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Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894.

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Knochen mit Urukuöl eingeschmiert werden. Ob bei dieser Ausschmückung
auch die verzweifelt aussichtslose Hoffnung auf einen medizinischen Erfolg mit-
gewirkt hat, vermag ich nicht zu sagen.

Das tägliche Anstreichen mit öligem Russ und Uruku wie am Schingu
kam nicht vor. Auch werden die Farbstoffe für keinerlei Gerät als die Schwirr-
hölzer verwendet; statt ihrer sah man am S. Lourenco überall die Federn am
Leib wie an den Geräten. Es fehlte aber auch die Plage der Moskitos und
Stechfliegen; von allem Ungeziefer sahen oder hörten wir in der Kolonie nur
die in dem Maisvorrat raschelnden zahllosen Grillen. Das Uruku, von dem es
nur sehr wenig gab, wurde mit Fischöl angerührt. Es wurde nur im bescheidensten
Masse verwendet, ebenso wie die Bemalung mit Schwarz sich auf den Lack-
rahmen und das Berussen von Gesicht und Körper, als man gegen die Kayapo
loszog, beschränkte. Mit Uruku schminkte man das Ranchaomädchen für die
Nacht; es sass auf einer roten Decke, daneben lag eine Muschel mit Fischöl und
ein Stück Urukupaste. Das Haar wurde dick beschmiert, der Oberkörper erhielt
auch einen Anstrich, aber die Hauptsache, auf die man lange Zeit verwendete,
war die Bemalung des Gesichts mit einem Halm oder schmalen Bambusstäbchen.
So wurde die Stirn nicht mit einem Zug bestrichen, sondern man legte das
mit Farbe getränkte Stäbchen auf und drückte es ab, mit diesem Verfahren
allmählich einen Querstreifen über die Stirn legend. Man färbte auch die
Lider, das Oberlid bis in die Falte hinein. Auf die Wangen malte man Drei-
ecke
. Auf die Bedeutung des Querstreifens und der Dreiecke komme ich
später zurück, vgl. unter "Zeichenkunst" nach Besprechung der Schwirrhölzer,
wo ich allein noch Gelegenheit habe, von Mustern zu reden.

Federschmuckarbeiten, um mich im Gegensatz zu der Federbeklebung
so auszudrücken, wurden in prächtigster Art geliefert. Die Haupterzeugnisse
der Jägerkunst finden sich auf Tafel I bei dem Häuptling in Gala vereinigt.

Ein gewaltiges Strahlenrad aus blauen, auf der Rückseite gelben Arara-
schwanzedern erhebt sich, schief nach vorn gerichtet, auf dem Vorderkopf, der
Pariko, vgl. Abb. 133. Die Ararafedern, 45 cm lang, stecken in einem um-
wickelten Halmbündel, das sich dem Kopf anpasst und mit einer Schnur an-
gebunden wird; das untere Viertel der langen Federn ist mit mehreren Reihen
roter und grüner Papageienfederchen bedeckt. Ein kleines Diadem, vgl.
Tafel I, wird über die Stirn herabgeklappt. Auf dem Hinterkopf, schief
nach hinten gerichtet und runder gewölbt als der Pariko, steht ein ihm
an Grösse gleichkommendes Diadem aus quergebänderten Falkenfedern ab,
kurugugua. Von den Ohren hängen bunte Lappen auf die Brust herab, die
aus roten und gelben, in Querstreifen zierlich angeordneten Federchen von der
Brust des Tukan gebildet sind. (Auch die grossen Schnäbel der Tukane werden
getragen.) Bündel von Flügelfedern des Arara, der Papageien und anderer
Schmuckvögel hängen, wie vom Bogen oder vom Lippenbohrer, von den Ober-
armen herab.


Knochen mit Urukúöl eingeschmiert werden. Ob bei dieser Ausschmückung
auch die verzweifelt aussichtslose Hoffnung auf einen medizinischen Erfolg mit-
gewirkt hat, vermag ich nicht zu sagen.

Das tägliche Anstreichen mit öligem Russ und Urukú wie am Schingú
kam nicht vor. Auch werden die Farbstoffe für keinerlei Gerät als die Schwirr-
hölzer verwendet; statt ihrer sah man am S. Lourenço überall die Federn am
Leib wie an den Geräten. Es fehlte aber auch die Plage der Moskitos und
Stechfliegen; von allem Ungeziefer sahen oder hörten wir in der Kolonie nur
die in dem Maisvorrat raschelnden zahllosen Grillen. Das Urukú, von dem es
nur sehr wenig gab, wurde mit Fischöl angerührt. Es wurde nur im bescheidensten
Masse verwendet, ebenso wie die Bemalung mit Schwarz sich auf den Lack-
rahmen und das Berussen von Gesicht und Körper, als man gegen die Kayapó
loszog, beschränkte. Mit Urukú schminkte man das Ranchãomädchen für die
Nacht; es sass auf einer roten Decke, daneben lag eine Muschel mit Fischöl und
ein Stück Urukúpaste. Das Haar wurde dick beschmiert, der Oberkörper erhielt
auch einen Anstrich, aber die Hauptsache, auf die man lange Zeit verwendete,
war die Bemalung des Gesichts mit einem Halm oder schmalen Bambusstäbchen.
So wurde die Stirn nicht mit einem Zug bestrichen, sondern man legte das
mit Farbe getränkte Stäbchen auf und drückte es ab, mit diesem Verfahren
allmählich einen Querstreifen über die Stirn legend. Man färbte auch die
Lider, das Oberlid bis in die Falte hinein. Auf die Wangen malte man Drei-
ecke
. Auf die Bedeutung des Querstreifens und der Dreiecke komme ich
später zurück, vgl. unter »Zeichenkunst« nach Besprechung der Schwirrhölzer,
wo ich allein noch Gelegenheit habe, von Mustern zu reden.

Federschmuckarbeiten, um mich im Gegensatz zu der Federbeklebung
so auszudrücken, wurden in prächtigster Art geliefert. Die Haupterzeugnisse
der Jägerkunst finden sich auf Tafel I bei dem Häuptling in Gala vereinigt.

Ein gewaltiges Strahlenrad aus blauen, auf der Rückseite gelben Arara-
schwanzedern erhebt sich, schief nach vorn gerichtet, auf dem Vorderkopf, der
Paríko, vgl. Abb. 133. Die Ararafedern, 45 cm lang, stecken in einem um-
wickelten Halmbündel, das sich dem Kopf anpasst und mit einer Schnur an-
gebunden wird; das untere Viertel der langen Federn ist mit mehreren Reihen
roter und grüner Papageienfederchen bedeckt. Ein kleines Diadem, vgl.
Tafel I, wird über die Stirn herabgeklappt. Auf dem Hinterkopf, schief
nach hinten gerichtet und runder gewölbt als der Paríko, steht ein ihm
an Grösse gleichkommendes Diadem aus quergebänderten Falkenfedern ab,
kurugúgua. Von den Ohren hängen bunte Lappen auf die Brust herab, die
aus roten und gelben, in Querstreifen zierlich angeordneten Federchen von der
Brust des Tukan gebildet sind. (Auch die grossen Schnäbel der Tukane werden
getragen.) Bündel von Flügelfedern des Arara, der Papageien und anderer
Schmuckvögel hängen, wie vom Bogen oder vom Lippenbohrer, von den Ober-
armen herab.


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[477/0547] Knochen mit Urukúöl eingeschmiert werden. Ob bei dieser Ausschmückung auch die verzweifelt aussichtslose Hoffnung auf einen medizinischen Erfolg mit- gewirkt hat, vermag ich nicht zu sagen. Das tägliche Anstreichen mit öligem Russ und Urukú wie am Schingú kam nicht vor. Auch werden die Farbstoffe für keinerlei Gerät als die Schwirr- hölzer verwendet; statt ihrer sah man am S. Lourenço überall die Federn am Leib wie an den Geräten. Es fehlte aber auch die Plage der Moskitos und Stechfliegen; von allem Ungeziefer sahen oder hörten wir in der Kolonie nur die in dem Maisvorrat raschelnden zahllosen Grillen. Das Urukú, von dem es nur sehr wenig gab, wurde mit Fischöl angerührt. Es wurde nur im bescheidensten Masse verwendet, ebenso wie die Bemalung mit Schwarz sich auf den Lack- rahmen und das Berussen von Gesicht und Körper, als man gegen die Kayapó loszog, beschränkte. Mit Urukú schminkte man das Ranchãomädchen für die Nacht; es sass auf einer roten Decke, daneben lag eine Muschel mit Fischöl und ein Stück Urukúpaste. Das Haar wurde dick beschmiert, der Oberkörper erhielt auch einen Anstrich, aber die Hauptsache, auf die man lange Zeit verwendete, war die Bemalung des Gesichts mit einem Halm oder schmalen Bambusstäbchen. So wurde die Stirn nicht mit einem Zug bestrichen, sondern man legte das mit Farbe getränkte Stäbchen auf und drückte es ab, mit diesem Verfahren allmählich einen Querstreifen über die Stirn legend. Man färbte auch die Lider, das Oberlid bis in die Falte hinein. Auf die Wangen malte man Drei- ecke. Auf die Bedeutung des Querstreifens und der Dreiecke komme ich später zurück, vgl. unter »Zeichenkunst« nach Besprechung der Schwirrhölzer, wo ich allein noch Gelegenheit habe, von Mustern zu reden. Federschmuckarbeiten, um mich im Gegensatz zu der Federbeklebung so auszudrücken, wurden in prächtigster Art geliefert. Die Haupterzeugnisse der Jägerkunst finden sich auf Tafel I bei dem Häuptling in Gala vereinigt. Ein gewaltiges Strahlenrad aus blauen, auf der Rückseite gelben Arara- schwanzedern erhebt sich, schief nach vorn gerichtet, auf dem Vorderkopf, der Paríko, vgl. Abb. 133. Die Ararafedern, 45 cm lang, stecken in einem um- wickelten Halmbündel, das sich dem Kopf anpasst und mit einer Schnur an- gebunden wird; das untere Viertel der langen Federn ist mit mehreren Reihen roter und grüner Papageienfederchen bedeckt. Ein kleines Diadem, vgl. Tafel I, wird über die Stirn herabgeklappt. Auf dem Hinterkopf, schief nach hinten gerichtet und runder gewölbt als der Paríko, steht ein ihm an Grösse gleichkommendes Diadem aus quergebänderten Falkenfedern ab, kurugúgua. Von den Ohren hängen bunte Lappen auf die Brust herab, die aus roten und gelben, in Querstreifen zierlich angeordneten Federchen von der Brust des Tukan gebildet sind. (Auch die grossen Schnäbel der Tukane werden getragen.) Bündel von Flügelfedern des Arara, der Papageien und anderer Schmuckvögel hängen, wie vom Bogen oder vom Lippenbohrer, von den Ober- armen herab.

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Zitationshilfe: Steinen, Karl von den: Unter den Naturvölkern Zentral-Brasiliens. Berlin, 1894, S. 477. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/steinen_naturvoelker_1894/547>, abgerufen am 16.04.2024.