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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 200. Köln, 20. Januar 1849. Beilage.

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Beilage zu Nr. 200 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Samstag 20. Januar 1849.
[Deutschland]

[Fortsetzung] Sobald für einen Gefangenen eine gewisse Summe Geldes bei dem Inspektor des Gefängnisses deponirt worden ist, wird er von den Uebrigen abgesondert und in "die Freiheit" (technischer Ausdruck der Gefangenwärter) d. h. in eine 11 Fuß lange und 7 Fuß breite Zelle gebracht, für die er monatlich einen Thaler pr. C. zahlen muß. -- Hier darf er sich Bücher, Zeitungen und, wenn es dem Herrn Direktor beliebt, auch Schreibmaterialien kommen lassen und die Selbstbeköstigung nimmt ihren Anfang. -- Der unbewanderte Gefangene glaubt nun, er dürfe sich jetzt die Kost aus einem Gasthause oder von seinen Angehörigen kommen lassen, findet aber bald, daß er sich bitter getäuscht hat. Der fromme Staat hat ihn an einen loyalen Unterthanen verpachtet, der seinen Pachtzins an ihm herauszuschlagen sucht und ihm für schweres Geld schlechtes Essen und noch schlechteres Bier liefert.

Nicht das Geringste, was eßbar oder trinkbar ist, dürfen die Angehörigen des Gefangenen ihm zuschicken. Bei politischen Gefangenen wäre so etwas auch gefährlich, es könnte hochverrätherischer Zucker oder kommunistisches Bier eingeführt und dadurch die Gefängnißordnung oder gar der ganze fromme Staat in Gefahr gerathen. -- Morgens erhält der Gefangene eine braune Brühe, der man den Namen Kaffe beilegt; Mittags Suppe, Gemüse und Fleisch -- das Fleisch oft stinkend und das Gemüse mit Talg gekocht, -- Nachmittags wieder braune Brühe und Abends, was er sich bestellt: Kartoffeln, Käse, Eier, Bier oder sonst etwas, jedoch immer herzlich schlecht und mit doppelter Kreide angeschrieben. -- Beschwert man sich hierüber, so wird einem zur Strafe Alles noch schlechter verabreicht, als früher. -- Der loyale Pächter muß ja seinen Pachtzins bezahlen und auch noch etwas verdienen.

Auf diese Weise hat der Gefangene, wenn er nämlich höchst sparsam lebt, jeden Sonnabend etwa drei Thaler an seinen Pächter für Kost zu zahlen, -- während er, wenn man seinen Angehörigen erlaubte, ihm die Kost zu schicken, für 1 1/2 Thlr. wöchentlich weit besser leben könnte. Doch der christlich-germanische Staat braucht Geld -- und in Geldfragen hört bei ihm nicht allein die Gemüthlichkeit, sondern auch die Menschlichkeit auf.

Mögen tausende Familien darben, um ihre in Vorhaft sich befindenden Angehörigen in "die Freiheit" (Verpachtung) zu bringen, um sie wenigstens einigermaßen von körperlichen und geistigen Martern zu befreien, was liegt daran, wenn nur der fromme Staat Geld erhält, wenn er nur seinen reichen Bureaukraten Gratifikationen ertheilen und die Kinder seiner armen Grafen auf allgemeine Unkosten erziehen lassen kann.

Redakteur en chef: Karl Marx.
Aufruf an die Urwähler.

In dem Seitens des Finanzministeriums dem veröffentlichten Staatshaushalt-Etat pro 1849 angereihten Begleitschreiben findet sich unter Anderm folgende Stelle:

"Es wird den Kammern der Volksvertretung vorbehalten bleiben, die Grundlagen, auf denen unsere Steuer-Einrichtungen fortan sich stützen sollen, zu berathen und es werden hierzu namentlich die in Ew. Königl. Majestät Allerhöchster Proklamation vom 5. Dezember bereits angekündigten Gesetzentwürfe über die Einkommensteuer, über die Aufhebung der Grund- und Classensteuer-Befreiungen und wegen Einführung einer allgemeinen Grundsteuer, in Bezug auf das ganze System der direkten Steuern die genügendste Veranlassung geben, während für die Zölle und mehrere indirekte Steuern wesentliche Aenderungen an dem Bestehenden von denjenigen Gestaltungen werden abhängig bleiben müssen, welche in Bezug auf die deutsche Reichsverfassung noch bevorstehen."

Mitbürger! Das äußere Wohl und Wehe der Bürger hängt hauptsächlich von der Art und Weise der Besteuerung ab! Ueber diese Besteuerung nun sollen die jetzt zu erwählenden Abgeordneten berathen und öffentlich beschließen, offenbar eine Sache von der höchsten, nicht zu berechnenden Wichtigkeit für uns Alle! Mitbürger! Bedenkt, daß die Steuern in den letzten 33 Friedensjahren die Summe von 5,000,000,000 (sage Fünf Tausend Millionen) Berliner Thaler verschlungen haben, daß diese 5,000,000,000 Thaler in einer Weise aufgebracht sind, daß nun, nach 33 gesegneten Friedensjahren, lediglich in Folge der ungerechten Steuer-Vertheilung, die reichen Leute noch viel reicher geworden, während fast der ganze früher so glückliche und kräftige Mittelstand verarmt, der Handwerker- und Arbeiterstand völlig zu Grunde gegangen sind.

In unserm Staate sind von 100 Steuerpflichtigen nur 5 reiche, 15, welche ihr Auskommen haben, aber -- hört und bedenkt es -- achtzig, welche täglich mit Nahrungssorgen kämpfen oder völlig Mangel leiden!

Der preußische Staat fordert für das Jahr 1849 88,000,000 Thaler und von diesen 88 Millionen bezahlen jene, welche mindestens vier Fünftel alles Vermögens besitzen, -- nur 28 Millionen während der Mittel- und Arbeiterstand, welcher mit allem Hab und Gut nur ein Fünftel des Vermögens besitzt, jährlich die ungeheure Summe von 60,000,000 -- sechszig Millionen -- Thaler aufbringen muß! Mitbürger! Einen schlagenden Beweis hiefür liefert die Besteuerung unserer Commune, welche im Jahre 1832 überhaupt an Steuern zahlen mußte

Thlr. 64,000

wovon 131 Reiche mit einem Vermögen von circa 9,000,000 Thlr. nur circa Thlr. 20,000
dagegen der Mittel- und Arbeiterstand mit einem Besitz von ungefähr nur 2,000,000 Thlr. 44,000 = Thlr. 64,000
bezahlen mußten.

Hätten dagegen umgekehrt, wie billig und naturgemäß, jene 131 Reichen die 44,000 und der Mittel- und Arbeiterstand die 20,000 Thlr. jährlich bezahlt, so würde dies für den Mittel- und Arbeiterstand blos in diesen 16 Jahren eine Ersparniß von circa 500,000 Thlrn. ergeben haben, eine Summe, hinreichend, jede äußere Noth des Mittel- und Arbeiterstandes verhütet zu haben, oder jetzt zu beseitigen. Nichtsdestoweniger hat der Gemeinderath von Barmen in einer der letzten Sitzungen des verflossenen Jahres mit 12 Stimmen gegen 12 -- der Vorsitzende, Herr Osterroth, gab den Ausschlag -- den gerechten Antrag verworfen: "daß die für außergewöhnliche Unterstützung aufgenommenen 11,000 Thlr. nur von den Communalsteuerpflichtigen von Thlr. 12 aufwärts bezahlt werden solle." Auch zu dieser Unterstützungssumme soll also der verarmte Mittelstand und ein Theil des hungernden Arbeiterstandes bezahlen! Und wer hat für Euch gesprochen, wer gegen Euch! Es ist nun leicht begreiflich, warum die so begünstigten Reichen und gut besoldeten Beamten Alles aufbieten, die alten unglückl. Verhältnisse fortbestehen zu lassen oder wieder einzuführen, während es für den Mittel- und Arbeiterstand eine Lebensbedingung ist eine gerechte Abänderung jener entsetzl. Ungerechtigkeit mit allen verderbl. Folgen derselben herbeizuführen. Mitbürger! Seht hier den klaren Stand der Steuer-Verhältnisse: An Euch ist es nun, das namenlose Unglück von Euch und Euren Kindern abzuwälzen, welches Euch ein ganzes Menschenalter hindurch zu Boden gedrückt, Euch zu Dürftigen und Sclaven gemacht hat! Eure heilige Pflicht, über welche die künftigen Geschlechter Rechenschaft von Euch fordern werden, ist es nun, keine Reichen, keine hochbesoldeten Beamten zu Wahlmännern zu wählen, sondern nur Bürger aus der Mittel- und Arbeiterklasse, die mit Geist und Herz, mit edlem Bürgersinn und wahrem Patriotismus für Euch und Eure Wohlfahrt kämpfen werden.

Nach so vielen Täuschungen und Lügen gleißnerischer Verräther und Feinde wähle jetzt ein Jeder im wohlverstandenen Interesse für sich, Kind und Kindeskinder.

Barmen, den 18. Jan. 1849.

Der Verein für eine gerechte Steuervertheilung.

Namens desselben, der Vorsitzende: J. W. Birschel.

Auszug

aus dem Reisebericht des Kaufmannes Eduard Kolbe, welcher Mitte August 1848 mit einem Knorr und Jantzenschen Schiff nach New-York ausgewandert ist, an die Berliner Auswanderungsgesellschaft: "Wir sahen immer mehr ein die schoofle und knickerige Einrichtung des Schiffes von Seiten der knickerigen Ausrüster. Der Koch hat für 124 Mann (incl. Kajütspassagiere) eine Kaffee-Mühle und Trommel die eine Familie von 6 Menschen gewöhnlich weit größer besitzt; -- die Treppen sind halsbrechend und kaum von Gesunden zu passiren, so daß einem angst und bange wird, wenn sie die Kranken besteigen sollen. Die Herren Knorr und Jantzen in Hamburg werden wegen dieser Knickerei von allen Seiten verwünscht. Sonntags sollte es Pudding geben, das Ding hieß Pudding, war aber nur Mehl, Wasser und Salz, ein bloßer Kloß, ohne Butter, ohne Gewürz, ohne alles Weitere; (ich spreche nicht zuviel); -- den Meisten war es ganz unmöglich, dieses [unleserliches Material]ewürgs[unleserliches Material]l hinunter zu schlucken; bei mir trieb's der Hunger hinunter. Zum Kaffee und Thee (gefärbtes Wasser) kein Zucker; im Thee schwammen große gezackte Blätter, anscheinend Kirschblätter; Geschmack nach -- gar nichts. Auf dem Schiffe war kein Arzt, für die Kranken war so gut wie gar nicht gesorgt, und keine der glänzenden Versprechungen der Herren K. und J. ist erfüllt worden; ein jeder Auswanderer ist daher vor diesem Hause zu warnen. Unser Schiff (wahrscheinlich die anderen auch nicht] ist gar kein Auswandererschiff, sondern ein Kauffartheischiff, welches aus Spekulation in ein Auswandererschiff umgestaltet wurde, denn es ist so niedrig, daß die Passagiere nicht einmal aufrecht stehen können.

New-York, 15. Oktbr. 1848.

Kaufmann Eduard Kolbe aus Berlin, jetzt in den Vereinigten Staaten wohnhaft."

Neues Jagdrecht!

Als in dem mit Ruhm und Schmach bedeckten Jahre 1848 im Oktober die Nationalversammlung die Jagdgerechtsame aufhob, begann am 12ten Oktober eine neue preußische Jagd, und zwar eine Menschenjagd im hiesigen Arresthause. So wurde am 12. Oktober auf einen Baugefangenen, welcher sich an einem mit starken Eisenstäben vergitterten Fenster zeigte, geschossen, am 15. ebenfalls. Am 16, nachdem ich mit Beihülfe eines Schemels an's Fenster stieg, um die vor meinem Fenster stehende Butter hereinzunehmen, schoß eine königlich preußische Schildwache auf den neben mir wohnenden Untersuchungsgefangenen Jakob Seligmann, welcher ebenfalls an's Fenster stieg, um seine Schnupftabacksdose hereinzunehmen. Die Kugel schlug ungefähr ein und einen halben Fuß höher, als wir standen, zwischen beiden Fenstern in die Mauer; verwundet wurde keiner von uns, obschon noch 3 Rehposten als Beihülfe in jedem Gewehre sich befinden. Die Sache wurde gleich in den Inspektor Schmitz und Direktor Blankenburg berichtet, auch zugleich ein Brief an den Staats-Prokurator von Seligmann geschrieben, welchen derselbe jedoch auf Bitte des Direktors und aus Feigheit nicht abschickte. Es wurde versprochen, daß dergleichen Jagdliebhabereien unterbleiben sollten, jedoch trotz alledem und alledem wurde am 20., also einen Tag nach dem Attentat auf Seligmann oder mich, denn keiner wußte, wem der Schuß galt, indem wir beide am Fenster standen, wieder neuerdings auf einen andern Gefangenen geschossen. So sicher war das Leben der Untersuchungsgefangenen gestellt, daß wir, sobald wir uns am Fenster zeigten, als Zielscheibe der königlich preußischen Schildwachen dienten. Untersuchungsgefangene, sage ich, von denen man nicht weiß, ob schuldig oder nicht. Und wo ist es erlaubt, auf einen Gefangenen zu schießen? Ist er nicht verurtheilt für sein Verbrechen und büßt er nicht dafür im Kerker? In Köln ist es erlaubt im Arresthause, denn die Hausordnung und die Wachbefehle gebieten es. Das Erkenntniß der Geschworenen an den Assisen hat gezeigt, daß gerade die beiden Männer, Seligmann und Esser, worauf am 19. geschossen wurde, beide nicht schuldig befunden wurden. Nicht genug, daß man in der Untersuchungshaft von aller menschlichen Gesellschaft abgeschnitten ist, nicht genug, daß man eine einzige Stunde während 24 Stunden in einem mit hohen Gebäuden umgebenen Hofe sich bewegen darf, nein, auch die frische Luft, welche der arme Gefangene einathmen will, ist ihm nicht vergönnt. Er ist angewiesen, eine von allen ungesunden Dünsten geschwängerte Luft einzuathmen. Und welche bleiche gebeugte Jammergestalten sah ich dort, junge Leute in den besten Jahren, bleich wie der Tod, die Augen entzündet, schwinden sie langsam dahin. Dies ein kleines Bruchstück aus dem hiesigen Arresthause von Christian Joseph Esser.

Die Herrschaft des Capitals

ist jetzt zu einer unerträglichen Höhe gestiegen, wogegen weder der Grundbesitz noch die Arbeit sich lange mehr halten kann. Nichtsdestoweniger hat die Habsucht der Kapitalisten ihre Grenzen noch nicht erreicht, da die Einen den Zinsfuß erhöhen, die Andern ihre unglücklichen Schuldner von Haus und Hof vertreiben, ihnen ihre letzte bewegliche Habe entreißen und sie erbarmungslos auf die Straße werfen lassen.

Wir wollen versuchen durch diese Blätter eine Skizze von dem Leben und den Thaten dieser Bürger zu geben, welche so das allgemeine Elend im Interesse ihres Schatzes, den weder Motten noch Rost fressen, exploitiren. Herr D. N., einer unserer reichsten Kapitalisten, kinderlos, durch seine Verheirathung mit einer alten Wittwe ein für das Leben Abgestorbner, kündigte dieser Tage seinen Schuldnern an, daß in Anbetracht der Seltenheit des Geldes und der allgemeinen Behaglichkeit er sich gemüßigt sehe, den bisherigen Zinsensatz zu erhöhen und sucht sich gleichzeitig eines armen Schreiners durch die sogenannte Subhastation zu entledigen.

Ein baronisirter, mit dem Metternich'schen System verwandter unverheiratheter Regierungsbeamter, gibt seinen unglücklichen Schuldnern kein Pardon, er will weder vermehrte Sicherheit für sein Kapital noch Zinsen, sondern, während er sich zur bessern Verdauung behaglich in seiner Karosse schaukelt, läßt er seine Schuldner um Geld quälen, pfänden und beschimpfen. Den Reihen dieser Ehrenmänner wollen wir einstweilen mit einem unserer Gemeinderäthe schließen, welcher einen eigenen Modus hat, die Gesetze gegen den Wucher zu umgehen und demnach seine Schätze unendlich zu vermehren. Wenn man über alle diese auf eine allgemeine Verarmung hinwirkende Treiben nachdenkt, dann findet man, daß es eben so falsch ist, wenn man die jetzige traurige Lage der Handwerker und Arbeiter dem bloßen Uebergange von einer absoluten zu einer mehr modernen Regierung zuschreiben will, als auch wenn man sich der Hoffnung hingibt, es werde durch die im Sinne der Brandenburg-Manteuffel und des Schwarzweißthums neu zu errichtenden Regierungsform das Loos der Handwerker und Arbeiter sich verbessern.

Es sind vielmehr unsere socialen Zustände durch die mit den Geldaristokraten stets verbündet gewesenen absolutistischen Regierungen, die durch die octroyirte Verfassung und die konstitutionelle Form fortgesetzt werden sollen, so verdorben und unhaltbar geworden, daß den bestehenden Uebeln nur durch die Beschränkung der Macht des Kapitals abgeholfen werden kann, da durch die Höhe des jetzigen Zinsfußes alle Früchte der Industrie und Arbeit absorbirt werden.

Wenn Männer, welche es sich zur Aufgabe gemacht haben, durch Wort, Schrift und That das traurige Loos der Arbeiter zu verbessern, wie gemeine Verbrecher verfolgt, eingekerkert und vor Gericht gestellt werden, dann ist allerdings der Zeitpunkt nicht ferne, wo die eine mit Glücksgütern überhäufte Klasse der Gesellschaft von ihrem Ueberflusse so viel abgeben, von ihrem vermeintlichen Rechtsboden so weit zurücktreten wird, damit alle von der Vorsehung zu einem gleichmäßig glücklichen Dasein berufenen Menschen, nicht gerade in Noth und Elend unterzugehen brauchen.

Wie reichlich auch der Himmel das Füllhorn seines Segens über die Erde ausgeschüttet hat, so sieht man doch eine Menge Menschen, die durch Arbeit gerne ihren Antheil an diesem Segen verdienen mögten, wenn ihnen dieses nur gestattet wäre.

Wer anders trägt hiervon die Schuld als unsere schlechten Rechtsinstitutionen, die Herrschaft des Kapitals und alle die perfiden Erfindungen, wodurch das Kapital die Arbeit und selbst den Segen des Himmels ausbeutet.

Köln, den 15. Januar.

Joseph Kamp Schreinermeister.

M.-Gladbach, 12. Jan.

Ein in Nr. 190 Ihres Blattes enthaltener Artikel: "Dahlen (Kreis Gladbach)", welcher dahin ging, die Tendenz des hiesigen "allgemeinen Bürgervereins zur Wahrung der Volksrechte" zu verdächtigen und ein Mitglied des Vorstandes in gehässiger Weise anzugreifen, veranlaßt letzteren, das Programm des Vereins in seinem ganzen Zusammenhange mitzutheilen. Es lautet:

"Der Verein stellt sich die Aufgabe, die Rechte, Freiheiten und Interessen des Volkes zu wahren und zu vertreten. Der Verein tritt allen etwaigen Versuchen, dieselben zu schmälern, seien sie reaktionärer oder anarchischer Art, mit gleicher Entschiedenheit entgegen. Der Verein will ein einiges, freies, mächtiges Deutschland, und ein in Deutschland aufgehendes, freies, durch eine volksthümliche Verfassung gekräftigtes Preußen. Der Verein anerkennt die Beschlüsse der deutschen Nationalversammlung als für ganz Deutschland maßgebend und verlangt ein unbedingtes sich Unterordnen der Einzelstaaten unter dieselben. Der Verein läßt jeden Austausch der politischen Meinungen innerhalb der hier ausgesprochenen Grundprincipien zu."

Wir beschränken uns zur Sache auf diese Mittheilung, und bemerken für uns noch, daß wir zur Zeit der Konstituirung unseres Vereins den Vorschlag eines Mitgliedes: die Versammlung möge den zur Berathung obliegenden Entwurf der Statuten ohne weiteres annehmen, auf's bestimmteste ablehnten, indem wir der Ansicht waren, nur auf Grund eines gehörig diskutirten und genehmigten, keineswegs aber octroyirten Statutes rechtskräftig wirksam sein zu können.

Wir sind der festen Ueberzeugung, daß es auf keine Weise gelingen wird, dem gewaltigen Fortschritt der Demokratie auch nur in etwa Einhalt zu thun.

Handelsnachrichten. [irrelevantes Material]
Meteorologische Beobachtungen. [irrelevantes Material]
Beilage zu Nr. 200 der Neuen Rheinischen Zeitung.
Organ der Demokratie.
Samstag 20. Januar 1849.
[Deutschland]

[Fortsetzung] Sobald für einen Gefangenen eine gewisse Summe Geldes bei dem Inspektor des Gefängnisses deponirt worden ist, wird er von den Uebrigen abgesondert und in „die Freiheit“ (technischer Ausdruck der Gefangenwärter) d. h. in eine 11 Fuß lange und 7 Fuß breite Zelle gebracht, für die er monatlich einen Thaler pr. C. zahlen muß. — Hier darf er sich Bücher, Zeitungen und, wenn es dem Herrn Direktor beliebt, auch Schreibmaterialien kommen lassen und die Selbstbeköstigung nimmt ihren Anfang. — Der unbewanderte Gefangene glaubt nun, er dürfe sich jetzt die Kost aus einem Gasthause oder von seinen Angehörigen kommen lassen, findet aber bald, daß er sich bitter getäuscht hat. Der fromme Staat hat ihn an einen loyalen Unterthanen verpachtet, der seinen Pachtzins an ihm herauszuschlagen sucht und ihm für schweres Geld schlechtes Essen und noch schlechteres Bier liefert.

Nicht das Geringste, was eßbar oder trinkbar ist, dürfen die Angehörigen des Gefangenen ihm zuschicken. Bei politischen Gefangenen wäre so etwas auch gefährlich, es könnte hochverrätherischer Zucker oder kommunistisches Bier eingeführt und dadurch die Gefängnißordnung oder gar der ganze fromme Staat in Gefahr gerathen. — Morgens erhält der Gefangene eine braune Brühe, der man den Namen Kaffe beilegt; Mittags Suppe, Gemüse und Fleisch — das Fleisch oft stinkend und das Gemüse mit Talg gekocht, — Nachmittags wieder braune Brühe und Abends, was er sich bestellt: Kartoffeln, Käse, Eier, Bier oder sonst etwas, jedoch immer herzlich schlecht und mit doppelter Kreide angeschrieben. — Beschwert man sich hierüber, so wird einem zur Strafe Alles noch schlechter verabreicht, als früher. — Der loyale Pächter muß ja seinen Pachtzins bezahlen und auch noch etwas verdienen.

Auf diese Weise hat der Gefangene, wenn er nämlich höchst sparsam lebt, jeden Sonnabend etwa drei Thaler an seinen Pächter für Kost zu zahlen, — während er, wenn man seinen Angehörigen erlaubte, ihm die Kost zu schicken, für 1 1/2 Thlr. wöchentlich weit besser leben könnte. Doch der christlich-germanische Staat braucht Geld — und in Geldfragen hört bei ihm nicht allein die Gemüthlichkeit, sondern auch die Menschlichkeit auf.

Mögen tausende Familien darben, um ihre in Vorhaft sich befindenden Angehörigen in „die Freiheit“ (Verpachtung) zu bringen, um sie wenigstens einigermaßen von körperlichen und geistigen Martern zu befreien, was liegt daran, wenn nur der fromme Staat Geld erhält, wenn er nur seinen reichen Bureaukraten Gratifikationen ertheilen und die Kinder seiner armen Grafen auf allgemeine Unkosten erziehen lassen kann.

Redakteur en chef: Karl Marx.
Aufruf an die Urwähler.

In dem Seitens des Finanzministeriums dem veröffentlichten Staatshaushalt-Etat pro 1849 angereihten Begleitschreiben findet sich unter Anderm folgende Stelle:

„Es wird den Kammern der Volksvertretung vorbehalten bleiben, die Grundlagen, auf denen unsere Steuer-Einrichtungen fortan sich stützen sollen, zu berathen und es werden hierzu namentlich die in Ew. Königl. Majestät Allerhöchster Proklamation vom 5. Dezember bereits angekündigten Gesetzentwürfe über die Einkommensteuer, über die Aufhebung der Grund- und Classensteuer-Befreiungen und wegen Einführung einer allgemeinen Grundsteuer, in Bezug auf das ganze System der direkten Steuern die genügendste Veranlassung geben, während für die Zölle und mehrere indirekte Steuern wesentliche Aenderungen an dem Bestehenden von denjenigen Gestaltungen werden abhängig bleiben müssen, welche in Bezug auf die deutsche Reichsverfassung noch bevorstehen.“

Mitbürger! Das äußere Wohl und Wehe der Bürger hängt hauptsächlich von der Art und Weise der Besteuerung ab! Ueber diese Besteuerung nun sollen die jetzt zu erwählenden Abgeordneten berathen und öffentlich beschließen, offenbar eine Sache von der höchsten, nicht zu berechnenden Wichtigkeit für uns Alle! Mitbürger! Bedenkt, daß die Steuern in den letzten 33 Friedensjahren die Summe von 5,000,000,000 (sage Fünf Tausend Millionen) Berliner Thaler verschlungen haben, daß diese 5,000,000,000 Thaler in einer Weise aufgebracht sind, daß nun, nach 33 gesegneten Friedensjahren, lediglich in Folge der ungerechten Steuer-Vertheilung, die reichen Leute noch viel reicher geworden, während fast der ganze früher so glückliche und kräftige Mittelstand verarmt, der Handwerker- und Arbeiterstand völlig zu Grunde gegangen sind.

In unserm Staate sind von 100 Steuerpflichtigen nur 5 reiche, 15, welche ihr Auskommen haben, aber — hört und bedenkt es — achtzig, welche täglich mit Nahrungssorgen kämpfen oder völlig Mangel leiden!

Der preußische Staat fordert für das Jahr 1849 88,000,000 Thaler und von diesen 88 Millionen bezahlen jene, welche mindestens vier Fünftel alles Vermögens besitzen, — nur 28 Millionen während der Mittel- und Arbeiterstand, welcher mit allem Hab und Gut nur ein Fünftel des Vermögens besitzt, jährlich die ungeheure Summe von 60,000,000 — sechszig Millionen — Thaler aufbringen muß! Mitbürger! Einen schlagenden Beweis hiefür liefert die Besteuerung unserer Commune, welche im Jahre 1832 überhaupt an Steuern zahlen mußte

Thlr. 64,000

wovon 131 Reiche mit einem Vermögen von circa 9,000,000 Thlr. nur circa Thlr. 20,000
dagegen der Mittel- und Arbeiterstand mit einem Besitz von ungefähr nur 2,000,000 Thlr. 44,000 = Thlr. 64,000
bezahlen mußten.

Hätten dagegen umgekehrt, wie billig und naturgemäß, jene 131 Reichen die 44,000 und der Mittel- und Arbeiterstand die 20,000 Thlr. jährlich bezahlt, so würde dies für den Mittel- und Arbeiterstand blos in diesen 16 Jahren eine Ersparniß von circa 500,000 Thlrn. ergeben haben, eine Summe, hinreichend, jede äußere Noth des Mittel- und Arbeiterstandes verhütet zu haben, oder jetzt zu beseitigen. Nichtsdestoweniger hat der Gemeinderath von Barmen in einer der letzten Sitzungen des verflossenen Jahres mit 12 Stimmen gegen 12 — der Vorsitzende, Herr Osterroth, gab den Ausschlag — den gerechten Antrag verworfen: „daß die für außergewöhnliche Unterstützung aufgenommenen 11,000 Thlr. nur von den Communalsteuerpflichtigen von Thlr. 12 aufwärts bezahlt werden solle.“ Auch zu dieser Unterstützungssumme soll also der verarmte Mittelstand und ein Theil des hungernden Arbeiterstandes bezahlen! Und wer hat für Euch gesprochen, wer gegen Euch! Es ist nun leicht begreiflich, warum die so begünstigten Reichen und gut besoldeten Beamten Alles aufbieten, die alten unglückl. Verhältnisse fortbestehen zu lassen oder wieder einzuführen, während es für den Mittel- und Arbeiterstand eine Lebensbedingung ist eine gerechte Abänderung jener entsetzl. Ungerechtigkeit mit allen verderbl. Folgen derselben herbeizuführen. Mitbürger! Seht hier den klaren Stand der Steuer-Verhältnisse: An Euch ist es nun, das namenlose Unglück von Euch und Euren Kindern abzuwälzen, welches Euch ein ganzes Menschenalter hindurch zu Boden gedrückt, Euch zu Dürftigen und Sclaven gemacht hat! Eure heilige Pflicht, über welche die künftigen Geschlechter Rechenschaft von Euch fordern werden, ist es nun, keine Reichen, keine hochbesoldeten Beamten zu Wahlmännern zu wählen, sondern nur Bürger aus der Mittel- und Arbeiterklasse, die mit Geist und Herz, mit edlem Bürgersinn und wahrem Patriotismus für Euch und Eure Wohlfahrt kämpfen werden.

Nach so vielen Täuschungen und Lügen gleißnerischer Verräther und Feinde wähle jetzt ein Jeder im wohlverstandenen Interesse für sich, Kind und Kindeskinder.

Barmen, den 18. Jan. 1849.

Der Verein für eine gerechte Steuervertheilung.

Namens desselben, der Vorsitzende: J. W. Birschel.

Auszug

aus dem Reisebericht des Kaufmannes Eduard Kolbe, welcher Mitte August 1848 mit einem Knorr und Jantzenschen Schiff nach New-York ausgewandert ist, an die Berliner Auswanderungsgesellschaft: „Wir sahen immer mehr ein die schoofle und knickerige Einrichtung des Schiffes von Seiten der knickerigen Ausrüster. Der Koch hat für 124 Mann (incl. Kajütspassagiere) eine Kaffee-Mühle und Trommel die eine Familie von 6 Menschen gewöhnlich weit größer besitzt; — die Treppen sind halsbrechend und kaum von Gesunden zu passiren, so daß einem angst und bange wird, wenn sie die Kranken besteigen sollen. Die Herren Knorr und Jantzen in Hamburg werden wegen dieser Knickerei von allen Seiten verwünscht. Sonntags sollte es Pudding geben, das Ding hieß Pudding, war aber nur Mehl, Wasser und Salz, ein bloßer Kloß, ohne Butter, ohne Gewürz, ohne alles Weitere; (ich spreche nicht zuviel); — den Meisten war es ganz unmöglich, dieses [unleserliches Material]ewürgs[unleserliches Material]l hinunter zu schlucken; bei mir trieb's der Hunger hinunter. Zum Kaffee und Thee (gefärbtes Wasser) kein Zucker; im Thee schwammen große gezackte Blätter, anscheinend Kirschblätter; Geschmack nach — gar nichts. Auf dem Schiffe war kein Arzt, für die Kranken war so gut wie gar nicht gesorgt, und keine der glänzenden Versprechungen der Herren K. und J. ist erfüllt worden; ein jeder Auswanderer ist daher vor diesem Hause zu warnen. Unser Schiff (wahrscheinlich die anderen auch nicht] ist gar kein Auswandererschiff, sondern ein Kauffartheischiff, welches aus Spekulation in ein Auswandererschiff umgestaltet wurde, denn es ist so niedrig, daß die Passagiere nicht einmal aufrecht stehen können.

New-York, 15. Oktbr. 1848.

Kaufmann Eduard Kolbe aus Berlin, jetzt in den Vereinigten Staaten wohnhaft.“

Neues Jagdrecht!

Als in dem mit Ruhm und Schmach bedeckten Jahre 1848 im Oktober die Nationalversammlung die Jagdgerechtsame aufhob, begann am 12ten Oktober eine neue preußische Jagd, und zwar eine Menschenjagd im hiesigen Arresthause. So wurde am 12. Oktober auf einen Baugefangenen, welcher sich an einem mit starken Eisenstäben vergitterten Fenster zeigte, geschossen, am 15. ebenfalls. Am 16, nachdem ich mit Beihülfe eines Schemels an's Fenster stieg, um die vor meinem Fenster stehende Butter hereinzunehmen, schoß eine königlich preußische Schildwache auf den neben mir wohnenden Untersuchungsgefangenen Jakob Seligmann, welcher ebenfalls an's Fenster stieg, um seine Schnupftabacksdose hereinzunehmen. Die Kugel schlug ungefähr ein und einen halben Fuß höher, als wir standen, zwischen beiden Fenstern in die Mauer; verwundet wurde keiner von uns, obschon noch 3 Rehposten als Beihülfe in jedem Gewehre sich befinden. Die Sache wurde gleich in den Inspektor Schmitz und Direktor Blankenburg berichtet, auch zugleich ein Brief an den Staats-Prokurator von Seligmann geschrieben, welchen derselbe jedoch auf Bitte des Direktors und aus Feigheit nicht abschickte. Es wurde versprochen, daß dergleichen Jagdliebhabereien unterbleiben sollten, jedoch trotz alledem und alledem wurde am 20., also einen Tag nach dem Attentat auf Seligmann oder mich, denn keiner wußte, wem der Schuß galt, indem wir beide am Fenster standen, wieder neuerdings auf einen andern Gefangenen geschossen. So sicher war das Leben der Untersuchungsgefangenen gestellt, daß wir, sobald wir uns am Fenster zeigten, als Zielscheibe der königlich preußischen Schildwachen dienten. Untersuchungsgefangene, sage ich, von denen man nicht weiß, ob schuldig oder nicht. Und wo ist es erlaubt, auf einen Gefangenen zu schießen? Ist er nicht verurtheilt für sein Verbrechen und büßt er nicht dafür im Kerker? In Köln ist es erlaubt im Arresthause, denn die Hausordnung und die Wachbefehle gebieten es. Das Erkenntniß der Geschworenen an den Assisen hat gezeigt, daß gerade die beiden Männer, Seligmann und Esser, worauf am 19. geschossen wurde, beide nicht schuldig befunden wurden. Nicht genug, daß man in der Untersuchungshaft von aller menschlichen Gesellschaft abgeschnitten ist, nicht genug, daß man eine einzige Stunde während 24 Stunden in einem mit hohen Gebäuden umgebenen Hofe sich bewegen darf, nein, auch die frische Luft, welche der arme Gefangene einathmen will, ist ihm nicht vergönnt. Er ist angewiesen, eine von allen ungesunden Dünsten geschwängerte Luft einzuathmen. Und welche bleiche gebeugte Jammergestalten sah ich dort, junge Leute in den besten Jahren, bleich wie der Tod, die Augen entzündet, schwinden sie langsam dahin. Dies ein kleines Bruchstück aus dem hiesigen Arresthause von Christian Joseph Esser.

Die Herrschaft des Capitals

ist jetzt zu einer unerträglichen Höhe gestiegen, wogegen weder der Grundbesitz noch die Arbeit sich lange mehr halten kann. Nichtsdestoweniger hat die Habsucht der Kapitalisten ihre Grenzen noch nicht erreicht, da die Einen den Zinsfuß erhöhen, die Andern ihre unglücklichen Schuldner von Haus und Hof vertreiben, ihnen ihre letzte bewegliche Habe entreißen und sie erbarmungslos auf die Straße werfen lassen.

Wir wollen versuchen durch diese Blätter eine Skizze von dem Leben und den Thaten dieser Bürger zu geben, welche so das allgemeine Elend im Interesse ihres Schatzes, den weder Motten noch Rost fressen, exploitiren. Herr D. N., einer unserer reichsten Kapitalisten, kinderlos, durch seine Verheirathung mit einer alten Wittwe ein für das Leben Abgestorbner, kündigte dieser Tage seinen Schuldnern an, daß in Anbetracht der Seltenheit des Geldes und der allgemeinen Behaglichkeit er sich gemüßigt sehe, den bisherigen Zinsensatz zu erhöhen und sucht sich gleichzeitig eines armen Schreiners durch die sogenannte Subhastation zu entledigen.

Ein baronisirter, mit dem Metternich'schen System verwandter unverheiratheter Regierungsbeamter, gibt seinen unglücklichen Schuldnern kein Pardon, er will weder vermehrte Sicherheit für sein Kapital noch Zinsen, sondern, während er sich zur bessern Verdauung behaglich in seiner Karosse schaukelt, läßt er seine Schuldner um Geld quälen, pfänden und beschimpfen. Den Reihen dieser Ehrenmänner wollen wir einstweilen mit einem unserer Gemeinderäthe schließen, welcher einen eigenen Modus hat, die Gesetze gegen den Wucher zu umgehen und demnach seine Schätze unendlich zu vermehren. Wenn man über alle diese auf eine allgemeine Verarmung hinwirkende Treiben nachdenkt, dann findet man, daß es eben so falsch ist, wenn man die jetzige traurige Lage der Handwerker und Arbeiter dem bloßen Uebergange von einer absoluten zu einer mehr modernen Regierung zuschreiben will, als auch wenn man sich der Hoffnung hingibt, es werde durch die im Sinne der Brandenburg-Manteuffel und des Schwarzweißthums neu zu errichtenden Regierungsform das Loos der Handwerker und Arbeiter sich verbessern.

Es sind vielmehr unsere socialen Zustände durch die mit den Geldaristokraten stets verbündet gewesenen absolutistischen Regierungen, die durch die octroyirte Verfassung und die konstitutionelle Form fortgesetzt werden sollen, so verdorben und unhaltbar geworden, daß den bestehenden Uebeln nur durch die Beschränkung der Macht des Kapitals abgeholfen werden kann, da durch die Höhe des jetzigen Zinsfußes alle Früchte der Industrie und Arbeit absorbirt werden.

Wenn Männer, welche es sich zur Aufgabe gemacht haben, durch Wort, Schrift und That das traurige Loos der Arbeiter zu verbessern, wie gemeine Verbrecher verfolgt, eingekerkert und vor Gericht gestellt werden, dann ist allerdings der Zeitpunkt nicht ferne, wo die eine mit Glücksgütern überhäufte Klasse der Gesellschaft von ihrem Ueberflusse so viel abgeben, von ihrem vermeintlichen Rechtsboden so weit zurücktreten wird, damit alle von der Vorsehung zu einem gleichmäßig glücklichen Dasein berufenen Menschen, nicht gerade in Noth und Elend unterzugehen brauchen.

Wie reichlich auch der Himmel das Füllhorn seines Segens über die Erde ausgeschüttet hat, so sieht man doch eine Menge Menschen, die durch Arbeit gerne ihren Antheil an diesem Segen verdienen mögten, wenn ihnen dieses nur gestattet wäre.

Wer anders trägt hiervon die Schuld als unsere schlechten Rechtsinstitutionen, die Herrschaft des Kapitals und alle die perfiden Erfindungen, wodurch das Kapital die Arbeit und selbst den Segen des Himmels ausbeutet.

Köln, den 15. Januar.

Joseph Kamp Schreinermeister.

M.-Gladbach, 12. Jan.

Ein in Nr. 190 Ihres Blattes enthaltener Artikel: „Dahlen (Kreis Gladbach)“, welcher dahin ging, die Tendenz des hiesigen „allgemeinen Bürgervereins zur Wahrung der Volksrechte“ zu verdächtigen und ein Mitglied des Vorstandes in gehässiger Weise anzugreifen, veranlaßt letzteren, das Programm des Vereins in seinem ganzen Zusammenhange mitzutheilen. Es lautet:

„Der Verein stellt sich die Aufgabe, die Rechte, Freiheiten und Interessen des Volkes zu wahren und zu vertreten. Der Verein tritt allen etwaigen Versuchen, dieselben zu schmälern, seien sie reaktionärer oder anarchischer Art, mit gleicher Entschiedenheit entgegen. Der Verein will ein einiges, freies, mächtiges Deutschland, und ein in Deutschland aufgehendes, freies, durch eine volksthümliche Verfassung gekräftigtes Preußen. Der Verein anerkennt die Beschlüsse der deutschen Nationalversammlung als für ganz Deutschland maßgebend und verlangt ein unbedingtes sich Unterordnen der Einzelstaaten unter dieselben. Der Verein läßt jeden Austausch der politischen Meinungen innerhalb der hier ausgesprochenen Grundprincipien zu.“

Wir beschränken uns zur Sache auf diese Mittheilung, und bemerken für uns noch, daß wir zur Zeit der Konstituirung unseres Vereins den Vorschlag eines Mitgliedes: die Versammlung möge den zur Berathung obliegenden Entwurf der Statuten ohne weiteres annehmen, auf's bestimmteste ablehnten, indem wir der Ansicht waren, nur auf Grund eines gehörig diskutirten und genehmigten, keineswegs aber octroyirten Statutes rechtskräftig wirksam sein zu können.

Wir sind der festen Ueberzeugung, daß es auf keine Weise gelingen wird, dem gewaltigen Fortschritt der Demokratie auch nur in etwa Einhalt zu thun.

Handelsnachrichten. [irrelevantes Material]
Meteorologische Beobachtungen. [irrelevantes Material]
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      <titlePage type="heading">
        <titlePart type="main">Beilage zu Nr. 200 der Neuen Rheinischen Zeitung.</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>Samstag 20. Januar 1849.</docDate>
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        <head>[Deutschland]</head>
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          <p><ref type="link_fsg">[Fortsetzung]</ref> Sobald für einen Gefangenen eine gewisse Summe Geldes bei dem Inspektor des Gefängnisses deponirt worden ist, wird er von den Uebrigen abgesondert und in &#x201E;die Freiheit&#x201C; (technischer Ausdruck der Gefangenwärter) d. h. in eine 11 Fuß lange und 7 Fuß breite Zelle gebracht, für die er <hi rendition="#g">monatlich einen Thaler pr. C. zahlen</hi> muß. &#x2014; Hier darf er sich Bücher, Zeitungen und, wenn es dem Herrn Direktor beliebt, auch Schreibmaterialien kommen lassen und die Selbstbeköstigung nimmt ihren Anfang. &#x2014; Der unbewanderte Gefangene glaubt nun, er dürfe sich jetzt die Kost aus einem Gasthause oder von seinen Angehörigen kommen lassen, findet aber bald, daß er sich bitter getäuscht hat. Der fromme Staat hat ihn an einen loyalen Unterthanen verpachtet, der seinen Pachtzins an ihm herauszuschlagen sucht und ihm für schweres Geld schlechtes Essen und noch schlechteres Bier liefert.</p>
          <p>Nicht das Geringste, was eßbar oder trinkbar ist, dürfen die Angehörigen des Gefangenen ihm zuschicken. Bei politischen Gefangenen wäre so etwas auch gefährlich, es könnte hochverrätherischer Zucker oder kommunistisches Bier eingeführt und dadurch die Gefängnißordnung oder gar der ganze fromme Staat in Gefahr gerathen. &#x2014; Morgens erhält der Gefangene eine braune Brühe, der man den Namen Kaffe beilegt; Mittags Suppe, Gemüse und Fleisch &#x2014; das Fleisch oft stinkend und das Gemüse mit Talg gekocht, &#x2014; Nachmittags wieder braune Brühe und Abends, was er sich bestellt: Kartoffeln, Käse, Eier, Bier oder sonst etwas, jedoch immer herzlich schlecht und mit doppelter Kreide angeschrieben. &#x2014; Beschwert man sich hierüber, so wird einem zur Strafe Alles noch schlechter verabreicht, als früher. &#x2014; Der loyale Pächter muß ja seinen Pachtzins bezahlen und auch noch etwas verdienen.</p>
          <p>Auf diese Weise hat der Gefangene, wenn er nämlich höchst sparsam lebt, jeden Sonnabend etwa drei Thaler an seinen Pächter für Kost zu zahlen, &#x2014; während er, wenn man seinen Angehörigen erlaubte, ihm die Kost zu schicken, für 1 1/2 Thlr. wöchentlich weit besser leben könnte. Doch der christlich-germanische Staat braucht Geld &#x2014; und in Geldfragen hört bei ihm nicht allein die Gemüthlichkeit, sondern auch die Menschlichkeit auf.</p>
          <p>Mögen tausende Familien darben, um ihre in Vorhaft sich befindenden Angehörigen in &#x201E;die Freiheit&#x201C; (Verpachtung) zu bringen, um sie wenigstens einigermaßen von körperlichen und geistigen Martern zu befreien, was liegt daran, wenn nur der fromme Staat Geld erhält, wenn er nur seinen reichen Bureaukraten Gratifikationen ertheilen und die Kinder seiner armen Grafen auf allgemeine Unkosten erziehen lassen kann.</p>
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        <bibl>Redakteur en chef: <editor>Karl Marx.</editor>             </bibl>
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          <head>Aufruf an die Urwähler.</head>
          <p>In dem Seitens des Finanzministeriums dem veröffentlichten Staatshaushalt-Etat pro 1849 angereihten Begleitschreiben findet sich unter Anderm folgende Stelle:</p>
          <p rendition="#et">&#x201E;Es wird den Kammern der Volksvertretung vorbehalten bleiben, die Grundlagen, auf denen unsere Steuer-Einrichtungen fortan sich stützen sollen, zu berathen und es werden hierzu namentlich die in Ew. Königl. Majestät Allerhöchster Proklamation vom 5. Dezember bereits angekündigten Gesetzentwürfe über die Einkommensteuer, über die Aufhebung der Grund- und Classensteuer-Befreiungen und wegen Einführung einer allgemeinen Grundsteuer, in Bezug auf das ganze System der direkten Steuern die genügendste Veranlassung geben, während für die Zölle und mehrere indirekte Steuern wesentliche Aenderungen an dem Bestehenden von denjenigen Gestaltungen werden abhängig bleiben müssen, welche in Bezug auf die deutsche Reichsverfassung noch bevorstehen.&#x201C;</p>
          <p>Mitbürger! Das äußere Wohl und Wehe der Bürger hängt hauptsächlich von der Art und Weise der Besteuerung ab! Ueber diese Besteuerung nun sollen die jetzt zu erwählenden Abgeordneten berathen und öffentlich beschließen, offenbar eine Sache von der höchsten, nicht zu berechnenden Wichtigkeit für uns Alle! Mitbürger! Bedenkt, daß die Steuern in den letzten 33 Friedensjahren die Summe von 5,000,000,000 (sage Fünf Tausend Millionen) Berliner Thaler verschlungen haben, daß diese 5,000,000,000 Thaler in einer Weise aufgebracht sind, daß nun, nach 33 gesegneten Friedensjahren, lediglich in Folge der ungerechten Steuer-Vertheilung, die reichen Leute noch viel reicher geworden, während fast der ganze früher so glückliche und kräftige Mittelstand verarmt, der Handwerker- und Arbeiterstand völlig zu Grunde gegangen sind.</p>
          <p>In unserm Staate sind von 100 Steuerpflichtigen nur 5 reiche, 15, welche ihr Auskommen haben, aber &#x2014; hört und bedenkt es &#x2014; achtzig, welche täglich mit Nahrungssorgen kämpfen oder völlig Mangel leiden!</p>
          <p>Der preußische Staat fordert für das Jahr 1849 88,000,000 Thaler und von diesen 88 Millionen bezahlen jene, welche mindestens vier Fünftel alles Vermögens besitzen, &#x2014; nur 28 Millionen während der Mittel- und Arbeiterstand, welcher mit allem Hab und Gut nur ein Fünftel des Vermögens besitzt, jährlich die ungeheure Summe von 60,000,000 &#x2014; sechszig Millionen &#x2014; Thaler aufbringen muß! Mitbürger! Einen schlagenden Beweis hiefür liefert die Besteuerung unserer Commune, welche im Jahre 1832 überhaupt an Steuern zahlen mußte</p>
          <p rendition="#et">Thlr. 64,000</p>
          <table>
            <row>
              <cell> wovon 131 Reiche mit einem Vermögen von circa 9,000,000 Thlr. nur circa Thlr. 20,000</cell>
            </row>
            <row>
              <cell>dagegen der Mittel- und Arbeiterstand mit einem Besitz von ungefähr nur 2,000,000 Thlr. 44,000 = Thlr. 64,000</cell>
            </row>
            <row>
              <cell>bezahlen mußten.</cell>
            </row>
          </table>
          <p>Hätten dagegen umgekehrt, wie billig und naturgemäß, jene 131 Reichen die 44,000 und der Mittel- und Arbeiterstand die 20,000 Thlr. jährlich bezahlt, so würde dies für den Mittel- und Arbeiterstand blos in diesen 16 Jahren eine Ersparniß von circa 500,000 Thlrn. ergeben haben, eine Summe, hinreichend, jede äußere Noth des Mittel- und Arbeiterstandes verhütet zu haben, oder jetzt zu beseitigen. Nichtsdestoweniger hat der Gemeinderath von Barmen in einer der letzten Sitzungen des verflossenen Jahres mit 12 Stimmen gegen 12 &#x2014; der Vorsitzende, Herr Osterroth, gab den Ausschlag &#x2014; den gerechten Antrag verworfen: &#x201E;daß die für außergewöhnliche Unterstützung aufgenommenen 11,000 Thlr. nur von den Communalsteuerpflichtigen von Thlr. 12 aufwärts bezahlt werden solle.&#x201C; Auch zu dieser Unterstützungssumme soll also der verarmte Mittelstand und ein Theil des hungernden Arbeiterstandes bezahlen! Und wer hat für Euch gesprochen, wer gegen Euch! Es ist nun leicht begreiflich, warum die so begünstigten Reichen und gut besoldeten Beamten Alles aufbieten, die alten unglückl. Verhältnisse fortbestehen zu lassen oder wieder einzuführen, während es für den Mittel- und Arbeiterstand eine Lebensbedingung ist eine gerechte Abänderung jener entsetzl. Ungerechtigkeit mit allen verderbl. Folgen derselben herbeizuführen. Mitbürger! Seht hier den klaren Stand der Steuer-Verhältnisse: An Euch ist es nun, das namenlose Unglück von Euch und Euren Kindern abzuwälzen, welches Euch ein ganzes Menschenalter hindurch zu Boden gedrückt, Euch zu Dürftigen und Sclaven gemacht hat! Eure heilige Pflicht, über welche die künftigen Geschlechter Rechenschaft von Euch fordern werden, ist es nun, keine Reichen, keine hochbesoldeten Beamten zu Wahlmännern zu wählen, sondern nur Bürger aus der Mittel- und Arbeiterklasse, die mit Geist und Herz, mit edlem Bürgersinn und wahrem Patriotismus für Euch und Eure Wohlfahrt kämpfen werden.</p>
          <p>Nach so vielen Täuschungen und Lügen gleißnerischer Verräther und Feinde wähle jetzt ein Jeder im wohlverstandenen Interesse für sich, Kind und Kindeskinder.</p>
          <p>Barmen, den 18. Jan. 1849.</p>
          <p>Der Verein für eine gerechte Steuervertheilung.</p>
          <p>Namens desselben, der Vorsitzende: J. W. <hi rendition="#g">Birschel</hi>.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar200b_003" type="jArticle">
          <head>Auszug</head>
          <p>aus dem Reisebericht des Kaufmannes Eduard Kolbe, welcher Mitte August 1848 mit einem Knorr und Jantzenschen Schiff nach New-York ausgewandert ist, an die Berliner Auswanderungsgesellschaft: &#x201E;Wir sahen immer mehr ein die schoofle und knickerige Einrichtung des Schiffes von Seiten der knickerigen Ausrüster. Der Koch hat für 124 Mann (incl. Kajütspassagiere) eine Kaffee-Mühle und Trommel die eine Familie von 6 Menschen gewöhnlich weit größer besitzt; &#x2014; die Treppen sind halsbrechend und kaum von Gesunden zu passiren, so daß einem angst und bange wird, wenn sie die Kranken besteigen sollen. Die Herren Knorr und Jantzen in Hamburg werden wegen dieser Knickerei von allen Seiten verwünscht. Sonntags sollte es Pudding geben, das Ding hieß Pudding, war aber nur Mehl, Wasser und Salz, ein bloßer Kloß, ohne Butter, ohne Gewürz, ohne alles Weitere; (ich spreche nicht zuviel); &#x2014; den Meisten war es ganz unmöglich, dieses <gap reason="illegible"/>ewürgs<gap reason="illegible"/>l hinunter zu schlucken; bei mir trieb's der Hunger hinunter. Zum Kaffee und Thee (gefärbtes Wasser) kein Zucker; im Thee schwammen große gezackte Blätter, anscheinend Kirschblätter; Geschmack nach &#x2014; gar nichts. Auf dem Schiffe war kein Arzt, für die Kranken war so gut wie gar nicht gesorgt, und keine der glänzenden Versprechungen der Herren K. und J. ist erfüllt worden; ein jeder Auswanderer ist daher vor diesem Hause zu warnen. Unser Schiff (wahrscheinlich die anderen auch nicht] ist gar kein Auswandererschiff, sondern ein Kauffartheischiff, welches aus Spekulation in ein Auswandererschiff umgestaltet wurde, denn es ist so niedrig, daß die Passagiere nicht einmal aufrecht stehen können.</p>
          <p>New-York, 15. Oktbr. 1848.</p>
          <p>Kaufmann Eduard Kolbe aus Berlin, jetzt in den Vereinigten Staaten wohnhaft.&#x201C;</p>
        </div>
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          <dateline>Köln, den 16. Januar 1849.</dateline>
          <head>Neues Jagdrecht!</head>
          <p>Als in dem mit Ruhm und Schmach bedeckten Jahre 1848 im Oktober die Nationalversammlung die Jagdgerechtsame aufhob, begann am 12ten Oktober eine neue preußische Jagd, und zwar eine Menschenjagd im hiesigen Arresthause. So wurde am 12. Oktober auf einen Baugefangenen, welcher sich an einem mit starken Eisenstäben vergitterten Fenster zeigte, geschossen, am 15. ebenfalls. Am 16, nachdem ich mit Beihülfe eines Schemels an's Fenster stieg, um die vor meinem Fenster stehende Butter hereinzunehmen, schoß eine königlich preußische Schildwache auf den neben mir wohnenden Untersuchungsgefangenen Jakob Seligmann, welcher ebenfalls an's Fenster stieg, um seine Schnupftabacksdose hereinzunehmen. Die Kugel schlug ungefähr ein und einen halben Fuß höher, als wir standen, zwischen beiden Fenstern in die Mauer; verwundet wurde keiner von uns, obschon noch 3 Rehposten als Beihülfe in jedem Gewehre sich befinden. Die Sache wurde gleich in den Inspektor Schmitz und Direktor Blankenburg berichtet, auch zugleich ein Brief an den Staats-Prokurator von Seligmann geschrieben, welchen derselbe jedoch auf Bitte des Direktors und aus Feigheit nicht abschickte. Es wurde versprochen, daß dergleichen Jagdliebhabereien unterbleiben sollten, jedoch trotz alledem und alledem wurde am 20., also einen Tag nach dem Attentat auf Seligmann oder mich, denn keiner wußte, wem der Schuß galt, indem wir beide am Fenster standen, wieder neuerdings auf einen andern Gefangenen geschossen. So sicher war das Leben der Untersuchungsgefangenen gestellt, daß wir, sobald wir uns am Fenster zeigten, als Zielscheibe der königlich preußischen Schildwachen dienten. Untersuchungsgefangene, sage ich, von denen man nicht weiß, ob schuldig oder nicht. Und wo ist es erlaubt, auf einen Gefangenen zu schießen? Ist er nicht verurtheilt für sein Verbrechen und büßt er nicht dafür im Kerker? In Köln ist es erlaubt im Arresthause, denn die Hausordnung und die Wachbefehle gebieten es. Das Erkenntniß der Geschworenen an den Assisen hat gezeigt, daß gerade die beiden Männer, Seligmann und Esser, worauf am 19. geschossen wurde, beide nicht schuldig befunden wurden. Nicht genug, daß man in der Untersuchungshaft von aller menschlichen Gesellschaft abgeschnitten ist, nicht genug, daß man eine einzige Stunde während 24 Stunden in einem mit hohen Gebäuden umgebenen Hofe sich bewegen darf, nein, auch die frische Luft, welche der arme Gefangene einathmen will, ist ihm nicht vergönnt. Er ist angewiesen, eine von allen ungesunden Dünsten geschwängerte Luft einzuathmen. Und welche bleiche gebeugte Jammergestalten sah ich dort, junge Leute in den besten Jahren, bleich wie der Tod, die Augen entzündet, schwinden sie langsam dahin. Dies ein kleines Bruchstück aus dem hiesigen Arresthause von <hi rendition="#g">Christian Joseph Esser</hi>.</p>
        </div>
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          <head>Die Herrschaft des Capitals</head>
          <p>ist jetzt zu einer unerträglichen Höhe gestiegen, wogegen weder der Grundbesitz noch die Arbeit sich lange mehr halten kann. Nichtsdestoweniger hat die Habsucht der Kapitalisten ihre Grenzen noch nicht erreicht, da die Einen den Zinsfuß erhöhen, die Andern ihre unglücklichen Schuldner von Haus und Hof vertreiben, ihnen ihre letzte bewegliche Habe entreißen und sie erbarmungslos auf die Straße werfen lassen.</p>
          <p>Wir wollen versuchen durch diese Blätter eine Skizze von dem Leben und den Thaten dieser Bürger zu geben, welche so das allgemeine Elend im Interesse ihres Schatzes, den weder Motten noch Rost fressen, exploitiren. Herr D. N., einer unserer reichsten Kapitalisten, kinderlos, durch seine Verheirathung mit einer alten Wittwe ein für das Leben Abgestorbner, kündigte dieser Tage seinen Schuldnern an, daß in Anbetracht der Seltenheit des Geldes und der allgemeinen Behaglichkeit er sich gemüßigt sehe, den bisherigen Zinsensatz zu erhöhen und sucht sich gleichzeitig eines armen Schreiners durch die sogenannte Subhastation zu entledigen.</p>
          <p>Ein baronisirter, mit dem Metternich'schen System verwandter unverheiratheter Regierungsbeamter, gibt seinen unglücklichen Schuldnern kein Pardon, er will weder vermehrte Sicherheit für sein Kapital noch Zinsen, sondern, während er sich zur bessern Verdauung behaglich in seiner Karosse schaukelt, läßt er seine Schuldner um Geld quälen, pfänden und beschimpfen. Den Reihen dieser Ehrenmänner wollen wir einstweilen mit einem unserer Gemeinderäthe schließen, welcher einen eigenen Modus hat, die Gesetze gegen den Wucher zu umgehen und demnach seine Schätze unendlich zu vermehren. Wenn man über alle diese auf eine allgemeine Verarmung hinwirkende Treiben nachdenkt, dann findet man, daß es eben so falsch ist, wenn man die jetzige traurige Lage der Handwerker und Arbeiter dem bloßen Uebergange von einer absoluten zu einer mehr modernen Regierung zuschreiben will, als auch wenn man sich der Hoffnung hingibt, es werde durch die im Sinne der Brandenburg-Manteuffel und des Schwarzweißthums neu zu errichtenden Regierungsform das Loos der Handwerker und Arbeiter sich verbessern.</p>
          <p>Es sind vielmehr unsere socialen Zustände durch die mit den Geldaristokraten stets verbündet gewesenen absolutistischen Regierungen, die durch die octroyirte Verfassung und die konstitutionelle Form fortgesetzt werden sollen, so verdorben und unhaltbar geworden, daß den bestehenden Uebeln nur durch die Beschränkung der Macht des Kapitals abgeholfen werden kann, da durch die Höhe des jetzigen Zinsfußes alle Früchte der Industrie und Arbeit absorbirt werden.</p>
          <p>Wenn Männer, welche es sich zur Aufgabe gemacht haben, durch Wort, Schrift und That das traurige Loos der Arbeiter zu verbessern, wie gemeine Verbrecher verfolgt, eingekerkert und vor Gericht gestellt werden, dann ist allerdings der Zeitpunkt nicht ferne, wo die eine mit Glücksgütern überhäufte Klasse der Gesellschaft von ihrem Ueberflusse so viel abgeben, von ihrem vermeintlichen Rechtsboden so weit zurücktreten wird, damit alle von der Vorsehung zu einem gleichmäßig glücklichen Dasein berufenen Menschen, nicht gerade in Noth und Elend unterzugehen brauchen.</p>
          <p>Wie reichlich auch der Himmel das Füllhorn seines Segens über die Erde ausgeschüttet hat, so sieht man doch eine Menge Menschen, die durch Arbeit gerne ihren Antheil an diesem Segen verdienen mögten, wenn ihnen dieses nur gestattet wäre.</p>
          <p>Wer anders trägt hiervon die Schuld als unsere schlechten Rechtsinstitutionen, die Herrschaft des Kapitals und alle die perfiden Erfindungen, wodurch das Kapital die Arbeit und selbst den Segen des Himmels ausbeutet.</p>
          <p>Köln, den 15. Januar.</p>
          <p>Joseph Kamp Schreinermeister.</p>
        </div>
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          <head>M.-Gladbach, 12. Jan.</head>
          <p>Ein in Nr. 190 Ihres Blattes enthaltener Artikel: &#x201E;Dahlen (Kreis Gladbach)&#x201C;, welcher dahin ging, die Tendenz des hiesigen &#x201E;allgemeinen Bürgervereins zur Wahrung der Volksrechte&#x201C; zu verdächtigen und ein Mitglied des Vorstandes in gehässiger Weise anzugreifen, veranlaßt letzteren, das Programm des Vereins in seinem ganzen Zusammenhange mitzutheilen. Es lautet:</p>
          <p>&#x201E;Der Verein stellt sich die Aufgabe, die Rechte, Freiheiten und Interessen des Volkes zu wahren und zu vertreten. Der Verein tritt allen etwaigen Versuchen, dieselben zu schmälern, seien sie reaktionärer oder anarchischer Art, mit gleicher Entschiedenheit entgegen. Der Verein will ein einiges, freies, mächtiges Deutschland, und ein in Deutschland aufgehendes, freies, durch eine volksthümliche Verfassung gekräftigtes Preußen. Der Verein anerkennt die Beschlüsse der deutschen Nationalversammlung als für ganz Deutschland maßgebend und verlangt ein unbedingtes sich Unterordnen der Einzelstaaten unter dieselben. Der Verein läßt jeden Austausch der politischen Meinungen innerhalb der hier ausgesprochenen Grundprincipien zu.&#x201C;</p>
          <p>Wir beschränken uns zur Sache auf diese Mittheilung, und bemerken für uns noch, daß wir zur Zeit der Konstituirung unseres Vereins den Vorschlag eines Mitgliedes: die Versammlung möge den zur Berathung obliegenden Entwurf der Statuten ohne weiteres annehmen, auf's bestimmteste ablehnten, indem wir der Ansicht waren, nur auf Grund eines gehörig diskutirten und genehmigten, keineswegs aber octroyirten Statutes rechtskräftig wirksam sein zu können.</p>
          <p>Wir sind der festen Ueberzeugung, daß es auf keine Weise gelingen wird, dem gewaltigen Fortschritt der Demokratie auch nur in etwa Einhalt zu thun.</p>
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[1091/0001] Beilage zu Nr. 200 der Neuen Rheinischen Zeitung. Organ der Demokratie. Samstag 20. Januar 1849. [Deutschland] [Fortsetzung] Sobald für einen Gefangenen eine gewisse Summe Geldes bei dem Inspektor des Gefängnisses deponirt worden ist, wird er von den Uebrigen abgesondert und in „die Freiheit“ (technischer Ausdruck der Gefangenwärter) d. h. in eine 11 Fuß lange und 7 Fuß breite Zelle gebracht, für die er monatlich einen Thaler pr. C. zahlen muß. — Hier darf er sich Bücher, Zeitungen und, wenn es dem Herrn Direktor beliebt, auch Schreibmaterialien kommen lassen und die Selbstbeköstigung nimmt ihren Anfang. — Der unbewanderte Gefangene glaubt nun, er dürfe sich jetzt die Kost aus einem Gasthause oder von seinen Angehörigen kommen lassen, findet aber bald, daß er sich bitter getäuscht hat. Der fromme Staat hat ihn an einen loyalen Unterthanen verpachtet, der seinen Pachtzins an ihm herauszuschlagen sucht und ihm für schweres Geld schlechtes Essen und noch schlechteres Bier liefert. Nicht das Geringste, was eßbar oder trinkbar ist, dürfen die Angehörigen des Gefangenen ihm zuschicken. Bei politischen Gefangenen wäre so etwas auch gefährlich, es könnte hochverrätherischer Zucker oder kommunistisches Bier eingeführt und dadurch die Gefängnißordnung oder gar der ganze fromme Staat in Gefahr gerathen. — Morgens erhält der Gefangene eine braune Brühe, der man den Namen Kaffe beilegt; Mittags Suppe, Gemüse und Fleisch — das Fleisch oft stinkend und das Gemüse mit Talg gekocht, — Nachmittags wieder braune Brühe und Abends, was er sich bestellt: Kartoffeln, Käse, Eier, Bier oder sonst etwas, jedoch immer herzlich schlecht und mit doppelter Kreide angeschrieben. — Beschwert man sich hierüber, so wird einem zur Strafe Alles noch schlechter verabreicht, als früher. — Der loyale Pächter muß ja seinen Pachtzins bezahlen und auch noch etwas verdienen. Auf diese Weise hat der Gefangene, wenn er nämlich höchst sparsam lebt, jeden Sonnabend etwa drei Thaler an seinen Pächter für Kost zu zahlen, — während er, wenn man seinen Angehörigen erlaubte, ihm die Kost zu schicken, für 1 1/2 Thlr. wöchentlich weit besser leben könnte. Doch der christlich-germanische Staat braucht Geld — und in Geldfragen hört bei ihm nicht allein die Gemüthlichkeit, sondern auch die Menschlichkeit auf. Mögen tausende Familien darben, um ihre in Vorhaft sich befindenden Angehörigen in „die Freiheit“ (Verpachtung) zu bringen, um sie wenigstens einigermaßen von körperlichen und geistigen Martern zu befreien, was liegt daran, wenn nur der fromme Staat Geld erhält, wenn er nur seinen reichen Bureaukraten Gratifikationen ertheilen und die Kinder seiner armen Grafen auf allgemeine Unkosten erziehen lassen kann. Redakteur en chef: Karl Marx. Aufruf an die Urwähler. In dem Seitens des Finanzministeriums dem veröffentlichten Staatshaushalt-Etat pro 1849 angereihten Begleitschreiben findet sich unter Anderm folgende Stelle: „Es wird den Kammern der Volksvertretung vorbehalten bleiben, die Grundlagen, auf denen unsere Steuer-Einrichtungen fortan sich stützen sollen, zu berathen und es werden hierzu namentlich die in Ew. Königl. Majestät Allerhöchster Proklamation vom 5. Dezember bereits angekündigten Gesetzentwürfe über die Einkommensteuer, über die Aufhebung der Grund- und Classensteuer-Befreiungen und wegen Einführung einer allgemeinen Grundsteuer, in Bezug auf das ganze System der direkten Steuern die genügendste Veranlassung geben, während für die Zölle und mehrere indirekte Steuern wesentliche Aenderungen an dem Bestehenden von denjenigen Gestaltungen werden abhängig bleiben müssen, welche in Bezug auf die deutsche Reichsverfassung noch bevorstehen.“ Mitbürger! Das äußere Wohl und Wehe der Bürger hängt hauptsächlich von der Art und Weise der Besteuerung ab! Ueber diese Besteuerung nun sollen die jetzt zu erwählenden Abgeordneten berathen und öffentlich beschließen, offenbar eine Sache von der höchsten, nicht zu berechnenden Wichtigkeit für uns Alle! Mitbürger! Bedenkt, daß die Steuern in den letzten 33 Friedensjahren die Summe von 5,000,000,000 (sage Fünf Tausend Millionen) Berliner Thaler verschlungen haben, daß diese 5,000,000,000 Thaler in einer Weise aufgebracht sind, daß nun, nach 33 gesegneten Friedensjahren, lediglich in Folge der ungerechten Steuer-Vertheilung, die reichen Leute noch viel reicher geworden, während fast der ganze früher so glückliche und kräftige Mittelstand verarmt, der Handwerker- und Arbeiterstand völlig zu Grunde gegangen sind. In unserm Staate sind von 100 Steuerpflichtigen nur 5 reiche, 15, welche ihr Auskommen haben, aber — hört und bedenkt es — achtzig, welche täglich mit Nahrungssorgen kämpfen oder völlig Mangel leiden! Der preußische Staat fordert für das Jahr 1849 88,000,000 Thaler und von diesen 88 Millionen bezahlen jene, welche mindestens vier Fünftel alles Vermögens besitzen, — nur 28 Millionen während der Mittel- und Arbeiterstand, welcher mit allem Hab und Gut nur ein Fünftel des Vermögens besitzt, jährlich die ungeheure Summe von 60,000,000 — sechszig Millionen — Thaler aufbringen muß! Mitbürger! Einen schlagenden Beweis hiefür liefert die Besteuerung unserer Commune, welche im Jahre 1832 überhaupt an Steuern zahlen mußte Thlr. 64,000 wovon 131 Reiche mit einem Vermögen von circa 9,000,000 Thlr. nur circa Thlr. 20,000 dagegen der Mittel- und Arbeiterstand mit einem Besitz von ungefähr nur 2,000,000 Thlr. 44,000 = Thlr. 64,000 bezahlen mußten. Hätten dagegen umgekehrt, wie billig und naturgemäß, jene 131 Reichen die 44,000 und der Mittel- und Arbeiterstand die 20,000 Thlr. jährlich bezahlt, so würde dies für den Mittel- und Arbeiterstand blos in diesen 16 Jahren eine Ersparniß von circa 500,000 Thlrn. ergeben haben, eine Summe, hinreichend, jede äußere Noth des Mittel- und Arbeiterstandes verhütet zu haben, oder jetzt zu beseitigen. Nichtsdestoweniger hat der Gemeinderath von Barmen in einer der letzten Sitzungen des verflossenen Jahres mit 12 Stimmen gegen 12 — der Vorsitzende, Herr Osterroth, gab den Ausschlag — den gerechten Antrag verworfen: „daß die für außergewöhnliche Unterstützung aufgenommenen 11,000 Thlr. nur von den Communalsteuerpflichtigen von Thlr. 12 aufwärts bezahlt werden solle.“ Auch zu dieser Unterstützungssumme soll also der verarmte Mittelstand und ein Theil des hungernden Arbeiterstandes bezahlen! Und wer hat für Euch gesprochen, wer gegen Euch! Es ist nun leicht begreiflich, warum die so begünstigten Reichen und gut besoldeten Beamten Alles aufbieten, die alten unglückl. Verhältnisse fortbestehen zu lassen oder wieder einzuführen, während es für den Mittel- und Arbeiterstand eine Lebensbedingung ist eine gerechte Abänderung jener entsetzl. Ungerechtigkeit mit allen verderbl. Folgen derselben herbeizuführen. Mitbürger! Seht hier den klaren Stand der Steuer-Verhältnisse: An Euch ist es nun, das namenlose Unglück von Euch und Euren Kindern abzuwälzen, welches Euch ein ganzes Menschenalter hindurch zu Boden gedrückt, Euch zu Dürftigen und Sclaven gemacht hat! Eure heilige Pflicht, über welche die künftigen Geschlechter Rechenschaft von Euch fordern werden, ist es nun, keine Reichen, keine hochbesoldeten Beamten zu Wahlmännern zu wählen, sondern nur Bürger aus der Mittel- und Arbeiterklasse, die mit Geist und Herz, mit edlem Bürgersinn und wahrem Patriotismus für Euch und Eure Wohlfahrt kämpfen werden. Nach so vielen Täuschungen und Lügen gleißnerischer Verräther und Feinde wähle jetzt ein Jeder im wohlverstandenen Interesse für sich, Kind und Kindeskinder. Barmen, den 18. Jan. 1849. Der Verein für eine gerechte Steuervertheilung. Namens desselben, der Vorsitzende: J. W. Birschel. Auszug aus dem Reisebericht des Kaufmannes Eduard Kolbe, welcher Mitte August 1848 mit einem Knorr und Jantzenschen Schiff nach New-York ausgewandert ist, an die Berliner Auswanderungsgesellschaft: „Wir sahen immer mehr ein die schoofle und knickerige Einrichtung des Schiffes von Seiten der knickerigen Ausrüster. Der Koch hat für 124 Mann (incl. Kajütspassagiere) eine Kaffee-Mühle und Trommel die eine Familie von 6 Menschen gewöhnlich weit größer besitzt; — die Treppen sind halsbrechend und kaum von Gesunden zu passiren, so daß einem angst und bange wird, wenn sie die Kranken besteigen sollen. Die Herren Knorr und Jantzen in Hamburg werden wegen dieser Knickerei von allen Seiten verwünscht. Sonntags sollte es Pudding geben, das Ding hieß Pudding, war aber nur Mehl, Wasser und Salz, ein bloßer Kloß, ohne Butter, ohne Gewürz, ohne alles Weitere; (ich spreche nicht zuviel); — den Meisten war es ganz unmöglich, dieses _ ewürgs_ l hinunter zu schlucken; bei mir trieb's der Hunger hinunter. Zum Kaffee und Thee (gefärbtes Wasser) kein Zucker; im Thee schwammen große gezackte Blätter, anscheinend Kirschblätter; Geschmack nach — gar nichts. Auf dem Schiffe war kein Arzt, für die Kranken war so gut wie gar nicht gesorgt, und keine der glänzenden Versprechungen der Herren K. und J. ist erfüllt worden; ein jeder Auswanderer ist daher vor diesem Hause zu warnen. Unser Schiff (wahrscheinlich die anderen auch nicht] ist gar kein Auswandererschiff, sondern ein Kauffartheischiff, welches aus Spekulation in ein Auswandererschiff umgestaltet wurde, denn es ist so niedrig, daß die Passagiere nicht einmal aufrecht stehen können. New-York, 15. Oktbr. 1848. Kaufmann Eduard Kolbe aus Berlin, jetzt in den Vereinigten Staaten wohnhaft.“ Köln, den 16. Januar 1849. Neues Jagdrecht! Als in dem mit Ruhm und Schmach bedeckten Jahre 1848 im Oktober die Nationalversammlung die Jagdgerechtsame aufhob, begann am 12ten Oktober eine neue preußische Jagd, und zwar eine Menschenjagd im hiesigen Arresthause. So wurde am 12. Oktober auf einen Baugefangenen, welcher sich an einem mit starken Eisenstäben vergitterten Fenster zeigte, geschossen, am 15. ebenfalls. Am 16, nachdem ich mit Beihülfe eines Schemels an's Fenster stieg, um die vor meinem Fenster stehende Butter hereinzunehmen, schoß eine königlich preußische Schildwache auf den neben mir wohnenden Untersuchungsgefangenen Jakob Seligmann, welcher ebenfalls an's Fenster stieg, um seine Schnupftabacksdose hereinzunehmen. Die Kugel schlug ungefähr ein und einen halben Fuß höher, als wir standen, zwischen beiden Fenstern in die Mauer; verwundet wurde keiner von uns, obschon noch 3 Rehposten als Beihülfe in jedem Gewehre sich befinden. Die Sache wurde gleich in den Inspektor Schmitz und Direktor Blankenburg berichtet, auch zugleich ein Brief an den Staats-Prokurator von Seligmann geschrieben, welchen derselbe jedoch auf Bitte des Direktors und aus Feigheit nicht abschickte. Es wurde versprochen, daß dergleichen Jagdliebhabereien unterbleiben sollten, jedoch trotz alledem und alledem wurde am 20., also einen Tag nach dem Attentat auf Seligmann oder mich, denn keiner wußte, wem der Schuß galt, indem wir beide am Fenster standen, wieder neuerdings auf einen andern Gefangenen geschossen. So sicher war das Leben der Untersuchungsgefangenen gestellt, daß wir, sobald wir uns am Fenster zeigten, als Zielscheibe der königlich preußischen Schildwachen dienten. Untersuchungsgefangene, sage ich, von denen man nicht weiß, ob schuldig oder nicht. Und wo ist es erlaubt, auf einen Gefangenen zu schießen? Ist er nicht verurtheilt für sein Verbrechen und büßt er nicht dafür im Kerker? In Köln ist es erlaubt im Arresthause, denn die Hausordnung und die Wachbefehle gebieten es. Das Erkenntniß der Geschworenen an den Assisen hat gezeigt, daß gerade die beiden Männer, Seligmann und Esser, worauf am 19. geschossen wurde, beide nicht schuldig befunden wurden. Nicht genug, daß man in der Untersuchungshaft von aller menschlichen Gesellschaft abgeschnitten ist, nicht genug, daß man eine einzige Stunde während 24 Stunden in einem mit hohen Gebäuden umgebenen Hofe sich bewegen darf, nein, auch die frische Luft, welche der arme Gefangene einathmen will, ist ihm nicht vergönnt. Er ist angewiesen, eine von allen ungesunden Dünsten geschwängerte Luft einzuathmen. Und welche bleiche gebeugte Jammergestalten sah ich dort, junge Leute in den besten Jahren, bleich wie der Tod, die Augen entzündet, schwinden sie langsam dahin. Dies ein kleines Bruchstück aus dem hiesigen Arresthause von Christian Joseph Esser. Die Herrschaft des Capitals ist jetzt zu einer unerträglichen Höhe gestiegen, wogegen weder der Grundbesitz noch die Arbeit sich lange mehr halten kann. Nichtsdestoweniger hat die Habsucht der Kapitalisten ihre Grenzen noch nicht erreicht, da die Einen den Zinsfuß erhöhen, die Andern ihre unglücklichen Schuldner von Haus und Hof vertreiben, ihnen ihre letzte bewegliche Habe entreißen und sie erbarmungslos auf die Straße werfen lassen. Wir wollen versuchen durch diese Blätter eine Skizze von dem Leben und den Thaten dieser Bürger zu geben, welche so das allgemeine Elend im Interesse ihres Schatzes, den weder Motten noch Rost fressen, exploitiren. Herr D. N., einer unserer reichsten Kapitalisten, kinderlos, durch seine Verheirathung mit einer alten Wittwe ein für das Leben Abgestorbner, kündigte dieser Tage seinen Schuldnern an, daß in Anbetracht der Seltenheit des Geldes und der allgemeinen Behaglichkeit er sich gemüßigt sehe, den bisherigen Zinsensatz zu erhöhen und sucht sich gleichzeitig eines armen Schreiners durch die sogenannte Subhastation zu entledigen. Ein baronisirter, mit dem Metternich'schen System verwandter unverheiratheter Regierungsbeamter, gibt seinen unglücklichen Schuldnern kein Pardon, er will weder vermehrte Sicherheit für sein Kapital noch Zinsen, sondern, während er sich zur bessern Verdauung behaglich in seiner Karosse schaukelt, läßt er seine Schuldner um Geld quälen, pfänden und beschimpfen. Den Reihen dieser Ehrenmänner wollen wir einstweilen mit einem unserer Gemeinderäthe schließen, welcher einen eigenen Modus hat, die Gesetze gegen den Wucher zu umgehen und demnach seine Schätze unendlich zu vermehren. Wenn man über alle diese auf eine allgemeine Verarmung hinwirkende Treiben nachdenkt, dann findet man, daß es eben so falsch ist, wenn man die jetzige traurige Lage der Handwerker und Arbeiter dem bloßen Uebergange von einer absoluten zu einer mehr modernen Regierung zuschreiben will, als auch wenn man sich der Hoffnung hingibt, es werde durch die im Sinne der Brandenburg-Manteuffel und des Schwarzweißthums neu zu errichtenden Regierungsform das Loos der Handwerker und Arbeiter sich verbessern. Es sind vielmehr unsere socialen Zustände durch die mit den Geldaristokraten stets verbündet gewesenen absolutistischen Regierungen, die durch die octroyirte Verfassung und die konstitutionelle Form fortgesetzt werden sollen, so verdorben und unhaltbar geworden, daß den bestehenden Uebeln nur durch die Beschränkung der Macht des Kapitals abgeholfen werden kann, da durch die Höhe des jetzigen Zinsfußes alle Früchte der Industrie und Arbeit absorbirt werden. Wenn Männer, welche es sich zur Aufgabe gemacht haben, durch Wort, Schrift und That das traurige Loos der Arbeiter zu verbessern, wie gemeine Verbrecher verfolgt, eingekerkert und vor Gericht gestellt werden, dann ist allerdings der Zeitpunkt nicht ferne, wo die eine mit Glücksgütern überhäufte Klasse der Gesellschaft von ihrem Ueberflusse so viel abgeben, von ihrem vermeintlichen Rechtsboden so weit zurücktreten wird, damit alle von der Vorsehung zu einem gleichmäßig glücklichen Dasein berufenen Menschen, nicht gerade in Noth und Elend unterzugehen brauchen. Wie reichlich auch der Himmel das Füllhorn seines Segens über die Erde ausgeschüttet hat, so sieht man doch eine Menge Menschen, die durch Arbeit gerne ihren Antheil an diesem Segen verdienen mögten, wenn ihnen dieses nur gestattet wäre. Wer anders trägt hiervon die Schuld als unsere schlechten Rechtsinstitutionen, die Herrschaft des Kapitals und alle die perfiden Erfindungen, wodurch das Kapital die Arbeit und selbst den Segen des Himmels ausbeutet. Köln, den 15. Januar. Joseph Kamp Schreinermeister. M.-Gladbach, 12. Jan. Ein in Nr. 190 Ihres Blattes enthaltener Artikel: „Dahlen (Kreis Gladbach)“, welcher dahin ging, die Tendenz des hiesigen „allgemeinen Bürgervereins zur Wahrung der Volksrechte“ zu verdächtigen und ein Mitglied des Vorstandes in gehässiger Weise anzugreifen, veranlaßt letzteren, das Programm des Vereins in seinem ganzen Zusammenhange mitzutheilen. Es lautet: „Der Verein stellt sich die Aufgabe, die Rechte, Freiheiten und Interessen des Volkes zu wahren und zu vertreten. Der Verein tritt allen etwaigen Versuchen, dieselben zu schmälern, seien sie reaktionärer oder anarchischer Art, mit gleicher Entschiedenheit entgegen. Der Verein will ein einiges, freies, mächtiges Deutschland, und ein in Deutschland aufgehendes, freies, durch eine volksthümliche Verfassung gekräftigtes Preußen. Der Verein anerkennt die Beschlüsse der deutschen Nationalversammlung als für ganz Deutschland maßgebend und verlangt ein unbedingtes sich Unterordnen der Einzelstaaten unter dieselben. Der Verein läßt jeden Austausch der politischen Meinungen innerhalb der hier ausgesprochenen Grundprincipien zu.“ Wir beschränken uns zur Sache auf diese Mittheilung, und bemerken für uns noch, daß wir zur Zeit der Konstituirung unseres Vereins den Vorschlag eines Mitgliedes: die Versammlung möge den zur Berathung obliegenden Entwurf der Statuten ohne weiteres annehmen, auf's bestimmteste ablehnten, indem wir der Ansicht waren, nur auf Grund eines gehörig diskutirten und genehmigten, keineswegs aber octroyirten Statutes rechtskräftig wirksam sein zu können. Wir sind der festen Ueberzeugung, daß es auf keine Weise gelingen wird, dem gewaltigen Fortschritt der Demokratie auch nur in etwa Einhalt zu thun. Handelsnachrichten. _ Meteorologische Beobachtungen. _

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Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 200. Köln, 20. Januar 1849. Beilage, S. 1091. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz200b_1849/1>, abgerufen am 28.03.2024.