Paris, 16 Jan.
Der Moniteur zeigt an, daß das vor mehreren Tagen über den Tod des Hrn. Bouilly, des ehrenwerthen Verfassers des Abbé de l'Epée, verbreitete Gerücht falsch sey. Er sey bedenklich krank gewesen, seine Gesundheit habe sich aber schon wieder sehr gebessert.
(Temps.) Der König hat gestern (14) den Bericht in Betreff des Gesetzesentwurfs über die Rentenconversion, der ihm von dem Finanzminister vorgelegt ward, unterzeichnet. Auch hat er die Vorlegung von drei andern, von demselben Minister verfaßten Gesetzesentwürfen genehmigt. Der erste betrifft die Salzauflage, der zweite das Tabakmonopol. Man sagt, Hr. Passy trage darauf an, daß dieses Monopol noch weitere zehn Jahre in den Händen der Regierung bleibe. Der dritte betrifft die Erneuerung des mit 1840 erloschenen Bankprivilegiums.
Fortsetzung der Rede des Hrn. Thiers über den Orient.
Wie wird die Frage sich gestalten, wenn der Pascha stirbt? Entweder wird der Pascha so weise seyn, sein Reich dem zu überlassen, der es durch sein Schwert, wenn nicht durch seine Politik, gegründet hat, seinem Sohn Ibrahim, oder er wird es unter seine verschiedenen Söhne theilen. Begeht er letztern Fehler, so kann die Pforte immerhin, in Folge ihres Suzeränetätsrechts, mag nun die Erblichkeit zugestanden seyn oder nicht, ihre Provinzen wiedernehmen. Hinterläßt der Pascha aber Ibrahim allein sein ganzes Reich, und bewahrt letzterer alle seine jetzigen Eigenschaften, dann gewinnt die Pforte, mag die Erblichkeit auch nicht bewilligt seyn, ihre Provinzen doch nicht wieder. Die Frage der Erblichkeit ist also keine Frage des Rechts, sondern der That, und ihre Entscheidung hängt allein davon ab, wie die Macht der Pforte und die Macht Aegyptens sich am Todestage Mehemed Ali's gegen einander verhalten. So wäre demnach mit der Erblichkeit eigentlich ein bloßes Wort bewilligt worden, und hätte Europa in seiner Weisheit dem Sultan dazu gerathen, so würde die orientalische Verwickelung vielleicht nicht die jetzige ernste Bedeutung gewonnen haben. Indessen gestehe ich, es war sehr schwer, einen alten Souverän zu überreden, daß er auf Provinzen verzichte, die er früher besessen, ihn zu überzeugen, daß er sie nicht mehr erobern könne. Die Hartnäckigkeit des Sultans, vielleicht auch die Rathschläge irgend eines Diplomaten, hinderten ihn, den vernünftigen Vorstellungen des französischen Gesandten nachzugeben. Da nun von beiden Seiten, vom Sultan wie vom Pascha, unbeugsame Prätensionen erhoben wurden, so war der einzig mögliche Vermittler zwischen beiden der Sieg. Statt der langsamen, schwierigen, zänkischen Unterhandlung der Diplomatie hätte man den Sieg nach der Schlacht bei Nisib als raschen und entscheidenden Schiedsrichter gewähren lassen sollen. Die türkische Armee war geschlagen, die Flotte abgefallen, endlich starb der Sultan noch, und mit ihm sein tiefer Haß, welcher die Ursache der Aufregung des Orients war. Die Frage, scheint mir, war damals in Konstantinopel sehr vereinfacht: Heer, Flotte und Haß des Sultans waren verschwunden. Zur Lösung der Schwierigkeiten war nur noch Ein Hinderniß zu fürchten, wenn nämlich der siegberauschte Pascha seine Prätensionen gesteigert hätte und gegen Konstantinopel gerückt wäre. Aber der Pascha wollte dieß nicht, er ließ seine Armee am Fuße des Taurus Halt machen, und verlangte am Tage nach dem Siege nur, was er am Tage zuvor verlangt hatte: die erbliche Herrschaft über seine Provinzen. Hr. Villemain: „Er verlangte mehr: die Schlüssel des Taurus mit Adana, Orfa, Diarbekir.“ Hr. Thiers: „Man sagt, der Pascha verlangte Adana, Orfa, Diarbekir und die Provinzen, welche am Fuß des Taurus liegen. Ich bemerke aber, daß eine Gebirgsgränze nie eine so genan gezeichnete wie ein Fluß ist. Es sind dort Provinzen, welche die Schlüssel des Taurus enthalten. So wäre der District Adana dem Pascha nicht unumgänglich nothwendig, aber er enthält die Schlüssel des Taurus, ebenso Diarbekir und Orfa. Mochte man nun dem Pascha einen dieser Districte mehr oder minder zugestehen, so ist doch im Grund wahr, daß er nichts diesseits des Taurus verlangte, nichts, was das türkische Reich ernstlich bedrohen und ein Grund seyn konnte, seine Ansprüche völlig zurückzuweisen. Nur eine der Forderungen des Pascha's schmeckte etwas nach dem Uebermuth des Siegers: er verlangte die Absetzung Chosrew Pascha's, bestand aber, wie Sie alle wissen, auf dieser Forderung nicht lange. Hätte der Pascha den Taurus überschritten und Konstantinopel bedroht, dann wäre mir die Einmischung der europäischen Diplomatie begreiflich gewesen; aber diese erfolgte zu einer Zeit, wo in Konstantinopel Ruhe herrschte, wo die Aufregung aller Köpfe sich gelegt hatte. Man sagt zwar, es sey schwer gewesen, zwischen dem Pascha und dem Sultan eine Ausgleichung zu Stande zu bringen. Ich frage aber: waren diese Schwierigkeiten zwischen dem Pascha und dem Sultan denen zu vergleichen, die jetzt alle Mächte spalten, und wäre es nicht ein großer Gewinn gewesen, die orientalische Frage noch einige Zeit ihren eigenen Weg gehen zu lassen, statt sie zu einer europäischen Frage umzuwandeln, von der ich nicht weiß, wie man sie wird lösen können? (Bewegung.) Man entgegnet zwar, daß Frankreich von den Conferenzen sich nicht ausschließen konnte, und daß die Intervention nothwendig die Folge dieser Conferenzen seyn mußte. Aber die Art, wie diese Intervention erfolgte, vergrößerte nur den Fehler, den man begangen. Man hatte eine Conferenz in Wien vorgeschlagen, und ich stimme der Meinung des Hrn. Ministers des öffentlichen Unterrichts bei, daß die Macht, die sich geweigert hätte, einer Conferenz über diese große Frage beizutreten, den Verdacht selbstsüchtiger Entwürfe auf sich geladen haben würde. Ich bin also gleichfalls der Ansicht, daß man dieser Conferenz beitreten mußte. Welchen Zweck aber hatte sie? Ihr Zweck war, wie man öffentlich sagte: 1) Rußland zu bewegen, daß es auf sein ausschließliches Protectorat verzichte; 2) einen Vergleich zwischen dem Pascha und dem Sultan herbeizuführen. Um Conferenzen dieser Art beizutreten, mußte man vor Allem des Beitritts Rußlands sicher seyn. In den aus fünf Mächten bestehenden Conferenzen hätten wenigstens zwei Mächte gleicher Meinung seyn, hätten wenigstens Frankreich und England sich zuvor verständigen müssen, dann hätten Preußen und Oesterreich sich ihnen wohl angeschlossen und mit vier Stimmen gegen Eine hätte man Hoffnung gehabt, Rußland sein ausschließliches Protectorat zu entwinden und zwischen dem Sultan und dem Pascha einen Vergleich zu Stand zu bringen. Daß man in Conferenzen einwilligte, ohne sicher zu seyn, daß Rußland
beitrete, war ein Fehler. Man constituirte eine Art Autorität, ohne zu wissen, wer beitrete oder ob von den fünf Mächten sich wenigstens zwei so weit verständigen könnten, um die andern zu einer Art Einstimmigkeit zu bringen. Jener Fehler der Einmischung der europäischen Diplomatie in die orientalische Frage hatte drei Folgen. Die erste war, daß man in Konstantinopel Alles suspendirte und das türkische Reich der einzigen Gefahr aussetzte, welche es in dieser Beziehung laufen konnte. Ich werde über diese Gefahr sogleich mich näher erklären. Die zweite Folge war, daß die Cabinette von Frankreich und England, wenn sie sich auch, wie ich hoffe, nicht getrennt haben, doch wenigstens beide Nationen dieß befürchten ließen. Die dritte Folge endlich war, daß Rußland auf den Anschein einer Trennung zwischen Frankreich und England hin, sich England zu nähern versuchte. Mit Ausnahme des Kriegs konnte man aus dieser Frage nicht drei schlimmere Folgen herbeiführen. Ich habe gesagt, man habe das türkische Reich der einzigen Gefahr, die ihm drohen konnte, ausgesetzt. Mit dem Tode des Sultans war ein großes Hinderniß des Friedens beseitigt. Zugleich waren aber auch jene starken Hände gesunken, welche die Zügel des Reichs gehalten hatten – eine Frau, ein Kind und ein Greis machten die ganze Regierung von Konstantinopel aus. Hegte nun der Pascha, hegten die Russen die Entwürfe, die man ihnen zuschrieb, so fanden sie, jener geschwächten Staatsgewalt gegenüber, zur Ausführung ihrer Plane freies Feld. Mehemed Ali konnte alle Paschas des Reichs durch seine Intriguen zum Aufstand bewegen, und Rußland konnte nach Konstantinopel kommen, denn mit dem Tod des Sultans war das Reich von Auflösung bedroht und man machte diese möglich, dadurch daß man alle Angelegenheiten in Aufschub hielt. Wie konnte aber die zweite Folge jenes Fehlers, Frankreich von England zu trennen und England Rußland zu nähern, entstehen? Als man die Angelegenheiten des Orients sich auflud, war es natürlich, daß man von jener projectirten Conferenz eine Lösung erwartete. Aber Rußland wollte der Conferenz nicht beitreten. Man mußte daher auf eine Uebereinstimmung der fünf Mächte verzichten, und sich zu zwei oder drei zu verständigen suchen. Die Mächte, die sich verständigen konnten, waren Frankreich und England, aber kaum hatten die ersten Verhandlungen begonnen, als man gewahr wurde, daß man nicht einig war; man hatte sich zuvor nie darüber berathen. England wollte die türkische Flotte wieder nehmen und dem Pascha höchstens einen Theil von Syrien geben. Die französische Regierung widersetzte sich und that wohl daran. Sie mußte widerstehen. Ich mache ihr nur Einen Einwurf: schon der einfachste Tact mußte rathen, sich offen gegen England auszusprechen, ehe man ein solches Mißverständniß herbeiführte. Hätte man sich nicht vereinigen können, so hätte es wenigstens nicht den Anschein gehabt, als habe man einander täuschen wollen. Leute, die sich gegenseitig erklärt haben, werden, selbst wenn sie nicht zu einer Verständigung gekommen, nie Feinde. Frankreich und England sahen, eben weil sie sich nicht zur gehörigen Zeit besprochen, zu spät, daß sie in ihren Ansichten von einander abwichen. England wollte, wie gesagt, dem Pascha zuerst die Flotte, dann einen Theil von Syrien entreißen. Frankreich widerstand, und die Freunde des Cabinets lobten mit Uebertreibung seine Festigkeit. Dieser Zwist machte Lärm in der Welt. England beklagte sich, daß Frankreich seine Politik ändere. Ich sage nicht, daß dieser Vorwurf gegründet war, gewiß aber ist, daß Frankreich mit seiner Politik ein wenig spät hervortrat, und sich dadurch einen Schein von Zweideutigkeit gab. (Bewegung.) Welch sonderbares Schauspiel boten wir der Welt oder wenigstens Europa! Wir hatten erklärt, dem ausschließlichen Protectorat Rußlands ein Ende machen zu wollen, und doch verständigten sich die zwei Mächte nicht, welche allein dieß vermochten. So bereiteten wir selbst Rußland einen Triumph, einen leichten Triumph, den es mit Geschicklichkeit ergriff. Es wäre freilich auch gar zu ungeschickt gewesen, eine so gute Gelegenheit nicht zu benützen. Rußland dachte: die Ursache des Zwiespalts beider Mächte ist der Pascha; der Pascha aber kümmert mich wenig, ich will ihn England preisgeben; ich werde dafür einige Zugeständnisse erhalten, die unter anderer Form den famösen Tractat von Hunkiar-Skelessi wieder aufleben machen. Sie wissen, daß Rußland Hrn. v. Brunnow nach London schickte. Dieser Botschafter sagte zu dem englischen Cabinet: „der Pascha interessirt uns nicht; ihr könnt hinsichtlich seiner eure Vorschläge machen, wir werden sie annehmen. Ueberdieß machen wir euch eine große Concession; wir verzichten auf den Tractat von Hunkiar-Skelessi.“ Sie kennen die zwei Stipulationen dieses Vertrags. Die erste ist, daß bei der nächsten Gefahr, welche Konstantinopel bedroht, die Russen dort einrücken dürfen; die zweite, daß während die Russen in Konstantinopel sind, den Flotten Englands und Frankreichs nicht gestattet werde, die Dardanellen zu passiren. Hr. v. Brunnow machte das erstemal folgende Vorschläge: „Am Tage, wo der Pascha den Taurus überschreitet, ziehen die Russen nach Konstantinopel; ihr Seemächte agirt gegen Kleinasien, Syrien, aber in die Gewässer von Konstantinopel dürft ihr nicht einlaufen.“ Dieser Vorschlag, der im Grunde nur die Anerkennung des Vertrags von Hunkiar-Skelessi enthielt, konnte nicht angenommen werden. Hr. v. Brunnow kam nun zum zweitenmal mit neuen Anerbietungen nach London. Obwohl auch dießmal der Hauptvorschlag war, daß Rußland bei der ersten Gefahr nach Konstantinopel ziehen dürfe, fügte man doch die Concession bei, daß man England und Frankreich erlauben wolle, je vier Linienschiffe in das Marmorameer einlaufen zu lassen. Glücklicherweise ist in dieser Beziehung noch nichts definitiv abgeschlossen; man sagt, es werde noch darüber unterhandelt. Jene acht Linienschiffe sollen sich nicht einmal Konstantinopel nähern dürfen; sie könnten bloß zwischen Gallipoli und dem Golf von Mudia kreuzen. Mit diesem Vorschlag wird, streng genommen, abermals die Anerkennung des Vertrags von Hunkiar-Skelessi verlangt, denn die Hauptsache ist, daß die Russen nach Konstantinopel rücken. Die acht Kriegsschiffe Frankreichs und Englands wären überdieß compromittirt, denn die Russen könnten hinter ihnen die Dardanellen schließen. Ich hoffe, die Vorschläge des Hrn. v. Brunnow werden nicht angenommen, denn sie enthalten noch außerdem eine unermeßliche Gefahr. Von dem Tag an, wo man des Ausgangs, den ein kräftiges Verfahren gegen den Pascha haben würde, sicher ist, wird man nicht mehr fürchten, ihn anzugreifen, so schwer auch der Krieg gegen ihn zu führen ist. Man wird ihm vielleicht seine Flotte vor Alexandria verbrennen; ich weiß es nicht, aber das weiß ich, daß man sich eine schwierige, bedenkliche Lage bereiten wird. Was vermag nicht ein so kühner Geist, wie Mehemed Ali, wenn er aufs Aeußerste getrieben wird! Er kann den Orient in Flammen setzen. Die Folge der Annahme jener Vorschläge wäre daher die Anerkennung des Tractats von Hunkiar Skelessi durch ganz Europa und die Gefahr einer allgemeinen Conflagration im Orient. (Beifall.) Ich glaube England wird sich etwas bedenken, ehe es in solche Vorschläge willigt. Europa wird, nachdem anfangs fünf Mächte, später zwei Mächte sich zusammen nicht verständigen konnten, wohl am Ende genöthigt seyn, auf eine Lösung der orientalischen Frage zu verzichten, aller Einmischung sich zu enthalten und Sultan und Pascha die Sache unter einander ausmachen zu lassen. Um zu einem solchen
Resultat zu kommen, war es nicht der Mühe werth, so viel Lärmen zu machen. (Gelächter.) Nur Ein Umstand würde, wenn er wahr wäre, das Geschehene vollkommen rechtfertigen, und die zwischen Frankreich und England eingerissene Mißhelligkeit entschuldigen. Dieß wäre, wenn beide Mächte im Orient ein entschieden entgegengesetztes Interesse hätten. Aber dieß ist nicht der Fall; ich glaube sogar, daß es nicht unmöglich gewesen, sich mit England zu verständigen, ich glaube, daß zwischen ihm und uns seit zwei Jahren eigentlich mehr Mißverständnisse, als feindselige Gesinnungen herrschten. Ich gestehe es offen, daß ich ein Anhänger der englischen Allianz bin, aber ein Anhänger, wie es ein Mann seyn kann, der nie den Stolz seines Vaterlandes vergißt. Wäre schweres Unrecht, schlimme Behandlung oder sonst dergleichen zwischen beiden Nationen vorgekommen, so wäre ich nicht der Ansicht, daß diese Allianz bestehen müsse. Wir sind nicht so weit gebracht, um nur auf eine einzige Macht zählen zu dürfen, wir finden Verbündete auf mehr als einer Seite, und selbst wenn wir ganz allein blieben, wären wir immer noch stark genug. (Beifall.) Ich kann aber noch nicht auf die schöne, edle Allianz verzichten, die nicht bloß auf die materielle Macht, sondern auf die moralische Stärke der Principien gegründet ist. Wenn wir mit England sind, brauchen wir unsere Fahne nicht zu verstecken, andere Allianzen aber, die man uns rathet, würden uns hiezu nöthigen. (Bravo!) Mit England im Bunde können wir unsere beiden Fahnen entfalten; sie führen den Wahlspruch: Gemäßigte Freiheit und Friede der Welt. (Langer und stürmischer Beifall.)
(Beschluß folgt.)
Folgendes ist der vollständige Inhalt der Erklärung, welche der Ministerpräsident, Marschall Soult, in der Sitzung der Deputirtenkammer am 11 Jan. abgab. „Meine Herren! Als Sie in der vorigen Sitzung der Regierung des Königs fast einstimmig die Mittel bewilligten, um im Orient Frankreichs Ehre und Interessen Achtung zu verschaffen, durchdrungen von den Bedingungen und Principien der französischen Politik, und zum voraus den Gang genehmigend, den wir befolgen wollten, da schwebte Ihnen das doppelte Ziel vor, auf welches unser Wirken hinstreben mußte: das osmanische Reich als wesentliches Element des europäischen Gleichgewichts zu erhalten, und seine unabhängige Existenz nicht unter die Bürgschaft eines ausschließlichen, und eben dadurch gefährlichen Schutzes, sondern unter die gemeinsame Bürgschaft des ganzen Europa zu stellen. Dieß ist die Lösung, welche nach unserer Ansicht allein sämmtliche Interessen sichern, den Frieden im Orient erhalten, und große Weltkämpfe verhindern kann. In der That dachten wir gleich nach Eröffnung der Unterhandlung, und nachdem uns zuerst die Ansichten der Großmächte kund geworden, das erste politische Interesse gehe dahin, durch gegenseitig ausgetauschte Erklärungen das Versprechen zu erlangen, daß alle gemeinsam zur Erhaltung der Unabhängigkeit und Integrität des osmanischen Reichs unter der gegenwärtigen Dynastie zusammenwirken wollen, um den verderblichen Folgen zu begegnen, welche Sultan Mahmuds Tod nach sich ziehen könnte. Die durch Frankreichs und Englands Geschwader am Eingang der Dardanellen eigenommene Stellung zeigt hinlänglich, wie wir möglichen Fällen anderer Art zu begegnen, und die Bürgschaft des gemeinsamen Schutzes von Europa für Konstantinopel, welche in Anspruch zu nehmen wir nicht aufhören werden, aufrecht zu erhalten suchen. Und bereits ist es uns gelungen, die drohendste Gefahr zu beschwören, die der Fortdauer eines Kriegs, der, nach der Niederlage und Zerstreuung der türkischen Truppen in Syrien, im Orient einen allgemeinen Umsturz hätte herbeiführen können. Dem Erfolg der von Frankreich gemachten Vorstellungen verdankt es jetzt Europa, daß es die Grundsätze, welche hinfort die Grundlage seiner Verhältnisse zur osmanischen Pforte bilden werden, im Frieden erörtern kann. Glauben Sie aber nicht, daß wir, ausschließlich beschäftigt durch die Nothwendigkeit, das türkische Reich aufrecht zu erhalten, und der Frage wegen des Bosporus eine der Aufrechterhaltung des europäischen Gleichgewichts förderliche Lösung zu sichern, andere Nothwendigkeiten mißkannt oder eingewilligt hätten, andere, durch die Macht der Umstände geschaffene, mindestens durch den Rechtstitel gewaltiger, vollendeter Thatsachen Achtung gebietende Interessen zu opfern. Davon weit entfernt, erachteten wir die Integrität und Sicherheit des osmanischen Reichs nicht für unvereinbar mit gewissen Vorkehrungen zu Gunsten der Familie des Pascha's von Aegypten. Handelte es sich von einer Zerstückelung, so wäre unsere Ansicht verschieden; indem wir aber die Sicherheit des Sultans wahrten, schirmten wir auch den Orient vor einem allgemeinen Brande, dessen Folgen unberechenbar wären. Die Kammer wird mir erlauben, auf diese wenigen Worte die Erklärungen zu beschränken, die ich Ihnen über die Grundsätze des Cabinets in Betreff der orientalischen Frage geben zu müssen glaubte. Wir hegen das feste Vertrauen, nichts vernachlässigt zu haben, um diese Frage einer allen Theilen gerechten, Frankreichs würdigen und für Europa beruhigenden Lösung entgegen zu führen. Die Größe des Werks erklärt hinlänglich die Schwierigkeiten, welche seine Vollendung verzögerten. Wie es auch kommen möge, überzeugt, der Nationalansicht zu entsprechen, werden wir bei unsern Grundsätzen beharren, und Niemand unsere Rechte, unsere Interessen und unser Wohl opfern.“
(Nachtrag aus der Deputirtensitzung vom 15 Jan.) General Bugeaud beklagte sich über die Leerheit der Bänke, während die Algierer Frage doch die wichtigste sey, mit der Frankreich sich gegenwärtig zu beschäftigen habe. Diese Frage habe auf alle übrigen Einfluß, sogar auf die Frage des Orients, denn so lange sie nicht gelöst sey, so lange man 60,000 Mann in Afrika unterhalten müsse, könne Frankreich nirgends so auftreten, wie es seine Interessen erheischten. Der Besitz Algiers, meint der Redner, sey eigentlich ein Fehler; da es aber unmöglich sey, diesen Fehler zu ändern, so müsse man ihn auf großartige Weise begehen, denn dieß sey das einzige Mittel, daraus einigen Nutzen zu ziehen. Das ganze Land müsse daher erobert, die Macht Abd-El-Kaders zerstört werden. General Bugeaud entwickelte sehr ausführlich sein Kriegssystem. Er will, daß 60,000 Mann nach den Provinzen Algier, Oran und Titeri gesandt werden. In der Provinz Constantine hält er den bisherigen Effectivstand für hinreichend, so daß also die ganze Occupationsarmee auf nahe an 80,000 Mann gebracht würde. Alle innern Städte, Medeah, Miliana, Maskara, Tlemsan sollten, nach Bugauds Plan, besetzt werden und drei mobile Kolonnen, jede 10,000 Mann stark, das Land rastlos durchziehen, um die Ernten aller widerspänstigen Stämme niederzubrennen. Andere, kleinere Colonnen müßten von den Seehäfen aus beständig die nöthigen Convois nach dem Innern geleiten. Der Redner erklärte, es sey dieß das einzige System, durch das, seiner Meinung nach, die Araber unterworfen werden könnten. Er habe lange über die Algierer Angelegenheiten nachgedacht und kein milderes System gefunden. Der Kriegsminister General Schneider erklärte, daß bis jetzt 15,000 Mann alter Truppen nach Afrika eingeschifft worden seyen, worunter 1500 Reiter mit ihren Pferden. Die Kammer nahm in derselben Sitzung alle übrigen Artikel unverändert an. Bei der Abstimmung über die ganze Adresse ergaben sich 212 weiße und 43 schwarze Kugeln.
* In der Sitzung der Deputirtenkammer am 16 Jan. legte der Finanzminister einen Gesetzesentwurf über die Zuschußcredite von 1839 bis 1840 auf dem Bureau nieder. Sodann verlas der Minister den Entwurf des Budgets der Ausgaben und Einnahmen für 1841. Es geht daraus hervor, daß die Erträgnisse von 1839 unter den Schätzungen geblieben sind. Der Minister bemerkt jedoch, daß die Einnahmen seit drei Monaten eine Tendenz zeigen, sich ihrem Normalzustande wieder zu nähern. Die geringern Erträgnisse hätten hauptsächlich in Wetterschäden ihren Grund. Der Minister verlas ferner den Gesetzesentwurf über die Umwandlung der Renten. Die Rentiers erhalten diesem Entwurf zufolge die Wahl zwischen der Heimzahlung oder der Conversion der substituirten Renten. Die Heimzahlung der neuen Renten soll zehn Jahre lang suspendirt werden. Jeder Rentenbesitzer, der in einer bestimmten Frist seine Erklärung zur Heimzahlung nicht gemacht habe, soll angesehen werden, als habe er die Conversion angenommen. Der Minister soll ermächtigt seyn, über die Reserve des Schatzes zur Heimzahlung zu verfügen. – Die Tagesordnung kam dann an den Vorschlag des Hrn. v. Tracy, das Schicksal der Sklaven in den Colonien betreffend. Hr. Tocqueville unterstützt die Wiederaufnahme der Anträge der Commission vom vorigen Jahre. Hr. v. Jaubert wünscht, ohne sich diesen Anträgen zu widersetzen, die Ernennung einer neuen Commission. Hr. Daugeville will Vertagung. Hr. de Laborde will unverzügliche Wiederaufnahme der Anträge. Bei einer so schreienden Ungerechtigkeit könne kein Aufschub stattfinden. Hr. v. Salvandy trägt, bis nähere Erkundigungen von der Regierung eingezogen seyen, auf Vertagung an, die Kammer habe nicht das Recht, der Regierung die Pflicht aufzulegen, auf einen bestimmten Tag einen Gesetzesentwurf einzureichen. Man bemerkt, daß die Minister zur Wiederaufnahme des Vorschlags des Hrn. v. Tracy oder für die Commissionsanträge gestimmt sind; jener ward dann auch angenommen. Hr. Gaugier verlangt die Wiederaufnahme seines Vorschlags, die besoldeten Staatsbeamten betreffend, und entwickelt die Motive desselben. Die Wiederaufnahme ward angenommen; selbst die Minister erklärten sich dafür.
Hr. v. Tournelle, Generalprocurator bei dem königlichen Gerichtshof von Orleans, ward an die Stelle des verewigten Hrn. Bernard mit 166 unter 198 Stimmen zum Deputirten zu Bourg ernannt.
Die indirecten Abgaben ertrugen im J. 1839 657,970,000 Fr.; der Ertrag im J. 1838 hatte sich auf 650,185,000 Fr. belaufen.
Der Pairshof setzte in seiner Sitzung vom 14 Jan. das Verhör der Angeklagten des Maiaufstandes fort. Der Weinhändler Charles, 33 Jahre alt, ist außer der Theilnahme an diesem Aufstand beschuldigt, Gelder, die für Verurtheilte der Gesellschaft der Jahreszeiten gesammelt worden, bei sich aufbewahrt zu haben. Charles läugnet erstern Umstand, gibt aber den zweiten zu. Gegen den angeklagten Moulines, Mineingenieur, 28 Jahre alt, spricht hauptsächlich ein aufgefangener Brief, den er an seinen Freund Maréchal kurz vor dem Attentat geschrieben. Er sagt darin unter Anderm: „Beeile dich, dem Feste beizuwohnen, das sich vorbereitet. Hier kündigt Alles einen Tag des Jubels und des Fiebers an, wo wir an dem Wohlgeruch des Pulvers und der Harmonie des Kanonenkugelpfeifens uns ergötzen werden. Die königliche Familie werden wir die Reise durch Frankreich machen lassen, damit sie zu leben lerne.“ Moulines gesteht ein, daß er den Brief geschrieben, jedoch nur in der Absicht, seinen Freund, dessen exaltirter Republicanismus ihm bekannt war, zur Reise nach Paris und zur Verheirathung mit einer Demoiselle Ménesson zu bewegen. Letztere, die als Zeuge vernommen wurde, erklärte, der Angeklagte habe allerdings den Brief auf ihre Bitte geschrieben. Aus dem weitern Zeugenverhör ergab sich kein Umstand von Bedeutung. Bonnefond, Koch, 28 Jahre alt, wurde am 13 Mai verwundet, man fand auch Kapseln und Patronen bei ihm, die man ihm, wie er versicherte, aufgenöthigt habe. Keiner der Zeugen wollte den Angeklagten mit Bestimmtheit wieder erkennen.
Ein Holzschneider, Namens Allard, der in den Proceß wegen des Moniteur républicain verwickelt war, ist wegen des Besitzes einer heimlichen Presse, auf welcher jenes Flugblatt gedruckt wurde, zu sechsmonatlicher Haft und einer Geldbuße von 10,000 Franken durch das Zuchtpolizeigericht verurtheilt worden.
(Courrier français.) Der von dem Handelsminister der Pairskammer vorgelegte Entwurf zur Regelung der Arbeit der Kinder in den Fabriken ist in einem Geiste schüchterner Zurückhaltung abgefaßt. Der Minister beschränkt sich, um die Verlegenheiten zu vermeiden, die aus der in England angenommenen Bill hervorgegangen sind, darauf, zu verlangen, daß das Gesetz gewisse allgemeine Grundsätze aufstelle. Der Entwurf verfügt, daß die Arbeit der Kinder festgestellt werden, und die Agenten der Verwaltung das Recht haben sollen, die Anstalten, wo Kinder gebraucht werden, zu inspiciren. Uebrigens überläßt er der Verwaltung die Aufgabe, die Anordnungen in Gemäßheit der Oertlichkeiten und der Beschaffenheit der Industrien zu modificiren. Vielleicht ist der Augenblick, hierin weiter zu gehen, noch nicht gekommen. Man muß aber früher oder später etwas thun, um dem Familiengeist in den arbeitenden Classen aufzuhelfen, und die unglücklichen Kinder zu schützen. Wenn man sich mit dem Schicksal der Kinder beschäftigt, so ist es freilich unmöglich, nicht zugleich an das Elend der Eltern zu denken; das Ministerium muß aber Bedenken getragen haben, die Vormundschaftsrolle, zu der eine stärkere Staatsgewalt gehört, so weit zu erstrecken.