Großbritannien .
London , 15 Mai .
Ueber Herzog v. Wellingtons Rede gegen die Motion des Grafen Stanhope sagt der Globe , daß der edle Herzog niemals in seinem eigenen Namen würdig sprechen könne , ohne zugleich die Unwürdigkeit der mit ihm verbündeten Partei ins volle Licht zu setzen , und sich selbst nie erheben , ohne daß seine Partei eben dadurch nur desto tiefer zu sinken scheine . „ Ueberhaupt aber , fährt der Globe fort , ist über den Opiumhandel im Hause der Lords viel mehr Wahres gesagt worden als im Hause der Gemeinen , mit einziger Ausnahme des Lord Stanhope , dieses würdigen Haupts der Theetotalisten , der , gleich gewissen im Orient für heilig geachteten Personen , das beständige Privilegium genießt , Albernheiten zu beantragen . “
Die Times drückt ihr Urtheil über dieselbe Rede folgendermaßen aus : „ Im Haus der Gemeinen nahm Hr. G. Palmer seine Motion über den Opiumhandel zurück , und dieß war das natürliche Ergebniß der Rede des Herzogs v. Wellington , in welcher Se. Herrlichkeit es großmüthigerweise für gut befand , sein schützendes Schild über die hülflosen Minister zu halten und , mit Aufgeben aller Selbstsucht , seinen eigenen Freunden den Rücken zu kehren .
Ueber die Unterhaussitzungen vom 12 und 13 Mai ( hingebracht mit Streitigkeiten über das Aufschieben oder Nichtaufschieben der Motion eines neuen Writ für Ludlow ) macht das Morning-Chronicle folgende Bemerkung : „ Das Betragen der Tories wird täglich rücksichtsloser und gewaltsamer . Noch nie sind die Regeln der Höflichkeit und Nachgiebigkeit , die bis heute noch in jeder Versammlung brittischer Gentlemen die Strenge des Parteigeistes gemildert haben , so grob übertreten worden , als bei dem fortgesetzten Daraufdringen jener Partei , die Motion des neuen Writ solle , trotz der Abwesenheit Lord John Russells , ohne Aufschub zur Verhandlung kommen . – Gewiß ist die liberale Partei ihren Gegnern zu einem solchen Betragen mit keinem Beispiel vorgegangen . Denn wurde nicht z. B. eine Maaßregel , die zunächst die Wünsche und Gefühle der höchsten Person im Königreich betraf ( die Aussetzung des Jahrgehalts für den Prinzen Albert ) , auf das Gesuch des Herzogs v. Wellington bloß deßhalb aufgeschoben , weil Lord Lyndhurst
eine kleine Vergnügungsreise gemacht hatte , um den Herzog v. Buckingham zu besuchen ? Und als Lord Stanley ein andermal wegen häuslicher Betrübniß an die Höflichkeit des Hauses und des Ministers appellirte , wurde seinem Wunsche nicht augenblicklich , obwohl zum offenbaren Nachtheil der liberalen Partei , Genüge geleistet ? Aber die Sache ist , daß der Kampf zur Vertheidigung des Bestechungssystems für die Conservativen ein Kampf auf Leben und Tod ist ; und der wesentliche Inhalt ihrer Aeußerungen am Montag ( 11 Mai ) war kein anderer als der , wenn das Haus nicht darein willigen will , alle Art von Bestechung bei den Wahlen hingehen zu lassen , so sind wir entschlossen , den Gang der öffentlichen Geschäfte aufzuhalten . Wir müssen nun abwarten , ob sie im Angesicht des entrüsteten Volks diese „Aufhaltungspolitik“ Lord Stanley's wirklich in ihrem ganzen Umfang anzuwenden wagen ; aber auf jeden Fall wird das ihnen in diesem Augenblick der Aufregung entrissene Geständniß , daß sie die Kämpfer für Corruption sind , für England nicht verloren seyn . Besonders wird unser Vaterland Sir Robert Peels sorgfältig ausgearbeitete Vertheidigungsrede für den Gebrauch die Wähler zu traktiren ( treating ) nicht vergessen ; nicht vergessen seine bestimmte Erklärung , daß systematisches Traktiren – z. B. Bestechung durch Bier , Unmäßigkeit u. dgl. keine Bestechung sey , und also keinen Rechtsgrund für Untersuchung oder Aufschub darbiete . – Die Aeußerungen Sir Robert Peels ( in der Sitzung vom 11 Mai ) , auf die sich das M. Chronicle bezieht , und die wir hier nachträglich mittheilen , sind folgende : „ Der Bericht des Untersuchungsausschusses ( über die Ludlower Wahlen ) enthält kein Wort von Bestechung ( bribery ) , sondern bloß , daß ein allgemeines System von Traktirung ( treating ) der Wähler auf der letzten Wahl von Ludlow herrschend gewesen ist . “ Wegen bloßer Traktirung aber kann man keinem Burgflecken sein Wahlrecht nehmen . Ehe man dergleichen beschließen wollte , müßte man zuvor bestimmen , was die Punkte sind , durch die Tractirung ebenso strafbar werden kann als Bestechung . “
In der Sitzung des Hauses der Gemeinen vom 14 Mai , aus der wir gestern bereits Lord Palmerstons Erklärung über Persien mitgetheilt haben , wurde nun auch , da Lord John Russell wieder gegenwärtig war , Graf Darlington's Motion um ein neues Writ für Ludlow aufs neue vorgenommen . Nach einigen , an den wieder gegenwärtigen edlen Lord gerichteten Entschuldigungen und Höflichkeiten von Seite Graf Darlingtons , die jener eben so erwiederte , lautete die Rede des edlen Lord Secretärs für die Colonien im Auszuge folgendermaßen : „ Wenn ich behaupte , daß das von dem Untersuchungsausschusse ans Licht gezogene schmähliche Verfahren bei den Ludlower Wahlen in diesem Hause die vollste Prüfung verdiene , so behaupte ich zugleich , daß aus dieser Berathung für keine der beiden Parteien irgend ein Vortheil entspringen kann , weil eben keine von beiden sich rühmen kann , bei jenem Verfahren fleckenlos gewesen zu seyn . Auf jeden Fall aber würde jetzt die Partei in der öffentlichen Meinung am meisten verlieren , die einer gründlichen , von diesem Haus vorzunehmenden Verbesserung jener eingerissenen schändlichen Mißbräuche sich am meisten zu widersetzen unternähme . So auffallend nämlich auch in diesen beiden Fällen – denn man wird mir erlauben mit dem Fall in Ludlow den ganz ähnlichen in Cambridge zu verbinden – und so beispiellos ekelhaft die Nichtswürdigkeit der Wählerschaft sowohl , als sehr hochstehender , mit ihr verbundener Personen sich gezeigt hat , so bin ich doch nicht gesonnen , mich deßhalb der Erlassung eines neuen Writ für beide Orte – wiewohl das Haus dazu das Recht hätte – zu widersetzen , sondern vielmehr das Haus zu vermögen , daß es einige allgemeinere , sowohl die Bestechung als die sogenannte Traktirung der Wähler verhindernde Maaßregeln ergreife . Denn was die sogenannte Traktirung betrifft , z. B. den Gebrauch eine Menge Wirthshäuser zu öffnen , wo die Unterstützer eines gewissen Candidaten nach Gefallen essen und trinken können , so halt' ich denselben für wo möglich noch schändlicher als offene Bestechung , und glaube , daß er um so sicherer verdient gestraft zu werden , als er offen am Tage liegt . Leider sind unsere Gesetze ( namentlich die von 1637 ) in dieser Beziehung nicht scharf genug , und ich möchte , um diese Mängel zu verbessern , folgende neue Bestimmungen vorschlagen : 1 ) Jede Art Geschenk vor oder nach der Wahl empfangen , für schon abgegebene oder noch abzugebende Stimmen , so wie für das Versprechen , die Stimme nicht abgeben zu wollen , soll Bestechung seyn. 2 ) Alle Zeugen vor dem Ausschuß sollen , auch wenn sie gegen sich selbst deponiren , der Strafe enthoben seyn. 3 ) Hat von zwei Candidaten der eine seine größere Stimmenzahl durch Bestechung erlangt , so soll statt seiner der zweite , wenn er von dieser Schuld frei , unmittelbar als Parlamentsmitglied anerkannt seyn. 4 ) Die Untersuchungsausschüsse sollen die Sache fortan nicht mehr ansehen wie einen Proceß zwischen den beiden Candidaten , sondern wie eine allgemeine Untersuchung über Wahlreinheit und Unbeflecktheit des Hauses . Uebrigens verlange ich , wie gesagt , für jetzt keineswegs die Unterdrückung eines neuen Writs für Ludlow , sondern hoffe von dem öffentlichen Gefühl der Bevölkerung von Ludlow , daß sie bei einer neuen Wahl Scenen , wie sie bei der frühern vorgefallen , vermeiden wird . “ – Trotz dieser Rede drängt Hr . Hawes noch einmal auf genauere Untersuchung und auf Suspendirung des Writs für Ludlow , und ebenso Hr. Warburton für Cambridge ; doch verwirft das Haus dieß wie jenes Amendement und beschließt die Erlassung der beiden Writs . – ( Ueber den zwischen England und Frankreich angeknüpften Handelsvertrag erklärt Hr. Labeuchere , auf eine Frage des Hrn. Pattan , daß er noch nicht abgeschlossen sey . ( Dasselbe berichtet der Courrier français ( 17 Mai ) zur Widerlegung der Angabe mehrerer französischen Blätter , als wäre der Vertrag bereits abgeschlossen . )
London , 14 Mai . Das Unterhaus hat diese Woche fast gar nichts gethan , indem die Parteien am Montag zufällig hart an einander geriethen , da die Tories durchaus darauf bestanden , in der Abwesenheit des Lords John Russell einen Vorschlag zu machen , und als man sie von ministerieller Seite daran verhinderte , nun auch ihrerseits nicht gestatten wollten , daß die Minister in irgend etwas fortrücken sollten , wenn der Gegenstand auch noch so gleichgültig war . Auch im Oberhaus ist wenig geschehen , obgleich dort kein äußeres Hinderniß statt fand . Der Großkanzler hat demselben einen Vorschlag für die Bildung einer neuen Gerichtsstelle im Kanzleihofe vorgelegt , in der Hoffnung , dadurch einmal zur Reinigung dieses Augiasstalles uralter Processe zu kommen . Aber obgleich Lord Lyndhurst , die Nothwendigkeit einer solchen Maaßregel anerkennend , den Vorschlag unterstützte , so machten doch er sowohl als andere Rechtsgelehrte seiner Partei so viele Einwendungen gegen einzelne Theile der Maaßregel , daß man nur wenige Hoffnung für deren glückliche Durchsetzung hegt , und die ganze Verhandlung für verlorne Mühe hält . Wichtig in jeder Beziehung war eine Rede des Herzogs v. Wellington , womit der gerade Soldat vorgestern Abend einem Vorschlage des Grafen Stanhope begegnete , durch welchen dieser abenteuerliche Mann das Haus dazu bringen wollte , den chinesischen Behörden in
ihrem Streite mit unserer Regierung ohne weiteres Recht zu geben .
Der Herzog hielt es für lächerlich , den Grund des Kriegs im Opiumhandel zu suchen , oder von dem sittlichen Gefühl der chinesischen Regierung zu reden ; er hielt es für ungerecht , das Ungerechte oder Unbequeme in diesem Handel entweder dem jetzigen Cabinette , dem Capitän Elliot oder den Kaufleuten , die sich damit befaßt , zur Last legen zu wollen . Obgleich verboten , sey der Handel seit vielen Jahren , mit Kenntniß der chinesischen , wie der brittischen Behörden , öffentlich betrieben worden , und bis weit in das Jahr 1837 herein sey es am kaiserlichen Hofe noch eine Frage gewesen , ob man den Opiumhandel nicht frei geben solle . Es wäre daher unbillig , wenn man die Kaufleute , denen ihr Opium so gewaltthätig abgezwungen wurde , ihrem Schicksale überließe , weil es den Chinesen beliebt habe , auf einmal ihr System zu ändern ; und es würde schmählich für England seyn , wenn es die unerhörten Mißhandlungen und Gewaltstreiche , welche dieselben gegen Elliot verübt , ungeahndet ließe . Die Lords Ellenborough und Ashburton waren ungefähr gleicher Meinung , und somit wären denn die Minister gegen all den kleinen Krieg , womit einige Ultratories sie wegen China bedrohten , gesichert . Erfreulich ist auch , daß der Bischof von Greter etwas zur Mäßigung zurückgekommen ist , indem er für nöthig gefunden hat , seine Weigerung , die schottischen Presbyterianer als eine Kirche anzuerkennen , so weit zu beschränken , daß sie allerdings die vom Staate anerkannte Kirche in Schottland sey , und ihre Geistlichkeit dort auch eine Klerisei bilde . Nach der Entscheidung der Richter wird der eifrige Prälat sich auch am Ende gefallen lassen müssen , daß der Staat dieselben auch in den Colonien für eine Kirche anerkenne . Man fängt indessen an sich zu wundern , daß man einen so großen Theil der Session hat vorübergehen lassen , ohne daß man von Seite der Bischöfe dem Oberhaus die Bill vorgelegt hätte , wodurch die Kirchenzucht besser behauptet werden soll . Bietet doch in diesem Augenblick in dem hiesigen Sprengel ein gewisser Dr. Dillon dem Bischofe Trotz , indem er gegen dessen Verbot in einer episkopalischen Capelle zu predigen fortfährt ! Doch nimmt der Eifer für das Kirchenwesen unter den Laien immer zu , wie z. B. eben der Bischof von London vor kurzem in einer hiesigen Kirche zum Behufe eines neuen Kirchenbaues in einem ganz andern Stadtviertel nach einer Predigt eine Sammlung von 584 Pf. St. bewirkte , und in derselben Kirche beim Abendgottesdienste abermals 106 Pf. für denselben Zweck gesammelt wurden .
Frankreich .
Paris , 17 Mai . ( Sonntag . )
Prinz Joinville hat die Rötheln und liegt seit fünf Tagen im Bett .
General Dwernizki hat durch Vermittelung des Hrn. Guizot Erlaubniß erhalten , nach Paris zurückzukehren .
Deputirtenkammersitzung vom 15 Mai . Die Discussion über Algier wurde fortgesetzt . Hr. Desjobert , der beharrlichste Gegner der afrikanischen Niederlassung , der bei einer Debatte über diesen Gegenstand nie auf der Rednerbühne fehlt , griff besonders die gestrige Rede des Hrn. Thiers an . „ Die dominirende Idee des Conseilpräsidenten , eine Idee , die er schon vor zwei Jahren ausgesprochen , ist , daß Afrika für die französische Armee ein Uebungslager sey . Zugleich sagte uns der Conseilpräsident , daß man in Afrika alles wieder höre , was auf dieser Tribune gesagt wird . Die Araber werden also wohl auch seine Worte gehört , sie werden eingesehen haben , daß wenn wir Krieg gegen sie führen , dieß nur geschehe , um unsere Truppen bei ihnen gegen unsere eigentlichen Feinde abzurichten , sie werden begriffen haben , daß sie Unterthanen sind für unsere Waffenübungen . ( Murren. ) Ich frage nun : was werden die Araber von der Meinung des Ministerpräsidenten denken und welch andern Schluß werden sie aus seinen Worten ziehen als eine ewige Kriegserklärung ? Sie werden denken , daß wenn wir ihnen zuweilen von Colonisation und Civilisation sprechen , all' dieß nicht ernsthaft gemeint sey ; daß vom Augenblick an , wo wir vermittelst der Colonisation und der Civilisation den Frieden errungen haben , der Ministerpräsident das kostbarste seiner Argumente für die Beibehaltung Algiers verlieren wird . Und warum will der Conseilpräsident , daß wir in Afrika Krieg führen ? Weil , sagt er , die Russen auch ein Uebungslager am Kaukasus und an den Ufern des caspischen Meeres haben . ( Bewegung. ) Ich kann aber diesen Vergleich nicht gelten lassen . Ich begreife , daß die Russen Expeditionen nach Chiwa unternehmen und daß sie den Kaukasus besetzen wollen , weil sie wissen , daß hinter dem Kaukasus und hinter Chiwa noch etwas ist , Asien nämlich , wo sie eine Rivalmacht , England , zu erreichen hoffen . Aber hinter Algier gibt es nichts , als eine Wüste . “ Hr . Jouffroy , das einzige Mitglied der Commission , welches gegen den Zusatzartikel gestimmt hatte , hält die beschränkte Occupation für unstatthaft , weil man dann die Piraterie nicht unterdrücken könne , und nicht Meister der ganzen Küste sey . „ Im Jahr 1832 wurden Kanonenschüsse auf ein englisches Fahrzeug von Budschia aus abgefeuert , noch ehe dieser Punkt von den französischen Truppen besetzt worden . England mußte natürlich damals die Frage an Frankreich stellen : seyd ihr wirklich Gebieter an der Küste von Afrika ? Wenn ihr nicht Gebieter dort seyd , werden wir uns selbst Recht zu verschaffen wissen . Aus dieser Frage schien die Absicht einer Besetzung Budschia's von Seite der Engländer hervorzugehen . Man mußte also hinsichtlich der Küste einen Entschluß fassen . Denn sonst hätte man auch den Amerikanern und allen andern Mächten das Recht gegeben , sich eines solchen Punktes zu bemächtigen ; die Amerikaner hatten ohnehin große Sehnsucht nach einer solchen Niederlassung . Ich frage Sie nun , welchen Eindruck hätte in Frankreich ein englisches oder amerikanisches Etablissement an der Küste dieses so ruhmvoll eroberten Algeriens gemacht ? “ Was das Innere anbelangt , meint Hr. Jouffroy , Tunis und Marokko hätten Absichten auf die ihnen zunächst liegenden Provinzen ; man müsse ihnen mit deren Besetzung zuvorkommen . Der Redner ging in eine weitläufige Discussion ein über das in Algier zu befolgende System . Er meinte , daß man vor Allem an die Unterwerfung des Landes denken müsse , an die Colonisation erst später . „ Wäre ich die Regierung – schloß Hr. Jouffroy – ich würde jeden Colonisationsversuch bis zur gänzlichen Vertilgung der Macht Abd-El-Kaders aufschieben , und selbst dann würde ich nicht selbst colonisiren , sondern mich darauf beschränken , den Ansiedlern Schutz zu gewähren . “ General Sebastiani , der seit seiner Rückkehr von London zum erstenmal das Wort nahm , erklärte sich als Gegner der Niederlassung in Nordafrika und wünschte , daß man sie ganz aufgebe . „ Bis man mir beweist , sagte er , daß man im Fall eines europäischen Krieges im Stand ist , Algier zu behaupten , daß Frankreich nicht mächtiger wäre , wenn es über seine Streitkräfte und sein Geld ungetheilt verfügen könnte , bis man mir dieß nachweist , werde ich bei meiner Meinung beharren . “ Uebrigens verzichtete der General auf eine ausführliche Rede , die er über diesen Gegenstand zu halten im Sinne gehabt ; dergleichen Debatten , meinte er , seyen unpassend im Augenblick kriegerischer Operationen . Nach einigen Worten des Hrn. Dufaure zu Gunsten einer umfassenden Besetzung Algiers und besonders eines großen Kriegshafenbaues in Algier , verwarf , wie bereits erwähnt worden , die
Kammer das Amendement der Commission , und nahm den Credit mit großer Majorität an .
Die Debatte über die Wahlreform begann , und endigte in der Deputirtenkammersitzung am 16 Mai . Die Kammer sprach die Tagesordnung aus über alle eingelaufenen Bittschriften . Sie wollte weder von dem allgemeinen Votum , noch vom Wahlrecht der Nationalgarde , noch von der Abschaffung des politischen Eides etwas hören ; die wichtige Frage ist demnach nach einer eintägigen , ziemlich kalten Debatte wenigstens bis zur nächsten Session verschoben . Nur zwei Redner der äußersten Linken , die HH . Arago und Garnier-Pagès führten für die Reform das Wort ; die gemäßigte Linke , darunter Hr. Odilon-Barrot , blieb stumm . Frankreich , sagte Hr. Arago , zähle gegenwärtig 34 Millionen Einwohner . Rechne man , daß die Hälfte darunter Weiber und 9 Millionen Männer unter 25 Jahren seyen , so blieben immer noch 8 Millionen Männer , von welchen nur 200,000 das Wahlrecht besäßen ; somit komme auf 40 Franzosen über 25 Jahren nur ein Wähler . Die vom Wahlrecht ausgeschlossenen Franzosen bezahlten den größern Theil der Steuern . Im Namen des Rechts fordere er ihre Theilnahme an der Wahl der Volksvertreter . Man habe behauptet , daß wenn die Wahlreform zugestanden , nur politische Schriftsteller gewählt würden ; man möge aber an den Convent denken . „ Unter dem Convent , sagte der Redner , wurden zwar Grauel geübt , die man nicht genug verabscheuen kann , aber der Convent hat das Land gerettet , er hinderte die Fremden an der Eroberung von Paris , der Convent besaß Muth und das Gefühl der Ehre und Vaterlandsliebe ; Sie sehen , daß das Volk seine Vertreter auszusuchen versteht . “ ( Eine Stimme aus dem Centrum : Ja , im Wirthshaus ! ) Hr. Arago fortfahrend : „ Hat man im Wirthshaus die bedeutenden Männer des Convents gewählt ? Der Convent zählte in seiner Mitte vierzehn Bischöfe , sechs protestantische Geistliche , dreizehn Schriftsteller , neununddreißig Advocaten ; aus ihm gingen eilf Senatoren , zwölf Mitglieder des Instituts hervor ; Sie sehen , daß das Volk , wie schon Montesquieu sagte , in seinen Wahlen bewundernswürdig ist . “ Im Laufe seiner Rede sagte Hr . Arago noch , das Elend und die Nahrungslosigkeit nehme in Frankreich mit jedem Jahre mehr zu ; dieß zeige sich auch durch die Abnahme der Zahl der für den Militärdienst fähigen jungen Leute ; das Volk quäle der Hunger . ( Murren. ) Um einem solchen Zustand abzuhelfen oder wenigstens ihn zu lindern , um zu hindern , daß das Volk sich den Verlockungen von Saint-Simonianern oder ähnlichen Secten hingebe , sey eine Kammer nothwendig , welche der Nation Vertrauen einflöße ! – Der Präsident des Conseils , Hr. Thiers , antwortete Hrn . Arago : „ Die Nationalsouveränetät , als unbegränzte Souveränetät der Masse verstanden , ist das gefährlichste und verderblichste Princip für eine Gesellschaft , ein Princip , welches nirgends gilt . Die Nationalsouveränetät , wie wir sie verstehen , ist die Souveränetät des Königs und der beiden Kammern , welche das Gesetz machen und den Willen der Nation ausdrücken ; eine andere Souveränetät kenne ich nicht . Wer irgend vor der Thüre dieser Versammlung sagt : „ ich habe ein Recht “ , lügt , denn es gibt keine Rechte , als die , welche das Gesetz geschaffen hat . Ich wiederhole : die Souveränetät der Menge ist eine Absurdität . Ihr wollt , daß man die Zahl beachte ; mit welchem Recht schließt ihr dann die Weiber , Kinder und Minderjährigen aus ? Ihr sagt , sie hätten nicht den erforderlichen Verstand , um mit den Angelegenheiten des Landes sich zu beschäftigen . Wenn ihr aber sonach das Recht habt 17 Millionen von der Wahl auszuschließen , habe ich im Namen des Gesetzes das Recht , eine noch größere Zahl auszuschließen , wenn das Gesetz erklärt , daß es dieser größern Zahl die nöthige Fähigkeit , über die Angelegenheiten des Landes zu entscheiden , nicht zuerkennt . Ihr schließt im Namen der Vernunft aus , ich im Namen des Gesetzes , welches allein der Ausdruck der Nationalsouveränetät ist . Ja , es gibt Volksclassen , welche leiden , wiewohl nicht so sehr als ihr es schildert . Aber ich halte für gefährlich , für sehr gefährlich die Männer , welche jene Classen zu überreden suchen , daß sie nicht durch Arbeit , sondern durch Aenderung politischer Institutionen ihre Lage verbessern würden ; damit schafft man nur Anarchisten , nichts weiter . ( Murren auf der äußersten Linken . ) Die Meinung der Regierung ist für die Tagesordnung . Wäre diese Frage ernstlich in Anregung gebracht , läge ein Antrag vor , der verdiente , daß man alle Seiten der Frage untersuchte , so würden wir dieß thun . Aber wir haben es nur mit einfachen Petitionen zu thun , mit Petitionen , welche die Frage nicht auf ernste Weise in Anregung bringen . Es ist jetzt nicht der passende Augenblick , die Frage zu discutiren ; wir verschieben dieß auf ein andermal . Für den Augenblick verlange ich im Namen der Regierung einfach die Tagesordnung . “ ( Beifall . Ruf : zur Abstimmung ! ) Hr. Garnier - Pagès folgte mit einer ziemlich unbedeutenden Rede für die Wahlreform .
( Commerce . ) Die Commission für den Entwurf der Abholung der Gebeine Napoleons hat am 16 Mai die für das Begräbniß vorgeschlagenen Orte besucht . Hr. Thiers und Hr. v. Rémusat begleiteten die Commissarien zuerst nach der Madeleinekirche , dann noch nach der Kirche der Invaliden . Sie konnten sich bei den Invaliden überzeugen , daß die Lilien , die sogar in den Mosaiks des Bodens eingelegten Chiffren einen anstößigen Widerspruch mit der neuen Bestimmung , die man der Kirche geben wollte , bilden würden , ohne noch andere Beweggründe zu erwähnen , welche gegen diesen Theil des ministeriellen Entwurfs sprechen . Die Commission wird erst nach dem Besuche aller vorgeschlagenen Localitäten ihren Entschluß fassen . Hr. v. Las Cases , Vater , der fortwährend unpäßlich ist , konnte seine Collegen nicht begleiten . – Man hat berechnet , daß die Fregatte , welche die Asche Napoleons abholen soll , bei der Hinreise 2,140 Lieues ( wegen der herrschenden Südostwinde ) und bei der Rückreise 1800 Lieues zurückzulegen hat , und daß die ganze Reise fünf Monate dauern muß .
Die Rentencommission der Pairskammer hat den Grafen Roy zu ihrem Berichterstatter ernannt , wonach die gestrige Angabe zu berichtigen ist . Dem Journal des Débats zufolge hat sich die Commission einstimmig gegen den Gesetzesentwurf der Conversion und zugleich gegen die Zeitgemäßheit der Maaßregel erklärt . Für die Gesetzmäßigkeit der Conversion soll bloß Graf Molé sich ausgesprochen haben .
Vor der Pariser Zuchtpolizei begann am 15 Mai der Proceß gegen die angeschuldigten Urheber der Explosion einer Bombe in der Rue Montpensier . Drei der Angeklagten sind flüchtig . Béraud , auf dem der stärkste Verdacht haftet , erklärte seinen Entschluß , auf keine Frage Antwort geben zu wollen . Das Gericht möge mit ihm machen , was es für gut finde . Alle übrigen Angeklagten , in deren Haus man Pulver und Bomben gefunden , versicherten , unbekannte Personen hätten ihnen diese Gegenstände ins Haus gebracht . Am 16 Mai sprach das Zuchtpolizeigericht das „ Schuldig “ über sämmtliche Angeklagte aus , und verurtheilte Matthieu zu drei Jahren Gefängniß ; Béraud zu zwei Jahren Gefängniß und 500 Fr. Geldstrafe ; Boulanger zu 18 Monaten Gefängniß und 50 Fr. Geldstrafe ; die übrigen Angeklagten zu sechs Monaten bis ein Jahr Gefängniß und 50 Fr. Geldstrafe . Die drei Abwesenden Caillaud , Arnoud und Bouillaud wurden zu zweijährigem Gefängniß und 500 Fr. Geldstrafe in contumaciam verurtheilt .
( Gazette . ) Eine telegraphische Depesche soll gemeldet haben , daß General v. Rumigny , Adjutant des Königs , in einem Gefecht mit den Arabern bei Blida von einer Kugel mitten ins Gesicht getroffen worden sey . Ob und wie gefährlich diese Wunde sey , wisse man nicht .
Ein Schreiben des Journal des Débats aus Toulon vom 11 Mai meldet : „ Der Angriff gegen Scherschel war vom Bey von Miliana geleitet , welcher 5 bis 6000 Mann unter seinem Commando hatte . Die in Scherschel anwesenden Civilpersonen ergriffen gleichfalls die Waffen , um der wüthend anstürmenden Feinde sich zu erwehren . Die Mitglieder der wissenschaftlichen Commission , worunter der bekannte Archäolog , Hr. Berbrugger , der die beiden Expeditionen nach Constantine begleitet hatte , feuerten ihre Flinten auf die Kabylen ab , so gut wie französischen Soldaten . “
Paris , 14 Mai . Endlich ist die Abd-El-Kaderschlacht in der Deputirtenkammer gegen die Anti-Algierer durchgekämpft . Es gibt hier zwei oder drei Hauptgruppen der Feinde des Algierischen Colonialsystems : 1 ) Theoretiker , 2 ) Praktiker , 3 ) die Bewohner von Bordeaux , als Rivalen des Handels von Marseille . 1 ) Die Theoretiker , wie de Tracy , de Sades u. s. w. gehen von dem abstracten Princip aus , daß alles Colonialsystem überhaupt auf Unterdrückung und Tyrannei beruhe , und eine gefährliche Schule sey , aus welcher die in den Colonien gelehrte Tyrannei ins Mutterland wieder exportirt werden könnte . Sie handeln nach dem Lafayette'schen Grundsatz einer allgemeinen Gleichheit unter den Völkern wie unter den Menschen , wollen alle Douanensysteme aufgehoben wissen , versprechen sich durch diese vollkommene Handelsfreiheit Hebung der Marine ohne Colonialsystem u. s. w. Sie fallen in dieser Hinsicht vollkommen mit den englischen Theoristen der Bentham'schen Schule zusammen . Es sind , wenn man sich so ausdrücken könnte , sentimental-rationalistische Demokraten , allem Jacobinismus und Bonapartismus radical abhold , aber auch jeder speciellen Art des Patriotismus , jeder wahrhaft nationalen und daher , ihnen zufolge , rein egoistischen Politik . Die Männer dieser Gesinnung sind vielleicht unter den englischen Radicalen häufiger als in Frankreich ; in Frankreich ist ihre Zahl höchst klein . Den Jacobinern , Bonapartisten und Demagogen abhold , von ihnen verspottet , fernab auch dem engherzigen und antinobiliären Plebejanismus der engeren Opposition , stehen sie allein da , als ächte Fortpflanzer eines etwas modificirten Lafayettismus , unschuldig , idyllisch , übrigens höchst respectable Männer , fast alle den höheren Classen des alten Regime angehörig oder ihnen verwandt . Napoleon rechnete sie zu seinen sogenannten Ideologen , welche ihm ganz insbesondere verhaßt waren , aber viel aus persönlichen Gründen . 2 ) Praktiker , wie Jaubert , Piscatory , Duvergier de Hauranne , alle Doctrinärs ; oder wie Passy , Joubert , Dupin u. s. w. Erstere und letztere , so wenig sie sich auch innerlich geistesverwandt sind , gleichen sich doch darin , daß sie allem Heroischen , Weitausgreifenden , Wagenden abhold sind : die Doctrinärs , weil sie die inländische Politik , die doctrinelle Herrschaft über das Inland , der ausländischen vorziehen , welcher sie sich nicht gewachsen fühlen ; die betreffenden Glieder des Tiers-Parti und der Linken aus beschränktem Oekonomiesinn , weil sie den Handel nicht verstehen , leinkrämerisch gesinnt sind , und jede größere Responsabilität befürchten . Chacun pour soi , chacun chez soi ist ihre Hauptdevise . Diese Partei ist in der Kammer stark , und hat auch viele Anhänger in der Nation ; aber die Ader des Ruhmes braust im Herzen des französischen Volkes , und man wagt sich nicht an den Aderlaß . Mit gewaltigem Lärmen ziehen alljährlich Dupin , Joubert etc. gegen Algier zu Felde , aber nur in den Commissionen , nicht auf der Tribune , wo höchstens Joubert sich riskirt , während die Doctrinärs allein auszusprechen wagen , was sie eigentlich auf dem Herzen haben . 3 ) Bordeleser . Die Bewohner von Bordeaux sind höchst mißmuthig . St. Domingo war die Seele des Reichthums dieser Stadt . Seit dem Untergange dieser Colonie hat Bordeaux sich nie erholt . Das französische Douanensystem lastet nirgends härter als auf den Interessen dieser Stadt . Sie ist in argem Streit mit der französischen Eisenschmiedindustrie ; die Weinpflanzungen verschlechtern sich von Jahr zu Jahr ; unterdeß hebt sich Marseille zu unerwartetem Glanz und Reichthum durch die afrikanische Colonie . Im südlichen Frankreich liegt etwas Guelsisch-ghibellinisches , etwas Spanisches oder Italienisches im Geblüt und den Rivalitäten der Städte und Ortschaften unter einander , ein hitzigeres Leben , von dem weder Nord- noch Mittelfrankreich einen Begriff haben . So hassen sich Marseille und Bordeaux gründlich , wobei das herabgekommene Bordeaux besonders im Mißmuth die bitterste Rolle spielt . Aus ähnlichen Gefühlen , wohl ohne ein bestimmtes Bewußtseyn derselben ist der Zorn der Haupthandelsrepräsentanten von Bordeaux in der Kammer gegen die Colonie Algier hervorgebrochen . Da hat nun der Premierminister ein schönes Roß zu tummeln gehabt , und auf glänzende Weise seine Lanze gegen die Anticolonisten gebrochen .
Paris , 17 Mai . Dieser Tage hat der neapolitanische Gesandte , Hr. v. Serra-Capriola , über Marseille seine Instructionen empfangen : sie enthalten die Befugniß , als Grundlage der Unterhandlungen die Auflösung des Vertrags mit der Compagnie Taix und die Zahlung einer baaren Entschädigung anzunehmen . Diese Instruction unterscheidet sich von den bisherigen Erklärungen Sr. sicilischen Majestät , worin , außer der Aufhebung des Vertrags mit der französischen Gesellschaft , nur die Concession einiger Handelsvortheile für England in Aussicht gestellt war . Man schreibt hier diese Nachgiebigkeit des Königs , wenigstens eben so viel der Besorgniß vor Unruhen in Sicilien als den kriegerischen Schritten Englands zu . – Der berühmte Gelehrte Hr. Daunou liegt lebensgefährlich darnieder ; sein Alter von 79 Jahren läßt wenig Hoffnung übrig , und es melden sich bereits eine Anzahl Candidaten zu seinen verschiedenen Aemtern , namentlich zu dem einträglichen als Vorstand des Archivs des Königreichs ; außerdem ist er lebenslänglicher Secretär der Académie des inscriptions et bèlles lettres ( mit 10,000 Fr. Gehalt ) und Mitglied der Académie des sciences morales et politiques . In der Deputirtenkammer sprach man dieser Tage von der Absicht der Regierung , jenes erste Amt dem Hrn. Auguis zu ertheilen , der als Gelehrter und Geschichtforscher eines ausgezeichneten Rufes genießt . – Man spricht auch von dem bevorstehenden Ableben des Hrn. Parant , Deputirten von Metz und Rath am Cassationshofe , der seit seinem Austritt aus dem interimistischen Ministerium vom Frühjahr 1839 an einem heftigen Lungenübel leidet ; als sein Ersatzmann in der Kammer meldet sich Hr. Bompard , ehemaliger Maire und Deputirter von Metz , der bei den Wahlen von 1839 durchfiel .
Ungarn und der Reichstag .
Nieder-Ungarn , Ende April . ( Beschluß. ) Ich gehöre weder zur Opposition , noch zu denjenigen , die da glauben , der Umsturz und der Untergang stehe vor der Thüre , weil Manches gegen Wunsch geht . Ich habe keinen Theil an den Mißgriffen , welche die Parteien begangen , noch an den Verdiensten , die sie sich erworben haben . Ich bin entfernt davon , das Gute , was bei uns zu Stande kam , ausschließlich für die Opposition zu vindiciren . Ich vindicire nur der Wahrheit ihr Recht , und darum muß zugegeben werden , daß die Opposition dazu redlich mitgewirkt hat . Ich will nicht in Abrede stellen , daß sie durch begangene Mißgriffe und Uebertreibungen der Sache des Fortschritts geschadet hat , aber fragen will ich , ob diesen Uebertreibungen keine Unterlassungen gegenüber stehen ? Fragen will ich den Leser , ob , als allgemeine Richtung betrachtet , die Tendenz , die Nationalität zu heben , zu veredeln , die freie selbstständige Verfassung zu erhalten , die Freiheit der Discussion in Versammlungen sowohl als im Wege der Presse , die Freiheit des Gewissens durch gleiche Behandlung der Bekenner aller christlichen Confessionen und Aufstellung humanerer Grundsätze in Bezug auf die Bekenner des mosaischen Glaubens , zu sichern – im Besonderen aber , ob die Tendenz den Rechtszustand des Bauers gesetzlich festzustellen , seine moralische Lage durch humanere Behandlung heben , ihm den Weg zur Erwerbung des Grundeigenthums öffnen , die Wohlthaten des Unterrichts auf ihn ausdehnen , die Gerechtigkeitspflege überhaupt rascher , wirksamer und wohlfeiler machen zu wollen , dem landtäglich nicht vertretenen Bauer die Kosten dieser Vertretung , die er getragen hat , abzunehmen , der Industrie durch die gegebene Möglichkeit zur Erschaffung rascher Communicationsmittel einen Impuls zu geben , dem Privilegium der Mauthfreiheit zum Vortheil dieser letzteren zu entsagen und dergleichen – ich frage ob Tendenzen dieser Art , in der übrigen Welt Absolutismus der Privilegirten genannt werden ? Solche Tendenzen nennt , so viel mir bekannt , die Opposition bei uns liberal – ein vages Wort , dessen Bedeutung nach Zeit , Ort und Umständen wechselt und zu keinem Maaßstab der Beurtheilung dienen kann , sobald sich 's vom Werth oder Unwerth legislativer Maaßregeln handelt . Da kommt es darauf an , ob diese zweckmäßig , politisch , nothwendig und zeitgemäß , hauptsächlich aber darauf , ob sie wirksam sind oder nicht . Nun denn , da der Verfasser auf dem Felde der Thatsachen stehen bleiben will , so erlaube ich mir ihn zu fragen : hat er die politische Bedeutung des letzten Urbarialgesetzes , als eine zum Schutze der zahlreichsten Classe der Landesbewohner von den Privilegirten ausgegangene Maaßregel betrachtet , erwogen ? Hat er die Folgen jener Bestimmungen auf den Flor des Ackerbaues , welche die sogenannte Commassation oder Zusammenlegung bäuerlicher und adeliger Gründe zum Gegenstand haben , einiger Aufmerksamkeit gewürdigt ? Hat er die Wirksamkeit der letzten Urbarialgesetze in verschiedenen Theilen des Landes in praxi beobachtet ? Hat er die Wirksamkeit des neuen Gesetzes , welches vom summarischen Verfahren in Schuldprocessen handelt , gesehen ? Hat er den Keim fernerer Entwicklung in den Grundsätzen erkannt , die in den zwei Gesetzen über die Kosten des Landtags und die Eisenbahnen enthalten sind ? Ich bin in der Lage , in der Nähe beobachten zu können , und kann den Verfasser versichern , daß , um nur einige Beispiele zu erwähnen , die letzten Urbarialgesetze dem Bauer auch in ihrer Anwendung den beabsichtigten Schutz gewähren , und seiner Thätigkeit einen heilsamen Impuls gegeben haben , während der Einfluß humanerer Behandlung auf seinen sittlichen Zustand bemerkbar zu werden beginnt . Dieß sind nicht Folgen materieller Zugeständnisse , die man ihm gemacht , sondern der Grundsätze der Gerechtigkeit und Humanität , die man auf ihn angewendet hat . Diese Gesetze haben nicht den Zweck , die Lage des Bauers durch materielle Concessionen zu verbessern , sie haben den Zweck ihn gegen Willkür zu schützen , ihm eine gesetzlich festgesetzte Stellung in der ungarischen Staatsgesellschaft anzuweisen , und diesen haben sie erreicht . Die Privilegirten haben dem Bauer einen Rechtszustand gegeben , den er früher nicht gehabt , sie haben eine humanere Behandlung in Beziehung auf ihn eingeführt , sie haben die Strafart mit dem Stocke bei Urbarialvergehen abgeschafft , sie haben es möglich gemacht , daß in den Herzen von acht Millionen Menschen das Ehrgefühl lebendig erhalten und das Streben nach Erhebung zu sittlicher Würde nicht unterdrückt werde . Das haben die Privilegirten gethan – nicht freiwillig , denn die moralische Verpflichtung und die politische Nothwendigkeit war vorhanden ; aber das Verdienst liegt darin , diese erkannt und dem gemäß gehandelt zu haben .
Hier sind Thatsachen , die nur geläugnet , nicht widerlegt werden können , will man anders es der Mühe werth erachten , die betreffenden Gesetze kennen zu lernen und ihre Wirksamkeit in praxi zu beobachten . – Was die Wirkungen des Gesetzes über summarisches Verfahren in Schuldprocessen betrifft , so sind mir viele Fälle bekannt , daß Gläubiger auf diesem Wege in Betreff bedeutender Forderungen mit einer Raschheit befriedigt wurden , die dem Verfahren in Wechselprocessen nicht nachsteht . – Hier stehen wir auf dem Felde der Thatsachen , und auf diesen Standpunkt will ich die magyarische Polemik stellen , auf den nämlich , daß man gegen Alle gerecht seyn muß , wenn man will , daß unsern Meinungen die Anerkennung werde , die sie ansprechen , auf den ferner , daß die einzig mögliche Art der ungarischen Regeneration , in der mit nöthiger Ueberlegung fortgesetzten Verfolgung progressiver Verbesserungen mit Rücksicht auf den Zusammenhang aller Verhältnisse bestehe ; – auf den endlich , daß wo es sich von Beziehungen der Regierung zu den Ständen oder einer Fraction derselben handelt , nur die Sprache der Mäßigung geeignet ist , Vorurtheile zu beseitigen , Vertrauen zu erwecken und die Aufregung der Gemüther zu beschwichtigen . Ich bestreite das Vorhandenseyn der Uebel nicht , welche der Verfasser aufdeckt , aber es würde mich zu weit führen , sie hier auf ihr wahres Maaß zurückzubringen . Ich behaupte nicht , solche vor dem Auslande zu enthüllen sey Injurie . Im Gegentheil , ich nehme jede Discussion , jede Wahrheit , jeden Wink zum Bessern , mit Dank auf ; aber wahren Erfolg verspreche ich mir nur von den Waffen der Vernunft und Ueberlegung , nicht von jenen , welche Partei-Ansichten und die davon unzertrennliche Einseitigkeit und Uebertreibung uns an die Hand zu geben pflegen .
Was die Städtefrage betrifft , so erkenne ich ihre ganze Wichtigkeit an . Ich lebe der Ueberzeugung , daß die Privilegirten dem Bürgerstande jene Stellung , auf die er gerechten Anspruch hat , im gesetzlichen Wege schon in nächster Zukunft einräumen werden . Es wird nicht freiwillig geschehen , denn die politische Nothwendigkeit dazu ist bereits vorhanden und kann nicht mehr länger unbeachtet bleiben . Meiner Ansicht
nach ist diese Frage noch lange nicht genug erörtert , und kann durch die nichts beweisende Versicherung des Verfassers , daß weder v. Pulszky , noch alle gegenwärtigen , zukünftigen und vergangenen Advocaten diese oder jene meisterhafte Deduction je widerlegen werden , unmöglich als geschlossen betrachtet werden . Vor Allem muß man sich befleißigen , die Frage auf ihren wahren Standpunkt zurückzuführen . Von der einen Seite wird behauptet , den Städten könne ihr Verlangen nach gerechterer Vertretung nur nach Reform ihrer Municipalitäten gewährt werden , und es handle sich hier davon , ob die Gesetzgebung eine ungarische bleiben oder eine fremde werden soll – während von der andern der Satz aufgestellt wird , hier könne nur von einer restitutio in integrum die Rede seyn , und die Opposition wolle nur deßhalb die Emancipation der Städte an gewisse ihr genehme Bedingungen knüpfen , um aus ihnen ein von sich abhängiges und anarchisches Element zu machen . Ansichten dieser Art verrücken die Frage gänzlich und ziehen sie auf das unfruchtbare Terrain leidiger Recriminationen hinüber . Die Wahrheit ist , daß der Adel an dem factischen Zustande darum festhält und von einer restitutio in integrum in dem Sinne , daß einer jeden der 46 königlichen Freistädte ein votum singillativum zustehen soll , darum nichts hören will , weil er glaubt , daß in Folge der Verfassung der Städte , der Art wie dort die Wahlen geschehen , in Folge des Einflusses den die Regierung auf solche auszuüben vermag und der Stellung der Städte dem Adel und der Regierung gegenüber , ein solches Verfahren das Uebergewicht der Regierung bei der Ständetafel factisch begründen würde , abgesehen davon , daß hiedurch dem Postulate einer gerechteren Vertretung der betreffenden Interessen schon aus dem Grunde nicht Genüge werden könnte , weil die bis jetzt den Städten gegenüber bestandene factische Ungerechtigkeit , im Falle der fraglichen restitutio in integrum , als rechtliche Anomalie in Beziehung auf die Comitate fortbestehen würde . * ) Es würden zum Beispiel eine kleine Stadt mit ein paar tausend Einwohnern , welche nach der Natur der Dinge keine große Masse von Reichthum und Intelligenz repräsentirt , und Comitate mit 300,000 Einwohnern die nämliche Vertretung und Stimme haben .
Diese Besorgniß erzeugt den Wunsch , die Frage der Vertretung mit der andern der bessern Organisation im Zusammenhange zu erwägen . Nachdem in Ungarn die wichtigsten legislativen Fragen eigentlich darauf hinauslaufen , wie , wann und in welchem Maaße die privilegirte Classe den andern Classen gegenüber ihre Stellung modificiren soll , ist das Bestreben des Adels erklärlich , wenn auch nicht alleiniger Inhaber , jedenfalls Meister der Stellung zu bleiben . Die Städtefrage hat erst praktische Wichtigkeit erlangt , seitdem bei der Ständetafel der Modus , die Beschlüsse mittelst Abstimmungen zu fassen , in Gebrauch gekommen ist . Vor dem Jahr 1825 war dieß sehr selten der Fall , wie dieß sowohl die Verhandlungen früherer Landtage , als Personen , die bei solchen mitgewirkt haben , bezeugen können . Dieser in Gebrauch gekommene Modus ist hier der entscheidende Moment , und die Frage : soll das jetzt bestehende factische Unrecht abgeschafft und an dessen Stelle eine rechtliche Anomalie gesetzt werden – oder mit andern Worten : soll man den königlichen Freistädten die Ausübung eines ihnen gesetzlich zustehenden Rechtes , welches sie selten ausgeübt
und wovon sie gegenwärtig ausgeschlossen sind , gestatten oder nicht ? schließt jetzt die weitere in sich , die Frage nämlich , ob das Präponderiren der Comitatsdeputirten bei der Ständetafel , welche auch bei uns der bei weitem wichtigste Theil des gesetzgebenden Körpers ist , aufrecht erhalten oder aufgegeben werden solle ? Das ist die Frage , und auf diese gibt nicht die Opposition , sondern der gesammte Adel zur Antwort , was ich schon oben angedeutet . Von einer restitutio in integrum kann also keine Rede seyn , wohl aber von einer sorgfältigen Prüfung der Frage , welche Vertretung den königlichen Freistädten , nicht in Gemäßheit des Gesetzes vom Jahr 1608 , welches auf die jetzigen Verhältnisse keine Anwendung mehr finden kann , sondern unter den jetzt gegebenen Umständen und mit gebührender Rücksicht sowohl auf die Interessen und den Grad von Bildung , Reichthum , Gewerbfleiß , welchen sie repräsentiren , als auch die Stellung , welche sie der ganzen Staatsgesellschaft gegenüber inne haben , in der Gesetzgebung eingeräumt werden soll , und welche Maaßregeln zu ergreifen seyen , um ein selbstständiges , kräftiges , weder vom Adel noch von der Regierung abhängiges Bürgerthum zu schaffen ? Bei der Erwägung dieser Fragen wären dann alle Passus über die ärgste Demokratie des unbeschuheten – über Willkürhandlungen des Comitatsadels , über anarchische Elemente , welche dieser schaffen möchte , vorerst zu vertagen , da solche wenig geeignet sind Licht über Fragen von so großem Interesse und so ernster Natur zu verbreiten .
Nur noch ein Wort über den „ Humor “ des ungarischen Adels , seine Privilegien nach und nach auf Alle auszudehnen , welchen der Verfasser der pia desideria besagtem Adel nicht zugetraut hätte . Soll hiemit gesagt werden , der Adel gehe mit Ideen eines suffrage universel , eines Nivellements um , so läugne ich entschieden ein solches Bestreben . Wird aber hierunter die Tendenz gemeint , die Möglichkeit vorzubereiten , der unprivilegirten Classe progressiv alle Rechte einräumen zu können , welche in jedem gutorganisirten Staat allen Staatsbürgern zustehen müssen , in Bezug auf individuelle Freiheit , Sicherheit des Eigenthums , selbstständige Thätigkeit , Freiheit des Erwerbs , verhältnißmäßige Theilnahme Aller an den Lasten des Gemeinwesens u. dergl. mehr – wird die Tendenz gemeint , diese Möglichkeit vorzubereiten , so ist es allerdings wahr , daß sie sich Bahn zu brechen und sich in legislativen Maaßregeln zu bekunden anfängt ; ihr Ursprung aber ist nicht im Humor , sondern in der gewonnenen Erkenntniß dessen zu suchen , was die Zeit und die eigenthümliche Stellung des ungarischen Adels unabweislich fordern .
Nun lege ich die Feder nieder . Der Verfasser der pia desideria wird mich stets bereit finden , sie wieder aufzunehmen , sollte sich die Veranlassung darbieten , der verkannten Wahrheit ihr Recht zu vindiciren . Nicht in der Behandlung des Gegenstandes , nicht in der Anmuth der Form und des Styls mag ich mit einem geübten Kämpfer , wie er , in Bewerbung treten , in einer Sprache zumal , die nicht die meinige ist , wohl aber in der Liebe zu diesem Lande und dem Streben , der Sache der Wahrheit , von Vorurtheilen und Uebertreibungen frei , nach Kräften zu dienen .
Graf Emil Desewssy .
Der Tygodnik literacki über die Westslaven .
( Beschluß. )
Die einzelnen Zweige der Westslaven , die keine besondere Schriftsprache haben , befinden sich indeß keineswegs in dieser Nothwendigkeit . Ihre Dialekte sind ohne Vergleich weniger von den verwandten Schriftsprachen verschieden , als z. B. die deutschen Dialekte von der deutschen Schriftsprache . Deßhalb ist es schwer zu errathen , aus welchen Gründen man durch die Erschaffung vieler Schriftsprachen die Zerstückelung lieber verewigen , als durch die Annahme der einen oder der andern
jetzt vorhandenen die gegenseitige intellectuelle Annäherung erleichtern will . Wäre es nicht eine aller Anstrengung würdige Sache , sich eine nahverwandte Sprache mit ihrem ganzen Litteraturreichthum anzueignen , und von dieser Grundlage aus in intellectueller Hinsicht einen tüchtigen Schritt vorwärts zu thun , als einen Dialekt auszubilden , der wegen seines geringen Umfangs durchaus keine Zukunft hat , und Zeit und Kraft an Grammatiken und Wörterbüchern zu verschwenden , während das gebildete Europa mit Riesenschritten eine immer höhere Sprosse auf der Leiter der Aufklärung ersteigt ? Sollen die kleinen Unterschiede , die zwischen den so nahe verwandten geschriebenen Sprachen und Dialekten bestehen , hievon abhalten ? Hätte man allenthalben den Grundsatz angenommen , daß nur die in nichts von dem Volksdialekt sich unterscheidende Schriftsprache ausschließlich fähig sey , die geistigen Bedürfnisse des Volks zu befriedigen , so hätte es sich herausgestellt , daß selbst die Erhebung eines Dialekts zur Schriftsprache diesem Grundsatz kaum entspräche , denn die Dialekte spalten sich von Landschaft zu Landschaft , ja von Ort zu Ort in unendlichen Schattirungen .
„ Es ist eine seltsame Sache , daß man , während das gebildete Europa zu dem Zweck der materiellen Annäherung unter den Menschen alle seine Kräfte anstrengt , die geistige Annäherung nicht als eine gleich wichtige Sache zu betrachten scheint ; aber noch seltsamer ist es , daß die Aufmunterungen der westlichen Slaven zur Ausbildung jeder einzelnen Provincialeigenthümlichkeit gerade von der Seite uns zukommen , wo die Vortheile einer geistigen Verbindung durch eine gemeinsame Schriftsprache am besten verstanden werden sollten . Wir wünschen aufs eifrigste , ja wir hoffen , daß die westlichen Slaven ohne Rücksicht auf die gute oder böse Absicht dieser Rathgeber vielmehr dem Rath des Correspondenten folgen werden , der durch die Erfahrung fast aller Völker und Zeiten bestätigt ist . Denn wir fragen , wären die Litteraturen der gebildetsten Völker Europa's , der Deutschen , Franzosen und Engländer , zu diesem Glanze gediehen , wenn diese Völker , statt ihre mannichfachen Dialekte in Eine Schriftsprache zu verschmelzen , aus kleingeistiger Provincialeitelkeit jeden derselben einzeln hätten ausbilden wollen ? Hätte die deutsche Sprache , wenn sie in eine hannover'sche , schwäbische , österreichische , sächsische , brandenburgische und Gott weiß wie viel andere Sprachen zertheilt gewesen wäre , gegenwärtig eine so reiche Litteratur ? wäre sie nicht dem traurigen Loose der dänischen , schwedischen , magyarischen und holländischen Sprache erlegen , in Jahrhunderten nicht zu einer rechten Entwicklung gelangen zu können ? Könnten wir jetzt die Schätze der englischen , französischen und deutschen Litteratur mit solcher Leichtigkeit zu unserm geistigen Vortheil verwenden , wenn sie nicht in drei , sondern in dreißig Sprachen niedergelegt wären ? Ein Menschenleben wäre zu kurz , um alle diese Sprachen zu lernen .
„ Der Correspondent beweist nun seine Behauptung , daß unter den Westslaven im österreichischen Staate sich ein selbstständiges , von dem russischen unabhängiges , intellectuelles Leben entwickle , und weist auf die Früchte desselben hin , die zu den schönsten Hoffnungen berechtigen . Indem er aber das gebildete Europa mit der Litteratur der Westslaven bekannt machte , ist es sehr zu bedauern , daß er kein vollständigeres Bild davon entwarf , sondern sich gänzlich auf die böhmische Litteratur beschränkte , als ob nicht unter demselben Scepter Oesterreichs noch einige Millionen Slaven lebten , deren ältere sowohl als neuere Litteratur in der Reihe der europäischen keine gemeine Stelle einnimmt . Es ist vielleicht nicht unpassend , wenn wir dem eifrigen Vorsprecher westslavischer Bildung gegenüber uns erlauben , sen Gemälde der westslavischen Litteratur durch eine kurze Erinnerung an die polnische zu vervollständigen .
Als die europäischen Völker den großen Gedanken faßten die gefallene Bildung der Griechen und Römer mit gemeinsamen Kräften wieder aufzubauen , war eine gegenseitige Annäherung und Aehnlichkeit unvermeidlich . Auch Polen trat in diesen Kreis , und es stand während dieser Assimilationsperiode mehr als Ein Schriftsteller aus seinem Schooße auf , dessen Ideen Europa noch jetzt bewundert . Sobald die bedeutendsten Anforderungen befriedigt waren , begann die Nationallitteratur sie zu entwickeln . Frei , aber langsam erhob sich die polnische Litteratur , denn wenn ihre bedeutendsten Anfänge bis ins 14te Jahrhundert hinaufreichen , so hat sie ihre männliche Reife doch erst in der Mitte des 16ten erlangt . In drei Hauptgegenständen ist sie besonders reich : in den physikalischen Wissenschaften , in dem Rechtswesen und der Geschichte der Nation , und endlich in der Poesie ; selbst in den trübsten Zeiten von Johann Casimir , Michael Korybut und den sächsischen Fürsten treten ausgezeichnete Schriftsteller auf , deren geschätzte Werke durch die Bemühungen einiger Litteraturfreunde zum Theil öffentlich erschienen sind , zum bei weitem größern Theil aber noch in den Bibliotheken begraben liegen .
„ Die neueste polnische Litteratur entfaltete ihre Kräfte aus der völligen Durchdingung der ältern , und , indem sie die wissenschaftlichen Fortschritte Europa's benützt , schreitet sie mit keckem Schritte vorwärts . Es ist schwierig , die neuere Journallitteratur in einem vollständigen Rahmen zusammenzufassen , – die gegenwärtige Lage des Volks ist diesem Litteraturzweige nicht günstig , – dennoch aber beträgt die Zahl der periodischen Nachrichten aller Art 50 bis 60 . Nicht minder bedeutend ist die Zahl der jetzt lebenden Schriftsteller in allen Zweigen der Litteratur . In der mathematischen Wissenschaft zeichnen sich aus Traczkiewitz und Grabinski ; in den physikalischen Wissenschaften Felix Jarocki und Andreas Rodwanski ; in der Philosophie Trentowski , Michael Wiszniewski und Joseph Kremer ; in der Rechtswissenschaft Vincent Bandkie , Danilowicz und Maciejowski ; in der Geschichte Lelewel und Wrotnowski ; in der Poesie Mickiewicz , Goszczynski , Zaleski und Pohl . Man wird uns wohl nicht der Uebertreibung beschuldigen , wenn wir behaupten , daß , was jetzt lebende Schriftsteller betrifft , die polnische Litteratur jeder slavischen , und in der schönen Litteratur jeder ( ? ) europäischen überlegen ist .
„ Noch einige Worte über die Verwandtschaft der polnischen und böhmischen Sprache und das Verhältniß beider Litteraturen . Wem es an vollständiger Kenntniß in diesem Punkte fehlt , kann aus Schaffariks Geschichte der slavischen Sprache und Litteratur ersehen , daß das Polnische dem Böhmischen und dem Slowakischen am nächsten steht . Gelehrte Böhmen nennen ihre vaterländische Sprache die lechitisch-böhmische , und es sind Spuren vorhanden , daß die Dialekte einander einst noch weit näher standen . * ) Hier folgen einige Citationen , die für den Nichtkenner des Slavischen „ unverständlich “ sind .
Die Litteratur , von der wir oben einen flüchtigen Umriß gaben , begann bei den Böhmen . Das älteste Lied , das wir kennen , sang in unserm Lande ein Böhme , der heilige Woiciech ( Adalbert ) . Mag man nun auch zweifeln , daß das Lied wirklich von dem heiligen Adalbert herrührt , so ist es doch unbestreitbar , daß sich böhmische Ausdrücke darin finden , und daß es das älteste unserer schriftlichen Denkmäler ist . Nach böhmischen Psalmbüchern beteten zu allererst unsere christlichen Vorfahren , und unsere ältesten Psalter weichen nur wenig von den böhmischen ab . Im Jahr 1431 entspann sich ein Disput
zwischen böhmischen Priestern und krakauischen Akademikern . Die Priester sprachen böhmisch , die Akademiker antworteten ihnen polnisch , und der anwesende Jagello hörte zu und entschied ihren Streit . Die Böhmen haben Eine Sprache mit uns , sagte sein Sohn rühmlichen Andenkens , und als im Jahr 1471 die böhmischen Gesandten seinen Neffen auf den Thron beriefen , hielt dieser statt des damals in solchen Fällen gebräuchlichen Lateinischen eine polnische Rede an sie und rührte die Anwesenden bis zu Thränen .
„ Noch im Anfange des 17ten Jahrhunderts gab ein polnischer Schriftsteller , Paprocki , seine geschätzten Werke in böhmischer Sprache heraus , zum Beweise , daß ihm der böhmische Dialekt geläufig war , und es ihm nicht schwer fiel , in demselben zu schreiben , und viele gebildete Böhmen liefern noch heute den Beweis , daß sie mit leichter Mühe gut polnisch schreiben können .
„ Wenn wir diese und ähnliche Details in Erwägung ziehen , müssen wir bekennen , daß eine seltsame Fatalität die Verschmelzung dieser beiden Litteraturen hinderte . Dieß Hinderniß hat gewiß nicht seinen Grund in dem Mangel einer gemeinsamen Geschichte ; der Correspondent selbst erkennt dieß nicht als eine unentbehrliche Bedingung an , und die Litteratur der deutschen Stämme bestätigt dieß . Eher kann man annehmen , die Veranlassung sey jene kleinliche Eigenliebe gewesen , gegen welche der Correspondent nur schwach auftritt . Aber sollte diese jetzt , nach so vielen bittern Erfahrungen , noch das Uebergewicht haben ? Oder soll der Slave mit seiner praktischen Richtung nicht diese Einsicht benützen , welche ihm die Vergangenheit , jedem durch seine besondern Unfälle , klar bezeichnet hat ? Schön ist der Eifer , mit dem die Böhmen an der Wiederbelebung ihrer seit zwei Jahrhunderten erstorbenen Litteratur arbeiten , aber sind die Hindernisse zu bewältigen , auf welche diese Bemühungen bei den Nordungarn und bei den Böhmen selbst stoßen ? Wir wollen ihre schönen Träume nicht zerstören , aber unserer Ansicht nach liegt die Grundlage des Wiedererstehens einer Litteratur in einem öffentlichen Leben , das dieselbe hervorrufen kann und will . Das in Ungarn mögliche öffentliche Leben ist nicht slavisch , selbst in Böhmen ist es dieß nur theilweise , und in diesem Theile hat es einen mächtigen Rivalen am Deutschen . Und gerade aus diesem Grunde wohl sehen wir einige böhmische Meisterwerke in der todten lateinischen oder in der deutschen Sprache geschrieben , wodurch die Nationallitteratur der ausgezeichnetsten Werke verlustig geht . Mit Vergnügen vernehmen wir und glauben gerne , was der Correspondent von den Vorzügen der böhmischen Litteratur sagt , aber wäre es ein Nachtheil , wenn so viele slavische Vorzüge in eine Sprache gegossen würden , deren ihre Väter sich bei ihren frühesten Anfängen bedienten , und welche eine gemeinsame Schriftsprache wäre ?
„ In dieser Lage befinden sich gegenwärtig die gelehrten Bemühungen der Böhmen . Welchen Weg der eingeborne Genius der Nation einschlagen wird , das muß die Zukunft zeigen . Wir wollten nur dem geachteten Correspondenten den Beweis liefern , daß seine Worte uns nicht gleichgültig waren . “
Aegypten .
Der Univers tritt gegen „ den jüdischen Advocaten Cremieux “ in Paris auf und sucht nachzuweisen , wie unpassend es sey , daß dieser unter dem Vorwande , seine Glaubensgenossen vertheidigen zu wollen , sich Anschuldigungen gegen Andersglaubende erlaube , als ob diese eines ähnlichen Verbrechens eher fähig wären . Sodann deutet dieses Blatt an , daß der Bericht des österreichischen Consuls sehr wenig beweise . Daß ein syrischer Arzt die auf der zweiten Stelle gefundenen Knochen für Thierknochen erkläre , könne den zuerst gefundenen keine Glaubwürdigkeit rauben . Ueberhaupt erscheine die Angabe des österreichischen Consuls durchaus wie eine gewöhnliche diplomatische Eifersucht , die in der zugestandenen Verbindung mit dem Juden Piccioto und in dem Verdachte , daß eigennützige Motive vorwalten , den der Consul ja selbst andeute , recht wohl Erklärung finden möchte , während er selbst nicht einmal den französischen Consul oder die Landesbehörden habgieriger Beweggründe zu bezichtigen wage , wie dieß freilich von den Juden in Europa bereits geschehen . * ) Pariser Briefe und Journale fügen bei , sowohl Hr. Merkato , der österreichische Consul , als die meisten andern Consuln in Syrien , namentlich die von Rußland , Dänemark , Preußen etc. seyen Juden , so daß die Anklage gegen den französischen Consul alle aus israelitischer Quelle kämen .
– Auch wird jetzt das Schreiben des Paters Franciscus von Sardinien vollständig mitgetheilt , aus dem allerdings hervorgeht , daß die angeblichen Thierknochen erst gefunden wurden , als man die Knochen des Paters Thomas schon eingesargt hatte , und daß diese nicht allein noch am Schädel zusammenhingen , sondern auch auf Verlangen des französischen Consuls durch die Aerzte Massori , Larosso und Rinaldi , und auf Veranlassung von Scherif Pascha durch sechs türkische Aerzte anerkannt wurden . Außerdem habe man an derselben Stelle noch ältere Gerippe gefunden , die , wie man glaube , von ähnlichen Mordthaten aus frühern Jahren herrühren . ( Franz . Bl . )
Alexandrien , 26 April . Heute hat sich der Pascha in Quarantäne gesetzt , und wird zu dem Ende den Garten Moharrem Bey 's nicht verlassen . Der Kapudan Pascha Achmed ist bei ihm mit dem Generalstab der türkischen Flotte . Die nächste Ursache ist der Tod eines Arztes und zwei Pestfälle im russischen Consulatsgebäude . Die Sterblichkeit hat nach den täglichen Bulletins noch nicht die in dieser Jahrszeit gewöhnliche Anzahl der Todten erreicht , obgleich das Bulletin täglich Pestfälle anzeigt . Die allgemeine Sterblichkeit schwankt jetzt zwischen 13 und 15 , während sie sonst gewöhnlich auf 20 auch 25 und im Spätsommer häufig auf 30 und darüber täglich steigt . Man kann die Bevölkerung Alexandriens mit dem hier stehenden Militär und ihren Familien auf 100,000 anschlagen . In politischer Hinsicht gibt es nichts als vage Gerüchte . Die Quarantäne , die der Pascha hält , wird die Communicationen der Consuln mit ihm ein wenig erschweren , wenigstens werden die , die er nicht gern sieht , einige Weitläufigkeiten haben , ehe sie zu ihm gelangen . Selim Pascha , der Oberbefehlshaber der hier stehenden Truppen , ist nach einer Rundreise im Delta wieder zurückgekommen . Die Nationalgarde exercirt täglich , ein jeder Mann derselben erscheint aber nur zweimal in der Woche auf dem Exercirplatz . In Kairo schreitet die Bildung derselben fort , in Oberägypten hat sie bis jetzt noch nicht gebildet werden können , eben so wenig wie im Delta , mit Ausnahme der Städte Rosette und Damiatte . Im Saïd gab es Unruhen , die so stark wurden , daß der Gouverneur desselben sich genöthigt glaubte , mehrere Dörfer zu zerstören und ihre Population niederzumetzeln ! In Syrien ist es ruhig . Ibrahim befindet sich immer noch in Marasch ; die Truppenmärsche hören noch nicht auf . Die türkische Flotte ward kürzlich wieder bezahlt ; der ägyptischen schuldet man 9 Monat und dem Landheer 16 . In Bezug auf die Journale , auf welche das Gouvernement sehr viel gibt , scheint es eine andere Taktik einschlagen zu wollen . Bisher war der Sémaphore de Marseille sein Organ , und wird es auch noch eine Zeit lang bleiben , es wird aber vermuthet , daß , um besser auf die öffentliche Meinung zu wirken , es sich mit andern Journalen in Berührung setzen will , und hat zu diesem Zweck mehrere Emissäre in Bewegung gesetzt . Der Franzose , der die Artikel des Sémaphore redigirt , ist nach Kairo zurückgegangen , wo er seit 6 Jahren eine Anstellung in dem bureau de l' instruction publique hatte .
Augsburg . Ein ehrwürdiger Veteran der protestantischen Geistlichkeit Bayerns , dem sein edler Charakter nicht minder als sein vieljähriges gesegnetes Wirken in seiner Vaterstadt die ungetheilte Hochachtung der hiesigen Einwohner längst erworben hat , Ludwig Friedrich Krauß , erster Pfarrer an der prot. Kirche zu St. Ulrich hier , Kirchenrath und Ritter des Ludwigsordens , feierte am 18 Mai sein – drittes Jubiläum .
Sein erstes feierte er nach fünfzigjährigem Wirken im geistlichen Amt am 3 Nov. 1830 , bei welcher Veranlassung er auf sein Ansuchen der Dekanatsgeschäfte enthoben , und ihm von Sr. Majestät dem König der Titel eines Kirchenraths und das Ehrenkreuz des Ludwigsordens verliehen wurde . Die kirchliche Einsegnung vollzog sein Sohn , der eben so allgemein verehrte zweite Pfarrer bei St. Anna , August Krauß . – Sein zweites Jubiläum , die sogenannte goldene Hochzeit , beging er als beglückter Gatte und als Haupt einer zahlreichen Nachkommenschaft am 6 Februar 1836 . Das Ehejubelpaar segnete gleichfalls der Sohn öffentlich in der Kirche zu St. Ulrich ein . – Nach fünfzigjährigem verdienstvollen Wirken als Vorsteher des evang . Armenkinderhauses feierte er in dieser Eigenschaft am 18 Mai sein drittes Jubiläum . – Die Festlichkeit , von seinen ihm mit Wärme und Hochachtung ergebenen Collegen im Vorsteheramt eben so würdevoll als sinnig angeordnet , fand unter großer Theilnahme der hohen und höchsten Civil- und Militärbehörden , der Geistlichkeit beider Confessionen und eines eben so ansehnlichen als zahlreich versammelten Publicums statt . Und auch hier trat zum drittenmal der Sohn , sein College im Vorsteheramt , als Festredner dem Jubelgreise entgegen , welcher nach ihm das Wort ergriff , und mit einer Kraft und Würde zur Versammlung sprach , die an einem Mann in solchen Jahren nur bewundert werden konnte , und wohl jedem Auge der Versammelten eine Freudenthräne entlockte . Gesang und Gebet schlossen die rührende religiöse Feier . – Es folgte ein heiteres Mittagsmahl im Saale , woran nicht nur der Jubelgreis mit den übrigen Vorstehern und einigen Gästen , sondern auch sämmtliche Zöglinge und die Dienerschaft des Hauses Antheil nahmen .
Möge der Himmel dem im vollsten Sinne des Wortes ehrwürdigen Greise , der im 83sten Lebensjahre noch mit voller Geisteskraft seinem Amte vorsteht , und durch seine salbungsvollen Predigten die ihm mit kindlicher Hochschätzung ergebene Gemeine erbaut , einen späten , heitern Lebensabend gewähren !
[ 1853- 55 ]
Donau-Dampfschifffahrt .
Nachdem die österreichische Dampfschifffahrts-Gesellschaft auf der Strecke zwischen Linz und Wien während des Monats Mai nur ein Dampfschiff in die Fahrt bringt , und sonach die Verbindung mit einem zweiten diesseitigen Schiffe nicht statt haben würde , so hat die unterzeichnete Verwaltung sich veranlaßt gesehen , die für ein zweites Schiff angesetzten Fahrtage während des Monats Mai auf der oben bezeichneten Strecke ebenfalls nicht machen zu lassen ; es cessiren demnach die im Tarif bemerkten Fahrten vom 15 , 19 und 24 Mai und fahren die Schiffe im Anschlusse an die der österreichischen Gesellschaft in Linz an den folgenden Tagen im Mai und Junius :
Von Regensburg nach Linz den 22 , 27 Mai. 1 , 3 , 6 , 8 , 11 , 13 , 16 , 18 , 21 , 23 , 26 , 28 Junius ,
von Linz nach Regensburg den 24 , 29 Mai. 3 , 5 , 8 , 10 , 13 , 15 , 18 , 20 , 23 , 25 , 28 , 30 Junius ,
von Regensburg nach Donauwörth den 25 , 29 Mai. 2 , 7 , 12 , 17 , 22 , 27 Junius ,
von Donauwörth nach Regensburg den 27 , 31 Mai. 5 , 10 , 15 , 20 , 25 , 30 Junius .
Da die Dampfschifffahrt oberhalb Regensburg wegen noch nicht vollendeter Strom-Correction sich vor der Hand nicht bis Ulm , sondern nur bis Donauwörth erstrecken kann , so wird mit dem Ende dieses Monats eine Verbindung zu Lande zwischen Ulm und Donauwörth und zurück im Anschlusse an die Dampfschiffe ins Leben gerufen , und zwar in der Art , daß die Reise von Ulm über Donauwörth nach Regensburg in Einem Tage zurückgelegt , und am andern bis Linz etc. fortgesetzt wird . Die Einschreibungen für die Landstrecke geschehen bei den betreffenden Agenten zu den im Tarif bemerkten Preisen .
Ueber die Abfahrt der Wagen von Ulm nach Donauwörth gibt der dortige Agent die erforderliche Auskunft .
Regensburg , im Mai 1840 .
Die Verwaltung der priv. bayerisch-würtembergischen Donau-Dampfschifffahrts-Gesellschaft .
[ 1783- 84 ]
Bekanntmachung .
Dienstag den 2 Junius d. J. , Vormittags 11 Uhr , wird die in Hattenheim im Rheingau gelegene Besitzung des Hrn. Baron v. Mappes zu Mainz in den Gebäuden der Besitzung selbst freiwillig versteigert . Sie ist einerseits nördlich in der Mitte von Hattenheim an der Landstraße , südlich nahe am Rhein und mehreren Inseln gelegen , im Mittelpunkte des Rheingaues , den Taunusbädern , den Städten Biebrich und Mainz , so wie mehreren andern der schönsten Punkte des Rheingaues nahe . Die dazu gehörigen wiesenartig angelegten , durch eine Brücke und Bäume verschönerten Gärten enthalten 145 Ruthen 75 Schuh . In einem derselben über der Brücke befindet sich ein Gebäude , dessen unterer Theil zur Aufbewahrung von Gewächsen , der obere zur Wohnung des Gärtners bestimmt ist , und an demselben sind Traubenplanken angebracht und ein Obstgarten angelegt .
Das Hauptgebäude , massiv in Stein , enthält einen Salon , ein Badezimmer , zusammen 7 Piecen , dann eine große Küche , eine Waschküche und zwei Brunnen im untern Stock ; eine Stiege hoch enthält es einen Salon , 6 Zimmer , Garderobe und Mangzimmer ; zwei Stiegen hoch 7 Piecen . Die Einrichtung ist sehr bequem und ganz neu . An das Hauptgebäude reiht sich die Wohnung für die Dienerschaft , und daran befindet sich ein großer Hof , Stallung für 6 Pferde , ein Rindviehstall , 3 Remisen , Keller für 80 rheinische Stückfässer .
Die zu dieser Besitzung gehörigen Weinberge enthalten ( den Morgen zu 160 Ruthen gerechnet ) 6 Morgen 35 Ruthen , und hiervon liegen :
3 Morgen , 1 Viertel , 25 Ruthen 50 Schuh in den vorzüglichsten Lagen , nämlich Wispelbrunnen , unterer Weiher , Hassel , Hinterhausen ;
2 Morgen , 3 Viertel , 5 Ruthen 75 Schuh in den sehr guten Lagen : Helgenwag , Kilp , Bitzen .
Das Wiesenland beträgt 2 Morgen 100 Ruthen und das dazu gehörige Pflanzfeld 140 Ruthen .
Da die Weinberge die vorzüglichsten Producte liefern , so eignet sich die Besitzung auch sehr gut zu einem Weingeschäft .
Vorerst werden die Gebäude und Gärten , sodann Weinberge , Wiesen und Pflanzfeld im Ganzen versteigert .
Die Besitzung selbst und die Versteigerungsbedingungen können auf Anfragen bei Hrn. Schultheiß Franque und bei Hrn. Conrad Ettingshaus zu Hattenheim eingesehen werden . – Eltville , den 28 April 1840 .
Herzoglich Nassau'sche Landoberschultheißerei : Vietor .
[ 1785- 86 ]
Dienstag den 2 Junius d. J. , Vormittags , unmittelbar nach Versteigerung der Besitzung des Hrn. Baron v. Mappes von Mainz , wird auch die in Hattenheim gelegene Besitzung des Hrn. van Recum von Mainz freiwillig im Ganzen versteigert . Diese Besitzung besteht in 10 Morgen , 2 Ruthen 3 Schuh Weinbergen in folgenden Lagen :
5 Morgen , 1 Viertel , 24 Ruthen 35 Schuh in den vorzüglichsten Lagen , nämlich : Markobrunnen , hohen Weg , Mannberg , Stabel , Nußbrunnen , Willborn ;
3 Morgen , 14 Ruthen 50 Schuh in sehr guten Lagen : unterer Weiher , Gassenweg , Mauer und zwei kleine Weinberge ;
1 Morgen , 2 Viertel , 3 Ruthen 50 Schuh in guter Lage : Schützenhäuschen , oberer Weiher , Plenzer ;
2 Morgen , 3 Viertel , 3 Ruthen 50 Schuh Wiesen , und
1 Morgen , 1 Viertel 75 Schuh Pflanzfeld .
Die Besitzung und die Versteigerungsbedingungen können bei Hrn. Schultheiß Franque und bei Hrn. Conrad Ettingshaus zu Hattenheim eingesehen werden . – Eltsville , den 28 April 1840 .
Herzoglich Nassau'sche Landoberschultheißerei : Vietor .
[ 1531- 33 ]
Häuser-Verkauf .
Auf creditorschaftliches Andringen wird
1 ) das Haus Nr. 2 in der Ludwigstraße , mit ebener Erde vier Stock hoch , nebst Anbau , Hofraum und laufendem Wasser , worauf 20,000 fl . Ewiggeld und 35,846 fl. 12 kr . Hypotheken ruhen , welches mit 29,500 fl. der Brandassecuranz einverleibt , und auf 38,000 fl. bewerthet ist ;
2 ) das Haus Nr. 38 in der Briennerstraße , mit ebener Erde vier Stock hoch , gut gemauerten Kellern , dann zwei gemauerten Hintergebäuden ( Stallung und Remisen ) , einem Garten , in welchem englische Anlagen und einige Sommersaletchen sich befinden , – Hofraum und laufendem Wasser , worauf 35,000 fl . Ewiggeld und 31,500 fl . Hypotheken ruhen , welches mit 50,000 fl. der Brandassecuranz einverleibt , und auf 60,000 fl. bewerthet ist , der öffentlichen Versteigerung auf
Dienstag den 2 Junius l. J. ,
Vormittags 9-12 Uhr ,
im Gerichtslocale Commissionszimmer Nr. 2 anmit untergestellt .
Kaufsliebhaber werden hiezu mit dem Bemerken vorgeladen , daß nur vorbehaltlich der creditorschaftlichen Genehmigung der Zuschlag des einen oder andern Hauses an den Meistbietenden erfolgen kann .
München , den 22 April 1840 .
Königl . Kreis- und Stadtgericht München .
Graf v. Lerchenfeld , Dir.
Hutter .
[ 1734- 35 ]
Edictal-Ladung .
Joseph Baader , Färbermeisterssohn von hier , am 24 Februar 1785 geb . und seit 36 Jahren abwesend , ohne bis jetzt Nachricht von seinem Leben und Aufenthalt zu geben , oder dessen allenfallsige Descendenten werden auf Antrag der Präsumtiverben des erstern hiermit aufgefordert , sich
binnen drei Monaten a dato
bei diesseitigem Gerichte um so gewisser zu melden , als widrigenfalls dessen in 2056 fl . bestehendes Vermögen an besagte Erben gegen Caution ausgeantwortet werden wird .
Augsburg , am 28 April 1840 .
Königl . Kreis- und Stadtgericht .
Lic. Kellerer , Dir. Vorbrugg .
[ 1921- 23 ]
Gant-Edict .
Gegen den abwesenden Friedrich Wilhelm Kammüller , Buchhändler in Kandern , haben wir Gant erkannt , und Tagfahrt zur Schuldenliquidation
auf Mittwoch den 3 Junius , 9 Uhr ,
in Kandern angeordnet .
Sämmtliche Gläubiger werden daher aufgefordert , ihre Ansprüche an den Falliten auf gedachten
Tag unter gleichzeitiger Vorlage ihrer Beweisurkunden , oder Antretung des Beweises mit andern Beweismitteln mündlich oder schriftlich , persönlich oder durch gehörig Bevollmächtigte anzumelden und etwaige Vorzugsrechte zu bezeichnen und zu begründen , bei Vermeidung des Ausschlusses von der dermaligen Masse .
In der Tagfahrt sollen ferner über die Wahl eines Massepfleger- und Gläubiger-Ausschusses verhandelt , auch Borg- und Nachlaßvergleiche versucht werden , bezüglich auf welche Punkte mit Ausnahme eines etwa zu Stande kommenden Nachlaßvergleichs die ausbleibenden Gläubiger als der Mehrzahl der Erschienenen beitretend angesehen werden würden .
Am 2 Mai 1840 .
Das großherz . bad . Bezirksamt Lörrach .
v. Reichlin-Meldegg .
[ 1908- 10 ]
Anhausen , Heidenheimer Oberamts .
Gant-Edict .
Aus der Gantmasse des Peter Zimmermann , Maschinenfabricanten in Anhausen , werden
am Montag den 1 Junius d. J. ,
Vormittags um 10 Uhr ,
in dem Schenkwirthshause daselbst folgende Gegenstände im öffentlichen Aufstreiche verkauft werden : und zwar
Gebäude .
Ein dreistöckiges , 102' langes und 46' breites Wohnhaus , die vormalige Prälatur im Kloster Anhausen mit sechs durch eiserne Oefen heizbaren Zimmern , mehreren Böden , Kammern etc .
Ein einstöckiges Quergebäude mit Schlosser- und Dreher-Werkstätten , Schleiferei und Wasserstuben , Back- und Waschhaus etc .
Ein zweistöckiges 122' langes und 54' breites Fabrikgebäude ,
Ein weiteres 40' langes und 20' breites Gebäude .
Wiesen und Krautländer .
Ungefähr 1 Morgen mit Bäumen ausgesetzt , neben der Klostermauer und dem Canal .
Ein Küchen- , Gras- und Baumgarten , ungefähr 2 Morgen groß , innerhalb der Klostermauer .
Drei Viertel Morgen Garten außerhalb der Klostermauer .
Die Wasserkraft von dem sogenannten Mühlgraben , sammt dem Wasserwerk , mit hölzernem Schaufelrad , eisernem Wellbaum etc .
Maschinen .
2 Schlagmaschinen , 1 Spinnmaschine , 2 Doppel-Kartätschmaschinen , 1 Schleifmaschine , 1 Elirage mit 4 Köpfen und Streckwerk etc. , 1 Haspel mit 39 Spindeln , 1 Spuhlmaschine , 1 Zwirnmaschine , 1 Sammlung hölzerner Modelle zu Einrichtung einer Baumwollenspinnerei , Kunstmühle etc .
Die Kaufsliebhaber werden hiezu eingeladen mit dem Bemerken , daß sie die erwähnten Gegenstände täglich einsehen können , und bei der Verhandlung Vermögens-Zeugnisse vorzulegen haben . – Bolheim , den 9 Mai 1840 .
K. Gerichts-Notariat . Gemeinderath .
Erhardt .
[ 1753 ]
Für angehende Apotheker , Aerzte etc. ist in der Arnold'schen Buchhandlung erschienen und in allen Buchhandlungen , in Augsburg in der K. Kollmann'schen Buchhandlung , zu haben :
G. Heynhold , das natürliche Pflanzensystem . Ein Versuch , die gegenseitigen Verwandtschaften der Pflanzen aufzufinden , durch Andeutung ihrer Bildungsstufen , Uebergänge , Ausnahmen , mit Berücksichtigung der arzneilichen und überhaupt anwendbaren Gewächse , nebst einer historischen Einleitung gemeinfaßlich dargestellt . Mit einer Vorrede vom Prof. Dr. Ficinus. gr. 8. 1 Thlr.
[ 1830- 32 ]
Anzeige .
Da ich in Folge meiner Beförderung Wien verlasse , zeige ich hiemit allen jenen geehrten Schriftstellern , mit welchen ich bis jetzt in litterarischem Verkehr stand , freundlichst an , daß mich meine dienstliche Eintheilung nach Clausenburg in Siebenbürgen trifft . Ueberdieß finde ich es für nothwendig folgende Zeilen , welche aus dem Vorwort zu meiner bereits gedruckten Tragödie : „ Alboin “ entnommen sind , hier zu wiederholen .
„ Aus dem gerechten parteilosen Tadel Nutzen zu ziehen , bleibt immer ein Vortheil , den ich nie gering schätzen , sondern stets mit Dank erkennen werde . Ueber ein schriftstellerisches Product , welches dem Publicum durch die Darstellung auf dem Theater oder durch den Buchhandel bekannt wurde , hat übrigens Jedermann das Recht sich frei auszusprechen ; ich habe mir noch nie erlaubt , dieses Recht zu bestreiten . Anders freilich verhält es sich , wenn vor der Erscheinung eines Werkes , ohne dasselbe noch zu kennen , bloß um der Sache schon im voraus zu schaden , sorgfältig ein übler Ruf verbreitet wird – ein Verfahren , welches wohl von keinem Rechtlichen vertheidigt werden kann . “
Wien , am 1 Mai 1840 .
Pannasch .
[ 1919 ]
Eröffnung der Molken-Curanstalt zum Ochsen in Gais .
Der Unterzeichnete , nunmehriger Besitzer des Gasthofs zum Ochsen in Gais , macht hiermit einem geehrten in- und ausländischen Publicum die Anzeige , daß er mit Ende dieses Monats seine Molken-Curanstalt eröffnet und von da an täglich die besten und kräftigsten Alpenziegen-Molken , Molkenbäder , Ziegen- und auf Bestellung hin auch Eselinnenmilch zu haben sind . Er wird sich eifrigst angelegen seyn lassen , den wohl- und weitbekannten guten Ruf dieser ältesten Curanstalt zu erhalten und durch eine reinliche und billige Bedienung , zuvorkommende , freundliche und gefällige Behandlung der ehrenwerthen Gäste sich das Zutrauen derselben zu erwerben .
Gais , den 10 Mai 1840 .
Hauptmann Schachenmann .
[ 1825- 28 ]
Sehr beachtenswerthe Anzeige .
K. k. russisch-polnische vom Staate errichtete und garantirte Anlehns-Lotterie von einhundert fünfzig Millionen Gulden poln. Conr .
Eine Million , 300,000 fl. , 2 à 150,000 fl. , 6 à 25000 fl. , 8 à 14000 fl. , 12 à 7000 fl. , 20 à 4200 fl. , 100 à 2500 fl. , 150 à 2100 fl. , 200 à 1500 fl . , 1000 à 950 fl. , 5500 à 750 fl. etc. , zusammen 7000 Gewinne im Betrag von sieben Millionen neunmalhundert siebenzigtausend Gulden poln. Courant werden erlangt in der
am 1 Junius 1840
stattfindenden Ziehung .
Unterzeichnetes Handlungshaus ladet alle diejenigen , welche sich in Besitz dieser enormen Summen setzen wollen , zur Theilnahme ein und erläßt Loose à 8 fl. 45 kr. , bei Abnahme von fünf Stück das sechste gratis .
Julius Stiebel , Bankier in Frankfurt a. M.
[ 1902-4 ]
Zum Verkauf :
die mechanische Papierfabrik in Zürich ,
enthaltend :
1 ) ein sehr ausgedehntes Fabrikgebäude mit den Wasserwerken , Comptoirs , geräumigen Magazinen und Waarenkammern ;
2 ) ein 140' langes beinahe neues Wohngebäude mit 2 angenehmen Wohnungen ;
3 ) mehrere abgesonderte Werkstätten und Oekonomiegebäude ;
4 ) grosse Gärten und Hofräume .
Dieses umfassende Etablissement ist zu beiden Seiten von der Limmatk begränzt . Die Gebäulichkeiten sind sämmtlich in gutem wohlunterhaltenen baulichen Stand und die Wasserwerke und Papiermaschine , so wie alle zu der Fabrication gehörenden Gegenstände sind erst vor einigen Jahren nach dem neuesten System eingerichtet und erbaut worden .
Es eignet sich durch seine ausgezeichnete Wasserkraft zu jedem grossartigen Fabrikgewerbe , füraus aber zur Fortsetzung mit gegenwärtigem Bestand , indem alle auf die mechanische Papierfabrik bezüglichen Einrichtungen auf das zweckmässigste getroffen ; auch verbindet es damit zugleich durch seine reizende Lage und die Nähe der besuchtesten Promenaden die angenehmsten Wohnungen .
Um nähere Auskunft beliebe man sich an den Eigenthümer des Locals unter der Adresse : Vögeli , Papierfabricant in Zürich , zu wenden .