Augsburger Allgemeine Zeitung .
Mit allerhöchsten Privilegien .
Sonntag
Nr. 145.
24 Mai 1840 .
Spanien .
Bordeaux , 17 Mai . Cabrera war vor kurzem in Morella ; so wird wenigstens von Sarragossa und von Alcañiz aus versichert . Er war in großer Uniform , hielt eine energische Anrede an die Besatzung , versprach jedem Soldaten täglich eine Peseta Sold und verkündigte ihnen die nahe Ankunft von 100,000 Russen und Oesterreichern , denen er , wie er weislich hinzusetzte , in Person entgegeneile , um den Plan zum bevorstehenden Feldzuge mit ihnen zu verabreden . Diese schamlose Lüge scheint – sollte man es glauben – ihre Wirkung nicht verfehlt zu haben , denn was noch an Garnison in Morella ist ( man sagt 1500 Mann ) , soll nun zum Widerstand entschlossen seyn . Einer ihrer vornehmsten Officiere , der von Sarragossa gebürtig ist , übersandte vor einigen Tagen seiner alten dort lebenden Mutter sein Testament , was zu beweisen scheint , daß man sich aufs Aeußerste gefaßt macht . Auch kamen seitdem nur wenig Deserteurs mehr aus der Festung . Cabrera soll Morella nach kurzem Aufenthalte wieder verlassen haben , und man glaubte noch immer , daß er die Absicht habe , sich über Meer zu retten , und die Trümmer seiner Armee ihrem Schicksale zu überlassen . Eine lange Erfahrung lehrt uns jedoch , wie unsicher alle Nachrichten über Cabrera sind ; denn ist sein Auftreten zu Morella in der gemeldeten Weise wahr , so ist seine Gesundheit nothwendig besser , als man sie uns seit Monaten von allen Seiten her schildert . Espartero fährt in seinen Belagerungsanstalten fort . Den 11 Mai sollten 41 Stück Geschütz von Alcañiz und 12 von Hijar nebst einer großen Menge von Wurfgeschütz , Munition und Lebensmitteln zur Armee abgehen ; in Summe soll der Belagerungspark 82 Kanonen zählen . Zu Saragossa hielt man 500 Karren und eine Zahl Maulthiere bereit , die gleichfalls den 12 oder 13 mit Lebensmitteln nach Monroyo abgehen sollten . General Ayerbe stand am 10 mit seiner Division zu Villafranca ; O' Donnell hatte an diesem Tage wahrscheinlich die Belagerung von Cantevieja begonnen . Der brave Brigadier Zurbano liegt am Typhus darnieder , und soll wie es heißt nach Alcaniz , wo nicht nach Saragossa gebracht werden . Die ganze Armee bedauert diesen Unfall , der sie eines ihrer tüchtigsten Führer beraubt . Dasselbe Uebel hatte in den letzten Tagen mehrere Soldaten weggerafft , und man fürchtete sein weiteres Umsichgreifen . – Die Scheußlichkeiten des spanischen Bürgerkriegs sind zahl- und maßlos . So ließ das Ungeheuer Balmaseda am 25 März dem Aide-de-Camp Maroto's , Obersten Lapètre , zu Beteta in Gegenwart der versammelten Garnison und Einwohner durch zwei Bauern den Kopf abschneiden und vor dem Thore von Balsalobre aufpflanzen . Dabei jubelten Soldaten und Volk : „ Es lebe die Religion ! der absolute König , der Graf v. Morella , unser tapferer Commandant Balmaseda und Tod den Verräthern ! “ – Nach Briefen aus Perthus vom 13 schien die Hauptmasse der Insurgenten sich bei Castell Tersol zu concentriren : sie hatte am 7 die Richtung von Colls en Pina eingeschlagen , ohne Zweifel , um die Dörfer in der Ebene von Viez zu plündern , wo der constitutionelle General Carbo mit nur 1000 Mann Fußvolk und 150 Reitern stand , und mit Ungeduld Verstärkung von Salcedo erwartete . Die bei Campredon gestandenen Carlisten waren den 10 von St . Pau gegen Buima aufgebrochen . Sie geleiten zwei Domherren bis an die Gränze ; aller Orten schlagen sie die Glocken in Stücken , um sie mit sich nach Berga zu transportiren . Die Bande des Eroles war noch zu Oliana mit Ausnahme von zwei Bataillonen , die vorwärts bei Orgaña standen . – Segarra , der am 1 Mai in Berga zurück war , soll , einem Gerüchte nach , seine Entlassung angeboten haben . – Die Gefangenen von Alpuente liefen neulich bei ihrer Ankunft zu Valencia große Gefahr , von der rasenden Menge erwürgt zu werden . Ein durch seine Schändlichkeiten berüchtigter Hauptmann , Namens Blanco , entging nur mit Noth der Wuth des Pöbels . – Seit 14 Tagen kommt die Post von Saragossa nur noch dreimal die Woche , was die schnelle Mittheilung der Nachrichten von Nieder-Aragonien wesentlich verzögert .
( Moniteur . ) Telegraphische Depesche . Bayonne , 18 Mai . Die Truppen der Königin unter dem Befehle des Generals O' Donnell haben am 11 Cantavieja ohne Schwertstreich besetzt , da die Factiosen diese Stadt , nachdem sie sie angezündet , verlassen hatten .
Großbritannien .
Wir geben hier noch einige Nachträge aus des Lord-Schatzkanzlers Vortrag über das Budget . Ueber die aus dem Briefpostgeld zu erwartende Einnahme bemerkte derselbe , daß die Wirkungen , die er von der Reduction des Portos vorausgesehen ,
in der That eingetreten wären , nämlich zuerst außerordentliche temporäre Vermehrung des Briefwechsels , dann Rückkehr in die frühere Gewohnheit , dann allmählicher aber daurender Zuwachs des Briefwechsels ; diese letzte Epoche habe jetzt begonnen ; er schätzte die für laufendes Jahr aus dem Briefporto zu erwartende Einnahme auf 530,000 Pf . Die Postwagensteuer schlägt er vor , durchgängig , für zwei- wie für vierrädrige Wagen , auf 3 Pf. herabzusetzen . Das Verhältniß der aus den einzelnen Taxenerhöhungen zu gewinnenden Summen ist folgendes :
Weil jedoch der Betrag dieser Summen nicht unmittelbar , sondern erst im Verlauf des Jahres bezogen werden kann , so soll das unmittelbare Deficit durch eine einstweilige Creditbewilligung gedeckt werden ; mit der für China und Canada zusammen wird sich selbige also auf 850,000 Pf. belaufen . Die – wie wir angaben bereits votirten – Erhöhungen sollen vom 15 Mai an in gesetzliche Anwendung gebracht werden . Hr. Hume entwickelte seinen ( nicht angenommenen ) Vorschlag einer Ausdehnung der bis jetzt nur das bewegliche Eigenthum treffenden Vermächtnißsteuer auf das liegende Eigenthum , aus dem Grundsatze , daß neue Steuern immer mehr auf die Reichen als die Armen fallen sollen , und aus dem Mißverhältniß , das jetzt in der Besteuerung beweglicher und unbeweglicher Erbschaften in England stattfindet ; denn während z. B. der Herzog v. Sutherland ein Besitzthum von 200,000 Pf. jährlicher Einkünfte überkam , ohne einen Shilling Steuer zu zahlen , würde sein Kammerdiener keine 100 Pf. an Jemand vermachen können , ohne davon 1 bis 10 Proc . Steuer zu entrichten . Hr. Hume ermahnt hiebei die englische Aristokratie , daß sie sich an den französischen Ereignissen von 1789 ein Beispiel nehme , und durch vernünftiges Nachgeben bei Zeiten einem allgemeinen Aufstand der Armen vorzubeugen suche . Sir Robert Peel und mehrere seiner Partei machen darauf aufmerksam , daß die Erhöhung der assessed taxes Irland nicht trifft , wo es keine assessed taxes gibt .
Frankreich .
Paris , 19 Mai .
Der König präsidirte am 18 dem Ministerconseil , was beweist , daß die Gerüchte von seinem Unwohlseyn ungegründet gewesen .
Marschall Clauzel hatte eine lange Conferenz mit Hrn. Thiers . In der Deputirtenkammersitzung vom 18 erzählte man sich , der Marschall werde zum drittenmal die Gouverneursstelle in Algier erhalten .
* In der Sitzung der Pairskammer vom 16 Mai hielt der Herzog von Crillan eine Gedächtnißrede über den kürzlich verstorbenen Herzog von Caraman , dem zu Ehren die Regierung vor einigen Jahren eine Medaille prägen ließ zur Erinnerung an das schöne Benehmen des greisen Herzogs während des unheilvollen Rückzugs der französischen Armee von Constantine im Jahr 1836 .
In der Sitzung der Deputirtenkammer vom 18 Mai sprachen noch die HH . Delaborde und Fould . Ersterer schlug ein Amendement vor , demzufolge das Bankprivilegium nur bis 1850 verlängert wenden sollte . Hr. Delaborde wünschte auch , daß der Disconto auf vier Monate festgesetzt würde . Hr. Fould , der bekannte reiche Bankier , suchte die Bank namentlich gegen den Vorwurf zu vertheidigen , daß sie dem Detailhandel geringe Dienste leiste . Er meinte , die Hälfte des Werths der Papiere , welche die Bank im Jahr 1839 discontirt habe , sey dem kleinen Handel zugekommen . Der Redner erklärte sich gegen jede Veränderung der Bankstatuten . Auch den Vorschlag des Hrn. Delaborde künftighin die Unterschrift von zwei Handelshäusern , statt der bisherigen drei , auf die zu discontirenden Papiere als Garantie gelten zu lassen , wünschte Hr . Fould unberücksichtigt gelassen .
* Die Deputirtenkammer setzte am 19 Mai die Berathung über die Verlängerung des Privilegiums der Bank auf 25 Jahre fort . Die Bänke der Kammer waren nur dünn besetzt , wie gewöhnlich , wenn solche materielle Interessen verhandelt werden . Der Finanzminister erinnerte an die Dienste , welche die französische Bank dem Handel , der Industrie , dem öffentlichen und Privatcredit geleistet habe . Ihre nunmehr vierzigjährige Existenz sey eine Garantie ihrer Zukunft . Durch ihre Vorsicht habe sie vor Katastrophen sich zu bewahren gewußt , welche bei den ausländischen Banken in Folge der übertriebenen Steigerung des Credits so häufig vorgekommen . Sollte man sie unter solchen Umständen nöthigen , dieselbe Bahn einzuschlagen , nachdem man im Ausland einen so traurigen Ausgang gesehen ? Hr. Mauguin gab zu , daß die Bank einem Theil des Handelsstandes wichtige Dienste geleistet habe , aber nur den großen Bankiers und Capitalisten , die sie umgeben , nicht den kleinen Kaufleuten , denen die Bank schwer zugänglich sey , und die gleichwohl Vorschüsse zu ihren Operationen so häufig nöthig hätten . Hr. Mauguin meinte , die in Frankreich circulirende Baargeldmasse , welche er auf etwa 1600 Millionen anschlägt , wovon Paris die Hälfte absorbire , sey unzureichend . Er wünschte , daß die Bank , welche in ihren Gewölben 200 Millionen baares Geld verwahre , Billets für eine Summe von 5 bis 600 Millionen in Umlauf brächte . Hr. Lefebvre vertheidigte die Bank und ihre gegenwärtige Organisation . Zur Widerlegung der Behauptung des Hrn. Mauguin , daß die Bank für die kleinen Handelsleute von keinem Vortheil sey , führte er unter Anderm an , daß sie im Laufe des Jahrs 1839 gegen 64,000 Bankbillets escomptirt habe .
Der Quotidienne zufolge ist die Polizei sehr beschäftigt , die Austheiler napoleonischer Schriften , die seit einigen Tagen in großer Menge in allen Casernen von Paris verbreitet werden , aufzusuchen .
( Commerce . ) Es hieß heute ( 18 ) in der Deputirtenkammer , die Minister hätten erklärt , daß wenn an dem Leichenbegängnißtage zu Ehren Napoleons keine Unordnungen vorfallen würden , die Regierung gesonnen sey , im Laufe des Jahrs vorzuschlagen , die Rückkehr der Mitglieder der Familie des Kaisers zu autorisiren .
Die Commission , welche über den Gesetzentwurf , hinsichtlich der Versetzung der Asche Napoleons nach Frankreich Bericht zu erstatten hat , entschied sich , nachdem sie die Invalidenkirche , das Pantheon und die Magdalenenkirche besucht und mit dem Präsidenten des Conseils und dem Minister des Innern eine Conferenz gehabt hatte , mit acht Stimmen gegen eine für die Kirche der Invaliden als das passendste Lokal für das Grab Napoleons .
Das Journal de Paris zeigt seinen Abonnenten sein nahes Ende an , und bezeichnet den Temps als das Blatt , das ihnen dafür zugeschickt werden sollte . Der Temps verwahrt sich dagegen , und sagt , er werde nur diejenigen Abonnenten bedienen , die ihre Bestellungen direct an ihn adressiren würden , auch werde er gegen seine neuen Abonnenten durchaus keine Verpflichtung hinsichtlich seiner künftigen politischen
Haltung eingehen . Zu dieser Erklärung nöthige ihn die Verleumdung , die gegen ihn von der Rednerbühne der Deputirtenkammer ausgegangen .
Ein Schreiben der Presse aus Neapel versichert , daß der König seinen Gesandten in Paris , den Herzog v. Capriola , beauftragt habe , der Entscheidung Frankreichs in dem Schwefelstreit jedenfalls beizutreten , wie auch dieselbe ausfallen möge .
Paris , 16 Mai . Das Vermittlungsgeschäft zwischen England und Neapel hat viel Schwieriges . Man kann es Niemand recht machen , und Thiers wird viel zu thun haben , um mit Anstand die Sache zu beendigen . Er hat es mit zwei Leuten zu thun , die schwer zu handhaben sind . Am Hofe zu Neapel hat man seine Launen , und Palmerstons Reizbarkeit ist weltkundig . Beide zu schonen muß Thiers angelegen seyn , und beiden kann man doch nicht Recht geben . Jeder fühlt das ; keiner hat aber Lust oder Billigkeitsgefühl genug , um dieß einzugestehen . Nur Mißtrauen zu äußern , damit kargen sie nicht , während Vertrauen die Grundbedingung jeder Mediation ist . In London fühlt man sich unbehaglich bei dem Gedanken , daß in Paris und zwar auf dem Platze von Paris ein Verdict abgegeben werden soll , das vielleicht nicht ganz den gestellten Erwartungen entspricht . Lord Palmerston ist dieß wenigstens nicht genehm . In Neapel hat man vollends viel dagegen zu sagen , und glaubt es der Ehre zuwider , an einem dritten Ort sich aburtheilen zu lassen , fürchtet auch doppelt gebrandschatzt zu werden , wenn in Paris die Rechnung abgeschlossen wird . „ Hier und nirgend anders will ich beurtheilt werden , “ soll eine hohe Person zu unserem Geschäftsträger gesagt haben . „ Hier hat es manches Mißliche , “ erwiederte Hr. d' Haussonville . „ Hier , und damit basta , “ rief die hohe Person . Dieses Basta ward sehr übel genommen ; Thiers fand es deplacirt . Dem Herzog v. Montebello ließ er sogleich wissen , er möge sich zu Sr. sicilianischen Majestät begeben , um zu vernehmen , wie er dieß verstehe , denn Frankreich sey nicht gesonnen , seine guten Dienste in solcher Weise aufgenommen zu sehen . Temple , dem englischen Gesandten , dem jenes Basta gefallen haben mag , scheint dieser Zwischenact willkommen zu seyn , willkommen , insofern er ihm Gelegenheit gab , sich wieder voranzustellen , und auf eigene Faust zu handeln . Er säumte damit auch nicht und erklärte , wenn in einer gegebenen Frist , und zwar einer ziemlich kurzen , nicht Alles nach dem Wunsche seiner Regierung sich geordnet habe , jeder die Stellung einnehmen müsse , die ihm am zweckmäßigsten diene , was wohl so viel heißen soll , daß das Mediationsgeschäft dann als geschlossen zu betrachten sey . Er schien dieß aus zwei Gründen , und zwar mit Zustimmung Lord Palmerstons , gethan zu haben : erstens , um die noch immer mit Beschlag belegten Schiffe vorerst nicht restituiren zu müssen , worauf Neapel dringt ; zweitens , um Paris zu vermeiden , wo Thiers unter seinen Augen die Mediation betrieben . Die Extreme kommen also auch hier überein . In beiden Lagern , im englischen und neapolitanischen , will oder fürchtet man dasselbe . Unter solchen Dispositionen hat Thiers die Last der Vermittlung auf sich genommen . Mit seiner ihm angebornen Gewandtheit wird er sich auch hier durchzuwinden suchen . Um sich frei bewegen zu können , soll er den Herzog v. Montebello mit seinen Absichten genau bekannt und ihn ermächtigt haben , sie zu den seinigen zu machen , sobald Ort und Verhältnisse es erheischen .
Paris , 19 Mai . Die Deputirtenkammer hat gestern die Debatten über den Gesetzesentwurf begonnen , wonach das Privilegium der Bank auf zwanzig Jahre verlängert werden soll . Die zwei Reden gegen und die zwei für den Entwurf bildeten jede eine gründliche Abhandlung über die Discontobanken , und wurden bei dem Interesse , welches der Gegenstand darbietet , von der Kammer mit einer bei ihr ungewohnten Ruhe und Aufmerksamkeit angehört . – Das Gerücht einer Krankheit des Königs sowohl als des Herzogs von Nemours ist ungegründet ; nur der Prinz von Joinville litt an den Rötheln , ist aber jetzt wieder beinahe hergestellt . – Die Unzufriedenheit des Cabinets mit dem Marschall Valée ist auf den höchsten Grad gestiegen ; er betrachtet sich als ganz unabhängig von demselben . Deßhalb , und weil er auch den Herzog von Orleans gänzlich wie einen untergeordneten Befehlshaber erhalten hat , ist ernstlich die Rede von seiner Zurückberufung ; die meiste Aussicht , ihn zu ersetzen , hat Marschall Clauzel .
Paris , 16 Mai . Die Reform der Wähler wird im Allgemeinen von zwei Parteien in Vorschlag gebracht , den Demagogen und den Radicalen . Die Demagogen sind noch immer wie betrunken von den Ideen der ersten französischen Revolution , modificirt durch St. Simonismus und Fourrierismus ; die Radicalen sind die Ex-Lafayettisten , welche nur eine sehr kleine Partei bilden , die Lämmer neben den Tigern . Freilich thäte es vor allen Dingen noth daran zu denken , den Handwerker der unerhörten Exploitation der Fabricanten zu entziehen . Man redet von Negercolonien ; man blicke aber nur hinein in das Getriebe der Fabriken Englands und Frankreichs , um eine Menschheit zu gewahren , fast tiefer verlassen als der Neger in den Colonien , eine Menschheit in Rohheit und Mechanismus versunken , voll Sündhaftigkeit und Laster , alt und jung , Männer und Weiber in engstem Raum zusammen geballt , heute in thierischer Knechtschaft des Hungers wegen , morgen bereit mit Aufruhr , Mord und Brand . Religion und Sitte allein können hier helfen , so wie eine erneuerte Organisation des Handwerkerstandes . Aber was in aller Welt soll die réforme électorale dazu beitragen ? Man erkennt das schmachvolle Elend dieser Classe in den Fabrikstädten ; man weiß sie roh und zügellos und man will , was ? Ihr die Wahlen anvertrauen , ihr factisch die Herrschaft geben . Das heißt , man will sie zu Instrumenten der Herrschsucht einiger Tribunen und Clubbisten mißbrauchen . Unmöglich aber kann die dumpfe Gleichgültigkeit , der kaltherzige Egoismus der Bürgerclasse , die das Scepter jetzt führt , in Betreff dieses beklagenswürdigen Zustandes eines bedeutenden Theils der Handwerkerclasse lange fortwähren . Eine Organisation ist vonnöthen , eine gesellige und religiöse Charte der Handwerkerschaft , damit ihre Existenz gesichert werde , ihre Moralität sich erhebe . Ein Theil dieser Classe übrigens zeichnet sich durch Erhebung und Moralität aus , jedesmal wenn man sie dem zusammengepreßten , erstickenden , bloß mechanischen Leben entreißt . Ein Deutscher , Hr. Mainzer , hat in Paris große Rohheit unter einem Theile dieser Classe durch religiöse Musik gezügelt ; es sind kräftige , oft bedeutende Naturen , die nichts sehnlicher verlangen , als belehrt und entwildert zu werden . Religiöse Genossenschaften auch fangen an ihren Einfluß auszuüben . Aber in Paris und besonders zu Rouen und Lyon stecken jene Uebel sehr tief ; ein kräftiger Stamm Menschen wird dem Jura enthoben und verkrüppelt oder entartet nur zu oft in den Manufacturen von Lyon . Diese tiefen Leiden hätte Hr . Arago aufdecken sollen , anstatt Wunder welch ein Heil von der der Handwerkerclasse eingeflößten Herrschsucht zu erwarten . Die Handwerker zu den Wahlen gezogen , würden nichts Anderes seyn , als die Instrumente obscurer , durch keine Geisteskraft und Thätigkeit ausgezeichneter demagogischer Journalisten in den Provinzen , einiger in Kaffeehäusern lebenden Advocaten ohne Praxis , einiger Aerzte ohne Kranke , die in das öffentliche Wesen hinein pfuschen , da sie nicht pfuschen können in die Leiber der Leute . Das ist eben das Odiose beim demagogischen
Betriebe , daß es nur zu klar am Tage liegt , nicht die Nächstenliebe und theilnahmvolle Sorge für den Handwerksstand , sondern Ehrsucht ohne Talente und oft ohne alle Moralität treibe dieses ganze Wesen aufwärts , und stelle sich drohend gegenüber allen gebildeten Classen der Gesellschaft . Aus diesem , ließe man es gewähren , käme nichts heraus als Clubismus , Propagandismus , ein Weltkrieg verzweifelter Menschen und Despotismen aller Formen . Denn Freiheit ist nicht das Wort der Demagogen , sondern Gewalt ; die das nicht verstehen , mögen viele Dinge verstehen – von den Menschen , der Menschenführung , der Geschichte verstehen sie nichts .
Niederlande .
Aus dem Haag , 17 Mai . In der gestrigen Sitzung der zweiten Kammer der Generalstaaten wurde außer dem Gesetzesentwurf , die ministerielle Verantwortlichkeit betreffend , auch ein Gesetzesentwurf vorgelegt , welcher das von der Vertheidigung des Landes handelnde achte Hauptstück des Staatsgrundgesetzes verändert . – Die Eröffnung der öffentlichen Discussion über die Budgets ist auf nächsten Montag festgesetzt . Die Budgets werden nun unzweifelhaft angenommen .
Italien .
Rom , 16 Mai . Aus Neapel erfahren wir , daß man dort mit Sehnsucht Nachrichten aus Paris entgegen sieht . Der Prinz Leopold , Graf v. Syrakus , Bruder des Königs , wird in einigen Tagen eine Reise durch die Schweiz und Deutschland nach Berlin antreten , und seinen Rückweg über München und Wien nehmen . Von dem Prinzen Karl von Capua hat man Briefe erhalten , worin er die in seinem Namen in Umlauf gesetzte Proclamation desavouirt . Von seiner bevorstehenden Abreise nach Italien , von der englische Blätter sagen , weiß man nichts Zuverlässiges . – Hier spricht man viel von Creirung mehrerer Cardinäle zu dem Feste von St. Peter und Paul , und nennt , wie immer , die Namen der Candidaten zu dieser Würde , ohne daß etwas Officielles darüber bekannt geworden wäre . – In unserer Nähe haben wir einen durch nichtige Gründe entstandenen Bauernkrieg zwischen den Bewohnern der beiden Ortschaften Albano und Castel Gandolfo , wodurch bereits einige Menschen das Leben eingebüßt haben und mehrere verwundet sind . Die Regierung hat , um diesen Unfug zu steuern und die Ruhe wieder herzustellen , gestern eine Abtheilung Dragoner dahin abgehen lassen .
Turin , 15 Mai . Nach und nach haben sich bei dem König von Neapel alle diejenigen abgenützt , die ihm auf irgend eine Art im Schwefelmonopolstreit ihre Dienste geweiht hatten . Zuerst war es der Fürst von Cassaro , der von der Bühne abtreten mußte . Bald darauf scheint Frhr. v. Lebzeltern sich die Gunst des Königs abgewendet gesehen zu haben . Nachdem sich dieser mehr in den Hintergrund zurückgezogen hatte , ward unser Repräsentant , Marquis v. Crosa , aufgefordert , als Vermittler zwischen Hrn . Temple und der neapolitanischen Regierung aufzutreten . Mit welcher Hingebung sich dieser der Sache annahm , habe ich Ihnen zu seiner Zeit berichtet ; der Marquis schmeichelte sich wirklich mit der Hoffnung eines günstigen Resultats ; es lag ihm persönlich viel daran , er war zugleich überzeugt , daß er nicht Neapel allein , sondern auch seinem Lande einen wichtigen Dienst leisten würde , wenn es ihm gelingen sollte , den Streit zu applaniren . Seine Bemühungen wurden nicht anerkannt und man will wissen , daß Hr. v. Crosa dermaßen die Gunst des Königs beider Sicilien einbüßte , daß seine Zurückberufung von seinem Posten fast zur Nothwendigkeit werden dürfte . Ebenso gerieth der Secretär des Staatsraths , Commendatore Caprioli , der sich mit Temple und Crosa auf Geheiß des Königs in Communication gesetzt hatte , in Ungnade . Als Hr. Thiers , der bei der Sache der Compagnie Taix mit einer nicht unbedeutenden Summe betheiligt ist , die Vermittlung in Frankreichs Namen übernahm , erwartete man , daß der Streit bald zu seinem Ende gedeihen würde ; allein es scheint , daß die gehegte Erwartung etwas voreilig war und die Gefahr eines Bruchs mit England nicht gänzlich vorüber ist . Nach den Instructionen , die Hr. d' Haussonville von Paris erhalten , glaubte dieser vorläufig über einen Ausgleichungsplan mit dem Minister Staatssecretär der auswärtigen Angelegenheiten , Fürsten von Scilla , einig werden zu sollen . Hr. d' Haussonville hatte mehrere Conferenzen mit dem Fürsten , und als sie endlich sowohl in der Hauptsache als in den Nebendingen übereingekommen waren , unterbreitete Hr. v. Scilla dem König das Ausgleichungsproject . Das Project ward von Sr. Maj. verworfen , indem schon das einleitende Princip mit dem gesunden Verstand und dem Rechtsgefühle in Widerspruch stehe . Die Aufhebung des auf englische Schiffe verhängten Embargo's und der angeordneten Beschlagnahme brittischen Eigenthums stelle sich nur unter der Bedingung als eine billige Forderung dar , daß zugleich die vom Admiral Stopford aufgebrachten neapolitanischen Schiffe bis zur getroffenen Uebereinkunft freigegeben werden . Nun aber wolle man diese Schiffe bis dahin in englischer Detention belassen . Damit könne Se. Maj. so wenig einverstanden seyn , wie mit andern wesentlichen Bestimmungen der durch Hrn. d' Haussonville und den Fürsten von Scilla versuchten Punctation . Der Staatssecretär wagte die Bemerkung , daß die Beschlagnahme englischen Eigenthums nur als Repressalie in Anwendung kommen , man daher füglich mit dem Beginn friedlicher Unterhandlungen auf dieses Recht verzichten könne . Da eigentlich Neapel keine Forderung an England stelle , so scheine die Aufrechthaltung der geschehenen Beschlagnahme weiter nicht motivirt zu seyn , während die detinirten neapolitanischen Schiffe gleichsam als ein Pfand für die von Großbritannien gestellten Entschädigungsansprüche sich darstellen . Auch seyen die von England ergriffenen Zwangsmaaßregeln durch die eingetretene Mediation Frankreichs nur unterbrochen , der englische Admiral halte sich jeden Augenblick zur Wiederaufnahme derselben bereit , mithin sey die Freilassung der auf Malta und Corfu detinirten Schiffe schwerlich zu erwarten , selbst wenn man darauf als auf einer Conditio sine qua non der fernern Unterhandlungen bestehen wollte . Der König soll darauf nichts erwiedert haben . Man ist jedoch für Hrn. v. Scilla besorgt . Der Ausgleichungsplan ist also in seiner gegenwärtigen Gestalt abgelehnt , und man befürchtet , daß das Experiment des Hrn. Thiers nicht glücklicher ausfallen dürfte als die bisher von andern Seiten gemachten Versuche . Ich glaube Ihnen noch , ohne die Richtigkeit der Angabe , die übrigens aus guter Quelle geschöpft ist , verbürgen zu wollen , einige Namen anführen zu müssen , die bei der Unternehmung der Compagnie Taix interessirt sind , und direct oder indirect auf die Entscheidung des Monopolstreites Einfluß nehmen dürften : der neapolitanische Hof selbst , Hr. Thiers , die Herzogin von Berry und andere sehr bedeutende Notabilitäten der französischen Royalisten . Nach Briefen aus Frankreich zu urtheilen , war die Compagnie Taix hinsichtlich ihrer eigenen Entschädigung vollkommen beruhigt , was auch immer für ein Endresultat die politische Seite der Frage erhalten möge . Mit dem letzten Courier , der von London über Paris nach Neapel kam , trafen neue Instructionen sowohl für Hrn. Temple als für Stopford ein ; man will wissen , daß der Admiral Befehl erhielt , nach fruchtloser Verstreichung eines bestimmten Termins die begonnenen Coërcitivmaaßregeln gegen Neapel wieder aufzunehmen .
( Wir verweisen auf unsern heutigen Brief aus Paris .
)
Deutschland .
München , 22 Mai . Se. Maj. der König ist am 19 d. Nachmittags 4 Uhr mit zahlreichem Geleite von Personen aus allen Ständen , die dem Monarchen entgegenzogen , unter dem Jubel des Volkes in Würzburg angekommen . Ihre Maj. die Königin traf Tags vorher gegen 9 Uhr Abends daselbst ein . – Das heute erschienene Regierungsblatt bringt verschiedene Ernennungen und Beförderungen , von denen ich Ihnen die namhaftesten bereits gemeldet habe . Der k. preußische Oberkammerherr , wirklicher geheime Staats- und Minister des k. Hauses , Fürst v. Sayn und Wittgenstein , erhielt den k. bayerischen ersten hohen Hausorden vom heil. Hubertus . Unter den Personen , denen Gewerbsprivilegien verliehen worden , steht Auguste Frederic Louis Viesse de Marmont , Marechal , Duc et Pair de France , der auf seine Erfindung bezüglich einer verbesserten Einrichtung der Hochöfen für den Zeitraum von fünf Jahren ein Privilegium erhalten hat .
Nürnberg , 22 Mai . Schon Dienstags trafen viele und namhafte Reisende hier ein , um der Enthüllung des Standbilds Albrecht Dürers anzuwohnen . Als Vorfeier konnte die Kunstausstellung in dem Erdgeschoß der alterthümlichen Burg betrachtet werden , welche der Verein mit bedeutenden Kosten bereitet hatte . Die Zahl der Bilder ist groß , und vieles Löbliche darunter . Manche später angekommene Bilder werden vor künftiger Woche nicht sichtbar seyn . Kunstschätze im Besitz von Privatpersonen wurden von den Eigenthümern mit großer Liberalität den Fremden gezeigt , wie denn überhaupt ein wohlwollender , freundlicher Sinn die Nürnberger seit lange auszeichnet . Schmerzlich wurde die Anwesenheit Sr. Maj. des Königs vermißt , auf welche man gehofft hatte . Auch hatten wenige Künstler aus München sich eingefunden . Der Vorabend der Enthüllungsfeier wurde durch die Aufführung von Haydns Schöpfung im Rathhaussaale vor einem sehr zahlreichen Publicum und durch einen Fackelzug auf den St. Johanniskirchhof begangen , wo Dürers Gebeine ruhen . Leider störte ein heftiger Nordwestwind , und unmittelbar nachher ein kalter Regenschauer die Freude des Volks , welches alle Straßen durchwogte , durch welche der Zug kam . Dieser war von dem Hause Albrecht Dürers ausgegangen , dessen alterthümliche Außenseite mit den Wappen aller Städte geziert war , in denen Kunstvereine bestehen , und mit zahlreichen blau und weißen Fahnen . Ein sehr kalter Westwind ließ uns heute frühe befürchten , daß eine ähnliche Störung das Hauptfest verderben möchte , es fügte sich jedoch , daß , als der Festzug vom Rathhause über den Markt zog , und während der Enthüllungsfeier nur wenige halbgefrorne Tropfen fielen . Die Fenster aller Häuser waren mit Menschen gefüllt , und der Platz , auf welchem die Statue steht , wurde nur mit Mühe von der ausgerückten Landwehr frei erhalten . Denen Ihrer Leser , welche Nürnberg nicht kennen , möge genügen zu wissen , daß dieser Platz – früher Milchmarkt genannt – ansteigend und dreieckig ist , und daß die Statue in der Mitte der obern Linie ist , an deren Ecke zwei Straßen die Linie der Schenkel gegen den Schloßberg hin verlängern . Die Umgebung und besonders der Hintergrund sind charakteristisch , alterthümlich und die Häuser solid . Der Wind enthüllte die in bayerischen Landesfarben getheilte Decke theilweise vor der Zeit ; als aber nach Gesang und Rede dieselbe fiel , so konnte man die dunkel und ohne Ciselirung ganz in der Gußhaut dastehende Statue nicht genug bewundern . Nach Absingung des bayerischen God save the King ging der Zug wieder vor das Rathhaus , und trennte sich dort . – Wenn man sich den ersten Eindrücken hingeben dürfte , so wäre man versucht , die Nacktheit und zu große Höhe des Postaments zu tadeln , welches wenigstens nicht der Weise des Künstlers entspricht , den es trägt . Das Nürnberger Wappen , der bekannte Jungfernadler , würde die Ecken mit zurückgeschlagenen Flügeln sehr gut geziert haben . Die einfache vergoldete Inschrift mit lateinischen Buchstaben scheint ebenfalls nicht zum Costume der Statue zu passen . – Doch , lassen wir die Ausstellungen beruhen , und freuen wir uns , daß im eigentlichen Herzen Deutschlands ein würdiges Denkmal durch Gemeinsinn entstanden , und ein Beweis mehr ist , wie lebenskräftig die durch so lange Zeit verfallende Stadt wieder emporblüht !
Stuttgart , 17 Mai . Ein Kaufmann fordert in einem besonders gedruckten , einem hiesigen Localblatte beigelegten Blatt auf , dem Geiste des Fortschreitens in Würtemberg nicht länger fremd zu bleiben , und die Vortheile der merkwürdig günstigen geographischen Lage geltend zu machen . An Würtemberg zunächst sey von der Natur die ehrenvolle und gewinnbringende Aufforderung ergangen , auf dem kürzesten und wohlfeilsten Wege den Rhein mit der Donau , die westlichen Länder mit den östlichen , den Ocean mit dem schwarzen Meere zu verbinden . Einige wenige durchgreifende Flußcorrectionen und Durchstiche machen die Neckarstraße für Schiffe von 1000 Centnern Tragfähigkeit 9 Monate lang des Jahrs fahrbar . Der Weg von Mannheim bis Kannstadt könne alsdann in 6-7 Tagen zurückgelegt , und die Fracht um 25 Proc . vermindert werden . Auf einen in Kannstadt beginnenden Canal , worauf eine nur sanfte Ansteigung der Neckar- und Vilsthalebene , so wie deren Wasserreichthum und der wasserhaltende Thonboden hinweisen , können die Neckarschiffe in zwei Tagen nach Geißlingen gelangen , von wo aus die Güter auf einer Pferde-Eisenbahn in 10 Stunden Ulm erreichen . Preußen führe eine Eisenbahn nach Köln , Holland und Belgien bauen in derselben Richtung , und Köln werde der Stapelplatz der über England und Holland kommenden Colonialwaaren , der Handelsort preußischer und belgischer Manufacturwaaren und Bodenerzeugnisse . Was die östliche Schweiz , Tyrol , die ausgebreiteten reichen Donauländer von jenen Gütern bedürfen , werden sie der Neckarstraße zuweisen ; Oesterreich werde die Elbe verlassen , seine Colonialwaarenbedürfnisse statt in Hamburg , in England und Holland kaufen ; die frequente Thalfahrt werde auch die Bergfahrt beleben , und diese auf die Thalfahrt des Neckars von wohlthätigem Einfluß seyn . Die Producte der österreichischen Monarchie und der untern Donauländer können auf dieser wohlfeilen Wasserstraße nach dem westlichen Deutschland , nach der Schweiz , nach Frankreich , England etc. gelangen , so wie gegenseitig die Waarenzüge aus der Schweiz und aus Italien die vom Bodensee nach Ulm führende Eisenbahn bedecken , und zur Belebung der Donau- und Neckarschifffahrt das Ihrige beitragen werden . Welche Handels- und Industriethätigkeit ein so großartiger Güterzug in Baden , Würtemberg und Bayern ins Leben rufen werde , könne auch der erfahrenste , mit dem Wesen des Handels bekannte Geschäftsmann nicht ermessen . Uebrigens lehre die Geschichte , was aus den süddeutschen Städten im Mittelalter geworden sey , als sie die Vermittler zwischen Venedig und der großen Hansa waren . Die würtembergische Regierung wird ermahnt , nicht länger zu säumen , Hand ans Werk zu legen , und vor einer Ausgabe von 10 bis 12 Millionen Gulden nicht zurückzutreten . Die Kosten der Unternehmung könnten zum Theil durch unverzinsliche Cassenscheine gedeckt werden etc .
Mannheim , 20 Mai . Ein angeblich französischer Officier aus dem Elsaß sagt in einem unterm 10 Mai in diesem
Blatte erschienenen Artikel über die Vertheidigung des südwestlichen Deutschlands , daß in dieser Beziehung zwei ganz verschiedene und abweichende Ansichten obwalten : eine badischwürtembergische und eine deutsche ; die erste verlange starke Festungen und Blockhäuser am Oberrhein , damit es der Feind nicht wage hier anzugreifen und einzudringen , die andere ziehe Ulm , als großen und starken Waffenplatz einer Festung am Oberrhein vor . Ein allgemeines Raisonnement soll die vorwaltende Wichtigkeit Ulms außer allen etwanigen Zweifel setzen , läßt aber durch Gedanken und Darstellung in seinem Verfasser den Laien erkennen , so daß es wohl unnöthig ist hier in nähere Erörterungen einzugehen . Dagegen verlangt die oben im Auszug gegebene Einleitung eine nähere Beleuchtung . Es wäre gegen die allereinfachsten Gesetze der Kriegführung , wenn die vorliegenden Bundesstaaten , Baden und Würtemberg , daran denken könnten , durch eine Kette von Befestigungsanlagen ihre Länder nach dem ganzen Laufe des Oberrheins vor einer feindlichen Invasion sicher zu stellen ; derartige Ideen aus längst vergangenen Zeiten kann man gegenwärtig wohl Niemanden zutrauen . Eine Festung am Oberrhein gewährt den vorliegenden Bundesstaaten ( und es sind dieses nicht bloß Baden und Würtemberg allein ) die Möglichkeit concentrirter , vorwärtiger Aufstellungen , sie trägt zur gesicherten Verbindung des rechten und linken Rhein-Ufers , oder mit andern Worten , unserer süd- und norddeutschen Kräfte wesentlich bei , endlich gibt sie den vorliegenden Staaten , durch Bewahrung ihres Kriegsmaterials , die Mittel ihren Bundespflichten Genüge zu leisten , selbst auch wenn ein Theil des Landes vom Feinde besetzt ist . Dieses sind die Gründe , warum die vorliegenden Bundesstaaten den ihnen tractatmäßig zustehenden Schutz einer Festung am Oberrhein verlangen . Keine egoistischen , sondern lediglich nur gemeinsame Bundeszwecke , die offen vor Augen liegen , können sie hiezu bestimmen ; sie verdienen um so mehr Anerkennung , da sie ohnedieß schon für die gemeinsame Sache zu großen Opfern berufen und bereit sind ; nur Ungeschicklichkeit oder übler Wille mögen hier besondere baden - würtembergische Tendenzen vermuthen und sie den deutschen entgegenstellen . Was die strategische Wichtigkeit Ulms anbelangt , so steht dieselbe schon längst über jeglicher Discussion ; aber die Wichtigkeit Ulms schließt die Wichtigkeit einer Festung am Oberrhein keineswegs aus ; beide sind für die Begründung eines deutschen Vertheidigungssystems in so gleichem Maaße nothwendig , daß der Bau einer einzigen Festung eine halbe Maaßregel wäre – die schlimmste von allen . Wenn sich die deutschen Staaten zu gemeinsamen Bestimmungen über die Festungsfrage vereinen , so geschieht dieß nicht ohne die Hintansetzung vieler verschiedenartigen Particular-Interessen ; sie verdienen demnach dankbare Anerkennung ; dieser ihrer gemeinsamen ächt deutschen Tendenz Particular-Zwecke unterlegen zu wollen , ist eben so unrecht als unpolitisch .
Heidelberg , 17 Mai . Die auch in öffentliche Blätter übergegangenen Vermuthungen von einer Abnahme der Frequenz unsrer Universität haben sich als durchaus grundlos erwiesen . Die Zahl der zu Ende vorigen Semesters Abgegangenen beläuft sich auf 170-180 , die der neu Immatriculirten auf etwa 200. Insbesondere hat die juristische Facultät ungeachtet des großen Verlustes , der sie betroffen , so wenig abgenommen , daß sie vielmehr verhältnißmäßig am meisten an Frequenz gestiegen ist . Die in vielen Blättern enthaltenen Angaben über Berufungen an Thibaut's Stelle müssen wir durchgängig für voreilig erklären . Unsre einsichtige Regierung wird zwar nicht zögern , einen ausgezeichneten Mann für die Stelle zu gewinnen ; aber sie wird dabei auch , ohne sich zu übereilen , mit ruhiger , selbstständiger Ueberlegung verfahren . ( Karlsr . Z. )
Karlsruhe , 15 Mai . In der heutigen Sitzung der zweiten Kammer wurden einige an die Commission zurückgewiesene Artikel nachgeholt . Die vorsätzliche Beschädigung von Eisenbahnen soll , wenn sie mit Gefahr für Menschenleben verbunden ist , nach dem Vorschlag der Commission gleich der , ebenfalls mit gemeiner Gefahr verbundenen Ueberschwemmung bestraft werden . Der Beschädigung sind andere Handlungen , wodurch eine solche Gefahr auf Eisenbahnen vorsätzlich bereitet wird ( z. B. wenn ein großer Stein oder ein Balken etc. auf die Schienen gelegt würde ) gleichgestellt . Nach §. 518 a sollen nun solche gefährliche Beschädigungen etc. gleich der Ueberschwemmung mit Arbeitshaus oder Zuchthaus bis zu 10 J. bestraft werden . Ist ein Mensch dadurch ums Leben gekommen , so soll , wenn dieß dem Thäter auch nur zum unbestimmten Vorsatz zuzurechnen ist , die Todesstrafe , oder , wenn es ihm zur bloßen Fahrlässigkeit zuzurechnen ist , mit lebenslänglichem oder zeitlichem Zuchthaus nicht unter 8 J. bestraft werden . Litschgi erstattete über beide Vorschläge mündlich Bericht . Die Kammer beschloß aber wegen Wichtigkeit der Vorschläge die Verhandlung darüber auf den 18 d. M. zu vertagen , und eben so jene über den neu vorgeschlagenen §. 522 , wornach auch bei andern Beschädigungen , aus welchen zugleich Gefahr für Menschenleben hervorgeht , eine höhere Strafe eintreten soll . Nach §. 524 a soll bei den nicht unter erschwerenden Umständen verübten Beschädigungen aus Muthwillen der vor obrigkeitlichem Einschreiten aus freiem Antrieb geleistete Ersatz straflos machen , bei andern Beschädigungen aber eine Strafmilderung bis zu einem Drittel des sonst verschuldeten Maßes bewirken . v. Rotteck bekämpfte dieß , insoweit nicht der Beschädigte sich beim Ersatz beruhigen wolle . Es liege in diesem Verbrechen nicht nur die einfache Vermögensbeschädigung , sondern häufig auch eine persönliche Kränkung und jedenfalls eine vorübergehende Störung , wofür der angebotene Geldwerth des Schadens an der Sache nichts gebe . Nach langer Erörterung wurde diese Frage nochmals an die Commission verwiesen . Die Berathung des Strafgesetzes wurde nun durch den Hrn. Finanzminister , welcher das außerordentliche und ein nachträgliches Budget vorlegte , unterbrochen .
Preußen .
Berlin , 17 Mai . Mit dem verstorbenen Minister v. Altenstein ist wieder eine jener ausgezeichneten Persönlichkeiten von uns geschieden , die das glorreiche Werk der Wiedergeburt des preußischen Staates nach Kräften unterstützt und sich dadurch ein bleibendes Ehrengedächtniß im Herzen des deutschen Volkes gestiftet haben . Was man an den Staatsmännern jener Tage als charakteristische Vorzüge rühmt : umfassende Höhe des Standpunktes , classische durch geschichtliche und philosophische Studien genährte Bildung , ein inniges Begreifen der gegenwärtigen Grundlagen der Gesellschaft und des Staats endlich eine wohlthuende Milde der Formen , die gleichwohl in keiner Weise der innern Energie und Einheit der Gesinnung Abbruch that – alle diese Vorzüge müssen auch dem edlen Verstorbenen in reichem Maaße zuerkannt werden . Ein volles Vierteljahrhundert hindurch hat der Minister v. Altenstein die Angelegenheiten des Unterrichts und Cultus geleitet , und wenn auch nicht jeder seiner Maaßregeln , namentlich in neuester Zeit , ein gleiches Lob unbedingter Zweckmäßigkeit gezollt werden kann , so möge man erwägen , auf welche Verwicklungen , persönliche wie sachliche , das Leben eines Staatsmannes stößt und wie schwer es überhaupt ist , zwischen den streitenden Ansichten und Parteien einer so künstlichen Zeit wie die unsrige überall die rechte Linie zu treffen . Altenstein war kein Mann des enthusiastischen
Zugreifens und einseitigen Hingebens ; auf der andern Seite war sein besonnener Geist in einer zu reichen Lebensschule großgezogen worden , als daß er die Gespensterfurcht so Vieler vor den Entwicklungen des öffentlichen Lebens hätte theilen können . Als Staatsdiener genoß er das unbedingte Zutrauen seines greisen Herrn , als Mensch und Bürger die allgemeine Achtung ; die Theilnahme an seinem Hinscheiden ist daher eben so groß , als die ängstliche Spannung , womit man der Wiederbesetzung seiner Stelle entgegensieht . Es knüpfen sich an diese Wiederbesetzung die ernstesten Rücksichten . War das Ministerium der Unterrichtsangelegenheiten von jeher in Preußen von außerordentlicher Bedeutung , indem die Kraft unsres Staates wesentlich auf der Grundlage einer überlegenen Intelligenz beruht , und seine Geltung als Weltmacht einzig durch ein entschiedenes Einhalten dieser Richtung erhalten werden kann , so ist diese Wichtigkeit neuerdings nur um so entschiedener in den Vordergrund getreten bei der fortdauernden Unentschiedenheit der kirchlichen Differenzen und den auf allen Gebieten des Geistes sich täglich mehr und mehr ergebenden Spannungen und Zerwürfnissen . Ein selbst ausgezeichnetes Verwaltungstalent reicht hier natürlich nicht aus , sondern einzig ein Geist , der völlig auf der Höhe der Zeit ein überschauendes Bewußtsein ihrer auseinandergehenden Richtungen in sich trüge und dabei das seltene Geschick besäße , sich überall die klare Unbefangenheit und das ruhige Gleichgewicht einer staatsmännischen Seele zu bewahren . Man ist daher , wie gesagt , auf die Wiederbesetzung sehr gespannt , und glaubt , unter den obwaltenden Umständen zumal , aus der Wahl des neuen Ministers ziemlich sicher die Richtung prognosticiren zu können , die man von oben herab unserm Bildungsleben zu geben gedenke . Bis jetzt herrschen darüber natürlich nur vage Vermuthungen . Bei einer früheren Krankheit des verstorbenen Ministers bezeichnete ein ziemlich verbreitetes Gerücht als wahrscheinlichen Nachfolger einen Mann , der sich unter andern um den evangelischen Kirchengesang Verdienste erworben , dessen Name aber fürs erste wohl zu sehr persönlich bei den kirchlichen Verwickelungen betheiligt seyn dürfte .
Oesterreich .
Wien , 16 Mai . Der in Berlin accreditirte türkische Gesandte Nuri Effendi erlitt einige Stunden nach seiner Ankunft in Wien einen heftigen Anfall von Wahnsinn . Schon auf dem Wege hieher hatte man Spuren des sogenannten stillen Wahnsinns an ihm bemerkt ; man hatte inzwischen geglaubt , daß es vorübergehende Erscheinungen von Melancholie seyen , die sich bei Fortsetzung der Reise von selbst heben würden . Die herbeigerufenen Aerzte hielten seinen Zustand für gefährlich , und riethen , den Patienten in irgend einer Anstalt aufnehmen zu lassen , wo man sich hauptsächlich mit Behandlung von Gemüthskrankheiten beschäftigt . Nuri Effendi scheint ursprünglich am Heimweh gelitten zu haben .
Wien , 19 Mai . Der am Berliner Hofe beglaubigt gewesene türkische Geschäftsträger Namik Effendi ist auf der Rückreise nach Konstantinopel dieser Tage hier eingetroffen und plötzlich gestorben . – Heute Abend geht der bei der russischen Capelle dahier angestellte Erzpriester v. Meglitzky von hier nach Darmstadt mit dem von seinem Hofe erhaltenen ehrenvollen Auftrage ab , Ihre Hoh. die Prinzessin Marie , Braut Sr. kais. Hoh. des Großfürsten-Thronfolgers von Rußland , in der griechischen Religion zu unterrichten . Hr. v. Meglitzky ist als einer der durch Gelehrsamkeit und hohe Bildung ausgezeichnetsten russischen Geistlichen bekannt .
Serbien .
Von der türkischen Gränze , 10 Mai . Die Gährung in Serbien nimmt mit jedem Tag zu . Nicht nur in Belgrad , sondern auch auf dem flachen Lande herrscht unverkennbare Verstimmung . Die Partei der Opposition gegen die gegenwärtige Regierung wird von dem Fürsten Ephraim ( Jeffrem ) , dem Bruder des Fürsten Milosch , angeführt ; ihre Erbitterung scheint mit jedem Tag in dem Maaß zu steigen , wie ihre Hoffnungen auf Erfolg sich mehren . Diese Partei zählt mitunter sehr entschlossene Anhänger , die sich für den Augenblick mit Drohen begnügen ; man darf sich indessen , sobald der geeignete Zeitpunkt kommt , auf das Aergste gefaßt machen . Im ganzen Lande circuliren Drohbriefe und Flugschriften , die darauf berechnet sind , das Landvolk gegen das Bestehende aufzureizen . Hr. Isailovitsch , Mitglied des Senats , fand vor einigen Tagen an seiner Hausthür einen Anschlag , worin ihm und seiner Partei der Tod gedroht und der Fürst beklagt wird , der von solchen „ Ränkeschmieden und Vaterlandsverräthern “ umgeben sey . „ Möge Gott , so schließt der Anschlag , das Land von den Nichtswürdigen befreien , die auf Anstiften Rußlands den unerfahrnen Fürsten in unwiderstehliche Fesseln schlugen . “ Auf jeden Fall scheinen die ausgestoßenen Drohungen nicht ohne Gewicht , so wie die sogenannten Patrioten nicht ohne Chancen für einen endlichen Sieg zu seyn , da es ihnen durch solche Mittel gelingt , selbst Männer , denen man mehr als gewöhnlichen Muth zuschreibt , schwankend zu machen und völlig einzuschüchtern . So haben in den letzten Tagen sowohl Staatsrath Petroniewitsch als Staatsrath Wucsitsch ihre Dimission bei dem Fürsten eingereicht , indem ein Complot gegen sie angezettelt sey , wodurch ihr Leben und ihr Eigenthum mit augenscheinlicher Gefahr bedroht werde . Man glaubt , Fürst Michael werde die von den genannten Staatsräthen angesuchte Entlassung nicht annehmen .
Griechenland .
Triest , 18 Mai . Mit dem vorgestern nach Syra abgegangenen Dampfboote „ Erzherzog Johann “ trat der österreichische Gesandte am griechischen Hofe , Ritter Prokesch v. Osten , seine Rückreise nach Athen an . An Bord des so eben eingelaufenen Dampfboots „ Baron Eichhof “ befinden sich die HH . Brassier de St . Simon und Graf Waldkirch . – Ihre Majestäten der König und die Königin von Griechenland sind in Kalamachi eingetroffen , und werden von dort eine Rundreise im westlichen Griechenland unternehmen .
Türkei .
Von der türkischen Gränze , 9 Mai . Die Aufregung unter den Türken , in Folge der , gemäß des Hattischerifs von Gulhaneh versuchten Steuerumlegung , nimmt in den europäischen Provinzen des Reichs , namentlich in Bosnien , Albanien und Macedonien , so wie in den östlichen Provinzen Asiens , genährt von ägyptischem Einflusse , immer mehr überhand . Es liegen Briefe aus Adrianopel , Philippopel , Sophia , Seres , Skopia , Janina , Ochrida , Scutari , Pristina , Serajevo und andern Städten vor mir , welche einstimmig die Ruhe in den bezeichneten Gegenden als höchst bedroht schildern . Hie und da sprach man von dem Plane der Türken , über die christliche Bevölkerung herzufallen und sie gänzlich auszurotten . Wirklich verlautet , daß zur Ausführung dieses höllischen Vorhabens das griechische Osterfest bestimmt gewesen , und nur die Umsicht der Behörden den Schlag vereitelt habe . In Ermangelung von Truppen blieb den Behörden kaum ein anderes Mittel , als die Christen selbst auf die ihnen drohende Gefahr aufmerksam zu machen , und sie zu ermuntern sich ebenfalls zu bewaffnen ,
und so für die eigene Sicherheit Sorge zu tragen . Diesem wohlmeinenden Rathe ist die christliche Bevölkerung , wie begreiflich , bereitwilligst nachgekommen , und so sieht man jetzt die beiden Glaubensparteien mit den Waffen in der Hand einander gegenüberstehen * ) Ein der Redaction neulich direct zugekommenes Schreiben aus Seres bestätigt diese Angaben .
, wodurch zwar der Uebermuth der Türken einigermaßen gedämpft , aber in gleichem Grade die Gefahr blutiger Reibungen gesteigert erscheint . Jeder Morgen , jeder Abend wird mit Bangigkeit und Angst erwartet , die beständige Gefahr gestattet kaum die nöthige Nachtruhe , und das Betrübendste ist , daß kein Ende dieses jammervollen Zustandes abzusehen ist . – Die Montenegriner scheinen auch von diesem Stand der Dinge ihren Vortheil ziehen zu wollen : sie legen es offenbar darauf an , den drohenden Kampf zwischen der christlichen und der türkischen Bevölkerung zum Ausbruch zu bringen und sich in der Verwirrung zu dessen Leitern aufzuschwingen . Ihre neuesten kühnen Raubzüge sprechen hiefür . Gegen Oesterreich beobachten sie fortwährend die größte Rücksicht . – Die neueste Bewegung in Serbien hat bis jetzt wenigstens schon einen theilweisen Erfolg errungen . Die von dem Volke verlangte Verlegung des Regierungssitzes nach Kragujevatz ist bereits entschieden und wird ohne Zweifel bald erfolgen . Hinsichtlich der übrigen Forderungen des Volks wird von Konstantinopel Entscheidung erwartet . Vor deren Eintreffen wird indessen das vor Belgrad harrende Volk sich nicht zerstreuen , und es ist darum nur zu wünschen , daß sie nicht abschlägig laute , in welchem Falle arge Excesse zu besorgen wären . Indessen ist kaum denkbar , daß die Pforte die Männer , welche sich nach der Vertreibung Miloschs an die Spitze der Verwaltung drängten , und welche sie mit Ehrenbezeugungen überhäufte , gegen die sich nun aber das Volk einstimmig erhoben hat , werde fallen lassen , ohne wenigstens eine gerichtliche Procedur zur Bedingung zu machen .
Konstantinopel , 6 Mai . Se. kais. H. der Erzherzog Friedrich ist am 4 d. auf der von ihm commandirten k. k. Fregatte „ Guerriera “ in dieser Hauptstadt angekommen . Auf Befehl des Sultans begab sich heute der Minister der auswärtigen Angelegenheiten , Reschid Pascha , in Begleitung des Musteschars Risaat Bey an Bord der Fregatte , um den Erzherzog zu bewillkommnen . Auch erließ der Großherr sogleich die nöthigen Befehle , damit Se. kais. H. alle Sehenswürdigkeiten der Hauptstadt in Augenschein nehmen könne . Zu diesem Ende wurde der General der Artillerie , Mehemed Emin Pascha , dem Erzherzog für die Dauer seines Aufenthalts allhier zugetheilt . – Die neueste Nummer der türkischen Zeitung enthält einen Artikel über die Absetzung Akif Pascha's , worin ein sehr strenges Urtheil über sein als Statthalter von Kodscha Ili eingehaltenes Benehmen gefällt , und seine einstweilige Verweisung nach Adrianopel mit Verlust der Wessierswürde bekannt gemacht wird . Sodann ist in diesem Blatte die wegen Schlichtung der Handelsprocesse vor einem eigenen im Handelsministerium errichteten Tribunale erlassene Verordnung enthalten . Endlich macht besagte Zeitung die schon in meinem letzten Berichte erwähnten Aemterverleihungen öffentlich bekannt . – Während der griechischen Osterfeiertage hat allenthalben in der Hauptstadt die größte Ordnung und Ruhe geherrscht , so daß die Polizei , die übrigens auf musterhafte Weise gehandhabt wird , nicht ein einzigesmal einzuschreiten genöthigt war .
Aegypten .
Triest , 18 Mai . Das heutige Dampfboot brachte uns Briefe aus Alexandria vom 6 Mai . Die Rede des Ministers Thiers , welche das französische Dampfboot am 4 dahin gebracht , hat den Vicekönig völlig umgestimmt , und man ist jetzt mehr als je berechtigt , eine baldige friedliche Lösung der orientalischen Frage zu hoffen . Die Pest hat leider wieder Fortschritte gemacht : Truppen und Schiffe befinden sich in Contumaz . – Das aus sechs Schiffen bestehende englische Geschwader unter Admiral Louis liegt im Hafen von Smyrna ; das französische unter Lalande ist nach Vurla zurückgekehrt und hat bloß die Fregatte Santi Petri in Smyrna zurück gelassen .
Neumanns Rußland und die Tscherkessen .
Wer über Jerusalem , Rußland und Cirkassien schreibt , braucht sich in unsern Tagen , besonders in Deutschland , kaum mehr zu entschuldigen . Man mag über diese Dinge sagen was und wie viel man will , Nachsicht , Dank und Sympathie der Leser sind für jede nur irgend genießbare Mittheilung vorausgesichert , wäre sie auch nicht so bündig und belehrend , wie die vorgenannte Schrift .
Hr. Neumann , ohne Zweifel vom Standpunkt strenger Wissenschaft und tüchtiger Schulgelahrtheit ausgehend , ist in diesem Punkte freilich etwas weniger duldsam und verwirft in Behandlung historischer Gegenstände , besonders in Länder- und Völkerkunde , alle Weitwendigkeit ; er betrachtet vielmehr Monographien , wie die vorliegende , worin von Zeit zu Zeit der überall zerstreute Stoff gesammelt und kritisch gesichtet wird , als vorzügliches Bedürfniß und Verdienst unserer Zeit .
„ Publicum und Wissenschaft , “ fügt er nicht ohne beißende Nebenbeziehung bei , „ würden dadurch mehr gewinnen , als durch bändereiche Reiseberichte , nach der neuesten Weise , worin die Verfasser nicht selten , anstatt der Länder , die sie durchzogen , sich selbst beschreiben ; worin sie , an die Stelle der politischen und religiösen Einrichtungen , der Gesetze und Sitten fremder Völker , ihre eigenen frommen Gefühle und patriotischen Ansichten , ihre witzigen Einfälle und geistreichen Plaudereien dem getäuschten Leser zum Besten geben . “
Daß eine Monographie Cirkassiens Schuberts zwar vortrefflicher , aber schwärmerischer und stets mit dem „ Einen “ liebäugelnder Pilgerfahrt nach Bethlehem ebensowenig als dem aristokratischen Wanderbuche Semilasso's gleichen dürfe , gibt man gerne zu ; und daß sich Hr. Neumann in seiner Abhandlung aller frommen Gefühle und witzigen Einfälle zu enthalten verspreche , will man auch nicht tadeln . Wissen möchte man aber , wie eine fruchtbare Monographie über diesen Gegenstand überhaupt möglich sey .
Die kaukasischen Bergvölker haben ja , nach dem eigenen Geständniß des Verfassers , gar keine Geschichte , und die dritthalbtausend Jahre ihres historischen Daseyns sind , was inneres Staats- und Familienleben betrifft , so viel als vergessen . Waffen haben sie , schöne Körper und ungebändigten Freiheitssinn ; das ist Alles , was man weiß .
Cirkassien ist ein Land ohne Hauptstadt und ohne Hof , ohne Buch und Gelehrtenstand , ohne Luxus und Schlüpfrigkeit , ohne Kunst und Mode ; selbst Bau , Lage und Volkszahl sind in der Hauptsache unbekannt . Welchen Stoff bietet es nun zu einer 152 Seiten langen , elegant gedruckten Diatribe ? Hat der Verfasser vielleicht das Land selbst besucht , oder wenigstens mit einem Fernrohr vom Verdeck eines Dampfschiffes , oder von Ghelendschiks Mauerwällen in die Bergtriften und Buxbaumwälder der Tscherkessen hinaufgesehen und dann , wie Marigny , three Voyages to the Coast of Circassia geschrieben ? Auch dieses ist nicht der Fall .
Hr. Neumann hat alles , was von den ältesten Zeiten her in Europa und Asien bis auf den heutigen Tag über das Tscherkessenvolk aufgezeichnet wurde , mit Sorgfalt gesammelt , mit Schärfe geläutert und nicht ohne merkbares Talent in eine handsame Form gebracht .
Preiswürdig wäre eine solche Arbeit zu jeder Zeit , in vorzüglichem Maaße ein Gewinn ist sie aber gerade zu dieser Frist , wo man aus Patriotismus und Liebe zu nationeller Ungebundenheit , aus Neid und Eifersucht von allen Seiten Damm und Riegel gegen die schwellende Macht der Moskowiten sucht .
Der kaukasische Bergwall , und das schöne , tapfere Volk von Cirkassien ist in Jedermanns Sinn . Wie Viele gibt es aber , selbst unter Diplomaten , Publicisten und Scribenten aller Art , die breit und lang über den cirkassischen Krieg , über die Streitkräfte der Bergvölker , über Rajewsky und Sudschuk-Kaleh debattiren , ohne zu wissen was und wo der Kaukasus , und was für Leute die Tscherkessen sind ! Mit Neumanns Büchlein und einer guten Karte in der Hand werden wir nicht ein zweitesmal in dieselben Irrthümer , wie einst beim griechischen Freiheitskampf , verfallen .
Handel , Krieg und Neugierde liefern , wie in den meisten Untersuchungen ähnlicher Gattung , auch in dieser die vorzüglichsten Erkenntnißquellen . Die Italiener aus dem Mittelalter , besonders Barbaro und Interiano , neben Britten und Russen der neuesten Zeit , mußten vor andern ausgebeutet werden . Ueberhaupt ist für die Kunde der Länder am schwarzen Meer und des byzantinischen Reichs während der drei letzten Jahrhunderte des Mittelalters , Italien eine reiche , aber viel zu wenig gekannte und benützte Fundgrube . Neben den Archiven in Venedig , Genua , Neapel und Turin liegen in Privatsammlungen altpatricischer Häuser , oft in Städten zweiter Ordnung , ungeahnte Schätze verborgen .
Daß hier nicht von einem gerundeten , und wie aus Einem Guß dramatisch in einander geschmolzenen historischen Kunstwerk , mit Einleitung , Verwickelung und Katastrophe die Rede sey , versteht sich von selbst . Die Natur des Gegenstandes und das jämmerliche Flickwerk unserer und aller Zeiten Kunde vom Kaukasus müssen gleich vornweg Ansprüche und Erwartungen des Lesers ermäßigen .
Zwischen der Palus Mäotis und der Kaspi-See liegt eine verschlossene Urwelt , ein Alpenstock , hoch und breit , und bedeckt mit geheimnißvollem Dunkel ; die Heimath der schönsten und kräftigsten Menschenfiguren , der wilden Freiheit , des Weinstocks und der üppigsten Fülle der Natur . Unberührt vom Strudel der Begebenheiten , hat der Kaukasus in seinem Schooße sämmtliche Urbilder der indogermanischen Race , ihrer Sprachen und Regierungsformen , gleichsam als Reservmagazin hinter elfenbeinernen Thoren aufbewahrt . Und besäße irgend ein Mensch , oder irgend ein Volk die Zauberruthe , dieses Chaos aufzuregen und alle , seit Anfang der Dinge , in den Bergschluchten gefesselten Kräfte loszubinden und sich dienstbar zu machen , so müßte eine neue Zeit beginnen , und könnte vielleicht zum erstenmal wahrhaft von allgemeiner Herrschaft die Rede seyn .
Den Cäsarn , den Groß-Chanen Dschingis und Timur war der Gedanke freilich zu kühn . Aber die Russen , die sich Alles unterwinden , und an Klugheit und Ehrgeiz die Eroberer aller Zeiten übertreffen , halten den Versuch keineswegs über ihre Kraft . Und wie alle beglaubigte Weltgeschichte mit der großen Wasserkatastrophe , so müßte auch , wenn es gelänge , das geschichtliche Leben der Kaukasier mit der Springfluth moskowitischer Eroberung beginnen . Daher das Gebrochene , Nebelige und gleichsam Antediluvianische der vorliegenden Schrift . Kann man diese Arbeit auch mit keinem Vorgänger vergleichen , weil sie in dieser Anlage wirklich der erste Versuch im Fache ist , so zeigt sie doch besser als hundert andere , was
der Verfasser an Fleiß und Belesenheit , an Methode und Geschick vermag .
Oekonomisch zerfällt die Schrift in sechs Abschnitte , die ihrerseits zum größern Theil wieder selbst nur Bruchstücke mit kaum fühlbarem Zusammenhang sind . Bei dieser Einrichtung – eine andere ist nicht wohl denkbar – sind hie und da Wiederholungen oder selbst kleine Widersprüche nicht überall zu vermeiden . Hr. Neumann führt aber den Leser selbst darauf hin und verweist redlich genug ad melius informandum . Vom hochmüthigen Charlatanismus und von der überraschenden , ohne vorgängige Studien wie durch Inspiration plötzlich hereinstürmenden Gelehrsamkeit der neuern Schule wird in Neumanns Buch selbst der strengste Richter keine Spur entdecken .
Ist hier auch nicht Ort und Raum für eine erschöpfende Anzeige , so darf man doch einen Schattenriß der einzelnen Abschnitte hinwerfen . * ) Die Rüge kleiner Uebersehen , z. B die irrig aus dem italienischen Original ins Deutsche übertragene Schreibform Eschisumuni statt Eski - Sumuni , ist gleichfalls den brittischen Blättern zu überlassen .
Der erste , gleichsam die Vorhalle , mit der besondern Aufschrift : „ Der Kaukasus und seine Bewohner , “ gibt das Panorama der Gebirgswelt . Namen und ihre Bedeutung , Gestalt des Bodens , Vegetation , Wassersystem und Volksstämme , letztere nach Sprache , Sitte und Gemüthsart , werden hier nicht phantastisch , sondern aus geprüften Quellen , und so weit man sie kennt , kurz und bündig geschildert , wozu dem Verfasser die Kunde des Armenischen von wesentlichem Nutzen ist .
Der zweite : „ Bruchstücke aus der ältern Geschichte der Tscherkessen , “ gibt in gedrängter Uebersicht das Wenige , was man aus griechischen Geographen , aus Prokopius und den spätern Byzantinern , aus den flüchtigen Notizen der Armenier , Sasaniden , Moslim , Perser und Mongolen bis in die Mitte des 13ten Jahrhunderts erfährt , wo die Minoriten-Brüder , mit dem Evangelium in der Hand , bei den Tscherkessen vorübergingen und auf ihre Fußstapfen hin genuesische und venezianische Handelsleute die erste Brücke zwischen Cirkassien und dem christlichen Occident schlugen .
Im dritten Abschnitt : „ Bruchstücke aus der neuern Geschichte der Tscherkessen , “ gewinnt man an der Hand Interiano 's das erstemal eigentlich historischen Boden . Interiano , eine merkwürdige Erscheinung des 15ten Jahrhunderts , hatte etwas vom Geiste der Colombo , Diaz , Gama und Magelhaens , übertrifft sie aber alle durch besondere Anmuth und eigenthümlichen Schmelz seiner Sittengemälde . Wie in unsern Tagen der Engländer Bell , drang damals jener reisende Genueser in das Innere Cirkassiens , aß , trank und verkehrte mit den Eingebornen , wie es scheint , auf hinlänglich vertrautem Fuß , um ein wohlgetroffenes Bild ihres Lebens zu entwerfen . Zugleich zeigt sich hier schon , nach Verdrängung der Italiener aus dem Stromgebiet des Kuban und sämmtlichen Landschaften ums schwarze Meer durch die Osmanli , das eifersüchtige Buhlen der Höfe von Stambul und Isphahan , um das schöne Blut und die reichen Producte der Kaukasier in ihr Rinnsal zu lenken . Leise auftretend , gesellte sich diesen , als dritter Competent , Rußland unter Iwan IV bei , und begann das Spiel , welches bei völliger Vertreibung der Nebenbuhler mit abwechselndem Glücke heute noch fortdauert .
Der vierte Abschnitt : „ Rußland und der Kaukasus , “ bringt das Riesengenie Peters I und seine weitaussehenden Plane auf die Bühne . Kirchliche und politische Hebel , Missionäre , Agenten , Schulen , Häfen , Festungen und bleibende Erwerbungen zu beiden Seiten des Gebirgs durch Peters Nachfolger bis zu den neuesten Friedensverträgen von Turkman - tschai und Adrianopel , bereiten mit gänzlichem Erlöschen alles moslimischen Einflusses den letzten Act kaukasischer Freiheits-Tragödie vor . Hier treffen wir zuerst auf officielle Beschreibung des Gewonnenen , auf annähernde Schätzung des noch Fehlenden , so wie auf die neurussische Staatsdoctrin , welche Vertheidigung uralter und angestammter Freiheit für Aufstand und Usurpation erklärt .
Wichtigster Theil , und gleichsam Kern des Buchs ist der Abschnitt fünf , mit der Aufschrift : „ Die Tscherkessen . “ Die Russen , vorzugsweise das Volk der Ebene , der Geduld , der eisernen Standhaftigkeit und Disciplin , beginnen Mann gegen Mann einen Kampf auf Leben und Tod gegen die schönen , ritterlich heldenmüthigen und für Naturschönheiten begeisterten Räuber im Hochgebirge . Paskjewitsch , der Besieger von Iran und Rum , eröffnet den Reigen . Zehnjährige Stürme auf die unermeßliche , von der Natur selbst zur Abwehr fremden Dranges aufgemauerte Festung blieben ohne Wirkung . Circassien ist noch unbesiegt .
In dieser Periode erwacht erst eigentlich Europa's Theilnahme an dem mit romanhaftem Muth kämpfenden Volk im Kaukasus , und alle öffentlichen und heimlichen Gegner der Russen schöpfen frische Hoffnung , knüpfen Verbindungen an , senden Unterhändler , Abenteurer , Gelehrte , Philologen und Botaniker , Kriegsbedarf , Ueberläufer und guten Rath , um Land und Leute näher zu erforschen , Sitten , Religion und Gebräuche , Zahl , Hülfsmittel , Art und Gemüth zu erkennen . Bequem wäre es freilich , könnte sich das verfeinerte Abendland , ohne eigene Mühe , mit fremdem Muth und Blut die Russen vom Halse schaffen .
Ueber Kriegsereignisse und Politik redet der Verfasser natürlich nur kurz und beinahe oberflächlich , um die ganze Kraft für Schilderung des Volkswesens im weitesten Sinne aufzusparen . Hier ist nichts übersehen , und man erinnert sich auch nicht , irgendwo über einen einzelnen Gegenstand der Völkerkunde eine solche Masse kernhafter Notizen , auf Einen Punkt zusammengedrängt , gelesen zu haben . Aus dem in hundert Schriften zertragenen und verschwemmten Material wird mit gelehrter und intelligenter Hand ein schöner Strauß gebunden .
Pallentes violas et summa papavera carpens ,
Narcissum , et florem jungit bene olentis anethi .
Wie fruchtbringend für Untersuchungen dieser Art geschickte Benützung linguistischer Studien sey , hat der Verfasser unter andern hauptsächlich in Deutung der alten einheimischen Volksnamen Zichen und Tscherkessen bewiesen . Der Name des Volks Zychen oder Zichen und Tscherkessen komme nicht aus dem Persischen , und bedeute nicht , wie man sonderbar genug vermuthete , einen Räuber , sondern er sey einheimischen Ursprungs und heiße , wie die meisten ursprünglich in der Heimath selbst entstandenen Namen der Völker und Klane , Menschen , Leute . Mensch heißt im Tscherkessischen Zichu oder Dsich , und nach Sjögrens Schreibart selbst Dtsuch . Hängt man noch den Artikel r sammt der Pluralendung sche an , so habe man Dsichursche . Der Name Zychoi (Ζύχοι ) bei Griechen und Byzantinern sey demnach bloß aus dem griechischen Plural des tscherkessischen Worts Dsich ( Mensch ) entstanden ; so wie andrerseits die moderne Benennung Zarkase oder Tscherkesse ebenfalls aus demselben tscherkessischen Worte Zich oder Dsichursche hervorgegangen sey .
Zur Bekräftigung dieser natur- und sprachgemäßen Erklärung fügt man hinzu , daß sich der tscherkessische Appellativname
Dsuch ungefähr in gleicher Form und Bedeutung in der Volkssprache des innern Tyrols bis auf den heutigen Tag lebendig erhalten hat . Was man anderswo unter Bube , Bursch , Kerl und Pallikar versteht , überhaupt die männliche Hälfte der Bevölkerung , mit dem Nebenbegriff von Derbheit und physischer Rüstigkeit , nennt der Inner-Tyroler heute noch Zoch oder Dsoch , plural Zochen oder Dsochen . In abgelegenen und städtischer Feinheit mehr entrückten Seitenthälern hört man sogar die Variante Dsuch , gerade wie es nach Sjögren im Tscherkessischen klingt . Nach Marigny rühmen sich aber auch die Circassier mit den Frengis oder Europäern Eines Stammes zu seyn . Zum Ruhme der Tyroler darf man wohl noch weiter gehen und sagen , daß dieses Bergvolk , außer dem Appellativ Zoch , vielleicht auch etwas von dem hochherzigen Sinn , von der Liebe zur Unabhängigkeit , vom religiösen Gefühl und Heldenmuth ihrer Namensvettern im Kaukasus besitze . Während sich die Völker der Ebene demüthig und gehorsam vor dem fremden Sieger beugten , erhoben die Tyroler Zochen den im Centrum Europa's vergessenen Ruf der Freiheit und protestirten , mit dem Feuerrohr in der Hand , unter den deutschen Völkern allein noch gegen die allgemeine Knechtschaft . Vielleicht hätten die Deutschen gerade jetzt vor allen Völkern des Continents , auf den Grund gewisser Befürchtungen hin , Ursache , sich an Sitte und Exempel der Circassier zu erwärmen .
( Beschluß folgt . )
Holländische Ansichten .
Es gibt Gemeinplätze in der Politik , die zu solchem Ansehen gelangen , daß der bescheidenste Zweifel paradox erscheint . So ist man seit zehn Jahren fast ganz darüber einig , die Verbindung von Holland mit Belgien , diese Hauptschöpfung des Wiener Congresses , sey an sich eine verkehrte Combination , eine politische Unmöglichkeit gewesen . Weil verschiedene Sprachen und Confessionen , verschiedene Gewohnheiten und Interessen in der neuen Monarchie einander entgegenstanden , stellen sich Viele die beiden Länder etwa so zusammengekoppelt vor , wie das Pärchen in Hogarths Heirath nach der Mode , das Lichtenberg mit einem kranken Seidenhasen und einem hitzigen Igelweibchen vergleicht . Es ist hier natürlich nicht von den Ansichten in den ersten Ranglogen die Rede , sondern nur vom Parterre und nur von den Zuschauern der andern Nationen . Die handelnden Parteien selbst mögen für die leidenschaftliche Scheidung einen rechtmäßigen Grund , oder einen Trost , oder eine Entschuldigung in jener Unverträglichkeit gesucht haben ; aber die Zuschauer hätten heller sehen sollen . Bei den Engländern hat sich dem Irrthum offenbar etwas üble Laune beigemischt . Die Russen vermißten vielleicht die geeigneten Bindungsmittel für widerstrebende Nationalitäten , und sie sahen in dem Ereigniß zunächst nur die Beleidigung gegen eine Großfürstin . Dagegen im gelehrten Deutschland war man so glücklich , eine geschichts-philosophische Formel zu finden , und dadurch die apriorische Unmöglichkeit des gegenseitigen Durchdringens aufzuzeigen . Und wie sollte dieses Argument den Franzosen nicht gefallen haben ? Es war ihnen sieben Festungen werth . Wäre es 1814 die Aufgabe gewesen , zweierlei Volk nach einerlei Schnitt zu uniformiren , so hätte jede Wahl ihre Härte gehabt . Aber die Verträge ließen es ja frei , die Holländer holländisch und die Wallonen wälsch , die Flamänder flämisch , die Luxemburger endlich deutsch zu behandeln . Wir wollen die Behauptung der unverträglichen Gegensätze nicht einmal an den fünf Großmächten auf die Probe stellen , deren jede doch ganz andere Gegensätze als zwischen Runkelrüben- und Colonialzucker zu vermitteln hat . Sehen wir nur , wohin die Consequenz bei den gegenwärtigen zwei niederländischen Reichen führen würde . Bleibt nicht innerhalb Hollands der Widerstreit beider fast gleichen Religionsparteien ? Sind nicht die Interessen des Ackerbaues im Osten oft denen des Handels im Westen zuwiderlaufend ? Und innerhalb Belgiens , welche fortwährende Verschiedenheit , schon allein der Nationalitäten ! Von dem Wallonen und Nordfranzosen ist der Brabänter und der Flamänder wohl zu unterscheiden . Es wäre unbillig , der Regierung , die eine gleichartige Administration in beiden Ländern vorfand , den Fehler und den üblen Ausgang allein aufzubürden : die Napoleon'sche Centralisation schwebte fast allen Zeitgenossen als einziges Muster vor ; beide Länder waren , durch Verlust ihres früheren selbstständigen Provincialismus , scheinbar ziemlich gleichartig geworden . Aber der größte Gegensatz zwischen Holland und Belgien lag in der innern Verschiedenartigkeit der gesellschaftlichen Gliederung , in der ganz verschiedenen Abstufung der Stände . Holland ist eine höchst gleichartige bürgerliche Nation , die letzten Reste patricischer Oligarchie liegen in der französischen Revolution begraben , während in Belgien viel mannichfaltigere Elemente sich erhalten haben , besonders ein Adel , der , reich und unabhängig , zwar ohne ausgezeichnete Bildung , aber auch ohne zeitwidrige Privilegien , aus hundertjähriger Fremdherrschaft gelernt hat , zusammen mit der Geistlichkeit , zu dem Volke zu stehen . Hier war eine Klippe für die Verfassung , hier die Unmöglichkeit einer gleichförmigen Regierung . Doch wozu die späte Weisheit ? Allem Bedauern , allen etwanigen Vorsätzen , es ein andermal anders zu machen , ja allen Wünschen ist durch einen völkerrechtlichen Vertrag Stillschweigen geboten . Von nun an haben wir es mit den Holländern allein zu thun , und die Wichtigkeit der gegenwärtigen Krisis wird eine Schilderung holländischer Ansichten über äußere und innere Politik , als Beitrag zur Statistik der Gesinnungen , willkommen erscheinen lassen .
Es ist billig , sich daran zu erinnern , daß Holland unter den europäischen Mächten noch vor wenigen Generationen – freilich in vorpentarchischen Zeiten – einen ehrenvollen Platz auf der ersten Bank eingenommen hatte . Es ist billig – von andern , aber nicht klug von den Holländern selbst , und nicht glücklich für sie . – Der ächte Holländer sieht fortwährend , fast nach alttestamentarischer Weise , sein Volk als das auserwählte an , sein Land als die Sonne , um welche sich von Rechtswegen alle andern Himmelskörper , groß und klein , zu drehen schuldig sind . Seine Geschichte ist recht eigentlich seine Poesie . Aber der abnehmenden Macht folgt auch Abnahme des Rangs ; und wenn beide gar nur auf Unbeholfenheit , Armuth und vorübergehende Mißverhältnisse natürlich stärkerer Nachbarn gegründet und berechnet waren , so ist es weder billig noch klug , jene Nachbarn oft an den alten Mißstand zu erinnern , und über deren gegenwärtiges Gedeihen zu klagen . Es gibt noch eine Mitte zwischen feiger Nachgiebigkeit gegen augenblickliche Uebermacht , gegen fremde Bequemlichkeit , Grundsatzlosigkeit und Handwerksneid auf der einen Seite und zwischen hochtrabenden , übelgelaunten , zeitwidrigen Prätensionen auf der andern – eine Mitte von verständiger Anerkenntniß der Zeit , von würdevoller völkerrechtlicher Haltung , welche für kommende Gefahren auch die Sympathien anderer Nationen zu gewinnen fähig ist . Ohne letzteren Erfolg widerfährt den Berufungen auf eine bessere Vergangenheit und Zukunft dasselbe Schicksal bei den Diplomaten , wie dem heiligen Antonius bei den Fischen : „ die Predigt hat gefallen – sie bleiben wie allen . “ Freilich ist das Zurückrufen verlorner Rechtszustände in Holland populäre Gesinnung ; aber die Regierung durfte sie nicht , um populär zu
bleiben , im Auslande gar zu wörtlich und auf Unkosten der populären Absichten verdolmetschen . Als der Minister des Auswärtigen 1832 selbst zur Conferenz nach London ging und Hrn. v. Talleyrand in einem Abendcirkel immer auf die Basis von 1830 zurückführen wollte , wandte sich dieser zu den Damen um : „ M. Verstolk est un homme charmant , il m'a rajeuni de deux ans . “ Nicht immer hinterlassen ähnliche Argumente einen gleich verjüngenden , zeitkürzenden Eindruck , und das Gegentheil schadet oft mehr als positives Unrecht . Diese Bemerkung ist nicht überflüssig , denn sie erklärt zum Theil , warum die Holländer 1830 so ganz freundlos dastanden , warum sie , die doch bürgerliche Freiheit so wohl verstehen und verdienen , bei den constitutionellen Völkern damals als Werkzeuge oder Theilnehmer des Absolutismus angesehen wurden . Die gegenseitige Unbekanntschaft gereicht aber beiden zum Nachtheil . Wie die Holländer über alle auswärtigen Völker denken , ergibt negativ schon ihre Meinung von sich , ihre Geographie und Geschichte . Doch es gibt eine Rangordnung , auf welche allerlei populäre Vorurtheile , aber auch kleinliche Leidenschaften Einfluß üben .
Mit den vier europäischen Halbinseln , der pyrenäischen und appenninischen , der skandinavischen und griechischen , ist für Holland keine politische Berührung , außer dem Handel etwa , der die Individuen trennt , die Völker aber einander nähert ; dann die Erinnerung gemeinschaftlicher Zurücksetzung , die für Schweden , Spanien und Portugal seit 1815 ( durch den Verlust ihrer drei Actien im Rathe der Acht ) noch härter seyn könnte , als für Holland . Doch sehen wir nun die pentarchischen Staaten ; die entferntesten zunächst . Gerade als solche haben die Russen in Holland verhältnißmäßig den ersten Platz . Ein mächtiger Freund , nicht allzu nahe , scheint allerdings eine bequeme Allianz . Schon lange haben holländische Namen , wie Suchtelen , Witte , van der Heyden zu Land und zur See in Rußland ihrem Vaterlande Ehre gemacht ; die Börse von Amsterdam unterhielt immer gutes Vernehmen mit den Petersburger Finanzen , und es war 1816 für die Holländer im Ganzen schmeichelhaft , an das populäre Andenken des Lehrlings von Zaardam eine oranische Familienverbindung knüpfen zu sehen , deren sie sich auch später , besonders seit der belgischen Revolution , bei dem noblen aufopfernden Charakter der Prinzessin von Oranien , nur zu beloben hatten . An den Einfluß politischer Principien von der Newa her hat man bisher noch , gerade wegen der Entfernung und der verschiedenen Verfassung beider Länder , weniger gedacht . Bei dem König ist davon keine Rede ; aber auch der nächste Thronerbe , der alle Nationen auf ihre Art zu behandeln versteht , der von Jugend auf erfahren hat , daß die Holländer keiner andern Manie , als etwa der Batavomanie huldigen – auch der Prinz von Oranien fühlt sich zu hoch , als daß er in dem kaiserlichen Schwager je eine andere Stütze als für die äußere Politik suchen sollte . Manche Holländer meinten nach den Brüsseler Unglücken , der Czar hätte ihnen zu Gefallen wohl ein Fünfzigtausend Kosaken durch Deutschland herüber schicken , jedenfalls seine Diplomaten etwas stärker auftreten lassen können . Aber die Russen hatten damals an der Weichsel selbst ihre Belgier , nur weniger glückliche , und russische Diplomaten waren es am Ende , die den König zur Nachgiebigkeit bewogen . Aus dem nüchternen Trieb der Selbsterhaltung ist es wohl zu erklären , daß die Holländer in ihrer damaligen Vereinzelung jede antinordische Bewegung , als ihrer eigenen Sache schädlich , verwünschten – ja daß unter ihnen , einzig in seiner Art , ein Dichter eigens für den Fall von Warschau erstehen konnte !
( Beschluß folgt . )
Rückblick auf Jahn und seine Zeit .
Ueber das bekannte Buch : „ Denknisse eines Deutschen oder Fahrten des Alten im Bart “ enthalten die Litterarischen Blätter der Börsenhalle einen Artikel , dem wir , als einen für die Zeitgenossen nicht uninteressanten vergleichenden Rückblick hier einige Stellen entheben wollen :
„ Dieses Buch versetzte uns lebhaft in eine frühere Bildungsperiode ; es gab uns Gelegenheit , unsern eigenen Standpunkt vor fünfzehn Jahren mit unserm jetzigen zu vergleichen . Das Buch mit seinem auffallenden Titel ist von Jahn , oder von dem alten Jahn , wie wir Burschen ihn damals nannten , auch wohl bloß schlichtweg von dem Alten . Es gab eine Zeit , wo die bloßen Namen Arndt , Jahn u. s. w. uns in eine dunkle Begeisterung versetzten . Alle Empfindungen und Ideen von Vaterlandsliebe , Freiheit , Deutschthum , die unausgebildet und drängend in uns lagen , erwachten bei ihrem Klange . Es waren die Helden der Burschenschaft , an die man keine Kritik zu legen wagte , sondern die man unbedingt verehrte . Und eben diejenigen , die man am wenigsten verstand , durch die man am wenigsten gefördert wurde , wurden am leidenschaftlichsten bewundert .
„ Im Anfang der zwanziger Jahre hatte sich in den Burschenschaften ein Cyklus von Schriften eingebürgert , vermittelst deren eifriger Lecture man sich jene große Tugend , Vaterlandsliebe genannt , alles Ernstes anstudiren wollte . Was eigentlich Vaterlandsliebe sey ? – wir wußten es nicht , aber unsere Herzen klopften lebhafter bei diesem Namen , und von der Vortrefflichkeit und Nothwendigkeit dieser Eigenschaften waren wir fest überzeugt , und wir gaben uns die allergrößte Mühe , sie in uns zu erzeugen .
„ Zu diesen Schriften gehörten vorzüglich Herbsts Ideale und Irrthümer des akademischen Lebens , Fichte's Reden an die deutsche Nation , ein Heft von Ludens Politik und Jahns deutsches Volksthum . Von allen diesen Büchern haben Herbsts Ideale und Irrthümer den meisten Eindruck auf mich gemacht . Die Stimmung , in welcher dieses Buch geschrieben war , war eine enthusiastische , es steckte voller Bombast und höchst subjectiver Reflexion . Es entsprach meinem eigenen Gemüths- und Bildungszustand am meisten . Von den etwaigen Ideen , die in diesem Buche sind , habe ich auch nicht Eine in meinem Gedächtniß behalten ; aber wohl erinnere ich mich des Taumels , der herzabdrängenden Begeisterung , worein ich durch dasselbe versetzt wurde . In diesem Buche herrschte der phantastische Enthusiasmus einer unreifen Jugend ; kein Wunder , daß die unreife , nach Enthusiasmus sich sehnende Jugend von demselben entzündet wurde . ( Wo ? ) Ludens Heft über Politik wurde eifrig abgeschrieben ; ich glaube , es ist auch später nicht im Druck erschienen . Dieses Werk förderte uns wirklich ; nicht durch die Ideen , die es enthielt , sondern durch die klare , nüchterne Methode , wodurch sie entwickelt wurden . Herbst nährte nur eine dumpfe Gefühlsschwelgerei , Luden gab uns zu denken und führte uns auf den Weg , selbstständige politische Reflexionen aus Vergangenheit und Gegenwart uns zu bilden . An dem hohen Werth der Fichte'schen Reden wagte natürlich Niemand zu zweifeln . Aber die Wenigsten verstanden sie ; die Wenigsten mögen sie selbst gelesen haben . Man versicherte sich ernsthaft , daß dieses ein ganz vortreffliches und tiefsinniges Buch sey ; Einer sprach dem Andern nach , man schaffte sie sich an – was mit Schwierigkeiten verbunden war , denn sie waren verboten – aber selten arbeitete sich einer durch sie hindurch . Natürlich wagte man das aber nicht einzugestehen .
„ Das Buch , welches aber in der höchsten Verehrung vor Allem
stand , war das deutsche Volksthum von Jahn . Hierin wehte der feinste Aether des Volksgeistes , die tiefste Verständniß des Deutschthums , die allergeistreichste Vaterlandsliebe . So meinte man . Wer den Geist seines Volks verstehen lernen , wer Vaterlandsliebe sich aneignen wollte , der mußte das Volksthum vom alten Jahn lesen . In jener Zeit hat gewiß auch nicht Einer von uns gewagt , daran zu zweifeln , daß das Volksthum die tiefste Fundgrube für das Verständniß des deutschen Geistes , und daß Jahn der personificirte Urgeist unseres Volks sey . Wenn ich daran zurückdenke , so kann ich mich eines Lächelns nicht enthalten . Was die Jugend doch in ihrer Ehrlichkeit sich selbst vorlügt ! in welchen baaren Täuschungen und Einbildungen sie doch lebt ! Kein Buch von allen diesen ist gewiß weniger in unsere Seele gedrungen , als eben dieses ; keines hat Geist und Gemüth weniger genährt , als dieses . Keiner hatte ein wirkliches , wahres Verhältniß zu ihm , und doch hat gewiß nicht Einer diese Bemerkung zu machen gewagt .
„ Jahns Buch imponirte uns durch seine Seltsamkeit und Paradoxen . Die Idee , daß auch in dem Kleinsten , auch im Aeußerlichsten der Geist des Volks sich abdrücke , diese Idee schien uns allen höchst geistreich und plausibel . Wenn Jahn bei seiner Schilderung des deutschen Volksgeists von den hölzernen Wegweisern an den Landstraßen , von dem Gackelhahn in der Fibel , von tausend Alltäglichkeiten unseres gewöhnlichen Lebens sprach , und diesem eine gewisse Beziehung zu unserer Nationalität gab , so überraschte uns das , und wir ahneten das tiefste Gemüth , das innerste Verständniß dahinter .
„ Was für eine Kluft liegt doch zwischen jener Bildungsperiode und zwischen unserm jetzigen Standpunkt ! Man kann doch daran mit einer gewissen Befriedigung erkennen , daß man fortgeschritten ist . Männer , an denen der leiseste Zweifel früher ein geistiger Hochverrath gewesen , faßt man jetzt ruhig ins Auge , und wagt es , ihnen etwas näher zu treten , um sie zu beschauen . Unzählige Worte und Phrasen , bei denen man sich gar nichts zu denken wagte , aus Furcht sie zu profaniren , haben erst ihre wahre und schöne Bedeutung gewonnen . Man weiß , was man hat und was man genießt , und lügt sich keinen Besitz und keinen Genuß mehr vor , der einem doch nicht zu Gute kommt . Viele Leute jammern freilich über den Verlust ihrer sogenannten Ideale ; ich begreife nicht , wie man über den Verlust eines bloßen Phantoms , über den Verlust einer wesenlosen Einbildung , einer Selbstlüge sich grämen kann . Die geschickteste Phantasie kann uns doch nichts Besseres vorgaukeln , als die Wirklichkeit .
„ Wir haben allerdings manche von unsern Idealen verloren , aber wir haben dafür auch andere wiedergewonnen . Was Arndt anbetrifft , so gestehe ich , daß meine Verehrung für ihn mit der Zeit nur noch gewachsen ist , und ich weiß jetzt auch warum . Den alten Jahn aber , als Sinnbild unserer deutschen Nationalität , habe ich verloren ; ich bin an wirklicher Vaterlandsliebe wohl nicht ärmer geworden , wenn ich auch die Jahn'sche aufgegeben habe ; wenn mich auch das Jahn'sche Volksthum nicht mehr anspricht , so weiß ich doch noch den Kern und das Wesen der Deutschen zu verehren . Jahn faßt das Volksthum ganz äußerlich ; er unterscheidet nicht zwischen dem Schönen und Edeln im Volke , und zwischen dem Schlechten und Gemeinen , nicht zwischen dem Bedeutenden und Unbedeutenden . Jahns Vaterlandsliebe ist Liebhaberei , nicht Liebe . Er liebt nicht das eigentlich Deutsche , sondern das Nichtfranzösische , das Nichtenglische . An der gemeinsten Pöbelredensart , wie der niedrigsten Sitte erfreut er sich zuletzt eben so wie an einem Goethe'schen Liede , wenn es nur eigenthümlich ist und sich von Fremdvölkern unterscheidet . Jahn schätzt die deutsche Spitzbüberei , die deutsche Grobheit und Rohheit , die deutsche Bosheit eben so hoch , wie die deutsche Redlichkeit , die deutsche Bildung , den deutschen Edelmuth . Das ist nicht die rechte Vaterlandsliebe . Wer wollte läugnen , daß man sich auch an alle die kleinen unzähligen Aeußerlichkeiten gewöhnt , aus denen unser tägliches Leben besteht ? Auch diese mögen eine Ingredienz der Vaterlandsliebe seyn . Aber sie sind ganz unmittelbar ; zu Ideen lassen sie sich nicht erheben , sie lassen sich nicht anpreisen . Wenn ich nach langer Abwesenheit aus Deutschland zuerst einmal wieder einen deutschen Fluch aus dem Munde eines deutschen Postillons höre , so kann mich das vielleicht erfreuen . Aber einen Engländer lieb gewinnen , ihm Freundschaft auf Tod und Leben zu schwören , weil er , nachdem ihm Jahn absichtlich auf den Fuß getreten , statt eines englischen einen deutschen Fluch ausstößt – wie dieses wörtlich im vorliegenden Buche Jahn von sich erzählt – das ist eine Lächerlichkeit , eine Entweihung wirklicher Vaterlandsliebe . Unser Volksthum ist bei unsern großen Männern , in unsern Anlagen , in unserm Streben nach dem Höheren , nicht in unsern Postillons , Eckenstehern oder gar Spitzbuben .
„ Der alte Jahn war zu seiner Zeit recht gut ; zur Zeit der französischen Herrschaft mochte ein unbedingter Haß bis ins Aeußerliche gegen alles , was fremd war , namentlich zur Aufregung der untern Masse recht am Platze seyn ; es mochte gut seyn , daß zur Wahrung unserer Nationalität auch die Gemeinschaft in Nebendingen mit den Franzosen abgelegt würde . Wenn aber Jahn noch heutzutage in Wuth geräth über ein französisches Wort aus deutschem Munde , so ist das wieder eine Lächerlichkeit , ein Hängenbleiben am Aeußern , ein Verkörpertseyn in eine gewisse Manier , die auf uns , wie jede stehengebliebene Bildung und daraus erwachsene Unwahrheit einer tüchtigen Natur , einen peinlichen Eindruck macht .
„ Eine gewisse Pietät , und der Wunsch , nicht mißverstanden zu werden , drängt uns aber , auch die großen früheren Verdienste Jahns , die jetzt noch fortwirken , hier anzudeuten . Zuerst hat sich derselbe große Verdienste um die deutsche Sprache erworben . Er ist Meister in treffenden Wortbildungen . Sind viele auch gekünstelt , so sind doch manche so wahr und entsprechen so ganz unserm Bedürfniß , daß sie sich auf der Stelle allgemein eingebürgert , sobald sie aus Jahns Munde gingen . Wir erinnern nur an das Wort „ Volksthum “ , von dem unsere Leser vielleicht nicht wissen , daß es erst seit dem Jahr 1809 in unserer Sprache existirt ; jetzt könnten wir es gar nicht mehr entbehren .
„ Jahns Verdienst als Turnlehrer ist ebenfalls höchst bedeutend . Die Idee , durch das Turnen ein ganz neues Geschlecht an Körper und Geist in seinem Sinne zu schaffen , ist eine eben so kolossale , als willkürliche und gewaltsame . Was wollte daraus werden , wenn wir Deutschen lauter Jahns würden ? Wahrlich keine angenehme Gesellschaft . Aber die Idee , daß die körperlichen Uebungen der Jugend auch mit einem gewissen Geiste durchdrungen werden müssen , daß auch auf dem Turnplatz eine frische Gesinnung , ein geistiges Streben , Poesie und Jugendlust herrschen müsse , ist eine durchaus wahre und fruchtbare . Der Turngesang , die Turnfahrten , das frische , fröhliche Wander- und Sängerleben der deutschen Jugend hat der alte Jahn mächtig befördert . Schade , daß es von mehreren Seiten später systematisch unterdrückt ward ! “
Eine lebhafte Bewegung unter die Musikfreunde Augsburgs brachte dieser Tage der berühmte Tenorist Hr. Pantaleoni . – Die große Kunstfertigkeit , mit welcher er die verschiedenen Lagen seiner umfangreichen Stimme zu verbinden weiß , die Originalität seines Ausdruckes , sein meisterhaftes Athemnehmen , ein schönes Portamento und eine große Vollendung in den Verzierungen , weisen ihm einen Platz unter den ersten italienischen Sängern an . – Bellini's und Donizetti's Melodien bilden sich zu Kunstwerken erst im Momente des Vortrages , wenn sie vom belebenden Hauche eines Sängers wie Pantaleoni individualisirt werden . – Mit Bedauern nehmen wir von einem Künstler Abschied , der im flüchtigen Momente seiner Durchreise den eigenthümlichen Zauber des neuen italienischen Gesanges in vollem Glanze vor uns entfaltet hat ; möge er in Paris , wohin ihn die Aufführung einer neuen Oper Donizetti's ruft , an der Seite seines unübertrefflichen Meisters Rubini eine seines Talentes würdige Aufnahme finden .
Augsburg , 20 Mai 1840 .
[ 1986 ]
Hrn. Professor Dr. Rheinwald .
In Ihrer Berliner Kirchenzeitung ( 1840 Nr. 25 und 28 ) werden auch Herbst und ich berührt . Das Gotteskästlein ( Regensburg bei Montag und Weiß . Februar- und Aprilheft 1840 ) wird Ihnen aber , und nicht „ in die Ohren “ sondern auf 32 Seiten laut sagen , wie sich die Sache verhält .
Müglich .
[ 1984- 85 ]
Verkauf .
Das zur fürstlich Primatischen Nachlassenschaft gehörige Gemälde von Chabord , Napoleon zu Pferd darstellend , 11' hoch und 8' breit , welches seit Jahren in dem königl. Schloß zu Aschaffenburg sich befand , ist dermal in den Localitäten des Städel'schen Kunstinstituts zu Frankfurt aufgestellt . Dieses besonders werthvolle Bild soll nach der Bestimmung der hohen Eigenthümer dem Verkaufe unterstellt werden .
Kauflustige wollen ihre Anerbietungen innerhalb
drei Monaten ,
von heute an , in portofreien Briefen an mich gefälligst bekannt geben .
Aschaffenburg , den 15 Mai 1840 .
Dr. Hartter , k. Advocat .
[ 118 ]
In Unterzeichnetem sind so eben erschienen und in allen Buchhandlungen zu kaufen :
Skizzen aus dem Leben und der Natur .
Vermischte Schriften
von H. Hauff .
Erster Band .
Gr. 8. Preis 2 fl. 42 kr. oder 1 Rthlr. 16 gr .
Nachdem der Verfasser seit einer Reihe von Jahren im Morgenblatt , dessen Redacteur er ist , und in andern Zeitschriften Aufsätze verschiedenen Inhalts anonym niedergelegt , hat er sich entschlossen , eine Auswahl derselben in einer Sammlung dem Publicum vorzulegen . Die beiden Bände , mit denen die Sammlung geschlossen wird , enthalten Erzählungen , Satyren , heitere Kritiken unserer gesellschaftlichen und litterarischen Zustände , populäre Naturbetrachtungen . – Der Inhalt des hier angezeigten ersten Bandes ist folgender : 1 ) Madelon . 2 ) Postdilurianische Kritik . 3 ) Indiscretion. 4 ) Vom Theater . 5 ) Rheinfahrt. 6 ) Vom Mond . 7 ) Gedanken über die natürliche Verschiedenheit und die Urzeit des Menschengeschlechts . 8) Miß Djeck . Zur Geschichte des Elephanten. 9 ) Die große Wasserschlange .
Der unter der Presse befindliche zweite Band wird enthalten : Die Stadt und der Jahrmarkt . – Litterarische Grillen. 1 ) Das Jahr 1740 . 2 ) Schalksnarren. 3 ) Der deutsche und der französische Feuilletonist. 4 ) Die deutsche Dramatik . – Die Bajaderen . – Vom Geister- und Gespensterglauben in Deutschland .
Stuttgart und Tübingen , im April 1840 .
J. G. Cotta'scher Verlag .
[ 1987- 89 ]
Geschäftsverkauf .
In einer der bedeutendern Handelsstädte Süddeutschlands , die insbesondere zum Betriebe von Fabrikgeschäften günstige Gelegenheit bietet , ist ein Geschäft in Juwelen , Gold- und Silberwaaren aus freier Hand zu verkaufen . Liebhaber erfahren auf frankirte Briefe das Nähere bei der Expedition der Allg. Ztg .
[ 1967- 68 ]
Verkauf einer Material-Handlung .
In einer Stadt Bayerns ist eine sehr frequente , im besten Rufe stehende Materialhandlung unter einladenden Bedingungen zu verkaufen . Liebhaber dazu , denen ein Capital von wenigstens 20,000 Gulden zu Gebote stehen müsste , belieben sich mit der Anschrift L. K. Nr. 1. in frankirten Briefen an die Expedition der Allg . Zeitung zu wenden .
[ 119 ]
In der Unterzeichneten ist erschienen und durch alle Buchhandlungen Deutschlands zu beziehen :
Vierundzwanzig Bücher Allgemeiner Geschichten ,
besonders der europäischen Menschheit ,
von Johannes v. Müller .
Neue Ausgabe in Einem Bande .
Mit dem Bildniß des Verfassers in Stahlstich .
Subscriptionspreis 5 fl. 24 kr .
Diese neue Ausgabe des anerkannt ausgezeichnetsten Geschichtswerks deutscher Zunge , welcher wir die beliebte Einrichtung der Ausgabe in Einem Bande gegeben haben , und die sich in Format , Schrift und Papier ganz der Ausgabe von „ Menzels Geschichte der Deutschen “ anreiht , ist durch ein ihren Werth gar sehr erhöhendes Register bereichert worden .
Stuttgart und Tübingen , im April 1840 .
J. G. Cotta'sche Buchhandlung .
[ 1341- 42 ]
So eben erscheint in meinem Verlage und ist durch alle Buchhandlungen zu erhalten :
Denkwürdigkeiten und vermischte Schriften
von K. A. Varnhagen von Ense .
Neue Folge . Erster Band .
Gr. 8. Geheftet 2 Thlr. 12 gr .
Wie die erste Folge der Schriften des berühmten Verfassers , die in vier Bänden 1837-38 bei H. Hoff in Mannheim erschien , so wird auch diese Fortsetzung gewiß die allgemeinste Theilnahme finden . Besonders machen wir auf einen großen Aufsatz aufmerksam : „ Der Wiener Congreß . “
Leipzig , im März 1840 .
F. A. Brockhaus .
[ 1885 ]
Im Verlage von G. J. Manz in Regensburg ist erschienen und durch alle Buchhandlungen zu beziehen :
Leben und Thaten der heiligen Altväter in der ägyptischen Wüste .
Aus dem Lateinischen nach der Sammlung des gelehrten und berühmten P. Heribert Rosweid , d. G. J. , von dem Uebersetzer der Werke des heiligen Kirchen-Vaters „ Johannes Klimakus . “ Eine Beigabe zu allen Heiligen-Legenden . 1ste Lieferung . Mit einem Stahlstiche . Lexikon 8. geheftet 24 kr. oder 6 gr .
Das Ganze umfaßt etwa 100 Druckbogen und wird in Lieferungen , mit Stahlstichen geziert , binnen Jahresfrist in den Händen der Abnehmer seyn . – ☞ Jede Buchhandlung ist in Stand gesetzt , bei Abnahme von 10 - 1 , von 20 - 3 , von 50 - 10 Freiexemplare zu geben , worauf wir Sammler aufmerksam machen .
Jeancard , W. , Leben des heiligen Alphons Maria v. Liguori , Bischofs von St. Agatha de Goti und Stifters der Congregation des heiligsten Erlösers . Aus dem Französischen . Mit 1 Stahlstiche . 8. 1 fl. 48 kr. od. 1 Thlr. 3 gr . – Zur Empfehlung dieses werthvollen Buches genüge , wie sich Pius VIII in einem Schreiben an den Generalvikar in Marseille unter anderm aussprach : „ Es werde diese Lebensgeschichte mit Hülfe Gottes nicht wenig zu seiner Ehre und zum Ziele der Menschen beitragen . “
[ 117 ]
Steudel Nomenclator botanicus .
In Unterzeichnetem erscheint in 10 bis 12 Lieferungen bis zum Schlusse dieses Jahres , und zwar mit dem nächsten Monat beginnend :
Nomenclator botanicus
seu : Synonymia plantarum universalis , enumerans ordine alphabetico nomina atque synonyma , tum generica tum specifica , et a Linnaeo et a recentioribus de re botanica scriptoribus plantis phanenogamis imposita .
Autore E. Steudel , Med. Dr .
Editio secunda ex novo elaborata et aucta .
Wenn schon vor 20 Jahren die erste Ausgabe dieses Werks eine gefühlte Lücke in der botanischen Litteratur nach allgemeiner Anerkennung auf eine befriedigende Art ausfüllte , so wird nach diesem Zeitraum , der an Fruchtbarkeit der Entdeckungen jede frühere noch so glänzende Periode der Bereicherung der botanischen Kenntnisse weit übertrifft , einer zweiten Auflage , deren Bearbeitung der Verfasser aufs neue eine lange Reihe von Jahren widmete , um so weniger eine dankbare Aufnahme fehlen , als gleichzeitig mit dem sich darbietenden reichen Material der wirklich neuen Entdeckungen der Fleiß der verschiedenen , unabhängig von einander dieselben oder verwandte Gegenstände bearbeitenden Schriftsteller , und deren individuelle Ansichten über Bildung von zahlreichen neuen Gattungen , die Masse der Synonyme auf eine der Wissenschaft selbst beinahe Gefahr drohende Art vermehrte . Es hat sich daher der Verfasser die Aufgabe gestellt , dem botanischen Publicum gleichsam einen Leitfaden aus diesem Irrgarten zu bieten , indem er mit Beachtung der ihm auf verschiedenen Wegen zugekommenen Wünsche , insofern ihn solche nicht zu weit von dem ursprünglichen Plane entfernten , jede im ganzen Umfange der botanischen Litteratur bekannt gewordene Pflanze in alphabetischer Ordnung , mit Zugabe der nach Genus , Species , Autorität , Synonymie , Lebensdauer , Vaterland und Stelle im System aufführt , und da , wo der Name des Autors und die beständige Hinweisung auf die systematischen Werke von Sprengel , Decandolle und D. Dietrich ( so weit diese erschienen ) und ein am Ende des Werks beigefügtes vollständiges Verzeichniß der angeführten Autoren nicht zureichend erschien , auch noch häufig eine specielle Nachweisung beifügt . Auf diese Art erhält man über die angeführten Momente eine sehr schnelle und vollständige Aufklärung , das Auffinden der bis jetzt aufgestellten Gattungen und Arten wird erleichtert , und es dient dieses mit großem Zeitaufwand und unermüdeter Geduld und Ausdauer durchgeführte Werk als Repertorium eben so sehr dem Litterator , als dem von großen Büchersammlungen entfernten Liebhaber der Botanik , so wie den Besitzern von Herbarien und Gärten . Ein Werk in diesem Umfange , welches mit Einem Blicke den gegenwärtigen Reichthum der botanischen Entdeckungen vor das Auge bringt , fehlt in der botanischen Litteratur . Wenn auch einige verwandte Werke ( wie Loudon Hortus britannicus ed. 2. London 1830-39 , und Sweet Hortus britannicus ed. 3. London 1839 ) ihre ehrenwerthe Stelle stets behaupten werden , so können sie doch das angezeigte Werk um so weniger entbehrlich machen , als darin hauptsächlich nur auf die in England cultivirten Pflanzen , auf die Synonymie aber nur sehr eingeschränkt Rücksicht genommen ist , während die systematische Anordnung den schnellen Ueberblick und die Erleichterung des Auffindens nicht gewährt . Beide Werke führen nur etwa 30,000 ( also um 10,000 weniger als die erste Ausgabe ) Arten auf , während das jetzige Werk nahe an 5000 Genera und über 70,000 Arten aufzählen wird . Die zweckmäßigste typographische Einrichtung macht es möglich , daß dieses ausgedehnte Material in einem für Deutlichkeit und Uebersicht nicht störend einwirkenden möglichst engen Raum zusammengefaßt wird .
Der Preis wird möglichst niedrig gestellt werden .
Stuttgart und Tübingen , 1 Mai 1840 .
J. G. Cotta'scher Verlag .
[ 1695- 96 ]
In der Buchhandlung von Joseph Baer in Frankfurt ist angekommen und eben so wie durch andere gute Buchhandlungen für 54 kr. zu beziehen :
Le temps & L'espace
dans leur rapport avec les Sciences morales et politiques
par Mr. JEAN GEORGE CLAUS , docteur en droit , ancien avocat à Francfort s. M.
Traduit de l' Allemand sous les auspices d'une société littéraire et présenté à l' Institut de France , académie des sciences morales et politiques .
Paris . JOUBERT , libraire éditeur .
1840 .
Der deutsche Urtext obiger Schrift ist nicht im Buchhandel und wird auch schwerlich darin erscheinen . Der Verfasser hatte dadurch einem rein wissenschaftlichen Begehren entsprochen ; seine in frühern Schriften zerstreute , freilich von der Heerstraße sehr abweichende Ansichten und Blicke über die letzten Gründe des Rechts und der Politik zu concentriren . Was die Ahndung mancher Tieferdenkenden längst resignirt war in absolute Nacht auf immer gehüllt zu sehen , wie viele vom Zweifel ungetrübte mehr historische Organisationen haben es nicht , zumal seit der letzten Jahrhunderte , mit leichter Hand zu erfassen geglaubt , auch schulgerecht gelehrt und im Segen davon gelebt ! Wie viele solche Namen glänzen nicht als Autoren oder litterarischer Zierrath immer noch an der Stirne jener breiten Compendien und Systeme des Natur- und Völkerrechts , deren Verfasser übrigens der Reihe nach von der jedesmaligen Voraussetzung ausgingen : alle jene Vorgänger rein entbehrlich gemacht zu haben ! Systeme ohne eignes Princip unterschieden sich bisher nur durch die Verschiedenartigkeit an deren Stelle aus der Religion oder Moral zu Hülfe gerufener Reflexionen . Daß , so erbaulich auch die Sache lautet , eine solche Theorie des Rechts , d. h. der Justiz- oder Freiheitspraxis mit einem Justizmord anfange , war ein kleiner Umstand , den aber der glückliche Enthusiasmus frommer Hörsäle nicht ahndet . Gegen eine solche Succession hergebrachten Genusses mit einigen Druckbogen , wenn auch noch so concentrirt , auftreten wollen , könnte freilich von Manchem als Attentat oder Versuch wissenschaftlicher Ruhestörung betrachtet werden . So unbedeutend ein solcher auch scheinen möchte , so wird er doch sehr natürlich in jenen gelehrten Fächern zumal , wo sich von den Sympathien des blinden Haufens kein Trost und keine schlagenden Argumente so leicht borgen lassen , nur desto übler aufgenommen . Abgesehen vollends von den Gelehrten , die in dem : „ prior tempore potior jure “ nur etwa eine kaiserl. Verordnung , wie sie gelegentlich ergingen , zu sehen glauben , möchte jedenfalls die Zahl derjenigen nur klein seyn , die so leicht hinneigten , mit obigem Verfasser das Urtheil über Recht und Unrecht aus dem ewigen Kampfe gegen Raum und Zeit hervorgehen zu sehen , d. h. eben daher , wo auch das Gemüth des Menschen nach erwirktem Beistand physischer Kräfte , z. B. der Dampfkraft , des Schießpulvers , der Presse , die stolzesten Siege seiner Erfindungskraft gefeiert hat und feiern wird .
[ 1902-4 ]
Zum Verkauf : die mechanische Papierfabrik in Zürich ,
enthaltend :
1 ) ein sehr ausgedehntes Fabrikgebäude mit den Wasserwerken , Comptoirs' geräumigen Magazinen und Waarenkammern ;
2 ) ein 140' langes beinahe neues Wohngebäude mit 2 angenehmen Wohnungen ;
3 ) mehrere abgesonderte Werkstätten und Oekonomiegebäude ;
4 ) grosse Gärten und Hofräume .
Dieses umfassende Etablissement ist zu beiden Seiten von der Limmath begränzt . Die Gebäulichkeiten sind sämmtlich in gutem wohlunterhaltenen baulichen Stand und die Wasserwerke und Papiermaschine , so wie alle zu der Fabrication gehörenden Gegenstände sind erst vor einigen Jahren nach dem neuesten System eingerichtet und erbaut worden .
Es eignet sich durch seine ausgezeichnete Wasserkraft zu jedem grossartigen Fabrikgewerbe , füraus aber zur Fortsetzung mit gegenwärtigem Bestand , indem alle auf die mechanische Papierfabrik bezüglichen Einrichtungen auf das zweckmässigste getroffen ; auch verbindet es damit zugleich durch seine reizende Lage und die Nähe der besuchtesten Promenaden die angenehmsten Wohnungen .
Um nähere Auskunft beliebe man sich an den Eigenthümer des Locals unter der Adresse : Vögeli , Papierfabricant in Zürich , zu wenden .
[ 1973- 75 ]
Eröffnung des Mineralbades Bocklet bei Kissingen .
Die Eröffnung des bekannten Stahlbades Bocklet bei Kissingen erfolgt für die bevorstehende Badsaison am 15 Junius l. J.
In Beziehung auf die diesem Curorte in der jüngsten Zeit zu Theil gewordenen wesentlichen Verbesserungen , namentlich aber auf die neue höchst gelungene Fassung der dortigen Mineralquellen und die Errichtung von Gas- , Schlamm- u. Mutterlaugen-Bäder , so wie in Beziehung auf die vortrefflichen Heilkräfte und verschiedenartigen Wirkungen dieser Mineralquellen und Bäder , verweisen die Unterzeichneten hier nur auf die erst vor kurzem erschienene ausführliche Beschreibung dieses Curortes von dem Hrn. Brunnenarzte Dr. Kirchgeßner , welche Schrift durch jede solide Buchhandlung , so wie direct auch von den Unterzeichneten bezogen werden kann .
Bestellungen wegen Logis für Curgäste bittet man mit Angabe der Ankunft am Curorte direct an die Unterzeichneten gelangen zu lassen .
Bad Bocklet , den 17 Mai 1840 .
Gebrüder Bolzano , königl. Curpächter von Kissingen und Bocklet .
[ 2000 ]
Anzeige
für Theater-Directoren .
In dem unterzeichneten Bureau wird eine Uebersetzung von C. Schütz veröffentlichtem Théàtre Français commissionsweise im Manuscript erscheinen . Sämmtliche Theaterdirectionen Deutschlands werden mit dem Bemerken darauf aufmerksam gemacht , daß sie durch dieses Unternehmen um Anschaffungskosten , die kaum in Betracht kommen werden , jährlich in den Besitz des Manuscriptes von zwölf neuen interessanten Productionen aus dem reichen Schatze der französischen dramatischen Litteratur gelangen können . Welche Direction sich zur Abnahme einer Reihenfolge von zwölf Stücken die in einem Jahre von Monat zu Monat abgeliefert werden , verbindlich macht , hat auf bedeutende Ermäßigung des Preises zu rechnen . Alle nähern Bedingungen deßhalb sind auf frankirte Briefe zu erfahren durch das Theatergeschäftsbureau von
Franz Eduard Hysel in Nürnberg ,
L. L. 762.
[ 1648- 49 ]
Verkaufs-Anzeige .
Eingetretener Familienverhältnisse wegen wünscht sich der Besitzer eines der schönsten und ältesten Etablissement de Café der Schweiz zurückzuziehen , und bietet dasselbe daher aus freier Hand zum Verkauf an . Die vortheilhafte Lage des geräumigen , massiv gebauten , mit großen guten gewölbten Kellern , mit Hofraum , eigenem laufendem Brunnen , Stallung , doppeltem Ausgang versehenen Gebäudes macht dieses Etablissement zum Betrieb eines jeden Industriezweiges besonders empfehlenswerth .
Auswärtige Kaufsliebhaber werden ersucht , sich wegen der Bedingnisse und der näheren Beschreibung der Realitäten in portofreien Briefen zu wenden an
St. Gallen , im Mai 1840 .
Joseph Pollone .