Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Neue Rheinische Zeitung. Nr. 225. Köln, 18. Februar 1849. Zweite Ausgabe.

Bild:
erste Seite
Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 225. Köln, Sonntag den 18. Februar. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. -- Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis

Nur frankirte Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Den Freunden unseres Blattes, welche noch zu abonniren wünschen, die Anzeige, daß wir für die Stadt Köln Abonnements für den Zeitraum vom 15. Februar bis 31. März zum Preise von 20 Sgr. praenumerando entgegen nehmen.

Auf die vielen Anfragen von auswärts bedauern wir erwidern zu müssen, daß unsere desfallsigen Anträge bei der Post auf Hindernisse gestoßen sind.

Die Geranten.
Zweite Ausgabe.
Deutschland.
046 Berlin "16. Febr.

Der "Preuß. St. Anz." bringt heute Abend die Manteufelsche Bekanntmachung, daß die octroyirten Kammern am 26. Februar, Vormittags 11 Uhr, im (christlich-germanisch-ominösen) "weißen Saale", der vor Scham längst roth sein müßte, eröffnet werden sollen.

Wien, 14. Febr.

Die offizielle "Wiener Zeitung" enthält folgende Mittheilung aus Czernowitz vom 4. Februar:

"Ein mit der heutigen Post von Bukarest unter dem Datum 28. Jänner hier angelangtes Schreiben aus authentischer Quelle berichtet, daß der russische Ober-General Lüders den Auftrag erhalten, auf Verlangen der österreichischen Truppen-Commandanten in Siebenbürgen, sogleich nach Hermannstadt und Kronstadt zu marschiren, doch drückt das Schreiben die Hoffnung aus, daß es vielleicht noch nicht dazu kommen werde, da Puchner am folgenden Tage den General Gedeon mit 4000 Mann erwartete. -- Das Czernowitzer Gränz- und Truppen- Commando, welches wegen der unterbrochenen Communikation über Bistritz, die militärischen Nachrichten aus Siebenbürgen auch nur über die Wallachei und Moldau erhält, hat bis jetzt noch keine offizielle Mittheilung darüber empfangen. -- Die heutigen Briefe aus Jaffy bestätigen wieder den fast täglichen Einmarsch russischer Truppen aus Befsarabien in die Moldau. Ueber den Zweck dieser ungeheuren Truppen- Anhäufung in den Donaufürstenthümern gehen begreiflicher Weise die sonderbarsten Gerüchte herum.

Der Bukowiner Gränz- Kommandant, F.-M.-L. Malkowski, steht an der Spitze des Urban'schen Korps bei Dorna. Dieses ist 4000 Mann stark und hat 13 Kanonen. Von Dorna bis Czernowitz stehen 5000 Mann, so daß wir gegen einen Handstreich der siebenbürgischen Insurgenten gesichert sind.

Der Landsturm in der Bukowina ist für den Fall der Noth organisirt, so daß er bei Annäherung einer Gefahr sogleich in's Leben treten kann. -- Daß bei diesem Kriegszustande Handel und Gewerbe außerordentlich leiden, und von Carnevals- Belustigungen bei uns keine Rede sein könne, ist natürlich.

Aus Siebenbürgen fehlen noch alle direkten Nachrichten. Es scheint außer Zweifel, daß Feldmarschall-Lieutenant Puchner alldort in sehr bedrängter Lage sein muß."

Aus Pesth vom 10. Februar wird gemeldet, daß Tags zuvor Mor. Szentkiralyi verhaftet worden.

Mainz, 15. Febr.

Die hiesige Zeitung meldet: "Soeben erhalten wir die betrübende Kunde, daß Dr. Löhr, Mitglied des Bezirksraths und Führer der demokratischen Partei im obern Theil von Rheinhessen, in Folge zweier Blutstürze gestorben ist.

119 Darmstadt, 14. Feb.

Sogar unter den hiesigen Spießbürgern gewinnt der Geist der Empörung Terrain. -- Ein Darmstädter Philister und -- Revolution! Wenn sich diese Gegensätze vereinbaren lassen, dann ist das Vereinbarungsprinzip nicht länger eine unausführbare Phrase. -- Die Gründe, welche den deutschen Philister veranlassen können, bissig zu werden, sind natürlich stets nur dem Geldbeutel entlehnt. Wird doch der gutmüthigste Hund wüthend, wenn man ihm den Knochen, woran er nagt, vor der Nase wegnimmt, warum soll der Darmstädter Philister nicht auch um sich beißen, wenn ihm sein Recht auf einen regelmäßigen Verdienst entrissen zu werden droht?

Unsere Ständekammer hat bekanntlich beschlossen, das hessische Militär um 2 pCt. zu vermehren. Der Großherzog weiß nicht einmal für die jetzige Zahl eine vernünftige Beschäftigung, gechweige denn für 2 pCt. mehr. Durch sein und seiner hochweien Rathgeber Nachdenken kam er indeß auf die Idee, die Soldaten während ihrer 5jährigen Dienstzeit in Werkstätten der verschiedenartigsten Handwerkszweige zu beschäftigen, wodurch es natürlich dem Staat, als Inhaber dieser Anstalten möglich würde, bedeutend billiger zu produziren, als die Meister, die Lohn an ihre Gesellen, Steuern u. dergl. zahlen müssen. -- Dies ist nun einer der Geldbeutelpunkte, und deshalb verfehlte er seine Wirkung auf die beeinträchtigten Epiziers nicht. Es wurde sofort eine Versammlung berufen, gegen diesen Schritt des Ministeriums protestirt und eine Deputation von 12, sage 12 Mann mit dem Protest an den Minister Jaup abgeschickt.

Hr. Jaup mochte von einem so zahlreichen Besuche etwas unangenehm überrascht gewesen sein, und eröffnete der Deputation, daß er sich derartige Demonstrationen verbitten müsse. -- Wenn sich aber ein deutscher Minister etwas verbittet, so ist dies für einen "Unterthan" ein Befehl, dem er gehorchen muß, und so verfügte sich dann auch die Zwölferdeputation zwar nicht befriedigt, aber gerüffelt und ministeriell zurechtgewiesen wieder nach Hause. -- Die offene Revolution ist somit einstweilen unterdrückt, aber der Groll wurzelt tief im Innern der Darmstädter Philisterbrust, und wenn sie so ganz allein, unbemerkt über die erlittene Schmach nachdenken, dann ermannt sich hin und wieder der gebeugte Stolz und zornig ballen sie in solchen exaltirten Augenblicken die Faust in der Tasche.

!!! Frankfurt, 16. Febr.

National- Versammlung. -- H. Simson im Fauteuil. -- Tagesordnung: Reichswahlgesetz-Diskussion. (Fortsetzung.) Zur Tagesordnung übergehend spricht

Löwe von Calbe gegen das Wahlgesetz. Ueber das was das Volk von dem Wahlgesetz verlangt, sagt er sind wir nicht unvorbereitet, wie vielleicht bei andern Punkten der Verfassung. Das allgemeine Wahlrecht ist die erste, die Hauptfrucht der Revolution. -- In diesem Moment wagt es der Ausschuß eine Beschränkung dieses Rechts vorzuschlagen. Wir haben bei unseren Verhältnissen Grund, die nothleidenden Klassen in den Staatsverband und in die Betheiligung an der Regierung aufzunehmen, nicht hinauszustoßen. Der Ausschuß bringt Sie m. H. in die gefährliche Lage, die Reform nicht durchführen zu können, denn der gewaltsame Umsturz jener ausgeschlossenen Klassen wird Sie daran verhindern. In England hat sich deshalb das Volk so lange den Ausschluß von der Theilnahme an der Regierung gefallen lassen, weil es zu seinen Regierern ein namenloses Vertrauen besitzt, während bei uns das größte Mißtrauen gegen die Regierung herrscht. Dies Land ist also für uns nicht maßgebend. -- Frankreich giebt uns das beste Exempel, daß eine Regierung, die sich allein auf Interessen stützt und das Volk ausschließt, wie unter Louis Philipp, sich am meisten untergräbt. Noch ist kein Königsthron mit soviel Schmach gestürzt worden wie Louis Philipp's. Noch für keine Herrscherfamilie, selbst nicht für Napoleon, nicht für Louis XVI., so wenig Sympathie in Frankreich geblieben, dies die Folge der Interessenregierung. Sie legalisiren und sanktioniren durch ein solches Wahlgesetz den erbittersten Kampf, den zwischen Kapital und Arbeit" sie machen ihn permanent!! -- Sie erklären durch dasselbe, daß Arbeit schändet -- denn sie schließen die Arbeiter von den Menschenrechten aus! Und macht denn Arbeit Schande?? (Bravo und Sensation!) Löwe geht über auf die direkten Wahlen -- und zeigt, wie es bei indirekten Wahlen sehr wohl möglich ist, daß der Abgeordnete gar nicht aus der Majorität hervorgeht. L's. Rede ist vollkommen erschöpfend! (Bravo des halben Hauses und der Gallerien!)

Beckerath (der berühmte Finanzminister) spricht, obschon er gar nicht auf der Rednerliste steht, für den "noblen" Entwurf.

Dieser Landprediger drängt sich immer vor, wenn es gilt, die Centren durch seine Crocodill'sthränen zu rühren und durch seine "Wiegenwebstuhlphrasen" zu dem Volksfeindlichen zu bringen. -- Die Arbeiter würden ja nicht ausgeschlossen als "solche". (Was soll das heißen?) Ein großer Theil der Bevölkerung unseres Vaterlandes stände doch noch zu tief, um alle Rechte auszuüben, das sei eine Thatsache und nicht zu läugnen! (Brutus-Bassermann'sche Phrase!) Zum Schluß Getrommel und Zischen links und Gallerien -- Bravo rechts.

Pfeiffer aus Soldin -- neues Mitglied der Linken: Man sollte es nicht für möglich halten, daß ein solcher Entwurf aus einem Ausschuß des ersten deutschen Parlaments, welches gleich zu Anfang die Souveränetät des Volks proklamirte, hervorgehen konnte. (Bravo!) Damit also beschließt man das Werk den größten Theil des Volks aus der Gesellschaft auszuschließen. (Bravo -- Getümmel auf den Gallerien.) Pfeiffer läßt keine Ausnahme zu als bei Personen die unter Curatel und im Fallitzustande sind. -- Wenn man die "Dienstboten" ausschließen will, wird die Gränze sehr schwer zu ziehen sein. Wer soll da Alles ausgeschlossen sein? -- (Links: Kammerherrn! Gallerien: Minister!) Er spricht ungern von dem Monat, den die großen Herrn gern aus dem Kalender herausoktroyiren möchten, aber wer war es denn, der die Märzerrungenschaften erkämpfte? Jene Arbeiter und Handwerker, die der § ausschließen will! -- Ich selbst stand im März unter jenem langen Zug von Leichen -- dorthin hatten die großen Herrn wenig Vertreter gesandt! Ich sah da nur Handwerker und Arbeiter! (Donnerndes Bravo der Gallerien.) Ehren Sie die Arbeiter! (Langanhaltender Beifall links.)

Brutus-Bassermann (ebenfalls wie Beckerath ohne auf der Rednerliste zu stehen!). Er wurde häufig durch Ausdrücke des heftigsten Unwillens und durch katzenmusikalischen Lärm unterbrochen. -- Er beweist, daß nicht in den Arbeitern der Schwerpunkt und der Ruhm der deutschen Nation liegt, sondern in Professoren und anderen großen Männern, Ministern, Unterstaatssekretären u. s. w. (längeres Hohngelächter -- Bassermann ärgert sich). Doch glaubt er, daß es auch unter den Arbeitern einzelne tüchtige Männer geben mag! (Unterbrechungen: Wirklich!) Wenn Sie nicht glauben, daß B. dies gesagt hat, so verweise ich Sie auf den sten. Bericht. -- Welchen Erfolg die Herrschaft der Arbeiter hat, haben die französischen Nationalwerkstätten gezeigt, welche die Gesellschaft an den Rand des Abgrunds geführt haben! (Zuruf: Welche Gesellschaft? -- Die Lumpen-Bourgeois!)

Herr Präsident Simson erbost sich furchtbar über die Unterbrechungen und bedroht die Linke mit dem Ordnungsruf! Was die Arbeiter für ein Freiheitsbewußtsein hätten, bewiesen die neapolitanischen Lazzaroni's, die Hauptstütze des Königs Ferdinand! (Bravo rechts. Zischen links.)

Bassermann empfiehlt zuletzt den Entwurf in erster Linie, sollte dieser verworfen werden, so empfiehlt er einen Census, und sollte selbst dieser fallen, endlich einen Antrag der zwar den durch § 2 ausgeschlossenen Klassen ein Stimmrecht giebt, aber ein mittelbares, im Gegensatz zu einem unmittelbaren für die höheren Klassen. (Gelächter! Beifall -- Getrommel und Zischen.)

Viele neue Anträge laufen ein.

Vogt. Ich habe mich über den Entwurf gefreut, weil er endlich einmal die Lüge des Konstitutionalismus aufdeckt, weil er es klar sagt, daß man mit einem Extrakt der Minorität herrschen will, nicht mit der Majorität des Volkes. Dies sind freilich die Grundlagen eines Bassermannschen Staates, dessen erste Bedingung die Dauer ist, die über das Glück und die Berechtigung der Bürger geht. Ich brauche gegen die Ausschließung und den Cenjus ihres Entwurfs weiter nichts anzuführen, als das neueste Beispiel Preußens. Ich frage Sie, mochten selbst Sie eine Nationalvertretung, wie die erste Kammer in Preußen sein wird. (Unterbrechungen rechts.) Es frägt sich, sagt Vogt unter Anderm, ob nicht unter den Fabrikarbeitern mehr Geist der Freiheit zu finden, als unter den Professoren. (Beseler gebärdet sich verächtlich. Gallerien langes Bravo). Was den Ausschluß vom Wahlrecht wegen Unterstützung aus öffentlichen Fonds betrifft, frägt Vogt, ob es weniger eine Unterstützung ist, wenn gewisse Herren von ihren Fürsten aus den Finanzfonds jährlich tausende von Thalern erhalten, als wenn Arme mit einer Last Holz oder einem Korb Kohlen unterstützt werden. (Graf Schwerin und Keller [s. preuß Büdget 1848] kratzen sich in den Haaren.) Bassermann erlitt Höllenpein und die Gallerien himmlisches Vergnügen. Bassermann schwitzte so dicke Tropfen, daß man es deutlich von der Journalistenbühne sah. Sowie, sagt Vogt, der Adel vor der französischen Revolution zur Bourgeoisie sagte: ihr kümmert euch um eure Kramläden, um eure Zuckerdüten, aber nicht um die Regierung, so sagt heute die Bourgeoisie (die Herren Bassermann, Beckerath und andere Krämer und Konsorten) zum 4 Stande: ihr sollt nicht mitregieren, ihr versteht gar nichts, ihr steckt die Nase in euren Kartoffelnapf und euer Elend. Der französche Adel nahm damals keine Vernunft an, und seine Köpfe flogen -- folgt die Nutzanwendung auf die deutsche Krämergesellschaft. (Langer Beifall folgte der Rede.) Neue Anträge werden eingegeben.

Reichensperger für den Entwurf. Das ganze Haus wird leer. Reichensperger spricht immer von der Linken und zu ihr, während daselbst etwa drei Mitglieder sitzen, welche sich unterhalten und Hrn. Reichensperger den Rücken zukehren. Nach ihm wird die allgemeine Diskussion geschlossen und die Sitzung bis morgen vertagt. (Schluß um 1/2 2 Uhr).

Italien.
*

In Paris gelangte am 15. Februar Abends eine Depesche an die Regierung der Französischen Republik, worin sie benachrichtigt wird, daß die Constituante in Rom am 9. Februar, Nachmittags 2 Uhr die Republik proklamirt habe.

Die Journalberichte und Privatbriefe reichen nur bis zum 7. Abends und bieten darum nur sehr untergeordnetes Interesse.

Die Florentiner Journale vom 9. Februar enthalten eine Zuschrift des Exgroßherzogs von Toskana an den Ministerrath, worin er ihm die Gründe angibt, die ihm verboten hätten, die Beschickung der römischen Constituante durch toskanische Gesandte zu genehmigen. Diese Gründe liegen in der Drohung des Papstes, ihn zu exkommuniziren; ferner in dem Verwandtschaftsverhältniß zum östreichischen Kaiserhause.

Mailand, 12. Febr.

Man hoffte hier immer noch, daß die Kontributionsstrafe nicht zur Vollziehung kommen würde; nun aber wird mit dem Sequester der Güter der bisher nicht zurückgekehrten Signori der Anfang gemacht, wozu die Ingenieurs die Hand bieten müssen bei Strafe von 10,000 Zwanzigern und Verlust ihres Amtes im Falle der Weigerung. Es verursacht dies eine große Consternation.

Großbritannien.
* London, 16. Febr.

Die gestrige Times gibt einen Nachweis der russischen Goldproduktion seit den letzten 20 Jahren. Danach betrug die gesammte Ausbeute während des genannten Zeitraumes im Ural und in Sibirien 16,450 Pud und das Pud zu 2000 Pfd. Sterl. gerechnet, macht 32,900,000 Pfd. Sterl. Blos für die letzten 10 Jahre belief sich die Ausbeute auf 12,300 Pud oder 24,600,000 Pfd. Sterl. Diese Summe hat keinen merkbaren Einfluß auf den Markt ausgeübt.

* London, 14. Februar.

Die neue Welt, sagt die heutige Times, ist durch Schicksalsfügung zu einem Gegenstand geographischer Probleme ausersehen. Erstens handelte es sich darum, ob es einen solchen Fleck auf der Erde gäbe und zweitens wie man hinkomme. Kolumbus löste durch eine Art Irrthum beide Fragen und gelangte, indem er den kürzesten Weg nach den Goldminen von Golconda suchte, auf die andre Seite des Erdballs. Drei Jahrhunderte sind verflossen und Ein großes Problem dauert noch immer fort für die Neugierde, das Nachdenken und die Ausdauer wetteifernder Nationen: Wie nämlich queer über diesen ungeheuern doppelten Continent hinüberzukommen, der sich gleichsam wie der Rückgrat der Erde vom Nord- bis zum Südpole ausstreckt? Wir, aus reiner Liebe zur Geographie, senden eine Expedition nach der andern zur Aufsuchung der nordwestlichen Durchfahrt. Die Vereinigten Staaten, von mehr irdischer Leidenschaft getrieben, ziehen gegenwärtig in Ueberlegung, ob man am besten den Continent durchschneidet, oder die Reise um's Cap Horn vorzieht, ob sie Centralamerika bei Panama, beim See Nicaragua, bei Tehuantepec oder bei irgend einem andern Orte durchschneiden sollen. Ein strahlender Preis, wie der goldene Becher den sizilischen Taucher, reizt zu diesen Unternehmungen auf. Aber noch ein zweites Problem, von fast gleicher Wichtigkeit läßt dem amerikanischen Geist keine Ruhe. Es liegt in der Frage: "Wie aus Nordamerika herauszukommen ist?" Das Innere jenes Kontinents hat, was Ungeheuerlichkeit der Ausdehnung, Fruchtbarkeit, herrliche Ströme und Binnenseen betrifft, nirgends seines Gleichen. Wie können nun die sich mehrenden Produkte dieser Gegenstände herausgezogen und an's Meer geschafft werden? Die Natur nimmt die Gewässer der Binnenseen und damit die Produkte ihrer Ufer zehn Grade nach Norden hin durch eine englische Kolonie und durch einen schwerschiffbaren Strom, 1500 (engl.) Meilen weit. Die Kunst hat bereits durch Verbindung des Erie-Sees mit New-York eine Lösung der Schwierigkeit bewerkstelligt. Doch bleibt immer noch die jetzt in Canada und der Union eifrig verhandelte Frage übrig: "welches ist der leichtere, kürzere und wohlfeilere Weg, der St. Lorenzfluß oder der Erie-Kanal?

Die Vereinigten Staaten sind so mit natürlichen und polischen Hindernissen umringt, daß sie ihre eigenen Westenküsten nicht erreichen können. Bei einem Blick auf die schmale Landzunge, die zu der traurigen Strecke der Felsengebirge und der Sandflächen, durch die San Francisco von New-York getrennt wird, einen so einladenden Kontrast bildet, so finden sie dieselbe in der Hand fremder Mächte. Werfen sie ihr Auge auf die natürlichen Ausflüsse mächtiger Seen, so zeigt sich ihnen wiederum eine fremde Flagge.

Bruder Jonathan verstehts so gut, wie irgend ein Menschenschlag, über die Natur zu triumphiren. Halb Mensch, halb Alligator stürzt er sich vorwärts, zu Land oder Wasser, wie's eben kommt; durch Sümpfe, Bergströme und Wälder bahnt er sich seinen Weg und folgt auf den unermeßlichen Ebenen den

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 225. Köln, Sonntag den 18. Februar. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.

Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis

Nur frankirte Briefe werden angenommen.

Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.

Den Freunden unseres Blattes, welche noch zu abonniren wünschen, die Anzeige, daß wir für die Stadt Köln Abonnements für den Zeitraum vom 15. Februar bis 31. März zum Preise von 20 Sgr. praenumerando entgegen nehmen.

Auf die vielen Anfragen von auswärts bedauern wir erwidern zu müssen, daß unsere desfallsigen Anträge bei der Post auf Hindernisse gestoßen sind.

Die Geranten.
Zweite Ausgabe.
Deutschland.
046 Berlin „16. Febr.

Der „Preuß. St. Anz.“ bringt heute Abend die Manteufelsche Bekanntmachung, daß die octroyirten Kammern am 26. Februar, Vormittags 11 Uhr, im (christlich-germanisch-ominösen) „weißen Saale“, der vor Scham längst roth sein müßte, eröffnet werden sollen.

Wien, 14. Febr.

Die offizielle „Wiener Zeitung“ enthält folgende Mittheilung aus Czernowitz vom 4. Februar:

„Ein mit der heutigen Post von Bukarest unter dem Datum 28. Jänner hier angelangtes Schreiben aus authentischer Quelle berichtet, daß der russische Ober-General Lüders den Auftrag erhalten, auf Verlangen der österreichischen Truppen-Commandanten in Siebenbürgen, sogleich nach Hermannstadt und Kronstadt zu marschiren, doch drückt das Schreiben die Hoffnung aus, daß es vielleicht noch nicht dazu kommen werde, da Puchner am folgenden Tage den General Gedeon mit 4000 Mann erwartete. — Das Czernowitzer Gränz- und Truppen- Commando, welches wegen der unterbrochenen Communikation über Bistritz, die militärischen Nachrichten aus Siebenbürgen auch nur über die Wallachei und Moldau erhält, hat bis jetzt noch keine offizielle Mittheilung darüber empfangen. — Die heutigen Briefe aus Jaffy bestätigen wieder den fast täglichen Einmarsch russischer Truppen aus Befsarabien in die Moldau. Ueber den Zweck dieser ungeheuren Truppen- Anhäufung in den Donaufürstenthümern gehen begreiflicher Weise die sonderbarsten Gerüchte herum.

Der Bukowiner Gränz- Kommandant, F.-M.-L. Malkowski, steht an der Spitze des Urban'schen Korps bei Dorna. Dieses ist 4000 Mann stark und hat 13 Kanonen. Von Dorna bis Czernowitz stehen 5000 Mann, so daß wir gegen einen Handstreich der siebenbürgischen Insurgenten gesichert sind.

Der Landsturm in der Bukowina ist für den Fall der Noth organisirt, so daß er bei Annäherung einer Gefahr sogleich in's Leben treten kann. — Daß bei diesem Kriegszustande Handel und Gewerbe außerordentlich leiden, und von Carnevals- Belustigungen bei uns keine Rede sein könne, ist natürlich.

Aus Siebenbürgen fehlen noch alle direkten Nachrichten. Es scheint außer Zweifel, daß Feldmarschall-Lieutenant Puchner alldort in sehr bedrängter Lage sein muß.“

Aus Pesth vom 10. Februar wird gemeldet, daß Tags zuvor Mor. Szentkiralyi verhaftet worden.

Mainz, 15. Febr.

Die hiesige Zeitung meldet: „Soeben erhalten wir die betrübende Kunde, daß Dr. Löhr, Mitglied des Bezirksraths und Führer der demokratischen Partei im obern Theil von Rheinhessen, in Folge zweier Blutstürze gestorben ist.

119 Darmstadt, 14. Feb.

Sogar unter den hiesigen Spießbürgern gewinnt der Geist der Empörung Terrain. — Ein Darmstädter Philister und — Revolution! Wenn sich diese Gegensätze vereinbaren lassen, dann ist das Vereinbarungsprinzip nicht länger eine unausführbare Phrase. — Die Gründe, welche den deutschen Philister veranlassen können, bissig zu werden, sind natürlich stets nur dem Geldbeutel entlehnt. Wird doch der gutmüthigste Hund wüthend, wenn man ihm den Knochen, woran er nagt, vor der Nase wegnimmt, warum soll der Darmstädter Philister nicht auch um sich beißen, wenn ihm sein Recht auf einen regelmäßigen Verdienst entrissen zu werden droht?

Unsere Ständekammer hat bekanntlich beschlossen, das hessische Militär um 2 pCt. zu vermehren. Der Großherzog weiß nicht einmal für die jetzige Zahl eine vernünftige Beschäftigung, gechweige denn für 2 pCt. mehr. Durch sein und seiner hochweien Rathgeber Nachdenken kam er indeß auf die Idee, die Soldaten während ihrer 5jährigen Dienstzeit in Werkstätten der verschiedenartigsten Handwerkszweige zu beschäftigen, wodurch es natürlich dem Staat, als Inhaber dieser Anstalten möglich würde, bedeutend billiger zu produziren, als die Meister, die Lohn an ihre Gesellen, Steuern u. dergl. zahlen müssen. — Dies ist nun einer der Geldbeutelpunkte, und deshalb verfehlte er seine Wirkung auf die beeinträchtigten Epiziers nicht. Es wurde sofort eine Versammlung berufen, gegen diesen Schritt des Ministeriums protestirt und eine Deputation von 12, sage 12 Mann mit dem Protest an den Minister Jaup abgeschickt.

Hr. Jaup mochte von einem so zahlreichen Besuche etwas unangenehm überrascht gewesen sein, und eröffnete der Deputation, daß er sich derartige Demonstrationen verbitten müsse. — Wenn sich aber ein deutscher Minister etwas verbittet, so ist dies für einen „Unterthan“ ein Befehl, dem er gehorchen muß, und so verfügte sich dann auch die Zwölferdeputation zwar nicht befriedigt, aber gerüffelt und ministeriell zurechtgewiesen wieder nach Hause. — Die offene Revolution ist somit einstweilen unterdrückt, aber der Groll wurzelt tief im Innern der Darmstädter Philisterbrust, und wenn sie so ganz allein, unbemerkt über die erlittene Schmach nachdenken, dann ermannt sich hin und wieder der gebeugte Stolz und zornig ballen sie in solchen exaltirten Augenblicken die Faust in der Tasche.

!!! Frankfurt, 16. Febr.

National- Versammlung. — H. Simson im Fauteuil. — Tagesordnung: Reichswahlgesetz-Diskussion. (Fortsetzung.) Zur Tagesordnung übergehend spricht

Löwe von Calbe gegen das Wahlgesetz. Ueber das was das Volk von dem Wahlgesetz verlangt, sagt er sind wir nicht unvorbereitet, wie vielleicht bei andern Punkten der Verfassung. Das allgemeine Wahlrecht ist die erste, die Hauptfrucht der Revolution. — In diesem Moment wagt es der Ausschuß eine Beschränkung dieses Rechts vorzuschlagen. Wir haben bei unseren Verhältnissen Grund, die nothleidenden Klassen in den Staatsverband und in die Betheiligung an der Regierung aufzunehmen, nicht hinauszustoßen. Der Ausschuß bringt Sie m. H. in die gefährliche Lage, die Reform nicht durchführen zu können, denn der gewaltsame Umsturz jener ausgeschlossenen Klassen wird Sie daran verhindern. In England hat sich deshalb das Volk so lange den Ausschluß von der Theilnahme an der Regierung gefallen lassen, weil es zu seinen Regierern ein namenloses Vertrauen besitzt, während bei uns das größte Mißtrauen gegen die Regierung herrscht. Dies Land ist also für uns nicht maßgebend. — Frankreich giebt uns das beste Exempel, daß eine Regierung, die sich allein auf Interessen stützt und das Volk ausschließt, wie unter Louis Philipp, sich am meisten untergräbt. Noch ist kein Königsthron mit soviel Schmach gestürzt worden wie Louis Philipp's. Noch für keine Herrscherfamilie, selbst nicht für Napoleon, nicht für Louis XVI., so wenig Sympathie in Frankreich geblieben, dies die Folge der Interessenregierung. Sie legalisiren und sanktioniren durch ein solches Wahlgesetz den erbittersten Kampf, den zwischen Kapital und Arbeit„ sie machen ihn permanent!! — Sie erklären durch dasselbe, daß Arbeit schändet — denn sie schließen die Arbeiter von den Menschenrechten aus! Und macht denn Arbeit Schande?? (Bravo und Sensation!) Löwe geht über auf die direkten Wahlen — und zeigt, wie es bei indirekten Wahlen sehr wohl möglich ist, daß der Abgeordnete gar nicht aus der Majorität hervorgeht. L's. Rede ist vollkommen erschöpfend! (Bravo des halben Hauses und der Gallerien!)

Beckerath (der berühmte Finanzminister) spricht, obschon er gar nicht auf der Rednerliste steht, für den „noblen“ Entwurf.

Dieser Landprediger drängt sich immer vor, wenn es gilt, die Centren durch seine Crocodill'sthränen zu rühren und durch seine „Wiegenwebstuhlphrasen“ zu dem Volksfeindlichen zu bringen. — Die Arbeiter würden ja nicht ausgeschlossen als „solche“. (Was soll das heißen?) Ein großer Theil der Bevölkerung unseres Vaterlandes stände doch noch zu tief, um alle Rechte auszuüben, das sei eine Thatsache und nicht zu läugnen! (Brutus-Bassermann'sche Phrase!) Zum Schluß Getrommel und Zischen links und Gallerien — Bravo rechts.

Pfeiffer aus Soldin — neues Mitglied der Linken: Man sollte es nicht für möglich halten, daß ein solcher Entwurf aus einem Ausschuß des ersten deutschen Parlaments, welches gleich zu Anfang die Souveränetät des Volks proklamirte, hervorgehen konnte. (Bravo!) Damit also beschließt man das Werk den größten Theil des Volks aus der Gesellschaft auszuschließen. (Bravo — Getümmel auf den Gallerien.) Pfeiffer läßt keine Ausnahme zu als bei Personen die unter Curatel und im Fallitzustande sind. — Wenn man die „Dienstboten“ ausschließen will, wird die Gränze sehr schwer zu ziehen sein. Wer soll da Alles ausgeschlossen sein? — (Links: Kammerherrn! Gallerien: Minister!) Er spricht ungern von dem Monat, den die großen Herrn gern aus dem Kalender herausoktroyiren möchten, aber wer war es denn, der die Märzerrungenschaften erkämpfte? Jene Arbeiter und Handwerker, die der § ausschließen will! — Ich selbst stand im März unter jenem langen Zug von Leichen — dorthin hatten die großen Herrn wenig Vertreter gesandt! Ich sah da nur Handwerker und Arbeiter! (Donnerndes Bravo der Gallerien.) Ehren Sie die Arbeiter! (Langanhaltender Beifall links.)

Brutus-Bassermann (ebenfalls wie Beckerath ohne auf der Rednerliste zu stehen!). Er wurde häufig durch Ausdrücke des heftigsten Unwillens und durch katzenmusikalischen Lärm unterbrochen. — Er beweist, daß nicht in den Arbeitern der Schwerpunkt und der Ruhm der deutschen Nation liegt, sondern in Professoren und anderen großen Männern, Ministern, Unterstaatssekretären u. s. w. (längeres Hohngelächter — Bassermann ärgert sich). Doch glaubt er, daß es auch unter den Arbeitern einzelne tüchtige Männer geben mag! (Unterbrechungen: Wirklich!) Wenn Sie nicht glauben, daß B. dies gesagt hat, so verweise ich Sie auf den sten. Bericht. — Welchen Erfolg die Herrschaft der Arbeiter hat, haben die französischen Nationalwerkstätten gezeigt, welche die Gesellschaft an den Rand des Abgrunds geführt haben! (Zuruf: Welche Gesellschaft? — Die Lumpen-Bourgeois!)

Herr Präsident Simson erbost sich furchtbar über die Unterbrechungen und bedroht die Linke mit dem Ordnungsruf! Was die Arbeiter für ein Freiheitsbewußtsein hätten, bewiesen die neapolitanischen Lazzaroni's, die Hauptstütze des Königs Ferdinand! (Bravo rechts. Zischen links.)

Bassermann empfiehlt zuletzt den Entwurf in erster Linie, sollte dieser verworfen werden, so empfiehlt er einen Census, und sollte selbst dieser fallen, endlich einen Antrag der zwar den durch § 2 ausgeschlossenen Klassen ein Stimmrecht giebt, aber ein mittelbares, im Gegensatz zu einem unmittelbaren für die höheren Klassen. (Gelächter! Beifall — Getrommel und Zischen.)

Viele neue Anträge laufen ein.

Vogt. Ich habe mich über den Entwurf gefreut, weil er endlich einmal die Lüge des Konstitutionalismus aufdeckt, weil er es klar sagt, daß man mit einem Extrakt der Minorität herrschen will, nicht mit der Majorität des Volkes. Dies sind freilich die Grundlagen eines Bassermannschen Staates, dessen erste Bedingung die Dauer ist, die über das Glück und die Berechtigung der Bürger geht. Ich brauche gegen die Ausschließung und den Cenjus ihres Entwurfs weiter nichts anzuführen, als das neueste Beispiel Preußens. Ich frage Sie, mochten selbst Sie eine Nationalvertretung, wie die erste Kammer in Preußen sein wird. (Unterbrechungen rechts.) Es frägt sich, sagt Vogt unter Anderm, ob nicht unter den Fabrikarbeitern mehr Geist der Freiheit zu finden, als unter den Professoren. (Beseler gebärdet sich verächtlich. Gallerien langes Bravo). Was den Ausschluß vom Wahlrecht wegen Unterstützung aus öffentlichen Fonds betrifft, frägt Vogt, ob es weniger eine Unterstützung ist, wenn gewisse Herren von ihren Fürsten aus den Finanzfonds jährlich tausende von Thalern erhalten, als wenn Arme mit einer Last Holz oder einem Korb Kohlen unterstützt werden. (Graf Schwerin und Keller [s. preuß Büdget 1848] kratzen sich in den Haaren.) Bassermann erlitt Höllenpein und die Gallerien himmlisches Vergnügen. Bassermann schwitzte so dicke Tropfen, daß man es deutlich von der Journalistenbühne sah. Sowie, sagt Vogt, der Adel vor der französischen Revolution zur Bourgeoisie sagte: ihr kümmert euch um eure Kramläden, um eure Zuckerdüten, aber nicht um die Regierung, so sagt heute die Bourgeoisie (die Herren Bassermann, Beckerath und andere Krämer und Konsorten) zum 4 Stande: ihr sollt nicht mitregieren, ihr versteht gar nichts, ihr steckt die Nase in euren Kartoffelnapf und euer Elend. Der französche Adel nahm damals keine Vernunft an, und seine Köpfe flogen — folgt die Nutzanwendung auf die deutsche Krämergesellschaft. (Langer Beifall folgte der Rede.) Neue Anträge werden eingegeben.

Reichensperger für den Entwurf. Das ganze Haus wird leer. Reichensperger spricht immer von der Linken und zu ihr, während daselbst etwa drei Mitglieder sitzen, welche sich unterhalten und Hrn. Reichensperger den Rücken zukehren. Nach ihm wird die allgemeine Diskussion geschlossen und die Sitzung bis morgen vertagt. (Schluß um 1/2 2 Uhr).

Italien.
*

In Paris gelangte am 15. Februar Abends eine Depesche an die Regierung der Französischen Republik, worin sie benachrichtigt wird, daß die Constituante in Rom am 9. Februar, Nachmittags 2 Uhr die Republik proklamirt habe.

Die Journalberichte und Privatbriefe reichen nur bis zum 7. Abends und bieten darum nur sehr untergeordnetes Interesse.

Die Florentiner Journale vom 9. Februar enthalten eine Zuschrift des Exgroßherzogs von Toskana an den Ministerrath, worin er ihm die Gründe angibt, die ihm verboten hätten, die Beschickung der römischen Constituante durch toskanische Gesandte zu genehmigen. Diese Gründe liegen in der Drohung des Papstes, ihn zu exkommuniziren; ferner in dem Verwandtschaftsverhältniß zum östreichischen Kaiserhause.

Mailand, 12. Febr.

Man hoffte hier immer noch, daß die Kontributionsstrafe nicht zur Vollziehung kommen würde; nun aber wird mit dem Sequester der Güter der bisher nicht zurückgekehrten Signori der Anfang gemacht, wozu die Ingenieurs die Hand bieten müssen bei Strafe von 10,000 Zwanzigern und Verlust ihres Amtes im Falle der Weigerung. Es verursacht dies eine große Consternation.

Großbritannien.
* London, 16. Febr.

Die gestrige Times gibt einen Nachweis der russischen Goldproduktion seit den letzten 20 Jahren. Danach betrug die gesammte Ausbeute während des genannten Zeitraumes im Ural und in Sibirien 16,450 Pud und das Pud zu 2000 Pfd. Sterl. gerechnet, macht 32,900,000 Pfd. Sterl. Blos für die letzten 10 Jahre belief sich die Ausbeute auf 12,300 Pud oder 24,600,000 Pfd. Sterl. Diese Summe hat keinen merkbaren Einfluß auf den Markt ausgeübt.

* London, 14. Februar.

Die neue Welt, sagt die heutige Times, ist durch Schicksalsfügung zu einem Gegenstand geographischer Probleme ausersehen. Erstens handelte es sich darum, ob es einen solchen Fleck auf der Erde gäbe und zweitens wie man hinkomme. Kolumbus löste durch eine Art Irrthum beide Fragen und gelangte, indem er den kürzesten Weg nach den Goldminen von Golconda suchte, auf die andre Seite des Erdballs. Drei Jahrhunderte sind verflossen und Ein großes Problem dauert noch immer fort für die Neugierde, das Nachdenken und die Ausdauer wetteifernder Nationen: Wie nämlich queer über diesen ungeheuern doppelten Continent hinüberzukommen, der sich gleichsam wie der Rückgrat der Erde vom Nord- bis zum Südpole ausstreckt? Wir, aus reiner Liebe zur Geographie, senden eine Expedition nach der andern zur Aufsuchung der nordwestlichen Durchfahrt. Die Vereinigten Staaten, von mehr irdischer Leidenschaft getrieben, ziehen gegenwärtig in Ueberlegung, ob man am besten den Continent durchschneidet, oder die Reise um's Cap Horn vorzieht, ob sie Centralamerika bei Panama, beim See Nicaragua, bei Tehuantepec oder bei irgend einem andern Orte durchschneiden sollen. Ein strahlender Preis, wie der goldene Becher den sizilischen Taucher, reizt zu diesen Unternehmungen auf. Aber noch ein zweites Problem, von fast gleicher Wichtigkeit läßt dem amerikanischen Geist keine Ruhe. Es liegt in der Frage: „Wie aus Nordamerika herauszukommen ist?“ Das Innere jenes Kontinents hat, was Ungeheuerlichkeit der Ausdehnung, Fruchtbarkeit, herrliche Ströme und Binnenseen betrifft, nirgends seines Gleichen. Wie können nun die sich mehrenden Produkte dieser Gegenstände herausgezogen und an's Meer geschafft werden? Die Natur nimmt die Gewässer der Binnenseen und damit die Produkte ihrer Ufer zehn Grade nach Norden hin durch eine englische Kolonie und durch einen schwerschiffbaren Strom, 1500 (engl.) Meilen weit. Die Kunst hat bereits durch Verbindung des Erie-Sees mit New-York eine Lösung der Schwierigkeit bewerkstelligt. Doch bleibt immer noch die jetzt in Canada und der Union eifrig verhandelte Frage übrig: „welches ist der leichtere, kürzere und wohlfeilere Weg, der St. Lorenzfluß oder der Erie-Kanal?

Die Vereinigten Staaten sind so mit natürlichen und polischen Hindernissen umringt, daß sie ihre eigenen Westenküsten nicht erreichen können. Bei einem Blick auf die schmale Landzunge, die zu der traurigen Strecke der Felsengebirge und der Sandflächen, durch die San Francisco von New-York getrennt wird, einen so einladenden Kontrast bildet, so finden sie dieselbe in der Hand fremder Mächte. Werfen sie ihr Auge auf die natürlichen Ausflüsse mächtiger Seen, so zeigt sich ihnen wiederum eine fremde Flagge.

Bruder Jonathan verstehts so gut, wie irgend ein Menschenschlag, über die Natur zu triumphiren. Halb Mensch, halb Alligator stürzt er sich vorwärts, zu Land oder Wasser, wie's eben kommt; durch Sümpfe, Bergströme und Wälder bahnt er sich seinen Weg und folgt auf den unermeßlichen Ebenen den

<TEI>
  <text>
    <pb facs="#f0001" n="1241"/>
    <front>
      <titlePage type="heading">
        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
        <docImprint>
          <docDate>No 225. Köln, Sonntag den 18. Februar. 1849.</docDate>
        </docImprint>
      </titlePage>
    </front>
    <body>
      <div type="jExpedition">
        <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. &#x2014; Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.</p>
        <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet.</p>
        <p>Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis</p>
        <p>Nur frankirte Briefe werden angenommen.</p>
        <p>Expedition Unter Hutmacher Nro. 17.</p>
      </div>
      <div type="jExpedition">
        <p>Den Freunden unseres Blattes, welche noch zu abonniren wünschen, die Anzeige, daß wir für die Stadt Köln Abonnements für den Zeitraum vom 15. Februar bis 31. März zum Preise von 20 Sgr. praenumerando entgegen nehmen.</p>
        <p>Auf die vielen Anfragen von auswärts bedauern wir erwidern zu müssen, daß unsere desfallsigen Anträge bei der Post auf Hindernisse gestoßen sind.</p>
        <bibl> <hi rendition="#g">Die Geranten.</hi> </bibl>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Zweite Ausgabe.</head>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar225-2_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>046</author></bibl> Berlin &#x201E;16. Febr.</head>
          <p>Der &#x201E;Preuß. St. Anz.&#x201C; bringt heute Abend die Manteufelsche Bekanntmachung, daß die octroyirten Kammern am 26. Februar, Vormittags 11 Uhr, im (christlich-germanisch-ominösen) &#x201E;weißen Saale&#x201C;, der vor Scham längst roth sein müßte, eröffnet werden sollen.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar225-2_002" type="jArticle">
          <head>Wien, 14. Febr.</head>
          <p>Die offizielle &#x201E;Wiener Zeitung&#x201C; enthält folgende Mittheilung aus <hi rendition="#g">Czernowitz</hi> vom 4. Februar:</p>
          <p>&#x201E;Ein mit der heutigen Post von <hi rendition="#g">Bukarest</hi> unter dem Datum 28. Jänner hier angelangtes Schreiben aus authentischer Quelle berichtet, daß der russische Ober-General Lüders den Auftrag erhalten, auf Verlangen der österreichischen Truppen-Commandanten in Siebenbürgen, sogleich nach Hermannstadt und Kronstadt zu marschiren, doch drückt das Schreiben die Hoffnung aus, daß es vielleicht noch nicht dazu kommen werde, da Puchner am folgenden Tage den General Gedeon mit 4000 Mann erwartete. &#x2014; Das Czernowitzer Gränz- und Truppen- Commando, welches wegen der unterbrochenen Communikation über Bistritz, die militärischen Nachrichten aus Siebenbürgen auch nur über die Wallachei und Moldau erhält, hat bis jetzt noch keine offizielle Mittheilung darüber empfangen. &#x2014; Die heutigen Briefe aus <hi rendition="#g">Jaffy</hi> bestätigen wieder den fast täglichen Einmarsch russischer Truppen aus Befsarabien in die Moldau. Ueber den Zweck dieser ungeheuren Truppen- Anhäufung in den Donaufürstenthümern gehen begreiflicher Weise die sonderbarsten Gerüchte herum.</p>
          <p>Der Bukowiner Gränz- Kommandant, F.-M.-L. Malkowski, steht an der Spitze des Urban'schen Korps bei Dorna. Dieses ist 4000 Mann stark und hat 13 Kanonen. Von Dorna bis Czernowitz stehen 5000 Mann, so daß wir gegen einen Handstreich der siebenbürgischen Insurgenten gesichert sind.</p>
          <p>Der Landsturm in der Bukowina ist für den Fall der Noth organisirt, so daß er bei Annäherung einer Gefahr sogleich in's Leben treten kann. &#x2014; Daß bei diesem Kriegszustande Handel und Gewerbe außerordentlich leiden, und von Carnevals- Belustigungen bei uns keine Rede sein könne, ist natürlich.</p>
          <p>Aus Siebenbürgen fehlen noch alle direkten Nachrichten. Es scheint außer Zweifel, daß Feldmarschall-Lieutenant <hi rendition="#g">Puchner alldort in sehr bedrängter Lage sein muß.&#x201C;</hi> </p>
          <p>Aus <hi rendition="#g">Pesth</hi> vom 10. Februar wird gemeldet, daß Tags zuvor Mor. Szentkiralyi verhaftet worden.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar225-2_003" type="jArticle">
          <head>Mainz, 15. Febr.</head>
          <p>Die hiesige Zeitung meldet: &#x201E;Soeben erhalten wir die betrübende Kunde, daß Dr. <hi rendition="#g">Löhr,</hi> Mitglied des Bezirksraths und Führer der demokratischen Partei im obern Theil von Rheinhessen, in Folge zweier Blutstürze gestorben ist.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar225-2_004" type="jArticle">
          <head><bibl><author>119</author></bibl> Darmstadt, 14. Feb.</head>
          <p>Sogar unter den hiesigen Spießbürgern gewinnt der Geist der Empörung Terrain. &#x2014; Ein Darmstädter Philister und &#x2014; Revolution! Wenn sich diese Gegensätze vereinbaren lassen, dann ist das Vereinbarungsprinzip nicht länger eine unausführbare Phrase. &#x2014; Die Gründe, welche den deutschen Philister veranlassen können, bissig zu werden, sind natürlich stets nur dem Geldbeutel entlehnt. Wird doch der gutmüthigste Hund wüthend, wenn man ihm den Knochen, woran er nagt, vor der Nase wegnimmt, warum soll der Darmstädter Philister nicht auch um sich beißen, wenn ihm sein Recht auf einen regelmäßigen Verdienst entrissen zu werden droht?</p>
          <p>Unsere Ständekammer hat bekanntlich beschlossen, das hessische Militär um 2 pCt. zu vermehren. Der Großherzog weiß nicht einmal für die jetzige Zahl eine vernünftige Beschäftigung, gechweige denn für 2 pCt. mehr. Durch sein und seiner hochweien Rathgeber Nachdenken kam er indeß auf die Idee, die Soldaten während ihrer 5jährigen Dienstzeit in Werkstätten der verschiedenartigsten Handwerkszweige zu beschäftigen, wodurch es natürlich dem Staat, als Inhaber dieser Anstalten möglich würde, bedeutend billiger zu produziren, als die Meister, die Lohn an ihre Gesellen, Steuern u. dergl. zahlen müssen. &#x2014; Dies ist nun einer der Geldbeutelpunkte, und deshalb verfehlte er seine Wirkung auf die beeinträchtigten Epiziers nicht. Es wurde sofort eine Versammlung berufen, gegen diesen Schritt des Ministeriums protestirt und eine Deputation von 12, sage 12 Mann mit dem Protest an den Minister Jaup abgeschickt.</p>
          <p>Hr. Jaup mochte von einem so zahlreichen Besuche etwas unangenehm überrascht gewesen sein, und eröffnete der Deputation, daß er sich derartige Demonstrationen verbitten müsse. &#x2014; Wenn sich aber ein deutscher Minister etwas verbittet, so ist dies für einen &#x201E;Unterthan&#x201C; ein Befehl, dem er gehorchen muß, und so verfügte sich dann auch die Zwölferdeputation zwar nicht befriedigt, aber gerüffelt und ministeriell zurechtgewiesen wieder nach Hause. &#x2014; Die offene Revolution ist somit einstweilen unterdrückt, aber der Groll wurzelt tief im Innern der Darmstädter Philisterbrust, und wenn sie so ganz allein, unbemerkt über die erlittene Schmach nachdenken, dann ermannt sich hin und wieder der gebeugte Stolz und zornig ballen sie in solchen exaltirten Augenblicken die Faust in der Tasche.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar225-2_005" type="jArticle">
          <head><bibl><author>!!!</author></bibl> Frankfurt, 16. Febr.</head>
          <p>National- Versammlung. &#x2014; H. Simson im Fauteuil. &#x2014; Tagesordnung: Reichswahlgesetz-Diskussion. (Fortsetzung.) Zur Tagesordnung übergehend spricht</p>
          <p><hi rendition="#g">Löwe</hi> von Calbe gegen das Wahlgesetz. Ueber das was das Volk von dem Wahlgesetz verlangt, sagt er sind wir nicht unvorbereitet, wie vielleicht bei andern Punkten der Verfassung. Das allgemeine Wahlrecht ist die erste, die Hauptfrucht der Revolution. &#x2014; In diesem Moment wagt es der Ausschuß eine Beschränkung dieses Rechts vorzuschlagen. Wir haben bei unseren Verhältnissen Grund, die nothleidenden Klassen in den Staatsverband und in die Betheiligung an der Regierung aufzunehmen, nicht hinauszustoßen. Der Ausschuß bringt Sie m. H. in die gefährliche Lage, die Reform nicht durchführen zu können, denn der gewaltsame Umsturz jener ausgeschlossenen Klassen wird Sie daran verhindern. In England hat sich deshalb das Volk so lange den Ausschluß von der Theilnahme an der Regierung gefallen lassen, weil es zu seinen Regierern ein namenloses Vertrauen besitzt, während bei uns das größte Mißtrauen gegen die Regierung herrscht. Dies Land ist also für uns nicht maßgebend. &#x2014; Frankreich giebt uns das beste Exempel, daß eine Regierung, die sich allein auf Interessen stützt und das Volk ausschließt, wie unter Louis Philipp, sich am meisten untergräbt. Noch ist kein Königsthron mit soviel Schmach gestürzt worden wie Louis Philipp's. Noch für keine Herrscherfamilie, selbst nicht für Napoleon, nicht für Louis XVI., so wenig Sympathie in Frankreich geblieben, dies die Folge der Interessenregierung. Sie legalisiren und sanktioniren durch ein solches Wahlgesetz den erbittersten Kampf, den zwischen <hi rendition="#b">Kapital</hi> und <hi rendition="#b">Arbeit</hi>&#x201E; sie machen ihn permanent!! &#x2014; Sie erklären durch dasselbe, daß Arbeit schändet &#x2014; denn sie schließen die Arbeiter von den Menschenrechten aus! Und macht denn Arbeit Schande?? (Bravo und Sensation!) Löwe geht über auf die direkten Wahlen &#x2014; und zeigt, wie es bei indirekten Wahlen sehr wohl möglich ist, daß der Abgeordnete gar nicht aus der Majorität hervorgeht. L's. Rede ist vollkommen erschöpfend! (Bravo des halben Hauses und der Gallerien!)</p>
          <p><hi rendition="#g">Beckerath</hi> (der berühmte Finanzminister) spricht, obschon er gar nicht auf der Rednerliste steht, für den &#x201E;noblen&#x201C; Entwurf.</p>
          <p>Dieser Landprediger drängt sich immer vor, wenn es gilt, die Centren durch seine Crocodill'sthränen zu rühren und durch seine &#x201E;Wiegenwebstuhlphrasen&#x201C; zu dem Volksfeindlichen zu bringen. &#x2014; Die Arbeiter würden ja nicht ausgeschlossen als &#x201E;solche&#x201C;. (Was soll das heißen?) Ein großer Theil der Bevölkerung unseres Vaterlandes stände doch noch zu tief, um alle Rechte auszuüben, das sei eine Thatsache und nicht zu läugnen! (Brutus-Bassermann'sche Phrase!) Zum Schluß Getrommel und Zischen links und Gallerien &#x2014; Bravo rechts.</p>
          <p><hi rendition="#g">Pfeiffer</hi> aus Soldin &#x2014; neues Mitglied der Linken: Man sollte es nicht für möglich halten, daß ein solcher Entwurf aus einem Ausschuß des ersten deutschen Parlaments, welches gleich zu Anfang die Souveränetät des Volks proklamirte, hervorgehen konnte. (Bravo!) Damit also beschließt man das Werk den größten Theil des Volks aus der Gesellschaft auszuschließen. (Bravo &#x2014; Getümmel auf den Gallerien.) Pfeiffer läßt keine Ausnahme zu als bei Personen die unter Curatel und im Fallitzustande sind. &#x2014; Wenn man die &#x201E;Dienstboten&#x201C; ausschließen will, wird die Gränze sehr schwer zu ziehen sein. Wer soll da Alles ausgeschlossen sein? &#x2014; (Links: Kammerherrn! Gallerien: Minister!) Er spricht ungern von dem Monat, den die großen Herrn gern aus dem Kalender herausoktroyiren möchten, aber wer war es denn, der die Märzerrungenschaften erkämpfte? Jene Arbeiter und Handwerker, die der § ausschließen will! &#x2014; Ich selbst stand im März unter jenem langen Zug von Leichen &#x2014; dorthin hatten die großen Herrn wenig Vertreter gesandt! Ich sah da nur Handwerker und Arbeiter! (Donnerndes Bravo der Gallerien.) Ehren Sie die Arbeiter! (Langanhaltender Beifall links.)</p>
          <p><hi rendition="#g">Brutus-Bassermann</hi> (ebenfalls wie Beckerath ohne auf der Rednerliste zu stehen!). Er wurde häufig durch Ausdrücke des heftigsten Unwillens und durch katzenmusikalischen Lärm unterbrochen. &#x2014; Er beweist, daß nicht in den Arbeitern der Schwerpunkt und der Ruhm der deutschen Nation liegt, sondern in Professoren und anderen großen Männern, Ministern, Unterstaatssekretären u. s. w. (längeres Hohngelächter &#x2014; Bassermann ärgert sich). Doch glaubt er, daß es auch unter den Arbeitern einzelne tüchtige Männer geben mag! (Unterbrechungen: Wirklich!) Wenn Sie nicht glauben, daß B. dies gesagt hat, so verweise ich Sie auf den sten. Bericht. &#x2014; Welchen Erfolg die Herrschaft der Arbeiter hat, haben die französischen Nationalwerkstätten gezeigt, welche die Gesellschaft an den Rand des Abgrunds geführt haben! (Zuruf: Welche Gesellschaft? &#x2014; Die Lumpen-Bourgeois!)</p>
          <p>Herr Präsident Simson erbost sich furchtbar über die Unterbrechungen und bedroht die Linke mit dem Ordnungsruf! Was die Arbeiter für ein Freiheitsbewußtsein hätten, bewiesen die neapolitanischen Lazzaroni's, die Hauptstütze des Königs Ferdinand! (Bravo rechts. Zischen links.)</p>
          <p>Bassermann empfiehlt zuletzt den Entwurf in erster Linie, sollte dieser verworfen werden, so empfiehlt er einen Census, und sollte selbst dieser fallen, endlich einen Antrag der zwar den durch § 2 ausgeschlossenen Klassen ein Stimmrecht giebt, aber ein mittelbares, im Gegensatz zu einem unmittelbaren für die höheren Klassen. (Gelächter! Beifall &#x2014; Getrommel und Zischen.)</p>
          <p>Viele neue Anträge laufen ein.</p>
          <p><hi rendition="#g">Vogt.</hi> Ich habe mich über den Entwurf gefreut, weil er endlich einmal die Lüge des Konstitutionalismus aufdeckt, weil er es klar sagt, daß man mit einem Extrakt der Minorität herrschen will, nicht mit der Majorität des Volkes. Dies sind freilich die Grundlagen eines Bassermannschen Staates, dessen erste Bedingung die Dauer ist, die über das Glück und die Berechtigung der Bürger geht. Ich brauche gegen die Ausschließung und den Cenjus ihres Entwurfs weiter nichts anzuführen, als das neueste Beispiel Preußens. Ich frage Sie, mochten selbst Sie eine Nationalvertretung, wie die erste Kammer in Preußen sein wird. (Unterbrechungen rechts.) Es frägt sich, sagt Vogt unter Anderm, ob nicht unter den Fabrikarbeitern mehr Geist der Freiheit zu finden, als unter den Professoren. (Beseler gebärdet sich verächtlich. Gallerien langes Bravo). Was den Ausschluß vom Wahlrecht wegen Unterstützung aus öffentlichen Fonds betrifft, frägt Vogt, ob es weniger eine Unterstützung ist, wenn gewisse Herren von ihren Fürsten aus den Finanzfonds jährlich tausende von Thalern erhalten, als wenn Arme mit einer Last Holz oder einem Korb Kohlen unterstützt werden. (Graf Schwerin und Keller [s. preuß Büdget 1848] kratzen sich in den Haaren.) Bassermann erlitt Höllenpein und die Gallerien himmlisches Vergnügen. Bassermann schwitzte so dicke Tropfen, daß man es deutlich von der Journalistenbühne sah. Sowie, sagt Vogt, der Adel vor der französischen Revolution zur Bourgeoisie sagte: ihr kümmert euch um eure Kramläden, um eure Zuckerdüten, aber nicht um die Regierung, so sagt heute die Bourgeoisie (die Herren Bassermann, Beckerath und andere Krämer und Konsorten) zum 4 Stande: ihr sollt nicht mitregieren, ihr versteht gar nichts, ihr steckt die Nase in euren Kartoffelnapf und euer Elend. Der französche Adel nahm damals keine Vernunft an, und seine Köpfe flogen &#x2014; folgt die Nutzanwendung auf die deutsche Krämergesellschaft. (Langer Beifall folgte der Rede.) Neue Anträge werden eingegeben.</p>
          <p><hi rendition="#g">Reichensperger für den Entwurf.</hi> Das ganze Haus wird leer. Reichensperger spricht immer von der Linken und zu ihr, während daselbst etwa drei Mitglieder sitzen, welche sich unterhalten und Hrn. Reichensperger den Rücken zukehren. Nach ihm wird die allgemeine Diskussion geschlossen und die Sitzung bis morgen vertagt. (Schluß um 1/2 2 Uhr).</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Italien.</head>
        <div xml:id="ar225-2_006" type="jArticle">
          <bibl>
            <author>*</author>
          </bibl>
          <p>In Paris gelangte am 15. Februar Abends eine Depesche an die Regierung der Französischen Republik, worin sie benachrichtigt wird, daß die Constituante in Rom am 9. Februar, Nachmittags 2 Uhr die <hi rendition="#g">Republik</hi> proklamirt habe.</p>
          <p>Die Journalberichte und Privatbriefe reichen nur bis zum 7. Abends und bieten darum nur sehr untergeordnetes Interesse.</p>
          <p>Die Florentiner Journale vom 9. Februar enthalten eine Zuschrift des Exgroßherzogs von Toskana an den Ministerrath, worin er ihm die Gründe angibt, die ihm verboten hätten, die Beschickung der römischen Constituante durch toskanische Gesandte zu genehmigen. Diese Gründe liegen in der Drohung des Papstes, ihn zu exkommuniziren; ferner in dem Verwandtschaftsverhältniß zum östreichischen Kaiserhause.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar225-2_007" type="jArticle">
          <head>Mailand, 12. Febr.</head>
          <p>Man hoffte hier immer noch, daß die Kontributionsstrafe nicht zur Vollziehung kommen würde; nun aber wird mit dem Sequester der Güter der bisher nicht zurückgekehrten Signori der Anfang gemacht, wozu die Ingenieurs die Hand bieten müssen bei Strafe von 10,000 Zwanzigern und Verlust ihres Amtes im Falle der Weigerung. Es verursacht dies eine große Consternation.</p>
        </div>
      </div>
      <div n="1">
        <head>Großbritannien.</head>
        <div xml:id="ar225-2_008" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 16. Febr.</head>
          <p>Die gestrige Times gibt einen Nachweis der russischen Goldproduktion seit den letzten 20 Jahren. Danach betrug die gesammte Ausbeute während des genannten Zeitraumes im Ural und in Sibirien 16,450 Pud und das Pud zu 2000 Pfd. Sterl. gerechnet, macht 32,900,000 Pfd. Sterl. Blos für die letzten 10 Jahre belief sich die Ausbeute auf 12,300 Pud oder 24,600,000 Pfd. Sterl. Diese Summe hat keinen merkbaren Einfluß auf den Markt ausgeübt.</p>
        </div>
        <div xml:id="ar225-2_009" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> London, 14. Februar.</head>
          <p>Die neue Welt, sagt die heutige Times, ist durch Schicksalsfügung zu einem Gegenstand geographischer Probleme ausersehen. Erstens handelte es sich darum, ob es einen solchen Fleck auf der Erde gäbe und zweitens wie man hinkomme. Kolumbus löste durch eine Art Irrthum beide Fragen und gelangte, indem er den kürzesten Weg nach den Goldminen von Golconda suchte, auf die andre Seite des Erdballs. Drei Jahrhunderte sind verflossen und Ein großes Problem dauert noch immer fort für die Neugierde, das Nachdenken und die Ausdauer wetteifernder Nationen: Wie nämlich queer über diesen ungeheuern doppelten Continent hinüberzukommen, der sich gleichsam wie der Rückgrat der Erde vom Nord- bis zum Südpole ausstreckt? Wir, aus reiner Liebe zur Geographie, senden eine Expedition nach der andern zur Aufsuchung der nordwestlichen Durchfahrt. Die Vereinigten Staaten, von mehr irdischer Leidenschaft getrieben, ziehen gegenwärtig in Ueberlegung, ob man am besten den Continent durchschneidet, oder die Reise um's Cap Horn vorzieht, ob sie Centralamerika bei Panama, beim See Nicaragua, bei Tehuantepec oder bei irgend einem andern Orte durchschneiden sollen. Ein strahlender Preis, wie der goldene Becher den sizilischen Taucher, reizt zu diesen Unternehmungen auf. Aber noch ein zweites Problem, von fast gleicher Wichtigkeit läßt dem amerikanischen Geist keine Ruhe. Es liegt in der Frage: &#x201E;Wie aus Nordamerika herauszukommen ist?&#x201C; Das Innere jenes Kontinents hat, was Ungeheuerlichkeit der Ausdehnung, Fruchtbarkeit, herrliche Ströme und Binnenseen betrifft, nirgends seines Gleichen. Wie können nun die sich mehrenden Produkte dieser Gegenstände herausgezogen und an's Meer geschafft werden? Die Natur nimmt die Gewässer der Binnenseen und damit die Produkte ihrer Ufer zehn Grade nach Norden hin durch eine englische Kolonie und durch einen schwerschiffbaren Strom, 1500 (engl.) Meilen weit. Die Kunst hat bereits durch Verbindung des Erie-Sees mit New-York eine Lösung der Schwierigkeit bewerkstelligt. Doch bleibt immer noch die jetzt in Canada und der Union eifrig verhandelte Frage übrig: &#x201E;welches ist der leichtere, kürzere und wohlfeilere Weg, der St. Lorenzfluß oder der Erie-Kanal?</p>
          <p>Die Vereinigten Staaten sind so mit natürlichen und polischen Hindernissen umringt, daß sie ihre eigenen Westenküsten nicht erreichen können. Bei einem Blick auf die schmale Landzunge, die zu der traurigen Strecke der Felsengebirge und der Sandflächen, durch die San Francisco von New-York getrennt wird, einen so einladenden Kontrast bildet, so finden sie dieselbe in der Hand fremder Mächte. Werfen sie ihr Auge auf die natürlichen Ausflüsse mächtiger Seen, so zeigt sich ihnen wiederum eine fremde Flagge.</p>
          <p>Bruder <hi rendition="#g">Jonathan</hi> verstehts so gut, wie irgend ein Menschenschlag, über die Natur zu triumphiren. Halb Mensch, halb Alligator stürzt er sich vorwärts, zu Land oder Wasser, wie's eben kommt; durch Sümpfe, Bergströme und Wälder bahnt er sich seinen Weg und folgt auf den unermeßlichen Ebenen den
</p>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[1241/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 225. Köln, Sonntag den 18. Februar. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. — Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis Nur frankirte Briefe werden angenommen. Expedition Unter Hutmacher Nro. 17. Den Freunden unseres Blattes, welche noch zu abonniren wünschen, die Anzeige, daß wir für die Stadt Köln Abonnements für den Zeitraum vom 15. Februar bis 31. März zum Preise von 20 Sgr. praenumerando entgegen nehmen. Auf die vielen Anfragen von auswärts bedauern wir erwidern zu müssen, daß unsere desfallsigen Anträge bei der Post auf Hindernisse gestoßen sind. Die Geranten. Zweite Ausgabe. Deutschland. 046 Berlin „16. Febr. Der „Preuß. St. Anz.“ bringt heute Abend die Manteufelsche Bekanntmachung, daß die octroyirten Kammern am 26. Februar, Vormittags 11 Uhr, im (christlich-germanisch-ominösen) „weißen Saale“, der vor Scham längst roth sein müßte, eröffnet werden sollen. Wien, 14. Febr. Die offizielle „Wiener Zeitung“ enthält folgende Mittheilung aus Czernowitz vom 4. Februar: „Ein mit der heutigen Post von Bukarest unter dem Datum 28. Jänner hier angelangtes Schreiben aus authentischer Quelle berichtet, daß der russische Ober-General Lüders den Auftrag erhalten, auf Verlangen der österreichischen Truppen-Commandanten in Siebenbürgen, sogleich nach Hermannstadt und Kronstadt zu marschiren, doch drückt das Schreiben die Hoffnung aus, daß es vielleicht noch nicht dazu kommen werde, da Puchner am folgenden Tage den General Gedeon mit 4000 Mann erwartete. — Das Czernowitzer Gränz- und Truppen- Commando, welches wegen der unterbrochenen Communikation über Bistritz, die militärischen Nachrichten aus Siebenbürgen auch nur über die Wallachei und Moldau erhält, hat bis jetzt noch keine offizielle Mittheilung darüber empfangen. — Die heutigen Briefe aus Jaffy bestätigen wieder den fast täglichen Einmarsch russischer Truppen aus Befsarabien in die Moldau. Ueber den Zweck dieser ungeheuren Truppen- Anhäufung in den Donaufürstenthümern gehen begreiflicher Weise die sonderbarsten Gerüchte herum. Der Bukowiner Gränz- Kommandant, F.-M.-L. Malkowski, steht an der Spitze des Urban'schen Korps bei Dorna. Dieses ist 4000 Mann stark und hat 13 Kanonen. Von Dorna bis Czernowitz stehen 5000 Mann, so daß wir gegen einen Handstreich der siebenbürgischen Insurgenten gesichert sind. Der Landsturm in der Bukowina ist für den Fall der Noth organisirt, so daß er bei Annäherung einer Gefahr sogleich in's Leben treten kann. — Daß bei diesem Kriegszustande Handel und Gewerbe außerordentlich leiden, und von Carnevals- Belustigungen bei uns keine Rede sein könne, ist natürlich. Aus Siebenbürgen fehlen noch alle direkten Nachrichten. Es scheint außer Zweifel, daß Feldmarschall-Lieutenant Puchner alldort in sehr bedrängter Lage sein muß.“ Aus Pesth vom 10. Februar wird gemeldet, daß Tags zuvor Mor. Szentkiralyi verhaftet worden. Mainz, 15. Febr. Die hiesige Zeitung meldet: „Soeben erhalten wir die betrübende Kunde, daß Dr. Löhr, Mitglied des Bezirksraths und Führer der demokratischen Partei im obern Theil von Rheinhessen, in Folge zweier Blutstürze gestorben ist. 119 Darmstadt, 14. Feb. Sogar unter den hiesigen Spießbürgern gewinnt der Geist der Empörung Terrain. — Ein Darmstädter Philister und — Revolution! Wenn sich diese Gegensätze vereinbaren lassen, dann ist das Vereinbarungsprinzip nicht länger eine unausführbare Phrase. — Die Gründe, welche den deutschen Philister veranlassen können, bissig zu werden, sind natürlich stets nur dem Geldbeutel entlehnt. Wird doch der gutmüthigste Hund wüthend, wenn man ihm den Knochen, woran er nagt, vor der Nase wegnimmt, warum soll der Darmstädter Philister nicht auch um sich beißen, wenn ihm sein Recht auf einen regelmäßigen Verdienst entrissen zu werden droht? Unsere Ständekammer hat bekanntlich beschlossen, das hessische Militär um 2 pCt. zu vermehren. Der Großherzog weiß nicht einmal für die jetzige Zahl eine vernünftige Beschäftigung, gechweige denn für 2 pCt. mehr. Durch sein und seiner hochweien Rathgeber Nachdenken kam er indeß auf die Idee, die Soldaten während ihrer 5jährigen Dienstzeit in Werkstätten der verschiedenartigsten Handwerkszweige zu beschäftigen, wodurch es natürlich dem Staat, als Inhaber dieser Anstalten möglich würde, bedeutend billiger zu produziren, als die Meister, die Lohn an ihre Gesellen, Steuern u. dergl. zahlen müssen. — Dies ist nun einer der Geldbeutelpunkte, und deshalb verfehlte er seine Wirkung auf die beeinträchtigten Epiziers nicht. Es wurde sofort eine Versammlung berufen, gegen diesen Schritt des Ministeriums protestirt und eine Deputation von 12, sage 12 Mann mit dem Protest an den Minister Jaup abgeschickt. Hr. Jaup mochte von einem so zahlreichen Besuche etwas unangenehm überrascht gewesen sein, und eröffnete der Deputation, daß er sich derartige Demonstrationen verbitten müsse. — Wenn sich aber ein deutscher Minister etwas verbittet, so ist dies für einen „Unterthan“ ein Befehl, dem er gehorchen muß, und so verfügte sich dann auch die Zwölferdeputation zwar nicht befriedigt, aber gerüffelt und ministeriell zurechtgewiesen wieder nach Hause. — Die offene Revolution ist somit einstweilen unterdrückt, aber der Groll wurzelt tief im Innern der Darmstädter Philisterbrust, und wenn sie so ganz allein, unbemerkt über die erlittene Schmach nachdenken, dann ermannt sich hin und wieder der gebeugte Stolz und zornig ballen sie in solchen exaltirten Augenblicken die Faust in der Tasche. !!! Frankfurt, 16. Febr. National- Versammlung. — H. Simson im Fauteuil. — Tagesordnung: Reichswahlgesetz-Diskussion. (Fortsetzung.) Zur Tagesordnung übergehend spricht Löwe von Calbe gegen das Wahlgesetz. Ueber das was das Volk von dem Wahlgesetz verlangt, sagt er sind wir nicht unvorbereitet, wie vielleicht bei andern Punkten der Verfassung. Das allgemeine Wahlrecht ist die erste, die Hauptfrucht der Revolution. — In diesem Moment wagt es der Ausschuß eine Beschränkung dieses Rechts vorzuschlagen. Wir haben bei unseren Verhältnissen Grund, die nothleidenden Klassen in den Staatsverband und in die Betheiligung an der Regierung aufzunehmen, nicht hinauszustoßen. Der Ausschuß bringt Sie m. H. in die gefährliche Lage, die Reform nicht durchführen zu können, denn der gewaltsame Umsturz jener ausgeschlossenen Klassen wird Sie daran verhindern. In England hat sich deshalb das Volk so lange den Ausschluß von der Theilnahme an der Regierung gefallen lassen, weil es zu seinen Regierern ein namenloses Vertrauen besitzt, während bei uns das größte Mißtrauen gegen die Regierung herrscht. Dies Land ist also für uns nicht maßgebend. — Frankreich giebt uns das beste Exempel, daß eine Regierung, die sich allein auf Interessen stützt und das Volk ausschließt, wie unter Louis Philipp, sich am meisten untergräbt. Noch ist kein Königsthron mit soviel Schmach gestürzt worden wie Louis Philipp's. Noch für keine Herrscherfamilie, selbst nicht für Napoleon, nicht für Louis XVI., so wenig Sympathie in Frankreich geblieben, dies die Folge der Interessenregierung. Sie legalisiren und sanktioniren durch ein solches Wahlgesetz den erbittersten Kampf, den zwischen Kapital und Arbeit„ sie machen ihn permanent!! — Sie erklären durch dasselbe, daß Arbeit schändet — denn sie schließen die Arbeiter von den Menschenrechten aus! Und macht denn Arbeit Schande?? (Bravo und Sensation!) Löwe geht über auf die direkten Wahlen — und zeigt, wie es bei indirekten Wahlen sehr wohl möglich ist, daß der Abgeordnete gar nicht aus der Majorität hervorgeht. L's. Rede ist vollkommen erschöpfend! (Bravo des halben Hauses und der Gallerien!) Beckerath (der berühmte Finanzminister) spricht, obschon er gar nicht auf der Rednerliste steht, für den „noblen“ Entwurf. Dieser Landprediger drängt sich immer vor, wenn es gilt, die Centren durch seine Crocodill'sthränen zu rühren und durch seine „Wiegenwebstuhlphrasen“ zu dem Volksfeindlichen zu bringen. — Die Arbeiter würden ja nicht ausgeschlossen als „solche“. (Was soll das heißen?) Ein großer Theil der Bevölkerung unseres Vaterlandes stände doch noch zu tief, um alle Rechte auszuüben, das sei eine Thatsache und nicht zu läugnen! (Brutus-Bassermann'sche Phrase!) Zum Schluß Getrommel und Zischen links und Gallerien — Bravo rechts. Pfeiffer aus Soldin — neues Mitglied der Linken: Man sollte es nicht für möglich halten, daß ein solcher Entwurf aus einem Ausschuß des ersten deutschen Parlaments, welches gleich zu Anfang die Souveränetät des Volks proklamirte, hervorgehen konnte. (Bravo!) Damit also beschließt man das Werk den größten Theil des Volks aus der Gesellschaft auszuschließen. (Bravo — Getümmel auf den Gallerien.) Pfeiffer läßt keine Ausnahme zu als bei Personen die unter Curatel und im Fallitzustande sind. — Wenn man die „Dienstboten“ ausschließen will, wird die Gränze sehr schwer zu ziehen sein. Wer soll da Alles ausgeschlossen sein? — (Links: Kammerherrn! Gallerien: Minister!) Er spricht ungern von dem Monat, den die großen Herrn gern aus dem Kalender herausoktroyiren möchten, aber wer war es denn, der die Märzerrungenschaften erkämpfte? Jene Arbeiter und Handwerker, die der § ausschließen will! — Ich selbst stand im März unter jenem langen Zug von Leichen — dorthin hatten die großen Herrn wenig Vertreter gesandt! Ich sah da nur Handwerker und Arbeiter! (Donnerndes Bravo der Gallerien.) Ehren Sie die Arbeiter! (Langanhaltender Beifall links.) Brutus-Bassermann (ebenfalls wie Beckerath ohne auf der Rednerliste zu stehen!). Er wurde häufig durch Ausdrücke des heftigsten Unwillens und durch katzenmusikalischen Lärm unterbrochen. — Er beweist, daß nicht in den Arbeitern der Schwerpunkt und der Ruhm der deutschen Nation liegt, sondern in Professoren und anderen großen Männern, Ministern, Unterstaatssekretären u. s. w. (längeres Hohngelächter — Bassermann ärgert sich). Doch glaubt er, daß es auch unter den Arbeitern einzelne tüchtige Männer geben mag! (Unterbrechungen: Wirklich!) Wenn Sie nicht glauben, daß B. dies gesagt hat, so verweise ich Sie auf den sten. Bericht. — Welchen Erfolg die Herrschaft der Arbeiter hat, haben die französischen Nationalwerkstätten gezeigt, welche die Gesellschaft an den Rand des Abgrunds geführt haben! (Zuruf: Welche Gesellschaft? — Die Lumpen-Bourgeois!) Herr Präsident Simson erbost sich furchtbar über die Unterbrechungen und bedroht die Linke mit dem Ordnungsruf! Was die Arbeiter für ein Freiheitsbewußtsein hätten, bewiesen die neapolitanischen Lazzaroni's, die Hauptstütze des Königs Ferdinand! (Bravo rechts. Zischen links.) Bassermann empfiehlt zuletzt den Entwurf in erster Linie, sollte dieser verworfen werden, so empfiehlt er einen Census, und sollte selbst dieser fallen, endlich einen Antrag der zwar den durch § 2 ausgeschlossenen Klassen ein Stimmrecht giebt, aber ein mittelbares, im Gegensatz zu einem unmittelbaren für die höheren Klassen. (Gelächter! Beifall — Getrommel und Zischen.) Viele neue Anträge laufen ein. Vogt. Ich habe mich über den Entwurf gefreut, weil er endlich einmal die Lüge des Konstitutionalismus aufdeckt, weil er es klar sagt, daß man mit einem Extrakt der Minorität herrschen will, nicht mit der Majorität des Volkes. Dies sind freilich die Grundlagen eines Bassermannschen Staates, dessen erste Bedingung die Dauer ist, die über das Glück und die Berechtigung der Bürger geht. Ich brauche gegen die Ausschließung und den Cenjus ihres Entwurfs weiter nichts anzuführen, als das neueste Beispiel Preußens. Ich frage Sie, mochten selbst Sie eine Nationalvertretung, wie die erste Kammer in Preußen sein wird. (Unterbrechungen rechts.) Es frägt sich, sagt Vogt unter Anderm, ob nicht unter den Fabrikarbeitern mehr Geist der Freiheit zu finden, als unter den Professoren. (Beseler gebärdet sich verächtlich. Gallerien langes Bravo). Was den Ausschluß vom Wahlrecht wegen Unterstützung aus öffentlichen Fonds betrifft, frägt Vogt, ob es weniger eine Unterstützung ist, wenn gewisse Herren von ihren Fürsten aus den Finanzfonds jährlich tausende von Thalern erhalten, als wenn Arme mit einer Last Holz oder einem Korb Kohlen unterstützt werden. (Graf Schwerin und Keller [s. preuß Büdget 1848] kratzen sich in den Haaren.) Bassermann erlitt Höllenpein und die Gallerien himmlisches Vergnügen. Bassermann schwitzte so dicke Tropfen, daß man es deutlich von der Journalistenbühne sah. Sowie, sagt Vogt, der Adel vor der französischen Revolution zur Bourgeoisie sagte: ihr kümmert euch um eure Kramläden, um eure Zuckerdüten, aber nicht um die Regierung, so sagt heute die Bourgeoisie (die Herren Bassermann, Beckerath und andere Krämer und Konsorten) zum 4 Stande: ihr sollt nicht mitregieren, ihr versteht gar nichts, ihr steckt die Nase in euren Kartoffelnapf und euer Elend. Der französche Adel nahm damals keine Vernunft an, und seine Köpfe flogen — folgt die Nutzanwendung auf die deutsche Krämergesellschaft. (Langer Beifall folgte der Rede.) Neue Anträge werden eingegeben. Reichensperger für den Entwurf. Das ganze Haus wird leer. Reichensperger spricht immer von der Linken und zu ihr, während daselbst etwa drei Mitglieder sitzen, welche sich unterhalten und Hrn. Reichensperger den Rücken zukehren. Nach ihm wird die allgemeine Diskussion geschlossen und die Sitzung bis morgen vertagt. (Schluß um 1/2 2 Uhr). Italien. * In Paris gelangte am 15. Februar Abends eine Depesche an die Regierung der Französischen Republik, worin sie benachrichtigt wird, daß die Constituante in Rom am 9. Februar, Nachmittags 2 Uhr die Republik proklamirt habe. Die Journalberichte und Privatbriefe reichen nur bis zum 7. Abends und bieten darum nur sehr untergeordnetes Interesse. Die Florentiner Journale vom 9. Februar enthalten eine Zuschrift des Exgroßherzogs von Toskana an den Ministerrath, worin er ihm die Gründe angibt, die ihm verboten hätten, die Beschickung der römischen Constituante durch toskanische Gesandte zu genehmigen. Diese Gründe liegen in der Drohung des Papstes, ihn zu exkommuniziren; ferner in dem Verwandtschaftsverhältniß zum östreichischen Kaiserhause. Mailand, 12. Febr. Man hoffte hier immer noch, daß die Kontributionsstrafe nicht zur Vollziehung kommen würde; nun aber wird mit dem Sequester der Güter der bisher nicht zurückgekehrten Signori der Anfang gemacht, wozu die Ingenieurs die Hand bieten müssen bei Strafe von 10,000 Zwanzigern und Verlust ihres Amtes im Falle der Weigerung. Es verursacht dies eine große Consternation. Großbritannien. * London, 16. Febr. Die gestrige Times gibt einen Nachweis der russischen Goldproduktion seit den letzten 20 Jahren. Danach betrug die gesammte Ausbeute während des genannten Zeitraumes im Ural und in Sibirien 16,450 Pud und das Pud zu 2000 Pfd. Sterl. gerechnet, macht 32,900,000 Pfd. Sterl. Blos für die letzten 10 Jahre belief sich die Ausbeute auf 12,300 Pud oder 24,600,000 Pfd. Sterl. Diese Summe hat keinen merkbaren Einfluß auf den Markt ausgeübt. * London, 14. Februar. Die neue Welt, sagt die heutige Times, ist durch Schicksalsfügung zu einem Gegenstand geographischer Probleme ausersehen. Erstens handelte es sich darum, ob es einen solchen Fleck auf der Erde gäbe und zweitens wie man hinkomme. Kolumbus löste durch eine Art Irrthum beide Fragen und gelangte, indem er den kürzesten Weg nach den Goldminen von Golconda suchte, auf die andre Seite des Erdballs. Drei Jahrhunderte sind verflossen und Ein großes Problem dauert noch immer fort für die Neugierde, das Nachdenken und die Ausdauer wetteifernder Nationen: Wie nämlich queer über diesen ungeheuern doppelten Continent hinüberzukommen, der sich gleichsam wie der Rückgrat der Erde vom Nord- bis zum Südpole ausstreckt? Wir, aus reiner Liebe zur Geographie, senden eine Expedition nach der andern zur Aufsuchung der nordwestlichen Durchfahrt. Die Vereinigten Staaten, von mehr irdischer Leidenschaft getrieben, ziehen gegenwärtig in Ueberlegung, ob man am besten den Continent durchschneidet, oder die Reise um's Cap Horn vorzieht, ob sie Centralamerika bei Panama, beim See Nicaragua, bei Tehuantepec oder bei irgend einem andern Orte durchschneiden sollen. Ein strahlender Preis, wie der goldene Becher den sizilischen Taucher, reizt zu diesen Unternehmungen auf. Aber noch ein zweites Problem, von fast gleicher Wichtigkeit läßt dem amerikanischen Geist keine Ruhe. Es liegt in der Frage: „Wie aus Nordamerika herauszukommen ist?“ Das Innere jenes Kontinents hat, was Ungeheuerlichkeit der Ausdehnung, Fruchtbarkeit, herrliche Ströme und Binnenseen betrifft, nirgends seines Gleichen. Wie können nun die sich mehrenden Produkte dieser Gegenstände herausgezogen und an's Meer geschafft werden? Die Natur nimmt die Gewässer der Binnenseen und damit die Produkte ihrer Ufer zehn Grade nach Norden hin durch eine englische Kolonie und durch einen schwerschiffbaren Strom, 1500 (engl.) Meilen weit. Die Kunst hat bereits durch Verbindung des Erie-Sees mit New-York eine Lösung der Schwierigkeit bewerkstelligt. Doch bleibt immer noch die jetzt in Canada und der Union eifrig verhandelte Frage übrig: „welches ist der leichtere, kürzere und wohlfeilere Weg, der St. Lorenzfluß oder der Erie-Kanal? Die Vereinigten Staaten sind so mit natürlichen und polischen Hindernissen umringt, daß sie ihre eigenen Westenküsten nicht erreichen können. Bei einem Blick auf die schmale Landzunge, die zu der traurigen Strecke der Felsengebirge und der Sandflächen, durch die San Francisco von New-York getrennt wird, einen so einladenden Kontrast bildet, so finden sie dieselbe in der Hand fremder Mächte. Werfen sie ihr Auge auf die natürlichen Ausflüsse mächtiger Seen, so zeigt sich ihnen wiederum eine fremde Flagge. Bruder Jonathan verstehts so gut, wie irgend ein Menschenschlag, über die Natur zu triumphiren. Halb Mensch, halb Alligator stürzt er sich vorwärts, zu Land oder Wasser, wie's eben kommt; durch Sümpfe, Bergströme und Wälder bahnt er sich seinen Weg und folgt auf den unermeßlichen Ebenen den

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
TCF (tokenisiert, serialisiert, lemmatisiert, normalisiert)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Marx-Engels-Gesamtausgabe: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-20T13:08:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jürgen Herres: Konvertierung TUSTEP nach XML (2017-03-20T13:08:10Z)
Maria Ermakova, Benjamin Fiechter, Susanne Haaf, Frank Wiegand: Konvertierung XML nach DTA-Basisformat (2017-03-20T13:08:10Z)

Weitere Informationen:

Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz225ii_1849
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz225ii_1849/1
Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 225. Köln, 18. Februar 1849. Zweite Ausgabe, S. 1241. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz225ii_1849/1>, abgerufen am 19.04.2024.