 Stunden dem Reichstag vorzulegen. Kraußwehrt sich entsetzlich gegen diesen nichtministeriellen Terrorismus. Jorak dem, da er ein Czeche ist. Lubomirski katerhaft zulauert, äußert sich wie der Minister; er will nur ein provisorisches Nationalgardegesetz. Borrosch hält das Gemeindegesetz und die Konstitution für dringlicher; er ist schon mit einem bloßen Nationalgardereglement zufrieden. Umlauft beruft sich darauf, daß Doblhof ihm schon am 14. August versprochen, in 14 Tagen ein Nationalgardegesetz einzubringen. Borroschwill nicht, daß man dem noch so neuen, unausgebildeten Ministerium Vorwürfe mache. Die Fahrt nach Schönbrunn scheint unserm Borrosch überhaupt recht wohl bekommen zu sein. Die Versammlung singt schon wieder im besten alten Ton, da kommt die Nachricht, das Militär beginne auf der Wieden zu plündern, nachdem es schon am Nachmittage seine Bedürfnisse nicht mehr bezahlt habe. Jorak, der für Strobach II gelten kann, fährt darauf wieder im Nationalgardengesetz fort. Es wird darüber eine motivirte Tagesordnung Hagenauers angenommen, worauf Sierakowski beantragt, der Reichstag solle durch fünf Mitglieder eine Proklamation an die Armee verfassen lassen; die Kapitulationszeit auf drei Jahre herabsetzen; die Körperstrafen beim Militär abschaffen; die Regimentsinhaberschaft aufheben und die Beförderungen nach Verdienst geschehen lassen. Er meint, da der Bauer und Jude etwas bekommen, so müsse auch der Soldat etwas erhalten. Wollte Sierakowski sich oder den Reichstag damit den am Belvedere stehenden polnischen Regimentern empfehlen? Borrosch nennt diesen Antrag, weil kein Kriegsminister da und der dagewesene gehangen sei, einen unordentlichen. Man geht darüber zur Tagesordnung über. Kudlich beantragt, der Reichstag möge eine Kommission zur Vertheidigung der Stadt ernennen, die als Mittelpunkt aller Operationen diene, wenn die Stadt angegriffen würde. Er versichert, daß der Reichstag nur auf diese Weise Herr der Bewegung (?) bleibe. Der Oberkommandant Scherzer sei selber dieser Meinung und wolle nicht allein stehen, da Volk und Militär beim Parke Schwarzenbergs sich immer schroffer neckten. Borrosch erklärt sich gegen eine solche Kommission, die sich für einen parlamentarischen Reichstag nicht gezieme. Er meint, der neue Gemeinderath sei dasjenige Organ, welches diese Angelegenheit zu besorgen habe. Einigen Abgeordneten wird bang, besonders da einer fünf Männer zur Kommission empfiehlt; sie laufen davon. Borrosch protestirt gegen die Fünfmännerherrschaft. Der Tambour schlägt, es wird unheimlich im Reichstage. Der Präsident bringt die Anträge zur Abstimmung. Umlauft's Antrag, der Reichstag möge dem Oberkommandanten Scherzer militärisch gebildete Mitglieder aus der Kammer zugesellen, fällt durch; dagegen wird Borrosch's Antrag, den Wohlfahrtsausschuß mit Mitgliedern zu verstärken, die militärische Kenntnisse besitzen, angenommen. Somit ist der Antrag Kudlichs beseitigt und das Volk bleibt verrathen. In dem Augenblicke, wo ich diesen Brief schließe (11 Uhr), ist noch alles ruhig; nur hie und da ertönt eine Glocke oder eine Trommel. Das Volk hält sich äußerst wachsam. Es wird sich zeigen, wer zuerst ermüdet, ob Volk oder Militär. Die ungarischen Zeitungen sind heute wieder nicht angekommen. Seit zwei Tagen sind auch die hiesigen auf den Straßen verschwunden, weil auch die Ausrufer unter den Waffen sind. In meinem Hause wohnen Gesandte, Hofräthe und Fürsten, sie sind alle entflohen und ließen ihre besten Habseligkeiten auf die furchtsamste, geheimnißvollste Weise, wie Diebe, davontragen. 61 Wien, 8. Okt. Statt des in der Nacht mit Bestimmtheit erwarteten Bombardements Auersperg bekamen wir heute Morgen folgende Auerspergische Kundmachung: Zur Beruhigung wird nachfolgendes vom Ministerrathe dem hohen Reichstage mitgetheilte Schreiben des kommandirenden Generals Grafen Auersperg zur öffentlichen Kenntniß gebracht. Wien, 7. Oktober 1848. Franz Smolka, erster Vizepräsident. Vom konstituirenden Reichstage, Wiser, Schriftführer. An einen hohen Ministerrath! Die gestrigen Ereignisse haben mich veranlaßt, die in verschiedenen Kasernen zerstreuten Truppen der Garnision auf einen einzigen militärischen Punkt zu konzentriren, um selbe vor jedem weiteren Insult und Angriff sicher zu stellen. Es ist dabei durchaus keine feindselige Absicht, ja, es wird mir sehr erwünscht sein, bei eintretender Ruhe und Beseitigung jedes weitern Angriffs auf das Militär, von dem jedoch gerade in diesem Augenblicke die verschiedensten Gerüchte herumgehen, diese außerordentlichen Maßregeln aufzugeben und in das gewohnte Verhältniß zurückzuführen. Ueber die stattgefundenen Feindseligkeiten von Seiten des Militärs habe ich schon zu wiederholten Malen mein Bedauern und die Versicherung ausgesprochen, daß hiergegen die strengsten Verbote ergangen sind. (Noch gestern Abend wurde ein Bauer von dem polnischen Regimente Nassau zerhackt). Wien, 7. Oktober 1848. Graf Auersperg. Die beiden folgenden Aktenstücke sind noch ungedruckt. Manifest des Kaisers an die Völker Oestreichs! Was ein Herrscher an Güte und Vertrauen seinen Völkern erweisen kann, das habe Ich erschöpft. Mit Freude entsagte Ich der unbeschränkten Gewalt, welche Meine Vorfahren Mir hinterlassen, um durch größern Spielraum der Selbstständigkeit die Kraft, den Wohlstand, das Selbstgefühl Meiner Völker zu heben. Bereitwillig gestattete Ich die Verfassung nach dem Vorbilde, welche die Richtung der Zeit und der allgemeine Wunsch zu fordern schien und wenn die Gewaltthat des 15. Mai (aha!) Mich die Wohnung Meiner Ahnen zu verlassen zwang, so ward Ich doch nicht müde, zu geben und zu gewähren und auf breitester Grundlage des Wahlrechtes ward ein Reichstag berufen, welcher mit Mir zur Feststellung einer alle Interessen befriedigenden Verfassung zusammenwirken sollte. Hierauf kehrte Ich in Meine Hauptstadt zurück ohne für Meine Sicherheit eine andere Bürgschaft zu verlangen, als das Rechtsgefühl und die Dankbarkeit der Oestreicher. Doch eine an Zahl geringe, durch Verwegenheit starke Partei bedroht die Hoffnungen jedes Vaterlandsfreundes mit Vernichtung. Die Anarchie hat ihr Aeußerstes vollbracht, Wien ist mit Brand und Mord erfüllt; Mein Kriegsminister, den schon sein Greisenalter hätte schirmen sollen, hat unter den Händen einer meuchlerischen Rotte geendet. In diesem entscheidungsvollen Augenblicke vertraue Ich auf Gott und Mein Recht und verlasse die Nähe Meiner Hauptstadt, um Mittel zu finden, der unterjochten Bevölkerung von Wien Hülfe zu bringen und die durch die empörendsten Frevel bedrohte Freiheit zu retten. Wer Oestreich, wer die Freiheit liebt, schaare sich um seinen Kaiser! Schönbrunn, 7. Oktober 1848. Ferdinand. m. p. Völker Oestreichs! Die Folgen verhängnißvoller Ereignisse drohen den kaum begonnenen Grundbau unseres neuen Staatsgebäudes zu erschüttern. Der aus der freien Wahl der Völker Oestreichs hervorgegangene konstituirende Reichstag erkannte in den ernsten Stunden des 6. Okt. die heilige Pflicht, die er den Völkern gegenüber zu erfüllen und die schwere Verantwortlichkeit, die er vor der Mit- und Nachwelt zu tragen hat. Als das Band der gesetzlichen Ordnung zu zerreißen drohte, bemühte sich der Reichstag, kraft seiner Völkervollmacht und durch Verständigung mit dem Volke von Wien, der Reaktion, wie der Anarchie entgegen zu wirken Er erklärte sich selber für permanent und wählte zugleich aus seinen Mitgliedern einen permanenten Ausschuß zur Erhaltung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung. Aber der konstituirende Reichstag hielt auch die Stellung fest, die er dem konstitutionellen Throne gegenüber einnimmt und jederzeit unerschütterlich einnehmen wird. Er entsendete eine Deputation an Seine Majestät den konstitutionellen Kaiser, um im innigsten Verbande mit dem allerhöchsten Träger der Souveränetät die Wünsche des souveränen Volkes zu erfüllen und dessen heilige Interessen zu wahren. In stets bewährter Herzensgüte waren Seine Majestät sogleich geneigt, die Männer, welche das Vertrauen des Volkes verloren hatten, aus dem Ministerium zu entlassen, die Bildung eines neuen volksthümlichen Ministeriums zu verfügen und die aufrichtigste, den Interessen aller Völker Oestreichs, wie den Zeitbedürfnissen entsprechende Berathung der Angelegenheiten des großen Gesammtvaterlandes zuzusichern. Leider wurden Se. Majestät am 7. Oktbr. zu dem beklagenswerthen Entschluße bewogen, Sich aus der Nähe der Hauptstadt zu entfernen. Dadurch ist das Vaterland, ist das Wohl und die so herrlich errungene Freiheit unseres hochberufenen Vaterlandes abermals in Gefahr; Rettung und Erhaltung der höchsten Güter des Bürgers und des Menschen ist nur dadurch möglich, daß das Volk von Wien, daß alle östreichischen Völker, die ein Herz für ihr Vaterland haben, wieder jene thatkräftige politische Besonnenheit und jenen hochherzigen Edelmuth beweisen, wie in den Tagen des Mai. Völker Oestreichs! Volk von Wien! die Vorsehung hat uns einen eben so hohen als schwierigen Beruf angewiesen; wir sollen ein Werk vollbringen, welches, wenn es gelingt, alles übertreffen wird, was die Weltgeschichte Großes und Herrliches aufzuweisen hat; wir sollen einen politischen Staatsbau ausführen, der verschiedene Völker zu einem brüderlichen Völkerstaat vereinigt, dessen unerschütterliche Grundlage das gleiche Recht, dessen Lebensprinzip die gleiche Freiheit Aller sein soll. Völker Oestreichs! Der Reichstag ist fest entschlossen, für diesen hohen Beruf das Seinige zu thun; thut auch Ihr das Eurige. Euer Vertrauen hat uns berufen, nur durch Euer Vertrauen sind wir stark. Alles, was wir sind, sind wir durch Euch und wollen wir für Euch sein! Dem Gebote der Nothwendigkeit und dem Gesetze der konstitutionellen Monarchie folgend, hat der konstitutionelle Reichstag heute folgende Beschlüsse gefaßt: a) daß die Minister Dobblhoff (wegen angeblicher Krankheit noch immer unsichtbar), Hornbostel und Kroniß, die Geschäfte aller Ministerien führend, nicht nur für die Ordnung in dieser Geschäftsführung Sorge tragen, sondern auch durch Beziehung neuer Kräfte den Erfolg derselben sichern, endlich Sr. Majestät den Vorschlag der neu zu ernennenden Minister schleunigst vorlegen und sich mit dem Reichstag in ununterbrochener Verbindung erhalten soll. b) Sei eine Denkschrift an Se. Maj. aus Anlaß höchst Ihres Manifestes zu erlassen. Darin soll der konstitutionelle Kaiser über den wahren Stand der Dinge aufgeklärt und ihm aus ehrlichem Herzen die Versicherung gegeben werden, daß die aufrichtige Liebe der Völker unerschütterlich für Ihn ist. Volk Oestreichs! Europa blickt mit Bewunderung auf uns und die Geschichte hat unsere Erhebung zur Freiheit unter ihre glänzendsten Thaten eingereiht. Bleiben wir uns selber getreu. Halten wir unerschütterlich fest an der Achtung vor dem Gesetz, an der konstitutionellen Monarchie, an der Freiheit. Gott schütze Oestreich. Wien, 7. Oktober 1848. Vom konstituirenden Reichstage Karl Wiser, Schriftführer. Franz Smolka, Erster Vice-Präsident. 3 Uhr. Daß die Kamarilla nichts ausrichten wird, ist ziemlich gewiß, unsere Lage bleibt aber dennoch bedenklich, weil die Bourgeoisie und das bewaffnete Proletariat nicht friedlich neben einander gehen werden. Schon spricht man überall von an der Stadtgarde zu nehmenden Rache. Die Stadtgarde ist am 6. nur ausgerückt, um auf das Volk zu schießen und ist gestern zu Hause geblieben. Der neue Oberkommandant Scherper bemüht sich in einem Maueranschlag dieselbe beim Volke dadurch rein zu waschen, daß er vorläugnet, ein Theil der Stadtgarde habe mit dem Militär das Zeughaus vertheidigt. Auch der neue Gemeinderath macht sich heute in einem Plakate bemerkbar. ‒ Das Volk ist immer noch unter den Waffen, die Straßen sind noch voll Barrikaden. Der 6. Oktober kostete über 100 Todte und über 200 Verwundete, wie man sagt. Wohin der Hof geflüchtet ist, weiß man mit Bestimmtheit noch nicht. Adel, Beamte und reiche Bourgeoisie flüchten auch heute noch. Ich höre, von dem in St. Pölten stehenden Regiment Heß treffe eben eine Deputation auf der Aula ein, welche, Offiziere an der Spitze, erklärt, mit dem Volke gemeinschaftliche Sache machen zu wollen. Sie verlangt, daß eine Gesandtschaft von Akademikern mit ihr nach St. Pölten zurückkehre, um das Regiment abzuholen. Man traut nicht recht. Auch von einem deutschen Jägerregimente, welches in der Nähe liegt, ist eine solche Deputation eingetroffen. Die Aula will den Vertheidigungsausschuß des Reichstags über die Sache konsultiren. Die Stadt wimmelt von Bauern aus allen Gegenden. Freiwillige treffen stündlich aus allen Städien ein, selbst aus Tyrol und Steiermark. Die Eisenbahn-Direktionen erklären in Maueranschlägen, kein Militär nach Wien befördern zu wollen. An einigen Linien hat das Militär gestern Schlachtvieh vom Eintritt in die Stadt zurückgehalten. Die Thore sind noch überall verbarrikadirt, die Basteien mit Geschützen bepflanzt, die von der Legion und Garde bedient werden. Während der Nacht brannten Wachtfeuer dabei. Als ich um 11 Uhr den Reichstag besuchte, stellte Tucko den Antrag, zu beschließen, daß die Redaktion der Oesterreichischen Zeitung, deren Redakteur, wie ich gestern geschrieben, entflohen ist, ersucht werde, ihren im gestrigen Abendblatte gegebenen lügenhaften Bericht über den 6. Oktober zu widerrufen, da er dahin abziele, den Reichstag anzuschwärzen. ‒ Der Präsident Smolka meinte, das sei Aufgabe der Presse im Allgemeinen; Löhner aber versicherte, daß schon vorgesehen sei, daß ein solcher Widerruf erfolgte. Nun entspann sich eine Debatte darüber, wie die Reichstags-Proklamation an die Völker Oesterreich's möglichst schnell zu drucken und zu verbreiten sei. Da es ein Sonntag ist, so bleibt die Entscheidung wegen des Feierns der Setzer schwierig. Man beschließt alle Anstrengungen zu machen, um den Druck zu beschleunigen. ‒ Der 6. Oktober hat heute eine Legion von Maueranschlägen geboren, die alle aus dem eigentlichen Volke kommen und ziemlich sozial-demokratisch aussehen. Die Stockung der Geschäfte, der Kriegszustand im ganzen Reiche muß bald noch weiter treiben. Das gestern ausgegebene erste Heft des Staatsvoranschlags für 1849 weis't eine Schuldenlast von 1011,071,385 Fl. mit nahe an 38 Millionen Fl. Zinsen nach. 2/3 dieser Schulden sind unter Metternich gemacht und zur Vernichtung der Grundsätze von 1789 verwendet worden. Meines Erachtens dürfte die Kamarilla mit dem Sturz ihrer Kreaturen Wessenberg, Latour, Bach im Ministerrathe ihre Ohnmacht einsehen, besonders wenn Jellachich, wie es sich immer mehr bestätigt, geschlagen ist. Sie wird, wie man sagt, zu Kreuz kriechen; das Manifest vom 7. war ihr letzter Seufzer. Nun bekommen wir aber ein ganz neues Bourgeois-Ministerium und sind Berlin dann einen Sprung voraus. Schließlich bemerke ich, daß fortwährend Militär in die Stadt desertirt, um dem Volke zu helfen. * Wien, 8. Oktober. In seiner heutigen Sitzung hat der Reichstag einstimmig folgende Anträge Borrosch's angenommen: 1) Der Reichstag, welcher ohnehin als konstituirender Reichstag vor Beendigung seiner Mission nicht auflösbar ist, erklärt auch, unter den bedrohlichsten Umständen sich auf keine Weise aufzulösen und seiner Pflicht unerschütterlich treu zu bleiben. 2) Der Reichsteg ist ein untheilbares Ganzes, er vertritt alle Völker Oesterreich's, die ihn beschickt haben. 3) Der Reichstag ist zufolge des kaiserlichen Manifestes vom 6. Juni und freier Wahl des Volkes das einzige legale konstitutionelle Organ der Einigung zwischen dem konstitutionellen Monarchen und dem souveränen Volke zur Wahrung der unverkümmerten Volksfreiheit und des erblichen Thrones. 4) Der Reichstag, bestehend aus den freien Vertretern freier Völker wird keinem Abgeordneten einen moralischen Zwang zum Bleiben auferlegen. 5) Der Reichstag wird auf dem konstitutionellen Boden fest beharren, um von ihm aus, mit konstitutionellen legalen Maßregeln das Vaterland, die Volksfreiheit und den erblichen Thron zu wahren. 6) Der Reichstag fordert alle mit oder ohne Urlaub abwesenden Mitglieder auf, sich binnen längstens 14 Tage von heute ab im Reichstage einzufinden. * Wien, 8. Oktober. Der Verein zur Wahrung der Volksrechte in Wien an das deutsche Volk: Es war ein Augenblick, beispiellos in der Geschichte, als das deutsche Volk sich erhob, und laut seinen Willen hinausrief in die Welt: es wolle Eins sein nach tausendjähriger Zersplitterung! Die ganze gebildete Welt bezeugte seine Theilnahme, daß ein Volk so reich an Bürgertugenden, so unübertroffen an Schöpfungen der Kunst und Wissenschaft, endlich vereinigt eintreten wolle in die Völkerfamilie Europas und der berufene Bundestag zerfiel vor diesem Freiheitssturme in Moder und Asche und die Fürsten beugten sich in Demuth vor dem Gebote des Volkes und zum ersten Male ‒ so schien es ‒ tönte in ihrem Innern die mahnende Stimme, daß des Volkes Wille über ihrem stehe. Und das Volk vertraute im gläubigen Wahne der Betheuerung der Fürsten und das Volk ‒ wurde betrogen. Das Volk schickte seine Abgeordneten in die alte Kaiserstadt am Main, und überhäufte sie mit der Fülle seines Vertrauens. Wie der Moslim sich gläubig nach Mekka wendet, so richteten sich Aller Augen, Aller Herzen nach Frankfurt und harrten in Geduld des Wortes, das Freiheit, Glück und Macht dem deutschen Volke bringen sollte. So Manches geschah, was den heißen Wünschen zu langsam, so Manches, was dem Vaterlandsfreunde Besorgniß erregend war. Doch man beschied sich, man trug dem schwierigen Werke Rechnung, der Glaube, das Vertrauen des Volkes war unerschütterlich. Zur Zeit, als der Völkerfrühling anbrach, hatte sich ein edler deutscher Mann erhoben, um fremdes Joch von sich zu schütteln. Ganz Deutschland jauchzte ihm zu und schickte seine besten Männer zum Kampfe. Bald war die deutsche Erde frei von Feinden und siegreich standen deutsche Krieger an Dänemarks Gränzen. Da, mitten im Siegeslaufe, veruntreute der König von Preußen die ihm von der deutschen Centralgewalt gegebene Vollmacht und schloß im Namen des todten deutschen Bundes einen Waffenstillstand mit Dänemark, der Besiegten nicht schmählicher hätte aufgebürdet werden können. Mit Bangen blickte Deutschland nach Frankfurt, und fand sich diesmal nicht getäuscht. Der Beschluß vom 5. September sistirte den Waffenstillstand und stürzte ein volksverrätherisches Ministerium. Ein Sturm von Freude brauste durch das ganze Vaterland, Zuschriften des Beifalls und der Ermunterung erfolgten von allen Seiten Da nahte der 16. September, es sollte sich entscheiden, ob deutsche Ehre, deutsche Freiheit dem Auslande gegenüber noch Fürstenlaune verschachert, oder vom Volke selbst nach dessen Willen gewahrt werden sollte. Die Mehrheit der Abgeordneten des deutschen Volkes entschied sich für das Erste; das Dräuen und die Huld der Fürsten galt ihnen mehr als das Wohl des Vaterlandes. Diese Mehrheit hat Deutschlands Ehre mit Füßen getreten, diese Mehrheit hat die kostbare Gelegenheit, wodurch sich Deutschland dem Auslande gegenüber als ein einiges starkes Volk zeigen könnte,

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 1 (Nummer 1 bis Nummer 183) Köln, 1. Juni 1848 bis 31. Dezember 1848. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 115. Köln, 13. Oktober 1848, S. 0574. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz115_1848/2>, abgerufen am 29.03.2024.