Augsburger Allgemeine Zeitung.
Mit allerhöchsten Privilegien.
Donnerstag
Nr. 16.
16 Januar 1840.
Spanien.
Madrid, 4 Jan. In Folge des Aufstandes einer Schwadron indultirter Carlisten, den ich Ihnen vorgestern meldete, hat der Generalcommandant von Toledo und der Mancha alle übrigen dortigen Indultirten vorläufig in Verwahrsam nehmen lassen. In Galicien ist nunmehr der Kriegszustand aufgehoben worden, da fast alle Carlisten die Waffen niedergelegt haben. Von Espartero's Armee hört man nichts Neues. Cabrera soll krank in Erbes darnieder liegen. – Der englische Gesandte, Hr. Aston, denkt gegen Ende dieses Monats hier einzutreffen. Vermuthlich wird Hr. Southern bis dahin noch hier bleiben; seitdem er nicht mehr in amtlicher Thätigkeit ist, fallen die Geschäfte des Gesandtschaftssecretärs auf den Attaché Hrn. Loftus Otway. – Hr. Campuzano hat so eben unter dem Titel „Prophezeiung“ eine neue Flugschrift erscheinen lassen. Der Verfasser, als gewandter Diplomat, tritt mit seinen Aufklärungen nur auf Umwegen hervor, so daß der Leser, der in seinen Schriften Enthüllungen der Zukunft sucht, nicht an die dort aufgestellten Prophezeiungen, sondern an das gerade Gegentheil zu glauben hat. Auf diese schalkhafte Weise prophezeite Hr. Campuzano vor einem Jahre Congresse, Protokolle, Vermählungen, als die unmittelbar bevorstehende Lösungsart der spanischen Wirren. Man weiß, was davon eingetroffen ist. In der gegenwärtigen „Prophezeiung“ überhäuft Hr. Campuzano den König Ferdinand VII mit Schmähungen, und fügt dann hinzu, er wolle das Andenken eines Königs, der ihn immer mit Wohlwollen behandelt habe, nicht kränken; „denn es würde scheinen, sagt er, daß ich die Krone verächtlich machen, und die monarchische Regierungsform, die ohnehin schon ihren ganzen Credit verloren hat, so sehr herabsetzen wollte, um sie durch meine Angaben gänzlich umzustürzen, oder wenigstens ihren Fall vorzubereiten.„ Eine unter dem Titel „Maulkorb für den neuen Propheten“ erschienene Gegenschrift äußert sich hierüber unter Anderm folgendermaßen: „Wer hätte es dem verstorbenen Monarchen sagen können, daß mit der Zeit, und nachdem seine Gebeine bereits vermodert sind, du (Campuzano) in ihnen wühlen würdest, du, der frühere Höfling, mit Aemtern, Gnadenzeichen und Güte von eben dem König überhäuft, gegen den du dich auf niederträchtige Weise undankbar zeigst; denn du deckst seine Schwächen auf, da er todt ist, du, der du dich, als er lebte, vor seiner Gegenwart mit knechtischer Demuth beugtest, und ihn deinen Herrn und Gebieter nanntest.“ Zu diesem Wechsel der Gesinnungen mag folgende in dem „Piloto“ erschienene Stelle, die von Hrn. Alcala Galiano, dem Haupturheber der Revolution von 1820, herrührt, als Gegenstück dienen:
„Die in Cadiz 1812 von einigen müßigen Studenten, die ihre Bücher verlassen hatten, um Gesetzgeber zu werden, verkündigte, 1820 durch einen Soldatenaufstand wieder hergestellte Constitution, wurde 1836 von zwei durch Wein und einer durch Gold gewonnenen Soldateska aufs neue ausgerufen; das heißt, die schlechten Soldaten erklärten sich zu Verfechtern des Werkes der schlechten Studenten.“ – Nachschrift. Diesen Abend ist die Nachricht eingegangen, daß Cabrera am 27 v. M. in Herves die letzte Oelung erhielt; das Gerücht läßt ihn sogar schon verschieden seyn.
Großbritannien.
London, 9 Jan
Der ehrenw. G. Cavendish, whiggisches Mitglied für Nord-Derbyshire, wird, heißt es, die ministerielle Adresse auf die Thronrede beantragen, und Sir William Somerville, Mitglied für Drogheda (dessen Namen man unter den bei der Vermählung der Königin zu erwartenden Pairscreirungen nennt), die Motion unterstützen.
Am 8 Jan. schloß vor den Specialassisen in Monmuth der Solicitor-General sein Tags zuvor begonnenes Plaidoyer, worauf Oberrichter Tindal die Verhandlungen kurz resumirte, und die Jury zur reiflichen, allseitigen und unparteiischen Erwägung der Sachlage ermahnte. Auf die Frage an die Jury, ob sie sich nun zur Berathung ihres Verdicts aus dem Sitzungssaale zurückziehen wolle, antwortete der Vormann mit Ja, und die Gerichtsdiener (bailiffs) wurden auf „treue Bewachung der Jury“ beeidigt. Der Generalfiscal erinnerte: „Es ist üblich, Mylord! daß die Schwurmänner in solchen Fällen gefragt werden, ob sie nicht erst einige Erfrischungen zu sich nehmen wollen,“ (da die Jury bekanntlich eingeschlossen wird, und so lange beisammen zu bleiben hat, bis volle Meinungseinigkeit unter ihr erzielt worden ist, was zuweilen lange währt.) Auf die dießfallsige Frage des Oberrichters erklärte der Vormann, nach Besprechung mit den übrigen Schwurmännern, man halte es nicht
für nöthig. Wirklich kehrte die Jury schon nach halbstündiger Berathung in den Saal zurück, und fällte gegen John Frost das Verdict: „Schuldig, aber der königlichen Gnade zu empfehlen.“ Oberrichter Tindal: „Wir werden eure Empfehlung an die geeignete Stelle gelangen lassen.“ Der Gefangene ward abgeführt.
Der Umstand, daß Sir Frederik Pollock, Unterhausmitglied für Huntingdon, in seinen politischen Ansichten Tory ist, gibt dem Standard zu folgender Bemerkung Anlaß: „Der Vortrag, mit welchem Sir Frederik Frosts Vertheidigung eröffnete, war ein Muster ächt juristischer Beredsamkeit, gelehrt, erschöpfend, im Ausdruck besonnen und gemäßigt. Eine annäherndere Verwirklichung der Idee der Gerechtigkeit mit allen ihren gewinnenden und majestätischen Attributen läßt sich überhaupt nicht denken, als sie in diesen Processualhandlungen in Monmouth vor uns steht. Da kann man die Segnungen einer solchen Rechtspflege mit dem tumultuarischen Mordverfahren jenes Spottbildes der Gerechtigkeit in Revolutionstribunalen vergleichen lernen; dieser Unterschied allein vergütet das vorgebliche Opfer, das der Mensch im Staate dadurch bringt, daß er sich der Herrschaft der Ordnung und Ruhe unterwirft. Man bemerke wohl, welche Rechtsbeistände seit zwanzig Jahren in England von allen eines Staatsverbrechens Angeklagten gewählt wurden; denn diese Wahlen beweisen, welche Classe von Politikern selbst unsere heftigsten Revolutionäre als die vertrauenswerthesten betrachten. Auf den Hustings werden diese Leute den radicalen Candidaten unterstützen, wenn sie einen haben können, oder in dessen Ermangelung den Whig; kommt aber der Augenblick, der eines Menschen innerste Ueberzeugungen auf die Probe stellt, sieht einer sein Leben oder seine persönliche Freiheit gefährdet, dann nimmt er gewiß seine Zuflucht zu dem Conservativen, als dem Mann, in dessen Talente, Redlichkeit und Eifer er das unbedingteste Vertrauen setzen kann. Watson und seine Complicen in dem Aufruhr von Spafields nahmen zu Vertheidigern ihres Lebens Sir Charles Wetherall und Sergeant Copley (Lord Lyndhurst), und das Resultat beurkundete die Klugheit ihrer Wahl. Ebenso sehen wir jetzt Sir Robert Peels vormaligen Attorney-General (Sir F. Pollock) und das conservative Mitglied für Ipswich aus dem ganzen Advocatenstande von den Chartisten in Monmouth zu ihren Vertheidigern gewählt. Dieses Zusammentreffen kann nicht zufällig seyn: entweder die Conservativen gelten für die geschicktesten Mitglieder des englischen Barreau, oder sie gelten für die redlichsten und verlässigsten.“
(Liverpool Standard.) Wie man sich erinnern wird, hatte eine Deputation der bei dem Handel nach dem la Plata-Strom betheiligten brittischen Kaufleute und Rheder, unter Vortritt des Parlamentsmitglieds Hrn. Creßwell, am 7 Dec. eine Unterredung mit Lord Palmerston über die durch eine französische Blokade verursachte, nun fast zweijährige Unterbrechung des Handels mit Buenos-Ayres. Lord Palmerston versprach, die Sache vor die Gesetzesbeamten der Krone zu bringen, nach deren Gutachten die Regierung bei allen solchen Vorkommnissen, wie eine Blokade, zu handeln habe. Jetzt hat die Deputation von Sr. Lordschaft einen definitiven Bescheid d. d. 21 Dec. erhalten. Er habe, sagt er darin, unterm 9 Dec. das Gutachten der treffenden Kronbeamten erholt. Da nach dem allgemeinen Völkerrecht Schiffe mit Ladung einen blokirten Hafen nur dann verlassen dürften, wenn die Ladung schon vor dem Beginn der Blokade an Bord geschafft worden, so sey, nach Sr. Lordschaft Ansicht, die brittische Regierung nicht befugt, die von dem Handelsstand erbetene Remonstration an die französische Regierung zu richten, indem eine solche Remonstration künftig einmal in Kriegszeit eine ungünstige Präcedenz gegen Großbritannien darbieten könnte.
In einem Briefe aus London, welchen norddeutsche Blätter mittheilen, finden wir folgende Betrachtungen, deren Grund oder Ungrund sich entscheiden wird, wenn aus den Londoner Conferenzen ein bestimmteres Resultat hervortritt: „Die Verschiedenheit der Ansichten von Frankreich und England in Bezug auf den Orient war anfangs nicht so groß, daß man einen vollständigen Bruch zwischen beiden hätte erwarten sollen; eine dritte Macht, Oesterreich, stand überdieß vermittelnd zwischen beiden. Wurde nicht vermittelt, oder war die Vermittelung erfolglos? Rußland machte England Eröffnungen, während deren Verfolg Oesterreich müßig war, und der leitende Staatsmann von Oesterreich lebte bloß den Freuden der schönen Natur. Zu eben jener Zeit war die Ansicht der französischen Blätter, und namentlich der Courrier français sprach es ausdrücklich aus, daß Oesterreich sich auf das freundschaftlichste gegen Frankreich zeige, und ein hoher Staatsmann erklärt habe, daß, so lange Oesterreich und Frankreich in genauem Verständnisse wären, ein Einverständniß zwischen Rußland und England über die orientalischen Angelegenheiten unmöglich wäre. Die Allianz zwischen Rußland und England ist realisirt worden. Frankreich hat Oesterreich keinen Anlaß auf irgend und in irgend einem Punkte nur zu Eifersucht gegeben, und Oesterreich ist nun in vollkommenem Einverständnisse mit England sowohl als Rußland. Supponiren wir nun wieder, Oesterreich habe absichtlich Frankreich in falsche Hoffnungen gewiegt, und im Geheimen die entstehende Eifersucht zwischen beiden nach Kräften genährt und vergrößert, um die Verbindung zwischen England und Frankreich zu brechen, und England alsdann herüberzuziehen in eine absolute Allianz mit Rußland. Welche neue Triumphe wären nicht dieß wieder für die österreichische Diplomatie! Welche mächtige Resultate! Die ganze auswärtige Politik Englands, wie sie der große Staatsmann Canning geschaffen, mit einem einzigen Schlage vernichtet, und England, welches noch vor wenigen Monaten der entschiedene Feind Rußlands war und kaum einen gefährlichen Krieg in Mittelasien beendigt hat, worein es durch russischen Einfluß verwickelt worden, jetzt der Freund und Bundesgenosse desselben Rußlands! Dieß sind allerdings mächtige Ereignisse, und groß muß der Verstand seyn, welcher sie herbeigeführt hat.“
Frankreich.
Paris, 11 Jan.
Die Debatten der Deputirtenkammer am 10 Jan. faßt der Temps auf folgende Weise zusammen: „Zuerst richtete Hr. Chambolle eine Interpellation an Hrn. Passy. Der Finanzminister hatte den Tag zuvor die Oppositionspresse in zwei Parteien getheilt: die eine, welche die Unterstützung vermisse und sich für diesen Verlust durch Angriffe gegen die Minister räche, die andere, welche die Unterstützung nachsuche und sie durch Drohung zu erhalten meine. Hr. Chambolle forderte Hrn. Passy auf, sich deutlicher darüber zu erklären, und seine vage und beleidigende Anklage nicht über allen unabhängigen Journalen schweben zu lassen. Hr. Passy glaubte, darüber Stillschweigen beobachten zu müssen. Hr. Duvergier de Hauranne zeigte in einer umständlichen Rede, daß die alten Parteien nicht mehr existiren, sondern täglich mehr in Fractionen zerfallen. Er ist der Ansicht, daß man neuerdings sich mit Bildung einer neuen Majorität durch Aufsammlung der zerstreuten Bruchstücke beschäftigen müsse. Er schlägt einige halb liberale, halb conservative Ideen vor, die als gemeinschaftliches Programm für die verschiedenen Fractionen dieser
neuen Majorität dienen dürften. Endlich will er dem Ministerium noch ein weiteres Fortleben gestatten, wenn es sich unter den großmüthigen Schutz der Doctrinäre begebe, wobei aber diese am Ende die Frucht ihrer Großmuth ernten müßten. Dabei ist nur zu bemerken, daß bei diesen den 221 gemachten Anträgen Hr. v. Molé, der vormalige Chef der 221, namentlich und förmlich ausgeschlossen ist; ebenso wie in den von demselben Redner den Trümmern des linken Centrums gemachten Concessionen nicht die Rede davon ist, ihren Chef als einen der natürlichen Chefs der neuen Majorität anzuerkennen. Einerseits ist Hr. v. Molé ausgeschlossen, andrerseits Hr. Thiers übergangen. Hr. Odilon-Barrot nahm gleich darauf das Wort. Die Rede des Chefs der Linken war voll Gewandtheit und nicht ohne Beredsamkeit in dem ersten, aber schwach und vag im zweiten Theile. Der Redner forderte nämlich zuerst Rechenschaft von den Ministern, seinen alten Freunden, in Betreff der Meinungen, die sie gemeinschaftlich gehegt, der Versprechungen, die sie gemacht, des Programms, das sie angenommen hätten. Bei Entwickelung seines Gedankens aber, alle liberalen und intermediären Fractionen der Linken zu nähern, zeigte er sich schwächer. Es sind dem Hrn. Odilon-Barrot in seinen Reden so viele Zurückhaltungen und Verwahrungen aufgelegt, daß in allen seinen Conclusionen Ungewißheit und Dunkelheit eintritt. Auch ist die parlamentarische Verwirrung so groß, daß
Hr. Odilon-Barrot zu entschuldigen ist, wenn er bei Classificirung der Parteien
einige Mühe erfahren hat. Hr. Villemain antwortete Hrn. O. Barrot. Er sprach im Namen des Cabinets, und ergriff die ihm durch die vorausgegangenen zwei Redner dargebotene Gelegenheit, einerseits den 221 Lob zu spenden und ihnen die Hand zu reichen, andrerseits die Linke zu bekämpfen. Hr. Villemain bemächtigte sich hauptsächlich des von der Linken ausgegangenen Entwurfs einer Wahlreform, um die übrige Kammer gegen die Partei der Reformisten aufzubringen. Er zeigte der Kammer, daß eine Reform eine Auflösung herbeiführen würde, sie daher nicht, ohne selbst abzudanken, an eine Modification des Wahlgesetzes denken könnte. Der Minister erhielt für diese Aeußerungen von mehreren Bänken aus Beifallsbezeugungen. Hr. v. Salvandy schloß die Sitzung mit einer Rede, worin er das Ministerium vom 12 Mai mit dem vom 15 April verglich, und es für noch weniger parlamentarisch als jenes erklärte. – Das Resumé ist: das Ministerium möchte die 221 gewinnen; diese scheinen gespalten, die Einen zeigen sich diesen Anträgen geneigt, die Andern halten sich fest an dem vormaligen Chef des Ministeriums vom 15 April (Molé). Die Opposition ist über diese ministerielle Tendenz aufgebracht und hält sich entfernt. Die Doctrinäre möchten das Resultat, wie es auch ausfallen mag, benützen und schlagen eine ganz fertige Doctrin und ein System vor, das im Fall der Annahme ihnen die von ihnen erstrebte Staatsgewalt sichern würde.“
Das Journal des Débats bemerkt zu dieser Sitzung: „Hr. Villemain hielt die beste Rede, während die des Hrn. Duvergier de Hauranne, kalt geschrieben und kalt vorgetragen, geringen Eindruck machte. Der versöhnliche Ton steht diesem Redner nicht zum besten an. Hr. Odilon-Barrot hat bei schönen oratorischen Formen das Unglück, nicht sehr reich an Ideen zu seyn. Es ist bemerkenswerth, und auch die Kammer schien darüber erstaunt, daß der ehrenwerthe Hr. Barrot, obwohl er sich anschickte, einen Wahlreformentwurf vorzulegen, die Frage nur als eine Frage der Zukunft betrachtet. Ist dieß der Fall, so würde Hr. Odilon-Barrot besser thun, ein Buch über die Wahlreform zu schreiben, statt einen Gesetzesentwurf zu machen. Die Kammer hat etwas Anderes zu thun, als mit Fragen sich zu beschäftigen, die noch nicht zur Reife gediehen. Es liegen deren vor, die dringend genug sind. Hr. Villemain, dessen erste Rede Hrn. Odilon-Barrot jenes seltsame Geständniß entlockt hatte, zog daraus den besten Vortheil in einer lebhaften und glänzenden Erwiederung. Der Minister des öffentlichen Unterrichts hat heute wenigstens bewiesen, daß er für einen Minister hinreichendes Talent hat; der ihm gewordene Beifall der Kammer kann ihn hoffen lassen, daß er auch die Unterstützung ihrer Stimmen erhalten werde.“
* Die Deputirtenkammer nahm in ihrer Sitzung vom 11 Jan. die drei ersten auf den innern Zustand bezüglichen Paragraphen der Adresse mit einem ganz unbedeutenden Zusatz ohne Opposition an. Hierauf gab der Präsident Hrn. Mauguin das Wort. Das ehrenwerthe Oppositionsmitglied antwortete aber dem Aufruf nicht; er war abwesend. Hr. Thiers verließ seine Bank und lief nach dem Conferenzsaal, um Hrn. Mauguin zu suchen. Er erwischte ihn nach einigen Minuten und brachte ihn in den Sitzungssaal, aber die Rednerbühne war bereits vom Präsidenten des Conseils eingenommen. Marschall Soult nahm das Wort über den vierten Paragraphen. Frankreichs Politik im Orient, sagte er, bestehe darin, dem osmanischen Reich eine unabhängige Existenz zu sichern, die ausschließliche Protection einer einzigen Macht durch die Protection aller Mächte zu ersetzen. Diese Sicherstellung des osmanischen Reichs sey mit den vollbrachten Ereignissen und den Rechten des Pascha's von Aegypten nicht unverträglich. In dieser wichtigen Frage werde Frankreich Niemanden seine Ehr und seine Interessen zum Opfer bringen. Der Herzog v. Valmy sprach hierauf gleichfalls über die orientalische Frage, fand aber fast keine Aufmerksamkeit. Einige Deputirte schrieben Briefe, andere gingen in den Vorsälen spazieren. Hr. Guizot führte mit dem General Bugeaud und Hrn. Salvandy lebhafte Privatgespräche; Hr. Odilon-Barrot lorgnirte die Damen auf der Tribüne. Die Rede des Herzogs v. Valmy war übrigens nur eine getreue Wiederholung seiner vorjährigen Rede. Er erklärte sich entschieden gegen die Allianz mit England, dessen Seesuprematie mit den Interessen der Industrie und des Handels von Frankreich und ganz Europa im Widerstreit sey. Hr. v. Carné meint, bei dem schwierigen und fast drohenden Stand der orientalischen Frage, den das Ministerium herbeigeführt, sey eine eclatante Manifestation der Kammer unumgänglich nothwendig. Die seit zwei Tagen circulirenden Gerüchte über die Isolirung, in der Frankreich sich in jener Frage befände, machten ihn besorgt. Frankreichs Interesse fordere, dem Pascha von Aegypten seine Eroberungen zu bewahren, ohne gegen die Integrität des osmanischen Reichs sich zu erheben. (!) Der Redner meint, es sey dieß eine zweischneidige Waffe, die sich leicht gegen Frankreich kehren könnte. Hr. Mauguin erhielt nun das Wort, und gefiel sich nach seiner Art in allgemeinen Betrachtungen über die Politik aller europäischen Staaten und über die Stellung und die Allianzen Frankreichs. Seit einem Jahrhundert, sagte er, vergrößerten sich die großen Mächte auf Kosten der kleinen. Nur sechs Staaten hätten eine unabhängige Existenz in der Welt, nämlich Frankreich, Oesterreich und Preußen in Europa, Rußland und England in Asien, denn letztere Mächte seyen mehr asiatisch, als europäisch, endlich die Vereinigten Staaten in Nordamerika u. s. w. Auf die orientalische Frage übergehend tadelt er das Benehmen des Ministeriums, welches seine Alliirten verletzt habe, jetzt allein stehe und die sonst widerstreitenden Interessen Englands und Rußlands vereinigt habe. Frankreich mache Rückschritte, während alle übrigen Mächte sich vergrößerten, den französischen Consuln werde getrotzt, die französische Marine insultirt. Dieß alles
sey weniger die Schuld eines Ministeriums, als vielmehr das Resultat jener schwachen und furchtsamen Politik, die man seit 1830 befolgt habe. Hr. v. Lamartine folgte. Aber die Aufregung, welche die Rede Mauguins in der Kammer verursacht hatte, erlaubte dem Dichter lange nicht, sich Gehör zu verschaffen. Ueberall bildeten sich plaudernde Gruppen, denen der Verfasser der méditations poétiques harrend mit gekreuzten Armen zusah. (Abgang der Post.)
Ein Journal sagt: „Heute (10) lief auf den Bänken der Deputirtenkammer ein Amendementsentwurf zu dem Spanien betreffenden § um. Dieses Amendement würde folgendermaßen lauten: „Die Kammer sieht mit Vergnügen, Sire, den Beistand, welchen die Minister Ew. Maj. der Regierung der Königin Isabelle II geleistet haben; Espartero hat ihre Rathschläge und Maroto ihr Beispiel befolgt.“ Ein solcher Scherz zeigt mehr als alles Andere den Geist der Kammer und die Gesinnung, welche sie zur Eröffnung der Session mitbringt. Dieses Amendement, das einem der Chefs des linken Centrums zugeschrieben wird, erklärt sich dadurch, daß in einer neulichen Versammlung der Mitglieder dieser Fraction beschlossen wurde, daß man dem Ministerium aufs entschiedenste opponiren solle. Hr. Thiers soll eine Rede bereit halten. Hr. Guizot findet es klüger und gewandter, zu schweigen.“
(Univers.) Die Annahme des Cardinals Latour d'Auvergne scheint nicht mehr zweifelhaft. Man versichert, die Regierung habe versprochen, das vormalige Hotel der Großalmosenerie in der Straße Lille als wenigstens provisorisch zum Palaste des Erzbischofs dienend herzugeben. Man sagt auch, das Ministerium werde bei den Kammern den Antrag machen, den Gehalt des Erzbischofs von Paris auf 50,000 Fr. zu erhöhen.
General Rulhiéres ist mit dem letzten Paketboot von Algier in Toulon angekommen.
Paris, 11 Jan. In der gestrigen Sitzung suchte Hr. Duvergier de Hauranne im Namen der Doctrinäre den Vermittler zu spielen, während Hr. Odilon-Barrot sich so der Gewalt näherte, daß er fast gänzlich seine Oppositionsrolle abdankte, und sogar das Reformprogramm aufgab. Er gab dadurch Hrn. Villemain gewonnenes Spiel, ihn in Widerspruch mit sich darzustellen; doch da derselbe sich an den Egoismus der Kammer adressirte, um in ihrem Erhaltungsinteresse für immer eine Reform auszuschließen, so ist die Frage, wer einen peinlichern Eindruck im Publicum hervorbrachte, er oder Hr. Barrot. Unsere politische Lage wird dadurch wirklich bedauernswerth. – In der heutigen Sitzung war das Bemerkenswertheste, daß der Marschall Soult im Namen der Regierung alle Erläuterungen über die orientalische Frage verweigerte, und ein Publicist der Débats, Hr. v. Carné, gegen die englische Allianz sprach, und darin dem Legitimisten Hrn. v. Valmy begegnete, wiewohl Hr. v. Carné auch keine andere Allianz für Frankreich will, sondern verlangt, es solle isolirt bleiben. Nach ihm sprach Hr. Mauguin. Man erwartet, daß Hr. Thiers endlich in dieser Frage das Wort nehmen werde, wenn nicht schon heute, doch bestimmt in der nächsten Sitzung.
Paris, 11 Jan. Die Debatte über die Adresse ist von geringem Interesse, und fast Niemand hat den Zweck das Ministerium durch sie zu stürzen, weil es keiner Debatte braucht, um es zu modificiren, sobald sich ein Cabinet in der Kammer findet, das eine Majorität verspricht. Der Krieg wird daher nicht auf der Scene, sondern hinter den Coulissen, im Sprechsaal, in den Salons und in den Zeitungen geführt. Guizot und Thiers sind jeder seinerseits beschäftigt eine Majorität zu bilden. Thiers hatte schon vor vierzehn Tagen versucht sich Molé zu nähern, aber es zerschlug sich; seit einigen Tagen haben die Unterhandlungen wieder angefangen und sollen schon weit gediehen seyn. Thiers begnügt sich aber damit nicht, sondern macht von Berryer bis zu Odilon-Barrot allen Fractionen der Kammer Vorschläge, und die Journale der verschiedensten Parteien enthalten Artikel, welche direct oder indirect darauf berechnet sind.
Paris, 10 Jan. Die über die Adresse in der Deputirtenkammer seit zwei Tagen ausgebrochenen Debatten schreien eine wahrhafte Misere aus: Alles macht bankrott, und Jeder legt seine Bilanz nieder vor den Augen des Publicums. Das Journal des Débats gibt zu verstehen, daß es nicht möglich sey, mattere politische Gedanken zu bewähren. Die Anhänger des rein monarchisch gesinnten Ministeriums der neuen Dynastie belustigen sich mit unnützen Recriminationen gegen das Flickministerium des Moments, worüber die zwei Schwäger fast aneinander gerathen wären – Villemain und Desmousseaux de Givré. Die Doctrinärs gehen mit dem Ministerium glimpflicher um, weil die HH. Duvergier de Hauranne und Rémusat erwarten, man werde dem Hrn. Guizot oder dem Herzog von Broglie über kurz oder lang die Thüren öffnen. Die Opposition endlich, Odilon-Barrot bejammert, daß nicht der gesammte Thiers-Parti an das Staatsruder gekommen. Garnier Pagés möchte Zisch! Zisch! rufen, um die alten und neuen Ministeriellen aneinander zu hetzen, aber sein Zisch! ist ohne alle politische Bedeutung. Während sich diese Herren unter einander complimentiren, über den großen Punkt einer parlamentaren Regierung, den sie gewonnen haben, dürfte eine allerhöchste Person in Gedanken den Kopf dabei schütteln und lächeln, als ob sie sagen wollte: „Macht euch nur weiß untereinander, wie ausnehmend parlamentarisch ihr seyd, derweil all eure Redner uns von den Sonnenstäubchen unterhalten, in welche die Parteien atomistisch verflogen sind.“ Dieses so schnell auf einander folgende Aufjubeln der Geister und dann ihre vollkommene Lähmung nach dem ersten Knall- und Feuereffect sind hier immer wiederkehrende Erscheinungen. – Wir sehen ihren geistigen Anlagen nach drei Classen von Deputirten: 1) mehr oder weniger geistreiche Witzlinge, von denen die einen einen Salonston, die andern einen Voltairischen Anstrich haben; diese werden immer seltener; 2) Begriffszerspalter und Parteienzerleger, philosophisch-historisch-politische Anatomisten und Methodisten; das sind die eigentlichen Doctrinäre; 3) pomphafte Redner, von denen die einen wiederum legitimistische Gefühlserreger sind, die andern phrasenhafte Constituanten. Unter allen drei Classen wird viel Geist, Witz, Scharfsinn, mitunter auch ächte Beredsamkeit gefunden, allen aber fehlt das Leben. Kein mächtiges Wort strömt von ihnen aus, keine gedankenaufregende Anschauung; höchstens, wenn es hoch kommt, Aufwallungen, meistens Effecte. Es sind eben zu lesende Sachen, die nichts oder fast nichts vom lebendigen Wort an sich haben, denn es fehlt ihnen die unmittelbare Anschauung, die praktische Erfahrung, der durch den Stoß der Wolken zusammenfahrende Donner, der zündende Blitz. Es sind eben Theaterwolken und eine gewaltsame Maschinerie. Das Leben, das hin und wieder herumsprüht, besonders in Thiers, ist ein Wurmleben, ein Coterienleben, welches hinter den politischen Coulissen an- und ausgesponnen wird, schlechte Nomenclatur, unmächtige Arithmetik.
Niederlande.
Aus dem Haag, 4 Jan. Der (in der Allg. Zeitung kürzlich näher mitgetheilte) Artikel des Journal des Débats über die niederländischen Angelegenheiten hat natürlich auch bei uns
viele Aufmerksamkeit erregt, doch kommen unsere Blätter darin überein, daß er eben so voll ungegründeter Behauptungen, als falscher Schlüsse sey. So hatte das französische Blatt unter Anderm gesagt, dem Könige der Niederlande bleibe nun keine andere Wahl, als entweder dem Verlangen der Generalstaaten nachzugeben oder die Kammer aufzulösen und neue Wahlen anzuordnen. Es hat dabei jedoch gänzlich übersehen, daß in den Niederlanden eine solche Auflösung der Kammer ect. gar nicht möglich ist, indem das Grundgesetz hievon nichts weiß. Ferner behauptet das Journal des Débats, der König habe das Land ohne Zustimmung und Wissen der Generalstaaten während der letzten zehn Jahre mit einer Schuld von 400 Millionen fl. beschwert; daran ist aber kein wahres Wort. Ebenso ungegründet ist, daß die Kammer ihre Befugnisse überschritten, indem sie das Anleihegesetz verworfen; dieses Gesetz stand vielmehr (wie die holländischen Blätter bemerken) mit dem Budget in engster Verbindung, und die Kammer hat bloß das wiederholt, was sie bereits in mehrern frühern Jahren gethan, nämlich sie hat in Erwägung gezogen, ob das Land eine neue Colonialschuld anerkennen soll oder nicht. „Das Journal des Débats,“ so fügt das Handelsblad hinzu, „verkennt den Zustand und den Geist der niederländischen Nation, indem es glaubt, daß hier nicht die übergroße Mehrheit unerschütterlich an der Behauptung bürgerlicher Rechte und Freiheiten festhalte, wenn sie auch einen Abscheu vor Ruhestörungen und Umwälzungen hat. Mit Vertrauen folgt das Land den ruhigen Berathungen der Generalstaaten, und hofft, daß die Regierung in Betreff einer Revision des Grundgesetzes mit weiser Nachgiebigkeit angemessenen Wünschen entgegenkommen werde.“
Aus dem Haag, 9 Jan. Man bezeichnet den erst aus Belgien zurückgekehrten und mit unserm Finanzwesen wohlvertrauten Advocaten, Hrn. Faber van Riemsdyk, als den Nachfolger des Finanzministers Hrn. Beelaerts van Blockland.
Schweiz.
Zürich, 12 Jan. Der Vorort hat unterm 10 d. nachfolgendes Kreisschreiben an die eidgenössischen Stände beschlossen, bezüglich auf die Walliser Verhältnisse: „Wir sehen uns in die unangenehme Nothwendigkeit versetzt, Euer Hochwohlgeboren hiemit anzuzeigen, daß die Herren eidgenössischen Repräsentanten im Kanton Wallis mittelst Schreiben vom 1 d. M. dem eidgenössischen Vorort erklärt haben: sie betrachten ihre Mission im Kanton Wallis aus dem Grunde als beendigt, weil für sie alle Hoffnung geschwunden sey, die im Kanton Wallis obwaltenden Anstände auf dem Wege einer gütlichen Vermittelung zu beseitigen. Da die Herren Repräsentanten den eidgenössischen Vorort gleichzeitig davon unterrichtet haben, daß die früher in Betreff eines möglichen Landfriedensbruchs gehegten Besorgnisse sich wesentlich gemindert haben, so haben wir uns veranlaßt gefunden, die Herren Repräsentanten vorläufig zu ermächtigen, den Kanton Wallis zu verlassen, sobald der eidgenössische Vorort den zu gewärtigenden Schlußbericht in Berathung gezogen und auf denselben gegründet die allfällig erforderlichen Verfügungen getroffen haben wird. Während wir nicht versäumen werden, Euer Hochwohlgeboren den vorerwähnten Schlußbericht seiner Zeit zur Kenntniß zu bringen, finden wir uns veranlaßt, Hochdenselben dermalen schon die Gründe vorzulegen, welche uns vermögen, des Rücktritts der Herren eidgenössischen Repräsentanten ungeachtet, die am 28 Herbstmonat vertagte Tagsatzung für einmal nicht einzuberufen. Einerseits nämlich scheint noch etwelche Hoffnung vorhanden zu seyn, daß die Vermittelung der im Kanton Wallis obwaltenden Anstände, sey es durch einen Zusammentritt von Ausschüssen der verschiedenen bestehenden Behörden, sey es durch von den verschiedenen Landestheilen erbetene, aus Magistraten anderer Kantone gewählte Vermittler, oder auf andere entsprechende Weise erzielt werden könne. Die Ueberzeugung, daß der gegenwärtige Zustand im Kanton Wallis nicht länger andauern dürfe, scheint nämlich dort selbst immer allgemeiner zu werden, und diejenige, daß durch die Wiedervereinigung der momentan entzweiten Brüder die Wohlfahrt Aller am sichersten gefördert werde, soll bereits die Einsichtigern auf beiden Seiten durchdringen. Andererseits wünscht der eidgenössische Vorort ohne die dringendste Nothwendigkeit nicht in einem Zeitpunkt gemeineidgenössische Verhandlungen zu veranstalten, in welchem die meisten Kantone ihre ganze Aufmerksamkeit innern Verwaltungsangelegenheiten zuzuwenden pflegen. Bei einer solchen Sachlage glaubte der eidgenössische Vorort sich darauf beschränken zu sollen, von sich aus alle diejenigen Schritte vorzukehren, welche er für Aufrechthaltung des Landfriedens im Kanton Wallis für zweckmäßig hält, und welche ihm geeignet scheinen, um das in der Bevölkerung des Kantons Wallis selbst erwachte Verlangen zur Ausgleichung der obwaltenden Anstände nach besten Kräften zu fördern. Indem der eidgenössische Vorort Euer Hochwohlgeboren anmit die Motive zur Kenntniß bringt, welche ihn bewegen, von der ihm zustehenden Vollmacht der Einberufung der Tagsatzung für einmal keinen Gebrauch zu machen, wünscht derselbe sehnlichst zu erfahren, inwiefern Hochdieselben den Ansichten, welche ihn dießfalls geleitet haben, beipflichten. Schließlich benutzen wir diesen Anlaß Euch, getreue, liebe Eidgenossen! unserer vollkommenen Hochachtung wiederholt zu versichern und Euch sammt uns in den Machtschutz des Allerhöchsten zu empfehlen.
Deutschland.
Erlangen. Nach der amtlich ausgegebenen Uebersicht des Personalstandes der Universität und dem beigegebenen Verzeichniß der Studirenden im laufenden Wintersemester, befinden sich dahier 33 Professoren und 10 Privatdocenten. Die Gesammtzahl der Studirenden beträgt 325, worunter 33 Ausländer; zur theologischen Facultät gehören 148, zur juristischen 87, zur medicinischen 63, zur philosophischen 27. Im vorigen Semester betrug die Zahl der Studirenden 285. Irrig haben mehrere Blätter berichtet, daß die theologische Facultät zur Wiederbesetzung der durch Olshausens Tod erledigten Professur keine Vorschläge gemacht habe. Dem Vernehmen nach sind höheren Orts auch bereits Schritte geschehen, um einen der berühmtesten Lehrer der Theologie im nördlichen Deutschland zu gewinnen.
Stuttgart, 9 Jan. Die Leipziger Allg. Zeitung setzt uns in ihrem Blatte vom 1 d. von einer Unternehmung in Kenntniß, von welcher hier Niemand etwas ahnete. Es soll nämlich eine Sammlung, ähnlich der der hiesigen Bibliophilen, und zwar nicht von einem Vereine, sondern vom Hrn. Geheimen Hofrath v. Münch allein unternommen werden. Der ältere Verein wird sich über die Seitenhiebe zu trösten wissen, welche jener Artikel enthält; unsere Stadt darf sich freuen, Kräfte genug für zwei derartige Unternehmungen zu besitzen. Die längst gehegte Vermuthung über die Quelle der zahlreichen, und in kirchlichen Angelegenheiten mit ungewöhnlichem Tact verfaßten Correspondenzartikel aus Stuttgart in jenem Blatte steigert sich dadurch bis nahe an die Gewißheit.
Frankfurt a. M., 10 Jan. Wie man erfährt, wäre Dr. Beurmann, als gewandter Schriftsteller bekannt, mit der Redaction unserer Oberpostamtszeitung, während Hofrath Berly's Krankenlager, beauftragt worden. Dr. Schuster, Redacteur des mit dieser Zeitung verbundenen Conversationsblattes, war seit Berly's Erkrankung auch mit der Redaction der Zeitung beauftragt. (Schw. M.)
Dresden, 7 Jan. Heute haben die öffentlichen Sitzungen auch in der ersten Kammer'wieder ihren Anfang genommen. Das Erste, womit man sich beschäftigte, waren einige Ergänzungswahlen, dazu bestimmt, die durch den Tod des Bürgermeisters Dr. Deutrich entstandenen Lücken auszufüllen. Zu Candidaten für die Stelle des Vicepräsidenten wurden hierbei zuvörderst ernannt: Regierungsrath v. Carlowitz, Amtshauptmann
v. Welck und der geheime Finanzrath v. Polenz – ein Resultat, das hier um so mehr allgemeine Verwunderung erregt hat, als Jedermann 10 gegen 1 gewettet hätte, daß Bürgermeister Hübler als erster Candidat in Vorschlag kommen würde. Ueberhaupt bestätigt diese Wahl, wie es schon bei den Deputationswahlen in der ersten Kammer genugsam zu erkennen war, daß die Aristokratie in derselben in enggegliederter Schlachtlinie vorwärts schreitet, und die derselben entgegenstrebenden Elemente nur als machtlose Staffage erscheinen. Sonst war außer Deutrich bisweilen noch ein bürgerlicher unter den Candidaten für die Vicepräsidentenstelle, wie z. B. Hübler; jetzt hat man drei Adelige sich ausgesucht, wobei nicht unerwähnt zu lassen ist, daß v. Carlowitz bereits Mitglied zweier Deputationen ist, und v. Polenz, um seine Entschuldigung gegen Uebernahme eines Deputationsamtes zu motiviren, über vielfältige Kränklichkeit geklagt hat. Dagegen ist dem Bürgermeister Hübler die von Deutrich bekleidete Mitgliedschaft der zweiten Deputation zugetheilt worden.
(Sächs. Bl.)
Preußen.
Berlin, 5 Jan. Der hiesige Berichterstatter der Allgemeinen Zeitung, welcher unter dem Zeichen die Nachrichten aus dem Großherzogthum Posen liefert, meldet in einem in ihrer Nummer vom 23 Dec. enthaltenen Artikel, daß man an der Eisenbahn vom Niemen nach Libau bereits in voller Arbeit begriffen sey, während wir hier wissen, daß die für dieses Unternehmen zu stiftende Actiengesellschaft, trotz dem daß der Kaiser ihr die Zinsen garantiren will, noch nicht einmal zusammengebracht ist; „und wir, fügt er hinzu, wir legen unterdessen die Hände in den Schooß und lassen das Gras auf den Straßen und an den Seehäfen wachsen.“ Wie gewöhnlich in den Berichten dieses Referenten läuft also Alles darauf hinaus, der preußischen Regierung etwas anzuhängen. Wir fürchten nur, es werden einige aus dem Volk auf den Zweifel kommen, ob eine östliche preußische Eisenbahn, die er vorschlägt, die Russen daran hindern würde, ihre eigene zur Ausführung ihrer Producte zu benutzen; wir fürchten, diese Einigen werden es der Regierung Dank wissen, daß sie einen solchen Zweifel lieber selbst erwägt, als das Nationalvermögen an Chimären hängt. – Viel ist seit einiger Zeit über die Verhältnisse der preußischen Ostprovinzen gesprochen worden, aber selten haben wir gefunden, daß der richtige Gesichtspunkt zu ihrer Beurtheilung gewählt wurde. Die herrschenden Uebelstände zu schildern, zu übertreiben, der Regierung mißbilligende Blicke zuzuwerfen, dazu ist jeder bereit gewesen; aber was denn eigentlich an ihr zu mißbilligen sey, das hat keiner gesagt, viel weniger einen gescheidten Rath gegeben. Daß Rußland seine Gränzen abschließt, ist vielleicht nicht politisch richtig, vielleicht dient es nur mächtigen Privatinteressen, in jedem Falle schadet es den östlichen preußischen Provinzen. Aber Rußland kann die Absicht haben, politische Nachtheile durch financielle Vortheile aufzuwiegen, die Frage lediglich nach seinen particulären Interessen zu entscheiden – wo ist der Grund, aus dem es deßhalb getadelt werden möchte? Gegen die Uebel, welche für einen Nachbarstaat daraus entstehen, hat derselbe nie andere Mittel gehabt, als Unterhandlungen oder Repressalien. Jene sind gepflogen in Berlin wie in Petersburg; man wird ihren Gang und ihre speciellen Resultate freilich nicht zu Jedermanns Kenntniß gebracht haben, aber daß dabei das Aeußerste versucht und mit aller Sachkenntniß verfahren ist, dürfte von einer Regierung, deren Erfahrung im Fache der Finanzen und des Handels noch nie in Zweifel gestellt worden; billig vorauszusetzen seyn. Die Unterhandlungen sind fruchtlos gewesen; es bleiben also die Repressalien. Die naheliegende Art, Repressalien anzuwenden, wäre: die preußische Gränze gleich der russischen abzusperren. Erfolg würde dieß allerdings haben, aber für wen die meisten Nachtheile? Sicherlich nicht für Rußland, dem Preußen überhaupt nur abnimmt, was es für sich braucht, oder was es andern Staaten zuführt, und wovon es die Vortheile des Zwischenhandels bezieht. Daß aber dennoch Kräfte gegen die vorhandenen Uebel da sind und wirken, ist leicht zu erkennen, sobald man sich, anstatt Aengstlichkeit zu hegen oder zu fingiren, nur einigem Nachdenken über das hingeben will, was vor Augen liegt. Rußlan sieht sich jetzt genöthigt, eine Eisenbahn von vierzig und einigen Meilen in einem Lande, wo weder Passage noch Handelsverkehr erheblich sind, wo also zum Rentiren sehr wenig Aussicht ist, anzulegen. Die Gründe dafür müssen also stark seyn. Wenn sie nun angelegt seyn wird, so ist damit der directe russische Getreidehandel mit England noch keineswegs bewirkt. Die preußischen Seestädte, die ihn bisher vermittelten, bezogen von England Colonialwaaren, Rußland aber braucht nur baares Geld. Und wer die Danziger, Elbinger, Königsberger Speichermasse einmal gesehen, von ihren, zum Theil einen europäischen Ruf genießenden Einrichtungen nur einige Kenntniß genommen hat, der wird einräumen, daß dergleichen nicht so schnell in Libau nachzuahmen sind, der andern vielfachen persönlichen und sachlichen Zwischenverhältnisse, durch welche ein Verkehr bedingt wird, nicht einmal zu gedenken. Die russische Eisenbahn kann also den Ostpreußen keinen Schrecken einjagen, sondern es muß ihnen als die erste günstige Folge irgend einer von Preußen eingenommenen Stellung erscheinen, daß Rußland nach einem so kolossalen, zu seinem eigentlichen Zweck in gar keinem Verhältniß stehenden Projecte zu greifen gezwungen ist, um sich zu helfen. Dieses ungeheure Mißverhältniß ist eine Hülfe für Preußen, und die Abneigung gegen Rußland, welche dieses in Folge seines rücksichtslosen Princips in allen Classen des Volks und in allen Ständen hervorruft, und welche immer tiefer wurzelt, wird eine andere Hülfe seyn. Damit wollen wir nicht die Besorgniß aussprechen, als glaube die Regierung genug gethan zu haben. Sie wird zwar jene indirecten Angriffe schwerlich beachten, aber das Auge eines väterlichen Monarchen wendet sich darum nicht ab von den Nachtheilen, die eine ganze Provinz treffen. Was die Verhältnisse zuließen, ist zwar gethan, aber die Zeit gebiert täglich neue; was diese zulassen, unterbleibt gewiß nicht. (Leipz. Bl.)
Dänemark.
Kiel, 3 Jan. Unter den bisher bekannt gewordenen Adressen, vor Allem aus dem Herzogthum Schleswig, an den König Christian VIII, verdient diejenige aus der Stadt Schleswig hervorgehoben zu werden. Beherzigenswerth sind namentlich darin die Worte: „Berathende Stände sind eigentlich nur Schattenbilder der wirklichen, sie vermehren die Zahl der Collegien; das Volk sieht, wie wenig sie wirken, und verliert mit der Zeit alles Interesse daran. Ein Landtag mit dem Rechte der Beschlußnahme dagegen gewährt den sichersten Schutz gegen die verderbliche Bureaukratie.“ (Nordd. Bl.)
Kopenhagen, 3 Januar. Der König hat der Residenz ein unschätzbares Neujahrsgeschenk durch die Genehmigung und Bekanntmachung des neuen Gemeindegesetzes gemacht, welches auch schon in der Berling'schen Zeitung aufgenommen worden. Es fand sich nach königlichem Befehl am 1 d. M. der Oberpräsident Kjerulff im geheimen Staatsrath ein, wo der König ihm das von Sr. Majestät selbst unterschriebene Gesetz einhändigte. Unmittelbar darauf begab sich der Oberpräsident zum Magistrat, wo sich nach allerhöchstem Befehl die
Bürgermeister, Rathsmänner und 32 Bürgerrepräsentanten bereits versammelt hatten, um mit dem Inhalt bekannt gemacht zu werden, den sie mit allgemeiner Zufriedenheit vernahmen, und in den Ausruf: „ Es lebe König Christian VIII!“ ausbrachen. Auf die Dankrede der Gemeindedeputation antwortete der König: „Es ist für mich besonders zufriedenstellend gewesen, am Neujahrstage, dem ersten in meiner Regierungszeit, das Versprechen lösen zu können, das ich Ihnen gegeben hatte, bald Ihre Gemeindeangelegenheiten gesetzlich geordnet zu sehen. Ich habe gern der Stadt alle die Freiheiten eingeräumt, die, wie ich glaube, zu ihrem Wohl beitragen konnten, versichert, dadurch lebendigen Bürgersinn für die Gemeindeangelegenheiten zu wecken. – Hätte man das Wahlrecht auf alle Bürger ausdehnen können, würde es mir lieb gewesen seyn; allein die von der Gemeindeverwaltung und der Ständeversammlung anempfohlenen directen Wahlen haben es nöthig gemacht, die Zahl der Wähler zu beschränken. Ich habe den Repräsentanten die Wahl gewisser Mitglieder des Magistrats eingeräumt, in der Voraussetzung, daß sie dazu die Bürger auszuwählen wissen werden, welche sich insonderheit durch Kenntniß der Angelegenheiten der Gemeinde und lebendiges Interesse für dieselben auszeichnen, und eine gleiche Erkenntniß wird auch den Bürger bei der Wahl ihrer Repräsentanten leiten. – Ich habe das richtige Verhältniß bestehen lassen, daß der Magistrat für die Verwaltung der Gemeinde verantwortlich ist, daß aber keine Ausgaben, keine Auflage ohne Zustimmung der Bürgerrepräsentanten statt finden können. Wir wollen hoffen, daß dieses Gesetz die erwünschtesten Früchte tragen wird.“
Rußland und Polen.
Berlin, 11 Jan. Die unerwartete Verabschiedung des Minister-Staatssecretärs des Königreichs Polen, Grafen Etienne Grabowski, und die Ernennung eines Russen, des Geheimenraths Turkul, an die Stelle dieses polnischen Staatsmanns, der sein Amt schon vor der Revolution bekleidet hatte, und auch während derselben in St. Petersburg fungirte, gibt hier zu mancherlei Gerüchten Anlaß. Unstreitig werden auch bald die französischen Blätter davon zu erzählen wissen, doch ist ihren Nachrichten aus Polen und Rußland durchaus nicht zu glauben; hier wenigstens haben sie längst allen Credit verloren, wie geschickt es auch das Commerce und einige seiner Collegen anzufangen wissen, um ihren Berichten ein neues Relief zu geben. – Die Erwiederung der russischen Regierung auf die päpstliche Allocution, von der bereits vor einigen Tagen gesprochen wurde, scheint noch immer nicht eingegangen zu seyn. Eben so sind auch von der russischen Expedition nach Khiwa keine neuern Berichte aus der Kirgisen-Steppe angekommen.
Türkei.
Von der türkischen Gränze, 4 Jan. Seit einigen Tagen verbreiten sich an der Gränze allerlei beunruhigende Sagen, deren Bestätigung aber noch dahin steht. So heißt es z. B., daß sich ein bedeutender District in Albanien gegen die Pforte erhoben habe, und daß eine Abtheilung der Empörer bis Prevesa vorgedrungen sey. *)Diese Sagen berichtete auch unsere Correspondenz aus Athen, aber auf gleich unbestimmte Weise. Sie verlangen ihre alten Privilegien, und sollen von Mehemed Ali mit Geld, mehr noch aber durch Versprechungen aller Art ermuntert werden. – Ein gleichfalls unverbürgtes Gerücht aus Konstantinopel sagt, daß der dort noch vielfach verbreitete Glauben, Sultan Mahmud lebe noch, verschiedene Untersuchungen veranlaßt habe; mehrere türkische Priester sollen in letzter Zeit nächtlicherweile in das Mausoleum, welches die irdischen Ueberreste des verstorbenen Sultans in sich schließt, eingedrungen, dabei aber ertappt, und als des Diebstahls verdächtig angehalten worden seyn. Bei dem mit ihnen vorgenommenen Verhör sollen sie einstimmig gestanden haben, daß ihre Absicht bloß gewesen sey, sich von dem wirklich erfolgten Tode Sultan Mahmuds zu überzeugen, worauf sie auf Befehl des jungen Sultans erdrosselt worden seyen. Obwohl ich die Wahrheit dieses mit den Anordnungen des Hattischerifs vom 3 Nov. so gewaltig contrastirenden Beispiels von Justizpflege nicht verbürgen kann, so glaube ich doch das den Zustand der Dinge und der Gemüther in der türkischen Hauptstadt charakterisirende Gerücht nicht unerwähnt lassen zu dürfen. – Die neuen von Rußland dem englischen Cabinet in Bezug auf die orientalische Frage gemachten Propositionen waren in Konstantinopel den neuesten Berichten zufolge bereits bekannt, und ebenso, daß sie in London, trotz dem Aerger des Grafen Sebastiani, beste Aufnahme gefunden haben. Man bemerkte dieß an den freundlichen Gesichtern, auf die man allenthalben stieß. Indessen verfehlte man nicht, dem Grund dieses den englischen Interessen so geneigten Entgegenkommens Rußlands nachzuforschen, und glaubte es in der neuesten Expedition Rußlands gegen Khiwa zu finden. Es scheint, daß Rußland seinen Zweck, jedes Mißtrauen Englands hinsichtlich dieser Expedition zu beschwichtigen, durch seine Politik in der Frage des türkischen Reichs vollkommen erreicht hat. – Der griechische Gesandte, Zographos, welcher bekanntlich wegen eines Handelsvertrags mit der Pforte in Unterhandlung zu treten den Auftrag hat, soll große Schwierigkeiten finden. Es macht sich noch immer die ursprüngliche Abneigung der Türken gegen die Griechen bemerkbar, und wenn diese durch die griechische Presse, welche auf gar verschiedene Weise die Zukunft des Orients in Folge der letzten Ereignisse besprach, neue Nahrung erhalten hat, so ist dieß eben nicht zu verwundern.
(Times.) Wir haben Blätter aus Malta bis zum 25 Dec. Das Dampfboot Hydra hatte die brittische Flotte in Vurla verlassen. Sir Robert Stopford hatte am 20 Dec. von dort nach Malta absegeln wollen, aber die ihm durch den Rhadamanthus überbrachten Ordren lauteten dahin, er solle mit seinem ganzen Geschwader in den levantinischen Gewässern bleiben.
Ostindien und Afghanistan.
Die mehrerwähnte neueste indische Post war am 9 Jan. in England eingetroffen. Den Mittheilungen der Londoner Blätter darüber entheben wir nachträglich noch Folgendes: Die zur Wiedereinsetzung des Schah Schudschah-ul-Mulk in Kabul verwendeten indobrittischen Truppen von der Bombay-Armee wurden bis zum 25 Dec. in dieser Präsidentschaft zurück erwartet. Den Kheibur-Paß, wo die meiste Gefahr zu befürchten war, hatte diese Heeresabtheilung ohne Widerstand glücklich passirt. Die in Afghanistan zurückbleibende Streitmacht steht unter den Befehlen des Generals Nott und des Obristen Sale. Dost Mohammed hat aufgehört furchtbar zu seyn. Er war über den Hindukusch geflohen, und sein Versuch, die Häuptlinge von Balkh und Bokhara zu einem Bündnisse mit ihm zu überreden, waren gescheitert. Obrist Stoddart war in Bokhara wieder in Freiheit gesetzt worden, und befand sich unterwegs nach Kabul. (Dieß steht mit unsern eigenen Nachrichten im Widerspruch). Sir John Keane war durch Podagra, Rheumatismen und übermäßige Strapazen so angegriffen, daß er in einem Palankin reisen mußte. Wahrscheinlich dürfte er erst bis Mitte Februars in Bombay eintreffen. Sir Henry Fane wollte sich
am 1 Jan. nach England einschiffen. – Ueber die Vorgänge in Lahore sagt der Sun: „Wer dem jungen Usurpator, Rundschit Singhs Enkel, oder seinem Günstling, Dhian Singh, nur im mindesten mißfiel, ward entweder hingeschlachtet oder grausam verstümmelt, oder in Kerkerhöhlen geworfen, und sein Eigenthum confiscirt. Ein solcher Stand der Dinge in Lahore kann nicht geduldet werden; der Generalgouverneur von Indien wird sich genöthigt sehen, für den Thron des „alten Löwen vom Pendschab“ einen andern Nachfolger zu ernennen.“ – Es hieß in Bombay, der Admiral in den dortigen Gewässern habe von der brittischen Regierung bereits die Weisung erhalten, in den Händeln mit China rasch und kräftig einzuschreiten. Man erwartete seine Abfahrt nach der chinesischen See am 29 Nov. und dort wird vermuthlich noch ein eignes brittisches Geschwader zu ihm stoßen. – Der Generalstatthalter, Lord Auckland war am 14 Nov., auf seiner Rückreise nach Calcutta, in Kurnaul angekommen. – Aus Aden war die Nachricht eingegangen, daß am 11 Oct. 5000 Mann der umwohnenden Araber, unter Anführung des Ex-Sultans (d. h. wohl des Sohns des Sultans) einen neuen Angriff auf diese Stadt versucht hatten, der aber nicht glücklicher als ihr voriger ausfiel. Sie wurden von der brittischen Besatzung mit einem Verlust von etwa 100 Todten zurückgeschlagen.
Eduard Rüppell und die Karten von Afrika.
Florenz, 3 Jan. Aus mehreren Artikeln, die uns Ihr schätzbares Blatt gibt, namentlich aus dem in der Beilage zu Nr. 360 vom 26 Dec. v. J., ersehe ich mit Leid, daß zwei unserer ausgezeichnetsten Reisenden der neuesten Zeit, nämlich der Verfasser der Briefe eines Verstorbenen und Hr. Rüppell in Frankfurt, die ich beide, wie natürlich, sehr hochschätze und von denen ich erstern auf meiner Reise im Innern von Afrika, in Chartum, persönlich kennen zu lernen die Freude hatte, in Vertheidigung ihrer respectiven Ansichten sich etwas erhitzen und förmlich mit allen zu Gebote stehenden Waffen gegeneinander zu Felde ziehen. Abgesehen davon, daß es mir leid thut, dieß bei zwei so ausgezeichneten Männern zu sehen, bin ich bei diesem Streit auch namentlich mit betroffen, da der Verfasser der Briefe eines Verstorbenen mich als Beleg seiner Behauptungen citirt. Mir waren die Gespräche mit ihm zu interessant, als daß ich mich nicht heute noch eines jeden Worts derselben entsinnen sollte, und da finde ich denn, daß er mich in meinem Urtheil über Rüppells schöne Forschungen etwas mißverstanden habe. Ich erinnere mich recht gut, gesagt zu haben, daß alle Karten, die wir über das eigentliche Innere von Afrika haben, wie über die Länder südlich von Kordofan und von Sennaar, vom 13ten Grad der Breite bis zum 10ten, ganz falsch seyen. Dieß ist auch leicht erklärlich; denn dieß sind Länder, die einerseits von keinem Europäer vor mir betreten wurden, von keinem wenigstens, von dem wir Mittheilungen erhielten, andrerseits, wie das Gebiet des blauen Flusses, nur sehr flüchtig und unter dem stürmischen Drange feindlicher Verhältnisse von dem wackern Caillaud bereist wurden. Rüppells Karte über diese Länder ist fehlerhaft, aber dieß ist nicht seine Schuld; denn er kam ja selbst nicht dahin und konnte gar nicht dahin gelangen; er gibt also nur Ueberlieferungen, und angelogen zu werden ist ja das Schicksal eines jeden Reisenden. Auch meine Karte über jene Länder, die ich mit Hülfe eines Bussolinstruments trigonometrisch aufnahm, insofern ich dieß von meiner Reiseroute aus thun konnte, wird nicht ohne Fehler seyn, und der sie nach mir bereist, wird auch keine fehlerfreie Karte liefern, aber besser, hoffen wir, werden die Karten immer werden, und successives Vorschreiten wird uns zur Wahrheit führen. Rüppells schätzbare Längenangaben konnte ich aus Mangel eines Chronometers gar nicht an Ort und Stelle prüfen, so viel ich jedoch bereits zu beurtheilen im Stande bin, kann ich behaupten, daß wir über Nubien keine bessern Karten besitzen, als die des Hrn. Ministers Ritter Prokesch v. Osten und die von Hrn. Rüppell sind. Cadalvène's Karte kenne ich noch nicht; denn ich bin durch meinen langen Aufenthalt außer Europa etwas in der Litteratur zurück geblieben. Gewiß werden sich auch einige Fehler in diesen Karten finden; so lange aber meine eigene nicht fertig ist, kann ich darüber nichts mit Bestimmtheit sagen. Rüppells übrige, gewiß sehr schätzbare Angaben habe ich nicht im Allgemeinen für mangelhaft erklärt; denn dieß wäre gegen meine Ueberzeugung. Ich sagte nur, daß der Dschebel Koldadschi in der Kette der Kadero-Berge keineswegs ein Vulkan sey. Die ganze Kette besteht aus abnormen Gebilden, wie Granit, Porphyr u. s. w., aber eigentliche vulkanische Gesteine, wie die Vulkane unserer Zeit liefern, sieht man daselbst nicht. Doch auch in dieser Beziehung gibt ja Rüppell nur Ueberlieferungen, denn er selbst war ja nicht am Koldadschi, was er, wenn ich nicht irre, ausdrücklich sagt. Daß sich im Detail Differenzen ergeben, ist unausweichlich, so wie es auch mit allen Beobachtungen im gewöhnlichen bürgerlichen Leben geht: der eine sieht die Lichtseite, der andere die Schattenseite – glücklich, wer den Gegenstand in der gehörigen Beleuchtung erfaßt. Was die Orthographie der arabischen Benennungen auf Rüppells Karte betrifft, so finde ich dieselbe im Allgemeinen gut. Wenige Fehler geben keinen Grund, das Ganze für schlecht zu erklären, und um so weniger bei einer Sprache, wie die arabische ist.
Rußegger.
Christian VIII und die Thronfolgeordnung in
Dänemark.
Vom Main, im Januar. Die Allgem. Ztg. vom 27 v. M. bringt einen Artikel aus der Elberfelder Zeitung über die dänische Königsfamilie, welcher nicht ohne Unrichtigkeiten ist, deren Widerlegung um so eher nicht ohne Interesse seyn wird, da Europa aufmerksam ist auf die Veränderungen, die im alten Dänenlande sich vorzubereiten scheinen. Jener Artikel sagt nämlich, des jetzigen Königs Christian VIII Vater Friedrich sey Kronprinz gewesen; da bei seinem Tode, 1805, die beiden Söhne des vorigen Königs Friedrichs VI bereits in früher Jugend verstorben, so sey dadurch 1805 der jetzige König Kronprinz geworden, so wie denn nach dem etwa ohne Hinterlassung eines männlichen Nachkommen erfolgenden Tode des einzigen Sohnes des jetzigen Königs des letztern Bruder, Prinz Ferdinand, Kronprinz seyn werde. Alles dieses ist unrichtig, und beruht auf Verwechslung eines dänischen Kronprinzen mit dem präsumtiven Nachfolger. Kronprinz heißt in Dänemark nur des regierenden Königs ältester Sohn; dieß war oder ist aber weder der jetzige König, noch sein Vater, noch der genannte Bruder des jetzigen Königs: keiner dieser drei Fürsten konnte oder kann daher jemals Kronprinz heißen; wohl aber führen eines Kronprinzen jüngere Brüder den Namen Erbprinzen. Darum hieß des jetzigen Königs Vater, Prinz Friedrich, als Bruder des Kronprinzen und nachherigen Königs Christian VII, Erbprinz; und dieser Name ging bei seinem Tode 1805 keineswegs auf den jetzigen König über, so wenig wie der eines Kronprinzen, abgesehen davon, daß damals noch der vorige König als Kronprinz und Mitregent lebte, und ihm noch weitere Descendenz geboren werden konnte, was auch 1808 geschah. Der kürzlich herausgekommene 67ste Jahrgang des (Varrentrapp'schen) genealogischen Staatshandbuchs führt zwar des jetzigen Königs Vater als Kronprinz Friedrich auf; allein der selige Klüber, der die zwei früheren Jahrgänge bekanntlich besorgte, ist, wie diese beweisen, an diesem Schnitzer unschuldig, wie denn überhaupt zu bedauern ist, daß die Herausgabe des neuesten Jahrgangs in keine fähigeren Hände gelegt wurde.
Noch auffallender ist die Behauptung jenes Artikels, bei dem Aussterben des jetzigen k. dänischen Mannsstammes (der gegenwärtig freilich nur auf sechs Augen steht, dem König, seinem Sohn und seinem Bruder) werde das Haus Augustenburg in Dänemark succediren. Denn es ist gewiß und unzweifelhaft, daß in solchem, ohnedieß noch sehr entfernten Falle (da der jetzige Kronprinz 1808 geboren und gegenwärtig unvermählt ist) keineswegs die nachgeborne Linie Holstein-Sonderburg, sondern die weibliche Nachkommenschaft der königlichen Hauptlinie im eigentlichen Königreiche succediren werde. Nachdem nämlich König Friedrich III im Jahr 1660 die erbliche Königswürde und im Innern ganz unumschränkte Souveränetät
erlangt hatte, unterzeichnete er am 14 Nov. 1665 die sogenannte Lex Regia (den souveraine Konge Lcv), das Königsgesetz, worin die Hauptfolgen der neuen Ordnung der Dinge festgesetzt wurden. (Es sollte anfangs nicht bekannt gemacht werden; daher schrieb es der Kammersecretär, Peter Schumacher, der nachherige Großkanzler Graf v. Greifenfeld, eigenhändig; erst bei der Krönung Christians V ward es öffentlich verlesen, und Friedrich IV ließ es 1709 auf 19 Tafeln in Folio mit vielen Vignetten und Zierrathen in Kupfer stechen; diese Originalausgabe liegt mir vor.) Darin ist denn auch, weitläufiger als in irgend einem andern Staatsgrundgesetze, in den Artikeln 27 bis 40 die Erbfolgeordnung festgesetzt, nach Erstgeburtsrecht und Linienvorzug, zunächst im Mannsstamme. Wenn aber der Mannsstamm ausgestorben, so sollen (Art. 31) die weiblichen Descendenten des verstorbenen Königs, nach Erstgeburt und Linienvorzug (demnächst wieder mit Vorzug des Sohnes vor der Tochter) succediren und, in deren Ermangelung, die Prinzessin vom Geblüt, die dem verstorbenen König auf väterlicher Seite die nächste ist. (Art. 32: Lader Hand da heller ingen Döttre efter sig, da skal den Printzesse af Blodet, som hannem paa Faederne Stammen hörer nest til, Arvesuccessionen udi Regieringen vaere hiemfalden og hendis Linier een efter anden, paa den maade som för er sagt) Wenden wir diese klaren Bestimmungen auf die vorliegenden Verhältnisse an, so ist es gewiß, daß in dem unwahrscheinlichen Falle des Aussterbens der jetzigen königlichen Linie im Mannsstamme keineswegs die Nebenlinie Holstein-Sonderburg nachfolgen würde, sondern die weibliche Descendenz. Da nun bei dem Hintritt dieser Erbfolge die Nähe des Grades mit dem zuletzt verstorbenen König entscheiden soll, so würden – nach den jetzt vorliegenden genealogischen Verhältnissen – nicht die beiden Prinzessinnen-Töchter des verstorbenen Königs Friedrich VI zur Erbfolge gelangen, sondern die Schwestern des jetzigen Königs Christian VIII: zuerst die Prinzessin Juliane (geboren 1788), kinderlose Wittwe des Prinzen Wilhelm von Hessen-Philippsthal-Barchfeld; sodann die Prinzessin Charlotte (geboren 1789), vermählt mit dem Prinzen Wilhelm von Kurhessen (Gouverneur von Kopenhagen, Sohn des 1837 verstorbenen Landgrafen Friedrich zu Rumpenheim). Nach dieser würde dann ihr einziger Sohn Friedrich, geboren 1820 und gegenwärtig in Bonn studirend, König von Dänemark werden – derselbe Prinz, welcher zugleich volle demnächstige Erbhoffnung auf Kurhessen hat, wenn der jetzige Kurprinz ohne successionsfähige Descendenz versterben sollte. (Eine Vereinigung Dänemarks und Kurhessens in der Person des Fürsten scheint nicht thunlich, da das dänische Königsgesetz im Art. 23 den Sitz des Königs in Dänemark befiehlt, und die kurhessische Verfassungsurkunde im §. 11 sagt: „der Sitz der Regierung kann nicht außer Landes verlegt werden.“ Es könnte also wohl in diesem Falle die Regierung über Kurhessen, da die beiden Brüder des genannten Prinzen Wilhelm unvermählt sind, an die Linie Hessen-Philippsthal übergehen.)
Für das im Jahr 1814 an Dänemark gegebene Herzogthum Lauenburg gilt rücksichtlich der Erbfolge ganz dasselbe, indem die Bestimmungen der Lex Regia auch für Norwegen galten, und Lauenburg statt Schwedisch-Pommerns als Aequivalent für Norwegen angesehen werden muß. – – Ganz ein Anderes tritt aber rücksichtlich der Herzogthümer Schleswig und Holstein ein. Zwar enthält die Lex Regia in Bezug auf sie keinen Unterschied; allein das Haus Holstein älteren Stammes besaß schon vor seiner Trennung in die königliche Linie und in die Nebenlinie Sonderburg beide Herzogthümer: Schleswig als dänisches Mannlehen, Holstein als Reichsmannlehen. Die sämmtlichen Agnaten dieses älteren Stammes hatten also eventuelle Erbrechte auf beide Herzogthümer, welche ihnen, und namentlich den Gliedern der Nebenlinie Sonderburg, durch die spätere Lex Regia der königlichen Linie keineswegs entzogen werden konnten. Eben so wenig konnte eine solche Entziehung durch einen Beschluß der schleswigischen Stände (unter Friedrich IV) eintreten, wonach die in Dänemark nach der Lex Regia geltende Erbfolge auch für Schleswig anzunehmen sey. Der Anfall beider Herzogthümer bei dem Aussterben der königlichen Linie im Mannsstamm an die Nebenlinie ist daher niemals bezweifelt worden, bis Professor Paulsen in Kiel unter dem Titel: „für Dänemark und für Holstein, Altona, 1836“ es versuchte. Siegreich wurde er jedoch widerlegt in der Schrift: „die Erbfolge in Schleswig-Holstein, Halle 1837.“ Auch kann darüber, welcher Zweig der Nebenlinie eintreten werde, ob Holstein-Sonderburg-Augustenburg, oder Schleswig-Holstein-Sonderburg-Glücksburg, kein Zweifel seyn. Denn die Söhne desjenigen Herzogs Alexander von Sonderburg, von welchem beide Zweige descendiren, führten durch Vertrag vom 17 Dec. 1633 das Erstgeburtsrecht ein, welcher Vertrag von dem König Friedrich III für sich und seine Successoren am Reich bestätigt wurde; und der erstgeborne Zweig ist Augustenburg. Ob aber demnächst dennoch nicht andere Beziehungen zwischen diesen beiden Zweigen zur Discussion kommen dürften, ist eine andere Frage, deren Erörterung hier zu weit führen würde.
Die Leichenfeier des Erzbischofs von Paris.
Paris, 10 Januar. Nach Notredame strömte dieser Tage ganz Paris; wie die Schauspielhäuser, wo eben die Vogue sich aufhält, war dieser heilige Palast von wartendem Volk umstellt, und von frühem Morgen bis zu dem abendlichen Schluß der Kirche hielt sich der Zudrang in fast beständig gleichmäßiger Stärke. Wollte und könnte man untersuchen, ob gewöhnliche Schaulust, frommer Sinn oder besonderer Antheil an dem Verstorbenen die Menge leiteten, so würde man wahrscheinlich finden, daß alle diese Elemente hier mitwirkende Kräfte sind. Das Pariser Volk ist eines der drolligsten Phänomene dieser Welt: um einen Sperling, der ein Stückchen Brosame vom Weg aufhebt, läuft es kindisch zusammen – warum sollte es nicht seinen todten Erzbischof in einem vollen Ornate sich ansehn wollen. Ob viel Religion dabei im Spiel war, daran läßt sich allerdings zweifeln: an hohen Festtagen sind die Kirchen voll, sonst aber könnten sie gefüllter seyn; zur Messe geht man nicht sehr häufig, zur Beichte selten oder gar nicht, aber eine der Motive unbewußte, unthätige Anhänglichkeit an die Einrichtungen und Gebräuche der Kirche findet sich in allen Ständen, und namentlich bei den untern ziemlich lebhaft.
Die Gesinnung des Volks gegen den Erzbischof selbst stand in der letzten Zeit der Geneigtheit näher, als der Feindschaft; brachte der unzeitige, ungeschickte, unkirchliche Eifer des Legitimisten auch die hitzigeren Freunde der Revolution in Harnisch, so entwaffnete die persönliche Güte des Mannes und seine Großartigkeit im Wohlthun Viele und gewann die Herzen der Masse. Die Verwüstung des erzbischöflichen Palastes kann nur als das Werk eines berauschten Moments, nicht als der Ausdruck eines dauernden Geistes betrachtet werden. Die kurz zuvor errungene Freiheit hatte gute und schlechte Kinder, unter den letztern auch Uebermuth und Verwirrung der Begriffe erzeugt, und ungebundene Offenbarung einer rohen Natur hielt sich für Tugend und Genie, ganz so wie der listige oder
gewaltsame Sieg über das schwächere Geschlecht zur Befriedigung sinnlicher Lust von verdorbenen Menschen als eine Probe ihrer Kraft und Ueberlegenheit angeführt wird. Die Plebs glaubte ihre Majestät beleidigt, und jedes Mittel gut, um sie zu rächen; von ihr geführt schlug die frevelnde Art das hohe Kreuz von der heiligen Zinne, und die Masse jauchzte vernunftlosen Beifall zu, wie wenn das Haupt des ärgsten Verräthers gefallen wäre; eine reiche Büchersammlung ward in der Seine ersäuft: es schien, das Volk sey von dem Dämon des Khalifen besessen, und wolle jedes geschriebene Wort, außer dem Koran der Revolution, der Vernichtung überliefern. Zuletzt kam noch die Nationalgarde, von Rechtswegen die Hüterin oder Wiederbringerin der Ordnung, und machte die Posse gleichfalls mit, zog das Chorhemd, legte die geweihten Insignien an, und trug unter dem Hohngelächter des Pöbels die stupide Vermummung auf Dach und Gesims umher, als wäre der Beweis noch zu führen gewesen, daß der Mensch durch nichts so platt und nichtig erscheint, als durch schlechten und noch dazu gemeinen Witz. Die Mauern der Kathedrale selbst hätten sie vielleicht abgebrochen, wenn es möglich gewesen wäre, aber noch schauen die Thürme des alten Doms aus der finstern nebligen Cité, wie aus dem Dunkel der Vergangenheit hervor, begegnen auf allen Punkten von weiter Aussicht dem Blicke so gut, als der Triumphbogen und die Kuppel des Pantheon, und sieht man diese drei Denkmale zu gleicher Zeit von der Helle des Mittags übergossen, so fragt man sich, ob nicht die Sinnbilder der Freiheit, des Ruhms und der Religion von dem geheimnißvoll waltenden Genius der Nation mit Absicht hier, wie in einem Dreieck, vereinigt seyen. Indem das Volk das Haus des Priesters zerstörte, aber den Tempel fast unversehrt lassen mußte, gab es ohne Wissen die symbolische Andeutung, daß wohl das unnöthige Nebenwerk der Dinge, nicht aber ihr Wesen selbst zerfällt, und daß, um aus der Geschichte nur Eines zu erwähnen, die Fabel, die in der antiken Götterlehre an der Wahrheit Seite wie eine blühende Tochter an der Hand ihrer Mutter ging, wohl verwelken konnte, aber die Idee und der innere Sinn jener Mythen, Abkömmlinge uralter göttlicher Ueberlieferung, noch heute so frisch, wie vor Jahrtausenden, bestehen. Aeußerlich gewann die Kirche durch jene Unthat, indem sie in Folge derselben der verfinsternden Nachbarschaft der umgebenden Gebäude entzogen, und jetzt freier, sichtbarer dasteht, als zuvor. Auch in der Politik ward jenes Ereigniß wichtig: von ihm schreibt sich der Sturz der Partei Lafitte her, die bei dieser Gelegenheit der Anarchie nur so schlaffe Gegenwehr geleistet, und die Blume des Juste-Milieu ist, um idyllisch zu reden, eigentlich auf den Trümmern eines erzbischöflichen Palastes gewachsen. Dessen gedachte man auch, scheint es, hohen Ortes dankbar. Bilder, Verzierungen, Gewänder wanderten nicht selten nach Notre-Dame aus den Sälen des Palais-Royal und der Tuilerien; der eigensinnige Prälat bezähmte gleichfalls manchmal seinen politischen Groll so weit, daß er dergleichen Aufmerksamkeiten durch einen Besuch bei seinem königlichen Gegner erwiederte, sobald sich nur die Vorsehung die Mühe gab ihn hiezu durch das Schauspiel einer wunderbaren Errettung oder einen andern Wink aufzufordern, und hie und da mochten wohl beide bei ihrem Abschiede von einander leise zu sich selber sagen:
Von Zeit zu Zeit seh' ich den Alten gern,
Und hüte mich, mit ihm zu brechen.
Die Beerdigung in einer Gruft der Kathedrale wurde, wie sich's erwarten ließ, zu einer prachtvollen Feier. Die Gegenwart der meisten Bischöfe des Erzsprengels, die Anwesenheit so vieler Geistlichen der Hauptstadt, die anmuthigere Reihe der weiblichen Orden, die düstere und massenhafte Beleuchtung der schwarz behängten Kirche, die hohe Musik der Klaggesänge, vermählt mit dem gewaltigen Chorus aller Glocken, die Gedrängtheit des zugeströmten Volkes, die Entfaltung des katholischen Ritus in seinem ganzen Pomp, und alle poetischen oder geschichtlichen Erinnerungen, die diese Kirche in dem Geist erzeugt – diese Masse von Eindrücken mußte das Gemüth tief ergreifen, mächtig erheben und ihm einen Reichthum von nachhaltigen Gefühlen mittheilen.
Die Aussichten des Zollvereins.
Die Art, wie auswärtige Blätter in neuerer Zeit sich mit dem Zollverein beschäftigen, ist ein hinreichender Beweis, daß er allmählich eine Wichtigkeit gewonnen hat, welche man noch vor wenigen Jahren nicht erwartet hätte. Französische Blätter sprechen mit ihrem gewöhnlichen Leichtsinn davon, und meinen, die Trennung desselben, welche sie ihrer Regierung zur Aufgabe machen, wäre eine sich von selbst verstehende Sache, wenn diese nur ernstlich wolle. Nur das Journal des Débats untersucht die Sache etwas gründlicher, faßt sie in ihrem wahren Gesichtspunkt auf, und räth zu einem Vertrage mit dem Zollverein, der jedoch so schnell noch nicht zu Stande kommen möchte, da wir nicht wissen, was Frankreich ihm bieten könnte, als seine Fabricate, deren Zulassung zu erschweren, um die innere Industrie zu heben, der Zweck des Zollvereins war und ist. Die finsterste Miene macht England, dessen Baumwollenwaaren durch das Emporkommen der deutschen Fabriken so gut wie ganz ausgeschlossen sind, und welches gewiß gern offen dagegen gewirkt hätte, wenn nicht das kluge Benehmen, welches im ganzen Verfolge der Angelegenheit eingehalten wurde, jede Gelegenheit vermieden hätte, bei der fremde Mächte irgend zu einer Einsprache sich berechtigt hätten halten können – ein Umstand, welchen auch das Journal des Débats ausdrücklich hervorhebt. England war somit auf schlimme Wünsche und geheime Machinationen beschränkt, und zeigte seine Abneigung bloß dadurch, daß es dem Herzog von Cumberland die Fortsetzung seiner Appanage als Prinz von Großbritannien nur unter der Bedingung gewährte, daß Hannover nicht in den deutschen Zollverein trete. In England sind indeß die Stimmen über den Zollverband getheilt, und die Sache in den Parteistreit über die Kornbill verflochten worden, indem die Manufacturisten meinen, wenn man nur deutsches Korn in England einführen lasse, so würde Deutschland auch den englischen Fabricaten den Zutritt gestatten. Ob für solche Concessionen nicht bereits die Zeit vorüber ist, wollen wir dahingestellt seyn lassen, um so mehr, da England unser Korn nur holt, wenn es dessen bedarf, und dieß auch in der letzten Zeit gethan hat, trotz seiner Korngesetze, die nur sehr indirect unsern Producenten, am meisten aber dem englischen Publicum und den Kornhändlern schaden, da sie stets Ursache großer Schwankungen im Preise seyn werden. Wie dem indeß seyn mag, gegenwärtig ist keine Aussicht vorhanden, daß mit England oder mit Frankreich *) Ein Anerbieten Frankreichs, deutsches Vieh gegen billigen Zoll zuzulassen, dürfte in kurzem erfolgen; allein dieß ist keine freiwillige Concession, sondern eine Concession der Noth, indem Frankreich Zufuhr an Vieh, wie England gewöhnlich Zufuhr an Korn bedarf. Eine solche Concession wäre vor 15 Jahren vom Süden Deutschlands mit Dank angenommen worden, jetzt weiß man wohl, daß, wenn sie gemacht wird, sie keinen Dank und Gegendienst mehr verdient. von deutscher Seite ein Vertrag geschlossen werde, denn die Ansichten und Interessen stehen sich noch zu schroff gegenüber, und ehe diese
sich mehr ausgleichen, kann die deutsche Industrie eine Consistenz errungen haben, daß sie der französischen und englischen mit gleichen Kräften gegenüber tritt. Mehrere Zweige derselben haben in dem jetzt sechsjährigen Bestande des Vereins eine Stufe erreicht, daß man bald nicht nur keine fremde Waaren mehr bedarf, sondern daß sogar Ueberproduction stattfindet, und somit die Preise nicht nur auf den möglichst niedern Stand heruntersinken müssen, sondern daß man auch allmählich darauf Bedacht nehmen darf, wohin diesem Ueberfluß ein Absatz zu verschaffen seyn möchte.
Hiezu hat der Vertrag mit Holland und Hamburg den Weg angebahnt. Holland ist mit Macht beschäftigt, seine Colonien auf einen glänzenden Fuß zu setzen, und die Erträgnisse derselben steigen mit jedem Jahr unermeßlich. Auch ist Holland als Staat, wegen seiner gestörten Finanzverhältnisse, so sehr auf das Gedeihen seiner Colonien angewiesen, daß man es als eines der ersten Erfordernisse seiner Wohlfahrt betrachten kann, wenn man ihm einen Markt für die Erzeugnisse derselben eröffnet. Frankreich und England haben Colonien und werden von diesen, oder von Brasilien, überflüssig mit Zucker und Kaffee versorgt; dorthin kann also Holland nicht hoffen, die Million Centner Kaffee und die 1 1/4 Million Centner Zucker abzusetzen, welche ihm Java im verflossenen Jahr geliefert hat, oder noch liefert. Dieser jetzt schon ungeheure Ertrag ist noch immer im Steigen; Hollands Existenz ist gewissermaßen daran geknüpft, daß seine Colonien dem Mutterlande so nutzbringend wie möglich werden, wie es denn auch in den letzten acht Jahren nur durch die Hülfe seiner Colonien sich behauptet hat. Holland wird darum gewiß, wenn man ihm nur fest und beharrlich entgegentritt, zu einem billigen Austausch die Hand reichen. Belgien und Holland verstanden sich in Handelssachen ziemlich gut. Holland hatte eine Marine und Colonien, Belgien Manufacturen, und so konnte Holland die belgischen Industrie-Erzeugnisse nach Ost- und Westindien führen, was die belgische Industrie auf eine bisher unbekannte Höhe erhob, und das Land unglaublich bereicherte. Die Vortheile, welche früher Belgien aus dem Verbande mit Holland zog, soll nun ganz Deutschland erhalten.
Dieß ist die gerechte Forderung, welche man Holland stellen kann, wenn diesem gestattet wird, seine Colonialerzeugnisse unter besonders vortheilhaften Bedingungen in Deutschland einzuführen. Die Vortheile, welche Holland uns hinsichtlich unserer Industrie-Erzeugnisse gewährt, müssen im Verhältniß stehen mit den Erleichterungen, welche die holländische Colonialerzeugnisse in Deutschland finden. Holland hat sich in den frühern Jahrhunderten, es hat sich noch in den Jahren 1815 bis 1830 den deutschen Handels- und Fabrikinteressen feindlich gegenübergestellt, es hat sich Deutschland entfremdet, ist darüber selbst mehrfach in bittere Noth gerathen, und muß endlich fühlen, daß nur ein engeres Anschließen an Deutschland seinem Handel eine sichere, nachhaltige Stütze gewähren kann. Man muß es rein widersinnig nennen, und jedenfalls heißt es auf die deutsche Gutmüthigkeit stark sündigen, wenn Holland mit Frankreich Verträge schließt, welche geradezu dem deutschen Interesse entgegenstehen. Der Vertrag, welcher gegenwärtig zwischen Holland und Frankreich unterhandelt wird, bedingt nicht nur, daß Holland den Zucker der französischen Colonien nach Deutschland führen darf, wodurch es ohne andern Nutzen für sich, als den der Frachtfahrt, dem deutschen Runkelrübenzucker den letzten Stoß geben würde, sondern er gewährt auch den französischen Baumwollenfabricaten einen entschiedenen Vortheil vor den deutschen. Mit welchem Recht will Holland besondere Vortheile von deutscher Seite ansprechen, wenn es mit fremden Ländern Verträge schließt, welche ihm für die Zukunft die Hände binden! Frankreich wird bei der jetzigen Lage seiner Baumwollenfabriken, welche ihre Waaren nach Deutschland herein verschleudern, um nur Geld zu machen*)
Die französischen Fabriken setzen gegenwärtig eine Menge ihrer Waaren nach Deutschland ab, welche nur durch Schmuggel hereinkommen können. Freilich mag sich dieß trotz der Mühe, welche sich Preußen gibt, durch Entfernung altgewordener Zollbeamten und Ernennung junger Männer seiner Zollverwaltung stets neue Kraft zu geben, wohl kaum ganz verhindern lassen, denn wenn einmal die Waaren unter dem Werthe verkauft werden, so können wohl alle Zollanstalten den Absatz nicht ganz hindern., wohl kaum den Antrag zurückweisen. Wie aber sollen dann die Unterhandlungen ausfallen, welche im Laufe dieses oder im Anfang des kommenden Jahrs eröffnet werden müssen, wenn der Vertrag zwischen Holland und Deutschland, welcher für sehr bedeutende Opfer uns so gut wie gar keinen Ersatz bietet, zu Ende geht? Wie der Zollverband jetzt steht, kann er nicht nur sich Englands und Frankreichs erwehren, sondern auch bald mit ihnen in Concurrenz treten, da wir gegen Frankreich eine minder kostspielige Fabrication überhaupt, gegen England namentlich einen niedrigen Arbeitslohn voraus haben. Aber sollten wir um die Früchte unserer Arbeit kommen, und Frankreich und England indirect durch Holland uns die Vortheile wieder verkümmern können, dann würde bald unsere kaum aufgeblühte Industrie wieder hinsiechen, die Saat des Unfriedens einen fruchtbaren Boden finden, und die französischerseits ungescheut ausgesprochenen Plane zur Vernichtung des Zollvereins Raum gewinnen.
Preußen.
Posen, 8 Jan. In unserer so viel und laut besprochenen kirchlichen Angelegenheit herrscht jetzt völlige Stille. Alle Gerüchte, die noch vor kurzem in Umlauf waren, haben sich als eitle Erfindungen ausgewiesen, denn in der kirchlichen Administration hat sich bis heute nicht das Mindeste geändert. Inzwischen hat die übel angebrachte Kirchentrauer fast überall wieder aufgehört, und somit geht Alles wieder seinen gewöhnlichen Gang. Die Masse der Bevölkerung scheint die bis zum Ueberdruß besprochene Sache satt zu haben und selbst in großen Gesellschaften, wo bis noch vor kurzem das kirchliche Thema den Hauptgegenstand des Geschrächs abgab, hört man denselben jetzt gar nicht mehr berühren. Alle Nachrichten aus Colberg stimmen darin überein, daß der Hr. Erzbischof fortwährend gesund und heiter gestimmt ist. Seine Schwester, Fräulein Scholastika v. Dunin, der die Leipziger Allgem. Zeitung erst kürzlich wieder eine öffentliche Rolle zuertheilt hat, ist eine harmlose Dame, die ihren Bruder liebt und verehrt, die aber nie daran gedacht hat oder daran denken wird, als Tonangeberin unter den Polinnen aufzutreten. – Mit mitleidigem Lächeln haben wir in diesen Tagen einen breiten Bericht in demselben Leipziger Blatt gelesen, über einen angeblich am zweiten Weihnachtstag hier stattgehabten Vorfall. Der Berichterstatter gehört unstreitig zu den Leuten, welche Mücken für Elephanten ansehen, denn sonst hätte er unmöglich einen Straßenlärm, von einer Schaar betrunkener Bauernknechte ausgehend, für ein der öffentlichen Mittheilung würdiges Ereigniß halten können. Wie um Johannis, pflegen am Stephanstage (den 26 Dec.) die polnischen Dienstknechte, die herrenlos geworden sind, sich an den hiesigen Marktecken aufzustellen, um einen neuen Dienst zu suchen. Bei dieser Gelegenheit werden dem unheiligen Geiste des Branntweins zahlreiche Opfer gebracht, so daß die Polizei,
um die Ordnung, zumal während der Stunden des Gottesdienstes, aufrecht zu erhalten, zuweilen einschreiten muß. Darauf beschränkte sich auch diesmal der ganze, so breit besprochene Vorfall, von dem gewiß neun Zehntel aller Bewohner Posens die erste Kunde durch die eben gedachte Zeitung erhalten haben. – Auffallend ist bei uns seit einiger Zeit der unaufhörliche plötzliche Witterungswechsel, denn Frost, Wärme, Regen, Schnee machen einander das Regiment streitig, und selten herrscht einer von ihnen über 24 Stunden. Unlängst lag der Schnee zwei Fuß hoch, so daß alle Posten sich um 12 bis 16 Stunden verspäteten; dann trat Thauwetter ein, und darauf plötzlich eine grimmige Kälte von 21 Grad, die zwar glücklicherweise nur zwei Tage anhielt, aber doch schon Unheil genug angerichtet hat. Unser Lazareth ist mit Kranken angefüllt, denen einzelne Gliedmaßen erfroren sind; bei vielen müssen Amputationen eintreten.
Der Orient und die europäischen Mächte.
(Beschluß.)
Die verschiedenen Phasen der orientalischen Frage folgen sich mit Windesschnelle, und Niemand vermag zu sagen, was der Morgen bringen wird. Der angebliche Quadrupelvertrag hat einen Zweck für England und für Rußland, aber auch für Oesterreich und Preußen? England und Rußland wollen, wie wir gezeigt haben, Mehemed Ali vernichten – dieß ist das rechte Wort, denn wenn Mehemed Ali nicht seine jetzige Macht behält, ja diese noch ausdehnt, ist er ein verlorner Mann. Die Gründe, aus denen Rußland und England handeln, sind verschieden, der Zweck ist derselbe, und dieser könnte sie momentan vereinigen; wenn aber dieser Zweck ausgeführt wird, dann ist einerseits alle Kraft des türkisch-moslemitischen Reichs, welche in Mehemed Ali so gut wie in der Pforte beruht, gebrochen, und zum Ueberfluß muß, um diesen für Oesterreich und Preußen keineswegs wünschenswerthen Zweck zu erreichen, Gewalt angewendet, also der Krieg begonnen werden, dessen Wechselfälle Niemand absieht. Die französischen Forfanterien über die Föderativinteressen Frankreichs konnten einen vorübergehenden Aerger erregen, aber das Nützliche, was in den französischen Vorschlägen für den Frieden Europa's liegt, ließ sich unmöglich übersehen. Frankreichs Stellung im Orient und seine Verbindung mit Mehemed Ali sind Rußland und England nachtheilig und lästig, nicht aber dem übrigen Europa. Die Annäherung Rußland und Englands ist also motivirt, aber für einen Beitritt Oesterreichs und Preußens ist kein zureichender Grund vorhanden. Auch die Pforte fühlt bei allem, was man dagegen sagen mag, daß sie mit Mehemed Ali sich allein vertragen muß. Ihre Macht in Europa ist in stetem Sinken begriffen, die slavischen Völker und die Albanesen untergraben sie langsam aber sicher, und nur in Asien steht ihre Autorität noch unerschüttert, kann sich aber dort ohne die türkisch-arabische Macht Mehemed Ali's nicht behaupten. Oesterreich, Frankreich und Preußen werden wohl keine Mühe haben, die Pforte über diese ihre Stellung aufzuklären, aber die Pforte sowohl als die genannten Mächte haben nicht mehr freie Hand, sie sind durch frühere Erklärungen gebunden, und wie man aus diesem diplomatischen Durcheinander sich herausziehen wird, das mag der Himmel wissen. Indeß sind dieß nur Schwierigkeiten der Form, in der Sache würden sich Frankreich, Oesterreich, Preußen und die Pforte leicht verständigen können, denn hier handelt es sich darum, die Frage wieder zu einer asiatischen zwischen Rußland und England zu machen, und somit den europäischen Frieden noch auf einige Zeit zu erhalten. Frankreich zieht aus der Sache den bedeutenden Vortheil, daß man Mehemed Ali von der europäischen Seite her wohl schwerlich fürs erste angreifen wird.
Indeß ist die Frage, so weit sie Europa betrifft, unr aufgeschoben, nicht aufgehoben: für England und für Rußland besteht die Nothwendigkeit fort, der Macht Mehemed Ali's Schranken zu setzen, und es fragt sich, wie dieß erreicht werden soll. Ueber den Weg, den Rußland einschlagen wird, kann kaum ein Zweifel seyn, denn es hat ein sehr leichtes Mittel an der Hand, seine Absichten völlig zu verschleiern, nämlich Persien. Man wird sich der Ansprüche erinnern, die Persien in neuerer Zeit auf Bagdad erhoben hat; ebenso ist es eine schon mehrfach gemeldete Thatsache, daß ein persisches Truppencorps an der Gränze von Kurdistan steht und dort schon einige hundert Dörfer besetzt haben soll. Die Gränzen sind dort nirgends sicher bezeichnet: seit Jahrhunderten haben die kurdischen Häuptlinge an der persischen Gränze bald die Hoheit Persiens anerkannt, bald Einfälle gemacht und geplündert. An Vorwänden, eine Armee nach Kurdistan zu senden, kann es somit nie fehlen, und wenn einmal Rußland ernstlich darauf bedacht ist, dem umsichgreifenden Einfluß Mehemed Ali's auf Kurdistan und Obermesopotamien Schranken zu setzen, so ist es ihm ein leichtes, Persien durch Officiere und sogenannte russische Ueberläufer, von denen stets zwei Bataillone in persischem Sold standen, zu unterstützen. Sollte auch dieß Mittel nicht helfen, so hat es inzwischen Zeit genug gewonnen, am Arares ein Truppencorps zusammen zu ziehen, und bei den steten Räubereien der Kurden kann es an Veranlassung zum Kriege nicht fehlen. Rußland träte hier ganz als asiatische Macht auf, in einer Weise, die keinem europäischen Hofe zu Einsprachen Grund und Veranlassung geben könnte, und doch würde es seinen Hauptzweck, der Türkei durch die Schwächung Mehemed Ali's den Todesstoß zu geben, unfehlbar erreichen. Diese Wendung der Dinge ist schon in dem bekannten Werke: Progress of Russia in the East angedeutet worden, zum abermaligen Beweise, wie richtig schon damals der bekannte Verfasser die Verhältnisse im Orient beurtheilte. *)Es heißt daselbst S. 124: „Der Einfluß, den Persien und die Türkei auf einander üben, ist der Art, daß die Aufopferung einer dieser Mächte (von Seite Englands) den Fall beider nach sich ziehen würde. Die Hülfsquellen Persiens in den Händen Rußlands würden hinreichen, die ganze noch übrige Macht des Sultans in Asien zu neutralisiren, und die Verfügung über die Hülfsquellen der Türkei würde Persien ohne einen Schlag zu Boden strecken.“ Die Macht des Sultans, d. h. der Türkei in Asien ist jetzt durch Mehemed Ali repräsentirt, und wie eng Persien mit Rußland verbündet ist, braucht keines Beweises mehr.
Weit schwieriger ist die Stellung für England. Dieß hat keine Mittel, als Mehemed Ali von Indien aus direct anzugreifen, oder aber zu dem von manchen Engländern, namentlich Adolph Slade und Waghorn, vorgeschlagenen Auskunftsmittel zu greifen, und sich mit Mehemed Ali zu verbinden, um mit diesem, der allein möglicherweise im Stande ist, die Russen in Asien aufzuhalten, gemeinsame Sache gegen das Umsichgreifen der Russen zu machen. Das mögliche Mißlingen des Quadrupelvertrags, den man in gewissem Sinne nur als eine England gelegte Schlinge betrachten kann, würde vielleicht zu einer solchen ziemlich veränderten Politik Englands gegen Mehemed Ali führen. Was die Gelüste Englands gegen Aegypten sind, haben wir schon früher gesehen, und es mag für den englischen Hochmuth, der in Indien Alles vor sich gebeugt sieht, einen harten Kampf kosten, mit einem türkischen Pascha, den man drei Jahre bitter verfolgte, auf gleiche gegenseitige
Concessionen einen Vertrag zu schließen, aber vor der klaren Einsicht, daß man nur in Verbindung mit Mehemed Ali der um sich greifenden Macht Rußlands in Vorderasien eine Schranke setzen kann, sollten solche Rücksichten der Eigenliebe weichen. Die europäische Türkei ist todt; mit dieser ist nichts mehr anzufangen, wenn man nicht geradezu sich selbst Konstantinopels bemächtigen will, aber mit der asiatischen ist noch etwas zu gewinnen, und hier ist Mehemed Ali Herr, mit ihm muß man unterhandeln, und mit ihm will gewiß auch die Pforte unterhandeln, die ihre Interessen und ihre Lage vielleicht besser erkennt, als man gewöhnlich zu glauben geneigt ist.
Montenegro.
Von der türkischen Gränze, 2 Jan. Schon in frühern Berichten ist bemerkt worden, daß die Autoritäten sowohl als die türkischen Unterthanen der westlichen Provinzen, besonders in letzter Zeit in eine unbeschreibliche Schlaffheit und Gleichgültigkeit versunken seyen. Es ließen sich eine Menge Belege für diese Behauptung anführen, indessen mag die muthwillige Mißhandlung, deren Gegenstand von Seite der unruhigen Montenegriner die ganze türkische Nachbarschaft ist, allein schon als Beweis gelten. Es vergeht keine Woche, in der nicht ein oder der andere türkische Ort im ganzen Halbkreis der montenegrinischen Gränze von Scutari bis Grahowo der Schauplatz von Raub, Mord und andern von einer Handvoll Montenegriner verübten Verbrechen wäre. Kaum rührt sich eine Hand zur Abwehr solchen Frevels, und Niemand denkt daran ihn zu rächen, vielmehr muß man zur Schmach des Islams bemerken, wie heute ein türkischer Capitän mit dem Vladika Frieden schließt, während sein nächster Nachbar erst einige Tage vorher, obgleich mit den Montenegrinern im Frieden lebend, meuchlings angefallen worden. Nur um wenigstens eine kurze Zeit in ungestörter Ruhe hinbrüten zu können, werden solche Friedensschlüsse gemacht und Nachbar und Freund geopfert, während ein wenig Energie und treues von oben geleitetes Einverständniß der türkischen Gränzbehörden genügte, jedem einzelnen Districte Sicherheit zu gewähren. Kürzlich war es auf den Capitän von Podgoritza abgesehen, man wollte sich seiner in Person bemächtigen, und traf alle Anstalten, um ihn auf der Rückkehr von einem Besuche in Scutari aufzuheben. Bei diesem Anlaß zeigte sich die mit dem türkischen Gleichmuthe so scharf contrastirende Energie der Montenegriner. Jenem Capitän war nämlich der auf ihn lauernde Hinterhalt verrathen worden, und er so der Gefahr durch einen Umweg entgangen; als dieß die Montenegriner merkten, war es für jeden die wichtigste Aufgabe, den in ihrer Mitte vermutheten Verräther zu erforschen, was bald gelang. Dieser war zwar noch so glücklich, zu den Türken zu entfliehen, und so sein Leben zu retten; der allgemeine Grimm wandte sich aber gegen sein Haus und seine Habe, die den Flammen überliefert wurden. Nicht nur in Führung der Waffen spricht sich diese Energie aus, auch auf dem Wege der Verhandlungen gibt sich solche kund. Sie sind vollendete Diplomaten in Benützung kleiner Künste, Schwächen und leeren Formen. Selbst offenbare Falschheit wird angewandt, wenn sie nur zum Ziele führt. So z. B. werden eben von Cetinje aus an Oesterreich die friedlichsten Versicherungen ertheilt, und solche sogar mit scheinbaren Beweisen belegt, allein zu gleicher Zeit hört man, daß montenegrinische Emissäre – natürlich vergebens – bemüht sind, unter den Bewohnern Cattaro's gegen die dort neu einzuführende Häusersteuer Unzufriedenheit zu erregen. – Die Erkrankung des Statthalters von Herzegowina, Ali Pascha, der allein noch die Montenegriner in einigen Schranken zu halten wußte, bietet den Montenegrinern nahe Aussicht auf eine größere Ausdehnung ihres Wirkungskreises. Der Tod dieses merkwürdigen Mannes, des bekannten Drängers der Christen, dürfte aber auch noch in manch' anderer Beziehung von wichtigen Folgen seyn. – In Prisrend erhält sich die Ruhe unter dem neuen Commandanten, obwohl den Beschwerden, welche den Aufstand erzeugten, im Wesentlichen nicht abgeholfen ist.
[71-72]
Preisfrage.
„Welches sind die Ursachen, warum so viel Gutes, was die Kinder in den Schulen gelernt haben, wieder verloren geht, sobald und nachdem sie die Schulen verlassen haben? Welche Mittel können gegen diesen Verlust nach dem Verlassen der Schulen angewendet werden durch die Kinder selbst, durch Eltern, Lehrer, Geistliche, Privatpersonen und Vereine, auch durch den Verein der deutschen Philologen und Schulmänner, und endlich durch den Staat, besonders in Hinsicht auf solche Kinder, welche nicht für den gelehrten Stand und damit zu dem Besuch einer Universität bestimmt sind?“
Bei der Beantwortung dieser Frage soll man erstens untersuchen, ob nicht vielleicht in dem Unterricht selbst der Keim des Verlustes liegt: theils weil viel von dem, was die Kinder in den Schulen lernen, wenn es auch den Namen eines guten Unterrichtes trägt, eigentlich nicht gut ist, und also vermöge seiner Beschaffenheit wieder verloren geht; und theils wenn es auch gut ist, nicht auf eine solche Weise gelehrt und gelernt werde, die es wahrscheinlich macht, daß es nicht wieder verloren gehe. Zweitens und hauptsächlich soll man aber die Mittel angeben, dem Verluste von dem, was wirklich gut ist und gut gelehrt und gelernt wurde, zuvorzukommen.
Für die beste Lösung wird ein Preis von dreihundert Gulden rhein. Währung bestimmt. Die Antworten müssen bis
1 Januar 1841
eingeschickt und der Name des Verfassers auf einem versiegelten Zettel beigelegt seyn, welchem die nämliche Ueberschrift zu geben ist, wie dem Aufsatze.
Die zweite Versammlung der deutschen Philologen und Schulmänner bringt vermöge Beschlusses vom 1 October d. J. vorstehende Preisfrage eines ihrer Mitglieder mit der Bemerkung zur öffentlichen Kenntniß, daß der Gegenstand derselben zwar ihren Gesichtskreis nicht unmittelbar berühre, daß sie aber den edlen Absichten des menschenfreundlichen Preisstellers mit Vergnügen als Organ der Veröffentlichung diene. Eine Commission erfahrener Schulmänner ist zur Prüfung der erwarteten Preisschriften ernannt und wird das Resultat ihrer Arbeiten der 4ten Versammlung deutscher Philologen und Schulmänner vorlegen. Die Preisschriften werden durch Buchhändlergelegenheit an Hrn. Geheimen Hofrath Dr. Nüßlin in Mannheim eingesandt. Die zum Preis bestimmte Summe ist bei der Sparcasse dahier angelegt. – Mannheim, den 3 October 1839.
Das Bureau der deutschen Philologen und Schulmänner.
Hofrath Fr. Thiersch, als Stellvertreter des dießjährigen Präsidenten.
Dr. Kayser. – Karl Bissinger, Lyceumslehrer.
[121-23]
Bekanntmachung.
Die Administration der bayer. Hypotheken- und Wechsel-Bank macht hiermit bekannt, daß per Dividende und Superdividende vom II Semester des Jahres 1839,
von den Bank Actien gegen den treffenden Coupon 10 fl. 30 kr. per Stück bei den Bank-Cassen in München u. Augsburg,
von den Promessen I Emission......7 fl. 21 kr. per Stück
von den Promessen II Emission......4 fl. 12 kr. per Stück
gegen Abstemplung bei der Bank-Casse in München erhoben werden können. – München, den 13 Januar 1840.
Simon Frhr. v. Eichthal.
[3-4]
Ulm.
Gläubiger-Aufruf.
Da die Tochter des am 10 November d. J. gestorbenen königl. würtembergischen Kammerherrn Freiherrn Franz Gebhard v. Bernhausen aus Herrlingen und Klingenstein, Oberamts Blaubeuren, die Erbschaft nur mit der Rechts-Wohlthat des Inventars angetreten hat, so ergeht an diejenigen, welche an dessen Verlaßthum Ansprüche machen zu können glauben, hiemit die Aufforderung, ihre Ansprüche
innerhalb der Frist von 45 Tagen
um so gewisser dahier anzumelden, und die nöthigen Beweis-Urkunden dafür vorzulegen, als nach Ablauf dieser Frist das Verlassenschafts-Inventar geschlossen und später auftretende Prätendenten nicht mehr berücksichtigt würden.
So beschlossen im Pupillen-Senat des königl. Gerichtshofs für den Donaukreis, Ulm, den 30 December 1839.
Essich.
[84]
Aufforderung.
Franz Anton Wunsch, geboren den 25 September 1751, und dessen Schwester Walburga Wunsch, deren Geburtstag nicht angegeben werden kann, welche sich im Jahr 1801 von ihrem Heimathsort Rastatt entfernt, und seitdem keine Kunde von sich gegeben, werden aufgefordert, sich
binnen Jahresfrist
dahier zu melden, und ihr für jedes in 258 fl. bestehendes elterliches Vermögen in Empfang zu nehmen um so gewisser, als sie ansonsten für verschollen erklärt, und das Vermögen an ihre nächsten Verwandten in fürsorglichen Besitz ausgefolgt werden wird.
Rastatt, den 5 Januar 1840.
Großherzogliches Oberamt.
Schaaf.
Gerstner.
[36-38]
Vademecum auf Redouten.
Ganz ne erschienen und ist zu haben in allen Buchhandlungen:
Terpsichore,
neuer Ball- und Masken-Almanach
für Freunde
des geselligen Vergnügens und der heitern Conversation,
von
Karl v. Frankenstein und Ed. Eichler.
Mit 7 artist. Beilagen, 12 Alpen-Quadrillen und Musik.
Leipzig, 1840. Paul Baumgärtner.
Elegant gebunden in Gold mit Schuber 3 fl. Conventions-Münze.
Sprudelnder Witz, heiterer Humor, treffende Satyre, sinnige Erkennungsgabe und anziehende Zusammenstellung treten ungebunden hier hervor, und verleihen den Bällen, wie durch einen Zauberschlag, einen eigenen neuen Reiz.
1) Hundert verschiedene einzelne Charakter-Masken werden redend eingeführt, und überheben aller Verlegenheiten in gegenseitigen Ansprachen, bezüglichen
Antworten etc. von und an Maskirte und Unmaskirte.
2) Ein höchst interessanter Salon von mehreren Maskenzügen, worin 4-20 Masken auf einmal ein imposantes Ganzes bilden können.
3) Ueberraschend und das Lachorgan kräftig erschütternd folgen nun reichlich neue originelle Ideal-Gestalten, figürliche, sinnbildliche Charakter-, Evolutions- und Quodlibet-Masken, deren Herstellung auch wenig kostspielig ist.
4) Gesellschafts-Masken, oder solche, wo mehrere Personen unter einer Hülle oder Maske zugleich wirken; diese neue, eclatanten Effect zaubernde Idee dürfte diesen Fasching in allen größern Städten verwirklicht werden; durch Kunstbeilagen sind solche näher erläutert.
5) Zwölf neue, sehr liebliche Alpen-Quadrillen, zugleich in Musik gesetzt, erfreuen sich sicher allerwärts einer günstigen Aufnahme.
6) Ball-Anekdoten, Scherz- und Sinngedichte, Ball- u. Trinklieder etc. bilden eine recht angenehme aufheiternde Zugabe.
Ueberhaupt wurde Alles aufgeboten, den finstern Unhold,
die quälende Langweile auf Redouten
für immer zu bannen, und so wird jedem Maskenball-Besucher dieser Almanach willkommen, ja fast unentbehrlich seyn.
[16]
In der Unterzeichneten ist erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen:
Militær - Karte
von Deutschland
in 25 Blättern,
auf dem topographischen Bureau des k. bayer. Generalstabes entworfen
von Anton Klein.
Blatt Nr. 9. Die darauf vorkommenden Hauptorte sind: Berlin, Küstrin, Brandenburg, Potsdam, Frankfurt a. d. O., Züllichau, Wittenberg, Dessau, Cottbus, Torgau, Leipzig, Bautzen, Dresden, Altenburg, Freiberg, Zittau.
Preis 2 fl. oder 1 Rthlr. 4 gr.
Stuttgart und Tübingen, October 1839.
J. G. Gotta'sche Buchhandlung.
[68-70]
(Stuttgart.) A German Protestant Clergyman, speaking french and english and having favourable certificates from english and german families, desires a place as tutor. Direction is given by
Mr. Klumpp, Professor.
[58]
Zum Behufe öffentlicher Declamationsübungen für Gymnasien, höhere Bürgerschulen und zum Privatgebrauch ist bestens zu empfehlen und in allen Buchhandlungen zu haben:
Theater
für die Jugend
oder
(24) oratorische Beiträge
in Gesprächen, dramatischen Spielen
und Prologen bestehend.
Zum Schul- und Privatgebrauch.
Gebunden. Preis 20 gGr. od. 1 fl. 30 kr.