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Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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"Alle Weisheit meines Lebens
Hat das Eine mich gelehrt:
Lieb' ist sterblich! Ganz vergebens
Hoffst du, daß die Liebe währt!
Bist du treu, sie lachen deiner,
Aendern wie die Moden sich,
Aenderst du dich, keift gemeiner,
Eifersücht'ger Neid um dich.
Drum vermeide Hymen's Falle,
Hoffe nie: ein Weib sei dein!
Aber lieb' und täusche Alle,
Um nicht selbst getäuscht zu sein!"
Karamsin
Vorwort.

Die auslaufende Pointe: "Täusche Alle, um nicht selbst getäuscht zu sein," welche so empörend klänge, wenn sie wörtlich zu nehmen wäre, ist nichts als die nackte, naive Formel für den von Haus aus feindlichen Gegensatz der Geschlechter. Sie sagt, daß zwischen Mann und Frau der Idealismus des Herzens in den seltesten Fällen sich deckt. Was also übrig bleibt, ist die Täuschung. Die Geschlechter täuschen sich nicht, weil sie sich täuschen wollen, sondern weil sie sich täuschen müssen, weil die Natur selbst zwischen Anspruch und Erfüllung, Idee und Realität, einen ewig unaufgehobenen Rest gesetzt hat. In diesem Reste kannst du Nichts sein als Hammer oder Ambos.

„Alle Weisheit meines Lebens
Hat das Eine mich gelehrt:
Lieb' ist sterblich! Ganz vergebens
Hoffst du, daß die Liebe währt!
Bist du treu, sie lachen deiner,
Aendern wie die Moden sich,
Aenderst du dich, keift gemeiner,
Eifersücht'ger Neid um dich.
Drum vermeide Hymen's Falle,
Hoffe nie: ein Weib sei dein!
Aber lieb' und täusche Alle,
Um nicht selbst getäuscht zu sein!“
Karamsin
Vorwort.

Die auslaufende Pointe: „Täusche Alle, um nicht selbst getäuscht zu sein,“ welche so empörend klänge, wenn sie wörtlich zu nehmen wäre, ist nichts als die nackte, naive Formel für den von Haus aus feindlichen Gegensatz der Geschlechter. Sie sagt, daß zwischen Mann und Frau der Idealismus des Herzens in den seltesten Fällen sich deckt. Was also übrig bleibt, ist die Täuschung. Die Geschlechter täuschen sich nicht, weil sie sich täuschen wollen, sondern weil sie sich täuschen müssen, weil die Natur selbst zwischen Anspruch und Erfüllung, Idee und Realität, einen ewig unaufgehobenen Rest gesetzt hat. In diesem Reste kannst du Nichts sein als Hammer oder Ambos.

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[0010] „Alle Weisheit meines Lebens Hat das Eine mich gelehrt: Lieb' ist sterblich! Ganz vergebens Hoffst du, daß die Liebe währt! Bist du treu, sie lachen deiner, Aendern wie die Moden sich, Aenderst du dich, keift gemeiner, Eifersücht'ger Neid um dich. Drum vermeide Hymen's Falle, Hoffe nie: ein Weib sei dein! Aber lieb' und täusche Alle, Um nicht selbst getäuscht zu sein!“ Karamsin Vorwort. Die auslaufende Pointe: „Täusche Alle, um nicht selbst getäuscht zu sein,“ welche so empörend klänge, wenn sie wörtlich zu nehmen wäre, ist nichts als die nackte, naive Formel für den von Haus aus feindlichen Gegensatz der Geschlechter. Sie sagt, daß zwischen Mann und Frau der Idealismus des Herzens in den seltesten Fällen sich deckt. Was also übrig bleibt, ist die Täuschung. Die Geschlechter täuschen sich nicht, weil sie sich täuschen wollen, sondern weil sie sich täuschen müssen, weil die Natur selbst zwischen Anspruch und Erfüllung, Idee und Realität, einen ewig unaufgehobenen Rest gesetzt hat. In diesem Reste kannst du Nichts sein als Hammer oder Ambos.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T10:36:14Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T10:36:14Z)

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Bogensignaturen: nicht gekennzeichnet; Druckfehler: dokumentiert; fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet; Geminations-/Abkürzungsstriche: keine Angabe; Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet; i/j in Fraktur: keine Angabe; I/J in Fraktur: Lautwert transkribiert; Kolumnentitel: nicht gekennzeichnet; Kustoden: keine Angabe; langes s (ſ): als s transkribiert; Normalisierungen: keine; rundes r (ꝛ): keine Angabe; Seitenumbrüche markiert: nein; Silbentrennung: aufgelöst; u/v bzw. U/V: keine Angabe; Vokale mit übergest. e: keine Angabe; Vollständigkeit: vollständig erfasst; Zeichensetzung: wie Vorlage; Zeilenumbrüche markiert: nein;




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Zitationshilfe: Sacher-Masoch, Leopold von: Don Juan von Kolomea. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 24. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 197–279. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/sacher_kolomea_1910/10>, abgerufen am 24.04.2024.