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Scheffel, Joseph Victor von: Hugideo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 237–254. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016.

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Da begrub ihn der Fischer an der Seite der Jungfrau, die der Rhein gebracht.

Die Tode hieß Benigna Serena und war die Tochter des Asinius Abundantius, eines reichen, vornehmen Mannes und kaiserlichen Steuereinnehmers zu Augusta Rauracorum. Sie hatte den priesterlichen Schleier genommen und der Göttin Kybele geheimnißvoll Bild im Tempel unten am Rheine gehütet; aber erst seit Frist eines Jahres. Früher war sie ein heiter Weltkind, die Schönste im Reigen der Jungfrauen, von Vielen umschwärmt, von den geistreichen Pflastertretern der Provinzialstadt als "Perle des Rheines" besungen.

Hugideo, der Juthung, war vormals auch in Augst gewesen Bei den Römern . . .

Heutigen Tages ist unweit jener Strandgrabstätte ein Tunnel in den Berg gebrochen, und die Locomotive saust quer durch den Isteiner Klotz. Von Augusta Rauracorum ragen noch wenige verwitterte Backsteinmauern aus dem Wiesengrunde, darüber statt römischer Imperatoren jetzt die weisen Väter des Canton Basellandschaft herrschen; aber dann und wann pflügt der Bauersmann einen güldenen Ring oder eine gewundene Armspange oder einen ehernen Hausgötzen aus den Furchen heraus, und ein spätgeborner alamannischer Nachkomme denkt dabei an jene Zeiten, denn im Greisenalter fallen den Menschen wie den Völkern die Geschichten der Kindheit lebhafter ins Gedächtniß, als sonst, wo noch Thaten der Männer zu thun sind.



Da begrub ihn der Fischer an der Seite der Jungfrau, die der Rhein gebracht.

Die Tode hieß Benigna Serena und war die Tochter des Asinius Abundantius, eines reichen, vornehmen Mannes und kaiserlichen Steuereinnehmers zu Augusta Rauracorum. Sie hatte den priesterlichen Schleier genommen und der Göttin Kybele geheimnißvoll Bild im Tempel unten am Rheine gehütet; aber erst seit Frist eines Jahres. Früher war sie ein heiter Weltkind, die Schönste im Reigen der Jungfrauen, von Vielen umschwärmt, von den geistreichen Pflastertretern der Provinzialstadt als „Perle des Rheines“ besungen.

Hugideo, der Juthung, war vormals auch in Augst gewesen Bei den Römern . . .

Heutigen Tages ist unweit jener Strandgrabstätte ein Tunnel in den Berg gebrochen, und die Locomotive saust quer durch den Isteiner Klotz. Von Augusta Rauracorum ragen noch wenige verwitterte Backsteinmauern aus dem Wiesengrunde, darüber statt römischer Imperatoren jetzt die weisen Väter des Canton Basellandschaft herrschen; aber dann und wann pflügt der Bauersmann einen güldenen Ring oder eine gewundene Armspange oder einen ehernen Hausgötzen aus den Furchen heraus, und ein spätgeborner alamannischer Nachkomme denkt dabei an jene Zeiten, denn im Greisenalter fallen den Menschen wie den Völkern die Geschichten der Kindheit lebhafter ins Gedächtniß, als sonst, wo noch Thaten der Männer zu thun sind.



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[0020] Da begrub ihn der Fischer an der Seite der Jungfrau, die der Rhein gebracht. Die Tode hieß Benigna Serena und war die Tochter des Asinius Abundantius, eines reichen, vornehmen Mannes und kaiserlichen Steuereinnehmers zu Augusta Rauracorum. Sie hatte den priesterlichen Schleier genommen und der Göttin Kybele geheimnißvoll Bild im Tempel unten am Rheine gehütet; aber erst seit Frist eines Jahres. Früher war sie ein heiter Weltkind, die Schönste im Reigen der Jungfrauen, von Vielen umschwärmt, von den geistreichen Pflastertretern der Provinzialstadt als „Perle des Rheines“ besungen. Hugideo, der Juthung, war vormals auch in Augst gewesen Bei den Römern . . . Heutigen Tages ist unweit jener Strandgrabstätte ein Tunnel in den Berg gebrochen, und die Locomotive saust quer durch den Isteiner Klotz. Von Augusta Rauracorum ragen noch wenige verwitterte Backsteinmauern aus dem Wiesengrunde, darüber statt römischer Imperatoren jetzt die weisen Väter des Canton Basellandschaft herrschen; aber dann und wann pflügt der Bauersmann einen güldenen Ring oder eine gewundene Armspange oder einen ehernen Hausgötzen aus den Furchen heraus, und ein spätgeborner alamannischer Nachkomme denkt dabei an jene Zeiten, denn im Greisenalter fallen den Menschen wie den Völkern die Geschichten der Kindheit lebhafter ins Gedächtniß, als sonst, wo noch Thaten der Männer zu thun sind.

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Thomas Weitin: Herausgeber
Digital Humanities Cooperation Konstanz/Darmstadt: Bereitstellung der Texttranskription. (2017-03-16T11:06:35Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Jan Merkt, Thomas Gilli, Jasmin Bieber, Katharina Herget, Anni Peter, Christian Thomas: Bearbeitung der digitalen Edition. (2017-03-16T11:06:35Z)

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Zitationshilfe: Scheffel, Joseph Victor von: Hugideo. In: Deutscher Novellenschatz. Hrsg. von Paul Heyse und Hermann Kurz. Bd. 19. 2. Aufl. Berlin, [1910], S. 237–254. In: Weitin, Thomas (Hrsg.): Volldigitalisiertes Korpus. Der Deutsche Novellenschatz. Darmstadt/Konstanz, 2016, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/scheffel_hugideo_1910/20>, abgerufen am 29.03.2024.