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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 263. Köln, 4. April 1849. Beilage.

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Außerordentliche Beilage zu Nr. 263 der N. Rh. Ztg.
Organ der Demokratie.
Mittwoch, 4. April 1849.
Deutschland.
* Köln, 3. April.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
X Berlin, 2. April.

Die Hetzel'sche Verschwörungsgeschichte wird sehr geheimnißvoll behandelt. Die Angeklagten werden nur bei verschlossenen Thüren verhört. Man soll bei dem "Verschwörer" eine Masse Handgranaten gefunden haben, und eine Kiste mit Papieren, welche aber wohl kaum Anhaltspunkte zur Anklage darbieten werden. Der mit der Untersuchung beauftragte Assessor Schlettke hat sämmtliche Visitationen selbst gemacht.

Der Abgeordnete v. Bodelschwingh zeigte heute seinen Freunden auf der Tribüne sogleich die glückliche Majorität für den Vinke'schen Entwurf durch Fingersprache an.

Berlin, 2. April.

Sitzung der zweiten Kammer.

Der Präsident Grabow macht die Mittheilung, daß sich der Central-Ausschuß für den Waldeck'schen Antrag, die Aufhebung des Belagerungszustandes von Berlin betreffend, constituirt und den Abg. Jacobi zum Vorsitzenden, den Abg. Bucher zum Schriftführer ernannt habe.

Abg. v. Berg nimmt als Berichterstatter der Kaiser-Adresse neben dem Präsidenten Grabow seinen Sitz ein und verliest den Bericht der Commission.

Für die Dringlichkeit und überhaupt für die Erlassung einer Adresse erheben sich alle Fractionen der Kammer bis auf die äußerste Linke. (Waldecksche Parthei.)

Die zur Adresse eingebrachten Amendements von Vinke, Arnim und Parrisius finden Unterstützung. Die Debatte wird eröffnet. Zuerst erhält das Wort

Graf Arnim gegen den Commissionsentwurf. Er will die Wahrheit, die ganze Wahrheit und motivirt daraus sein Amendement. Er spricht über den Geist des preußischen Volkes, der im Jahre 1813 Deutschland befreiet habe, der 1840 dem fränkischen Uebermuth zurief: ,Sie sollen ihn nicht haben!' (?!) So phantasirt er über den preußischen Geist in schwarzweißer Art unter dem Gelächter der Kammer fort. Die Ansichten hätten sich seit einem Jahre geändert. Er erklärt sich entschieden gegen den Entwurf der Commission, weil er auf dem Boden der Volkssouveränetät steht. Er glaubt mit dem Vinke'schen Entwurf in Grundsätzen, Gefühlen und Erwartungen übereinzustimmen, da Vinke selbst den Grundsatz der Vereinbarung in Frankfurt so ausgezeichnet vertheidigt habe. Wir wissen, daß in dem König dieselben Grundsätze sind und das ist in dem von mir und meinen Freunden eingereichten Entwurf deutlich und siegesgewiß ausgesprochen.

Ministerpräsident: In dem Augenblick, wo Sie über eine Adresse an Se. Maj. berathen, an dem Tage wo eine Deputation der deutschen National-Versammlung eintreffen wird, hält es die Regierung für ihre Pflicht, nochmals ihre Ansichten in dieser Frage klar auszusprechen. Sie wird stets hingebend sein für Deutschlands Freiheit und Einheit, sie wird in dem Beschluß der deutschen National-Versammlung einen wesentlichen Fortschritt erkennen. Aber sie muß auch die Rechte der Regierungen anerkennen. Es ist ihre Meinung, daß der Beschluß nur für diejenigen verbindlich ist, welche sich ihm aus freien Stücken unterwerfen. Wir werden alles anwenden, um die Einigung zu Stande zu bringen. (Bravo rechts, heftiges Zischen zur Linken.)

Unruh hat auf ein einmüthiges Handeln gehofft. Die Amendements zerstören diese Hoffnung, aber in einem sind wir einig daß der König sich seinem Beruf nicht entziehen kann. Er geht auf die Verfassung über und sagt, die Fürsten müßten annehmen und würden keinen Grund haben anders zu handeln. Eine Garantie für Deutschlands Freiheit sieht der Redner in der Annahme der Verfassung, wie sie in Frankfurt jetzt beschlossen ist. Dieselbe wird der Todesstoß des Absolutismus sein, davon mögen die Organe dieser Partei zeigen. - Wir wünschen, daß der König als constitutionelles Oberhaupt kraft und nach der Verfassung über Deutschland regieren werde und so wird der Zwiespalt ausgeglichen werden. - Wenn die Wahl abgelehnt werden sollte oder wenn solche Bedingungen an die Annahme derselben geknüpft werden was wird dann die Folge sein? Eine Oktroyirung, aber eine Oktroyirung in höchster Potenz von einem Fürstenrathe. Er schließt mit den Worten, greifen Sie nicht ein in die rollenden Speichen der Geschichte, der Wagen könnte Preußen und Deutschland zertrümmern. (Bravo.)

Schmidt (Landshut) erklärt sich gegen eine Adresse.

Parrisius spricht mit Begeisterung für sein Amendement, statt des Satzes des Kommissionsentwurfs:

"Die deutsche National-Versammlung hat durch ihre letzten Beschlüsse...."

zu setzen:

"Durch die Feststellung der Verfassung das Werk der Einigung und Kräftigung Deutschlands seiner Vollendung entgegengeführt."

Vincke: Der Zweck der Adresse sei, der Regierung die Zustimmung der Kammer zu den von ihnen ausgesprochenen Ansichten darzulegen. Die Frankfurter Versammlung ist die wahrhafte Vertretung Deutschlands, ihr steht kein Fürstenkollegium entgegen, sie hat das schwerste Gewicht bei der Verfassung Sie ist aber beschränkt in ihren Befugnissen auf Grund der Volkssouveränetät, denn jeder einzelne Stamm hat Kraft seiner Souveränetät das Recht, seine Bedenken gegen die Verfassung zu äußern, der Einzelne muß bei der Ordnung des Allgemeinen mitsprechen. Ich hoffe, daß alle Regierungen, mit Ausnahme des östreichischen Kaiserstaats, mit Freude sich dem Beschluß der deutschen National-Versammlung unterwerfen werden. Ueber die Verfassung selbst darf noch kein Urtheil gefällt werden, weder Lob noch Tadel. Er wendet sich gegen das Arnimsche Amendement, es sei auf Schrauben gestellt und sagt dem Ministerium bei dieser Gelegenheit einige seiner gewöhnlichen Sottisen. Er greift alsdann den Kommissionsentwurf an und besonders die Rede des Abg. Parrisius. Besonders ist er empört über den Ausdruck "Thatkraft," worin er eine indirekte Appellation an die Gewalt des Volkes erblickt. Er vertheidigt alsdann sein Amendement und erklärt, die Verfassung müsse noch revidirt werden, mit diesem Vorbehalt nahm ich sie an wie die vom 5. Dez. Es muß eine starke Gewalt an der Spitze sein, um diese Revision der Krone vorzubereiten. Preußens König darf sich seinem Beruf nicht entziehen, er hat selbst am 18. März das erste Signal zur Erhebung Deutschlands

Außerordentliche Beilage zu Nr. 263 der N. Rh. Ztg.
Organ der Demokratie.
Mittwoch, 4. April 1849.
Deutschland.
* Köln, 3. April.
Der Inhalt dieses Artikels kann aus urheberrechtlichen Gründen nicht angezeigt werden.
X Berlin, 2. April.

Die Hetzel'sche Verschwörungsgeschichte wird sehr geheimnißvoll behandelt. Die Angeklagten werden nur bei verschlossenen Thüren verhört. Man soll bei dem „Verschwörer“ eine Masse Handgranaten gefunden haben, und eine Kiste mit Papieren, welche aber wohl kaum Anhaltspunkte zur Anklage darbieten werden. Der mit der Untersuchung beauftragte Assessor Schlettke hat sämmtliche Visitationen selbst gemacht.

Der Abgeordnete v. Bodelschwingh zeigte heute seinen Freunden auf der Tribüne sogleich die glückliche Majorität für den Vinke'schen Entwurf durch Fingersprache an.

Berlin, 2. April.

Sitzung der zweiten Kammer.

Der Präsident Grabow macht die Mittheilung, daß sich der Central-Ausschuß für den Waldeck'schen Antrag, die Aufhebung des Belagerungszustandes von Berlin betreffend, constituirt und den Abg. Jacobi zum Vorsitzenden, den Abg. Bucher zum Schriftführer ernannt habe.

Abg. v. Berg nimmt als Berichterstatter der Kaiser-Adresse neben dem Präsidenten Grabow seinen Sitz ein und verliest den Bericht der Commission.

Für die Dringlichkeit und überhaupt für die Erlassung einer Adresse erheben sich alle Fractionen der Kammer bis auf die äußerste Linke. (Waldecksche Parthei.)

Die zur Adresse eingebrachten Amendements von Vinke, Arnim und Parrisius finden Unterstützung. Die Debatte wird eröffnet. Zuerst erhält das Wort

Graf Arnim gegen den Commissionsentwurf. Er will die Wahrheit, die ganze Wahrheit und motivirt daraus sein Amendement. Er spricht über den Geist des preußischen Volkes, der im Jahre 1813 Deutschland befreiet habe, der 1840 dem fränkischen Uebermuth zurief: ‚Sie sollen ihn nicht haben!‘ (?!) So phantasirt er über den preußischen Geist in schwarzweißer Art unter dem Gelächter der Kammer fort. Die Ansichten hätten sich seit einem Jahre geändert. Er erklärt sich entschieden gegen den Entwurf der Commission, weil er auf dem Boden der Volkssouveränetät steht. Er glaubt mit dem Vinke'schen Entwurf in Grundsätzen, Gefühlen und Erwartungen übereinzustimmen, da Vinke selbst den Grundsatz der Vereinbarung in Frankfurt so ausgezeichnet vertheidigt habe. Wir wissen, daß in dem König dieselben Grundsätze sind und das ist in dem von mir und meinen Freunden eingereichten Entwurf deutlich und siegesgewiß ausgesprochen.

Ministerpräsident: In dem Augenblick, wo Sie über eine Adresse an Se. Maj. berathen, an dem Tage wo eine Deputation der deutschen National-Versammlung eintreffen wird, hält es die Regierung für ihre Pflicht, nochmals ihre Ansichten in dieser Frage klar auszusprechen. Sie wird stets hingebend sein für Deutschlands Freiheit und Einheit, sie wird in dem Beschluß der deutschen National-Versammlung einen wesentlichen Fortschritt erkennen. Aber sie muß auch die Rechte der Regierungen anerkennen. Es ist ihre Meinung, daß der Beschluß nur für diejenigen verbindlich ist, welche sich ihm aus freien Stücken unterwerfen. Wir werden alles anwenden, um die Einigung zu Stande zu bringen. (Bravo rechts, heftiges Zischen zur Linken.)

Unruh hat auf ein einmüthiges Handeln gehofft. Die Amendements zerstören diese Hoffnung, aber in einem sind wir einig daß der König sich seinem Beruf nicht entziehen kann. Er geht auf die Verfassung über und sagt, die Fürsten müßten annehmen und würden keinen Grund haben anders zu handeln. Eine Garantie für Deutschlands Freiheit sieht der Redner in der Annahme der Verfassung, wie sie in Frankfurt jetzt beschlossen ist. Dieselbe wird der Todesstoß des Absolutismus sein, davon mögen die Organe dieser Partei zeigen. ‒ Wir wünschen, daß der König als constitutionelles Oberhaupt kraft und nach der Verfassung über Deutschland regieren werde und so wird der Zwiespalt ausgeglichen werden. ‒ Wenn die Wahl abgelehnt werden sollte oder wenn solche Bedingungen an die Annahme derselben geknüpft werden was wird dann die Folge sein? Eine Oktroyirung, aber eine Oktroyirung in höchster Potenz von einem Fürstenrathe. Er schließt mit den Worten, greifen Sie nicht ein in die rollenden Speichen der Geschichte, der Wagen könnte Preußen und Deutschland zertrümmern. (Bravo.)

Schmidt (Landshut) erklärt sich gegen eine Adresse.

Parrisius spricht mit Begeisterung für sein Amendement, statt des Satzes des Kommissionsentwurfs:

„Die deutsche National-Versammlung hat durch ihre letzten Beschlüsse‥‥“

zu setzen:

Durch die Feststellung der Verfassung das Werk der Einigung und Kräftigung Deutschlands seiner Vollendung entgegengeführt.“

Vincke: Der Zweck der Adresse sei, der Regierung die Zustimmung der Kammer zu den von ihnen ausgesprochenen Ansichten darzulegen. Die Frankfurter Versammlung ist die wahrhafte Vertretung Deutschlands, ihr steht kein Fürstenkollegium entgegen, sie hat das schwerste Gewicht bei der Verfassung Sie ist aber beschränkt in ihren Befugnissen auf Grund der Volkssouveränetät, denn jeder einzelne Stamm hat Kraft seiner Souveränetät das Recht, seine Bedenken gegen die Verfassung zu äußern, der Einzelne muß bei der Ordnung des Allgemeinen mitsprechen. Ich hoffe, daß alle Regierungen, mit Ausnahme des östreichischen Kaiserstaats, mit Freude sich dem Beschluß der deutschen National-Versammlung unterwerfen werden. Ueber die Verfassung selbst darf noch kein Urtheil gefällt werden, weder Lob noch Tadel. Er wendet sich gegen das Arnimsche Amendement, es sei auf Schrauben gestellt und sagt dem Ministerium bei dieser Gelegenheit einige seiner gewöhnlichen Sottisen. Er greift alsdann den Kommissionsentwurf an und besonders die Rede des Abg. Parrisius. Besonders ist er empört über den Ausdruck „Thatkraft,“ worin er eine indirekte Appellation an die Gewalt des Volkes erblickt. Er vertheidigt alsdann sein Amendement und erklärt, die Verfassung müsse noch revidirt werden, mit diesem Vorbehalt nahm ich sie an wie die vom 5. Dez. Es muß eine starke Gewalt an der Spitze sein, um diese Revision der Krone vorzubereiten. Preußens König darf sich seinem Beruf nicht entziehen, er hat selbst am 18. März das erste Signal zur Erhebung Deutschlands

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[1483/0001] Außerordentliche Beilage zu Nr. 263 der N. Rh. Ztg. Organ der Demokratie. Mittwoch, 4. April 1849. Deutschland. * Köln, 3. April. _ X Berlin, 2. April. Die Hetzel'sche Verschwörungsgeschichte wird sehr geheimnißvoll behandelt. Die Angeklagten werden nur bei verschlossenen Thüren verhört. Man soll bei dem „Verschwörer“ eine Masse Handgranaten gefunden haben, und eine Kiste mit Papieren, welche aber wohl kaum Anhaltspunkte zur Anklage darbieten werden. Der mit der Untersuchung beauftragte Assessor Schlettke hat sämmtliche Visitationen selbst gemacht. Der Abgeordnete v. Bodelschwingh zeigte heute seinen Freunden auf der Tribüne sogleich die glückliche Majorität für den Vinke'schen Entwurf durch Fingersprache an. Berlin, 2. April. Sitzung der zweiten Kammer. Der Präsident Grabow macht die Mittheilung, daß sich der Central-Ausschuß für den Waldeck'schen Antrag, die Aufhebung des Belagerungszustandes von Berlin betreffend, constituirt und den Abg. Jacobi zum Vorsitzenden, den Abg. Bucher zum Schriftführer ernannt habe. Abg. v. Berg nimmt als Berichterstatter der Kaiser-Adresse neben dem Präsidenten Grabow seinen Sitz ein und verliest den Bericht der Commission. Für die Dringlichkeit und überhaupt für die Erlassung einer Adresse erheben sich alle Fractionen der Kammer bis auf die äußerste Linke. (Waldecksche Parthei.) Die zur Adresse eingebrachten Amendements von Vinke, Arnim und Parrisius finden Unterstützung. Die Debatte wird eröffnet. Zuerst erhält das Wort Graf Arnim gegen den Commissionsentwurf. Er will die Wahrheit, die ganze Wahrheit und motivirt daraus sein Amendement. Er spricht über den Geist des preußischen Volkes, der im Jahre 1813 Deutschland befreiet habe, der 1840 dem fränkischen Uebermuth zurief: ‚Sie sollen ihn nicht haben!‘ (?!) So phantasirt er über den preußischen Geist in schwarzweißer Art unter dem Gelächter der Kammer fort. Die Ansichten hätten sich seit einem Jahre geändert. Er erklärt sich entschieden gegen den Entwurf der Commission, weil er auf dem Boden der Volkssouveränetät steht. Er glaubt mit dem Vinke'schen Entwurf in Grundsätzen, Gefühlen und Erwartungen übereinzustimmen, da Vinke selbst den Grundsatz der Vereinbarung in Frankfurt so ausgezeichnet vertheidigt habe. Wir wissen, daß in dem König dieselben Grundsätze sind und das ist in dem von mir und meinen Freunden eingereichten Entwurf deutlich und siegesgewiß ausgesprochen. Ministerpräsident: In dem Augenblick, wo Sie über eine Adresse an Se. Maj. berathen, an dem Tage wo eine Deputation der deutschen National-Versammlung eintreffen wird, hält es die Regierung für ihre Pflicht, nochmals ihre Ansichten in dieser Frage klar auszusprechen. Sie wird stets hingebend sein für Deutschlands Freiheit und Einheit, sie wird in dem Beschluß der deutschen National-Versammlung einen wesentlichen Fortschritt erkennen. Aber sie muß auch die Rechte der Regierungen anerkennen. Es ist ihre Meinung, daß der Beschluß nur für diejenigen verbindlich ist, welche sich ihm aus freien Stücken unterwerfen. Wir werden alles anwenden, um die Einigung zu Stande zu bringen. (Bravo rechts, heftiges Zischen zur Linken.) Unruh hat auf ein einmüthiges Handeln gehofft. Die Amendements zerstören diese Hoffnung, aber in einem sind wir einig daß der König sich seinem Beruf nicht entziehen kann. Er geht auf die Verfassung über und sagt, die Fürsten müßten annehmen und würden keinen Grund haben anders zu handeln. Eine Garantie für Deutschlands Freiheit sieht der Redner in der Annahme der Verfassung, wie sie in Frankfurt jetzt beschlossen ist. Dieselbe wird der Todesstoß des Absolutismus sein, davon mögen die Organe dieser Partei zeigen. ‒ Wir wünschen, daß der König als constitutionelles Oberhaupt kraft und nach der Verfassung über Deutschland regieren werde und so wird der Zwiespalt ausgeglichen werden. ‒ Wenn die Wahl abgelehnt werden sollte oder wenn solche Bedingungen an die Annahme derselben geknüpft werden was wird dann die Folge sein? Eine Oktroyirung, aber eine Oktroyirung in höchster Potenz von einem Fürstenrathe. Er schließt mit den Worten, greifen Sie nicht ein in die rollenden Speichen der Geschichte, der Wagen könnte Preußen und Deutschland zertrümmern. (Bravo.) Schmidt (Landshut) erklärt sich gegen eine Adresse. Parrisius spricht mit Begeisterung für sein Amendement, statt des Satzes des Kommissionsentwurfs: „Die deutsche National-Versammlung hat durch ihre letzten Beschlüsse‥‥“ zu setzen: „Durch die Feststellung der Verfassung das Werk der Einigung und Kräftigung Deutschlands seiner Vollendung entgegengeführt.“ Vincke: Der Zweck der Adresse sei, der Regierung die Zustimmung der Kammer zu den von ihnen ausgesprochenen Ansichten darzulegen. Die Frankfurter Versammlung ist die wahrhafte Vertretung Deutschlands, ihr steht kein Fürstenkollegium entgegen, sie hat das schwerste Gewicht bei der Verfassung Sie ist aber beschränkt in ihren Befugnissen auf Grund der Volkssouveränetät, denn jeder einzelne Stamm hat Kraft seiner Souveränetät das Recht, seine Bedenken gegen die Verfassung zu äußern, der Einzelne muß bei der Ordnung des Allgemeinen mitsprechen. Ich hoffe, daß alle Regierungen, mit Ausnahme des östreichischen Kaiserstaats, mit Freude sich dem Beschluß der deutschen National-Versammlung unterwerfen werden. Ueber die Verfassung selbst darf noch kein Urtheil gefällt werden, weder Lob noch Tadel. Er wendet sich gegen das Arnimsche Amendement, es sei auf Schrauben gestellt und sagt dem Ministerium bei dieser Gelegenheit einige seiner gewöhnlichen Sottisen. Er greift alsdann den Kommissionsentwurf an und besonders die Rede des Abg. Parrisius. Besonders ist er empört über den Ausdruck „Thatkraft,“ worin er eine indirekte Appellation an die Gewalt des Volkes erblickt. Er vertheidigt alsdann sein Amendement und erklärt, die Verfassung müsse noch revidirt werden, mit diesem Vorbehalt nahm ich sie an wie die vom 5. Dez. Es muß eine starke Gewalt an der Spitze sein, um diese Revision der Krone vorzubereiten. Preußens König darf sich seinem Beruf nicht entziehen, er hat selbst am 18. März das erste Signal zur Erhebung Deutschlands

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 263. Köln, 4. April 1849. Beilage, S. 1483. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz263b_1849/1>, abgerufen am 28.03.2024.