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Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896.

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Pfarrer nicht ausreichten, so könnten die Vermögen der Klöster,
bayerische Meßstiftungen, die Latifundien der österreichisch-ungarischen
Toten Hand u. s. w. zur Aufbesserung der Pfarrerbesoldungen ver-
wandt werden.
C. Jn Frankreich, England, Amerika giebt es längst weibliche
Fabrikinspektoren.20) Nach dieser Analogie muß man staatliche Jn-
Spektorinnen
und Jnspektoren für Nonnen- und Mönchs-
klöster
fordern, besonders da die Klöster nicht selten Jndustrie21) treiben,
und da manche Mädchen und Frauen von ihren Verwandten aus
erbschleicherischen Gründen zwangsweise in ein Kloster gesteckt werden.
Der Austritt aus einem Orden muß jeder Zeit frei stehen, und sie
sind sobald wie möglich aufzuheben.
D. Durch eine gesunde Emanzipation der protestantischen Frauen
kann man indirekt auch auf die ultramontanen Frauen, Männer,
Kinder wirken (vgl. unten Kap. IV und V). Man muß dabei, trotz
aller Schneidigkeit, die Ultramontanen, unter denen es ja in ihrer
Art sehr achtbare Personen giebt, gerecht, human beurteilen.
Die Protestanten, die Ultramontanen und die Jsraeliten
haben auch gemeinsame Jnteressen. Man denke z. B. an den
Kampf für den Theismus, gegen das Duell und Studentenmensuren.


Viertes Kapitel.

Die wahrscheinliche Zukunft der deutschen Frauenbewegung. Die Notwendigkeit
einer antiradikalen Frauenerklärung nach Art ähnlicher englischer und
amerikanischer Proteste. Die Förderung berechtigter Fraueninteressen und
der politischen Frauenbildung als eine nationalliberale und ähnliche
Parteiwaffe gegen den Feudalismus, Ultramonatismus, Sozialismus,
polnischen Chauvinismus. Die bevorstehende weltgeschichtliche Verbesserung
der Lage der Frauen des Deutschen Reiches und der übrigen Kulturstaaten.

Wirkliche und vermeintliche Extravaganzen deutscher und aus-
ländischer Frauenrechtlerinnen haben die Frauenbewegung so unpopulär
gemacht, daß zur Beruhigung und Gewinnung der öffentlichen Meinung
eine antiradikale Erklärung deutscher Frauen und Mädchen
sehr zeitgemäß wäre. (Vgl. oben S. 4 ff., 12 ff., 16 ff., 21 ff.) Bei der

Pfarrer nicht ausreichten, so könnten die Vermögen der Klöster,
bayerische Meßstiftungen, die Latifundien der österreichisch-ungarischen
Toten Hand u. s. w. zur Aufbesserung der Pfarrerbesoldungen ver-
wandt werden.
C. Jn Frankreich, England, Amerika giebt es längst weibliche
Fabrikinspektoren.20) Nach dieser Analogie muß man staatliche Jn-
Spektorinnen
und Jnspektoren für Nonnen- und Mönchs-
klöster
fordern, besonders da die Klöster nicht selten Jndustrie21) treiben,
und da manche Mädchen und Frauen von ihren Verwandten aus
erbschleicherischen Gründen zwangsweise in ein Kloster gesteckt werden.
Der Austritt aus einem Orden muß jeder Zeit frei stehen, und sie
sind sobald wie möglich aufzuheben.
D. Durch eine gesunde Emanzipation der protestantischen Frauen
kann man indirekt auch auf die ultramontanen Frauen, Männer,
Kinder wirken (vgl. unten Kap. IV und V). Man muß dabei, trotz
aller Schneidigkeit, die Ultramontanen, unter denen es ja in ihrer
Art sehr achtbare Personen giebt, gerecht, human beurteilen.
Die Protestanten, die Ultramontanen und die Jsraeliten
haben auch gemeinsame Jnteressen. Man denke z. B. an den
Kampf für den Theismus, gegen das Duell und Studentenmensuren.


Viertes Kapitel.

Die wahrscheinliche Zukunft der deutschen Frauenbewegung. Die Notwendigkeit
einer antiradikalen Frauenerklärung nach Art ähnlicher englischer und
amerikanischer Proteste. Die Förderung berechtigter Fraueninteressen und
der politischen Frauenbildung als eine nationalliberale und ähnliche
Parteiwaffe gegen den Feudalismus, Ultramonatismus, Sozialismus,
polnischen Chauvinismus. Die bevorstehende weltgeschichtliche Verbesserung
der Lage der Frauen des Deutschen Reiches und der übrigen Kulturstaaten.

Wirkliche und vermeintliche Extravaganzen deutscher und aus-
ländischer Frauenrechtlerinnen haben die Frauenbewegung so unpopulär
gemacht, daß zur Beruhigung und Gewinnung der öffentlichen Meinung
eine antiradikale Erklärung deutscher Frauen und Mädchen
sehr zeitgemäß wäre. (Vgl. oben S. 4 ff., 12 ff., 16 ff., 21 ff.) Bei der

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[28/0034] Pfarrer nicht ausreichten, so könnten die Vermögen der Klöster, bayerische Meßstiftungen, die Latifundien der österreichisch-ungarischen Toten Hand u. s. w. zur Aufbesserung der Pfarrerbesoldungen ver- wandt werden. C. Jn Frankreich, England, Amerika giebt es längst weibliche Fabrikinspektoren. ²⁰⁾ Nach dieser Analogie muß man staatliche Jn- Spektorinnen und Jnspektoren für Nonnen- und Mönchs- klöster fordern, besonders da die Klöster nicht selten Jndustrie ²¹⁾ treiben, und da manche Mädchen und Frauen von ihren Verwandten aus erbschleicherischen Gründen zwangsweise in ein Kloster gesteckt werden. Der Austritt aus einem Orden muß jeder Zeit frei stehen, und sie sind sobald wie möglich aufzuheben. D. Durch eine gesunde Emanzipation der protestantischen Frauen kann man indirekt auch auf die ultramontanen Frauen, Männer, Kinder wirken (vgl. unten Kap. IV und V). Man muß dabei, trotz aller Schneidigkeit, die Ultramontanen, unter denen es ja in ihrer Art sehr achtbare Personen giebt, gerecht, human beurteilen. Die Protestanten, die Ultramontanen und die Jsraeliten haben auch gemeinsame Jnteressen. Man denke z. B. an den Kampf für den Theismus, gegen das Duell und Studentenmensuren. Viertes Kapitel. Die wahrscheinliche Zukunft der deutschen Frauenbewegung. Die Notwendigkeit einer antiradikalen Frauenerklärung nach Art ähnlicher englischer und amerikanischer Proteste. Die Förderung berechtigter Fraueninteressen und der politischen Frauenbildung als eine nationalliberale und ähnliche Parteiwaffe gegen den Feudalismus, Ultramonatismus, Sozialismus, polnischen Chauvinismus. Die bevorstehende weltgeschichtliche Verbesserung der Lage der Frauen des Deutschen Reiches und der übrigen Kulturstaaten. Wirkliche und vermeintliche Extravaganzen deutscher und aus- ländischer Frauenrechtlerinnen haben die Frauenbewegung so unpopulär gemacht, daß zur Beruhigung und Gewinnung der öffentlichen Meinung eine antiradikale Erklärung deutscher Frauen und Mädchen sehr zeitgemäß wäre. (Vgl. oben S. 4 ff., 12 ff., 16 ff., 21 ff.) Bei der

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Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-04-09T14:25:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
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Zitationshilfe: Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896, S. 28. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/walcker_frauenbewegung_1896/34>, abgerufen am 20.04.2024.