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Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896.

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J. Die Hauptgarantieen für den europäischen Frieden liegen im
Dreibunde und in der täglich steigenden Macht der friedliebenden
russischen Bourgeoisie. Auch deutsche Männer und Frauen können
die Friedensinteressen fördern, besonders durch Bekämpfung des
Ultramontanismus und durch die Forderung einer strengen
Bestrafung der Haupturheber eines etwaigen russischen, fran-
zösischen u. s. w. Friedensbruches.18) Die einflußreichsten Kriegsfreunde
Frankreichs sind Ultramontane, und nach Fürst Bismarck's bekannter
Schilderung hetzen ultramontane Polen in der russischen Presse und
Gesellschaft gegen das neue Reich. Deutsche Männer und Frauen
sollen dagegen die Gemeinsamkeit der deutsch-russischen Jn-
teressen
gegenüber dem polnischen, französischen und übrigen Ultra-
montanismus betonen. Auch die Forderung der Aufhebung der süd-
französischen und spanischen Stiergefechte wäre ein geschickter
Schachzug wahrer Freunde und Freundinnen des Friedens, der
Humanität.

Trotz den Pyrrhussiegen des Ultramontanismus können ihm
gewisse Zeitströmungen, von Liberalen geschickt benutzt, sehr gefährlich
werden.

A. W. Roscher19) hebt mit Recht hervor, daß in der Ohren-
beichte
wirklich Unpassendes Frauen gegenüber fast unvermeidbar ist.
(Das Wort Unpassendes steht nicht im Original. Jch habe einen
schärferen Ausdruck des weltberühmten, bekanntlich sehr maßvollen
Gelehrten aus Opportunitätsgründen gemildert.) Verschiedene katholische
Frauen und Mädchen haben sich über gewisse Fragen beklagt, die hie
und da im Beichtstuhl an sie gestellt worden sind; und manche sind
deshalb zum Protestantismus übergetreten. Die Frauenbewegung sollte
daher die Aufhebung der Ohrenbeichte fordern, die, wenn ich nicht
irre, bei den Altkatholiken bereits vollzogen ist.
B. Die Geistlichen der Protestanten, Jsraeliten, Griechisch-
Katholischen, ja, sogar der unter dem Papst stehenden Griechisch-
Unierten und Maroniten dürfen heiraten. Es ist daher eine Forderung
der Parität, der Freiheit der Geistlichen, daß die katholischen
Geistlichen auch heiraten dürfen
. Jm Cölibatszwange liegt
unzweifelhaft eine Art Unterschätzung der Ehe und des weiblichen
Geschlechts, einschließlich der Mutter Jesu, die bekanntlich verheiratet
war. Durch die Aufhebung des Cölibatszwanges würden viele Mädchen
und jüngere Witwen versorgt werden. Wenn die Einnahmen der
J. Die Hauptgarantieen für den europäischen Frieden liegen im
Dreibunde und in der täglich steigenden Macht der friedliebenden
russischen Bourgeoisie. Auch deutsche Männer und Frauen können
die Friedensinteressen fördern, besonders durch Bekämpfung des
Ultramontanismus und durch die Forderung einer strengen
Bestrafung der Haupturheber eines etwaigen russischen, fran-
zösischen u. s. w. Friedensbruches.18) Die einflußreichsten Kriegsfreunde
Frankreichs sind Ultramontane, und nach Fürst Bismarck‘s bekannter
Schilderung hetzen ultramontane Polen in der russischen Presse und
Gesellschaft gegen das neue Reich. Deutsche Männer und Frauen
sollen dagegen die Gemeinsamkeit der deutsch-russischen Jn-
teressen
gegenüber dem polnischen, französischen und übrigen Ultra-
montanismus betonen. Auch die Forderung der Aufhebung der süd-
französischen und spanischen Stiergefechte wäre ein geschickter
Schachzug wahrer Freunde und Freundinnen des Friedens, der
Humanität.

Trotz den Pyrrhussiegen des Ultramontanismus können ihm
gewisse Zeitströmungen, von Liberalen geschickt benutzt, sehr gefährlich
werden.

A. W. Roscher19) hebt mit Recht hervor, daß in der Ohren-
beichte
wirklich Unpassendes Frauen gegenüber fast unvermeidbar ist.
(Das Wort Unpassendes steht nicht im Original. Jch habe einen
schärferen Ausdruck des weltberühmten, bekanntlich sehr maßvollen
Gelehrten aus Opportunitätsgründen gemildert.) Verschiedene katholische
Frauen und Mädchen haben sich über gewisse Fragen beklagt, die hie
und da im Beichtstuhl an sie gestellt worden sind; und manche sind
deshalb zum Protestantismus übergetreten. Die Frauenbewegung sollte
daher die Aufhebung der Ohrenbeichte fordern, die, wenn ich nicht
irre, bei den Altkatholiken bereits vollzogen ist.
B. Die Geistlichen der Protestanten, Jsraeliten, Griechisch-
Katholischen, ja, sogar der unter dem Papst stehenden Griechisch-
Unierten und Maroniten dürfen heiraten. Es ist daher eine Forderung
der Parität, der Freiheit der Geistlichen, daß die katholischen
Geistlichen auch heiraten dürfen
. Jm Cölibatszwange liegt
unzweifelhaft eine Art Unterschätzung der Ehe und des weiblichen
Geschlechts, einschließlich der Mutter Jesu, die bekanntlich verheiratet
war. Durch die Aufhebung des Cölibatszwanges würden viele Mädchen
und jüngere Witwen versorgt werden. Wenn die Einnahmen der
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[27/0033] J. Die Hauptgarantieen für den europäischen Frieden liegen im Dreibunde und in der täglich steigenden Macht der friedliebenden russischen Bourgeoisie. Auch deutsche Männer und Frauen können die Friedensinteressen fördern, besonders durch Bekämpfung des Ultramontanismus und durch die Forderung einer strengen Bestrafung der Haupturheber eines etwaigen russischen, fran- zösischen u. s. w. Friedensbruches. ¹⁸⁾ Die einflußreichsten Kriegsfreunde Frankreichs sind Ultramontane, und nach Fürst Bismarck‘s bekannter Schilderung hetzen ultramontane Polen in der russischen Presse und Gesellschaft gegen das neue Reich. Deutsche Männer und Frauen sollen dagegen die Gemeinsamkeit der deutsch-russischen Jn- teressen gegenüber dem polnischen, französischen und übrigen Ultra- montanismus betonen. Auch die Forderung der Aufhebung der süd- französischen und spanischen Stiergefechte wäre ein geschickter Schachzug wahrer Freunde und Freundinnen des Friedens, der Humanität. Trotz den Pyrrhussiegen des Ultramontanismus können ihm gewisse Zeitströmungen, von Liberalen geschickt benutzt, sehr gefährlich werden. A. W. Roscher ¹⁹⁾ hebt mit Recht hervor, daß in der Ohren- beichte wirklich Unpassendes Frauen gegenüber fast unvermeidbar ist. (Das Wort Unpassendes steht nicht im Original. Jch habe einen schärferen Ausdruck des weltberühmten, bekanntlich sehr maßvollen Gelehrten aus Opportunitätsgründen gemildert.) Verschiedene katholische Frauen und Mädchen haben sich über gewisse Fragen beklagt, die hie und da im Beichtstuhl an sie gestellt worden sind; und manche sind deshalb zum Protestantismus übergetreten. Die Frauenbewegung sollte daher die Aufhebung der Ohrenbeichte fordern, die, wenn ich nicht irre, bei den Altkatholiken bereits vollzogen ist. B. Die Geistlichen der Protestanten, Jsraeliten, Griechisch- Katholischen, ja, sogar der unter dem Papst stehenden Griechisch- Unierten und Maroniten dürfen heiraten. Es ist daher eine Forderung der Parität, der Freiheit der Geistlichen, daß die katholischen Geistlichen auch heiraten dürfen. Jm Cölibatszwange liegt unzweifelhaft eine Art Unterschätzung der Ehe und des weiblichen Geschlechts, einschließlich der Mutter Jesu, die bekanntlich verheiratet war. Durch die Aufhebung des Cölibatszwanges würden viele Mädchen und jüngere Witwen versorgt werden. Wenn die Einnahmen der

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-04-09T14:25:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-04-09T14:25:10Z)

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Zitationshilfe: Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896, S. 27. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/walcker_frauenbewegung_1896/33>, abgerufen am 19.04.2024.