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Neue Rheinische Zeitung. Nr. 277. Köln, 20. April 1849. Zweite Ausgabe.

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Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 277. Köln, Freitag, den 20. April. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. - Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. - Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. - Nur frankirte Briefe werden angenommen. - Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Zweite Ausgabe.

Deutschland.
* Köln, 19. April.

Folgendes ist der Wortlaut des Anklageakts gegen Lassalle und Weyers, der den Angeklagten vor einigen Tagen zugestellt wurde. Wir werden hierauf, so wie auf das Verweisungsurtheil des Kölner Anklagesenats zurückkommen.

Anklageact

gegen

1. Ferdinand Lassalle, 23 Jahre alt, ohne Geschäft, geboren zu Breslau und

2. Peter Wilhelm Weyers, 35 Jahre alt, Taglöhner, geboren zu Boeyell, beide wohnhaft zu Düsseldorf.

Die Stadt Düsseldorf war in der letzten Zeit der Heerd einer lebhaften politischen Bewegung, an welcher sich der, durch frühere gerichtliche Verhandlungen bekannte Angeklagte Ferdinand Lassalle zunächst als Mitglied des sogenannten Volksklubs betheiligte. Als Redner in diesen und in andern Klubs und in öffentlichen Versammlungen erlangte er eine nicht unbedeutende Geltung, und machte sich den verschiedenen Parteien annehmlich; zugleich übte er einen unverkennbaren Einfluß auf die Haltung der städtischen Bürgerwehr, in deren Reihen er sich eingedrängt hatte, obwohl er wegen Theilnahme an einer Verleumdung durch ein Urtheil vom 10. Januar 1848 der bürgerlichen Rechte und somit auch des Rechtes Waffen zu tragen, für den Zeitraum von fünf Jahren verlustig erklärt worden war.

Lassalle kam in Düsseldorf auch mit dem Taglöhner Peter Wilhelm Weyers zusammen, welcher damals vom Verkaufe politischer Flugblätter, vom Ank eben von Plakaten und vom Sammlen von Unterschriften lebte, und hierzu auch von Lassalle benutzt wurde. Beide begaben sich am 21. November Nachmittags zusammen nach Neuß, um hier eine Volksversammlung abzuhalten. Es war dies der Augenblick, wo die bekannten Zerwürfniße zwischen der National-Versammlung und dem Ministerium das ganze Land in die größte Aufregung versetzt hatten, und wo eine revolutionäre Partei jedes Mittel aufbot, den Beschluß der Steuerverweigerung wo möglich zum gewaltsamen Umsturtz der bestehenden Staatsverfassung auszubeuten.

In welcher Weise Lassalle diese Vorgänge aufgefaßt zu sehen wünschte, findet sich in verschiedenen Adressen ausgedruckt, welche von Lassalle entworfen und veröffentlicht worden sind; so in einer Adresse vom 19. November im Namen der Landwehrmänner des Kreises Düsseldorf an die National-Versammlung gerichtet. - "Von diesem Augenblicke an kennen wir keine andere gesetzliche Regierungsgewalt im Staate, als die National-Versammlung. Wir schwören der National-Versammlung, daß wir gerüstet ihren Aufruf erwarten, um zu zeigen, daß die Kraft noch nicht gewichen ist aus den Söhnen des Vaterlandes;" - und in einer anderen Adresse an demselben Tage, unter dem Namen der Bürgerwehr an die National-Versammlung gerichtet: - "der passive Widerstand ist erschöpft. Wir beschwören die National-Versammlung: erlassen Sie den Ruf zu den Waffen, den Ruf zur Pflicht!"

Lassalles persönl. Standpunkt ist aber noch bestimmter und schärfer in einem Schreiben ausgedrückt, welches er am Tage des 21 Novembers an einen ihm bekannten Landwirth Johannn Stangier zu Völsen im Kreise Altenkirchen abschickte; es liegt vor und lautet folgendermaaßen: "Lieber Stangier! Bald wird das ganze Land unter Waffen stehen. Rüstet Eure Leute, sorgt für Munition. In Düsseldorf geht der Kampf sehr bald los. Ich rechne darauf, daß sofort auf die Nachricht Du mit einigen hundert Mann hierher marschirst. Antworte mir darüber. Wir siegen diesmal jedenfalls und dann ist Eure ganze Noth für immer geendet. Hierbei Placate, vertheile sie und laß sie abdrucken. Ich erwarte umgehend von Dir Brief darüber, wie es bei Euch aussieht, und ob wir uns darauf verlassen können, daß ihr einige hundert Mann hoch her marschirt, wenn wir anfangen. -

In Eile, Düsseldorf, 21. November

"(gez.) F. Lassalle"

Ein diesem Brief beigelegter Zettel enthält noch:

"Nachschrift. Lieber Stangier. Das Beste ist, wenn Du augenblicklich zu mir herkommst, wo wir vieles am schnellsten besprechen können."

(gez.) F. Lassalle"

Mit diesen Gesinnungen kam Lassalle nach Neuß, begleitet von Weyers. In Neuß hatten in den letzt vergangenen Tagen schon verschiedene Besprechungen exaltirter Personen stattgefunden, zunächst, um neben der Bürgerwehr eine allgemeine Bewaffnung der Masse zu erreichen. Jetzt ließ Lassalle sofort eine Volksversammlung im Lokale des Wirths Lucas in Neuß für den Abend verkünden; Weyers übernahm, gegen den Willen des Ortsbürgermeisters, die öffentliche Bekanntmachung durch Schellenklang Es fand sich eine größere Anzahl von Personen ein, als der Raum aufnehmen konnte

Lassalle sprach zuerst, und der Inhalt seiner Rede ist in ihrem Zusammenhange sowie in ihren einzelnen Theilen von mehrernZuhörern bekundet worden. Es mag hier genügen, ein paar Zeugniße mitzutheilen, mit welchen die übrigen übereinstimmen; dabei ist hier nur das übergangen, was Lassale rücksichtlich des Widerstandes gegen die Steuererhebung gesprochen hat, weil dieses einem andern Gerichte überwiesen ist. -

Der Makler Hubert Faßbinder aus Neuß bekundet wie folgt: Nachdem Lassalle das Verhältniß zwischen Krone und National-Versammlung auseinandergesetzt hatte, sprach derselbe davon "es sei jetzt die Zeit gekommen, wo man durch actives Handeln die National-Versammlung unterstützen müsse; man möge die Zeit nicht unbenutzt vorüber gehen lassen; das Volk müsse in Masse sich erheben und bewaffnen, und würde in Düsseldorf auch bereits Munition geschafft und Tag und Nacht Kugeln gegossen; dort sei man zum Kampfe bereit, aber allein zu schwach; die Umgegend und auch Neuß müsse sich an dem Kampfe betheiligen; man solle den Leuten, welche Jagdgewehre hätten, und nicht kämpfen wollten, die Gewehre nur abnehmen und den Gemeinderath um Geldmittel für die Munition angehen; es würden die Düsseldorfer schon dafür sorgen, daß die Schiffbrücke frei und wir Neußer ungehindert zu Hilfe kommen könnten. Die Provinz Schlesien sei bereits in vollem Aufstande, die Rheiprovinz dürfe nicht zurückbleiben, man müsse mit Waffengewalt die errungenen Freiheiten zu wahren suchen, jetzt sei der rechte Zeitpunkt.

Der Sekretair Michel Krings aus Neuß gibt dieselbe Rede in folgender Weise wieder: "die National-Versammlung habe sich bisher passiv verhalten, das Volk müsse aber jetzt durch actives Handeln sie unterstützen, die Zeit dazu sei gekommen und dürfe nicht unbenutzt vorübergehen; man müsse sich rüsten, der Kampf stehe nahe bevor und sei unvermeidlich; in Düsseldorf sei man bereit dazu, rechne aber auf die Unterstützung der Umgegend und auch von Neuß, weil man allein zu schwach sei; man solle eine Commission zur Beschaffung von Waffen erwählen; man solle den Gemeinderath zur Beschaffung der Mittel für Munition auffordern, und sei man unzufrieden mit ihm, solle man ihn absetzen; Man vertraue dem Muth der Neußer und erwarte, daß sie die auf der Linken Rheinseite aufgestellten Batterien nehmen würden, - man solle gerüstet da stehen, damit, wenn in Düsseldorf der Aufruf ergehe und das Zeichen gegeben werde, man zu Hilfe kommmen könne; man vertraue dem Muthe der Neußer, man solle in Neuß eine Commission zur Beschaffung von Waffen erwählen; sichern Nachrichten gemäß breche am 20. Nov. in Schlesien der Aufstand aus; die Rheinländer hätten seit 20 Jahren den Ruhm des Liberalismus, und sie sollten jetzt zeigen, daß sie liberal wären; ließe man den jetzigen Zeitpunkt vorübergehen, so sei die Freiheit auf lange untergraben.

Nach der Aussage des Schuhmachers Wilhelm Beckers aus Neuß ging die ganze Rede darauf hinaus, sich bewaffnet dem Militär gegenüber zustellen, und das Volk aufzuwiegeln. Im Einzelnen bekundet der Zeuge: Lassalle habe ungefähr in der Weise gesprochen: es stehe in Düsseldorf die Bürgerwehr zum Losschlagen bereit; doch rechne man namentlich auf Neuß und die Umgegend, daß sie beim ersten Sturmläuten zu Hülfe kommen und die Batterien bei Neuß nehmen würden; es sei jetzt die Zeit, die National-Versammlung durch actives Handeln zu unterstützen; das Volk müsse sich bewaffnen, und noch am selbigen Abend eine Liste angefertigt werden, worin sich die Eingezeichneten verpflichten, den Düsseldorfern zu Hülfe zu ziehen, in Schlesien breche der Aufstand aus, und die Rheinländer sollten nicht zurückbleiben."

Lassalles Rede wurde mit Beifall aufgenommen. Nach ihm sprach Weyers; es gelang ihm weniger, die Aufmerksamkeit des Publikums zu fesseln, und seine Rede wird nur bruchstückweise von den Zuhörern bekundet. Weyers bemerkt beim Eingange, er rede nicht zu den Aristokraten, sondern zu den Demokraten, und er warnte dann vor der National-Versammlung selbst (Zeuge Krings;) hierauf erging er sich in Schimpfreden gegen die Person des Königs, und im weitern Vortrage äußerte er: "es sei ein König, welchem man die Krone keine Viertelstunde länger belassen solle (Zeuge Wilhelm Beckers;) und sprach das Wort: "Tod dem Könige!" (Zeuge Michael Krings;) las sodann ein Schreiben vor, nach welchem man in Schlesien am 20. November losschlagen wollte, und forderte auf sich in derselben Weise zu erheben und sich den Schlesiern anzuschließen." (Zeuge Peter Joseph Zingsen.) -

Lassalle, welcher den ungünstigsten Eindruck hatte bemerken können, welchen die Schimpfreden seines Begleiters gemacht hatten, nahm nun noch einmal das Wort, um zu sagen, daß es nicht an der Zeit sei, sich in Schimpfreden zu ergehen; er wies sodann auf die Wegnahme der Waffen hin, welche sich im Landwehrzeughause von Neuß befinden.

Sodann verließen Lassalle und Weyers die Versammlung und kehrten nach Düsseldorf zurück. -

In der Versammlung selbst wurde noch weiter über activen und passiven Widerstand debattirt, und nach dem Rathe Lassalles eine Commission zur Beschaffung von Munition gewählt. -

Durch die Ereignisse der folgenden Tage sind die Reden und die Beschlüsse dieser Volks-Versammlung in den Hintergrund getreten, und hat sich kein weiterer Erfolg aus ihnen entwickelt.

Bei der hiernächst über diesen und andere verwande Vorgänge eingeleiteten Untersuchung hat Lassalle für sich in Anspruch genommen, daß er "ein Revolutionär aus Prinzip" sei; Weyers hat angegeben, daß es ihm nur um den Erwerb zu thun gewesen sei; beide Angeklagte haben sich gerade der wesentlichsten Stellen ihrer zu Neuß gehaltenen Reden nicht erinnern wollen. -

Ferdinand Lassalle und Peter Wilhelm Weyers werden demnach angeklagt: am 21. November 1848 in öffentlicher Versammlung zu Neuß die Bürger zur Bewaffnung gegen die Königliche Gewalt direct aufgefordert zu haben, ohne daß diese Aufforderung einen Erfolg gehabt. - Verbrechen gegen Art. 87 und 102 des Str. G. B.

Köln den 24. März 1849.

Der General Procurator beim Kgl. Rhein. Appellations Gerichtshofe

(gez.) Nikolovius pro copiis.

(gez.) J. H. Jungbluth.

Im Jahre 1849 am 2. April habe ich unterzeichneter Johann Heinrich Jungbluth, Gerichtsvollzieher am Königl. Landgerichte zu Düsseldorf angestellt und daselbst wohnhaft, im Auftrage des öffentlichen Ministeriums den Angeklagten Ferdinand Lassalle ohne Geschäft zu Düsseldorf wohnhaft in dem Aresthause daselbst sprechend zu seiner Person:

1. Die Entscheidung des Königl. Rheinischen Appellations-Gerichtshofs zu Köln vom 17. Marz laufenden Jahres, 2. dem von den Herrn General-Procurator daselbst gefertigten Anklageact vom 24. nämlichen Monats abschriftlich zugestellt und nebst Abschrift dieses Akts mit dem Bemerken hinterlassen, daß die besagte Entscheidung in des Register der Criminal-Gefangenen eingeschrieben ist. Kosten 1 Thlr. 28 Sgr.

Geschehen Dusseldorf am Tage wie oben.

(gez.) J. H, Jungbluth.

Kosten.

Original"Thlr.4Sgr.
2 Copien"Thlr.8Sgr.
19 Rollen1Thlr.8Sgr.
2 Eintragungen"Thlr.8Sgr.
Summa 1 Thlr. 28 Sgr.
* Berlin, 17. April.

Die Deputirten, namentlich die der Linken, werden jetzt von der Provinz aus sehr strenge überwacht und kontrollirt. In einzelnen provinziellen Wahlkreisen geht man sogar so weit, daß man förmliche kontrollirende Comite's niedergesetzt hat, welche nicht nur die stenographischen Berichte ausführlich zu lesen und dann Bericht zu erstatten haben, sondern welche auch von Zeit zu Zeit nach der Residenz reisen müssen, um sich von Sitz und Stimme ihrer Deputirten persönlich zu überzeugen. Zu gleicher Zeit haben die Ueberwachungsmänner ein starkes Augenmerk auf die Parteithätigkeit ihrer Abgeordneten zu richten, sowie sie ihnen bei dieser Gelegenheit die persönlichen Wünsche der Kommittenten mündlich zu überbringen beauftragt. Derartige provinzielle Deputationen sind bereits von nah und fern viele hier eingetroffen, und fast jeden Abend in der Konversations-Halle zu treffen. Bemerkenswerth ist jedoch hierbei, daß trotz dieser Ueberwachung in der jüngsten Zeit verschiedentlich mehr Mitglieder der Linken als der Rechten in den Sitzungen vermißt wurden, was sich besonders bei dem Plakatgesetze herausstellte, wo von jener Seite 18, von dieser aber nur 12 Mitglieder fehlten. Die Besetzung der Donaufürstenthümer durch die Russen hat bereits gleichfalls provinzielle Deputationen bewogen, sich zu ihren Deputirten nach Berlin zu begeben, um sie zu betreffenden Interpellationen zu veranlassen. Von jener Okkupation wird namentlich Niederschlesien betroffen, welche Provinz mehrere ihrer Fabrikate nach den Donauländern absetzt.

Die Fach-Kommission der zweiten Kammer für Handel und Gewerbe hat bereits ein so reiches Material zur Verarbeitung, vier Gesetzentwürfe, fünf Anträge von Kammermitgliedern und gegen 200 Petitionen, vorliegen, daß sie in ihrem ersten Bericht, welcher gestern an die Deputirten vertheilt ist, auf eine Verstärkung der aus 14 Mitgliedern bestehenden Kommission um noch 7 neu zu wählende anträgt. - Die vorliegenden Gesetzentwürfe sind die durch das gegenwärtige Ministerium octroyirten Gewerbegesetze; - die Anträge der Kammermitglieder beziehen sich fast alle auf Aufhebung von Lasten, die annoch auf gewerblichen Anlagen auf dem platten Lande ruhen; - die Petitionen dagegen sind der verschiedensten Art; sie stehen unter einander oft im direktesten Widerspruche: die einen verlangen vollständige Gewerbefreiheit, die andern sind selbst mit den Beschränkungen, wie sie die Februar-Gesetze gegeben, noch nicht zufrieden; wieder andere verlangen Erhöhung der Schutzzölle - noch andere die Herabsetzung derselben. Dieses Chaos der widerstreitendsten Forderungen ist denn auch ferner die Veranlassung gewesen, daß die Kommission von der Kammer die Ermächtigung verlangt hat, zu ihren Berathungen "solche Mitglieder der Kammer, welche über bestimmte Verhältnisse Auskunft zu geben, durch ihren Beruf oder ihre Erfahrung geeignet sind, und sofern es in einzelnen Fällen nöthig erscheinen sollte, auch Sachverständige außerhalb der Kammer mit berathender Stimme zuziehen."

Von verläßlicher Hand erfahren wir, das Louis Philipp, Exkönig von Frankreich, 5 Millionen Francs, die er bei dem Hause der Gebrüder Schickler in Paris niedergelegt hatte, so eben flüssig machte. Unsere Quelle ist eine ziemlich unmittelbare, da die Schicklers auch hier ein Haus haben. Es entsteht hiernach die Vermuthung, daß die Bestrebungen des Julikönigs wieder praktischen und vielleicht ziemlich weitgreifenden Boden gewinnen.

Die früher erwähnte sogenannte konservative Verbrüderung zum Behuf der Arbeitvertheilung an nur politisch Gleichgesinnte hat sich konstituirt. Die oberste Leitung führt ein Centralausschuß, bestehend aus einem Präsidenten, einem Vicepräsidenten und 36 octroyirten Vertrauensmännern, diese Letzteren sind in ihrem Bezirke wiederum die Vorsitzenden, haben denselben in Sektionen getheilt, und die nöthige Anzahl von Sektions-Vertrauensmännern octroyirt. Jeder dieser Letzteren hat 3 bis 6 Häuser zu überwachen, d. h. genau Achtung zu geben über die Gespräche und Aeußerungen der Einwohner, welche Lokale sie besuchen, welche Zeitungen gelesen werden u. s. w. Dieses gibt alsdann den Maßstab für die Gutgesinnten und für die Schlechtgesinnten. Letztere werden auf eine Liste gesetzt, welche jedem Gutgesinnten mitgetheilt wird. Die Verpflichtung der Letztern ist alsdann, bei keinem Schlechtgesinnten zu kaufen oder arbeiten zu lassen. Aerzte dürfen die Kranken derselben nicht besuchen, bei Beamten soll über jedes Verhalten derselben an die Vorgesetzten berichtet und alsdann so lange gegen sie gemaßregelt werden, bis der ganze Beamtenstand von Schlechtgesinnten gereinigt ist.

* Berlin, 17. April.

Im Sommer v. J. vereinigten sich die Handlungsgehülfen mehrerer Kaufleute, um dieselben durch Fenstereinwerfen, Katzenmusiken etc. zu zwingen, die Geschäftslokale früher wie bisher zu schließen. Der Staatsanwalt hat deshalb Anklage erhoben und der Prozeß kam gestern zur Verhandlung. Stieber, als Vertheidiger, bewies, daß das Fenstereinwerfen nur eine Concussion sei, auf welche eine Strafe von höchstens 50 Thlr. gesetzt ist. Der Gerichtshof hielt es aber mit dem Staatsanwalt für muthwillige Beschädigung fremden Eigenthums und verurtheilte demgemäß die Angeklagten zu 9 Monat und 1 Jahr Gefängnißstrafe.

Die Justizanarchie, welche durch die Organisation des Herrn Rintelen hervorgerufen, wird immer drängender. Man hat z. B. im Bezirk des Appellationsgerichts zu Stettin bei verschiedenen Klagen den Einwand der Inkompetenz der Kreisgerichte gemacht. Nach Art 105 der Verfassung sei der Minister noch nicht berechtigt gewesen, so tief einschneidende Gesetze ohne den ständischen Beirath zu erlassen und es sei demnächst auch die motivirte Tagesordnung der Kammer so ausgefallen, daß die neuen Gerichte gar nicht berechtigt wären, zu urtheilen. Wie aber, wenn dieser Einwand auch von den Obergerichten anerkannt wird?

Von Seiten des Hrn. Harkort sind verschiedene Anknüpfungen mit Hrn. Rodbertus versucht worden. Der Letztere wollte jedoch nur auf eine Annäherung eingehen, wenn Hr. Harkort nicht ein Programm vorlege, was demselben wohl sehr schwer werden muß, da er nicht geneigt scheint, diesem Wunsche Folge zu geben.

Hr. v. Saucken hatte an den König bei Gelegenheit seiner Abreise nach Frankfurt a. M. einen Brief geschrieben, in welchem er die Politik des jetzigen Ministeriums heftig tadelte, und die Gefahren darlegte, zu welchen dieselbe führen müsse. Der Brief soll indessen nicht die gehoffte Wirkung gemacht haben; Majestät sollen im Gegentheil sehr ungehalten über diesen "unzeitigen und nicht erforderten" Rath geworden sein.

Die Kommission für die Belagerungszustände hat zum Referenten für Posen: v. Roeder, zum Coreserenten Liebelt; für Erfurt: Krahn, Görz-Wrisberg; für Kreuzburg: Wallmuth, Scheele gewählt.

Unter den Beiträgen für das Denkmal auf dem Friedrichshain befinden sich auch 9 Thlr. gesammelt von Soldaten des 24. Regiments und dem Abgeordneten Waldeck übergeben.

In der Stadt London, dem Sammelplatz der Rechten, ist freie Tafel für Alle, besonders junge Assessoren, Referendarien, welche reaktionär sind oder es werden wollen. Die großen Staatsmänner kneipen mit den saubern Jünglingen, um durch diese materiellen Mittel Proselyten zu machen, da die des Geistes nichts mehr fruchten wollen. Natürlich fehlt es auch an geistreichen Toasten nicht und ein ehrenwerthes Mitglied der Rechten zeichnete sich neulich durch folgendes Meisterstück aus: "Wir haben nun die Menschen leben lassen, wir wollen auch die Vögel nicht vergessen (allgemeines Erstaunen), ich meine den Hrn. v. Vincke! (Beifall) er mäusert sich jetzt, hoffen wir, daß die Zeit des Mäuserns bald bei ihm vorüber ist, und er wieder unter uns erscheint!"

Neue Rheinische Zeitung
Organ der Demokratie.
No 277. Köln, Freitag, den 20. April. 1849.

Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.

Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. ‒ Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. ‒ Nur frankirte Briefe werden angenommen. ‒ Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.

Zweite Ausgabe.

Deutschland.
* Köln, 19. April.

Folgendes ist der Wortlaut des Anklageakts gegen Lassalle und Weyers, der den Angeklagten vor einigen Tagen zugestellt wurde. Wir werden hierauf, so wie auf das Verweisungsurtheil des Kölner Anklagesenats zurückkommen.

Anklageact

gegen

1. Ferdinand Lassalle, 23 Jahre alt, ohne Geschäft, geboren zu Breslau und

2. Peter Wilhelm Weyers, 35 Jahre alt, Taglöhner, geboren zu Boeyell, beide wohnhaft zu Düsseldorf.

Die Stadt Düsseldorf war in der letzten Zeit der Heerd einer lebhaften politischen Bewegung, an welcher sich der, durch frühere gerichtliche Verhandlungen bekannte Angeklagte Ferdinand Lassalle zunächst als Mitglied des sogenannten Volksklubs betheiligte. Als Redner in diesen und in andern Klubs und in öffentlichen Versammlungen erlangte er eine nicht unbedeutende Geltung, und machte sich den verschiedenen Parteien annehmlich; zugleich übte er einen unverkennbaren Einfluß auf die Haltung der städtischen Bürgerwehr, in deren Reihen er sich eingedrängt hatte, obwohl er wegen Theilnahme an einer Verleumdung durch ein Urtheil vom 10. Januar 1848 der bürgerlichen Rechte und somit auch des Rechtes Waffen zu tragen, für den Zeitraum von fünf Jahren verlustig erklärt worden war.

Lassalle kam in Düsseldorf auch mit dem Taglöhner Peter Wilhelm Weyers zusammen, welcher damals vom Verkaufe politischer Flugblätter, vom Ank eben von Plakaten und vom Sammlen von Unterschriften lebte, und hierzu auch von Lassalle benutzt wurde. Beide begaben sich am 21. November Nachmittags zusammen nach Neuß, um hier eine Volksversammlung abzuhalten. Es war dies der Augenblick, wo die bekannten Zerwürfniße zwischen der National-Versammlung und dem Ministerium das ganze Land in die größte Aufregung versetzt hatten, und wo eine revolutionäre Partei jedes Mittel aufbot, den Beschluß der Steuerverweigerung wo möglich zum gewaltsamen Umsturtz der bestehenden Staatsverfassung auszubeuten.

In welcher Weise Lassalle diese Vorgänge aufgefaßt zu sehen wünschte, findet sich in verschiedenen Adressen ausgedruckt, welche von Lassalle entworfen und veröffentlicht worden sind; so in einer Adresse vom 19. November im Namen der Landwehrmänner des Kreises Düsseldorf an die National-Versammlung gerichtet. ‒ „Von diesem Augenblicke an kennen wir keine andere gesetzliche Regierungsgewalt im Staate, als die National-Versammlung. Wir schwören der National-Versammlung, daß wir gerüstet ihren Aufruf erwarten, um zu zeigen, daß die Kraft noch nicht gewichen ist aus den Söhnen des Vaterlandes;“ ‒ und in einer anderen Adresse an demselben Tage, unter dem Namen der Bürgerwehr an die National-Versammlung gerichtet: ‒ „der passive Widerstand ist erschöpft. Wir beschwören die National-Versammlung: erlassen Sie den Ruf zu den Waffen, den Ruf zur Pflicht!“

Lassalles persönl. Standpunkt ist aber noch bestimmter und schärfer in einem Schreiben ausgedrückt, welches er am Tage des 21 Novembers an einen ihm bekannten Landwirth Johannn Stangier zu Völsen im Kreise Altenkirchen abschickte; es liegt vor und lautet folgendermaaßen: „Lieber Stangier! Bald wird das ganze Land unter Waffen stehen. Rüstet Eure Leute, sorgt für Munition. In Düsseldorf geht der Kampf sehr bald los. Ich rechne darauf, daß sofort auf die Nachricht Du mit einigen hundert Mann hierher marschirst. Antworte mir darüber. Wir siegen diesmal jedenfalls und dann ist Eure ganze Noth für immer geendet. Hierbei Placate, vertheile sie und laß sie abdrucken. Ich erwarte umgehend von Dir Brief darüber, wie es bei Euch aussieht, und ob wir uns darauf verlassen können, daß ihr einige hundert Mann hoch her marschirt, wenn wir anfangen. ‒

In Eile, Düsseldorf, 21. November

„(gez.) F. Lassalle“

Ein diesem Brief beigelegter Zettel enthält noch:

„Nachschrift. Lieber Stangier. Das Beste ist, wenn Du augenblicklich zu mir herkommst, wo wir vieles am schnellsten besprechen können.“

(gez.) F. Lassalle“

Mit diesen Gesinnungen kam Lassalle nach Neuß, begleitet von Weyers. In Neuß hatten in den letzt vergangenen Tagen schon verschiedene Besprechungen exaltirter Personen stattgefunden, zunächst, um neben der Bürgerwehr eine allgemeine Bewaffnung der Masse zu erreichen. Jetzt ließ Lassalle sofort eine Volksversammlung im Lokale des Wirths Lucas in Neuß für den Abend verkünden; Weyers übernahm, gegen den Willen des Ortsbürgermeisters, die öffentliche Bekanntmachung durch Schellenklang Es fand sich eine größere Anzahl von Personen ein, als der Raum aufnehmen konnte

Lassalle sprach zuerst, und der Inhalt seiner Rede ist in ihrem Zusammenhange sowie in ihren einzelnen Theilen von mehrernZuhörern bekundet worden. Es mag hier genügen, ein paar Zeugniße mitzutheilen, mit welchen die übrigen übereinstimmen; dabei ist hier nur das übergangen, was Lassale rücksichtlich des Widerstandes gegen die Steuererhebung gesprochen hat, weil dieses einem andern Gerichte überwiesen ist. ‒

Der Makler Hubert Faßbinder aus Neuß bekundet wie folgt: Nachdem Lassalle das Verhältniß zwischen Krone und National-Versammlung auseinandergesetzt hatte, sprach derselbe davon „es sei jetzt die Zeit gekommen, wo man durch actives Handeln die National-Versammlung unterstützen müsse; man möge die Zeit nicht unbenutzt vorüber gehen lassen; das Volk müsse in Masse sich erheben und bewaffnen, und würde in Düsseldorf auch bereits Munition geschafft und Tag und Nacht Kugeln gegossen; dort sei man zum Kampfe bereit, aber allein zu schwach; die Umgegend und auch Neuß müsse sich an dem Kampfe betheiligen; man solle den Leuten, welche Jagdgewehre hätten, und nicht kämpfen wollten, die Gewehre nur abnehmen und den Gemeinderath um Geldmittel für die Munition angehen; es würden die Düsseldorfer schon dafür sorgen, daß die Schiffbrücke frei und wir Neußer ungehindert zu Hilfe kommen könnten. Die Provinz Schlesien sei bereits in vollem Aufstande, die Rheiprovinz dürfe nicht zurückbleiben, man müsse mit Waffengewalt die errungenen Freiheiten zu wahren suchen, jetzt sei der rechte Zeitpunkt.

Der Sekretair Michel Krings aus Neuß gibt dieselbe Rede in folgender Weise wieder: „die National-Versammlung habe sich bisher passiv verhalten, das Volk müsse aber jetzt durch actives Handeln sie unterstützen, die Zeit dazu sei gekommen und dürfe nicht unbenutzt vorübergehen; man müsse sich rüsten, der Kampf stehe nahe bevor und sei unvermeidlich; in Düsseldorf sei man bereit dazu, rechne aber auf die Unterstützung der Umgegend und auch von Neuß, weil man allein zu schwach sei; man solle eine Commission zur Beschaffung von Waffen erwählen; man solle den Gemeinderath zur Beschaffung der Mittel für Munition auffordern, und sei man unzufrieden mit ihm, solle man ihn absetzen; Man vertraue dem Muth der Neußer und erwarte, daß sie die auf der Linken Rheinseite aufgestellten Batterien nehmen würden, ‒ man solle gerüstet da stehen, damit, wenn in Düsseldorf der Aufruf ergehe und das Zeichen gegeben werde, man zu Hilfe kommmen könne; man vertraue dem Muthe der Neußer, man solle in Neuß eine Commission zur Beschaffung von Waffen erwählen; sichern Nachrichten gemäß breche am 20. Nov. in Schlesien der Aufstand aus; die Rheinländer hätten seit 20 Jahren den Ruhm des Liberalismus, und sie sollten jetzt zeigen, daß sie liberal wären; ließe man den jetzigen Zeitpunkt vorübergehen, so sei die Freiheit auf lange untergraben.

Nach der Aussage des Schuhmachers Wilhelm Beckers aus Neuß ging die ganze Rede darauf hinaus, sich bewaffnet dem Militär gegenüber zustellen, und das Volk aufzuwiegeln. Im Einzelnen bekundet der Zeuge: Lassalle habe ungefähr in der Weise gesprochen: es stehe in Düsseldorf die Bürgerwehr zum Losschlagen bereit; doch rechne man namentlich auf Neuß und die Umgegend, daß sie beim ersten Sturmläuten zu Hülfe kommen und die Batterien bei Neuß nehmen würden; es sei jetzt die Zeit, die National-Versammlung durch actives Handeln zu unterstützen; das Volk müsse sich bewaffnen, und noch am selbigen Abend eine Liste angefertigt werden, worin sich die Eingezeichneten verpflichten, den Düsseldorfern zu Hülfe zu ziehen, in Schlesien breche der Aufstand aus, und die Rheinländer sollten nicht zurückbleiben.“

Lassalles Rede wurde mit Beifall aufgenommen. Nach ihm sprach Weyers; es gelang ihm weniger, die Aufmerksamkeit des Publikums zu fesseln, und seine Rede wird nur bruchstückweise von den Zuhörern bekundet. Weyers bemerkt beim Eingange, er rede nicht zu den Aristokraten, sondern zu den Demokraten, und er warnte dann vor der National-Versammlung selbst (Zeuge Krings;) hierauf erging er sich in Schimpfreden gegen die Person des Königs, und im weitern Vortrage äußerte er: „es sei ein König, welchem man die Krone keine Viertelstunde länger belassen solle (Zeuge Wilhelm Beckers;) und sprach das Wort: „Tod dem Könige!“ (Zeuge Michael Krings;) las sodann ein Schreiben vor, nach welchem man in Schlesien am 20. November losschlagen wollte, und forderte auf sich in derselben Weise zu erheben und sich den Schlesiern anzuschließen.“ (Zeuge Peter Joseph Zingsen.) ‒

Lassalle, welcher den ungünstigsten Eindruck hatte bemerken können, welchen die Schimpfreden seines Begleiters gemacht hatten, nahm nun noch einmal das Wort, um zu sagen, daß es nicht an der Zeit sei, sich in Schimpfreden zu ergehen; er wies sodann auf die Wegnahme der Waffen hin, welche sich im Landwehrzeughause von Neuß befinden.

Sodann verließen Lassalle und Weyers die Versammlung und kehrten nach Düsseldorf zurück. ‒

In der Versammlung selbst wurde noch weiter über activen und passiven Widerstand debattirt, und nach dem Rathe Lassalles eine Commission zur Beschaffung von Munition gewählt. ‒

Durch die Ereignisse der folgenden Tage sind die Reden und die Beschlüsse dieser Volks-Versammlung in den Hintergrund getreten, und hat sich kein weiterer Erfolg aus ihnen entwickelt.

Bei der hiernächst über diesen und andere verwande Vorgänge eingeleiteten Untersuchung hat Lassalle für sich in Anspruch genommen, daß er „ein Revolutionär aus Prinzip“ sei; Weyers hat angegeben, daß es ihm nur um den Erwerb zu thun gewesen sei; beide Angeklagte haben sich gerade der wesentlichsten Stellen ihrer zu Neuß gehaltenen Reden nicht erinnern wollen. ‒

Ferdinand Lassalle und Peter Wilhelm Weyers werden demnach angeklagt: am 21. November 1848 in öffentlicher Versammlung zu Neuß die Bürger zur Bewaffnung gegen die Königliche Gewalt direct aufgefordert zu haben, ohne daß diese Aufforderung einen Erfolg gehabt. ‒ Verbrechen gegen Art. 87 und 102 des Str. G. B.

Köln den 24. März 1849.

Der General Procurator beim Kgl. Rhein. Appellations Gerichtshofe

(gez.) Nikolovius pro copiis.

(gez.) J. H. Jungbluth.

Im Jahre 1849 am 2. April habe ich unterzeichneter Johann Heinrich Jungbluth, Gerichtsvollzieher am Königl. Landgerichte zu Düsseldorf angestellt und daselbst wohnhaft, im Auftrage des öffentlichen Ministeriums den Angeklagten Ferdinand Lassalle ohne Geschäft zu Düsseldorf wohnhaft in dem Aresthause daselbst sprechend zu seiner Person:

1. Die Entscheidung des Königl. Rheinischen Appellations-Gerichtshofs zu Köln vom 17. Marz laufenden Jahres, 2. dem von den Herrn General-Procurator daselbst gefertigten Anklageact vom 24. nämlichen Monats abschriftlich zugestellt und nebst Abschrift dieses Akts mit dem Bemerken hinterlassen, daß die besagte Entscheidung in des Register der Criminal-Gefangenen eingeschrieben ist. Kosten 1 Thlr. 28 Sgr.

Geschehen Dusseldorf am Tage wie oben.

(gez.) J. H, Jungbluth.

Kosten.

OriginalThlr.4Sgr.
2 CopienThlr.8Sgr.
19 Rollen1Thlr.8Sgr.
2 EintragungenThlr.8Sgr.
Summa 1 Thlr. 28 Sgr.
* Berlin, 17. April.

Die Deputirten, namentlich die der Linken, werden jetzt von der Provinz aus sehr strenge überwacht und kontrollirt. In einzelnen provinziellen Wahlkreisen geht man sogar so weit, daß man förmliche kontrollirende Comité's niedergesetzt hat, welche nicht nur die stenographischen Berichte ausführlich zu lesen und dann Bericht zu erstatten haben, sondern welche auch von Zeit zu Zeit nach der Residenz reisen müssen, um sich von Sitz und Stimme ihrer Deputirten persönlich zu überzeugen. Zu gleicher Zeit haben die Ueberwachungsmänner ein starkes Augenmerk auf die Parteithätigkeit ihrer Abgeordneten zu richten, sowie sie ihnen bei dieser Gelegenheit die persönlichen Wünsche der Kommittenten mündlich zu überbringen beauftragt. Derartige provinzielle Deputationen sind bereits von nah und fern viele hier eingetroffen, und fast jeden Abend in der Konversations-Halle zu treffen. Bemerkenswerth ist jedoch hierbei, daß trotz dieser Ueberwachung in der jüngsten Zeit verschiedentlich mehr Mitglieder der Linken als der Rechten in den Sitzungen vermißt wurden, was sich besonders bei dem Plakatgesetze herausstellte, wo von jener Seite 18, von dieser aber nur 12 Mitglieder fehlten. Die Besetzung der Donaufürstenthümer durch die Russen hat bereits gleichfalls provinzielle Deputationen bewogen, sich zu ihren Deputirten nach Berlin zu begeben, um sie zu betreffenden Interpellationen zu veranlassen. Von jener Okkupation wird namentlich Niederschlesien betroffen, welche Provinz mehrere ihrer Fabrikate nach den Donauländern absetzt.

Die Fach-Kommission der zweiten Kammer für Handel und Gewerbe hat bereits ein so reiches Material zur Verarbeitung, vier Gesetzentwürfe, fünf Anträge von Kammermitgliedern und gegen 200 Petitionen, vorliegen, daß sie in ihrem ersten Bericht, welcher gestern an die Deputirten vertheilt ist, auf eine Verstärkung der aus 14 Mitgliedern bestehenden Kommission um noch 7 neu zu wählende anträgt. ‒ Die vorliegenden Gesetzentwürfe sind die durch das gegenwärtige Ministerium octroyirten Gewerbegesetze; ‒ die Anträge der Kammermitglieder beziehen sich fast alle auf Aufhebung von Lasten, die annoch auf gewerblichen Anlagen auf dem platten Lande ruhen; ‒ die Petitionen dagegen sind der verschiedensten Art; sie stehen unter einander oft im direktesten Widerspruche: die einen verlangen vollständige Gewerbefreiheit, die andern sind selbst mit den Beschränkungen, wie sie die Februar-Gesetze gegeben, noch nicht zufrieden; wieder andere verlangen Erhöhung der Schutzzölle ‒ noch andere die Herabsetzung derselben. Dieses Chaos der widerstreitendsten Forderungen ist denn auch ferner die Veranlassung gewesen, daß die Kommission von der Kammer die Ermächtigung verlangt hat, zu ihren Berathungen „solche Mitglieder der Kammer, welche über bestimmte Verhältnisse Auskunft zu geben, durch ihren Beruf oder ihre Erfahrung geeignet sind, und sofern es in einzelnen Fällen nöthig erscheinen sollte, auch Sachverständige außerhalb der Kammer mit berathender Stimme zuziehen.“

Von verläßlicher Hand erfahren wir, das Louis Philipp, Exkönig von Frankreich, 5 Millionen Francs, die er bei dem Hause der Gebrüder Schickler in Paris niedergelegt hatte, so eben flüssig machte. Unsere Quelle ist eine ziemlich unmittelbare, da die Schicklers auch hier ein Haus haben. Es entsteht hiernach die Vermuthung, daß die Bestrebungen des Julikönigs wieder praktischen und vielleicht ziemlich weitgreifenden Boden gewinnen.

Die früher erwähnte sogenannte konservative Verbrüderung zum Behuf der Arbeitvertheilung an nur politisch Gleichgesinnte hat sich konstituirt. Die oberste Leitung führt ein Centralausschuß, bestehend aus einem Präsidenten, einem Vicepräsidenten und 36 octroyirten Vertrauensmännern, diese Letzteren sind in ihrem Bezirke wiederum die Vorsitzenden, haben denselben in Sektionen getheilt, und die nöthige Anzahl von Sektions-Vertrauensmännern octroyirt. Jeder dieser Letzteren hat 3 bis 6 Häuser zu überwachen, d. h. genau Achtung zu geben über die Gespräche und Aeußerungen der Einwohner, welche Lokale sie besuchen, welche Zeitungen gelesen werden u. s. w. Dieses gibt alsdann den Maßstab für die Gutgesinnten und für die Schlechtgesinnten. Letztere werden auf eine Liste gesetzt, welche jedem Gutgesinnten mitgetheilt wird. Die Verpflichtung der Letztern ist alsdann, bei keinem Schlechtgesinnten zu kaufen oder arbeiten zu lassen. Aerzte dürfen die Kranken derselben nicht besuchen, bei Beamten soll über jedes Verhalten derselben an die Vorgesetzten berichtet und alsdann so lange gegen sie gemaßregelt werden, bis der ganze Beamtenstand von Schlechtgesinnten gereinigt ist.

* Berlin, 17. April.

Im Sommer v. J. vereinigten sich die Handlungsgehülfen mehrerer Kaufleute, um dieselben durch Fenstereinwerfen, Katzenmusiken etc. zu zwingen, die Geschäftslokale früher wie bisher zu schließen. Der Staatsanwalt hat deshalb Anklage erhoben und der Prozeß kam gestern zur Verhandlung. Stieber, als Vertheidiger, bewies, daß das Fenstereinwerfen nur eine Concussion sei, auf welche eine Strafe von höchstens 50 Thlr. gesetzt ist. Der Gerichtshof hielt es aber mit dem Staatsanwalt für muthwillige Beschädigung fremden Eigenthums und verurtheilte demgemäß die Angeklagten zu 9 Monat und 1 Jahr Gefängnißstrafe.

Die Justizanarchie, welche durch die Organisation des Herrn Rintelen hervorgerufen, wird immer drängender. Man hat z. B. im Bezirk des Appellationsgerichts zu Stettin bei verschiedenen Klagen den Einwand der Inkompetenz der Kreisgerichte gemacht. Nach Art 105 der Verfassung sei der Minister noch nicht berechtigt gewesen, so tief einschneidende Gesetze ohne den ständischen Beirath zu erlassen und es sei demnächst auch die motivirte Tagesordnung der Kammer so ausgefallen, daß die neuen Gerichte gar nicht berechtigt wären, zu urtheilen. Wie aber, wenn dieser Einwand auch von den Obergerichten anerkannt wird?

Von Seiten des Hrn. Harkort sind verschiedene Anknüpfungen mit Hrn. Rodbertus versucht worden. Der Letztere wollte jedoch nur auf eine Annäherung eingehen, wenn Hr. Harkort nicht ein Programm vorlege, was demselben wohl sehr schwer werden muß, da er nicht geneigt scheint, diesem Wunsche Folge zu geben.

Hr. v. Saucken hatte an den König bei Gelegenheit seiner Abreise nach Frankfurt a. M. einen Brief geschrieben, in welchem er die Politik des jetzigen Ministeriums heftig tadelte, und die Gefahren darlegte, zu welchen dieselbe führen müsse. Der Brief soll indessen nicht die gehoffte Wirkung gemacht haben; Majestät sollen im Gegentheil sehr ungehalten über diesen „unzeitigen und nicht erforderten“ Rath geworden sein.

Die Kommission für die Belagerungszustände hat zum Referenten für Posen: v. Roeder, zum Coreserenten Liebelt; für Erfurt: Krahn, Görz-Wrisberg; für Kreuzburg: Wallmuth, Scheele gewählt.

Unter den Beiträgen für das Denkmal auf dem Friedrichshain befinden sich auch 9 Thlr. gesammelt von Soldaten des 24. Regiments und dem Abgeordneten Waldeck übergeben.

In der Stadt London, dem Sammelplatz der Rechten, ist freie Tafel für Alle, besonders junge Assessoren, Referendarien, welche reaktionär sind oder es werden wollen. Die großen Staatsmänner kneipen mit den saubern Jünglingen, um durch diese materiellen Mittel Proselyten zu machen, da die des Geistes nichts mehr fruchten wollen. Natürlich fehlt es auch an geistreichen Toasten nicht und ein ehrenwerthes Mitglied der Rechten zeichnete sich neulich durch folgendes Meisterstück aus: „Wir haben nun die Menschen leben lassen, wir wollen auch die Vögel nicht vergessen (allgemeines Erstaunen), ich meine den Hrn. v. Vincke! (Beifall) er mäusert sich jetzt, hoffen wir, daß die Zeit des Mäuserns bald bei ihm vorüber ist, und er wieder unter uns erscheint!“

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        <titlePart type="main">Neue Rheinische Zeitung</titlePart>
        <titlePart type="sub">Organ der Demokratie.</titlePart>
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          <docDate>No 277. Köln, Freitag, den 20. April. 1849.</docDate>
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        <p>Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. &#x2012; Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau.</p>
        <p>Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. &#x2012; Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. &#x2012; Nur frankirte Briefe werden angenommen. &#x2012; Expedition in Aachen bei <hi rendition="#g">Ernst ter Meer;</hi> in Düsseldorf bei <hi rendition="#g">F. W. Schmitz,</hi> Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17.</p>
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        <p> <hi rendition="#b">Zweite Ausgabe.</hi> </p>
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        <head>Deutschland.</head>
        <div xml:id="ar277-2_001" type="jArticle">
          <head><bibl><author>*</author></bibl> Köln, 19. April.</head>
          <p>Folgendes ist der Wortlaut des Anklageakts gegen Lassalle und Weyers, der den Angeklagten vor einigen Tagen zugestellt wurde. Wir werden hierauf, so wie auf das Verweisungsurtheil des Kölner Anklagesenats zurückkommen.</p>
          <p> <hi rendition="#g">Anklageact</hi> </p>
          <p>gegen</p>
          <p>1. Ferdinand Lassalle, 23 Jahre alt, ohne Geschäft, geboren zu Breslau und</p>
          <p>2. Peter Wilhelm Weyers, 35 Jahre alt, Taglöhner, geboren zu Boeyell, beide wohnhaft zu Düsseldorf.</p>
          <p>Die Stadt Düsseldorf war in der letzten Zeit der Heerd einer lebhaften politischen Bewegung, an welcher sich der, durch frühere gerichtliche Verhandlungen bekannte Angeklagte Ferdinand Lassalle zunächst als Mitglied des sogenannten Volksklubs betheiligte. Als Redner in diesen und in andern Klubs und in öffentlichen Versammlungen erlangte er eine nicht unbedeutende Geltung, und machte sich den verschiedenen Parteien annehmlich; zugleich übte er einen unverkennbaren Einfluß auf die Haltung der städtischen Bürgerwehr, in deren Reihen er sich eingedrängt hatte, obwohl er wegen Theilnahme an einer Verleumdung durch ein Urtheil vom 10. Januar 1848 der bürgerlichen Rechte und somit auch des Rechtes Waffen zu tragen, für den Zeitraum von fünf Jahren verlustig erklärt worden war.</p>
          <p>Lassalle kam in Düsseldorf auch mit dem Taglöhner Peter Wilhelm Weyers zusammen, welcher damals vom Verkaufe politischer Flugblätter, vom Ank eben von Plakaten und vom Sammlen von Unterschriften lebte, und hierzu auch von Lassalle benutzt wurde. Beide begaben sich am 21. November Nachmittags zusammen nach Neuß, um hier eine Volksversammlung abzuhalten. Es war dies der Augenblick, wo die bekannten Zerwürfniße zwischen der National-Versammlung und dem Ministerium das ganze Land in die größte Aufregung versetzt hatten, und wo eine revolutionäre Partei jedes Mittel aufbot, den Beschluß der Steuerverweigerung wo möglich zum gewaltsamen Umsturtz der bestehenden Staatsverfassung auszubeuten.</p>
          <p>In welcher Weise Lassalle diese Vorgänge aufgefaßt zu sehen wünschte, findet sich in verschiedenen Adressen ausgedruckt, welche von Lassalle entworfen und veröffentlicht worden sind; so in einer Adresse vom 19. November im Namen der Landwehrmänner des Kreises Düsseldorf an die National-Versammlung gerichtet. &#x2012; &#x201E;Von diesem Augenblicke an kennen wir keine andere gesetzliche Regierungsgewalt im Staate, als die National-Versammlung. Wir schwören der National-Versammlung, daß wir gerüstet ihren Aufruf erwarten, um zu zeigen, daß die Kraft noch nicht gewichen ist aus den Söhnen des Vaterlandes;&#x201C; &#x2012; und in einer anderen Adresse an demselben Tage, unter dem Namen der Bürgerwehr an die National-Versammlung gerichtet: &#x2012; &#x201E;der passive Widerstand ist erschöpft. Wir beschwören die National-Versammlung: erlassen Sie den Ruf zu den Waffen, den Ruf zur Pflicht!&#x201C;</p>
          <p>Lassalles persönl. Standpunkt ist aber noch bestimmter und schärfer in einem Schreiben ausgedrückt, welches er am Tage des 21 Novembers an einen ihm bekannten Landwirth Johannn Stangier zu Völsen im Kreise Altenkirchen abschickte; es liegt vor und lautet folgendermaaßen: &#x201E;Lieber Stangier! Bald wird das ganze Land unter Waffen stehen. Rüstet Eure Leute, sorgt für Munition. In Düsseldorf geht der Kampf sehr bald los. Ich rechne darauf, daß sofort auf die Nachricht Du mit einigen hundert Mann hierher marschirst. Antworte mir darüber. Wir siegen diesmal jedenfalls und dann ist Eure ganze Noth für immer geendet. Hierbei Placate, vertheile sie und laß sie abdrucken. Ich erwarte umgehend von Dir Brief darüber, wie es bei Euch aussieht, und ob wir uns darauf verlassen können, daß ihr einige hundert Mann hoch her marschirt, wenn wir anfangen. &#x2012;</p>
          <p>In Eile, Düsseldorf, 21. November</p>
          <p>&#x201E;(gez.) F. Lassalle&#x201C;</p>
          <p>Ein diesem Brief beigelegter Zettel enthält noch:</p>
          <p>&#x201E;Nachschrift. Lieber Stangier. Das Beste ist, wenn Du <hi rendition="#g">augenblicklich</hi> zu mir herkommst, wo wir vieles am schnellsten besprechen können.&#x201C;</p>
          <p>(gez.) F. Lassalle&#x201C;</p>
          <p>Mit diesen Gesinnungen kam Lassalle nach Neuß, begleitet von Weyers. In Neuß hatten in den letzt vergangenen Tagen schon verschiedene Besprechungen exaltirter Personen stattgefunden, zunächst, um neben der Bürgerwehr eine allgemeine Bewaffnung der Masse zu erreichen. Jetzt ließ Lassalle sofort eine Volksversammlung im Lokale des Wirths Lucas in Neuß für den Abend verkünden; Weyers übernahm, gegen den Willen des Ortsbürgermeisters, die öffentliche Bekanntmachung durch Schellenklang Es fand sich eine größere Anzahl von Personen ein, als der Raum aufnehmen konnte</p>
          <p>Lassalle sprach zuerst, und der Inhalt seiner Rede ist in ihrem Zusammenhange sowie in ihren einzelnen Theilen von mehrernZuhörern bekundet worden. Es mag hier genügen, ein paar Zeugniße mitzutheilen, mit welchen die übrigen übereinstimmen; dabei ist hier nur das übergangen, was Lassale rücksichtlich des Widerstandes gegen die Steuererhebung gesprochen hat, weil dieses einem andern Gerichte überwiesen ist. &#x2012;</p>
          <p>Der Makler Hubert Faßbinder aus Neuß bekundet wie folgt: Nachdem Lassalle das Verhältniß zwischen Krone und National-Versammlung auseinandergesetzt hatte, sprach derselbe davon &#x201E;es sei jetzt die Zeit gekommen, wo man durch actives Handeln die National-Versammlung unterstützen müsse; man möge die Zeit nicht unbenutzt vorüber gehen lassen; das Volk müsse in Masse sich erheben und bewaffnen, und würde in Düsseldorf auch bereits Munition geschafft und Tag und Nacht Kugeln gegossen; dort sei man zum Kampfe bereit, aber allein zu schwach; die Umgegend und auch Neuß müsse sich an dem Kampfe betheiligen; man solle den Leuten, welche Jagdgewehre hätten, und nicht kämpfen wollten, die Gewehre nur abnehmen und den Gemeinderath um Geldmittel für die Munition angehen; es würden die Düsseldorfer schon dafür sorgen, daß die Schiffbrücke frei und wir Neußer ungehindert zu Hilfe kommen könnten. Die Provinz Schlesien sei bereits in vollem Aufstande, die Rheiprovinz dürfe nicht zurückbleiben, man müsse mit Waffengewalt die errungenen Freiheiten zu wahren suchen, jetzt sei der rechte Zeitpunkt.</p>
          <p>Der Sekretair Michel Krings aus Neuß gibt dieselbe Rede in folgender Weise wieder: &#x201E;die National-Versammlung habe sich bisher passiv verhalten, das Volk müsse aber jetzt durch actives Handeln sie unterstützen, die Zeit dazu sei gekommen und dürfe nicht unbenutzt vorübergehen; man müsse sich rüsten, der Kampf stehe nahe bevor und sei unvermeidlich; in Düsseldorf sei man bereit dazu, rechne aber auf die Unterstützung der Umgegend und auch von Neuß, weil man allein zu schwach sei; man solle eine Commission zur Beschaffung von Waffen erwählen; man solle den Gemeinderath zur Beschaffung der Mittel für Munition auffordern, und sei man unzufrieden mit ihm, solle man ihn absetzen; Man vertraue dem Muth der Neußer und erwarte, daß sie die auf der Linken Rheinseite aufgestellten Batterien nehmen würden, &#x2012; man solle gerüstet da stehen, damit, wenn in Düsseldorf der Aufruf ergehe und das Zeichen gegeben werde, man zu Hilfe kommmen könne; man vertraue dem Muthe der Neußer, man solle in Neuß eine Commission zur Beschaffung von Waffen erwählen; sichern Nachrichten gemäß breche am 20. Nov. in Schlesien der Aufstand aus; die Rheinländer hätten seit 20 Jahren den Ruhm des Liberalismus, und sie sollten jetzt zeigen, daß sie liberal wären; ließe man den jetzigen Zeitpunkt vorübergehen, so sei die Freiheit auf lange untergraben.</p>
          <p>Nach der Aussage des Schuhmachers Wilhelm Beckers aus Neuß ging die ganze Rede darauf hinaus, sich bewaffnet dem Militär gegenüber zustellen, und das Volk aufzuwiegeln. Im Einzelnen bekundet der Zeuge: Lassalle habe ungefähr in der Weise gesprochen: es stehe in Düsseldorf die Bürgerwehr zum Losschlagen bereit; doch rechne man namentlich auf Neuß und die Umgegend, daß sie beim ersten Sturmläuten zu Hülfe kommen und die Batterien bei Neuß nehmen würden; es sei jetzt die Zeit, die National-Versammlung durch actives Handeln zu unterstützen; das Volk müsse sich bewaffnen, und noch am selbigen Abend eine Liste angefertigt werden, worin sich die Eingezeichneten verpflichten, den Düsseldorfern zu Hülfe zu ziehen, in Schlesien breche der Aufstand aus, und die Rheinländer sollten nicht zurückbleiben.&#x201C;</p>
          <p>Lassalles Rede wurde mit Beifall aufgenommen. Nach ihm sprach Weyers; es gelang ihm weniger, die Aufmerksamkeit des Publikums zu fesseln, und seine Rede wird nur bruchstückweise von den Zuhörern bekundet. Weyers bemerkt beim Eingange, er rede nicht zu den Aristokraten, sondern zu den Demokraten, und er warnte dann vor der National-Versammlung selbst (Zeuge Krings;) hierauf erging er sich in Schimpfreden gegen die Person des Königs, und im weitern Vortrage äußerte er: &#x201E;es sei ein König, welchem man die Krone keine Viertelstunde länger belassen solle (Zeuge Wilhelm Beckers;) und sprach das Wort: &#x201E;Tod dem Könige!&#x201C; (Zeuge Michael Krings;) las sodann ein Schreiben vor, nach welchem man in Schlesien am 20. November losschlagen wollte, und forderte auf sich in derselben Weise zu erheben und sich den Schlesiern anzuschließen.&#x201C; (Zeuge Peter Joseph Zingsen.) &#x2012;</p>
          <p>Lassalle, welcher den ungünstigsten Eindruck hatte bemerken können, welchen die Schimpfreden seines Begleiters gemacht hatten, nahm nun noch einmal das Wort, um zu sagen, daß es nicht an der Zeit sei, sich in Schimpfreden zu ergehen; er wies sodann auf die Wegnahme der Waffen hin, welche sich im Landwehrzeughause von Neuß befinden.</p>
          <p>Sodann verließen Lassalle und Weyers die Versammlung und kehrten nach Düsseldorf zurück. &#x2012;</p>
          <p>In der Versammlung selbst wurde noch weiter über activen und passiven Widerstand debattirt, und nach dem Rathe Lassalles eine Commission zur Beschaffung von Munition gewählt. &#x2012;</p>
          <p>Durch die Ereignisse der folgenden Tage sind die Reden und die Beschlüsse dieser Volks-Versammlung in den Hintergrund getreten, und hat sich kein weiterer Erfolg aus ihnen entwickelt.</p>
          <p>Bei der hiernächst über diesen und andere verwande Vorgänge eingeleiteten Untersuchung hat Lassalle für sich in Anspruch genommen, daß er &#x201E;ein Revolutionär aus Prinzip&#x201C; sei; Weyers hat angegeben, daß es ihm nur um den Erwerb zu thun gewesen sei; beide Angeklagte haben sich gerade der wesentlichsten Stellen ihrer zu Neuß gehaltenen Reden nicht erinnern wollen. &#x2012;</p>
          <p>Ferdinand Lassalle und Peter Wilhelm Weyers werden demnach angeklagt: am 21. November 1848 in öffentlicher Versammlung zu Neuß die Bürger zur Bewaffnung gegen die Königliche Gewalt direct aufgefordert zu haben, ohne daß diese Aufforderung einen Erfolg gehabt. &#x2012; Verbrechen gegen Art. 87 und 102 des Str. G. B.</p>
          <p>Köln den 24. März 1849.</p>
          <p>Der General Procurator beim Kgl. Rhein. Appellations Gerichtshofe</p>
          <p>(gez.) Nikolovius pro copiis.</p>
          <p>(gez.) J. H. Jungbluth.</p>
          <p>Im Jahre 1849 am 2. April habe ich unterzeichneter Johann Heinrich Jungbluth, Gerichtsvollzieher am Königl. Landgerichte zu Düsseldorf angestellt und daselbst wohnhaft, im Auftrage des öffentlichen Ministeriums den Angeklagten Ferdinand Lassalle ohne Geschäft zu Düsseldorf wohnhaft in dem Aresthause daselbst sprechend zu seiner Person:</p>
          <p>1. Die Entscheidung des Königl. Rheinischen Appellations-Gerichtshofs zu Köln vom 17. Marz laufenden Jahres, 2. dem von den Herrn General-Procurator daselbst gefertigten Anklageact vom 24. nämlichen Monats abschriftlich zugestellt und nebst Abschrift dieses Akts mit dem Bemerken hinterlassen, daß die besagte Entscheidung in des Register der Criminal-Gefangenen eingeschrieben ist. Kosten 1 Thlr. 28 Sgr.</p>
          <p>Geschehen Dusseldorf am Tage wie oben.</p>
          <p>(gez.) J. H, Jungbluth.</p>
          <p> <hi rendition="#g">Kosten.</hi> </p>
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          <p>Die Fach-Kommission der zweiten Kammer für Handel und Gewerbe hat bereits ein so reiches Material zur Verarbeitung, vier Gesetzentwürfe, fünf Anträge von Kammermitgliedern und gegen 200 Petitionen, vorliegen, daß sie in ihrem ersten Bericht, welcher gestern an die Deputirten vertheilt ist, auf eine Verstärkung der aus 14 Mitgliedern bestehenden Kommission um noch 7 neu zu wählende anträgt. &#x2012; Die vorliegenden Gesetzentwürfe sind die durch das gegenwärtige Ministerium octroyirten Gewerbegesetze; &#x2012; die Anträge der Kammermitglieder beziehen sich fast alle auf Aufhebung von Lasten, die annoch auf gewerblichen Anlagen auf dem platten Lande ruhen; &#x2012; die Petitionen dagegen sind der verschiedensten Art; sie stehen unter einander oft im direktesten Widerspruche: die einen verlangen vollständige Gewerbefreiheit, die andern sind selbst mit den Beschränkungen, wie sie die Februar-Gesetze gegeben, noch nicht zufrieden; wieder andere verlangen Erhöhung der Schutzzölle &#x2012; noch andere die Herabsetzung derselben. Dieses Chaos der widerstreitendsten Forderungen ist denn auch ferner die Veranlassung gewesen, daß die Kommission von der Kammer die Ermächtigung verlangt hat, zu ihren Berathungen &#x201E;solche Mitglieder der Kammer, welche über bestimmte Verhältnisse Auskunft zu geben, durch ihren Beruf oder ihre Erfahrung geeignet sind, und sofern es in einzelnen Fällen nöthig erscheinen sollte, auch Sachverständige außerhalb der Kammer mit berathender Stimme zuziehen.&#x201C;</p>
          <p>Von verläßlicher Hand erfahren wir, das Louis Philipp, Exkönig von Frankreich, 5 Millionen Francs, die er bei dem Hause der Gebrüder Schickler in Paris niedergelegt hatte, so eben flüssig machte. Unsere Quelle ist eine ziemlich unmittelbare, da die Schicklers auch hier ein Haus haben. Es entsteht hiernach die Vermuthung, daß die Bestrebungen des Julikönigs wieder praktischen und vielleicht ziemlich weitgreifenden Boden gewinnen.</p>
          <p>Die früher erwähnte sogenannte konservative Verbrüderung zum Behuf der Arbeitvertheilung an nur politisch Gleichgesinnte hat sich konstituirt. Die oberste Leitung führt ein Centralausschuß, bestehend aus einem Präsidenten, einem Vicepräsidenten und 36 octroyirten Vertrauensmännern, diese Letzteren sind in ihrem Bezirke wiederum die Vorsitzenden, haben denselben in Sektionen getheilt, und die nöthige Anzahl von Sektions-Vertrauensmännern octroyirt. Jeder dieser Letzteren hat 3 bis 6 Häuser zu überwachen, d. h. genau Achtung zu geben über die Gespräche und Aeußerungen der Einwohner, welche Lokale sie besuchen, welche Zeitungen gelesen werden u. s. w. Dieses gibt alsdann den Maßstab für die Gutgesinnten und für die Schlechtgesinnten. Letztere werden auf eine Liste gesetzt, welche jedem Gutgesinnten mitgetheilt wird. Die Verpflichtung der Letztern ist alsdann, bei keinem Schlechtgesinnten zu kaufen oder arbeiten zu lassen. Aerzte dürfen die Kranken derselben nicht besuchen, bei Beamten soll über jedes Verhalten derselben an die Vorgesetzten berichtet und alsdann so lange gegen sie gemaßregelt werden, bis der ganze Beamtenstand von Schlechtgesinnten gereinigt ist.</p>
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          <p>Im Sommer v. J. vereinigten sich die Handlungsgehülfen mehrerer Kaufleute, um dieselben durch Fenstereinwerfen, Katzenmusiken etc. zu zwingen, die Geschäftslokale früher wie bisher zu schließen. Der Staatsanwalt hat deshalb Anklage erhoben und der Prozeß kam gestern zur Verhandlung. Stieber, als Vertheidiger, bewies, daß das Fenstereinwerfen nur eine Concussion sei, auf welche eine Strafe von höchstens 50 Thlr. gesetzt ist. Der Gerichtshof hielt es aber mit dem Staatsanwalt für muthwillige Beschädigung fremden Eigenthums und verurtheilte demgemäß die Angeklagten zu 9 Monat und 1 Jahr Gefängnißstrafe.</p>
          <p>Die Justizanarchie, welche durch die Organisation des Herrn Rintelen hervorgerufen, wird immer drängender. Man hat z. B. im Bezirk des Appellationsgerichts zu Stettin bei verschiedenen Klagen den Einwand der Inkompetenz der Kreisgerichte gemacht. Nach Art 105 der Verfassung sei der Minister noch nicht berechtigt gewesen, so tief einschneidende Gesetze ohne den ständischen Beirath zu erlassen und es sei demnächst auch die motivirte Tagesordnung der Kammer so ausgefallen, daß die neuen Gerichte gar nicht berechtigt wären, zu urtheilen. Wie aber, wenn dieser Einwand auch von den Obergerichten anerkannt wird?</p>
          <p>Von Seiten des Hrn. Harkort sind verschiedene Anknüpfungen mit Hrn. Rodbertus versucht worden. Der Letztere wollte jedoch nur auf eine Annäherung eingehen, wenn Hr. Harkort nicht ein Programm vorlege, was demselben wohl sehr schwer werden muß, da er nicht geneigt scheint, diesem Wunsche Folge zu geben.</p>
          <p>Hr. v. Saucken hatte an den König bei Gelegenheit seiner Abreise nach Frankfurt a. M. einen Brief geschrieben, in welchem er die Politik des jetzigen Ministeriums heftig tadelte, und die Gefahren darlegte, zu welchen dieselbe führen müsse. Der Brief soll indessen nicht die gehoffte Wirkung gemacht haben; Majestät sollen im Gegentheil sehr ungehalten über diesen &#x201E;unzeitigen und nicht erforderten&#x201C; Rath geworden sein.</p>
          <p>Die Kommission für die Belagerungszustände hat zum Referenten für Posen: v. Roeder, zum Coreserenten Liebelt; für Erfurt: Krahn, Görz-Wrisberg; für Kreuzburg: Wallmuth, Scheele gewählt.</p>
          <p>Unter den Beiträgen für das Denkmal auf dem Friedrichshain befinden sich auch 9 Thlr. gesammelt von Soldaten des 24. Regiments und dem Abgeordneten Waldeck übergeben.</p>
          <p>In der Stadt London, dem Sammelplatz der Rechten, ist freie Tafel für Alle, besonders junge Assessoren, Referendarien, welche reaktionär sind oder es werden wollen. Die großen Staatsmänner kneipen mit den saubern Jünglingen, um durch diese materiellen Mittel Proselyten zu machen, da die des Geistes nichts mehr fruchten wollen. Natürlich fehlt es auch an geistreichen Toasten nicht und ein ehrenwerthes Mitglied der Rechten zeichnete sich neulich durch folgendes Meisterstück aus: &#x201E;Wir haben nun die Menschen leben lassen, wir wollen auch die Vögel nicht vergessen (allgemeines Erstaunen), ich meine den Hrn. v. Vincke! (Beifall) er mäusert sich jetzt, hoffen wir, daß die Zeit des Mäuserns bald bei ihm vorüber ist, und er wieder unter uns erscheint!&#x201C;</p>
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[1563/0001] Neue Rheinische Zeitung Organ der Demokratie. No 277. Köln, Freitag, den 20. April. 1849. Vierteljähriger Abonnementspreis in Köln 1 Thlr. 7 1/2 Sgr., bei allen preußischen Postanstalten 1 Thlr. 17 Sgr. ‒ Im Auslande wende man sich: in Belgien an die betreffenden Postanstalten; in London an W. Thomas, 21 Catherine-Street, Strand; in Paris an W. Thomas, 38 Rue Vivienne, und an A. Havas, 3 Rue Jean Jacques Rousseau. Insertionen werden mit 18 Pf. die Petitzeile oder deren Raum berechnet. ‒ Auskunft, Annahme und Abgabe chiffrirter Briefe gratis. ‒ Nur frankirte Briefe werden angenommen. ‒ Expedition in Aachen bei Ernst ter Meer; in Düsseldorf bei F. W. Schmitz, Burgplatz; in Köln Unter Hutmacher Nro. 17. Zweite Ausgabe. Deutschland. * Köln, 19. April. Folgendes ist der Wortlaut des Anklageakts gegen Lassalle und Weyers, der den Angeklagten vor einigen Tagen zugestellt wurde. Wir werden hierauf, so wie auf das Verweisungsurtheil des Kölner Anklagesenats zurückkommen. Anklageact gegen 1. Ferdinand Lassalle, 23 Jahre alt, ohne Geschäft, geboren zu Breslau und 2. Peter Wilhelm Weyers, 35 Jahre alt, Taglöhner, geboren zu Boeyell, beide wohnhaft zu Düsseldorf. Die Stadt Düsseldorf war in der letzten Zeit der Heerd einer lebhaften politischen Bewegung, an welcher sich der, durch frühere gerichtliche Verhandlungen bekannte Angeklagte Ferdinand Lassalle zunächst als Mitglied des sogenannten Volksklubs betheiligte. Als Redner in diesen und in andern Klubs und in öffentlichen Versammlungen erlangte er eine nicht unbedeutende Geltung, und machte sich den verschiedenen Parteien annehmlich; zugleich übte er einen unverkennbaren Einfluß auf die Haltung der städtischen Bürgerwehr, in deren Reihen er sich eingedrängt hatte, obwohl er wegen Theilnahme an einer Verleumdung durch ein Urtheil vom 10. Januar 1848 der bürgerlichen Rechte und somit auch des Rechtes Waffen zu tragen, für den Zeitraum von fünf Jahren verlustig erklärt worden war. Lassalle kam in Düsseldorf auch mit dem Taglöhner Peter Wilhelm Weyers zusammen, welcher damals vom Verkaufe politischer Flugblätter, vom Ank eben von Plakaten und vom Sammlen von Unterschriften lebte, und hierzu auch von Lassalle benutzt wurde. Beide begaben sich am 21. November Nachmittags zusammen nach Neuß, um hier eine Volksversammlung abzuhalten. Es war dies der Augenblick, wo die bekannten Zerwürfniße zwischen der National-Versammlung und dem Ministerium das ganze Land in die größte Aufregung versetzt hatten, und wo eine revolutionäre Partei jedes Mittel aufbot, den Beschluß der Steuerverweigerung wo möglich zum gewaltsamen Umsturtz der bestehenden Staatsverfassung auszubeuten. In welcher Weise Lassalle diese Vorgänge aufgefaßt zu sehen wünschte, findet sich in verschiedenen Adressen ausgedruckt, welche von Lassalle entworfen und veröffentlicht worden sind; so in einer Adresse vom 19. November im Namen der Landwehrmänner des Kreises Düsseldorf an die National-Versammlung gerichtet. ‒ „Von diesem Augenblicke an kennen wir keine andere gesetzliche Regierungsgewalt im Staate, als die National-Versammlung. Wir schwören der National-Versammlung, daß wir gerüstet ihren Aufruf erwarten, um zu zeigen, daß die Kraft noch nicht gewichen ist aus den Söhnen des Vaterlandes;“ ‒ und in einer anderen Adresse an demselben Tage, unter dem Namen der Bürgerwehr an die National-Versammlung gerichtet: ‒ „der passive Widerstand ist erschöpft. Wir beschwören die National-Versammlung: erlassen Sie den Ruf zu den Waffen, den Ruf zur Pflicht!“ Lassalles persönl. Standpunkt ist aber noch bestimmter und schärfer in einem Schreiben ausgedrückt, welches er am Tage des 21 Novembers an einen ihm bekannten Landwirth Johannn Stangier zu Völsen im Kreise Altenkirchen abschickte; es liegt vor und lautet folgendermaaßen: „Lieber Stangier! Bald wird das ganze Land unter Waffen stehen. Rüstet Eure Leute, sorgt für Munition. In Düsseldorf geht der Kampf sehr bald los. Ich rechne darauf, daß sofort auf die Nachricht Du mit einigen hundert Mann hierher marschirst. Antworte mir darüber. Wir siegen diesmal jedenfalls und dann ist Eure ganze Noth für immer geendet. Hierbei Placate, vertheile sie und laß sie abdrucken. Ich erwarte umgehend von Dir Brief darüber, wie es bei Euch aussieht, und ob wir uns darauf verlassen können, daß ihr einige hundert Mann hoch her marschirt, wenn wir anfangen. ‒ In Eile, Düsseldorf, 21. November „(gez.) F. Lassalle“ Ein diesem Brief beigelegter Zettel enthält noch: „Nachschrift. Lieber Stangier. Das Beste ist, wenn Du augenblicklich zu mir herkommst, wo wir vieles am schnellsten besprechen können.“ (gez.) F. Lassalle“ Mit diesen Gesinnungen kam Lassalle nach Neuß, begleitet von Weyers. In Neuß hatten in den letzt vergangenen Tagen schon verschiedene Besprechungen exaltirter Personen stattgefunden, zunächst, um neben der Bürgerwehr eine allgemeine Bewaffnung der Masse zu erreichen. Jetzt ließ Lassalle sofort eine Volksversammlung im Lokale des Wirths Lucas in Neuß für den Abend verkünden; Weyers übernahm, gegen den Willen des Ortsbürgermeisters, die öffentliche Bekanntmachung durch Schellenklang Es fand sich eine größere Anzahl von Personen ein, als der Raum aufnehmen konnte Lassalle sprach zuerst, und der Inhalt seiner Rede ist in ihrem Zusammenhange sowie in ihren einzelnen Theilen von mehrernZuhörern bekundet worden. Es mag hier genügen, ein paar Zeugniße mitzutheilen, mit welchen die übrigen übereinstimmen; dabei ist hier nur das übergangen, was Lassale rücksichtlich des Widerstandes gegen die Steuererhebung gesprochen hat, weil dieses einem andern Gerichte überwiesen ist. ‒ Der Makler Hubert Faßbinder aus Neuß bekundet wie folgt: Nachdem Lassalle das Verhältniß zwischen Krone und National-Versammlung auseinandergesetzt hatte, sprach derselbe davon „es sei jetzt die Zeit gekommen, wo man durch actives Handeln die National-Versammlung unterstützen müsse; man möge die Zeit nicht unbenutzt vorüber gehen lassen; das Volk müsse in Masse sich erheben und bewaffnen, und würde in Düsseldorf auch bereits Munition geschafft und Tag und Nacht Kugeln gegossen; dort sei man zum Kampfe bereit, aber allein zu schwach; die Umgegend und auch Neuß müsse sich an dem Kampfe betheiligen; man solle den Leuten, welche Jagdgewehre hätten, und nicht kämpfen wollten, die Gewehre nur abnehmen und den Gemeinderath um Geldmittel für die Munition angehen; es würden die Düsseldorfer schon dafür sorgen, daß die Schiffbrücke frei und wir Neußer ungehindert zu Hilfe kommen könnten. Die Provinz Schlesien sei bereits in vollem Aufstande, die Rheiprovinz dürfe nicht zurückbleiben, man müsse mit Waffengewalt die errungenen Freiheiten zu wahren suchen, jetzt sei der rechte Zeitpunkt. Der Sekretair Michel Krings aus Neuß gibt dieselbe Rede in folgender Weise wieder: „die National-Versammlung habe sich bisher passiv verhalten, das Volk müsse aber jetzt durch actives Handeln sie unterstützen, die Zeit dazu sei gekommen und dürfe nicht unbenutzt vorübergehen; man müsse sich rüsten, der Kampf stehe nahe bevor und sei unvermeidlich; in Düsseldorf sei man bereit dazu, rechne aber auf die Unterstützung der Umgegend und auch von Neuß, weil man allein zu schwach sei; man solle eine Commission zur Beschaffung von Waffen erwählen; man solle den Gemeinderath zur Beschaffung der Mittel für Munition auffordern, und sei man unzufrieden mit ihm, solle man ihn absetzen; Man vertraue dem Muth der Neußer und erwarte, daß sie die auf der Linken Rheinseite aufgestellten Batterien nehmen würden, ‒ man solle gerüstet da stehen, damit, wenn in Düsseldorf der Aufruf ergehe und das Zeichen gegeben werde, man zu Hilfe kommmen könne; man vertraue dem Muthe der Neußer, man solle in Neuß eine Commission zur Beschaffung von Waffen erwählen; sichern Nachrichten gemäß breche am 20. Nov. in Schlesien der Aufstand aus; die Rheinländer hätten seit 20 Jahren den Ruhm des Liberalismus, und sie sollten jetzt zeigen, daß sie liberal wären; ließe man den jetzigen Zeitpunkt vorübergehen, so sei die Freiheit auf lange untergraben. Nach der Aussage des Schuhmachers Wilhelm Beckers aus Neuß ging die ganze Rede darauf hinaus, sich bewaffnet dem Militär gegenüber zustellen, und das Volk aufzuwiegeln. Im Einzelnen bekundet der Zeuge: Lassalle habe ungefähr in der Weise gesprochen: es stehe in Düsseldorf die Bürgerwehr zum Losschlagen bereit; doch rechne man namentlich auf Neuß und die Umgegend, daß sie beim ersten Sturmläuten zu Hülfe kommen und die Batterien bei Neuß nehmen würden; es sei jetzt die Zeit, die National-Versammlung durch actives Handeln zu unterstützen; das Volk müsse sich bewaffnen, und noch am selbigen Abend eine Liste angefertigt werden, worin sich die Eingezeichneten verpflichten, den Düsseldorfern zu Hülfe zu ziehen, in Schlesien breche der Aufstand aus, und die Rheinländer sollten nicht zurückbleiben.“ Lassalles Rede wurde mit Beifall aufgenommen. Nach ihm sprach Weyers; es gelang ihm weniger, die Aufmerksamkeit des Publikums zu fesseln, und seine Rede wird nur bruchstückweise von den Zuhörern bekundet. Weyers bemerkt beim Eingange, er rede nicht zu den Aristokraten, sondern zu den Demokraten, und er warnte dann vor der National-Versammlung selbst (Zeuge Krings;) hierauf erging er sich in Schimpfreden gegen die Person des Königs, und im weitern Vortrage äußerte er: „es sei ein König, welchem man die Krone keine Viertelstunde länger belassen solle (Zeuge Wilhelm Beckers;) und sprach das Wort: „Tod dem Könige!“ (Zeuge Michael Krings;) las sodann ein Schreiben vor, nach welchem man in Schlesien am 20. November losschlagen wollte, und forderte auf sich in derselben Weise zu erheben und sich den Schlesiern anzuschließen.“ (Zeuge Peter Joseph Zingsen.) ‒ Lassalle, welcher den ungünstigsten Eindruck hatte bemerken können, welchen die Schimpfreden seines Begleiters gemacht hatten, nahm nun noch einmal das Wort, um zu sagen, daß es nicht an der Zeit sei, sich in Schimpfreden zu ergehen; er wies sodann auf die Wegnahme der Waffen hin, welche sich im Landwehrzeughause von Neuß befinden. Sodann verließen Lassalle und Weyers die Versammlung und kehrten nach Düsseldorf zurück. ‒ In der Versammlung selbst wurde noch weiter über activen und passiven Widerstand debattirt, und nach dem Rathe Lassalles eine Commission zur Beschaffung von Munition gewählt. ‒ Durch die Ereignisse der folgenden Tage sind die Reden und die Beschlüsse dieser Volks-Versammlung in den Hintergrund getreten, und hat sich kein weiterer Erfolg aus ihnen entwickelt. Bei der hiernächst über diesen und andere verwande Vorgänge eingeleiteten Untersuchung hat Lassalle für sich in Anspruch genommen, daß er „ein Revolutionär aus Prinzip“ sei; Weyers hat angegeben, daß es ihm nur um den Erwerb zu thun gewesen sei; beide Angeklagte haben sich gerade der wesentlichsten Stellen ihrer zu Neuß gehaltenen Reden nicht erinnern wollen. ‒ Ferdinand Lassalle und Peter Wilhelm Weyers werden demnach angeklagt: am 21. November 1848 in öffentlicher Versammlung zu Neuß die Bürger zur Bewaffnung gegen die Königliche Gewalt direct aufgefordert zu haben, ohne daß diese Aufforderung einen Erfolg gehabt. ‒ Verbrechen gegen Art. 87 und 102 des Str. G. B. Köln den 24. März 1849. Der General Procurator beim Kgl. Rhein. Appellations Gerichtshofe (gez.) Nikolovius pro copiis. (gez.) J. H. Jungbluth. Im Jahre 1849 am 2. April habe ich unterzeichneter Johann Heinrich Jungbluth, Gerichtsvollzieher am Königl. Landgerichte zu Düsseldorf angestellt und daselbst wohnhaft, im Auftrage des öffentlichen Ministeriums den Angeklagten Ferdinand Lassalle ohne Geschäft zu Düsseldorf wohnhaft in dem Aresthause daselbst sprechend zu seiner Person: 1. Die Entscheidung des Königl. Rheinischen Appellations-Gerichtshofs zu Köln vom 17. Marz laufenden Jahres, 2. dem von den Herrn General-Procurator daselbst gefertigten Anklageact vom 24. nämlichen Monats abschriftlich zugestellt und nebst Abschrift dieses Akts mit dem Bemerken hinterlassen, daß die besagte Entscheidung in des Register der Criminal-Gefangenen eingeschrieben ist. Kosten 1 Thlr. 28 Sgr. Geschehen Dusseldorf am Tage wie oben. (gez.) J. H, Jungbluth. Kosten. Original 〃 Thlr. 4 Sgr. 2 Copien 〃 Thlr. 8 Sgr. 19 Rollen 1 Thlr. 8 Sgr. 2 Eintragungen 〃 Thlr. 8 Sgr. Summa 1 Thlr. 28 Sgr. * Berlin, 17. April. Die Deputirten, namentlich die der Linken, werden jetzt von der Provinz aus sehr strenge überwacht und kontrollirt. In einzelnen provinziellen Wahlkreisen geht man sogar so weit, daß man förmliche kontrollirende Comité's niedergesetzt hat, welche nicht nur die stenographischen Berichte ausführlich zu lesen und dann Bericht zu erstatten haben, sondern welche auch von Zeit zu Zeit nach der Residenz reisen müssen, um sich von Sitz und Stimme ihrer Deputirten persönlich zu überzeugen. Zu gleicher Zeit haben die Ueberwachungsmänner ein starkes Augenmerk auf die Parteithätigkeit ihrer Abgeordneten zu richten, sowie sie ihnen bei dieser Gelegenheit die persönlichen Wünsche der Kommittenten mündlich zu überbringen beauftragt. Derartige provinzielle Deputationen sind bereits von nah und fern viele hier eingetroffen, und fast jeden Abend in der Konversations-Halle zu treffen. Bemerkenswerth ist jedoch hierbei, daß trotz dieser Ueberwachung in der jüngsten Zeit verschiedentlich mehr Mitglieder der Linken als der Rechten in den Sitzungen vermißt wurden, was sich besonders bei dem Plakatgesetze herausstellte, wo von jener Seite 18, von dieser aber nur 12 Mitglieder fehlten. Die Besetzung der Donaufürstenthümer durch die Russen hat bereits gleichfalls provinzielle Deputationen bewogen, sich zu ihren Deputirten nach Berlin zu begeben, um sie zu betreffenden Interpellationen zu veranlassen. Von jener Okkupation wird namentlich Niederschlesien betroffen, welche Provinz mehrere ihrer Fabrikate nach den Donauländern absetzt. Die Fach-Kommission der zweiten Kammer für Handel und Gewerbe hat bereits ein so reiches Material zur Verarbeitung, vier Gesetzentwürfe, fünf Anträge von Kammermitgliedern und gegen 200 Petitionen, vorliegen, daß sie in ihrem ersten Bericht, welcher gestern an die Deputirten vertheilt ist, auf eine Verstärkung der aus 14 Mitgliedern bestehenden Kommission um noch 7 neu zu wählende anträgt. ‒ Die vorliegenden Gesetzentwürfe sind die durch das gegenwärtige Ministerium octroyirten Gewerbegesetze; ‒ die Anträge der Kammermitglieder beziehen sich fast alle auf Aufhebung von Lasten, die annoch auf gewerblichen Anlagen auf dem platten Lande ruhen; ‒ die Petitionen dagegen sind der verschiedensten Art; sie stehen unter einander oft im direktesten Widerspruche: die einen verlangen vollständige Gewerbefreiheit, die andern sind selbst mit den Beschränkungen, wie sie die Februar-Gesetze gegeben, noch nicht zufrieden; wieder andere verlangen Erhöhung der Schutzzölle ‒ noch andere die Herabsetzung derselben. Dieses Chaos der widerstreitendsten Forderungen ist denn auch ferner die Veranlassung gewesen, daß die Kommission von der Kammer die Ermächtigung verlangt hat, zu ihren Berathungen „solche Mitglieder der Kammer, welche über bestimmte Verhältnisse Auskunft zu geben, durch ihren Beruf oder ihre Erfahrung geeignet sind, und sofern es in einzelnen Fällen nöthig erscheinen sollte, auch Sachverständige außerhalb der Kammer mit berathender Stimme zuziehen.“ Von verläßlicher Hand erfahren wir, das Louis Philipp, Exkönig von Frankreich, 5 Millionen Francs, die er bei dem Hause der Gebrüder Schickler in Paris niedergelegt hatte, so eben flüssig machte. Unsere Quelle ist eine ziemlich unmittelbare, da die Schicklers auch hier ein Haus haben. Es entsteht hiernach die Vermuthung, daß die Bestrebungen des Julikönigs wieder praktischen und vielleicht ziemlich weitgreifenden Boden gewinnen. Die früher erwähnte sogenannte konservative Verbrüderung zum Behuf der Arbeitvertheilung an nur politisch Gleichgesinnte hat sich konstituirt. Die oberste Leitung führt ein Centralausschuß, bestehend aus einem Präsidenten, einem Vicepräsidenten und 36 octroyirten Vertrauensmännern, diese Letzteren sind in ihrem Bezirke wiederum die Vorsitzenden, haben denselben in Sektionen getheilt, und die nöthige Anzahl von Sektions-Vertrauensmännern octroyirt. Jeder dieser Letzteren hat 3 bis 6 Häuser zu überwachen, d. h. genau Achtung zu geben über die Gespräche und Aeußerungen der Einwohner, welche Lokale sie besuchen, welche Zeitungen gelesen werden u. s. w. Dieses gibt alsdann den Maßstab für die Gutgesinnten und für die Schlechtgesinnten. Letztere werden auf eine Liste gesetzt, welche jedem Gutgesinnten mitgetheilt wird. Die Verpflichtung der Letztern ist alsdann, bei keinem Schlechtgesinnten zu kaufen oder arbeiten zu lassen. Aerzte dürfen die Kranken derselben nicht besuchen, bei Beamten soll über jedes Verhalten derselben an die Vorgesetzten berichtet und alsdann so lange gegen sie gemaßregelt werden, bis der ganze Beamtenstand von Schlechtgesinnten gereinigt ist. * Berlin, 17. April. Im Sommer v. J. vereinigten sich die Handlungsgehülfen mehrerer Kaufleute, um dieselben durch Fenstereinwerfen, Katzenmusiken etc. zu zwingen, die Geschäftslokale früher wie bisher zu schließen. Der Staatsanwalt hat deshalb Anklage erhoben und der Prozeß kam gestern zur Verhandlung. Stieber, als Vertheidiger, bewies, daß das Fenstereinwerfen nur eine Concussion sei, auf welche eine Strafe von höchstens 50 Thlr. gesetzt ist. Der Gerichtshof hielt es aber mit dem Staatsanwalt für muthwillige Beschädigung fremden Eigenthums und verurtheilte demgemäß die Angeklagten zu 9 Monat und 1 Jahr Gefängnißstrafe. Die Justizanarchie, welche durch die Organisation des Herrn Rintelen hervorgerufen, wird immer drängender. Man hat z. B. im Bezirk des Appellationsgerichts zu Stettin bei verschiedenen Klagen den Einwand der Inkompetenz der Kreisgerichte gemacht. Nach Art 105 der Verfassung sei der Minister noch nicht berechtigt gewesen, so tief einschneidende Gesetze ohne den ständischen Beirath zu erlassen und es sei demnächst auch die motivirte Tagesordnung der Kammer so ausgefallen, daß die neuen Gerichte gar nicht berechtigt wären, zu urtheilen. Wie aber, wenn dieser Einwand auch von den Obergerichten anerkannt wird? Von Seiten des Hrn. Harkort sind verschiedene Anknüpfungen mit Hrn. Rodbertus versucht worden. Der Letztere wollte jedoch nur auf eine Annäherung eingehen, wenn Hr. Harkort nicht ein Programm vorlege, was demselben wohl sehr schwer werden muß, da er nicht geneigt scheint, diesem Wunsche Folge zu geben. Hr. v. Saucken hatte an den König bei Gelegenheit seiner Abreise nach Frankfurt a. M. einen Brief geschrieben, in welchem er die Politik des jetzigen Ministeriums heftig tadelte, und die Gefahren darlegte, zu welchen dieselbe führen müsse. Der Brief soll indessen nicht die gehoffte Wirkung gemacht haben; Majestät sollen im Gegentheil sehr ungehalten über diesen „unzeitigen und nicht erforderten“ Rath geworden sein. Die Kommission für die Belagerungszustände hat zum Referenten für Posen: v. Roeder, zum Coreserenten Liebelt; für Erfurt: Krahn, Görz-Wrisberg; für Kreuzburg: Wallmuth, Scheele gewählt. Unter den Beiträgen für das Denkmal auf dem Friedrichshain befinden sich auch 9 Thlr. gesammelt von Soldaten des 24. Regiments und dem Abgeordneten Waldeck übergeben. In der Stadt London, dem Sammelplatz der Rechten, ist freie Tafel für Alle, besonders junge Assessoren, Referendarien, welche reaktionär sind oder es werden wollen. Die großen Staatsmänner kneipen mit den saubern Jünglingen, um durch diese materiellen Mittel Proselyten zu machen, da die des Geistes nichts mehr fruchten wollen. Natürlich fehlt es auch an geistreichen Toasten nicht und ein ehrenwerthes Mitglied der Rechten zeichnete sich neulich durch folgendes Meisterstück aus: „Wir haben nun die Menschen leben lassen, wir wollen auch die Vögel nicht vergessen (allgemeines Erstaunen), ich meine den Hrn. v. Vincke! (Beifall) er mäusert sich jetzt, hoffen wir, daß die Zeit des Mäuserns bald bei ihm vorüber ist, und er wieder unter uns erscheint!“

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Die angegebenen Seitenzahlen beziehen sich auf die Ausgabe: Neue Rheinische Zeitung. Organ der Demokratie. Bd. 2 (Nummer 184 bis Nummer 301) Köln, 1. Januar 1849 bis 19. Mai 1849. Glashütten im Taunus, Verlag Detlev Auvermann KG 1973.




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Zitationshilfe: Neue Rheinische Zeitung. Nr. 277. Köln, 20. April 1849. Zweite Ausgabe, S. 1563. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/nn_nrhz277ii_1849/1>, abgerufen am 28.03.2024.