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Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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schrieen wir: Laß mich los! Wer bist? Was willst? Beide verlegten wir uns aufs Bitten -- kurz! wir waren beide zugleich ausgerissen, 's konnt' Einer den Andern Deserteur heißen und brauchte keinen Rippenstoß zu fürchten. Ja und seitdem bin ich hier im Oberdorfe ansäßig und nähre mich redlich -- mein Sohn hält länger aus. -- Und was ist mit dem Andern? -- Drüben deines Pflegevaters Vater, der Gerber im Niederdorfe ist's -- oder war's -- er ist ja schon todt, der gute Sommer! -- Jeß! seid Ihr denn schon so alt? -- Ich bin gerade so alt wie mein linkes Bein! -- Aber mein Pflegevater muß ja schon selber sechzig auf dem Buckel haben? -- Da irrst du, das gehört in ein anderes Kapitel! den hat die Schulzin und der Geiz alt gemacht! -- Trude sann eine Weile, dann sagte sie: Warum mag er denn für mich alleine so viel Geld ausgeben? -- Du hast ihn verhext! das ist nicht anders! o, deine schwarzen Augen haben's ihm angethan! -- Jeß, Maria, Josef! 's ist schon zehne! das Thor wird bald zu sein! gute Nacht, Herr Soldat! ich werde von Eurem Sohne träumen! -- Das laß bleiben! der bringt sich eine Frau Corporalin oder Feldweblin mit. -- Ihr wißt nicht, was er eigentlich ist? hat er's Euch nicht geschrieben? -- Ich hör 's Thor knarren, lauf Mädel, sonst zerreißt dich der Hund! -- Sie lief davon. Schuster Ignaz dachte über die Lüge und den Teufel nach und gerieth ins Nicken.

Als Trude nach Hause kam, fand sie das Thor

schrieen wir: Laß mich los! Wer bist? Was willst? Beide verlegten wir uns aufs Bitten — kurz! wir waren beide zugleich ausgerissen, 's konnt' Einer den Andern Deserteur heißen und brauchte keinen Rippenstoß zu fürchten. Ja und seitdem bin ich hier im Oberdorfe ansäßig und nähre mich redlich — mein Sohn hält länger aus. — Und was ist mit dem Andern? — Drüben deines Pflegevaters Vater, der Gerber im Niederdorfe ist's — oder war's — er ist ja schon todt, der gute Sommer! — Jeß! seid Ihr denn schon so alt? — Ich bin gerade so alt wie mein linkes Bein! — Aber mein Pflegevater muß ja schon selber sechzig auf dem Buckel haben? — Da irrst du, das gehört in ein anderes Kapitel! den hat die Schulzin und der Geiz alt gemacht! — Trude sann eine Weile, dann sagte sie: Warum mag er denn für mich alleine so viel Geld ausgeben? — Du hast ihn verhext! das ist nicht anders! o, deine schwarzen Augen haben's ihm angethan! — Jeß, Maria, Josef! 's ist schon zehne! das Thor wird bald zu sein! gute Nacht, Herr Soldat! ich werde von Eurem Sohne träumen! — Das laß bleiben! der bringt sich eine Frau Corporalin oder Feldweblin mit. — Ihr wißt nicht, was er eigentlich ist? hat er's Euch nicht geschrieben? — Ich hör 's Thor knarren, lauf Mädel, sonst zerreißt dich der Hund! — Sie lief davon. Schuster Ignaz dachte über die Lüge und den Teufel nach und gerieth ins Nicken.

Als Trude nach Hause kam, fand sie das Thor

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[0020] schrieen wir: Laß mich los! Wer bist? Was willst? Beide verlegten wir uns aufs Bitten — kurz! wir waren beide zugleich ausgerissen, 's konnt' Einer den Andern Deserteur heißen und brauchte keinen Rippenstoß zu fürchten. Ja und seitdem bin ich hier im Oberdorfe ansäßig und nähre mich redlich — mein Sohn hält länger aus. — Und was ist mit dem Andern? — Drüben deines Pflegevaters Vater, der Gerber im Niederdorfe ist's — oder war's — er ist ja schon todt, der gute Sommer! — Jeß! seid Ihr denn schon so alt? — Ich bin gerade so alt wie mein linkes Bein! — Aber mein Pflegevater muß ja schon selber sechzig auf dem Buckel haben? — Da irrst du, das gehört in ein anderes Kapitel! den hat die Schulzin und der Geiz alt gemacht! — Trude sann eine Weile, dann sagte sie: Warum mag er denn für mich alleine so viel Geld ausgeben? — Du hast ihn verhext! das ist nicht anders! o, deine schwarzen Augen haben's ihm angethan! — Jeß, Maria, Josef! 's ist schon zehne! das Thor wird bald zu sein! gute Nacht, Herr Soldat! ich werde von Eurem Sohne träumen! — Das laß bleiben! der bringt sich eine Frau Corporalin oder Feldweblin mit. — Ihr wißt nicht, was er eigentlich ist? hat er's Euch nicht geschrieben? — Ich hör 's Thor knarren, lauf Mädel, sonst zerreißt dich der Hund! — Sie lief davon. Schuster Ignaz dachte über die Lüge und den Teufel nach und gerieth ins Nicken. Als Trude nach Hause kam, fand sie das Thor

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:03:58Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:03:58Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Reich, Moses Josef: Mammon im Gebirge. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 9. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 1–45. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/reich_mammon_1910/20>, abgerufen am 18.04.2024.