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Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. Beygabe zu Bd. 1. Hamburg, 1827.

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das Gemüth durch die mannichfaltigsten Anklänge
berühret und stimmt. Wie nun immer diese so
ganz verschiedenen Schönheiten in gelungenen mu-
sikalischen Ausführungen zu einem gemeinsamen Ein-
drucke sich vereinigen und verschmelzen, so hat man
demungeachtet doch niemals bestritten: daß der
ausübende Künstler die Reinheit, den Tact, den
Ausdruck, oder der Componist die Harmonie und
die Melodie, jedes für sich betrachten, erstreben,
üben könne, wie es mit Vortheil geschiehet und
von jeher geschehen ist.

Indeß dürften jene Unterscheidungen, als ein An-
knüpfungspunct betrachtet, auch für die wissenschaft-
liche Untersuchung der Schönheit und des Schönen
von ungleich mehr Belang seyn, als man, in An-
sehung der vieltausendjährigen Gewöhnung, den
Begriff der Schönheit mit Vorstellungen von ein-
zelnem Schönen, das Allgemeine mit dem Beson-
deren, bald zu mischen, bald zu verwechseln, schwer-
lich vor der Hand anzuerkennen geneigt seyn wird.
-- Vornehmlich befürchte ich die Mißbilligung de-
rer, welche bey allem Unbestimmten und Räthsel-
haften ihre Rechnung finden.

Anm. 2. Wer nun einmal auf keine Weise sich dar-
auf einlassen will, die Schönheit abgesondert von
den Dingen, denen sie anhängt, aufzufassen, dürfte
hier eine Abtheilung innerhalb des Schönen wahr-
zunehmen glauben, gleich jener längst versuchten
und beliebten in ein sinnlich und geistig (äu-
ßerlich und innerlich) Schönes; daher den be-
kannten Einwurf gegen mich in Anwendung bringen

das Gemuͤth durch die mannichfaltigſten Anklaͤnge
beruͤhret und ſtimmt. Wie nun immer dieſe ſo
ganz verſchiedenen Schoͤnheiten in gelungenen mu-
ſikaliſchen Ausfuͤhrungen zu einem gemeinſamen Ein-
drucke ſich vereinigen und verſchmelzen, ſo hat man
demungeachtet doch niemals beſtritten: daß der
ausuͤbende Kuͤnſtler die Reinheit, den Tact, den
Ausdruck, oder der Componiſt die Harmonie und
die Melodie, jedes fuͤr ſich betrachten, erſtreben,
uͤben koͤnne, wie es mit Vortheil geſchiehet und
von jeher geſchehen iſt.

Indeß duͤrften jene Unterſcheidungen, als ein An-
knuͤpfungspunct betrachtet, auch fuͤr die wiſſenſchaft-
liche Unterſuchung der Schoͤnheit und des Schoͤnen
von ungleich mehr Belang ſeyn, als man, in An-
ſehung der vieltauſendjaͤhrigen Gewoͤhnung, den
Begriff der Schoͤnheit mit Vorſtellungen von ein-
zelnem Schoͤnen, das Allgemeine mit dem Beſon-
deren, bald zu miſchen, bald zu verwechſeln, ſchwer-
lich vor der Hand anzuerkennen geneigt ſeyn wird.
— Vornehmlich befuͤrchte ich die Mißbilligung de-
rer, welche bey allem Unbeſtimmten und Raͤthſel-
haften ihre Rechnung finden.

Anm. 2. Wer nun einmal auf keine Weiſe ſich dar-
auf einlaſſen will, die Schoͤnheit abgeſondert von
den Dingen, denen ſie anhaͤngt, aufzufaſſen, duͤrfte
hier eine Abtheilung innerhalb des Schoͤnen wahr-
zunehmen glauben, gleich jener laͤngſt verſuchten
und beliebten in ein ſinnlich und geiſtig (aͤu-
ßerlich und innerlich) Schoͤnes; daher den be-
kannten Einwurf gegen mich in Anwendung bringen

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[9/0015] das Gemuͤth durch die mannichfaltigſten Anklaͤnge beruͤhret und ſtimmt. Wie nun immer dieſe ſo ganz verſchiedenen Schoͤnheiten in gelungenen mu- ſikaliſchen Ausfuͤhrungen zu einem gemeinſamen Ein- drucke ſich vereinigen und verſchmelzen, ſo hat man demungeachtet doch niemals beſtritten: daß der ausuͤbende Kuͤnſtler die Reinheit, den Tact, den Ausdruck, oder der Componiſt die Harmonie und die Melodie, jedes fuͤr ſich betrachten, erſtreben, uͤben koͤnne, wie es mit Vortheil geſchiehet und von jeher geſchehen iſt. Indeß duͤrften jene Unterſcheidungen, als ein An- knuͤpfungspunct betrachtet, auch fuͤr die wiſſenſchaft- liche Unterſuchung der Schoͤnheit und des Schoͤnen von ungleich mehr Belang ſeyn, als man, in An- ſehung der vieltauſendjaͤhrigen Gewoͤhnung, den Begriff der Schoͤnheit mit Vorſtellungen von ein- zelnem Schoͤnen, das Allgemeine mit dem Beſon- deren, bald zu miſchen, bald zu verwechſeln, ſchwer- lich vor der Hand anzuerkennen geneigt ſeyn wird. — Vornehmlich befuͤrchte ich die Mißbilligung de- rer, welche bey allem Unbeſtimmten und Raͤthſel- haften ihre Rechnung finden. Anm. 2. Wer nun einmal auf keine Weiſe ſich dar- auf einlaſſen will, die Schoͤnheit abgeſondert von den Dingen, denen ſie anhaͤngt, aufzufaſſen, duͤrfte hier eine Abtheilung innerhalb des Schoͤnen wahr- zunehmen glauben, gleich jener laͤngſt verſuchten und beliebten in ein ſinnlich und geiſtig (aͤu- ßerlich und innerlich) Schoͤnes; daher den be- kannten Einwurf gegen mich in Anwendung bringen

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Zitationshilfe: Rumohr, Karl Friedrich von: Italienische Forschungen. Beygabe zu Bd. 1. Hamburg, 1827, S. 9. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/rumohr_forschungen01beygabe_1827/15>, abgerufen am 29.03.2024.