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Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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er hatte sich ruinirt der Welt zum Trotz, und aus Trotz ward er jetzt mehr als sparsam, er ward geizig; was seine Frau verschwendete, wollte er ersparen, und wie unter dem ewigen Wunsche, sie möchte nun einmal sterben, seine Seele sich abmarterte, die schönsten Jahre freudlos dahinschwanden, scharrte er das Geld zusammen, gleichsam als Garantie einer schöneren Zukunft -- wie sollte ihm das Geld nicht theuer sein, da er seinetwegen sich an ein solches Weib gekoppelt? -- Endlich warf sie die Gicht ins Bett, sie kam wieder auf, vermochte aber die Luft nicht zu ertragen und schlich in der Stube umher wie ein Gespenst; zum zweitenmale packte es sie stärker, sie konnte das Bett nicht mehr verlassen, unter welchem dessenungeachtet die Flasche funkelte. So lag sie wieder mehre Jahre -- armer Hans! wer sieht es dir an, daß du ein guter Vierziger bist? dein gelbes Gesicht, deine Runzeln, dein gebückter Gang, dein aschfarbiges Haar lassen einen Sechziger vermuthen! Zu Weihnachten wird es zehn Jahre, daß die Hochzeiter in dreißig Schlitten mit Schellengeläute und Peitschenknall zur Schulzerei fuhren, da hast du noch gejauchzt, um die Stimme tief in deiner Brust zu übertäuben und die Leute glauben zu machen, du seist lustig! da bist du mit "deiner Lene," wie du die alte Säuferin nanntest, Allen vorangefahren, und beim Hochzeitstanze bist du höher gesprungen, als alle die andern Bursche, du hast mehr getrunken, als deiner Gäste jeder -- und nun? was trägst du in dem Sacke da? die Kucher welche fremdes Vieh auf der

er hatte sich ruinirt der Welt zum Trotz, und aus Trotz ward er jetzt mehr als sparsam, er ward geizig; was seine Frau verschwendete, wollte er ersparen, und wie unter dem ewigen Wunsche, sie möchte nun einmal sterben, seine Seele sich abmarterte, die schönsten Jahre freudlos dahinschwanden, scharrte er das Geld zusammen, gleichsam als Garantie einer schöneren Zukunft — wie sollte ihm das Geld nicht theuer sein, da er seinetwegen sich an ein solches Weib gekoppelt? — Endlich warf sie die Gicht ins Bett, sie kam wieder auf, vermochte aber die Luft nicht zu ertragen und schlich in der Stube umher wie ein Gespenst; zum zweitenmale packte es sie stärker, sie konnte das Bett nicht mehr verlassen, unter welchem dessenungeachtet die Flasche funkelte. So lag sie wieder mehre Jahre — armer Hans! wer sieht es dir an, daß du ein guter Vierziger bist? dein gelbes Gesicht, deine Runzeln, dein gebückter Gang, dein aschfarbiges Haar lassen einen Sechziger vermuthen! Zu Weihnachten wird es zehn Jahre, daß die Hochzeiter in dreißig Schlitten mit Schellengeläute und Peitschenknall zur Schulzerei fuhren, da hast du noch gejauchzt, um die Stimme tief in deiner Brust zu übertäuben und die Leute glauben zu machen, du seist lustig! da bist du mit „deiner Lene,“ wie du die alte Säuferin nanntest, Allen vorangefahren, und beim Hochzeitstanze bist du höher gesprungen, als alle die andern Bursche, du hast mehr getrunken, als deiner Gäste jeder — und nun? was trägst du in dem Sacke da? die Kucher welche fremdes Vieh auf der

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:03:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:03:58Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/13>, abgerufen am 28.03.2024.