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Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896.

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H. Wenn eine reiche kinderlose Frau A von ihrem Manne B
gemißhandelt wird, so kann sie zu Verwandten oder in eine Damen-
pension ziehen. Eine Klage des Mannes wegen böslichen Verlassung
wäre aussichtlos, besonders wenn Frauen als Richterinnen, Asses-
sorinnen, Advokatinnen, Geschworene, Schöffinnen
mit-
wirkten. Schlimmer gestaltet sich die Sache, wenn Frau A Kinder
hat, und noch schlimmer, wenn sie arm ist. Vor Wochen oder Mo-
naten käme ihre Klage schwerlich zur Verhandlung; und bis dahin
könnte der Mann sie und die Kinder noch schwerer mißhandeln, ja,
tot schlagen. Es wäre daher gut, die hie und da bestehenden Rechts-
schutzvereine der Frauen
in ähnliche Jnstitute umzuwandeln, in
denen beide Geschlechter, auch Rechtsanwälte, Staatsanwälte,
Polizeibeamte, Geistliche, Arbeitgeber, Rentiers, vertreten wären, und
bezügliche Annoncen an die Anschlagsäulen, resp. in Lokalblätter, zu
setzen. Männer und Frauen müßten das Recht erhalten, in eine
fremde Wohnung zu dringen, wenn gemißhandelte Frauen oder Kin-
der
um Hilfe rufen. Sie müßten auch zu Anzeigen bei der Polizei
und Staatsanwaltschaft verpflichtet werden. Der Wüterich B wäre
fest zu binden, in Untersuchungshaft zu bringen, und die Sache
müßte sobald wie möglich, nach einigen Tagen, verhandelt werden.
Es wäre nicht nötig, den B auf Kosten der Steuerzahler Wochen
oder Monate lang im Gefängnis zu füttern. Durch Fasten, Dunkel-
arrest, Schlafen auf einer harten Holzbank ohne Matratze u. s. w.
könnte man ihn bald kirre machen. Jn schweren Fällen wären die
Schuldigen zu Straßenbauten und Entwässerungen in Afrika zu ge-
brauchen. Natürlich darf man nicht jeder Anzeige Glauben schenken.
Eine Frau kann sich z. B. von ihrem Liebhaber braun und blau
schlagen, oder leichte Wunden beibringen lassen, um ihren unschuldigen
Mann ins Gefängnis zu bringen, ungestört Ehebruch zu treiben.

Solche Rechtsschutzvereine könnten ferner gegen Trunksucht
und gegen Mißhandlungen von Kindern, Dienstmädchen, Lehr-
lingen, Kunststückmachern, Soldaten
u. s. w. einschreiten. Jm
letztgenannten Falle ist der Schuldige nicht immer ein Vorgesetzter:
es kommt vor, daß ein Soldat von anderen Soldaten gemiß-
handelt wird.

J. Auf dem Gebiete der Gesundheitspolizei kann und soll noch
vieles geschehen. Die Abschaffung der Gebühren für die Benutzung
städtischer Bedürfnisanstalten wäre z. B. eine Wohlthat für die
3*
H. Wenn eine reiche kinderlose Frau A von ihrem Manne B
gemißhandelt wird, so kann sie zu Verwandten oder in eine Damen-
pension ziehen. Eine Klage des Mannes wegen böslichen Verlassung
wäre aussichtlos, besonders wenn Frauen als Richterinnen, Asses-
sorinnen, Advokatinnen, Geschworene, Schöffinnen
mit-
wirkten. Schlimmer gestaltet sich die Sache, wenn Frau A Kinder
hat, und noch schlimmer, wenn sie arm ist. Vor Wochen oder Mo-
naten käme ihre Klage schwerlich zur Verhandlung; und bis dahin
könnte der Mann sie und die Kinder noch schwerer mißhandeln, ja,
tot schlagen. Es wäre daher gut, die hie und da bestehenden Rechts-
schutzvereine der Frauen
in ähnliche Jnstitute umzuwandeln, in
denen beide Geschlechter, auch Rechtsanwälte, Staatsanwälte,
Polizeibeamte, Geistliche, Arbeitgeber, Rentiers, vertreten wären, und
bezügliche Annoncen an die Anschlagsäulen, resp. in Lokalblätter, zu
setzen. Männer und Frauen müßten das Recht erhalten, in eine
fremde Wohnung zu dringen, wenn gemißhandelte Frauen oder Kin-
der
um Hilfe rufen. Sie müßten auch zu Anzeigen bei der Polizei
und Staatsanwaltschaft verpflichtet werden. Der Wüterich B wäre
fest zu binden, in Untersuchungshaft zu bringen, und die Sache
müßte sobald wie möglich, nach einigen Tagen, verhandelt werden.
Es wäre nicht nötig, den B auf Kosten der Steuerzahler Wochen
oder Monate lang im Gefängnis zu füttern. Durch Fasten, Dunkel-
arrest, Schlafen auf einer harten Holzbank ohne Matratze u. s. w.
könnte man ihn bald kirre machen. Jn schweren Fällen wären die
Schuldigen zu Straßenbauten und Entwässerungen in Afrika zu ge-
brauchen. Natürlich darf man nicht jeder Anzeige Glauben schenken.
Eine Frau kann sich z. B. von ihrem Liebhaber braun und blau
schlagen, oder leichte Wunden beibringen lassen, um ihren unschuldigen
Mann ins Gefängnis zu bringen, ungestört Ehebruch zu treiben.

Solche Rechtsschutzvereine könnten ferner gegen Trunksucht
und gegen Mißhandlungen von Kindern, Dienstmädchen, Lehr-
lingen, Kunststückmachern, Soldaten
u. s. w. einschreiten. Jm
letztgenannten Falle ist der Schuldige nicht immer ein Vorgesetzter:
es kommt vor, daß ein Soldat von anderen Soldaten gemiß-
handelt wird.

J. Auf dem Gebiete der Gesundheitspolizei kann und soll noch
vieles geschehen. Die Abschaffung der Gebühren für die Benutzung
städtischer Bedürfnisanstalten wäre z. B. eine Wohlthat für die
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[35/0041] H. Wenn eine reiche kinderlose Frau A von ihrem Manne B gemißhandelt wird, so kann sie zu Verwandten oder in eine Damen- pension ziehen. Eine Klage des Mannes wegen böslichen Verlassung wäre aussichtlos, besonders wenn Frauen als Richterinnen, Asses- sorinnen, Advokatinnen, Geschworene, Schöffinnen mit- wirkten. Schlimmer gestaltet sich die Sache, wenn Frau A Kinder hat, und noch schlimmer, wenn sie arm ist. Vor Wochen oder Mo- naten käme ihre Klage schwerlich zur Verhandlung; und bis dahin könnte der Mann sie und die Kinder noch schwerer mißhandeln, ja, tot schlagen. Es wäre daher gut, die hie und da bestehenden Rechts- schutzvereine der Frauen in ähnliche Jnstitute umzuwandeln, in denen beide Geschlechter, auch Rechtsanwälte, Staatsanwälte, Polizeibeamte, Geistliche, Arbeitgeber, Rentiers, vertreten wären, und bezügliche Annoncen an die Anschlagsäulen, resp. in Lokalblätter, zu setzen. Männer und Frauen müßten das Recht erhalten, in eine fremde Wohnung zu dringen, wenn gemißhandelte Frauen oder Kin- der um Hilfe rufen. Sie müßten auch zu Anzeigen bei der Polizei und Staatsanwaltschaft verpflichtet werden. Der Wüterich B wäre fest zu binden, in Untersuchungshaft zu bringen, und die Sache müßte sobald wie möglich, nach einigen Tagen, verhandelt werden. Es wäre nicht nötig, den B auf Kosten der Steuerzahler Wochen oder Monate lang im Gefängnis zu füttern. Durch Fasten, Dunkel- arrest, Schlafen auf einer harten Holzbank ohne Matratze u. s. w. könnte man ihn bald kirre machen. Jn schweren Fällen wären die Schuldigen zu Straßenbauten und Entwässerungen in Afrika zu ge- brauchen. Natürlich darf man nicht jeder Anzeige Glauben schenken. Eine Frau kann sich z. B. von ihrem Liebhaber braun und blau schlagen, oder leichte Wunden beibringen lassen, um ihren unschuldigen Mann ins Gefängnis zu bringen, ungestört Ehebruch zu treiben. Solche Rechtsschutzvereine könnten ferner gegen Trunksucht und gegen Mißhandlungen von Kindern, Dienstmädchen, Lehr- lingen, Kunststückmachern, Soldaten u. s. w. einschreiten. Jm letztgenannten Falle ist der Schuldige nicht immer ein Vorgesetzter: es kommt vor, daß ein Soldat von anderen Soldaten gemiß- handelt wird. J. Auf dem Gebiete der Gesundheitspolizei kann und soll noch vieles geschehen. Die Abschaffung der Gebühren für die Benutzung städtischer Bedürfnisanstalten wäre z. B. eine Wohlthat für die   3*

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Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Texte der ersten Frauenbewegung, betreut von Anna Pfundt und Thomas Gloning, JLU Gießen: Bereitstellung der Texttranskription. (2018-04-09T14:25:10Z) Bitte beachten Sie, dass die aktuelle Transkription (und Textauszeichnung) mittlerweile nicht mehr dem Stand zum Zeitpunkt der Übernahme des Werkes in das DTA entsprechen muss.
Anna Pfundt: Bearbeitung der digitalen Edition. (2018-04-09T14:25:10Z)

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Zitationshilfe: Walcker, Karl: Die Frauenbewegung. Straßburg, 1896, S. 35. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/walcker_frauenbewegung_1896/41>, abgerufen am 25.04.2024.