Erſter Act.
Schwarzenberg in Franken.
Herberge.
Metzler, Sievers (Bauern am Tiſche,)
zwey Reutersknechte (beym Feuer,)
Wirth.
Sievers. Haͤnſel, noch ein Glas Brandte-
wein, und meß chriſtlich.
Wirth. Du biſt der Nimmerſatt.
Metzler (leiſe.) Erzaͤhl das noch einmal, vom
Berlichingen, die Bamberger dort aͤrgern ſich ſie
moͤgten ſchwarz werden.
Sievers. Bamberger? Was thun die hier?
Metzler. Der Weislingen iſt oben aufm Schloß
beym Herrn Grafen ſchon zwey Tage, dem haben
ſie das Gleit geben, ich weiß nicht wo er her-
kommt, ſie warten auf ihn, er geht zuruͤck nach
Bamberg.
A 2Sie-
Sievers. Wer iſt der Weislingen?
Metzler. Des Biſchofs rechte Hand, ein ge-
waltiger Herr, der dem Goͤtz auch auf’n Dienſt
lauert.
Sievers. Er mag ſich in Acht nehmen.
Metzler. Jch bitt dich erzaͤhls doch noch ein-
mal!
(laut) Seit wann hat denn der Goͤtz wieder
Haͤndel mit dem Biſchof von Bamberg? Es hies ja,
alles waͤre vertragen und geſchlichtet.
Sievers. Ja, vertrag du mit den Pfaffen. Wie
der Biſchof ſah, er richt nichts aus, und zieht im-
mer den kuͤrzern, kroch er zum Kreuz, und war ge-
ſchaͤftig, daß der Vergleich zu Stand kaͤm. Und
der getreuherzige Berlichingen gab unerhoͤrt nach,
wie er immer thut, wenn er im Vortheil iſt.
Metzler. Gott erhalt ihn! Ein rechtſchaffner Herr!
Sievers. Nun denk, iſt das nicht ſchaͤndlich?
Da werfen ſie ihm einen Buben nieder, da er ſich
nichts weniger verſieht. Wird ſie aber ſchon wie-
der dafuͤr lauſen.
Metzler. Es iſt doch dumm, daß ihm der letzte
Streich mißgluͤckt iſt; er wird ſich garſtig erboſt
haben.
Sievers.
Sievers. Jch glaub nicht, daß ihn lang was
ſo verdroſſen hat. Denk auch, alles war aufs ge-
nauſte verkundſchaft, wann der Biſchof aus dem
Bad kaͤm, mit wie viel Reutern, welchen Weg;
und wenns nicht waͤr durch falſche Leut verrathen
worden, wolt er ihm das Bad geſegnet und ihn
ausgerieben haben.
Erſter Reuter. Was raiſonnirt ihr von un-
ſerm Biſchof? Jch glaub ihr ſucht Haͤndel.
Sievers. Kuͤmmert euch um eure Sachen. Jhr
habt an unſerm Tiſch nichts zu ſuchen.
Zweyter Reuter. Wer heißt euch von unſerm
Biſchof deſpecktirlich reden?
Sievers. Hab ich euch Red und Antwort zu
geben? Seht doch den Fratzen!
Erſter Reuter (ſchlaͤgt ihm hinter die Ohren.)
Metzler. Schlag den Hund todt.
(Sie fallen uͤber einander her.)
Zweyter Reuter. Komm her, wenn du’s Herz haſt.
Wirth. (reißt ſie von einander) Wollen ihr Ruh
haben! Tauſend Schwerenoth: Schert euch naus,
wenn ihr was auszumachen habt. Jn meiner Stub
ſolls ehrlich und ordentlich zugehen.
(Schiebt die
A 3Reuter
Reuter zur Thuͤr hinaus) Und ihr Eſel was fan-
gen ihr an?
Metzler. Nur nit viel geſchimpft Haͤnſel, ſonſt
kommen wir dir uͤber die Glazze. Komm Kamerad
wollen die draus plauen.
Zwey Berlichingiſche Reuter (kommen)
Erſter Reuter. Was giebts da?
Sievers. Ey guten Tag Peter! Veit, guten
Tag! Woher?
Zweyter Reuter. Daß du dich nit unterſtehſt
zu verrathen, wem wir dienen.
Sievers. (leiſe.) Da iſt euer Herr Goͤtz wohl
auch nit weit.
Erſter Reuter. Halt dein Maul! Habt ihr
Haͤndel?
Sievers. Jhr ſeyd den Kerls begegnet draus,
ſind Bamberger.
Erſter Reuter. Was thun die hier?
Metzler. Der Weißlingen iſt droben aufm
Schloß, beym gnaͤdigen Herrn, den haben ſie geleit.
Erſter Reuter. Der Weislingen.
Zweyter Reuter. (leiſe) Peter! das iſt ein ge-
funden Freſſen. Wie lang iſt er da?
Metzler.
Metzler. Schon zwey Tage. Aber er will heut
noch fort, hoͤrt ich einen von den Kerls ſagen.
Erſter Reuter. (leiſe) Sagt ich dir nicht er waͤr
daher? Haͤtten wir dort druͤben eine Weile paſſen
koͤnnen. Komm Veit.
Sievers. Helft uns doch erſt die Bamberger
auspruͤgeln.
Zweyter Reuter. Jhr ſeyd ja auch zu zwey. Wir
muͤſſen fort. Adies.
(ab.)
Sievers. Scheiskerle die Reuter, wann man
ſie nit bezahlt, thun ſie dir keinen Streich.
Metzler. Jch wollt ſchwoͤren ſie haben einen
Anſchlag. Wem dienen ſie?
Sievers. Jch ſolls nit ſagen. Sie dienen dem
Goͤtz.
Metzler. So! Nun wollen wir uͤber die draus.
Komm, ſo lang ich einen Bengel hab, fuͤrcht ich
ihre Bratſpieſe nicht.
Metzler. Duͤrften wir nur ſo einmal an die
Fuͤrſten, die uns die Haut uͤber die Ohren ziehen.
A 4Herberge
Herberge im Wald.
Goͤtz (vor der Thuͤre unter der Linde.)
Wo meine Knechte bleiben. Auf und ab muß ich ge-
hen, ſonſt uͤbermannt mich der Schlaf. Fuͤnf Tag und
Naͤchte ſchon auf der Lauer. Es wird einem ſauer
gemacht, das bißgen Leben und Freyheit. Dafuͤr,
wenn ich dich habe Weißlingen, will ich mirs wohl
ſeyn laſſen.
(ſchenkt ein) Wieder leer! Georg! So
langs daran nicht mangelt, und an friſchem Muth,
lach ich der Fuͤrſten Herrſchſucht und Raͤnke. Georg!
Schickt ihr nur euren gefaͤlligen Weislingen herum
zu Vettern und Gevattern, laßt mich anſchwaͤrzen.
Nur immerzu. Jch bin wach. Du warſt mir ent-
wiſcht Biſchof! So mag denn dein lieber Weis-
lingen die Zeche bezahlen. Georg! hoͤrt der Junge
nicht! Georg! Georg!
Der Bub (im Panzer eines Erwachſenen.)
Geſtrenger Herr!
Goͤtz. Wo ſtickſt du! Haſt du geſchlafen. Was
zum Henker treibſt du fuͤr Mummerey. Komm her
du ſiehſt gut aus. Schaͤm dich nicht Junge. Du
biſt brav! ja, wenn du ihn ausfuͤllteſt. Es iſt
Hannſens Kuͤras?
Georg.
Georg. Er wollt ein wenig ſchlafen, und ſchnallt
ihn aus.
Goͤtz. Er iſt bequemer als ſein Herr.
Georg. Zuͤrnt nicht. Jch nahm ihn leiſe weg-
und legt ihn an, und hohlt meines Vaters altes
Schwerdt von der Wand, lief auf die Wieſe uud
zogs aus.
Goͤtz. Und hiebſt um dich herum? Da wirds
den Hecken und Dornen gut gegangen ſeyn. Schlaͤft
Hanns?
Georg. Auf euer Rufen ſprang er auf und
ſchrie mir, daß ihr rieft. Jch wollt ihn ausſchnal-
len, da hoͤrt ich euch zwey dreymal.
Goͤtz. Geh! bring ihm ſeinen Panzer wieder,
und ſag ihm, er ſoll bereit ſeyn, ſoll nach den Pfer-
den ſehen.
Georg. Die hab ich recht ausgefuͤttert, und
wieder aufgezaͤumt. Jhr koͤnnt aufſitzen wann ihr
wollt.
Goͤtz. Bring mir einen Krug Wein, gieb Hann-
ſen auch ein Glas, ſag ihm, er ſoll munter ſeyn,
es gilt. Jch hoffe jeden Augenblick meine Kund-
ſchafter ſollen zuruͤck kommen.
Georg. Ach geſtrenger Herr!
A 5Goͤtz.
Goͤtz. Was haſt du?
Georg. Darf ich nicht mit?
Goͤtz. Ein andermal Georg, wann wir Kauf-
leute fangen und Fuhren weg nehmen.
Georg. Ein andermal, das habt ihr ſchon oft
geſagt, o diesmal, diesmal. Jch will nur hinten
drein laufen, nur auf der Seite lauren. Jch will
euch die verſchoſſene Bolzen wieder holen.
Goͤtz. Das naͤchſte mal Georg. Du ſollſt erſt
einen Wams haben, eine Blechhaube, und einen
Spies.
Georg. Nehmet mich mit. Waͤr ich letzt da-
bey geweſen, ihr haͤttet die Armbruſt nicht verlohren.
Goͤtz. Weißt du das?
Georg. Jhr warft ſie dem Feind an Kopf,
und einer von den Fußknechten hub ſie auf, weg
war ſie. Gelt ich weiß.
Goͤtz. Erzaͤhlen dir das meine Knechte.
Georg. Wohl. Dafuͤr pfeif ich ihnen auch,
wenn wir die Pferde ſtriegeln, allerley Weiſen, und
lerne ſie allerley luſtige Lieder.
Goͤtz. Du biſt ein braver Junge.
Georg. Nehmt mich mit, daß ich’s zeigen kann.
Goͤtz.
Goͤtz. Das naͤchſtemal, auf mein Wort. Un-
bewafnet wie du biſt, ſollſt du nicht in Streit. Die
kuͤnftigen Zeiten brauchen auch Maͤnner. Jch ſage
dir Knabe, es wird eine theure Zeit werden, Fuͤr-
ſten werden ihre Schaͤtze bieten um einen Mann den
ſie jetzt haſſen. Geh Georg, gieb Hanſen ſeinen
Kuͤras wieder, und bring mir Wein.
(Georg ab)
Wo meine Knechte bleiben! Es iſt unbegreiflich. Ein
Moͤnch! Wo kommt der noch her?
Bruder Martin (kommt.)
Goͤtz. Ehrwuͤrdiger Vater, guten Abend! wo-
her ſo ſpaͤt? Mann der heiligen Ruhe, ihr beſchaͤmt
viel Ritter.
Martin. Dank euch edler Herr! Und bin vor
der Hand nur demuͤthiger Bruder, wenns ja Titul
ſeyn ſoll. Auguſtin mit meinem Kloſternamen, doch
hoͤr ich am liebſten Martin meinen Taufnamen.
Goͤtz. Jhr ſeyd muͤd Bruder Martin, und oh-
ne Zweifel durſtig!
(Der Bub kommt.)
Goͤtz. Da kommt der Wein eben recht.
Martin. Fuͤr mich einen Trunk Waſſer. Jch
darf keinen Wein trinken.
Goͤtz. Jſt das euer Geluͤbde?
Mar-
Martin. Nein gnaͤdiger Herr, es iſt nicht wi-
der mein Geluͤbde Wein zu trinken; weil aber der
Wein wider mein Geluͤbde iſt; ſo trinke ich keinen
Wein.
Goͤtz Wie verſteht ihr das?
Martin. Wohl euch, daß ihr’s nicht verſteht.
Eſſen uud trinken meyn ich, iſt des Menſchen Leben.
Goͤtz. Wohl!
Martin. Wenn ihr geſſen und trunken habt, ſeyd
ihr wie neu gebohren. Seyd ſtaͤrker, muthiger, ge-
ſchickter zu eurem Geſchaͤft. Der Wein erfreut des
Menſchen Herz, und die Freudigkeit iſt die Mutter
aller Tugenden. Wenn ihr Wein getrunken habt,
ſeyd ihr alles doppelt, was ihr ſeyn ſollt, noch ein-
mal ſo leicht denkend, noch einmal ſo unternehmend,
noch einmal ſo ſchnell ausfuͤhrend.
Goͤtz. Wie ich ihn trinke, iſt es wahr.
Martin. Davon red ich auch. Aber wir —
Georg. (mit Waſſer)
Goͤtz. (zu Georg heimlich.) Geh auf den Weg
nach Dachsbach, und leg dich mit dem Ohr auf
die Erde, ob du nicht Pferde kommen hoͤrſt, und
ſey gleich wieder hier.
Martin.
Martin. Aber wir, wenn geſſen und trunken
haben, ſind wir grad das Gegentheil von dem,
was wir ſeyn ſollen. Unſere ſchlaͤfrige Verdauung
ſtimmt den Kopf nach dem Magen, und in der
Schwaͤche einer uͤberfuͤllten Ruhe erzeugen ſich Be-
gierden, die ihrer Mutter leicht uͤber den Kopf
wachſen.
Goͤtz. Ein Glas, Bruder Martin, wird euch
nicht im Schlaf ſtoͤren. Jhr ſeyd heute viel gegan-
gen.
(bringts ihm) Alle Streiter!
Martin. Jn Gottes Namen,
(ſie ſtoſen an)
ich kann die muͤßige Leut nicht ausſtehen, und doch
kann ich nicht ſagen, daß alle Moͤnche moͤßig ſind,
ſie thun was ſie koͤnnen. Da komm ich von St.
Veit, wo ich die letzte Nacht ſchlief. Der Prior
fuͤhrte mich in Garten, das iſt nun ihr Bienenkorb.
Fuͤrtreflicher Salat! Kohl nach Herzens Luſt! Und
beſonders Blumenkohl und Artiſchocken, wie keine
in Europa!
Goͤtz. Das iſt alſo eure Sache nicht.
(Er ſteht
auf ſieht nach dem Jungen und kommt wieder.)
Martin. Wollte, Gott haͤtte mich zum Gaͤrt-
ner oder Laboranten gemacht, ich koͤnnte gluͤcklich
ſeyn. Mein Abt liebt mich, mein Kloſter iſt Er-
furt
furt in Sachſen, er weis ich kann nicht ruhn, da
ſchickt er mich herum, wo was zu betreiben iſt. Jch
geh zum Biſchof von Conſtanz.
Goͤtz. Noch eins! Gute Verrichtung!
Martin. Gleichfalls!
Goͤtz. Was ſeht ihr mich ſo an, Bruder?
Martin. Daß ich in euren Harniſch verliebt bin.
Goͤtz. Haͤttet ihr Luſt zu einem? Es iſt ſchwer
und beſchwerlich ihn zu trageu.
Martin. Was iſt nicht beſchwerlich auf dieſer
Welt, und mir kommt nichts beſchwerlicher vor, als
nicht Menſch ſeyn duͤrfen. Armuth, Keuſchheit und
Gehorſam. Drey Geluͤbde, deren jedes, einzeln
betrachtet, der Natur das unausſtehlichſte ſcheint,
ſo unertraͤglich ſind ſie alle. Und ſein ganzes Leben
unter dieſer Laſt, oder der weit druͤckendern Buͤrde
des Gewiſſens muthlos zu keichen! O Herr! was
ſind die Muͤhſeligkeiten eures Lebens, gegen die
Jaͤmmerlichkeiten eines Stands, der die beſten
Triebe, durch die wir werden, wachſen und gedeyen,
aus mißverſtandner Begierde Gott naͤher zu ruͤcken,
verdammt.
Goͤtz.
Goͤtz. Waͤre euer Geluͤbde nicht ſo heilig, ich
wollte euch bereden einen Harniſch anzulegen, wollt
euch ein Pferd geben, und wir zoͤgen mit einander.
Martin. Wollte Gott, meine Schultern fuͤhl-
ten ſich Kraft, den Harniſch zu ertragen, und mein
Arm die Staͤrke, einen Feind vom Pferd zu ſte-
chen! — Arme ſchwache Hand, von je her ge-
woͤhnt Kreuze und Friedensfahnen zu fuͤhren, und
Rauchfaͤſſer zu ſchwingen, wie wollteſt du Lanze und
Schwerdt regieren? Meine Stimme, nur zu Ave
und Halleluja geſtimmt, wuͤrde dem Feind ein He-
rold meiner Schwoͤche ſeyn, wenn ihn die eurige
uͤberwaͤltigte. Kein Geluͤbde ſollte mich abhalten,
wieder in den Orden zu treten, den mein Schoͤpfer
ſelbſt geſtiftet hat.
Goͤtz. Gluͤckliche Retour!
Martin. Das trinke ich nur fuͤr euch. Wie-
derkehr in meinen Kaͤfig, iſt allemal ungluͤcklich.
Wenn ihr wiederkehrt Herr, in eure Mauren, mit
dem Bewußtſeyn eurer Tapferkeit und Staͤrke, der
keine Muͤdigkeit etwas anhaben kann, euch zum er-
ſtenmal nach langer Zeit, ſicher fuͤr feindlichem Ue-
berfall, entwafnet auf euer Bette ſtreckt, und euch
nach
nach dem Schlaf dehnt, der euch beſſer ſchmeckt,
als mir der Trunk, nach langem Durſt; da koͤnnt
ihr von Gluͤck ſagen!
Goͤtz. Davor kommts auch ſelten.
Martin. (feuriger) Und iſt wenns kommt, ein
Vorſchmack des Himmels. — Wenn ihr zuruͤck
kehrt mit der Beute eurer Feinde beladen, und euch
erinnert: den ſtach ich vom Pferd, eh er ſchieſen
konnte, und den rannt ich ſamt dem Pferd nieder,
und dann reitet ihr zu eurem Schloß hinauf,
und —
Goͤtz. Was meynet ihr?
Martin. Und eure Weiber!
(er ſchenkt ein)
Auf Geſundheit eurer Frau!
(er wiſcht ſich die Au-
gen) Jhr habt doch eine?
Goͤtz. Ein edles fuͤrtrefliches Weib!
Martin. Wohl dem, der ein tugendſam Weib
hat! des lebet er noch eins ſo lang. Jch kenne
keine Weiber, und doch war die Frau die Krone
der Schoͤpfung.
Goͤtz. (vor ſich) Er dauert mich! Das Ge-
fuͤhl ſeines Standes frißt ihm das Herz.
Georg.
Georg. (geſprungen) Herr! ich hoͤre Pferde
im Galopp! Zwey! Es ſind ſie gewiß.
Goͤtz. Fuͤhr mein Pferd heraus, Hanns ſoll
aufſitzen. Lebt wohl theurer Bruder, Gott geleit
euch. Seyd muthig und gedultig. Gott wird euch
Raum geben.
Martin. Jch bitt um euren Namen.
Goͤtz. Verzeiht mir. Lebt wohl.
(er reicht
ihm die linke Hand)
Martin. Warum reicht ihr mir die Linke? Bin
ich die ritterliche Rechte nicht werth.
Goͤtz. Und wenn ihr der Kayſer waͤrt, ihr muͤß-
tet mit dieſer vorlieb nehmen. Meine Rechte, ob-
gleich im Kriege nicht unbrauchbar, iſt gegen den
Druck der Liebe unempfindlich. Sie iſt eins mit
ihrem Handſchuh, ihr ſeht, er iſt Eiſen.
Martin. So ſeyd ihr Goͤtz von Berlichingen!
Jch danke dir Gott, daß du mich ihn haſt ſehen
laſſen, dieſen Mann den die Fuͤrſten haſſen, und zu
dem die Bedraͤngten ſich wenden.
(er nimmt ihm
die rechte Hand) Laßt mir dieſe Hand, laßt mich ſie
kuͤſſen.
Goͤtz. Jhr ſollt nicht.
BMartin.
Martin. Laßt mich. Du mehr werth als Re-
liquienhand, durch die das heiligſte Blut gefloſſen
iſt, todtes Werkzeug, belebt durch des edelſten
Geiſtes Vertrauen auf Gott!
Goͤtz (ſetzt den Helm auf und nimmt die Lanze.)
Martin. Es war ein Moͤnch bey uns vor Jahr
und Tag, der euch beſuchte, wie ſie euch abgeſchoſ-
ſen ward vor Landshut, wie er uns erzaͤhlte, was
ihr littet, und wie ſehr es euch ſchmerzte, zu eu-
rem Beruf verſtuͤmmelt zu ſeyn, und wie euch ein-
fiel, von einem gehoͤrt zu haben, der auch nur eine
Hand hatte, und als tapferer Reutersmann doch
noch lange diente. Jch werde das nie vergeſſen.
Die zwey Knechte (kommen.)
Goͤtz. (zu ihnen. Sie reden heimlich.)
Martin. (faͤhrt inzwiſchen fort.) Jch werde
das nie vergeſſen, wie er im edelſten einfaͤltigſten
Vertrauen auf Gott ſprach: und wenn ich zwoͤlf
Haͤnd haͤtte, und deine Gnad wollt mir nicht, was
wuͤrden ſie mir fruchten, ſo kann ich mit Einer —
Goͤtz. Jn den Haslacher Wald alſo.
(kehrt ſich
zu Martin) Lebt wohl werther Bruder Martin.
(er
kuͤßt ihn.)
Martin.
Martin. Vergeßt mein nicht, wie ich eurer
nicht vergeſſe.
(Goͤtz ab.)
Martin. Wie mir’s ſo eng um’s Herz ward,
da ich ihn ſah. Er redete nichts, und mein Geiſt
konnte doch Seinigen unterſcheiden. Es iſt eine
Wolluſt, einen großen Mann zu ſehn.
Georg. Ehrwuͤrdiger Herr, ihr ſchlaft doch
bey uns?
Martin. Kann ich ein Bett haben?
Georg. Nein Herr! Jch kenne Better nur vom
Hoͤrenſagen, in unſrer Herberg iſt nichts als Stroh.
Martin. Auch gut. Wie heißt du?
Georg. Georg, ehrwuͤrdiger Herr!
Martin. Georg! da haſt du einen tapfern Pa-
tron.
Georg. Sie ſagen er waͤre ein Reuter geweſen,
das will ich auch ſeyn.
Martin. Warte.
(er zieht ein Gebetbuch her-
vor, und giebt dem Buben einen Heiligen) Da
haſt du ihn. Folge ſeinem Beyſpiel, ſey brav und
fuͤrchte Gott.
(Martin geht.)
Georg. Ach ein ſchoͤner Schimmel, wenn ich
einmal ſo einen haͤtte! — und die goldene Ruͤ-
B 2ſtung!
ſtung! — Das iſt ein garſtiger Drach — Jetzt
ſchies ich nach Sperlingen — Heiliger Georg!
mach mich groß und ſtark, gieb mir ſo eine Lanze,
Ruͤſtung und Pferd, dann laß mir die Drachen
kommen.
Jaxthauſſen.
Goͤtzens Burg.
Eliſabeth, (ſeine Frau,) Maria, (ſeine
Schweſter,) Carl, (ſein Soͤhngen.)
Carl. Jch bitte dich, liebe Tante, erzaͤhl mir
das noch einmal vom frommen Kind, ’s is gar zu
ſchoͤn.
Maria. Erzaͤhl du mirs kleiner Schelm, da will
ich hoͤren ob du Acht giebſt.
Carl. Wart e bis, ich will mich bedenken —
Es war einmal — ja — es war einmal ein Kind,
und ſein Mutter war krank, da gieng das Kind hin.
Maria. Nicht doch. Da ſagte die Mutter, lie-
bes Kind —
Carl. Jch bin krank.
Maria. Und kann nicht ausgehn.
Carl.
Carl. Und gab ihm Geld und ſagte, geh hin,
und hol dir ein Fruͤhſtuͤck. Da kam ein armer Mann.
Maria. Das Kind ging, da begegnet ihm ein
alter Mann der war — nun Carl!
Carl. Der war — alt.
Maria. Freylich! Der kaum mehr gehen konn-
te, und ſagte: liebes Kind —
Carl. Schenk mir was, ich hab kein Brod geſ-
ſen geſtern und heut, da gab ihm’s Kind das Geld.
Maria. Das fuͤr ſein Fruͤhſtuͤck ſeyn ſollte.
Carl. Da ſagte der alte Mann —
Maria. Da nahm der alte Mann, das Kind —
Carl. Bey der Hand, und ſagte, und ward ein
ſchoͤner glaͤnziger Heiliger, und ſagte: Liebes Kind —
Maria. Fuͤr deine Wohlthaͤtigkeit, belohnt dich
die Mutter Gottes durch mich, welchen Kranken du
anruͤhrſt —
Carl. Mit der Hand — es war die rechte glaub
ich.
Maria. Ja.
Carl. Der wird gleich geſund.
Maria. Da lief’s Kind nach Haus, und konnt
fuͤr Freuden nichts reden.
B 3Carl.
Carl. Und fiel ſeiner Mutter um den Hals,
und weinte fuͤr Freuden —
Maria. Da rief die Mutter, wie iſt mir! und
war — nun Carl.
Carl. Und war — und war —
Maria. Du giebſt ſchon nicht Acht. — und war
geſund. Und das Kind kurirte Koͤnig und Kayſer,
und wurde ſo reich, daß es ein großes Kloſter bauete.
Eliſabeth. Jch kann nicht begreifen wo mein
Herr bleibt. Schon fuͤnf Tag und Naͤchte, daß er
weg iſt, und er hofte ſo bald ſeinen Streich auszu-
fuͤhren.
Maria. Mich aͤngſtigts lang. Wenn ich ſo ei-
nen Mann haben ſollte, der ſich immer Gefahren
ausſetzte, ich ſtuͤrbe im erſten Jahr.
Eliſabeth. Dafuͤr dank ich Gott, daß er mich
haͤrter zuſammen geſetzt hat.
Carl. Aber muß dann der Papa ausreiten,
wenn’s ſo gefaͤhrlich iſt?
Maria. Es iſt ſein guter Wille ſo.
Eliſabeth. Wohl muß er lieber Carl.
Carl. Warum?
Eliſabeth. Weißt du noch, wie er das letzte mal
ausritt, da er dir Weck mitbrachte.
Carl.
Carl. Bringt er mir wieder mit?
Eliſabeth. Jch glaub wohl. Siehſt du, da war
ein Schneider von Stuttgard, der war ein treflicher
Bogenſchuͤtz, und hatte zu Coͤlln aufm Schieſen
das Beſte gewonnen.
Carl. Wars viel?
Eliſabeth. Hundert Thaler. Und darnach woll-
ten ſie’s ihm nicht geben.
Maria. Gelt, das iſt garſtig Carl.
Carl. Garſtige Leut!
Eliſabeth. Da kam der Schneider zu deinem
Vater und bat ihn, er moͤgte ihm zu ſeinem Geld
verhelfen. Und da ritt er aus und nahm den Coͤll-
nern ein paar Kaufleute weg und plagte ſie ſo lang
bis ſie das Geld heraus gaben. Waͤrſt du nicht
auch ausgeritten?
Carl. Nein, da muß man durch einen dicken
dicken Wald, ſind Zigeuner und Hexen drinn.
Eliſabeth. Js ein rechter Purſch, fuͤrcht ſich
vor Hexen.
Maria. Du thuſt beſſer Carl, leb du einmal
auf deinem Schloß, als ein frommer chriſtlicher
Ritter. Auf ſeinen eigenen Guͤtern findet man zum
B 4Wohl-
Wohlthun Gelegenheit genug. Die rechtſchaffenſten
Ritter begehen mehr Ungerechtigkeit als Gerechtig-
keit auf ihren Zuͤgen.
Eliſabeth. Schweſter du weißt nicht was du
redſt. Gebe nur Gott daß unſer Junge mit der Zeit
braver wird, und dem Weislingen nicht nachſchlaͤgt,
der ſo treulos an meinem Mann handelt.
Maria. Wir wollen nicht richten Eliſabeth.
Mein Bruder iſt ſehr erbittert, du auch. Jch bin
bey der ganzen Sache mehr Zuſchauer, und kann
billiger ſeyn.
Eliſabeth. Er iſt nicht zu entſchuldigen.
Maria. Was ich von ihm gehoͤrt, hat mich ein-
genommen. Erzaͤhlte nicht ſelbſt dein Mann ſo viel
Liebs und Guts von ihm! Wie gluͤcklich war ihre
Jugend als ſie zuſammen Edelknaben des Marggra-
fen waren.
Eliſabeth. Das mag ſeyn. Nur ſag, was kann
der Menſch je Gutes gehabt haben, der ſeinem beſten
treuſten Freunde nachſtellt, ſeine Dienſte den Fein-
den meines Manns verkauft, und unſern treflichen
Kayſer, der uns ſo gnaͤdig iſt, mit falſchen widri-
gen Vorſtellungen einzunehmen ſucht.
Carl.
Carl. Der Papa! Der Papa! Der Thuͤrner
blaͤſt’s Liedel: Heyſa machs Thor auf.
Eliſabeth. Da kommt er mit Beute.
Ein Reuter (kommt.)
Reuter. Wir haben gejagt! wir haben ge-
gefangen! Gott gruͤß euch edle Frauen.
Eliſabeth. Habt ihr den Weislingen?
Reuter. Jhn und drey Reuter.
Eliſabeth. Wie giengs zu, daß ihr ſo lang bleibt?
Reuter. Wir laureten auf ihn zwiſchen Nuͤrn-
berg und Bamberg, er wollte nicht kommen, und
wir wußten doch er war auf der Wege. Endlich
kundſchaften wir ihn aus, er war ſeitwaͤrts gezo-
gen, und ſaß geruhig beym Grafen auf Schwar-
zenberg.
Eliſabeth. Den moͤchten ſie auch gern meinem
Mann feind haben.
Reuter. Jch ſagts gleich dem Herrn. Auf! und
wir ritten in Haslacher Wald. Und da wars kurios,
wie wir ſo in die Nacht reiten, huͤtt’ juſt ein Schaͤfer
da, und fallen fuͤnf Woͤlf in die Heerd, und packten
weidlich an. Da lachte unſer Herr und ſagte: Gluͤck
zu lieben Geſellen, Gluͤck uͤberall und uns auch.
Und es freuet’ uus auch das gute Zeichen. Jndem
B 5ſo
ſo kommt der Weislingen hergeritten mit vier
Knechten.
Maria. Das Herz zittert mir im Leibe.
Reuter. Jch und mein Kamerad, wie’s der
Herr befohlen hatte, niſtelten uns an ihn als waͤren
wir zuſammen gewachſen, daß er ſich nicht regen
noch ruͤhren konnte, und der Herr und der Hanns
fielen uͤber die Knechte her und nahmen ſie in Pflicht.
Einer iſt entwiſcht.
Eliſabeth. Jch bin neugierig ihn zu ſehn. Kom-
men ſie bald?
Reuter. Sie reiten das Thal herauf, in einer
viertel Stund ſind ſie hier.
Maria. Er wird niedergeſchlagen ſeyn.
Reuter. Finſter gnug ſieht er aus.
Maria. Sein Anblick wird mir im Herzen weh
thun.
Eliſabeth. Ah! — Jch will gleich’s Eſſen zu
recht machen. Hungrig werdet ihr doch all ſeyn.
Reuter. Rechtſchaffen.
Eliſabeth. Nimm die Kellerſchluͤſſel und hol vom
beſten Wein, ſie haben ihn verdient.
(Eliſabeth ab.)
Carl. Jch will mit Tante.
Maria. Komm Burſch.
(ab.)
Reu-
Reuter. Der wird nicht ſein Vater, ſonſt gieng
er mit in Stall.
Goͤtz. Weislingen.
Reutersknechte.
Goͤtz. (Helm und Schwerdt auf den Tiſch legend)
Schnallt mir den Harniſch auf, und gebt mir mei-
nen Wamms. Die Bequemlichkeit wird mir wohl
thun, Bruder Martin du ſagteſt recht. Jhr habt
uns im Athem erhalten Weislingen.
Weislingen. (antwortet nichts, auf und abge-
hend.)
Goͤtz. Seyd guten Muths. Kommt entwaffnet
euch. Wo ſind eure Kleider, ich hoffe, es ſoll nichts
verlohren gangen ſeyn.
(zum Knecht)
Fragt ſeine Knechte und oͤfnet das Gepaͤcke, und
ſeht zu, daß nichts abhanden komme. Jch koͤnnt
euch auch von den meinigen borgen.
Weislingen. Laßt mich ſo, es iſt all eins.
Goͤtz. Koͤnnt euch ein huͤbſches ſaubres Kleid
geben, iſt zwar nur leinen. Mir iſt’s zu eng wor-
den. Jch hats auf der Hochzeit meines gnaͤdigen
Herrn des Pfalzgrafen an, eben damals als euer
Biſchoff
Biſchoff ſo giftig uͤber mich wurde. Jch hatt’ ihm
vierzehn Tag vorher, zwey Schiff auf dem Mayn
nieder geworfen. Und ich geh mit Franzen von
Sickingen im Wirthshauß zum Hirſch in Haidelberg
die Trepp hinauf. Eh’ man noch ganz droben iſt,
iſt ein Abſatz und ein eiſern Gelaͤnderlein, da ſtund
der Biſchoff und gab Franzen die Hand, wie er
vorbey gieng, und gab ſie mir auch, wie ich hin-
ten drein kam. Jch lacht in meinem Herzen, und
gieng zum Landgrafen von Hanau, der mir ein gar
lieber Herr war, und ſagte: Der Biſchoff hat mir
die Hand geben, ich wett er hat mich nicht gekannt.
Das hoͤrt der Biſchoff, denn ich redt laut mit Fleis,
und kam zu uns trotzig — und ſagte: Wohl, weil
ich euch nicht kannt hab, gab ich euch die Hand.
Da ſagt ich: Herre ich merkts wohl, daß ihr mich
nicht kanntet, und hiermit habt ihr eure Hand wieder.
Da wurd’s Maͤnnlin ſo roth am Hals wie ein Krebs
vor Zorn, und lief in die Stube zu Pfalzgraf Lud-
wig und dem Fuͤrſten von Naſſau und klagt’s ihnen.
Wir haben nachher uns oft was druͤber zu gute
gethan.
Weislingen. Jch wollt ihr ließt mich allein.
Goͤtz.
Goͤtz. Warum das? Jch bitt euch ſeyd aufge-
raͤumt. Jhr ſeyd in meiner Gewalt, und ich werd
ſie nicht mißbrauchen.
Weislingen. Dafuͤr war mirs noch nicht bange.
Das iſt eure Ritterpflicht.
Goͤtz. Und ihr wißt, daß die mir heilig iſt.
Weislingen. Jch bin gefangen und das uͤbrige
iſt eins.
Goͤtz. Jhr ſolltet nicht ſo reden. Wenn ihr’s
mit Fuͤrſten zu thun haͤttet, und ſie euch in tiefen
Turn an Ketten aufhiengen, und der Waͤchter euch
den Schlaf wegpfeifen muͤßte.
Die Knechte mit den Kleidern.
Weislingen (legt ſich aus und an)
Carl (kommt.)
Carl. Guten Morgen Papa.
Goͤtz (kuͤßt ihn.) Guten Morgen Junge. Wie
habt ihr die Zeit gelebt?
Carl. Recht geſchickt Papa! Die Tante ſagt:
ich ſey recht geſchickt.
Goͤtz. So.
Carl. Haſt du mir was mit gebracht?
Goͤtz. Diesmal nicht.
Carl.
Carl. Jch hab viel gelernt.
Goͤtz. Ey!
Carl. Soll ich dir vom frommen Kind erzaͤhlen?
Goͤtz. Nach Tiſch.
Carl. Jch weis noch was.
Goͤtz. Was wird das ſeyn?
Carl. Jaxthauſſen iſt ein Dorf und Schloß an
der Jaxt, gehoͤrt ſeit zwey hundert Jahren denen
Herrn von Berlichingen erb und eigenthuͤmlich zu.
Goͤtz. Kennſt du den Herrn von Berlichingen.
Carl. (ſieht ihn ſtarr an)
Goͤtz. (vor ſich) Er kennt wohl fuͤr lauter
Gelehrſamkeit ſeinen Vater nicht. — Wem ge-
hoͤrt Jaxthauſſen?
Carl. Jaxthauſſen iſt ein Dorf und Schloß an
der Jaxt.
Goͤtz. Das frag ich nicht. — Jch kannte
alle Pfade, Weg und Furthen, eh’ ich wuſt wie
Fluß, Dorf und Burg hies. — Die Mutter iſt
in der Kuͤch?
Carl. Ja Papa! Sie kocht weiſe Ruͤben und
ein Lammsbraten.
Goͤtz.
Goͤtz. Weißt du’s auch, Hanns Kuͤchenmeiſter?
Carl. Und vor mich zum Nachtiſch, hat die
Tante einen Apfel gebraten.
Goͤtz. Kannſt du ſie nicht roh eſſen?
Carl. Schmeckt ſo beſſer.
Goͤtz. Du mußt immer was apartes haben.
— Weislingen! ich bin gleich wieder bey euch.
Jch muß meine Frau doch ſehn. Komm mit Carl.
Carl. Wer iſt der Mann?
Goͤtz. Gruͤs’ ihn. Bitt ihn er ſoll luſtig ſeyn.
Carl. Da Mann! Haſt du eine Hand, ſey
luſtig, das Eſſen iſt bald fertig.
Weislingen. (hebt ihn in die Hoͤh und kuͤßt ihn)
Gluͤckliches Kind! Das kein Uebel kennt, als
wenn die Suppe lang ausbleibt. Gott laß euch
viel Freud am Knaben erleben, Berlichingen!
Goͤtz. Wo viel Licht iſt, iſt ſtarker Schatten —
doch waͤr mirs willkommen. Wollen ſehn was es
giebt.
(Sie gehn.)
Weislingen. O daß ich aufwachte! Und das
alles waͤre ein Traum! Jn Berlichingens Gewalt,
von dem ich mich kaum los gearbeitet hatte, deſſen
Andenken ich mied wie Feuer, de ich hoffte zu
uͤberwaͤltigen! Und er — der alte treuherzige Goͤtz!
Heili-
Heiliger Gott, was will aus dem allen werden!
Ruͤckgefuͤhrt Adelbert in den Saal! wo wir als
Buben unſere Jagd trieben. Da du ihn liebteſt,
an ihm hiengſt wie an deiner Seele. Wer kann ihm
nahen und ihn haſſen? Ach! Jch bin ſo ganz nichts
hier. Gluͤckſelige Zeiten ſeyd vorbey, da noch der
alte Berlichingen hier am Camin ſaß, da wir um
ihn durch einander ſpielten, und uns liebten wie
die Engel. Wie wird ſich der Biſchof aͤngſtigen,
und meine Freunde. Jch weis, das ganze Land
nimmt Theil an meinem Unfall. Was iſt’s! Koͤn-
nen ſie mir geben wornach ich ſtrebe.
Goͤtz (mit einer Flaſche Wein und Becher.)
Goͤtz. Biß das Eſſen fertig wird, wollen wir eins
trinken. Kommt ſetzt euch, thut als wenn ihr zu
Hauſe waͤrt. Denkt, ihr ſeyd wieder einmal beym
Goͤtz. Haben doch lange nicht beyſammen geſeſſen,
lang keine Flaſche mit einander ausgeſtochen.
(bringts ihm) Ein froͤlich Herz!
Weislingen. Die Zeiten ſind vorbey.
Goͤtz. Behuͤte Gott. Zwar vergnuͤgtere Tage
werden wir wohl nicht wieder finden, als an des
Margrafens Hof, da wir noch beyſammen ſchliefen,
und mit einander herum zogen. Jch erinnere mich
mit
mit Freuden meiner Jugend. Wißt ihr noch, wie
ich mit dem Polacken Haͤndel kriegte, dem ich ſein
gepicht und gekraͤuſelt Haar von ohngefaͤhr mit dem
Ermel verwiſchte?
Weislingen. Es war bey Tiſche, und er ſtach
nach euch mit dem Meſſer.
Goͤtz. Den ſchlug ich wacker aus dazumal,
und daruͤber wurdet ihr mit ſeinem Camerad zu
Unfried. Wir hielten immer redlich zuſammen als
gute brave Jungens, dafuͤr erkennte uns auch ie-
dermann.
(ſchenkt ein und bringts) Caſtor und
Pollux! Mir thats immer im Herzen wohl, wenn
uns der Margraf ſo zutrank.
Weisling. Der Biſchoff von Wuͤrzburg hatte es
aufgebracht.
Goͤtz. Das war ein gelehrter Herr, und da-
bey ſo leutſelig. Jch erinnere mich ſeiner ſo lange
ich lebe, wie er uns liebkoſte, unſere Eintracht lob-
te, und den Menſchen gluͤcklich pries, der ein Zwil-
lingsbruder ſeines Freund’s waͤre.
Weisling. Nichts mehr davon.
Goͤtz. Warum nicht. Nach der Arbeit wuͤßt
ich nichts angenehmers, als mich des Vergangenen
Czu
zu erinnern. Freylich, wenn ich wieder ſo bedenke,
wie wir Liebs und Leids zuſammen trugen, einan-
der alles waren, und wie ich damals waͤhnte, ſo
ſollts unſer ganzes Leben ſeyn. War das nicht all
mein Troſt wie mir dieſe Hand weggeſchoſſen ward
vor Landshut, und du mein pflegteſt, und mehr
als Bruder fuͤr mich ſorgteſt, ich hofte Adelbert
wird kuͤnftig meine rechte Hand ſeyn. Und nun —
Weisling. Oh!
Goͤtz. Wenn du mir damals gefolgt haͤtteſt, da
ich dir anlag mit nach Brabant zu ziehen, es waͤre
alles gut geblieben. Da hielt dich das ungluͤckliche
Hofleben, und das Schlenzen und Scharwenzen
mit den Weibern. Jch ſagt es dir immer, wenn
du dich mit den eitlen garſtigen Vetteln abgabſt,
und ihnen erzaͤhlteſt von mißvergnuͤgten Ehen, ver-
fuͤhrten Maͤdgen, der rauhen Haut einer dritten,
oder was ſie ſonſt gerne hoͤren, du wirſt ein Spitz-
bub, ſagt ich, Adelbert.
Weisling. Wozu ſoll das alles.
Goͤtz. Wollte Gott ich koͤnnts vergeſſen, oder
es waͤr anders. Biſt du nicht eben ſo frey, ſo edel
gebohren als einer in Teutſchland, unabhaͤngig, nur
dem
dem Kayſer unterthan, und du ſchmiegſt dich unter
Vaſallen. Was haſt du von dem Biſchoff? Weil
er dein Nachbar iſt? Dich necken koͤnnte? Haſt du
nicht Arme und Freunde, ihn wieder zu necken?
Verkennſt den Werth eines freyen Rittersmanns,
der nur abhaͤngt von Gott, ſeinem Kayſer und ſich
ſelbſt, verkriechſt dich zum erſten Hofſchranzen eines
eigenſinnigen neidiſchen Pfaffen.
Weislingen. Laßt mich reden.
Goͤtz. Was haſt du zu ſagen?
Weislingen. Du ſiehſt die Fuͤrſten an, wie
der Wolf den Hirten. Und doch, darfſt du ſie
ſchelten, daß ſie ihrer Leut und Laͤnder Beſtes wah-
ren? Sind ſie denn einen Augenblick vor den unge-
rechten Rittern ſicher, die ihre Unterthanen auf al-
len Straßen anfallen, ihre Doͤrfer und Schloͤſſer
verheeren? Wenn nun auf der andern Seite un-
ſers theuren Kayſers Laͤnder der Gewalt des Erb-
feindes ausgeſetzt ſind, er von den Staͤnden Huͤlfe
begehrt, und ſie ſich kaum ihres Lebens erwehren;
iſt’s nicht ein guter Geiſt der ihnen einraͤth auf Mit-
tel zu denken Teutſchland zu beruhigen, die Staats-
verhaͤltniſſe naͤher zu beſtimmen, um einem jeden,
C 2Großen
Großen und Kleinen die Vortheile des Friedens ge-
nießen zu machen. Und uns verdenkſt du’s Berli-
chingen, daß wir uns in ihren Schutz begeben,
deren Huͤlfe uns nah iſt, ſtatt daß die ent-
fernte Majeſtaͤt ſich ſelbſt nicht beſchuͤtzen kann.
Goͤtz. Ja! Ja! Jch verſteh! Weislingen, waͤ-
ren die Fuͤrſten wie ihr ſie ſchildert, wir haͤtten alle
was wir begehren. Ruh und Frieden! Jch glaubs
wohl! Den wuͤnſcht jeder Raubvogel, die Beute
nach Bequemlichkeit zu verzehren. Wohlſeyn eines
jeden! Daß ſie ſich nur darum graue Haare wach-
ſen lieſen. Und mit unſerm Kayſer ſpielen ſie auf
eine unanſtaͤndige Art. Er meynts gut, und moͤcht
gern beſſern. Da kommt denn alle Tage ein neuer
Pfannenflicker, und meynt ſo und ſo. Und weil
der Herr geſchwind was begreift, und nur reden
darf um tauſend Haͤnd in Bewegung zu ſetzen, ſo
meynt er, es waͤr auch alles ſo geſchwind und leicht
ausgefuͤhrt. Nun ergehn Verordnungen uͤber Ver-
ordnungen, und wird eine uͤber die andere vergeſ-
ſen, und was den Fuͤrſten in ihren Kram dient,
da ſind ſie hinter her, und gloriiren von Ruh und
Sicherheit des Staats, bis ſie die Kleinen unterm
Fuß
Fuß haben. Jch will darauf ſchwoͤren, es dankt
mancher in ſeinem Herzen Gott, daß der Tuͤrk dem
Kayſer die Waage haͤlt.
Weislingen. Jhr ſehts von eurer Seite.
Goͤtz. Das thut jeder. Es iſt die Frage auf
welcher Licht und Recht iſt, und eure Gaͤnge ſcheuen
wenigſtens den Tag.
Weislingen. Jhr duͤrft reden, ich bin der Ge-
fangne.
Goͤtz. Wenn euer Gewiſſen rein iſt, ſo ſeyd ihr
frey. Aber wie wars mit dem Landfrieden? Jch
weiß noch als ein Bub von ſechzehn Jahren, war
ich mit dem Margraf auf dem Reichstag. Was die
Fuͤrſten da fuͤr weite Maͤuler machten, und die
Geiſtlichen am aͤrgſten. Euer Biſchoff laͤrmte dem
Kayſer die Ohren voll, als wenn ihm wunder die
Gerechtigkeit an’s Herz gewachſen waͤre, und jetzt
wirft er mir ſelbſt einen Buben nieder, zur Zeit
da unſere Haͤndel vertragen ſind, ich an nichts boͤ-
ſes denke. Jſt nicht alles zwiſchen uns geſchlichtet?
Was hat er mit dem Buben?
Weislingen. Es geſchah ohne ſein Wiſſen.
C 3Goͤtz.
Goͤtz. Warum giebt er ihn nicht wieder los?
Weislingen. Er hatte ſich nicht aufgefuͤhrt wie
er ſollte.
Goͤtz. Nicht wie er ſollte! Bey meinem Eyd,
er hat gethan, wie er ſollte, ſo gewiß er mit eurer
und des Biſchoffs Kundſchaft gefangen iſt. Meynt
ihr, ich komme erſt heut auf die Welt, um nicht zu
ſehen, wo alles hinaus will.
Weislingen. Jhr ſeyd argwoͤhniſch und thut
uns Unrecht.
Goͤtz. Weislingen, ſoll ich von der Leber weg
reden? Jch bin euch ein Dorn in den Augen, ſo
klein ich bin, und der Sickingen und Selbitz nicht
weniger, weil wir feſt entſchloſſen ſind zu ſterben
eh, als die Luft jemanden zu verdanken, außer
Gott, und unſere Treu und Dienſt zu leiſten,
als dem Kayſer. Da ziehen ſie nun um mich her-
um, verſchwaͤrzen mich bey Jhro Majeſtaͤt und ih-
ren Freunden, und meinen Nachbarn, und ſpioni-
ren nach Vortheil uͤber mich. Aus dem Weg wol-
len ſie mich haben, wie’s waͤre. Darum nahmt
ihr meinen Buben gefangen, weil ihr wußtet, ich
hatte ihn auf Kundſchaft ausgeſchickt, und darum
that
that er nicht was er ſollte, weil er mich nicht an
euch verrieth. Und du Weislingen biſt ihr Werk-
zeug!
Weislingen. Berlichingen!
Goͤtz. Kein Wort mehr davon, ich bin ein
Feind von Explicationen, man betruͤgt ſich oder
den andern, und meiſt beyde.
Carl. Zu Tiſch Papa.
Goͤtz. Froͤhliche Bottſchaft! Kommt, ich hoffe
meine Weibsleute ſollen euch munter machen. Jhr
war’t ſonſt ein Liebhaber, die Fraͤuleins wußten
von euch zu erzaͤhlen. Kommt!
(ab.)
C 4Jm
Jm Biſchoͤflichen Pallaſt zu
Bamberg.
Der Speißeſaal.
Biſchoff von Bamberg, Abt von Fulda,
Olearius beyder Rechten Doctor, Lie-
betraut, Hofleute, (an Tafel, der Nach-
tiſch und die große Pokale werden auf-
getragen.)
Biſchoff. Studieren jetzt viele Deutſche von
Adel zu Bologna?
Olearius. Vom Adel- und Buͤrgerſtand. Und
ohne Ruhm zu melden, tragen ſie das groͤßte Lob
davon. Man pflegt im Sprichwort auf der Akade-
mie zu ſagen: So fleißig wie ein Deutſcher von
Adel. Denn indem die Buͤrgerliche einen ruͤhmli-
chen Fleiß anwenden, durch Talente den Mangel
der Geburt zu erſetzen: ſo beſtreben ſich jene,
mit ruͤhmlicher Wetteiferung, ihre angebohrne
Wuͤr-
Wuͤrde, durch die glaͤnzendſte Verdienſte zu erhoͤ-
hen.
Abt. Ey!
Liebetraut. Sag einer! was man nicht erlebt.
So fleißig wie ein Deutſcher von Adel! das hab ich
mein Tage nicht gehoͤrt.
Olearius. Ja, ſie ſind die Bewunderung der
ganzen Akademie. Es werden eheſtens einige von
den den aͤltſten und geſchickteſten als Doctores
zuruͤckkommen. Der Kayſer wird gluͤcklich ſeyn,
ſeine Gerichte damit beſetzen zu koͤnnen.
Biſchoff. Das kann nicht fehlen.
Abt. Kennen ſie nicht zum Exempel einen Jun-
ker? — er iſt aus Heſſen —
Olearius. Es ſind viel Heſſen da.
Abt. Er heißt — Er iſt — Weiß es keiner
von euch? — Seine Mutter war eine von —
Oh! Sein Vater hatte nur ein Aug — und war
Marſchall.
Liebetraut. Von Wildenholz.
Abt. Recht — von Wildenholz.
C 5Olearius.
Olearius. Den kenn ich wohl, ein junger Herr
von vielen Faͤhigkeiten. Beſonders ruͤhmt man ihn
wegen ſeiner Staͤrke im Diſputiren.
Abt. Das hat er von ſeiner Mutter.
Liebetraut. Nur wollte ſie ihr Mann niemals
drum ruͤhmen.
Biſchoff. Wie ſagtet ihr, daß der Kayſer hieß,
der euer Corpus Juris geſchrieben hat.
Olearius. Juſtinianus.
Biſchoff. Ein treflicher Herr! Er ſoll leben!
Olearius. Sein Andenken!
(ſie trinken.)
Abt. Es mag ein ſchoͤn Buch ſeyn.
Olearius. Man moͤgts wohl ein Buch aller Buͤ-
cher nennen. Eine Sammlung aller Geſetze, bey
jedem Fall der Urtheilsſpruch bereit, oder was ja
noch abgaͤngig oder dunkel waͤre, erſetzen die Gloſ-
ſen, womit die gelehrteſten Maͤnner das fuͤrtreflich-
ſte Werk geſchmuͤckt haben.
Abt. Eine Sammlung aller Geſetze! potz! Da
muͤſſen auch wohl die zehen Gebote drinn ſeyn.
Olearius. Implicite wohl, nicht explicite.
Abt.
Abt. Das meyn ich auch, an und vor ſich, ohne
weitere Explication.
Biſchoff. Und was das ſchoͤnſte iſt, ſo koͤnnte,
wie ihr ſagt, ein Reich in ſicherſter Ruhe und Frie-
den leben, wo es voͤllig eingefuͤhrt, und recht ge-
handhabt wuͤrde.
Olearius. Ohne Frage.
Biſchoff. Alle Doctores Juris!
Olearius. Jch werd’s zu ruͤhmen wiſſen.
(ſie
trinken) Wollte Gott man ſpraͤche ſo in meinem
Vaterland.
Abt. Wo ſeyd ihr her? Hochgelahrter Herr.
Olearius. Von Frankfurt am Mayn. Jhro
Eminenz zu dienen.
Biſchoff. Steht ihr Herrn da nicht wohl an-
geſchrieben! Wie kommt das?
Olearius. Sonderbar genug. Jch war da,
meines Vaters Erbſchaft abzuholen, der Pobel haͤt-
te mich faſt geſteinigt, wie er hoͤrte, ich ſey ein
Juriſt.
Abt. Behuͤte Gott!
Olearius.
Olearius. Daher kommts. Der Schoͤppenſtul,
der in großem Anſehen weit umher ſteht, iſt mit
lauter Leuten beſetzt, die der Roͤmiſchen Rechte un-
kundig ſind. Es gelangt niemand zur Wuͤrde eines
Richters, als der durch Alter und Erfahrung eine
genaue Kenntniß des innern und aͤuſern Zuſtandes
der Stadt, und eine ſtarke Urtheilskraft ſich erwor-
ben hat, das Vergangene auf das Gegenwaͤrtige
anzuwenden. So ſind die Schoͤffen lenbendige
Archive, Chronicken, Geſetzbuͤcher, alles in Einem,
und richten nach altem Herkommen und wenigen
Statuten ihre Buͤrger, und die Nachbarſchaft.
Abt. Das iſt wohl gut.
Olearius. Aber lange nicht genug. Der Men-
ſchen Leben iſt kurz, und in Einer Generation kom-
men nicht alle Caſus vor. Eine Sammlung ſolcher
Faͤlle von vielen Jahrhunderten iſt unſer Geſetzbuch.
Und dann iſt der Wille und die Meynung der Men-
ſchen ſchwankend, dem deucht heute das recht,
was der andere morgen mißbilliget; Und ſo iſt
Verwirrung und Ungerechtigkeit unvermeidlich. Das
alles beſtimmen die Geſetze; und die Geſetze ſind
unveraͤnderlich.
Abt. Das iſt freylich beſſer.
Olea-
Olearius. Das erkennt der Poͤbel nicht, der, ſo
gierig er auf Neuigkeiten iſt, das Neue hoͤchſt ver-
abſcheuet, das ihn aus ſeinem Gleiſe leiten will,
und wenn er ſich noch ſo ſehr dadurch verbeſſert.
Sie halten den Juriſten ſo arg als einen Verwirrer
des Staats, einen Beutelſchneider, und ſind wie
raſend, daß ſich dort keine anbauen.
Liebetraut. Jhr ſeyd von Frankfurt! Jch bin
wohl da bekannt. Bey Kayſer Maximilians Kroͤ-
nung haben wir euren Braͤutigams was vorge-
ſchmaußt. Euer Name iſt Olearius? Jch kenne
ſo niemanden.
Olearius. Mein Vater hies Oehlmann. Nur
den Mißſtand auf dem Titel meiner lateiniſchen
Schriften zu vermeiden, nennt ich mich, nach dem
Beyſpiel und auf Anrathen wuͤrdiger Rechtslehrer,
Olearius.
Liebetraut. Jhr thatet wohl, daß Jhr euch
uͤberſetztet. Ein Prophet gilt nichts in ſeinem Va-
terlande, es haͤtt’ euch in eurer Mutterſprach auch
ſo gehen koͤnnen.
Olearius. Es war nicht darum.
Liebetraut. Alle Dinge haben ein Paar Urſa-
chen.
Abt.
Abt. Ein Prophet gilt nichts in ſeinem Va-
terland.
Liebetraut. Wißt ihr auch warum, Hochwuͤr-
diger Herr?
Abt. Weil er da gebohren und erzogen iſt.
Liebetraut. Wohl! Das mag die Eine Urſa-
che ſeyn. Die andere iſt: Weil bey einer naͤheren
Bekanntſchaft mit denen Herrn, der Nimbus von
Ehrwuͤrdigkeit und Heiligkeit wegſchwindet, den
uns eine neblichte Ferne um ſie herum luͤgt, und
dann ſind ſie ganz kleine Stuͤmpfgen Unſchlitt.
Olearius. Es ſcheint ihr ſeyd dazu beſtellt
Wahrheiten zu ſagen.
Liebetraut. Weil ich’s Herz dazu hab, ſo fehlt
mirs nicht am Maul.
Olearius. Aber doch an Geſchicklichkeit ſie wohl
anzubringen.
Liebetraut. Schroͤpfkoͤpfe ſind wohl angebracht,
wo ſie ziehen.
Olearius. Bader erkennt man an der Schuͤrze,
und nimmt in ihrem Amt ihnen nichts uͤbel. Zur
Vorſorge thaͤtet ihr wohl, wenn ihr eine Schellen-
kappe truͤgt.
Liebe-
Liebetraut. Wo habt ihr promovirt? Es iſt
nur zur Nachfrage, wenn mir einmal der Einfall
kaͤme, daß ich gleich vor die rechte Schmiede ginge.
Olearius. Jhr ſeyd verwegen.
Liebetraut. Und ihr ſehr breit.
(Biſchoff und
Abt lachen.)
Biſchoff. Von was anders — Nicht ſo hitzig
ihr Herrn. Bey Tiſch geht alles drein. — Einen
andern Diſcours Liebetraut.
Liebetraut. Gegen Frankfurt liegt ein Ding
uͤber, heißt Sachſenhaußen —
Olear. (zum Biſchoff.) Was ſpricht man vom
Tuͤrkenzug, Jhro Biſchoͤffliche Gnaden?
Biſchoff. Der Kayſer hat nichts angelegners,
als vor erſt das Reich zu beruhigen, die Vehden
abzuſchaffen, und das Anſehn der Gerichte zu befe-
ſtigen. Dann, ſagt man, wird er perſoͤnlich gegen
die Feinde des Reichs und der Chriſtenheit ziehen.
Jetzt machen ihm ſeine Privathaͤndel noch zu thun,
und das Reich iſt, trotz ein vierzig Landfriedens,
noch immer eine Moͤrdergrube. Franken, Schwa-
ben, der Oberrhein und die angraͤnzende Laͤnder,
wer-
werden von uͤbermuͤthigen und kuͤhnen Rittern ver-
heeret: Sickingen, Selbiz mit dem einen Fuß,
Berlichingen mit der eiſernen Hand, ſpotten in die-
ſen Gegenden des Kayſerlichen Anſehens —
Abt. Ja, wenn Jhro Majeſtaͤt nicht bald dar-
zu thun; ſo ſtecken einen die Kerl am End in Sack.
Liebetraut. Das muͤßt ein Kerl ſeyn, der das
Weinfaß von Fuld in den Sack ſchieben wollte.
Biſchoff. Beſonders iſt dieſer letztere ſeit vie-
len Jahren mein unverſoͤhnlicher Feind, und mo-
leſtirt mich unſaͤglich, aber es ſoll nicht lang mehr
waͤhren, hoff ich. Der Kayſer haͤlt jetzt ſeinen Hof
zu Augſpurg. Wir haben unſere Maasregeln ge-
nommen, es kann uns nicht fehlen. — Herr
Doktor, kennt ihr Adelberten von Weislingen?
Olearius. Nein, Jhro Eminenz.
Biſchoff. Wenn ihr die Ankunft dieſes Mann’s
erwartet, werdet ihr euch freuen, den edelſten, ver-
ſtaͤndigſten und angenehmſten Ritter in einer Perſon
zu ſehen.
Olearius. Es muß ein fuͤrtreflicher Mann ſeyn,
der ſolche Lobeserhebungen aus ſolch einem Munde
verdient.
Liebe-
Liebetraut Er iſt auf keiner Akademie geweſen.
Biſchoff. Das wiſſen wir.
(Die Bedienten
laufen ans Fenſter.)
Biſchoff. Was giebts?
Ein Bedienter. Eben reit Faͤrber Weislin-
gens Knecht zum Schloßthor herein.
Biſchoff. Seht was er bringt, er wird ihn
melden.
(Liebetraut geht. Sie ſtehn auf und trin-
ten noch eins.)
(Liebetraut kommt zuruͤck.)
Biſchoff. Was vor Nachrichten?
Liebetraut Jch wollt es muͤßt ſie euch ein
andrer ſagen. Weislingen iſt gefangen.
Biſchoff. O!
Liebetraut. Berlichingen hat ihn und drey
Knechte bey Haslach weggenommen. Einer iſt ent-
ronnen euch’s anzuſagen.
Abt. Eine Hiobs Poſt!
Olearius. Es thut mir von Herzen leid.
Biſchoff. Jch will den Knecht ſehn, bringt ihn
herauf — Jch will ihn ſelbſt ſprechen. Bringt
ihn in mein Cabinet.
(ab.)
DAbt.
Abt. (ſetzt ſich.) Noch einen Schluck.
(Die
Knechte ſchenken ein.)
Olearius. Belieben Jhro Hochwuͤrden nicht ei-
ne kleine Promenade in den Garten zu machen. Poſt
cœnam ſtabis ſeu paſſus mille meabis.
Liebetraut. Wahrhaftig, das Sizen iſt ihnen
nicht geſund. Sie kriegen noch ein Schlagfluß.
(Abt hebt ſich auf.)
Liebetraut. (vor ſich) Wann ich ihn nur drauſ-
ſen hab, will ich ihm vors Exercitium ſorgen.
(gehn ab.)
Jaxthauſen.
Maria. Weislingen.
Maria. Jhr liebt mich, ſagt ihr. Jch glaub
es gerne, und hoffe mit euch gluͤcklich zu ſeyn, und
euch gluͤcklich zu machen.
Weislingen. Jch fuͤhle nichts, als nur daß
ich ganz dein bin.
(er umarmt ſie.)
Maria. Jch bitte euch laßt mich. Einen Kuß
hab ich euch zum Gott’spfenning erlaubt, ihr ſchei-
net aber ſchon von dem Beſiz nehmen zu wollen,
was nur unter Bedingungen euer iſt.
Weis-
Weislingen. Jhr ſeyd zu ſtreng Maria! Un-
ſchuldige Liebe erfreut die Gottheit, ſtatt ſie zu be-
leidigen.
Maria. Es ſey! Aber ich bin nicht dadurch er-
baut. Man lehrte mich: Liebkoſungen ſeyen wie
Ketten ſtark durch ihre Verwandſchaft, und Maͤd-
gen, wenn ſie liebten, ſeyen ſchwaͤcher als Simſon
nach dem Verluſt ſeiner Locken.
Weislingen. Wer lehrte euch das?
Maria. Die Abtißin meines Kloſters. Bis in
mein ſechzehnt Jahr war ich bey ihr, und nur mit
euch empfind ich das Gluͤck das ich in ihrem Um-
gang genoß. Sie hatte geliebt, und durfte reden.
Sie hatte ein Herz voll Empfindung! Sie war eine
fuͤrtrefliche Frau.
Weislingen. Da glich ſie dir!
(er nimmt ihre
Hand) Wie wird mirs werden, wenn ich euch ver-
laſſen ſoll!
Maria. (zieht ihre Hand zuruͤck) Ein bißgen
eng hoff ich, denn ich weiß wie’s mir ſeyn wird.
Aber ihr ſollt fort.
Weisling. Ja, meine Theuerſte und ich will.
Denn ich fuͤhle, welche Seeligkeiten ich mir durch
D 2dieſes
dieſes Opfer erwerbe. Geſegnet ſey dein Bruder,
und der Tag an dem er auszog mich zu fangen.
Maria. Sein Herz war voll Hoffnung fuͤr ihn
und dich. Lebt wohl, ſagt er bey’m Abſchied, ich
will ſehen daß ich ihn wieder finde.
Weislingen. Er hats. Wie wuͤnſcht ich die Ver-
waltung meiner Guͤter und ihre Sicherheit, nicht
durch das leidige Hofleben ſo verſaͤumt zu haben.
Du koͤnnteſt gleich die meinige ſeyn.
Maria. Auch der Aufſchub hat ſeine Freuden.
Weislingen. Sage das nicht Maria, ich muß
ſonſt fuͤrchten du empfindeſt weniger ſtark als ich.
Doch ich buͤſe verdient, und ſchwindet nicht alle
Entſagung gegen den Himmel voll Ausſichten.
Ganz der deine zu ſeyn, nur in dir und dem Kreis
von Guten zu leben, von der Welt entfernt, ge-
trennt, alle Wonne zu genießen die ſo zwey Her-
zen einander gewaͤhren; was iſt die Gnade des Fuͤr-
ſten, was der Beyfall der Welt gegen dieſe einfache
einzige Gluͤckſeligkeit. Jch habe viel gehofft und ge-
wuͤnſcht, das wiederfaͤhrt mir uͤber alles Hoffen
und Wuͤnſchen.
Goͤtz
Goͤtz (kommt.)
Goͤtz. Euer Knab iſt wieder da. Er konnte vor
Muͤdigkeit und Hunger kaum etwas vorbringen.
Meine Frau giebt ihm zu eſſen. So viel hab ich
verſtanden, der Biſchoff will den Knaben nicht
heraus geben, es ſollen Kayſerliche Commiſſarien
ernannt, und ein Tag ausgeſetzt werden, wo die
Sache denn verglichen werden mag. Dem ſey wie
ihm wolle, Adelbert, ihr ſeyd frey, ich verlange
weiter nichts als eure Hand, daß ihr inskuͤnftige
meinen Feinden weder oͤffentlich noch heimlich
Vorſchub thun wollt.
Weislingen. Hier faß ich eure Hand. Laßt
von dieſem Augenblick an Freundſchaft und Ver-
trauen gleich einem ewigen Geſetz der Natur un-
veraͤnderlich unter uns ſeyn. Erlaubt mir zugleich,
dieſe Hand zu faſſen.
(Er nimmt Mariens Hand;)
Und den Beſitz des edelſten Fraͤuleins.
Goͤtz. Darf ich ja fuͤr euch ſagen?
Maria. Beſtimmt meine Antwort nach dem
Werthe ſeiner Verbindung mit euch.
Goͤtz. Es iſt ein Gluͤck, daß unſere Vortheile
diesmal mit einander gehn. Du brauchſt nicht roth
D 3zu
zu werden. Deine Blicke ſind Beweis genug. Ja
denn Weislingen! Gebt euch die Haͤnde, und ſo
ſprech ich Amen! Mein Freund und Bruder! Jch
danke dir Schweſter! Du kannſt mehr als Hanf
ſpinnen. Du haſt einen Faden gedreht dieſen Pa-
radiesvogel zu feſſeln. Du ſiehſt nicht ganz frey!
Was fehlt dir? Jch — bin ganz gluͤcklich; was
ich nur traͤumend hofte, ſeh ich, und bin wie traͤu-
mend. Ach! nun iſt mein Traum aus. Mir
wars heute Nacht, ich gaͤb dir meine rechte eiſerne
Hand, und du hielteſt mich ſo feſt, daß ſie aus den
Armſchienen gieng wie abgebrochen. Jch erſchrack
und wachte druͤber auf. Jch haͤtte nur fort traͤu-
men ſollen, da wuͤrd ich geſehen haben, wie du mir
eine neue lebendige Hand anſetzteſt. — Du ſollt
mir jetzo fort, dein Schloß und deine Guͤter in voll-
kommenen Stand zu ſetzen. Der verdammte Hof
hat dich beydes verſaͤumen machen. Jch muß mei-
ner Frau rufen. Eliſabeth!
Maria. Mein Bruder iſt in voller Freude.
Weislingen. Und doch darf ich ihm den Rang
ſtreitig machen.
Goͤtz. Du wirſt anmuthig wohnen.
Maria.
Maria. Franken iſt ein geſegnetes Land.
Weislingen. Und ich darf wohl ſagen, mein
Schloß liegt in der geſegnetſten und anmuthigſten
Gegend.
Goͤtz. Das duͤrft ihr, und ich wills behaupten.
Hier fließt der Mayn, und allmaͤhlich hebt der Berg
an, der mit Aeckern und Weinbergen bekleidet von
eurem Schloß gekroͤnt wird, dann biegt ſich der Fluß
ſchnell um die Ecke hinter dem Felſen eures Schloſ-
ſes hin. Die Fenſter des großen Saals gehen ſteil
herab auf’s Waſſer, eine Ausſicht viel Stunden
weit.
Eliſabeth (kommt.)
Eliſabeth. Was ſchafft ihr?
Goͤtz. Du ſollſt deine Hand auch darzu geben,
und ſagen: Gott ſegne euch. Sie ſind ein Paar.
Eliſabeth. So geſchwind!
Goͤtz. Aber nicht unvermuthet.
Eliſabeth Moͤget ihr euch ſo immer nach ihr
ſehnen, als bisher da ihr um ſie warbt. Und dann!
Moͤgtet ihr ſo gluͤcklich ſeyn, als ihr ſie lieb behaltet.
Weislingen. Amen! Jch begehre kein Gluͤck,
als unter dieſem Titel.
D 4Goͤtz.
Goͤtz. Der Braͤutigam, meine liebe Frau,
thut eine kleine Reiſe, denn die große Veraͤnderung
zieht viel geringe nach ſich. Er entfernt ſich zuerſt
vom Biſchoͤflichen Hof, um dieſe Freundſchaft nach
und nach erkalten zu laſſen. Dann reißt er ſeine
Guͤter eigennuͤtzigen Pachtern aus den Haͤnden.
Und — kommt Schweſter, komm Eliſabeth!
Wir wollen ihn allein laſſen. Sein Knab hat ohne
Zweifel geheime Auftraͤge an ihn.
Weislingen. Nichts als was ihr wiſſen duͤrft.
Goͤtz. Brauchts nicht. Franken und Schwa-
ben! Jhr ſeyd nun verſchwiſterter als jemals.
Wie wollen wir denen Fuͤrſten den Daumen auf
dem Aug halten.
(die drey gehn)
Weislingen. Gott im Himmel! konnteſt du
mir Unwurdigen ſolch eine Seeligkeit bereiten. Es
iſt zu viel fuͤr mein Herz. Wie ich von den elenden
Menſchen abhieng die ich zu beherrſchen glaubte,
von den Blicken des Fuͤrſten, von dem ehrerbietigen
Beyfall umher. Goͤtz theurer Goͤtz haſt mich mir
ſelbſt wieder gegeben, und Maria du vollendeſt mei-
ne Sinnesaͤnderung. Jch fuͤhle mich ſo frey wie
in heiterer Luft. Bamberg will ich nicht mehr ſe-
hen,
hen, will alle die ſchaͤndliche Verbindungen durch-
ſchneiden, die mich unter mir ſelbſt hielten. Mein
Herz erweitert ſich, hier iſt kein beſchwerliches Stre-
ben nach verſagter Groͤße. So gewiß iſt der allein
gluͤcklich und groß, der weder zu herrſchen noch zu
gehorchen braucht um etwas zu ſeyn.
Franz (tritt auf.)
Franz. Gott gruͤs euch geſtrenger Herr! Jch
bring euch ſo viel Gruͤſe, daß ich nicht weiß wo an-
zufangen. Bamberg, und zehn Meilen in die Run-
de entbieten euch ein tauſendfaches: Gott gruͤs euch.
Weislingen. Willkommen Franz! Was bringſt
du mehr?
Franz. Jhr ſteht in einem Andenken bey Hof
und uͤberall, daß nicht zu ſagen iſt.
Weislingen. Das wird nicht lang dauren.
Franz. So lang ihr lebt! und nach eurem Tod
wird’s heller blinken, als die meſſingene Buchſta-
ben auf einem Grabſtein. Wie man ſich euern Un-
fall zu Herzen nahm!
Weislingen. Was ſagte der Biſchoff?
D 5Franz.
Franz. Er war ſo begierig zu wiſſen, daß er
mit der geſchaͤftigſten Geſchwindigkeit von Fragen
meine Antwort verhinderte. Er wußt es zwar ſchon,
denn Faͤrber, der von Haslach entrann, brachte ihm
die Bottſchaft. Aber er wollte alles wiſſen. Er
fragte ſo aͤngſtlich, ob ihr nicht verſehrt waͤret?
Jch ſagte: er iſt ganz, von der aͤuſerſten Haar-
ſpitze bis zum Nagel des kleinen Zehs.
Weislingen. Was ſagte er zu den Vorſchlaͤgen?
Franz. Er wollte gleich alles heraus geben,
den Knaben und noch Geld darauf, nur euch zu
befreyen. Da er aber hoͤrte, ihr ſolltet ohne das
loskommen, und nur euer Wort das Equivalent ge-
gen den Buben ſeyn; da wollte er abſolut den
Berlichingen vertagt haben. Er ſagte mir hundert
Sachen an euch, ich hab ſie vergeſſen. Es war
eine lange Predigt uͤber die Worte: Jch kann
Weisling nicht entbehren.
Weislingen. Er wirds lernen muͤſſen!
Franz. Wie meynt ihr? Er ſagte: mach ihn
eilen, es wartet alles auf ihn.
Weislingen. Es kann warten. Jch gehe nicht
an Hof.
Franz.
Franz. Nicht an Hof? Herr! Wie kommt
euch das? Wenn ihr wuͤßtet was ich weiß. Wenn
ihr nur traͤumen koͤnntet, was ich geſehen habe.
Weislingen. Wie wird dir’s?
Franz. Nur von der bloßen Erinnerung komm
ich auſſer mir. Bamberg iſt nicht mehr Bamberg,
ein Engel in Weibergeſtalt macht es zum Vorhof
des Himmels.
Weislingen. Nichts weiter?
Franz. Jch will ein Pfaff werden, wenn ihr
ſie ſeht, und nicht auſſer euch kommt.
Weislingen. Wer iſt’s denn?
Franz. Adelheid von Walldorf.
Weislingen. Die! Jch hab viel von ihrer
Schoͤnheit gehoͤrt
Franz. Gehoͤrt? Das iſt eben als wenn ihr
ſagtet, ich hab die Muſik geſehen. Es iſt der Zunge
ſo wenig moͤglich eine Lienie ihrer Vollkommenheiten
auszudrucken, da das Aug ſo gar in ihrer Gegen-
wart ſich nicht ſelbſt genug iſt.
Weislingen. Du biſt nicht geſcheidt.
Franz.
Franz. Das kann wohl ſeyn. Das letztemal
daß ich ſie ſahe, hatte ich nicht mehr Sinne als ein
Trunkener. Oder vielmehr, kann ich ſagen,
ich fuͤhlte in dem Augenblick, wie’s den Heiligen
bey himmliſchen Erſcheinungen ſeyn mag. Alle
Sinne ſtaͤrker, hoͤher, vollkommener, und doch den
Gebrauch von keinem.
Weislingen. Das iſt ſeltſam.
Franz. Wie ich von dem Biſchoff Abſchied nahm,
ſaß ſie bey ihm. Sie ſpielten Schach. Er war ſehr
gnaͤdig, reichte mir ſeine Hand zu kuͤſſen und ſagte
mir viel vieles, davon ich nichts vernahm. Denn
ich ſah ſeine Nachbarinn, ſie hatte ihr Auge auf’s
Bret geheftet, als wenn ſie einem großen Streich
nachſaͤnne. Ein feiner laurender Zug um Mund und
Wange! Jch haͤtte der elfenbeinerne Koͤnig ſeyn
moͤgen. Adel und Freundlichkeit herrſchten auf ih-
rer Stirne. Und das blendende Licht des Angeſichts
und des Buſens wie es von den finſtern Haaren er-
hoben ward!
Weislingen. Du biſt gar druͤber zum Dichter
geworden.
Franz. So fuͤhl ich denn in dem Augenblick,
was den Dichter macht, ein volles, ganz von einer
Em-
Empfindung volles Herz. Wie der Biſchoff endigte
und ich mich neigte, ſah ſie mich an, und ſagte:
auch von mir einen Grus unbekannter weis! Sag
ihm, er mag ja bald kommen. Es warten neue
Freunde auf ihn, er ſoll ſie nicht verachten wenn
er ſchon an alten ſo reich iſt. — Jch wollte was
antworten, aber der Paß vom Herzen nach der Zun-
ge war verſperrt, ich neigte mich. Jch haͤtte mein
Vermoͤgen gegeben die Spitze ihres kleinen Fingers
kuͤſſen zu duͤrfen! Wie ich ſo ſtund wurf der Bi-
ſchoff einen Bauren herunter, ich fuhr darnach und
beruͤhrte im Aufheben den Saum ihres Kleides,
das fuhr mir durch alle Glieder, und ich weis nicht
wie ich zur Thuͤre hinaus gekommen bin.
Weislingen. Jſt ihr Mann bey Hofe?
Franz. Sie iſt ſchon vier Monath Wittwe. Um
ſich zu zerſtreuen haͤlt ſie ſich in Bamberg auf. Jhr
werdet ſie ſehen. Wenn ſie einen anſieht, iſts als
wenn man in der Fruͤhlings-Sonne ſtuͤnde.
Weislingen. Es wuͤrde eine ſchwaͤchere Wuͤr-
kung auf mich machen.
Franz. Jch hoͤre, ihr ſeyd ſo gut als verhey-
rathet.
Weis-
Weislingen. Wollte ich waͤrs. Meine ſanfte
Marie wird das Gluͤck meines Lebens machen. Jhre
ſuͤße Seele bildet ſich in ihren blauen Augen. Und
weis wie ein Engel des Himmels, gebildet aus
Unſchuld und Liebe, leitet ſie mein Herz zur Ruhe
und Gluͤckſeligkeit. Pack zuſammen! Und dann
auf mein Schloß! Jch will Bamberg nicht ſehen,
und wenn Sankt Veit in Perſon meiner begehrte.
(geht ab.)
Franz. Da ſey Gott fuͤr, wollen das beſte hof-
fen. Maria iſt liebreich und ſchoͤn, und einem
Gefangenen und Kranken kann ich nicht uͤbel neh-
men der ſich in ſie verliebt. Jn ihren Augen iſt
Troſt, geſellſchaftliche Melancholie. — Aber um
dich Adelheid iſt Leben, Feuer, Muth — Jch
wuͤrde! — Jch bin ein Narr — dazu machte
mich Ein Blick von ihr. Mein Herr muß hin! Jch
muß hin! Und da will ich mich wieder geſcheid
oder voͤllig raſend gaffen.
Zweyter Act.
Bamberg.
Ein Saal.
Biſchoff, Adelheid (ſpielen Schach,) Lie-
betraut (mit einer Zitter,) Hofdamen,
Hofleute (um ihn herum am Camin.)
Liebetraut. (Spielt und ſingt.)
Mit Pfeilen und Bogen
Cupido geflogen
Mit Fackel im Brand,
Wollt mutilich kriegen
Und maͤnnilich ſiegen
Mit ſtuͤrmender Hand.
Auf! Auf!
An! An!
Die Waffen erklirrten
Die Fluͤgelein ſchwirrten
Die Augen entbrannt.
Da
Da fand er die Buſen
Ach leider ſo blos,
Sie nahmen ſo willig
Jhn all auf den Schoos.
Er ſchuͤttet die Pfeile
Zum Feuer hinein,
Sie herzten und druͤckten
Und wiegten ihn ein.
Hey ey o! Popeyo!
Adelheid. Jhr ſeyd nicht bey eurem Spiel.
Schach dem Koͤnig!
Biſchoff. Es iſt noch Auskunft.
Adelheid. Lang werdet ihrs nicht mehr treiben.
Schach dem Koͤnig!
Liebetraut. Das Spiel ſpielt ich nicht wenn
ich ein großer Herr waͤr, und verboͤts am Hof und
im ganzen Land.
Adelheid. Es iſt wahr, das Spiel iſt ein Pro-
bierſtein des Gehirns.
Liebetraut. Es iſt nicht darum. Jch wollte lie-
ber das Geheul der Todtenglocke und ominoͤſer Voͤ-
gel, lieber das Gebell des knurriſchen Hofhunds Ge-
wiſſen, lieber wollt ich ſie durch den tiefſten Schlaf
hoͤren,
hoͤren, als von Laufern, Springern, und andern
Beſtien das Ewige: Schach dem Koͤnig!
Biſchoff. Wem wird auch das einfallen!
Liebetraut. Einem zum Exempel, der ſchwach
waͤre und ein ſtark Gewiſſen haͤtte, wie denn das
meiſtentheils beyſammen iſt. Sie nennens ein koͤ-
niglich Spiel, und ſagen, es ſey fuͤr einen Koͤnig
erfunden worden, der den Erfinder mit einem Meer
von Ueberfluß belohnte. Wenn’s wahr iſt, ſo iſt
mirs als wenn ich ihn ſaͤhe. Er war minorenn an
Verſtand oder an Jahren, unter der Vormund-
ſchaft ſeiner Mutter oder ſeiner Frau, hatte Milch-
haare im Bart und Flachshaare um die Schlaͤfe,
er war ſo gefaͤllig wie ein Weidenſchoͤßling, und
ſpielte gern mit den Damen und auf der Dame,
nicht aus Leidenſchaft, behuͤte Gott, nur zum Zeit-
vertreib. Sein Hofmeiſter zu taͤhtig ein Gelehrter,
zu unlenkſam ein Weltmann zu ſeyn, erfand das
Spiel in uſum Delphini, das ſo homogen mit ſeiner
Majeſtaͤt war — und ſo ferner.
Adelheid. Schach dem Koͤnig, und nun iſt’s
aus! Jhr ſolltet die Luͤcken unſrer Geſchichtsbuͤ-
cher ausfuͤllen Liebetraut.
ELiebe-
Liebetraut. Die Luͤcken unſrer Geſchlechtsre-
giſter, das waͤre profitabler. Seit dem die Ver-
dienſte unſerer Vorfahren mit ihren Portraits zu
einerley Gebrauch dienen, die leeren Seiten nemlich
unſrer Zimmer und unſres Charackters zu tappe-
zieren; da waͤre was zu verdienen.
Biſchoff. Er will nicht kommen, ſagtet ihr!
Adelheid. Jch bitt euch ſchlagts euch aus dem
Sinn.
Biſchoff. Was das ſeyn mag.
Liebetraut. Was? Die Urſachen laſſen ſich
herunter beten wie ein Roſenkranz. Er iſt in eine
Art von Zerknirſchung gefallen, von der ich ihn leicht
curiren wollt.
Biſchoff. Thut das, reitet zu ihm.
Liebetraut. Meine Commißion!
Biſchoff. Sie ſoll unumſchraͤnkt ſeyn. Spare
nichts wenn du ihn zuruͤck bringſt.
Liebetraut. Darf ich euch auch hinein miſchen,
gnaͤdige Frau?
Adelheid. Mit Beſcheidenheit.
Liebe-
Liebetraut. Das iſt eine weitlaͤufige Commiſ-
ſion.
Adelheid. Kennt ihr mich ſo wenig, oder ſeyd
ihr ſo jung, um nicht zu wiſſen in welchem Ton
ihr mit Weislingen von mir zu reden habt.
Liebetraut. Jm Ton einer Wachtelpfeife, denk
ich.
Adelheid. Jhr werdet nie geſcheid werden!
Liebetraut. Wird man das, gnaͤdige Frau?
Biſchoff. Geht, geht. Nehmt das beſte Pferd
aus meinem Stall, waͤhlt euch Knechte, und ſchafft
mir ihn her.
Liebetraut. Wenn ich ihn nicht herbanne, ſo
ſagt: ein altes Weib das Warzen und Sommer-
flecken vertreibt, verſtehe mehr von der Sympathie
als ich.
Biſchoff. Was wird das helfen! Der Berli-
chingen hat ihn ganz eingenommen. Wenn er her-
kommt wird er wieder fort wollen.
Liebetraut. Wollen, das iſt keine Frage, aber
ob er kann. Der Haͤndedruck eines Fuͤrſten, und
das Laͤcheln einer ſchoͤnen Frau! Da reißt ſich kein
E 2Weis-
Weisling los. Jch eile und empfehle mich zu Ge-
naden.
Biſchoff. Reißt wohl.
Adelheid. Adieu.
(er geht.)
Biſchoff. Wenn er einmal hier iſt, verlaß ich
mich auf euch.
Adelheid. Wollt ihr mich zur Leimſtange brau-
chen.
Biſchoff. Nicht doch.
Adelheid. Zum Lockvogel denn.
Biſchoff. Nein, den ſpielt Liebetraut. Jch bitt
euch verſagt mir nicht, was mir ſonſt niemand ge-
waͤhren kann.
Adelheid. Wollen ſehn.
Jaxthauſen.
Hanns von Selbitz. Goͤtz.
Selbitz. Jedermann wird euch loben, daß ihr
denen von Nuͤrnberg Vehd angekuͤndigt habt.
Goͤtz Es haͤtte mir das Herz abgefreſſen, wenn
ich’s ihnen haͤtte lang ſchuldig bleiben ſollen. Es
iſt
iſt am Tag, ſie haben den Bambergern meinen Bu-
ben verrathen. Sie ſollen an mich denken!
Selbitz. Sie haben einen alten Groll gegen euch.
Goͤtz. Und ich wider ſie, mir iſt gar recht daß
ſie angefangen haben.
Selbitz. Die Reichsſtaͤdte und Pfaffen halten
doch von jeher zuſammen.
Goͤtz. Sie habens Urſach.
Selbitz. Wir wollen ihnen die Hoͤll heis machen.
Goͤtz. Jch zaͤhlte auf euch. Wollte Gott der
Burgemeiſter von Nuͤrnberg mit der guldenen Kett
um den Hals, kaͤm uns in Wurf, er ſollt ſich mit
all ſeinem Witz verwundern.
Selbitz. Jch hoͤre, Weislingen iſt wieder auf
eurer Seit. Tritt er zu uns?
Goͤtz. Noch nicht, es hat ſeine Urſachen war-
um er uns noch nicht oͤffentlich Vorſchub thun darf;
doch iſts eine Weile genug daß er nicht wider uns
iſt. Der Pfaff iſt ohne ihn, was das Meßgewand
ohne den Pfaffen.
Selbitz. Wann ziehen wir aus.
E 3Goͤtz.
Goͤtz. Morgen oder uͤbermorgen. Es kommen
nun bald Kaufleute von Bamberg und Nuͤrnberg
aus der Frankfurter Meſſe. Wir werden einen gu-
ten Fang thun.
Selbitz. Wills Gott.
(ab.)
Bamberg.
Zimmer der Adelheid.
Adelheid. Kammerfraͤulein.
Adelheid. Er iſt da! Sagſt du. Jch glaubs
kaum.
Fraͤulein. Wenn ich ihn nicht ſelbſt geſehn haͤtte,
wuͤrd ich ſagen: ich zweifle.
Adelheid. Den Liebetraut mag der Biſchoff in
Gold einfaſſen, er hat ein Meiſterſtuͤck gemacht.
Fraͤulein. Jch ſah ihn wie er zum Schloß her-
ein reiten wollte, er ſaß auf einem Schimmel. Das
Pferd ſcheute wie’s an die Bruͤcke kam, und wollte
nicht von der Stelle. Das Volk war aus allen
Straßen gelaufen ihn zu ſehn. Sie freuten ſich uͤber
des
des Pferds Unart. Von allen Seiten ward er ge-
gruͤßt, und er dankte allen. Mit einer angenehmen
Gleichguͤltigkeit ſaß er droben, und mit Schmeich-
len und Drohen bracht er es endlich zum Thor her-
ein, der Liebetraut mit, und wenig Knechte.
Adelheid. Wie gefaͤllt er dir?
Fraͤulein. Als mir nicht leicht ein Mann gefal-
len hat. Er glich dem Kayſer hier
(deutet auf Ma-
ximilians Portrait) als wenn er ſein Sohn waͤre.
Die Naſe nur etwas kleiner, eben ſo freundliche
lichtbraune Augen, eben ſo ein blondes ſchoͤnes
Haar, und gewachſen wie eine Puppe. Ein halb
trauriger Zug auf ſeinem Geſicht war ſo intereſſant.
Adelheid. Jch bin neugierig ihn zu ſehen.
Fraͤulein. Das waͤr ein Herr fuͤr euch.
Adelheid. Naͤrrin.
Fraͤulein. Kinder und Narren —
Liebetraut (kommt.)
Liebetraut. Nun gnaͤdige Frau, was verdien
ich?
Adelheid. Hoͤrner von deinem Weibe. Denn
nach dem zu rechnen, habt ihr ſchon manches Nach-
E 4bars
bars ehrliches Hausweib aus ihrer Pflicht hinauſ
geſchwazt.
Liebetraut. Nicht doch gnaͤdige Frau! Auf ih-
re Pflicht wollen ſie ſagen; denn wenns ja geſchab,
ſchwaͤzt ich ſie auf ihres Mannes Bette.
Adelheid. Wie habt ihrs gemacht ihn herzu-
bringen?
Liebetraut. Jhr wißt zu gut wie man Schne-
pfen faͤngt; ſoll ich euch meine Kunſtſtuͤckgen noch
darzu lernen. — Erſt that ich, als wuͤßt ich nichts,
verſtuͤnd nichts von ſeiner Auffuͤhrung, und ſetzt
ihn dadurch in Deſavantage die ganze Hiſtorie zu er-
zaͤhlen. Die ſah ich nun gleich von einer ganz an-
dern Seite an als er, konnte nicht finden — nicht
einſehen — Und ſo weiter. Dann redete ich von
Bamberg und gieng ſehr ins Detail, erweckte ge-
wiſſe alte Jdeen, und wie ich ſeine Enbildungskraft
beſchaͤftigt hatte, knuͤpfte ich wuͤrklich eine Menge
Faͤdger wieder an, die ich zerriſſen fand. Er wußte
nicht wie ihm geſchah, er fuͤhlte ſich einen neuen
Zug nach Bamberg, er wollte — ohne zu wollen.
Wie er nun in ſein Herz gieng, und das zu ent-
wickeln ſuchte, und viel zu ſehr mit ſich beſchaͤftigt
war
war um auf ſich Acht zu geben, warf ich ihm ein
Seil um den Hals, aus drey maͤchtigen Stricken,
Weiber-Fuͤrſtengunſt und Schmeicheley gedreht,
und ſo hab ich ihn hergeſchleppt.
Adelheid. Was ſagtet ihr von mir?
Liebetraut. Die lautre Wahrheit. Jhr haͤttet
wegen eurer Guͤter Verdruͤßlichkeiten, haͤttet gehofft
da er beym Kayſer ſo viel gelte, werde er das leicht
enden koͤnnen.
Adelheid. Wohl.
Liebetraut. Der Biſchoff wird ihn euch bringen.
Adelheid. Jch erwarte ſie.
(Liebetraut ab.)
Adelheid. Mit einem Herzen wie ich ſelten
Beſuch erwarte.
Jm Speſſart.
Berlichingen, Selbitz, Georg (als Reu-
ters Knecht.)
Goͤtz. Du haſt ihn nicht angetroffen Georg!
Georg. Er war Tags vorher mit Liebetraut
nach Bamberg geritten, und zwey Knechte mit.
E 5Goͤtz.
Goͤtz. Jch ſeh nicht ein was das geben ſoll.
Selbitz. Jch wohl. Eure Verſoͤhnung war ein
wenig zu ſchnell, als daß ſie dauerhaft haͤtte ſeyn
ſollen. Der Liebetraut iſt ein pfiffiger Kerl, von
dem hat er ſich beſchwaͤtzen laſſen.
Goͤtz. Glaubſt du daß er bundbruͤchig werden
wird.
Selbitz. Der erſte Schritt iſt gethan.
Goͤtz. Jch glaubs nicht. Wer weiß wie noͤthig
es war an Hof zu gehen, man iſt ihm noch ſchuldig,
wir wollen das beſte hoffen.
Selbitz. Wollte Gott, er verdient es, und
thaͤte das beſte.
Goͤtz. Mir faͤllt eine Liſt ein, wir wollen Geor-
gen des Bamberger Reuters erbeuteten Kuͤttel an-
ziehen, und ihm das Geleitzeichen geben, er mag
nach Bamberg reiten, und ſehen wie’s ſteht.
Georg. Da hab ich lang drauf gehofft.
Goͤtz. Es iſt dein erſter Ritt. Sey fuͤrſichtig
Knabe, mir waͤre leid wenn dir ein Unfall bege-
gnen ſollt.
Georg. Laßts nur, mich irrts nicht wenn noch
ſo viel um mich herum krabeln, mir iſts als wenns
Ratten und Maͤus waͤren.
(ab.)
am-
Bamberg.
Biſchoff. Weislingen.
Biſchoff. Du willſt dich nicht laͤnger halteu
laſſen!
Weislingen. Jhr werdet nicht verlangen daß ich
meinen Eyd brechen ſoll.
Biſchoff. Jch haͤtte verlangen koͤnnen du ſoll-
teſt ihn nicht ſchwoͤren. Was fuͤr ein Geiſt regierte
dich? Konnt ich dich ohne das nicht befreyen? Gelt
ich ſo wenig am Kayſerlichen Hofe.
Weislingen. Es iſt geſchehen, verzeiht mir wenn
ihr koͤnnt.
Biſchoff. Jch begreif nicht, was nur im ge-
ringſten dich noͤthigte den Schritt zu thun! Mir zu
entſagen? Waren denn nicht hundert andere Bedin-
gungen los zu kommen? Haben wir nicht ſeinen
Buben? Haͤtt ich nicht Gelds genug gegeben, und
ihn wieder beruhigt? Unſere Anſchlaͤge auf ihn und
ſeine Geſellen waͤren fortgegangen — Ach ich denke
nicht, daß ich mit ſeinem Freund rede, der nun
wider
wider mich arbeitet und die Minen leicht entkraͤf-
ten kann, die er ſelbſt gegraben hat.
Weislingen. Gnaͤdiger Herr.
Biſchoff. Und doch — wenn ich wieder dein
Angeſicht ſehe, deine Stimme hoͤre. Es iſt nicht
moͤglich, nicht moͤglich.
Weislingen. Lebt wohl gnaͤdiger Herr.
Biſchoff. Jch geb dir meinen Seegen. Sonſt
wenn du gienſt, ſagt ich: auf Wiederſehn. Jetzt —
Wollte Gott, wir ſaͤhn einander nie wieder.
Weislingen. Es kann ſich vieles aͤndern.
Biſchoff. Es hat ſich leider nur ſchon zuviel
geaͤndert. Viellelcht ſeh ich dich noch einmal als
Feind vor meinen Mauern, die Felder verheeren,
die ihren bluͤhenden Zuſtand dir jetzo danken.
Weislingen. Nein, gnaͤdiger Herr.
Biſchoff. Du kannſt nicht nein ſagen. Die
weltliche Staͤnde, meine Nachbaaren, haben alle
einen Zahn auf mich. So lang ich dich hatte. —
Geht Weisling! Jch habe euch nichts mehr zu ſa-
gen. Jhr habt vieles zu nichte gemacht. Geht!
Weislingen. Und ich weiß nicht was ich ſagen
ſoll.
(Biſchoff ab.)
Franz.
Franz (tritt auf.)
Franz. Adelheid erwartet euch. Sie iſt nicht
wohl. Und doch will ſie euch ohne Abſchied nicht
laſſen.
Weislingen. Komm.
Franz. Gehn wir denn gewiß.
Weislingen. Noch dieſen Abend.
Franz. Mir iſt als wenn ich aus der Welt ſollte.
Weislingen. Mir auch, und noch darzu als
wuͤßt ich nicht wohin.
Adelheidens Zimmer.
Adelheid. Fraͤulein.
Fraͤulein. Jhr ſeht blaß gnaͤdige Frau.
Adelheid. — Jch lieb ihn nicht, und ich wollt
doch daß er bliebe. Siehſt du, ich koͤnnte mit ihm le-
ben, ob ich ihn gleich nicht zum Mann haben moͤgte.
Fraͤulein. Glaubt ihr, er geht?
Adelheid. Er iſt zum Biſchoff um Lebewohl zu
ſagen.
Fraͤu-
Fraͤulein. Er hat darnach noch einen ſchweren
Stand.
Adelheid. Wie meynſt du?
Fraͤulein. Was fragt ihr gnaͤdige Frau. Jhr
habt ſein Herz geangelt, und wenn er ſich losreiſſen
will, verblutet er.
Adelheid. Weislingen.
Weislingen. Jhr ſeyd nicht wohl, gnaͤdge Frau?
Adelheid. Das kann euch einerley ſeyn. Jhr
verlaßt uns, verlaßt uns auf immer. Was fragt
ihr ob wir leben oder ſterben.
Weislingen. Jhr verkennt mich.
Adelheid. Jch nehme euch wie ihr euch gebt.
Weislingen. Das Anſehn truͤgt.
Adelheid. So ſeyd ihr Camaͤleon.
Weislingen. Wenn ihr mein Herz ſehen koͤnntet.
Adelheid. Schoͤne Sachen wuͤrden mir vor die
Augen kommen.
Weislingen. Gewiß! Jhr wuͤrdet euer Bild
drinn finden.
Adel-
Adelheid. Jn irgend einem Winkel bey den
Portraits ausgeſtorbener Familien. Jch bitt euch
Weislingen, bedenkt ihr redet mit mir. Falſche
Worte gelten zum hoͤchſten wenn ſie Maſken unſerer
Thaten ſind. Ein Vermummter der kenntlich iſt,
ſpielt eine armſelige Rolle. Jhr laͤugnet eure Hand-
lungen nicht, und redet das Gegentheil, was ſoll
man von euch halten.
Weislingen. Was ihr wollt. Jch bin ſo geplagt
mit dem was ich bin, daß mir wenig bang iſt fuͤr
was man mich nehmen mag.
Adelheid. Jhr kommt um Abſchied zu nehmen.
Weislingen. Erlaubt mir eure Hand zu kuͤſſen,
und ich will ſagen, lebt wohl. Jhr erinnert mich!
Jch bedachte nicht. Jch bin beſchwerlich gnaͤdige
Frau.
Adelheid. Jhr legts falſch aus; ich wollte euch
fort helfen. Denn ihr wollt fort.
Weislingen. O ſagt ich muß. Zoͤge mich nicht
die Ritterpflicht, der heilige Handſchlag —
Adelheid. Geht! Geht! Erzaͤhlt das Maͤdgen
die den Teuerdank leſen, und ſich ſo einen Mann
wuͤnſchen. Ritterpflicht! Kinderſpiel!
Weis-
Weislingen. Jhr denkt nicht ſo.
Adelheid. Bey meinem Eyd, ihr verſtellt euch!
Was habt ihr verſprochen? Und wem? Einem
Mann, der ſeine Pflicht gegen den Kayſer und das
Reich verkennt, in eben dem Augenblick Pflicht zu
leiſten, da er durch eure Gefangennehmung in die
Strafe der Acht verfaͤllt. Pflicht zu leiſten! die
nicht guͤltiger ſeyn kann, als ein ungerechter ge-
zwungener Eyd. Entbinden nicht unſere Geſetze
von ſolchen Schwuͤren? Macht das Kindern weiß
die den Ruͤbezahl glauben. Es ſtecken andere Sa-
chen dahinter. Ein Feind des Reichs zu werden,
ein Feind der Buͤrgerlichen Ruh und Gluͤckſeligkeit!
Ein Feind des Kayſers! Geſelle eines Raͤubers,
du Weislingen mit deiner ſanften Seele.
Weislingen. Wenn ihr ihn kenntet.
Adelheid. Jch wollt ihm Gerechtigkeit wieder-
fahren laſſen. Er hat eine hohe, unbaͤndige Seele.
Eben darum wehe dir Weislingen. Geh und bilde
dir ein ein Geſelle von ihm zu ſeyn. Geh! und
laß dich beherrſchen. Du biſt freundlich, gefaͤllig —
Weislingen. Er iſt’s auch.
Adelheid.
Adelheid. Aber du biſt nachgebend und er nicht!
Unverſehens wird er dich wegreiſſen, wirſt ein
Sklave eines Edelmanns werden, da du Herr von
Fuͤrſten ſeyn koͤnnteſt. — Doch es iſt Unbarmher-
zigkeit dir deinen zukuͤnftigen Stand zu verleiten.
Weislingen. Haͤtteſt du gefuͤhlt wie liebreich er
mir begegnete.
Adelheid. Liebreich! Das rechneſt du ihm an? Es
war ſeine Schuldigkeit, und was haͤtteſt du verlohren
wenn er widerwaͤrtig geweſen waͤre? Mir haͤtte das
willkommner ſeyn ſollen. Ein uͤbermuͤthiger Menſch
wie der —
Weislingen. Jhr redet von euerm Feind.
Adelheid. Jch redete fuͤr eure Freyheit — Und
weiß uͤberhaupt nicht, was ich fuͤr ein Jntereſſe
dran nahm. Lebt wohl.
Weislingen. Erlaubt noch einen Augenblick.
(Er nimmt ihre Hand und ſchweigt.)
Adelheid. Habt ihr mir noch was zu ſagen?
Weislingen. — — Jch muß fort.
Adelheid. So geht.
Weislingen. Gnaͤdige Frau! — Jch kann nicht.
Adelheid. Jhr muͤßt.
Weislingen. Soll das euer letzter Blick ſeyn!
Adelheid. Geht! Jch bin krank, ſehr zur unge-
legnen Zeit.
FWeis-
Weislingen. Seht mich nicht ſo an.
Adelheid. Willſt du unſer Feind ſeyn, und wir
ſollen dir laͤcheln. Geh!
Weislingen. Adelheid!
Adelheid. Jch haſſe euch!
Franz (kommt.)
Franz. Gnaͤdiger Herr! Der Biſchoff laͤßt euch
rufen.
Adelheid. Geht! Geht!
Franz. Er bittet euch eilend zu kommen.
Adelheid. Geht! Geht!
Weislingen. Jch nehme nicht Abſchied, ich ſehe
euch wieder!
(ab.)
Adelheid. Mich wieder. Wir wollen dafuͤr
ſeyn. Margrethe wenn er kommt weis ihn ab.
Jch bin krank, hab Kopfweh, ich ſchlafe — Weis
ihn ab. Wenn er noch zu gewinnen iſt, ſo iſt’s auf
dieſen Weg.
(ab.)
Vorzimmer.
Weislingen. Franz.
Weislingen. Sie will mich nicht ſehn?
Franz.
Franz. Es wird Nacht, ſoll ich die Pferde ſatteln?
Weislingen. Sie will mich nicht ſehn!
Franz. Wann befehlen Jhro Gnaden die Pferde?
Weislingen. Es iſt zu ſpaͤt! Wir bleiben hier.
Franz. Gott ſey Dank.
(Franz ab.)
Weislingen. Du bleibſt! Sey auf deiner Hut,
die Verſuchung iſt groß. Mein Pferd ſcheute wie
ich zum Schloßthor herein wollte, mein guter Geiſt
ſtellte ſich ihm entgegen, er kannte die Gefahren die
mein hier warteten. Doch iſt’s nicht recht, die vie-
len Geſchaͤfte die ich dem Biſchoff unvollendet lie-
gen ließ, nicht wenigſtens ſo zu ordnen daß ein
Nachfolger da anfangen kann, wo ich’s gelaſſen
habe. Das kann ich doch alle thun, unbeſchadet
Berlichingens und unſerer Verbindung. Denn hal-
ten ſollen ſie mich hier nicht — Waͤre doch beſſer
geweſen, wenn ich nicht gekommen waͤre. Aber ich
will fort — morgen oder uͤbermorgen.
(gehn ab.)
Jm Speſſart.
Goͤtz. Selbitz. Georg.
Selbitz. Jhr ſeht, es iſt gegangen wie ich ge-
ſagt habe.
F 2Goͤtz.
Goͤtz. Nein. Nein. Nein.
Georg. Glaubt, ich berichte euch mit der Wahr-
heit. Jch that wie ihr befahlt, nahm den Kuͤttel
des Bambergiſchen und ſein Zeichen, und damit ich
doch mein Eſſen und Trinken verdiente, geleitete ich
Reinekiſche Bauren hinauf nach Bamberg.
Selbitz. Jn der Verkappung. Das haͤtte dir
uͤbel gerathen koͤnnen.
Georg So denk ich auch hinten drein. Ein
Reutersmann der das voraus denkt, wird keine
weite Spruͤnge machen. Jch kam nach Bamberg,
und gleich im Wirthshaus hoͤrte ich erzaͤhlen: Weis-
lingen und der Biſchoff ſeyen ausgeſoͤhnt, und man
redte viel von einer Heyrath mit der Wittwe des
von Walldorf.
Goͤtz. Geſpraͤche.
Georg. Jch ſah ihn wie er ſie zur Tafel fuͤhrte.
Sie iſt ſchoͤn, bey meinem Eyd, ſie iſt ſchoͤn. Wir
buͤckten uns alle, ſie dankte uns allen, er nickte mit
dem Kopf, ſah ſehr vergnuͤgt, ſie giengen vorbey,
und das Volk murmelte: ein ſchoͤnes Paar!
Goͤtz. Das kann ſeyn.
Georg. Hoͤrt weiter. Da er des andern Tags
in die Meſſe gieng, paßte ich meine Zeit ab. Er
war
war allein mit einem Knaben. Jch ſtund unten an
der Treppe und ſagte leiſe zu ihm: ein Paar Worte
von eurem Berlichingen. Er ward beſtuͤrzt, ich ſa-
he das Geſtaͤndniß ſeines Laſters in ſeinem Geſicht,
er hatte kaum das Herz mich anzuſehen, mich, ei-
nen ſchlechten Reutersjungen.
Selbitz. Das macht, ſein Gewiſſen war ſchlech-
ter als dein Stand.
Georg Du biſt Bambergiſch! ſagt er. Jch bring
einen Grus vom Ritter Berlichingen, ſagt ich, und
ſoll fragen — komm morgen fruͤh, ſagt er, an
mein Zimmer, wir wollen weiter reden.
Goͤtz Kamſt du.
Georg. Wohl kam ich, und mußt im Vorſaal
ſtehn, lang lang. Und die ſeidne Buben beguckten
mich von vorn und hinten. Jch dachte guckt ihr —
endlich fuͤhrte man mich hinein, er ſchien boͤſe, mir
war’s einerley. Jch tratt zu ihm und ſagte meine
Commißion. Er that feindlich boͤſe, wie einer der
kein Herz hat und ’s nit will merken laſſen. Er
verwunderte ſich, daß ihr ihn durch einen Reuters-
jungen zur Rede ſetzen ließt. Das verdroß mich.
Jch ſagte, es gaͤbe nur zweyerley Leut, brave und
F 3Schur-
Schurken, und ich diente Goͤtzen von Berlichingen.
Nun fieng er an ſchwaͤzte allerley verkehrtes Zeug,
das darauf hinaus gieng: Jhr haͤttet ihn uͤbereilt,
er ſey euch keine Pflicht ſchuldig, und wollte nichts
mit euch zu thun haben.
Goͤtz. Haſt du das aus ſeinem Munde.
Georg. Das und noch mehr. — Er drohte
mir —
Goͤtz. Es iſt genug! Der waͤre nun auch ver-
lohren! Treu und Glaube du haſt mich wieder be-
trogen. Arme Marie! Wie werd ich dirs beybringen.
Selbitz. Jch wollte lieber mein ander Bein dar-
zu verlieren als ſo ein Hundsfutt ſeyn.
(ab.)
Bamberg.
Adelheid. Weislingen.
Adelheid. Die Zeit faͤngt mir an unertraͤglich
lang zu werden; Reden mag ich nicht, und ich
ſchaͤme mich mit euch zu ſpielen. Langeweile, du
biſt aͤrger als ein kaltes Fieber.
Weislingen. Seyd ihr mich ſchon muͤde?
Adel-
Adelheid. Euch nicht ſo wohl als euren Um-
gang. Jch wollte ihr waͤrt wo ihr hin wolltet, und
wir haͤtten euch nicht gehalten.
Weislingen. Das iſt Weibergunſt! Erſt bruͤtet
ſie mit Mutterwaͤrme unſere liebſten Hoffnungen
an, dann gleich einer unbeſtaͤndigen Henne, ver-
laͤßt ſie das Neſt, und uͤbergiebt ihre ſchon keimende
Nachkommenſchaft dem Todt und der Verweſung.
Adelheid. Deklamirt wider die Weiber! Der
unbeſonnene Spieler zerbeiſt und zerſtampft die
Karten, die ihn unſchuldiger Weis verlieren mach-
ten. Aber laßt mich euch was von Mannsleuten
erzaͤhlen. Was ſeyd denn ihr, um von Wankel-
muth zu ſprechen? Jhr die ihr ſelten ſeyd was ihr
ſeyn wollt, niemals was ihr ſeyn ſolltet. Koͤnige
im Feſttagſornat, vom Poͤbel beneidet. Was gaͤb
eine Schneidersfrau drum, eine Schnur Perlen um
ihren Hals zu haben, von dem Saum eures Kleids,
den eure Abſaͤtze veraͤchtlich zuruͤck ſtoſen!
Weislingen. Jhr ſeyd bitter.
Adelheid. Es iſt die Antiſtrophe von eurem Ge-
ſang. Eh ich euch kannte Weislingen, gieng mir’s
wie der Schneidersfrau. Der Ruf hundertzuͤngig,
F 4ohne
ohne Metapher geſprochen, hatte euch ſo zahnarz-
maͤſig heraus geſtrichen, daß ich mich uͤberreden
ließ zu wuͤnſchen: moͤchteſt du doch dieſe Quinteſſenz
des maͤnnlichen Geſchlechts, den Phoͤnix Weislin-
gen zu Geſicht kriegen! Jch ward meines Wunſches
gewaͤhrt.
Weislingen. Und der Phoͤnix praͤſentirte ſich als
ein ordinairer Haushahn.
Adelheid. Nein Weislingen, ich nahm Antheil
an euch.
Weislingen. Es ſchien ſo.
Adelheid. Und war. Denn wuͤrklich ihr uͤber-
traft euren Ruf. Die Menge ſchaͤzt nur den Wi-
derſchein des Verdienſtes. Wie mir’s denn nun
geht daß ich uͤber die Leute nicht denken mag die
mich intereßiren; ſo lebten wir eine zeitlang neben
einander, es fehlte mir was, und ich wußte nicht
was ich an euch vermißte. Endlich giengen mir die
Augen auf. Jch ſah ſtatt des aktiven Manns der
die Geſchaͤfte eines Fuͤrſtenthums belebte, der ſich
und ſeinen Ruhm dabey nicht vergaß, der auf hun-
dert großen Unternehmungen wie auf uͤbereinander
gewaͤlzten Bergen zu den Wolken hinauf geſtiegen
war.
war; den ſeh ich auf einmal, jammernd wie einen
kranken Poeten, melankoliſch wie ein geſundes Maͤd-
gen, und muͤßiger als einen alten Junggeſellen.
Anfangs ſchrieb ich’s eurem Unfall zu, der euch
noch neu auf dem Herzen lag, und entſchuldigte
euch ſo gut ich konnte. Jzt, da es von Tag
zu Tag ſchlimmer mit euch zu werden ſcheint, muͤßt
ihr mir verzeihen wenn ich euch meine Gunſt ent-
reiſſe; ihr beſitzt ſie ohne Recht, ich ſchenkte ſie ei-
nem andern auf lebenslang, der ſie euch nicht uͤber-
tragen konnte.
Weislingen. So laßt mich los.
Adelheid. Nicht bis alle Hoffnung verlohren
iſt. Die Einſamkeit iſt in dieſen Umſtaͤnden gefaͤhr-
lich. Armer Menſch. Jhr ſeyd ſo mißmuthig wie
einer dem ſein erſtes Maͤdgen untreu wird, und
eben darum geb ich euch nicht auf. Gebt mir die
Hand, verzeiht mir was ich aus Liebe geſagt habe.
Weislingen. Koͤnnteſt du mich lieben, koͤnnteſt
du meiner heiſſen Leidenſchaft einen Tropfen Linde-
rung gewaͤhren. Adelheid! deine Vorwuͤrfe ſind
hoͤchſt ungerecht. Koͤnnteſt du den hundertſten Theil
ahnden, von dem was die Zeit her in mir arbeitet,
F 5du
du wuͤrdeſt mich nicht mit Gefaͤlligkeit, Gleichguͤl-
tigkeit und Verachtung ſo unbarmherzig hin und her
zerriſſen haben — Du laͤchelſt! — Nach dem
uͤbereilten Schritt wieder mit mir ſelbſt einig zu wer-
den, koſtete mehr als einen Tag. Wider den Men-
ſchen zu arbeiten, deſſen Andenken ſo lebhaft neu in
Liebe bey mir iſt.
Adelheid. Wunderlicher Mann, der du den
lieben kannſt, den du beneideſt! Das iſt als wenn
ich meinem Feinde Proviant zufuͤhrte.
Weislingen. Jch fuͤhls wohl es gilt hier kein
Saͤumen. Er iſt berichtet, daß ich wieder Weislin-
gen bin, und er wird ſich ſeines Vortheils uͤber
uns erſehen. Auch Adelheid ſind wir nicht ſo traͤg
als du meynſt. Unſere Reuter ſind verſtaͤrkt und
wachſam, unſere Unterhandlungen gehen fort, und
der Reichstag zu Augsburg ſoll hoffentlich unſere
Projekte zur Reife bringen.
Adelheid. Jhr geht ihn?
Weislingen. Wenn ich Eine Hoffnung mit neh-
nehmen koͤnnte!
(er kuͤßt ihre Hand.)
Adelheid. O ihr Unglaubigen. Jmmer Zei-
chen und Wunder! Geh Weislingen und vollende
das
das Werk. Der Vortheil des Biſchoffs, der Dei-
nige, der Meinige, ſie ſind ſo verwebt, daß, waͤre
es auch nur der Politik willen —
Weislingen. Du kannſt ſcherzen.
Adelheid. Jch ſcherze nicht. Meine Guͤter hat
der ſtolze Herzog inne, die deinigen wird Goͤtz nicht
lange ungeneckt laſſen; und wenn wir nicht zuſam-
men halten wie unſere Feinde, und den Kayſer auf
unſere Seite lenken, ſind wir verlohren.
Weislingen. Mir iſt’s nicht bange. Der groͤßte
Theil der Fuͤrſten iſt unſerer Geſinnung, der Kay-
ſer verlangt Huͤlfe gegen die Tuͤrken, und dafuͤr
iſt’s billig daß er uns wieder beyſteht. Welche
Wolluſt wird mir’s ſeyn deine Guͤter von uͤbermuͤ-
thigen Feinden zu befreyen, die unruhige Koͤpfe in
Schwaben auf’s Kuͤſſen zu bringen, die Ruhe des
Bisthums, unſrer aller herzuſtellen. Und dann —?
Adelheid. Ein Tag bringt den andern, nnd
beym Schickſaal ſteht das Zukuͤnftige.
Weislingen. Aber wir muͤſſen wollen.
Adelheid. Wir wollen ja.
Weislingen. Gewiß?
Adelheid. Nun ja. Geht nur.
Weislingen. Zauberin!
Herberge.
Herberge.
Bauern Hochzeit.
Muſik und Tanz drauſſen.
Der Braut Vater, Goͤtz, Selbitz (am
Tiſche) Braͤutigam (tritt zu ihnen.)
Goͤtz. Das geſcheidſte war, daß ihr euern Zwiſt
ſo gluͤcklich und froͤhlich durch eine Heyrath endigt.
Braut Vater. Beſſer als ich mir’s haͤtte trau-
men laſſen. Jn Ruh und Fried mit meinem Nach-
bar, und eine Tochter wohl verſorgt dazu!
Braͤutigam Und ich in Beſitz des ſtrittigen
Stuͤcks, und druͤber den huͤbſchten Backfiſch im
ganzen Dorf. Wollte Gott ihr haͤttet euch eher
drein geben.
Selbitz. Wie lange habt ihr prozeßirt?
Braut Vater. An die acht Jahre. Jch wollte
lieber noch einmal ſo lang das Frieren haben, als
von vorne anfangen. Das iſt ein Gezerre ihr
glaubts nicht, bis man den Perrucken ein Urtheil
vom Herzen reißt, und was hat man darnach. Der
Teufel
Teufel hohl den Aſſeſſor Sapupi ’s is ein verfluch-
ter ſchwarzer Jtaliaͤner.
Braͤutigam. Ja, das iſt ein toller Kerl. Zwey-
mal war ich dort.
Braut Vater. Und ich dreymal. Und ſeht ihr
Herrn, kriegen wir ein Urtheil endlich, wo ich ſo
viel Recht hab als er, und er ſo viel als ich, und
wir eben ſtunden wie die Maulaffen, biß mir un-
fer Herr Gott eingab, ihm meine Tochter zu geben
und das Zeug dazu.
Goͤtz (trinkt) Gut Vernehmen kuͤnftig.
Braut Vater. Gebs Gott. Geh aber wie’s
will, prozeßiren thu ich mein Tag nit mehr. Was
das ein Geldſpiel koſt. Jeden Reverenz den euch
ein Prokurator macht, muͤßt ihr bezahlen.
Selbitz. Sind ja jaͤhrlich Kayſerliche Viſitatio-
nen da.
Braut Vater. Hab nichts davon geſpuͤrt. Jſt
mir mancher ſchoͤner Thaler nebenausgangen. Das
unerhoͤrte Blechen!
Goͤtz. Wie meynt ihr?
Braut
Braut Vater. Ach, da macht alles hohle Pfoͤt-
gen. Der Aſſeſſor allein, Gott verzeihs ihm, hat
mir achtzehn Goldgulden abgenommen.
Braͤutigam. Wer?
Braut Vater. Wer anders als der Sapupi.
Goͤtz. Das iſt ſchaͤndlich.
Braut Vater. Wohl, ich mußt ihm zwanzig
erlegen. Und da ich ſie ihm hingezahlt hatte, in ſei-
nem Gartenhauß, das fuͤrtreflich iſt, im großen
Saal, wollt mir vor Wehmuth faſt das Herz bre-
chen. Denn ſeht, eines Haus und Hof ſteht gut,
aber wo ſoll baar Geld herkommen. Jch ſtund da,
Gott weiß wie mir’s war. Jch hatte keinen rothen
Heller Reiſegeld im Sack. Endlich nahm ich mir’s
Herz und ſtellts ihm vor. Nun er ſah daß mir’s
Waſſer an die Seele gieng, da warf er mir zwey
davon zuruͤck, und ſchickt mich fort.
Braͤutigam. Es iſt nicht moͤglich! Der Sapupi.
Braut Vater. Wie ſtellſt du dich! Freylich!
Kein andrer!
Braͤutigam. Den ſoll der Teufel hohlen, er hat
mir auch fuͤnfzehn Goldguͤlden abgenommen.
Braut Vater. Verflucht!
Selbitz.
Selbitz. Goͤtz! Wir ſind Raͤuber!
Braut Vater. Drum fiel das Urtheil ſo ſcheel
aus. Du Hund.
Goͤtz Das muͤßt ihr nicht ungeruͤgt laſſen.
Braut Vater. Was ſollen wir thun?
Goͤtz. Macht euch auf nach Speyer, es iſt eben
Viſitationszeit, zeigts an, ſie muͤſſens unterſuchen
und euch zu dem eurigen helfen.
Braͤutigam. Denkt ihr, wir treibens durch?
Goͤtz. Wenn ich ihm uͤber die Ohren duͤrfte,
wollt ich’s euch verſprechen.
Selbitz. Die Summe iſt wohl einen Verſuch
werth.
Goͤtz. Bin ich wohl eher um des vierten Theils
willen ausgeritten.
Braut Vater. Wie meynſt du?
Braͤutigam. Wir wollen, gehs wie’s geh.
Georg (kommt.)
Georg. Die Nuͤrnberger ſind im Anzug.
Goͤtz. Wo?
Georg.
Georg. Wenn wir ganz ſachte reiten, packen
wir ſie zwiſchen Beerheim und Muͤhlbach im Wald.
Selbitz. Trefflich!
Goͤtz. Kommt Kinder. Gott gruͤs euch. Helf
uns allen zum unſrigen.
Bauer. Großen Dank, ihr wollen nicht zum
Nacht Jms bleiben.
Goͤtz. Koͤnnen nicht. Adies.
Dritter Act.
Augsburg.
Ein Garten.
Zwey Nuͤrnberger Kaufleute.
Erſter Kaufmann. Hier wollen wir ſtehn, denn
da muß der Kayſer vorbey. Er kommt eben
die lange Allee herauf.
Zweyter Kaufmann. Wer iſt bey ihm?
Erſter Kaufmann. Adelbert von Weislingen.
Zweyter Kaufmann. Bambergs Freund! das
iſt gut.
Erſter Kaufmann. Wir wollen einen Fusfall
thun, und ich will reden.
Zweyter Kaufmann. Wohl, da kommen ſie.
Kayſer. Weislingen.
Erſter Kaufmann. Er ſieht verdruͤßlich aus.
Kayſer. Jch bin unmuthig Weislingen, und
wenn ich auf mein vergangenes Leben zuruͤck ſehe,
Gmoͤcht
moͤcht ich verzagt werden, ſo viel halbe, ſo viel ver-
ungluͤckte Unternehmungen! und das alles, weil
kein Fuͤrſt im Reich ſo klein iſt, dem nicht mehr
an ſeinen Grillen gelegen waͤre als an meinen Ge-
danken.
Die Kaufleute (werfen ſich ihm zu Fuͤßen)
Kaufmann. Allerdurchlauchtigſter! Großmaͤch-
tigſter!
Kayſer. Wer ſeyd ihr? Was gibts?
Kaufmann. Arme Kaufleute von Nuͤrnberg,
Euer Majeſtaͤt Knechte, und flehen um Huͤlfe. Goͤtz
von Berlichingen und Hanns von Selbitz haben
unſerer dreyſig, die von der Frankfurter Meß ka-
men, im Bambergiſchen Geleite niedergeworfen
und beraubt, wir bitten Eure Kayſerliche Majeſtaͤt
um Huͤlfe, um Beyſtand, ſonſt ſind wir alle verdor-
bene Leute, genoͤthigt unſer Brod zu betteln.
Kayſer. Heiliger Gott! Heiliger Gott! Was
iſt das? Der eine hat eine Hand, der andere nur
ein Bein, wenn ſie denn erſt zwo Haͤnde haͤtten,
und zwo Beine, was wolltet ihr dann thun?
Kaufmann. Wir bitten Eure Majeſtaͤt unter-
thaͤnigſt, auf unſere bedraͤngte Umſtaͤnde ein mitlei-
diges Auge zu werfen.
Kayſer.
Kayſer. Wie gehts zu! Wenn ein Kaufmann
einen Pfefferſack verliert, ſoll man das ganze Reich
aufmahnen, und wenn Haͤndel vorhanden ſind,
daran Kayſerliche Majeſtaͤt und dem Reich viel
gelegen iſt, daß es Koͤnigreich, Fuͤrſtenthum, Her-
zogthum und anders betrift, ſo kann euch kein
Menſch zuſammen bringen.
Weislingen. Jhr kommt zur ungelegnen Zeit.
Geht und verweilt einige Tage hier.
Kaufleute. Wir empfehlen uns zu Gnaden.
(ab)
Kayſer. Wieder neue Haͤndel. Sie wachſen
nach wie die Koͤpfe der Hydra.
Weislingen. Und ſind nicht auszurotten als mit
Feuer und Schwerdt, und einer muthigen Unterneh-
mung.
Kayſer. Glaubt ihr?
Weislingen. Jch halte nichts fuͤr thulicher, wenn
Eure Majeſtaͤt und die Fuͤrſten ſich uͤber andern un-
bedeutenden Zwiſt vereinigen koͤnnten. Es iſt mit
nichten ganz Deutſchland das uͤber Beunruhigung
klagt. Franken und Schwaben allein glimmt noch
von den Reſten des innerlichen verderblichen Bur-
gerkriegs. Und auch da ſind viele der Edlen und
G 2Freyen
Freyen die ſich nach Ruhe ſehnen. Haͤtten wir ein-
mal dieſen Sickingen, Selbitz — Berlichingen
auf die Seite geſchafft, das uͤbrige wuͤrde bald von
ſich ſelbſten zerfallen. Denn ſie ſind’s deren Geiſt
die aufruͤhriſche Menge belebt.
Kayſer. Jch moͤgte die Leute gerne ſchonen, ſie
ſind tapfer und edel. Wenn ich Krieg fuͤhrte, muͤßt
ich ſie unter meiner Armee haben.
Weislingen. Es waͤre zu wuͤnſchen daß ſie von
jeher gelernt haͤtten ihrer Pflicht zu gehorchen. Und
dann waͤr es hoͤchſt gefaͤhrlich ihre aufruͤhriſche
Unternehmungen durch Ehrenſtellen zu belohnen.
Denn eben dieſe Kayſerliche Mild und Gnade
iſt’s, die ſie bisher ſo ungeheuer mißbrauchen,
und ihr Anhang der ſein Vertrauen und Hofnung
darauf ſetzt, wird nicht ehe zu baͤndigen ſeyn, bis
wir ſie ganz vor den Augen der Welt zu nichte ge-
macht, und alle Ausſichten auf die Zukunft ihnen
abgeſchnitten haben.
Kayſer. Jhr rathet alſo zur Strenge.
Weislingen. Jch ſehe kein ander Mittel den
Schwindelgeiſt, der ganze Landſchaften ergreift, zu
bannen. Hoͤren wir nicht ſchon hier und da die bit-
terſten
terſten Klagen der Edlen, daß ihre Unterthanen ihre
Leibeigne ſich gegen ſie auflehnen und mit ihnen
rechten, ihnen die hergebrachte Oberherrſchaft zu
ſchmaͤlern drohen, und die gefaͤhrlichſte Folgen zu
fuͤrchten ſind.
Kayſer. Jetzt waͤre eine ſchoͤne Gelegenheit wi-
der den Berlichingen und Selbitz, nur wollt ich nicht
daß ihnen was zu leid geſchehe. Gefangen moͤgt ich
ſie haben, und dann muͤßten ſie Urphede ſchwoͤren,
auf ihren Schloͤſſern ruhig zu bleiben, und nicht aus
ihrem Bann zu gehen. Bey der naͤchſten Seßion
will ich’s vortragen.
Weislingen. Ein freudiger beyſtimmender Zu-
ruf wird Eurer Majeſtaͤt das Ende der Rede er-
ſparen.
(ab.)
Jaxthauſſen.
Sickingen. Berlichingen.
Sickingen. Ja, ich komme eure edle Schwe-
ſter um ihr Herz und ihre Hand zu bitten.
Goͤtz. So wollt ich ihr waͤrt eher kommen.
Jch muß euch ſagen, Weislingen hat waͤhrend ſei-
G 3ner
ner Gefangenſchaft ihre Liebe gewonnen, um ſie
angehalten, und ich ſagt ſie ihm zu. Jch hab ihn
los gelaſſen den Vogel, und er verachtet die guͤtige
Hand, die ihm in der Noth Futter reichte. Er
ſchwiret herum, weiß Gott auf welcher Hecke ſeine
Nahrung zu ſuchen.
Sickingen. Jſt das ſo.
Goͤtz. Wie ich ſage.
Sickingen. Er hat ein doppeltes Band zer-
riſſen. Wohl euch daß ihr mit dem Verraͤther nicht
naͤher verwandt worden.
Goͤtz. Sie ſizt, das arme Maͤdgen, und ver-
jammert und verbetet ihr Leben.
Sickingen. Wir wollen ſie zu Singen machen.
Goͤtz. Wie! Entſchließet ihr euch eine Verlaß-
ne zu heurathen.
Sickingen. Es macht euch beyden Ehre, von
ihm betrogen worden zu ſeyn. Soll darum das ar-
me Maͤdgen in ein Kloſter gehn, weil der erſte
Mann den ſie kannte ein Nichtswuͤrdiger war.
Nein doch! ich bleibe darauf, ſie ſoll Koͤnigin von
meinen Schloͤſſern werden.
Goͤtz.
Goͤtz. Jch ſage euch ſie war nicht gleichguͤltig
gegen ihn.
Sickingen. Trauſt du mir nicht zu daß ich
den Schatten eines Elenden ſollte verjagen koͤnnen.
Laßt uns zu ihr.
(ab.)
Lager der Reichsexekution.
Hauptmann. Offiziere.
Hauptmann. Wir muͤſſen behutſam gehn, und
unſere Leute ſo viel moͤglich ſchonen. Auch iſt un-
ſere gemeſſene Order ihn in die Enge zu treiben,
und lebendig gefangen zu nehmen. Es wird ſchwer
halten, denn wer mag ſich an ihn machen.
Erſter Offizier. Freylich! Und er wird ſich
wehren wie ein wildes Schwein. Ueberhaupt hat
er uns ſein lebenlang nichts zu leid gethan, und je-
der wirds von ſich ſchieben Kayſer und Reich zu
gefallen Arm und Bein dran zu ſetzen.
Zweyter Offizier. Es waͤre eine Schande wenn
wir ihn nicht kriegten. Wenn ich ihn nur einmal
beym Lippen habe, er ſoll nicht los kommen.
G 4Erſter
Erſter Offizier. Faßt ihn nur nicht mit Zaͤh-
nen, er moͤchte euch die Kinbacken ausziehen. Gu-
ter junger Herr, dergleichen Leut packen ſich nicht
wie ein fluͤchtiger Dieb.
Zweyter Offizier. Wollen ſehn.
Hauptmann. Unſern Brief muß er nun haben.
Wir wollen nicht ſaͤumen, und einen Trupp aus-
ſchicken, der ihn beobachten ſoll.
Zweyter Offizier. Laßt mich ihn fuͤhren.
Hauptmann. Jhr ſeyd der Gegend unkundig.
Zweyter Offizier. Jch habe einen Knecht der
hier gebohren und erzogen iſt.
Hauptmann. Jch bins zufrieden.
(ab.)
Jaxthauſſen.
Sickingen.
Sickingen. Es geht alles nach Wunſch, ſie
war etwas beſtuͤrzt uͤber meinen Antrag, und ſah
mich vom Kopf bis auf die Fuͤße an, ich wette ſie
verglich mich mit ihrem Weisfiſch. Gott ſey Dank
daß ich mich ſtellen darf. Sie antwortete wenig,
und durcheinander, deſto beſſer! Es mag eine Zeit
kochen.
kochen. Bey Maͤdgen die durch Liebesungluͤck ge-
beizt ſind, wird ein Heyrathsvorſchlag bald gar.
Goͤtz (kommt.)
Sickingen. Was bringt ihr Schwager?
Goͤtz. Jn die Acht erklaͤrt.
Sickingen. Was?
Goͤtz Da leßt den erbaulichen Brief. Der
Kayſer hat Exekution gegen mich verordnet, die
mein Fleiſch den Voͤgeln unter dem Himmel, und
den Thieren auf dem Felde zu freſſen vorſchneiden
ſoll.
Sickingen. Erſt ſollen ſie dran. Juſt zur ge-
legenen Zeit bin ich hier.
Goͤtz. Nein Sickingen ihr ſollt fort. Das hieſe
euere großen Anſchlaͤge im Keim zertreten, wenn ihr
zu ſo ungelegener Zeit des Reichs Feind werden
wolltet. Auch mir koͤnnt ihr weit mehr nutzen,
wenn ihr neutral zu ſeyn ſcheint. Der Kayſer liebt
euch, und das ſchlimmſte das mir begegnen kann,
iſt gefangen zu werden, dann braucht euer Vor-
wort, und reißt mich aus einem Elend, in das
unzeitige Huͤlfe uns beyde ſtuͤrzen konnte. Denn
was waͤr’s, jetzo geht der Zug gegen mich, er-
G 5fahren
fahren ſie du biſt bey mir, ſo ſchicken ſie mehr, und
wir ſind um nichts gebeſſert. Der Kayſer ſitzt an
der Quelle, und ich waͤr ſchon jetzt unwiederbring-
lich verlohren, wenn man Tapferkeit ſo geſchwind
einblaſen koͤnnte, als man einen Haufen zuſammen
blaſen kann.
Sickingen. Doch kann ich heimlich ein zwanzig
Reuter zu euch ſtoßen laſſen.
Goͤtz. Gut. Jch hab ſchon Georgen nach dem
Selbitz geſchickt, und meine Knechte in der Nach-
barſchaft herum. Lieber Schwager, wenn meine
Leute beyſammen ſind, es wird ein Haͤufgen ſeyn
dergleichen wenig Fuͤrſten beyſammen geſehen haben.
Sickingen. Jhr werdet gegen der Menge we-
nig ſeyn.
Goͤtz. Ein Wolf iſt einer ganzen Heerde Schaafe
zu viel.
Sickingen. Wenn ſie aber einen guten Hirten
haben.
Goͤtz. Sorg du. Und es ſind lauter Miethlinge.
Und dann kann der beſte Ritter nichts machen, wenn
er nicht Herr von ſeinen Handlungen iſt. So ka-
men
men ſie mir auch einmal, wie ich dem Pfalzgraf zu-
geſagt hatte gegen Conrad Schotten zu dienen, da
legt er mir einen Zettel aus der Canzley vor, wie
ich reiten und mich halten ſollt, da wurf ich den
Raͤthen das Papier wieder dar, und ſagt: ich wuͤßt
nicht darnach zu handeln; ich weiß nicht was mir
begegnen mag, das ſteht nicht im Zettel; ich muß
die Augen ſelbſt aufthun, und ſehn was ich zu ſchaf-
fen hab.
Sickingen. Gluͤck zu Bruder! Jch will gleich
fort und dir ſchicken was ich in der Eil zuſammen
treiben kann.
Goͤtz. Komm noch zu den Frauen, ich ließ ſie
beyſammen. Jch wollte daß du ihr Wort haͤtteſt,
ehe du gienſt. Dann ſchick mir die Reuter, und
komm heimlich wieder ſie abzuholen, denn mein
Schloß, fuͤrcht ich, wird bald kein Auffenthalt fuͤr
Weiber mehr ſeyn.
Sickingen. Wollen das beſte hoffen.
(ab.)
Bam-
Bamberg.
Adelheidens Zimmer.
Adelheid. Franz.
Adelheid. So ſind die beyde Exekutionen ſchon
aufgebrochen?
Franz. Ja, und mein Herr hat die Freude,
gegen eure Feinde zu ziehen. Jch wollte gleich mit,
ſo gern ich zu euch gehe. Auch will ich jetzt wieder
fort, um bald mit froͤhlicher Bottſchaft wieder zu
kehren. Mein Herr hat mirs erlaubt.
Adelheid. Wie ſtehts mit ihm?
Franz. Er iſt munter. Mir befahl er eure Hand
zu kuͤſſen.
Adelheid. Da — deine Lippen ſind warm.
Franz (vor ſich, auf die Bruſt deutend) Hier
iſt’s noch waͤrmer!
(laut) gnadige Frau, eure
Diener ſind die gluͤcklichſten Menſchen unter der
Sonne.
Adelheid. Wer fuͤhrt gegen Berlichingen.
Franz. Baron von Sirau. Lebt wohl, beſte
gnaͤdige Frau. Jch will wieder fort. Vergeßt mich
nicht.
Adel-
Adelheid. Du mußt was eſſen, trinken, und
raſten.
Franz. Wozu das? Jch hab euch ja geſehen.
Jch bin nicht muͤd noch hungrig.
Adelheid. Jch kenne deine Treu.
Franz. Ach gnaͤd’ge Frau!
Adelheid. Du haͤlſt’s nicht aus, gieb dich zur
Ruh, und nimm was zu dir.
Franz. Eure Sorgfalt fuͤr einen armen Jun-
gen.
(ab.)
Adelheid. Die Thraͤnen ſtehn ihm in den Augen.
Jch lieb ihn von Herzen. So wahr und warm hat
noch niemand an mir gehangen.
(ab.)
Jaxthauſſen.
Goͤtz. Georg.
Georg. Er will ſelbſt mit euch ſprechen. Jch
kenn ihn nicht, es iſt ein ſtattlicher Mann, mit
ſchwarzen feurigen Augen.
Goͤtz. Bring ihn herein.
Lerſe (kommt.)
Goͤtz. Gott gruͤs euch. Was bringt ihr.
Lerſe.
Lerſe. Mich ſelbſt, das iſt nicht viel, doch al-
les was es iſt biet ich euch an.
Goͤtz. Jhr ſeyd mir willkommen, doppelt will-
kommen, ein braver Mann, und zu dieſer Zeit, da
ich nicht hofte neue Freunde zu gewinnen, vielmehr
den Verluſt der Alten ſtuͤndlich fuͤrchtete. Gebt mir
euren Namen.
Lerſe. Franz Lerſe.
Goͤtz. Jch danke euch Franz, daß ihr mich mit
einem braven Mann bekannt gemacht habt.
Lerſe. Jch machte euch ſchon einmal mit mir
bekannt, aber damals danktet ihr mir nicht dafuͤr.
Goͤtz. Jch erinnere mich eurer nicht.
Lerſe. Es waͤre mir leyd. Wißt ihr noch, wie
ihr um des Pflazgrafen willen Conrad Schotten
feind wart, und nach Haßfurth auf die Faßnacht
reiten wolltet.
Goͤtz. Wohl weiß ich es.
Lerſe. Wißt ihr wie ihr unterweges bey einem
Dorf fuͤnf und zwanzig Reutern entgegen kamt.
Goͤtz. Richtig. Jch hielt ſie anfangs nur fuͤr
zwoͤlfe, und theilt meinen Haufen, waren unſerer
ſech-
ſechzehn, und hielt am Dorf hinter der Scheuer, in
willens ſie ſollten bey mir vorbey ziehen. Dann
wollt ich ihnen nachrucken, wie ich’s mit dem an-
dern Hauffen abgeredt hatte.
Lerſe. Aber wir ſahn euch, und zogen auf eine
Hoͤhe am Dorf. Jhr zogt herbey und hieltet unten.
Wie wir ſahen ihr wolltet nicht herauf kommen,
ritten wir herab.
Goͤtz. Da ſah ich erſt daß ich mit der Hand
in die Kohlen geſchlagen hatte. Fuͤnf und zwanzig
gegen acht! Da galts kein feyren. Erhard Truch-
ſes durchſtach mir einen Knecht, dafuͤr rannt ich
ihn vom Pferde. Haͤtten ſie ſich alle gehalten wie
er und ein Knecht, es waͤre mein und meines klei-
nen Haͤufgens uͤbel gewart geweſen.
Lerſe. Der Knecht wovon ihr ſagtet.
Goͤtz. Es war der bravſte den ich geſehen habe.
Er ſetzte mir heiß zu. Wenn ich dachte ich haͤtt ihn
von mir gebracht, wollte mit andern zu ſchaffen
haben, war er wieder an mir, und ſchlug feindlich
zu. Er hieb mir auch durch den Panzerermel hin-
durch, daß es ein wenig gefleiſcht hatte.
Lerſe.
Lerſe. Habt ihr’s ihm verziehen.
Goͤtz. Er gefiel mir mehr als zu wohl.
Lerſe. Nun ſo hoff ich daß ihr mit mir zufrie-
den ſeyn werdet, ich hab mein Probſtuͤck an euch
ſelbſt abgelegt.
Goͤtz. Biſt du’s. O willkommen willkommen.
Kannſt du ſagen Maximilian, du haſt unter deinen
Dienern Einen ſo geworben!
Lerſe. Mich wundert, daß ihr nicht eh auf
mich gefallen ſeyd.
Goͤtz. Wie ſollte mir einkommen, daß der mir
ſeine Dienſte anbieten wuͤrde, der auf das feindſe-
ligſte mich zu uͤberwaͤltigen trachtete.
Lerſe. Eben das Herr! Von Jugend auf dien
ich als Reuters Knecht, und habs mit manchem
Ritter aufgenommen. Da wir auf euch ſtießen
freut ich mich. Jch kannte euren Namen, und da
lernt ich euch kennen. Jhr wißt ich hielt nicht
Stand, ihr ſaht, es war nicht Furcht, denn ich
kam wieder. Kurz ich lernt euch kennen, und von
Stund an beſchloß ich euch zu dienen.
Goͤtz. Wie lange wollt ihr bey mir aushalten?
Lerſe. Auf ein Jahr. Ohne Entgeld.
Goͤtz.
Goͤtz. Nein, ihr ſollt gehalten werden wie ein
anderer, und druͤber wie der, der mir bey Remlin
zu ſchaffen machte.
Georg (kommt.)
Georg. Hanns von Selbitz laͤßt euch gruͤſen.
Morgen iſt er hier mit funfzig Mann.
Goͤtz. Wohl.
Georg. Es zieht am Kocher ein Trupp Reichs-
voͤlker herunter, ohne Zweifel euch zu beobachten.
Goͤtz. Wie viel?
Georg. Jhrer funfzig.
Goͤtz. Nicht mehr! Komm Lerſe wir wollen ſie
zuſammenſchmeiſſen, wenn Selbitz kommt daß er
ſchon ein Stuͤck Arbeit gethan findet.
Lerſe. Das ſoll eine reichliche Vorleſe werden.
Goͤtz. Zu Pferde!
(ab.)
Wald an einem Moraſt.
Zwey Reichsknechte (begegnen einander.)
Erſter Knecht. Was machſt du hier?
Zweyter Knecht. Jch hab Urlaub gebeten mei-
ne Nothdurft zu verrichten. Seit dem blinden Laͤr-
Hmen
men geſtern Abends, iſt mirs in die Gedaͤrme ge-
ſchlagen, daß ich alle Augenblicke vom Pferd muß.
Erſter Knecht. Haͤlt der Trupp hier in der
Naͤhe?
Zweyter Knecht. Wohl eine Stunde den Wald
hinauf.
Erſter Knecht. Wie verlaufſt du dich dann
hieher?
Zweyter Knecht. Jch bitt dich verrath mich
nicht. Jch will auf’s naͤchſte Dorf, und ſehn ob
ich nit mit warmen Ueberſchlaͤgen meinem Uebel ab-
helfen kann. Wo kommſt du her?
Erſter Knecht. Vom naͤchſten Dorf. Jch hab
unſerm Offizier Wein und Brod geholt.
Zweyter Knecht. So, er thut ſich was zu guts
vor unſerm Angeſicht, und wir ſollen faſten! Schoͤn
Exempel.
Erſter Knecht. Komm mit zuruͤck, Schurke.
Zweyter Knecht. Waͤr ich ein Narr. Es ſind
nich viele unterm Haufen, die gern faſteten wenn
ſie ſo weit davon waͤren als ich.
Erſter Knecht. Hoͤrſt du! Pferde!
Zweyter Knecht. O Weh!
Erſter
Erſter Knecht. Jch klettere auf den Baum.
Zweyter Knecht. Jch ſteck mich in’s Rohr.
Goͤtz. Lerſe. Georg. Knechte (zu Pferde.)
Goͤtz. Hier am Teich weg und linker Hand in
den Wald, ſo kommen wir ihnen im Ruͤcken.
(zie-
hen vorbey.)
Erſter Knecht. (Steigt vom Baum.) Da iſt
nicht gut ſeyn. Michel! Er antwortet nicht? Mi-
chel ſie ſind fort!
(Er geht nach dem Sumpf.)
Michel! O weh er iſt verſunken. Michel! er hoͤrt
mich nicht, er iſt erſtickt. Biſt doch krepirt du
Memme. — Wir ſind geſchlagen. Feinde uͤber-
all Feinde.
Goͤtz. Georg. (zu Pferde.)
Goͤtz. Halt Kerl oder du biſt des Todts.
Knecht. Schont meines Lebens.
Goͤtz. Dein Schwerdt! Georg fuͤhr ihn zu den
andern Gefangenen, die Lerſe dort unten am Wald
hat. Jch muß ihren fluͤchtigen Fuͤhrer erreichen.
(ab.)
Knecht. Was iſt aus unſerm Ritter geworden,
der uns fuͤhrte?
H 2Georg.
Georg. Unterſt zu oberſt ſtuͤrzt ihn mein Herr
vom Pferd daß der Federbuſch im Koth ſtack. Sei-
ne Reuter huben ihn auf’s Pferd und fort wie
beſeſſen.
(ab.)
Lager.
Hauptmann. Erſter Ritter.
Erſter Ritter. Sie fliehen von weitem dem La-
ger zu.
Hauptmann. Er wird ihnen an den Ferſen ſeyn.
Laßt ein funfzig ausrucken bis an die Muͤhle,
wenn er ſich zu weit verliert erwiſcht ihr ihn viel-
leicht.
(Ritter ab.)
Zweyter Ritter (gefuͤhrt.)
Hauptmann. Wie gehts junger Herr! Habt
ihr ein paar Zinken abgerennt.
Ritter. Daß dich die Peſt! Wenn ich Hoͤrner
gehabt haͤtte wie ein Dannhirſch, ſie waͤren geſplit-
tert wie Glas. Du Teufel! Er rannt auf mich
los, es war mir als wenn mich der Donner in die
Erde ’nein ſchluͤg.
Haupt-
Hauptmann. Dankt Gott daß ihr noch davon
gekommen ſeyd.
Ritter. Es iſt nichts zu danken, ein paar Rip-
pen ſind entzwey. Wo iſt der Feldſcheer.
(ab.)
Jaxthauſſen.
Goͤtz. Selbitz.
Goͤtz. Was ſagſt du zu der Achtserklaͤrung Sel-
bitz?
Selbitz. Es iſt ein Streich von Weislingen.
Goͤtz. Meynſt du!
Selbitz. Jch meyne nicht, ich weiß.
Goͤtz. Woher?
Selbitz. Er war auf dem Reichstag ſag ich
dir, er war um den Kayſer.
Goͤtz. Wohl, ſo machen wir ihm wieder einen
Anſchlag zu nichte.
Selbitz. Hoff’s.
Goͤtz. Wir wollen fort! und ſoll die Haaſen-
jagd angehn.
H 3Lager.
Lager.
Hauptmann. Ritter.
Hauptmann. Dabey kommt nichts heraus ihr
Herrn. Er ſchlaͤgt uns ein Detaſchement nach dem
andern, und was nicht umkommt und gefangen
wird das lauft in Gottes Namen lieber nach der
Tuͤrkey als ins Lager zuruͤck, ſo werden wir alle
Tag ſchwaͤcher. Wir muͤſſen einmal fuͤr allemal
ihm zu Leib gehen, und das mit Ernſt, ich will
ſelbſt dabey ſeyn und er ſoll ſehn mit wem er zu
thun hat.
Ritter. Wir ſinds all zufrieden, nur iſt er der
Landsart ſo kundig, weiß alle Gaͤnge und Schliche
im Gebuͤrg, daß er ſo wenig zu fangen iſt wie
eine Maus auf dem Kornboden.
Hauptmann. Wollen ihn ſchon kriegen. Erſt
auf Jaxthauſſen zu. Mag er wollen oder nicht er
muß herbey ſein Schloß zu vertheidigen.
Ritter. Soll unſer ganzer Hauf marſchieren?
Hauptmann. Freylich! Wißt ihr daß wir ſchon
um hundert geſchmolzen ſind.
Ritter.
Ritter. Drum geſchwind, eh der ganze Eis-
klumpen auftaut, es macht warm in der Naͤhe,
und wir ſtehn da wie Butter an der Sonne.
(ab.)
Gebuͤrg und Wald.
Goͤtz. Selbitz. Trupp.
Goͤtz. Sie kommen mit hellem Hauf. Es war
hohe Zeit daß Sickingens Reuter zu uns ſtießen.
Selbitz. Wir wollen uns theilen. Jch will
linker Hand um die Hoͤhe ziehen.
Goͤtz. Gut. Und du Franz fuͤhre mir die
funfzig rechts durch den Wald hinauf, ſie kommen
uͤber die Haide, ich will gegen ihnen halten. Georg
du bleibſt um mich. Und wenn ihr ſeht daß ſie mich
angreifen, ſo fallt ungeſaͤumt in die Seiten. Wir
wollen ſie patſchen. Sie denken nicht daß wir ih-
nen die Spitze bieten koͤnnen.
(ab.)
H 4Haide,
Haide auf der einen Seite eine
Hoͤhe, auf der andern Wald.
Hauptmann. Exekutionszug.
Hauptmann. Er haͤlt auf der Haide! Das iſt
impertinent. Er ſolls buͤßen. Was! Den Strohm
nicht zu fuͤrchten der auf ihn los brauſt.
Ritter. Jch wollt nicht daß ihr an der Spitze
rittet, er hat das Anſehn als ob er den erſten der
ihn anſtoßen moͤgte umgekehrt in die Erde pflan-
zen wollte. Reitet hinten drein.
Hauptmann. Nicht gern.
Ritter. Jch bitt euch. Jhr ſeyd noch der Kno-
ten von dieſem Buͤndel Haſelruthen, loͤßt ihn auf,
ſo knickt er ſie euch einzeln wie Riethgras.
Hauptmann. Trompeter blas! Und ihr blaſt
ihn weg.
(ab.)
Selbitz (hinter der Hoͤhe hervor im Galopp)
Selbitz. Mir nach! Sie ſollen zu ihren Haͤnden
rufen: multiplicirt euch.
(ab.)
Lerſe.
Lerſe (aus dem Wald.)
Lerſe. Goͤtzen zu Huͤlf! Er iſt faſt umringt.
Braver Selbitz, du haſt ſchon Luft gemacht. Wir
wollen die Haide mit ihren Diſtelkoͤpfen beſaͤen.
(vorbey) (Getuͤmmel.)
Eine Hoͤhe
mit einem Wartthurn.
Selbitz (verwundet.) Knechte.
Selbitz. Legt mich hieher und kehrt zu Goͤtzen.
Erſter Knecht. Laßt uns bleiben Herr, ihr
braucht unſer.
Selbitz. Steig einer auf die Warte und ſeh
wie’s geht.
Erſter Knecht. Wie will ich hinauf kommen?
Zweyter Knecht. Steig auf meine Schultern
da kannſt du die Luͤcke reichen, und dir bis zur Oef-
nung hinauf helfen.
(ſteigt hinauf.)
Zweyter Knecht. Ach Herr!
Selbitz. Was ſieheſt du?
Zweyter Knecht. Eure Reuter fliehen. Der
Hoͤhe zu.
H 5Selbitz.
Selbitz. Hoͤlliſche Schurken! Jch wollt ſie
ſtuͤnden und ich haͤtt eine Kugel vorm Kopf. Reit
einer hin, und fluch und wetter ſie zuruͤck.
(Knecht ab.)
Selbitz. Sieheſt du Goͤtzen?
Knecht. Die drey ſchwarze Federn ſeh ich mit-
ten im Getuͤmmel.
Selbitz. Schwimm braver Schwimmer. Jch
liege hier!
Knecht. Ein weiſer Federbuſch, wer iſt das?
Selbitz. Der Hauptmann.
Knecht. Goͤtz draͤngt ſich an ihn — Bau! Er
ſtuͤrzt.
Selbitz. Der Hauptmann?
Knecht. Ja Herr.
Selbitz. Wohl! Wohl!
Knecht. Weh! Weh! Goͤtzen ſeh ich nicht mehr.
Selbitz. So ſtirb Selbitz.
Knecht. Ein fuͤrchterlich Gedraͤng wo er ſtund.
Georgs blauer Buſch verſchwindt auch.
Selbitz. Komm herunter. Siehſt du Lerſen
nicht?
Knecht.
Knecht. Nichts. Es geht alles drunter und
druͤber.
Selbitz. Nichts mehr. Komm! Wie halten ſich
Sickingens Reuter.
Knecht. Gut. — Da flieht einer nach dem Wald.
Noch einer! Ein ganzer Trupp. Goͤtz iſt hin.
Selbitz. Komm herab.
Knecht. Jch kann nicht. — Wohl! Wohl!
Jch ſehe Goͤtzen! Jch ſehe Georgen!
Selbitz. Zu Pferd?
Knecht. Hoch zu Pferd! Sieg! Sieg! Sie
fliehn.
Selbitz. Die Reichstruppen.
Knecht. Die Fahne mitten drinn, Goͤtz hinten
drein. Sie zerſtreuen ſich. Goͤtz erreicht den Faͤhn-
drich — Er hat die Fahn — Er haͤlt. Eine hand-
voll Menſchen um ihn herum. Mein Camerad er-
reicht ihn — Sie ziehn herauf.
Goͤtz. Georg. Lerſe. Ein Trupp.
Selbitz. Gluͤck zu! Goͤtz. Sieg! Sieg!
Goͤtz (ſteigt vom Pferd) Theuer! Theuer! Du
biſt verwundt Selbitz.
Selbitz.
Selbitz. Du lebſt und ſiegſt! Jch hab wenig
gethan. Und meine Hunde von Reutern! Wie biſt
du davon gekommen?
Goͤtz. Diesmal galts! Und hier Georgen dank
ich das Leben und hier Lerſen dank ichs. Jch warf
den Hauptmann vom Gaul. Sie ſtachen mein
Pferd nieder und drangen auf mich ein, Georg
hieb ſich zu mir und ſprang ab, ich wie der Blitz
auf ſeinem Gaul, wie der Donner ſaß er auch wie-
der. Wie kamſt du zum Pferd?
Georg. Einem der nach euch hieb, ſtieß ich mei-
nen Dolch in die Gedaͤrme, wie ſich ſein Harniſch
in die Hoͤhe zog. Er ſtuͤrzt, und ich half euch von
einem Feind und mir zu einem Pferde.
Goͤtz. Nun ſtacken wir, bis Franz ſich zu uns
herein ſchlug, und da maͤhten wir von innen heraus.
Lerſe. Die Hunde die ich fuͤhrte ſollten von
auſſen hinein maͤhen bis ſich unſere Senſen bege-
gnet haͤtten, aber ſie flohen wie Reichsknechte.
Goͤtz. Es flohe Freund und Feind. Nur du
kleiner Hauf hielſt mir den Ruͤcken frey, ich hatte
mit den Kerls vor mir gnug zu thun. Der Fall ih-
res
res Hauptmanns half mir ſie ſchuͤtteln, und ſie flo-
hen. Jch habe ihre Fahne und wenig Gefangene.
Selbitz. Der Hauptmann iſt euch entwiſcht?
Goͤtz. Sie hatten ihn inzwiſchen gerettet. Kommt
ihr Kinder kommt! Selbitz! — Macht eine Bahre
von Aeſten, du kannſt nicht auf’s Pferd. Kommt in
mein Schloß. Sie ſind zerſtreut. Aber unſerer
ſind wenig, und ich weiß nicht ob ſie Truppen nach-
zuſchicken haben. Jch will euch bewirthen meine
Freunde. Ein Glas Wein ſchmeckt auf ſo einen
Straus.
Lager.
Hauptmann.
Hauptmann. Jch moͤgt euch alle mit eigener
Hand umbringen, ihr tauſend ſakerment. Was,
fortzulaufen! Er hatte keine handvoll Leute mehr!
Fortzulaufen wie die Scheiskerle! Vor Einem Mann.
Es wirds niemand glauben, als wer uͤber uns zu
lachen Luſt hat. — Reit herum, ihr, und ihr, und
ihr. Wo ihr von unſern zerſtreuten Knechten find’t,
bringt ſie zuruͤck oder ſtecht ſie nieder. Wir muͤſ-
ſen dieſe Scharten auswetzen, und wenn die Klin-
gen druͤber zu Grund gehen ſollten.
Jaxt-
Jaxthauſſen.
Goͤtz. Lerſe. Georg.
Goͤtz. Wir duͤrfen keinen Augenblick ſaͤumen!
Arme Jungens, ich darf euch keine Raſt goͤnnen.
Jagt geſchwind herum und ſucht noch Reuter auf-
zutreiben. Beſtellt ſie alle nach Weilern, da ſind
ſie am ſicherſten. Wenn wir zoͤgern ſo ziehen ſie
mir vors Schloß.
(die zwey ab.) Jch muß ei-
nen auf Kundſchaft ausjagen. Es faͤngt an heiß
zu werden, und wann es nur noch brave Kerls
waͤren, aber ſo iſt’s die Menge.
(ab.)
Sickingen. Maria.
Maria. Jch bitte euch lieber Sickingen, geht
nicht von meinem Bruder! Seine Reuter, Selbi-
tzens, eure, ſind zerſtreut, er iſt allein, Selbitz iſt
verwundet auf ſein Schloß gebracht, und ich fuͤrchte
alles.
Sickingen. Seyd ruhig ich gehe nicht weg.
Goͤtz (kommt.)
Goͤtz. Kommt in die Kirch, der Pater wartet.
Jhr ſollt mir in einer viertel Stund ein Paar ſeyn.
Sickin-
Sickingen. Laßt mich hier.
Goͤtz. Jn die Kirch ſollt ihr jetzt.
Sickingen. Gern. — und darnach?
Goͤtz. Darnach ſollt ihr eurer Wege gehn.
Sickingen. Goͤtz!
Goͤtz. Wollt ihr nicht in die Kirche.
Sickingen. Kommt kommt.
Lager.
Hauptmann.
Hauptmann. Wie viel ſind’s in allem?
Ritter. Hundert und funfzig.
Hauptmann. Von vierhunderten! Das iſt
arg. Jetzt gleich auf und grad gegen Jaxthauſſen
zu, ’eh er ſich erholt und ſich uns wieder in Weg
ſtellt.
Jaxthauſſen.
Goͤtz. Eliſabeth. Maria. Sickingen.
Goͤtz. Gott ſeegne euch, geb euch gluͤckliche
Tage, und behalte die die er euch abzieht fuͤr eu-
re Kinder.
Eliſa-
Eliſabeth. Und die laß er ſeyn wie ihr ſeyd:
Rechtſchaffen! Und dann laßt ſie werden was ſie
wollen.
Sickingen. Jch dank euch. Und dank euch
Maria. Jch fuͤhrte euch an den Altar, und ihr ſollt
mich zur Gluͤckſeligkeit fuͤhren.
Maria. Wir wollen zuſammen eine Pilgrim-
ſchaft nach dieſem fremden gelobten Lande antret-
ten.
Goͤtz. Gluͤck auf die Reiſe.
Maria. So iſt’s nicht gemeynt, wir verlaſſen
euch nicht.
Goͤtz. Jhr ſollt Schweſter.
Maria. Du biſt ſehr unbarmherzig, Bruder.
Goͤtz. Und ihr zaͤrtlicher als vorſehend.
Georg (kommt.)
Georg. (heimlich) Jch kann niemand auftrei-
ben. Ein einziger war geneigt, darnach veraͤnder-
te er ſich und wollte nicht.
Goͤtz. Gut Georg. Das Gluͤck faͤngt an lau-
niſch mit mir zu werden. Jch ahndet es. Sickin-
gen ich bitte euch geht noch dieſen Abend. Bere-
det
det Marie. Sie iſt eure Frau. Laßt ſie’s fuͤhlen.
Wenn Weiber queer in unſere Unternehmungen tret-
ten, iſt unſer Feind im freyen Feld ſichrer als
ſonſt in der Burg.
Knecht (kommt.)
Knecht (leiſe) Herr, das Reichsfaͤhnlein iſt auf
dem Marſch, grad hieher, ſehr ſchnell.
Goͤtz. Jch hab ſie mit Ruthenſtreichen geweckt!
Wie viel ſind ihrer?
Knecht. Ohngefehr zweyhundert. Sie koͤnnen
nicht zwey Stunden mehr von hier ſeyn.
Goͤtz. Noch uͤberm Fluß?
Knecht. Ja Herr.
Goͤtz. Wenn ich nur funfzig Mann haͤtte, ſie
ſollten mir nicht heruͤber. Haſt du Lerſen nicht ge-
ſehen.
Knecht. Nein Herr.
Goͤtz. Biet allen ſie ſollen ſich bereit halten. —
Es muß geſchieden ſeyn meine Lieben. Weine mei-
ne gute Marie, es werden Augenblicke kommen
wo du dich freuen wirſt. Es iſt beſſer du weinſt
deinen Hochzeittag, als daß uͤbergroße Freude der
JVor-
Vorbote kuͤnftigen Elends waͤre. Lebt wohl
Marie. Lebt wohl Bruder.
Maria. Jch kann nicht von euch Schweſter.
Lieber Bruder laß uns. Achteſt du meinen Mann
ſo wenig, daß du in dieſer Extremitaͤt ſeine Huͤlfe
verſchmaͤhſt.
Goͤtz. Ja, es iſt weit mit mir kommen. Viel-
leicht bin ich meinem Sturze nahe. Jhr beginnt
heut zu leben, und ihr ſollt euch von meinem Schick-
ſal trennen. Jch hab eure Pferde zu ſattlen befoh-
len. Jhr muͤßt gleich fort.
Maria. Bruder! Bruder!
Eliſabeth. (zu Sickingen) Gebt ihm nach! Geht.
Sickingen. Liebe Marie, laßt uns gehen.
Maria. Du auch. Mein Herz wird brechen.
Goͤtz. So bleib denn. Jn wenigen Stunden
wird meine Burg umringt ſeyn.
Maria. Weh! Weh!
Goͤtz. Wir werden uns vertheidigen ſo gut wir
koͤnnen.
Maria. Mutter Gottes hab Erbarmen mit uns!
Goͤtz.
Goͤtz. Und am Ende werden wir ſterben, oder
uns ergeben. — Du wirſt deinen edlen Mann, mit
mir in ein Schickſal geweint haben.
Maria. Du marterſt mich.
Goͤtz. Bleib! Bleib! Wir werden zuſammen
gefangen werden. Sickingen, du wirſt mit mir in
die Grube fallen! Jch hoffte du ſollteſt mir heraus
helfen.
Maria. Wir wollen fort. Schweſter. Schweſter.
Goͤtz. Bringt ſie in Sicherheit, und dann erin-
nert euch meiner.
Sickingen. Jch will ihr Bett nicht beſteigen,
bis ich euch auſſer Gefahr weiß.
Goͤtz. Schweſter — liebe Schweſter!
(er kuͤßt
ſie.)
Sickingen. Fort fort!
Goͤtz. Noch einen Augenblick — Jch ſeh
euch wieder. Troͤſtet euch. Wir ſehn uns wieder.
(Sickingen, Maria ab.)
Goͤtz. Jch trieb ſie, und da ſie geht moͤgt ich
ſie halten. Eliſabeth du bleibſt bey mir!
Eliſabeth. Bis in den Todt.
(ab.)
J 2Goͤtz.
Goͤtz. Wen Gott lieb hat, dem geb er ſo eine
Frau.
Georg (kommt.)
Georg. Sie ſind in der Naͤhe, ich habe ſie vom
Thurm geſehen. Die Sonne ging auf und ich
ſah ihre Picken blinken. Wie ich ſie ſah, wollt mir’s
nicht baͤnger werden, als einer Katze vor einer Ar-
mee Maͤuſe. Zwar wir ſpielen die Ratten.
Goͤtz. Seht nach den Thorriegeln. Verram-
melts inwendig mit Balken und Steinen.
(Georg
ab.) Wir wollen ihre Gedult fuͤr’n Narren halten.
Und ihre Tapferkeit, ſollen ſie mir an ihren eigenen
Naͤgeln verkaͤuen.
(Trompeter von auſſen.) Aha!
ein rothroͤckiger Schurke, der uns die Frage vor-
legen wird, ob wir Hundsfuͤtter ſeyn wollen.
(er
geht ans Fenſter) Was ſolls?
(Man hoͤrt in
der Ferne reden.)
Goͤtz. (in ſeinen Bart) Einen Strick um dei-
nen Hals.
(Trompeter redet fort.)
Goͤtz. Beleidiger der Maieſtaͤt! Die Aufforde-
rung hat ein Pfaff gemacht.
(Trompeter endet.)
Goͤtz. (antwortet) Mich ergeben! Auf Gnad
und Ungnad! Mit wem redet ihr! Bin ich ein
Raͤu-
Raͤuber! Sag deinem Hauptmann: Vor Jhro
Kayſerliche Majeſtaͤt, hab ich, wie immer ſchuldi-
gen Reſpect. Er aber, ſags ihm, er kann mich im
Arſch lecken.
(ſchmeiſt das Fenſter zu.)
Belagerung.
Kuͤche.
Eliſabeth. Goͤtz (zu ihr.)
Goͤtz. Du haſt viel Arbeit arme Frau.
Eliſabeth. Jch wollt ich haͤtte ſie lang. Wir
werden ſchwerlich lang aushalten koͤnnen.
Goͤtz. Wir hatten nicht Zeit uns zu verſehen.
Eliſabeth. Und die vielen Leute die ihr zeither
geſpeißt habt. Mit dem Wein ſind wir auch ſchon
auf der Neige.
Goͤtz. Wenn wir nur auf einen gewiſſen Punct
halten, daß ſie Kapitulation vorſchlagen. Wir thun
ihnen brav Abbruch. Sie ſchießen den ganzen Tag
und verwunden unſere Mauern und knicken unſere
Scheiben. Lerſe iſt ein braver Kerl, er ſchleicht
mit ſeiner Buͤchſe herum, wo ſich einer zu nahe
wagt blaf liegt er.
J 3Knecht.
Knecht. Kohlen gnaͤdige Frau.
Goͤtz. Was giebts.
Knecht. Die Kugeln ſind all, wir wollen neue
gießen.
Goͤtz. Wie ſtehts Pulver.
Knecht. So ziemlich. Wir ſparen unſere
Schuͤſſe wohl aus.
Saal.
Lerſe (mit einer Kugelform)
Knecht (mit Kohlen.)
Lerſe. Stell ſie daher, und ſeht wo ihr im
Haus Bley kriegt. Jnzwiſchen will ich hier zu-
greifen. (hebt ein Fenſter aus und ſchlaͤgt die Schei-
ben ein) Alle Vortheile gelten. — So gehts
in der Welt, weiß kein Menſch was aus den
Dingen werden kann. Der Glaſer der die Scheiben
faßte, dachte gewiß nicht daß das Bley einem ſei-
ner Urenkel garſtiges Kopfweh machen koͤnnte, und
da mich mein Vater machte, dachte er nicht wel-
cher Vogel unter dem Himmel, welcher Wurm auf
der Erde mich freſſen moͤgte.
Georg
Georg (kommt mit einer Dachrinne.)
Georg. Da haſt du Bley. Wenn du nur mit
der Haͤlfte trifſt, ſo entgeht keiner der Jhro Ma-
jeſtaͤt anſagen kann: Herr wir haben uns pro-
ſtituirt.
Lerſe. (haut davon.) Ein brav Stuͤck.
Georg. Der Regen mag ſich einen andern weg
ſuchen, ich bin nicht bang davor, ein braver Reu-
ter und ein rechter Regen mangeln nie eines Pfads.
Lerſe. (er gießt.) Halt den Loͤffel
(er geht
ans Fenſter.) Da zieht ſo ein Reichsmusje mit
der Buͤchſe herum, ſie denken wir haben uns ver-
ſchoſſen. Er ſoll die Kugel verſuchen warm, wie
ſie aus der Pfanne kommt.
(Er laͤdt.)
Georg. (lehnt den Loͤffel an.) Laß mich ſehn.
Lerſe. (ſchießt.) Da liegt der Spatz.
Georg. Der ſchoß vorhin nach mir,
(ſie gieſſen)
wie ich zum Dachfenſter hinaus ſtieg, und die Rin-
ne holen wollte. Er traff eine Taube die nicht
weit von mir ſaß, ſie ſtuͤrzt in die Rinne, ich dankt
ihm fuͤr den Braten und ſtieg mit der doppelten
Beute wieder herein.
J 4Lerſe.
Lerſe. Nun wollen wir wohl laden, und im
ganzen Schloß herum gehen, unſer Mittageſſen
verdienen.
Goͤtz (kommt.)
Goͤtz. Bleib Lerſe. Jch hab mit dir zu reden!
Dich Georg will ich nicht von der Jagd abhalten.
(Georg ab.)
Goͤtz Sie entbieten mir einen Vertrag.
Lerſe. Jch will zu ihnen hinaus, und hoͤren
was es ſoll.
Goͤtz. Es wird ſeyn: ich ſoll mich auf Be-
dingungen in ritterlich Gefaͤngniß ſtellen.
Lerſe. Das iſt nichts. Wie waͤrs, wenn ſie
uns freyen Abzug eingeſtuͤnden, da ihr doch von
Sickingen keinen Entſatz erwartet. Wir vergruͤben
Geld und Silber, wo ſie’s mit keinen Wuͤnſchel-
ruthen finden ſollten, uͤberlieſen ihnen das Schloß,
und kaͤmen mit Manier davon.
Goͤtz. Sie laſſen uns nicht.
Lerſe. Es kommt auf eine Prob an. Wir wol-
len um ſicher Geleit rufen, und ich will hinaus.
(ab.)
Saal.
Saal.
Goͤtz. Eliſabeth. Georg. Knechte.
(bey Tiſch.)
Goͤtz. So bringt uns die Gefahr zuſammen.
Laßts euch ſchmecken meine Freunde! Vergeßt das
trinken nicht. Die Flaſche iſt leer. Noch eine, lie-
be Frau.
(Eliſabeth zuͤckt die Achſel.)
Goͤtz. Jſt keine mehr da?
Eliſabeth. (leiſe.) Noch eine, ich hab ſie fuͤr
dich bey Seit geſetzt.
Goͤtz. Nicht doch Liebe! Gib ſie heraus. Sie
brauchen Staͤrkung, nicht ich, es iſt ja meine Sache.
Eliſabeth. Holt ſie drauſſen im Schranck!
Goͤtz. Es iſt die letzte. Und mir iſt’s als ob
wir nicht zu ſparen Urſach haͤtten. Jch bin lang
nicht ſo vergnuͤgt geweſen.
(er ſchenkt ein.) Es
lebe der Kayſer!
Alle. Er lebe.
Goͤtz. Das ſoll unſer vorletztes Wort ſeyn, wenn
wir ſterben. Jch lieb ihn, denn wir haben einerley
J 5Schick-
Schickſal. Und ich bin noch gluͤcklicher als er. Er
muß den Reichsſtaͤnden die Maͤuſe fangen, inzwi-
ſchen die Ratten ſeine Beſitzthuͤmer annagen. Jch
weiß er wuͤnſcht ſich manchmal lieber todt, als laͤn-
ger die Seele eines ſo kruͤplichen Coͤrpers zu ſeyn.
(ſchenkt ein.) Es geht juſt noch einmal herum.
Und wenn unſer Blut anfaͤngt auf die Neige zu ge-
hen, wie der Wein in dieſer Flaſche erſt ſchwach,
dann tropfenweiſe rinnt,
(er troͤpfelt das letzte in
ſein Glas.) Was ſoll unſer letztes Wort ſeyn?
Georg. Es lebe die Freyheit!
Goͤtz. Es lebe die Freyheit!
Alle. Es lebe die Freyheit!
Goͤtz. Und wenn die uns uͤberlebt koͤnnen wir
ruhig ſterben. Denn wir ſehen im Geiſt unſere
Enkel gluͤcklich, und die Kayſer unſrer Enkel gluͤck-
lich. Wenn die Diener der Fuͤrſten ſo edel und
frey dienen wie ihr mir, wenn die Fuͤrſten dem
Kayſer dienen wie ich ihm dienen moͤgte.
Georg. Da muͤßts viel anders werden.
Goͤtz. So viel nicht als es ſcheinen moͤgte. Hab
ich nicht unter den Fuͤrſten trefliche Menſchen ge-
kannt, und ſollte das Geſchlecht ausgeſtorben ſeyn!
Gute
Gute Menſchen, die in ſich und ihren Unterthanen
gluͤcklich waren. Die einen edlen freyen Nachbar
neben ſich leiden konnten, und ihn weder fuͤrchteten
noch beneideten. Denen das Herz aufging, wenn
ſie viel ihres Gleichen bey ſich zu Tiſch ſahen,
und nicht erſt die Ritter zu Hofſchranzen umzu-
ſchaffen brauchten um mit ihnen zu leben.
Georg. Habt ihr ſolche Herrn gekannt?
Goͤtz. Wohl. Jch erinnere mich zeitlebens,
wie der Landgraf von Hanau eine Jagd gab, und
die Fuͤrſten und Herrn die zugegen waren unter
freyem Himmel ſpeißten, und das Landvolk all her-
bey lief ſie zu ſehen. Das war keine Maskerade die
er ſich ſelbſt zu Ehren angeſtellt hatte. Aber die
vollen runden Koͤpfe der Burſchen und Maͤdels die
rothen Backen alle, und die wohlhaͤbigen Maͤnner
und ſtattlichen Greiſe, und alles froͤhliche Geſichter,
und wie ſie Theil nahmen an der Herrlichkeit ihres
Herrn, der auf Gottes Boden unter ihnen ſich er-
goͤtzte.
Georg. Das war ein Herr, vollkommen wie
ihr.
Goͤtz.
Goͤtz. Sollten wir nicht hoffen, daß mehr ſol-
cher Fuͤrſten auf einmal herrſchen koͤnnen, und
Verehrung des Kayſers, Fried und Freundſchaft
der Nachbarn, und der Unterthanen Lieb, der koſt-
barſte Familien Schatz ſeyn wird der auf Enkel
und Urenkel erbt. Jeder wuͤrde das Seinige erhal-
ten und in ſich ſelbſt vermehren, ſtatt daß ſie jetzo
nicht zuzunehmen glauben, wenn ſie nicht andere
verderben.
Georg. Wuͤrden wir hernach auch reiten?
Goͤtz. Wollte Gott es gaͤbe keine unruhige
Koͤpfe in ganz Deutſchland, wir wuͤrden deswegen
noch zu thun genug finden. Wir wollten die Ge-
buͤrge von Woͤlfen ſaͤubern, wollten unſerm ruhig
ackernden Nachbar einen Braten aus dem Wald
holen, und dafuͤr die Suppe mit ihm eſſen. Waͤr
uns das nicht genug, wir wollten uns mit unſern
Bruͤdern gleich Cherubs mit flammenden Schwerd-
ten, vor die Graͤnzen des Reichs gegen die Woͤlfe
die Tuͤrken, gegen die Fuͤchſe die Franzoſen lagern,
und zugleich unſers theuern Kayſers ſehr ausgeſetzte
Laͤnder und die Ruhe des Ganzen beſchuͤtzen. Das
waͤre ein Leben Georg! wenn man ſeine Haut vor
die allgemeine Gluͤckſeligkeit ſetzte.
(Georg ſpringt
auf.)Goͤtz.
Goͤtz. Wo willſt du hin?
Georg. Ach ich vergaß daß wir eingeſperrt
ſind. — Und der Kayſer hat uns eingeſperrt —
und unſere Haut davon zu bringen, ſetzen wir un-
ſere Haut dran!
Goͤtz. Sey gutes Muths.
Lerſe (kommt.)
Lerſe. Freyheit! Freyheit! Das ſind ſchlechte
Menſchen, unſchluͤſſige bedaͤchtige Eſel. Jhr
ſollt abziehen, mit Gewehr, Pferden und Ruͤſtung.
Proviant ſollt ihr dahinten laſſen.
Goͤtz. Sie werden ſich kein Zahnweh dran kauen.
Lerſe. (heimlich) Habt ihr das Silber verſteckt?
Goͤtz. Nein! Frau geh mit Franzen er hat dir
was zu ſagen.
Schloß-
Schloßhof.
Georg im Stall (ſingt.)
Es fing ein Knab ein Voͤgelein.
Hḿ! Hḿ!
Da lacht er in den Kaͤfig ’nein
Hm! Hm!
So! So!
Hḿ! Hḿ!
Der freut ſich traun ſo laͤppiſch
Hḿ! Hḿ!
Und griff hinein ſo taͤppiſch,
Hm! Hm!
So! So!
Hḿ! Hḿ!
Da flog das Meislein auf ein Haus
Hḿ! Hḿ!
Und lacht den dummen Buben aus
Hm! Hm!
So! So!
Hḿ! Hḿ.
Goͤtz.
Goͤtz. Wie ſtehts?
Georg. (fuͤhrt ſein Pferd heraus.) Sie ſind
geſattelt.
Goͤtz. Du biſt fix.
Georg. Wie der Vogel aus dem Kaͤfig.
Alle die Belagerte.
Goͤtz. Jhr habt eure Buͤchſen. Nicht doch!
Geht hinauf und nehmt die beſten aus dem Ruͤſt-
ſchrank, es geht in einem hin. Wir wollen voraus
reiten.
Georg. Hm! Hm!
So! So!
Hḿ! Hḿ!
(ab.)
Saal.
Zwey Knechte (am Ruͤſtſchrank.)
Erſter Knecht. Jch nehm’ die.
Zweyter Knecht. Jch die. Da iſt noch eine
ſchoͤnere.
Erſter
Erſter Knecht. Nicht doch. Mach daß du
fort kommſt.
Zweyter Knecht. Horch!
Erſter Knecht. (ſpringt ans Fenſter) Hilf hei-
liger Gott! ſie ermorden unſern Herrn. Er liegt
vom Pferd! Georg ſtuͤrzt!
Zweyter Knecht. Wo retten wir uns! An der
Mauer den Nußbaum hinunter ins Feld.
(ab.)
Erſter Knecht. Franz haͤlt ſich noch, ich will
zu ihm. Wenn ſie ſterben mag ich nicht leben.
(ab.)
Vierter
Vierter Act.
Wirthshaus zu Heilbronn.
Goͤtz.
Goͤtz. Jch komme mir vor wie der boͤſe Geiſt,
den der Capuciner in einen Sack beſchwur.
Jch arbeite mich ab und fruchte mir nichts. Die
Meyneidigen!
Eliſabeth (kommt.)
Goͤtz. Was fuͤr Nachrichten Eliſabeth von
meinen lieben Getreuen.
Eliſabeth. Nichts gewiſſes. Einige ſind erſto-
chen, einige liegen im Thurn. Es konnte oder wollte
niemand mir ſie naͤher bezeichnen.
Goͤtz. Jſt das Belohnung der Treue! Der
kindlichſten Ergebenheit? — Auf daß dir’s wohl
gehe, und du lang lebeſt auf Erden!
Eliſabeth. Lieber Mann, ſchilt unſern himmli-
ſchen Vater nicht. Sie haben ihren Lohn, er ward
mit ihnen gebohren, ein freyes edles Herz. Laß ſie
gefangen ſeyn, ſie ſind frey! Gib auf die depu-
tirten Raͤthe acht, die groſen goldnen Ketten ſtehn
ihnen zu Geſicht. —
KGoͤtz.
Goͤtz. Wie dem Schwein das Halsband. Jch
moͤgte Georgen und Franzen geſchloſſen ſehn!
Eliſabeth. Es waͤre ein Anblick um Engel wei-
nen zu machen.
Goͤtz. Jch wollt nicht weinen. Jch wollte die
Zaͤhne zuſammen beiſſen, und an meinem Grimm
kauen. Jn Ketten meine Augaͤpfel! Jhr lieben
Jungen haͤttet ihr mich nicht geliebt! — Jch
wuͤrde mich nicht ſatt an ihnen ſehen koͤnnen. —
Jm Nahmen des Kayſers ihr Wort nicht zu halten!
Eliſabeth. Entſchlagt euch dieſer Gedanken.
Bedenkt daß ihr vor den Raͤthen erſcheinen ſollt.
Jhr ſeyd nicht geſtellt ihnen wohl zu begegnen,
und ich fuͤrchte alles.
Goͤtz. Was wollen ſie mir anhaben?
Eliſabeth. Der Gerichtsbote!
Goͤtz. Eſel der Gerechtigkeit! Schleppt ihre
Saͤcke zur Muͤhle, und ihren Kehrig aufs Feld.
Was gibts?
Gerichtsdiener (kommt.)
Gerichtsdiener Die Herrn Commiſſarii ſind auf
dem Rathhauſe verſammlet, und ſchicken nach euch.
Goͤtz. Jch komme.
Gerichts-
Gerichtsdiener. Jch werde euch bekleiden.
Goͤtz. Viel Ehre.
Eliſabeth. Maͤßigt euch.
Goͤtz. Sey außer Sorgen.
(ab.)
Rathhaus.
Kayſerliche Raͤthe. Hauptmann.
Rathsherrn von Heilbronn.
Rathsherr. Wir haben auf euern Befehl die
ſtaͤrkſten und tapferſten Buͤrger verſammlet, ſie
warten hier in der Naͤhe auf euern Wink um ſich
Berlichingens zu bemeiſtern.
Erſter Rath. Wir werden Jhro Kayſerliche
Majeſtaͤt eure Bereitwilligkeit ihrem hohen Be-
fehl zu gehorchen, mit vielem Vergnuͤgen zu ruͤh-
men wiſſen. — Es ſind Handwerker?
Rathsherr. Schmiede, Weinſchroͤter, Zimmer-
leute, Maͤnner mit geuͤbten Faͤuſten und hier wohl
beſchlagen.
(Auf die Bruſt deutend.)
Rath. Wohl.
Gerichtsdiener (kommt.)
Gerichtsdiener. Goͤtz von Berlichingen wartet
vor der Thuͤr.
K 2Rath.
Rath. Laßt ihn herein.
Goͤtz (kommt.)
Goͤtz. Gott gruͤs euch ihr Herrn, was wollt
ihr mit mir?
Rath. Zuerſt daß ihr bedent: wo ihr ſeyd? und
vor wem?
Goͤtz. Bey meinem Eyd, ich verkenn euch
nicht meine Herrn.
Rath. Jhr thut eure Schuldigkeit.
Goͤtz. Von ganzem Herzen.
Rath. Setzt euch.
Goͤtz. Da unten hin! Jch kann ſtehn. Das
Stuͤlgen riecht ſo nach armen Suͤndern, wie
uͤberhaupt die ganze Stube.
Rath. So ſteht!
Goͤtz. Zur Sache wenn’s gefaͤllig iſt.
Rath. Wir werden in der Ordnung verfahren.
Goͤtz. Binn’s wohl zufrieden, wollt es waͤr
von jeher geſchehen.
Rath. Jhr wißt wie ihr auf Gnad und Un-
gnad in unſere Haͤnde kamt.
Goͤtz. Was gebt ihr mir? wenn ich’s vergeſſe.
Rath. Wenn ich euch Beſcheidenheit geben koͤnn-
te, wuͤrd ich eure Sache gut machen.
Goͤtz.
Goͤtz. Gut machen! Wenn ihr das koͤnntet!
Darzu gehoͤrt freylich mehr als zum verderben.
Schreiber. Soll ich das all protokolliren.
Rath. Was zur Handlung gehoͤrt.
Goͤtz. Meintwegen duͤrft ihr’s drucken laſſen.
Rath. Jhr wart in der Gewalt des Kayſers,
deſſen vaͤterliche Gnade an den Platz der Majeſtaͤ-
tiſchen Gerechtigkeit trat, euch anſtatt eines Kerkers
Heilbronn eine ſeiner geliebten Staͤdte zum Aufent-
halt anwies. Jhr verſpracht mit einem Eyd euch
wie es einem Ritter geziemt zu ſtellen, und das
weitere demuͤthig zu erwarten.
Goͤtz. Wohl, und ich bin hier und warte.
Rath. Und wir ſind hier euch Jhro Kayſerli-
chen Majeſtaͤt Gnade und Huld zu verkuͤndigen. Sie
verzeiht euch eure Uebertretungen, ſpricht euch von
der Acht und aller wohlverdienten Strafe los, wel-
ches ihr mit unterthaͤnigem Dank erkennen, und
dagegen die Urphede abſchwoͤren werdet, welche euch
hiermit vorgeleſen werden ſoll.
Goͤtz. Jch bin Jhro Majeſtaͤt treuer Knecht
wie immer. Noch ein Wort eh ihr weiter geht.
Meine Leute, wo ſind die? Was ſoll mit ihnen
werden?
K 3Rath.
Rath. Das geht euch nichts an.
Goͤtz. So wende der Kayſer ſein Angeſicht von
euch wenn ihr in Noth ſteckt. Sie waren meine
Geſellen, und ſind’s. Wo habt ihr ſie hingebracht?
Rath. Wir ſind euch davon keine Rechnung
ſchuldig.
Goͤtz. Ah! Jch dachte nicht, daß ihr nicht ein-
mal zu dem verbunden ſeyd was ihr verſprecht,
geſchweige —
Rath. Unſere Commißion iſt euch die Urphede
vorzulegen. Unterwerft euch dem Kayſer, und ihr
werdet einen Weg finden um eurer Geſellen Leben
und Freyheit zu flehen.
Goͤtz. Euern Zettel!
Rath. Schreiber leſt.
Schreiber. Jch Goͤtz von Berlichingen bekenne
oͤffentlich durch dieſen Brief. Daß da ich mich neu-
lich gegen Kayſer und Reich rebelliſcher Weiſe auf-
gelehnt —
Goͤtz. Das iſt nicht wahr. Jch bin kein Re-
bell, habe gegen Jhro Kayſerliche Majeſtaͤt nichts
verbrochen, und das Reich geht mich nichts an.
Rath. Maͤßigt euch und hoͤrt weiter.
Goͤtz.
Goͤtz. Jch will nichts weiter hoͤren. Trett ei-
ner auf, und zeug! Hab ich wider den Kayſer, wi-
der das Haus Oeſterreich nur einen Schritt gethan!
Hab ich nicht von jeher durch alle Handlungen ge-
wieſen, daß ich beſſer als einer fuͤhle was Deutſch-
land ſeinem Regenten ſchuldig iſt, und beſonders
was die Kleinen, die Ritter und Freyen ihrem
Kayſer ſchuldig ſind. Jch muͤßte ein Schurke ſeyn
wenn ich mich koͤnnte uͤberreden laſſen das zu un-
terſchreiben.
Rath. Und doch haben wir gemeſſene Ordre
euch in der Guͤte zu uͤberreden, oder im Entſtehungs-
Fall euch in den Thurn zu werfen.
Goͤtz. Jn Thurn! Mich!
Rath. Und daſelbſt koͤnnt ihr euer Schickſal von
der Gerechtigkeit erwarten, wenn ihr es nicht aus
den Haͤnden der Gnade empfangen wollt.
Goͤtz. Jn Thurn! Jhr mißbraucht die Kayſer-
liche Gewalt. Jn Thurn! Das iſt ſein Befehl
nicht. Was! mir erſt, die Verraͤther! eine Falle
ſtellen, und ihren Eyd, ihr ritterlich Wort zum
Speck drinn aufzuhaͤngen! Mir dann ritterlich Ge-
faͤngniß zuzuſagen, und die Zuſage wieder brechen.
Rath. Einem Raͤuber ſind wir keine Treue
ſchuldig.
K 4Goͤtz.
Goͤtz. Truͤgſt du nicht das Ebenbild des Kay-
ſers, das ich in dem geſudeltſten Conterfey verehre,
du ſollteſt mir den Raͤuber freſſen oder dran erwuͤr-
gen. Jch bin in einer ehrlichen Fehd begriffen.
Du koͤnnteſt Gott danken und dich vor der Welt
groß machen, wenn du in deinem Leben eine ſo edle
That gethan haͤtteſt, wie die iſt, um welcher wil-
len ich gefangen ſitze.
Rath. (Winkt dem Rathsherrn, der zieht die
Schelle.)
Goͤtz. Nicht um des leidigen Gewinnſts willen,
um Land und Leute unbewehrten Kleinen wegzuka-
pern bin ich ausgezogen. Meinen Jungen zu be-
freyen, und mich meiner Haut zu wehren! ſeht ihr
was unrechtes dran? Kayſer und Reich haͤtten un-
ſere Noth nicht in ihrem Kopfkuͤſſen gefuͤhlt. Jch
habe Gott ſey Dank noch eine Hand, und habe
wohl gethan ſie zu brauchen.
Buͤrger (treten herein, Stangen in der
Hand, Wehren an der Seite.)
Goͤtz. Was ſoll das!
Rath. Jhr wollt nicht hoͤren. Fangt ihn.
Goͤtz.
Goͤtz. Jſt das die Meynung! Wer kein Ungri-
ſcher Ochs iſt, komm mir nicht zu nah. Er ſoll von
dieſer meiner rechten eiſernen Hand eine ſolche
Ohrfeige kriegen, die ihm Kopfweh, Zahnweh und
alles Weh der Erden aus dem Grund kuriren ſoll.
(Sie machen ſich an ihn, er ſchlaͤgt den einen zu
Boden, und reißt einem andern die Wehr von der
Seite, ſie weichen.) Kommt! Kommt! Es waͤ-
re mir angenehm den tapferſten unter euch kennen
zu lernen.
Rath. Gebt euch.
Goͤtz. Mit dem Schwerdt in der Hand! Wißt
ihr daß es ietzt nur an mir laͤge mich durch alle
dieſe Haaſenjaͤger durchzuſchlagen, und das weite
Feld zu gewinnen. Aber ich will euch lehren wie
man Wort haͤlt. Verſprecht mir ritterlich Gefaͤng-
niß, und ich gebe mein Schwerdt weg und bin wie
vorher euer Gefangener.
Rath. Mit dem Schwerdt in der Hand, wollt
ihr mit dem Kayſer rechten?
Goͤtz. Behuͤte Gott! Nur mit euch und eurer
edlen Compagnie. Jhr koͤnnt nach Haus gehn,
gute Leute. Vor die Verſaͤumniß kriegt ihr nichts,
und zu holen iſt hier nichts als Baͤulen.
K 5Rath.
Rath. Greift ihn. Gibt euch eure Liebe zu eu-
rem Kayſer nicht mehr Muth?
Goͤtz. Nicht mehr als ihnen der Kayſer Pfla-
ſter gibt die Wunden zu heilen, die ſich ihr Muth
holen koͤnnte.
Gerichtsdiener (kommt.)
Gerichtsdiener. Eben ruft der Thuͤrner: es zieht
ein Trupp von mehr als zweyhunderten nach der
Stadt zu. Unverſehens ſind ſie hinter der Weinhoͤ-
he hervorgedrungen, und drohen unſern Mauern.
Rathsherr. Weh uns was iſt das?
Wache (kommt.)
Wache. Franz von Sickingen haͤlt vor dem
Schlag, und laͤßt euch ſagen: er habe gehoͤrt wie
unwuͤrdig man an ſeinem Schwager bundbruͤchig
geworden ſeye, wie die Herrn von Heilbronn allen
Vorſchub thaͤten. Er verlange Rechenſchaft, ſonſt
wolle er binnen einer Stunde die Stadt an vier
Ecken anzuͤnden, und ſie der Pluͤnderung Preis
geben.
Goͤtz. Braver Schwager!
Rath. Tretet ab, Goͤtz. — Was iſt zu thun?
Raths-
Rathsherr. Habt Mitleiden mit uns und unſe-
rer Buͤrgerſchaft, Sickingen iſt unbaͤndig in ſeinem
Zorn, er iſt Mann es zu halten.
Rath. Sollen wir uns und dem Kayſer die
Gerechtſame vergeben.
Hauptmann. Wenn wir nur Leute haͤtten ſie
zu halten. So aber koͤnnten wir umkommen, und
die Sache waͤr nur deſto ſchlimmer. Wir gewin-
nen im Nachgeben.
Rathsherr. Wir wollen Goͤtzen anſprechen fuͤr
uns ein gut Wort einzulegen. Mir iſt’s als wenn
ich die Stadt ſchon in Flammen ſaͤhe.
Rath. Laßt Goͤtz herein.
Goͤtz. Was ſoll’s?
Rath. Du wuͤrdeſt wohl thun, deinen Schwa-
ger von ſeinem rebelliſchen Vorhaben abzumahnen.
Anſtatt dich vom Verderben zu retten, ſtuͤrzt er dich
tiefer hinein indem er ſich zu deinem Falle geſellt.
Goͤtz (ſieht Eliſabeth an der Thuͤr, heimlich zu ihr)
Geh hin! Sag ihm: er ſoll unverzuͤglich herein
brechen, ſoll hierher kommen, nur der Stadt kein
leids thun. Wenn ſich die Schurken hier widerſe-
tzen, ſoll er Gewalt brauchen. Es liegt mir nichts
dran umzukommen, wenn ſie nur all mit erſtochen
werden.
Ein
Ein groſer Saal auf dem
Rathhaus.
Sickingen. Goͤtz.
(Das ganze Rathhaus iſt mit Sickingens
Reutern beſetzt.)
Goͤtz. Das war Huͤlfe vom Himmel. Wie
kommſt du ſo erwuͤnſcht und unvermuthet, Schwager.
Sickingen. Ohne Zauberey. Jch hatte zwey
drey Boten ausgeſchickt zu hoͤren wie dirs ging.
Auf die Nachricht von ihrem Meyneid macht ich
mich auf die Wege. Nun haben wir die Kerls.
Goͤtz. Jch verlange nichts als ritterliche Haft.
Sickingen. Du biſt zu ehrlich. Dich nicht ein-
mal des Vortheils zu bedienen, den der Rechtſchaf-
fene uͤber den Meyneidigen hat. Sie ſitzen im Un-
recht, und wir wollen ihnen keine Kuͤſſen unterlegen.
Sie haben die Befehle des Kayſers ſchaͤndlich miß-
braucht. Und wie ich Jhro Majeſtaͤt kenne, darfſt
du ſicher auf mehr dringen. Es iſt zu wenig.
Goͤtz. Jch bin von jeher mit wenigem zufrie-
den geweſen.
Sickin-
Sickingen. Und biſt von jeher zu kurz kommen.
Meine Meynung iſt: ſie ſollen deine Knechte aus
dem Gefaͤngniß, und dich zuſamt ihnen auf deinen
Eyd nach deiner Burg ziehen laſſen. Du magſt
verſprechen nicht aus deiner Terminey zu gehen,
und wirſt immer beſſer ſeyn als hier.
Goͤtz. Sie werden ſagen: Meine Guͤter ſeyn
dem Kayſer heimgefallen.
Sickingen. So ſagen wir: Du wollteſt zur
Miethe drinn wohnen bis ſie dir der Kayſer wieder
zu Lehn gaͤbe. Laß ſie ſich wenden wie Aele in der
Reuſſe, ſie ſollen uns nicht entſchluͤpfen. Sie wer-
den von Kayſerlicher Majeſtaͤt reden, von ihrem
Auftrag. Das kann uns einerley ſeyn. Jch kenn
den Kayſer auch und gelte was bey ihm. Er hat
von jeher gewuͤnſcht dich unter ſeiner Armee zu
haben. Du wirſt nicht lang auf deinem Schloß
ſitzen, ſo wirſt du aufgeruffen werden.
Goͤtz. Wollte Gott bald, eh ich’s fechten verlerne.
Sickingen. Der Muth verlernt ſich nicht, wie
er ſich nicht lernt. Sorge vor nichts, wenn deine
Sachen in der Ordnung ſind geh ich an Hof,
denn meine Unternehmung faͤngt an reif zu werden.
Guͤn-
Guͤnſtige Aſpekten deuten mir, brich auf! Es iſt
mir nichts uͤbrig als die Geſinnung des Kayſers zu
ſondiren. Trier und Pfalz vermuthen eher des
Himmels Einfall, als daß ich ihnen uͤbern Kopf
kommen werde. Und ich will kommen wie ein
Hagelwetter! Und wenn wir unſer Schickſal ma-
chen koͤnnen, ſo ſollſt du bald der Schwager eines
Churfuͤrſten ſeyn. Jch hoffte auf deine Fauſt bey
dieſer Unternehmung.
Goͤtz (beſieht ſeine Hand) O! das deutete der
Traum den ich hatte, als ich Tags drauf Marien
an Weislingen verſprach. Er ſagte mir Treu zu,
und hielt meine rechte Hand ſo feſt daß ſie aus den
Armſchienen gieng, wie abgebrochen. Ach! Jch
bin in dieſem Augenblick wehrloſer als ich war da
ſie mir abgeſchoſſen wurde. Weisling! Weisling!
Sickingen. Vergiß einen Verraͤther. Wir wol-
len ſeine Auſchlaͤge vernichten, ſein Anſehn unter-
graben, und Gewiſſen und Schande ſollen ihn zu
todt freſſen. Jch ſeh, ich ſeh im Geiſte meine Fein-
de, deine Feinde niedergeſtuͤrzt. Goͤtz nur noch ein
halb Jahr!
Goͤtz. Deine Seele fliegt hoch. Jch weiß nicht,
ſeit einiger Zeit wollen ſich in der Meinigen keine
froͤh-
froͤhliche Auſſichten eroͤfnen — Jch war ſchon mehr
in Ungluͤck, ſchon einmal gefangen, und ſo wie mir’s
jetzt iſt war mir’s niemals.
Sickingen. Gluͤck macht Muth. Kommt zu
denen Peruͤcken, ſie haben lang genug den Vortrag
gehabt, laß uns einmal die Muͤh uͤbernehmen.
(ab.)
Adelheidens Schloß.
Adelheid. Weislingen.
Adelheid. Das iſt verhaßt.
Weislingen. Jch hab die Zaͤhne zuſammen ge-
biſſen. Ein ſo ſchoͤner Anſchlag, ſo gluͤcklich voll-
fuͤhrt, und am Ende ihn auf ſein Schloß zu laſſen!
Der verdammte Sickingen.
Adelheid. Sie haͤtten’s nicht thun ſollen.
Weislingen. Sie ſaßen feſt. Was konnten ſie
machen? Sickingen drohte mit Feuer und Schwerdt,
der hochmuͤthige jaͤhzornige Mann. Jch haß ihn.
Sein Anſehn nimmt zu wie ein Strom, der nur
einmal ein Paar Baͤche gefreſſen hat, die uͤbrigen
geben ſich von ſelbſt.
Adelheid. Hatten ſie keinen Kayſer?
Weis-
Weislingen. Liebe Frau! Er iſt nur der Schar-
ten davon, er wird alt und mißmuthig. Wie er
hoͤrte was geſchehen war, und ich, nebſt den uͤbri-
gen Regimentsraͤthen eiferte, ſagt er: Laßt ihnen
Ruh! Jch kann dem alten Goͤtz wohl das Plaͤtz-
gen goͤnnen, und wenn er da ſtill iſt was habt
ihr uͤber ihn zu klagen? Wir redeten vom Wohl des
Staats. O! ſagt er: haͤtt ich von jeher Raͤthe ge-
habt, die meinen unruhigen Geiſt mehr auf das
Gluͤck einzelner Menſchen gewieſen haͤtten.
Adelheid. Er verliert den Geiſt eines Regenten.
Weislingen. Wir zogen auf Sickingen los. —
Er iſt mein treuer Diener, ſagt er, hat er’s nicht
auf meinen Befehl gethan, ſo that er doch beſſer
meinen Willen als meine Bevollmaͤchtigte, und ich
kann’s gut heiſſen, vor oder nach.
Adelheid. Man moͤgte ſich zerreiſſen.
Weislingen. Jch habe deßwegen noch nicht alle
Hofnung aufgegeben. Er iſt auf ſein ritterlich
Wort auf ſein Schloß gelaſſen, ſich da ſtill zu hal-
ten. Das iſt ihm unmoͤglich, wir wollen bald eine
Urſach wider ihn haben.
Adelheid.
Adelheid. Und deſto eher, da wir hoffen koͤnnen
der Kayſer werde bald aus der Welt gehn, und
Carl ſein treflicher Nachfolger majeſtaͤtiſchere Ge-
ſinnungen verſpricht.
Weislingen Carl! Du haſt eine große Jdee
von ſeinen Eigenſchaften, faſt ſollte man denken
du ſaͤhſt ſie mit andern Augen.
Adelheid. Du beleidigſt mich Weislingen.
Kennſt du mich fuͤr das?
Weislingen. Jch ſagte nichts dich zu beleidigen.
Aber ſchweigen kann ich nicht dazu. Carls unge-
woͤhnliche Aufmerkſamkeit fuͤr dich beunruhigt mich.
Adelheid. Und mein Betragen?
Weislingen. Du biſt ein Weib. Jhr haßt
keinen der euch hofirt.
Adelheid. Aber ihr!
Weislingen. Es frißt mich am Herzen der
fuͤrchterliche Gedanke! Adelheid!
Adelheid. Kann ich deine Thorheit kuriren.
Weislingen. Wenn du wollteſt! Du koͤnnteſt
dich vom Hof entfernen.
Adelheid. Sag Mittel und Art. Biſt du nicht
bey Hof? Soll ich dich laſſen und meine Freunde
Lum
um auf meinem Schloß mich mit den Uhus zu un-
terhalten? Nein Weislingen daraus wird nichts.
Beruhige dich, du weißt wie ich dich liebe.
Weislingen. Der heilige Anker in dieſem
Sturm, ſo lang der Strick nicht reißt.
(ab.)
Adelheit. Faͤngſt du’s ſo an! Das fehlte noch.
Die Unternehmungen meines Buſens ſind zu groß,
als daß du ihnen im Weg ſtehen ſollteſt. Carl gro-
ſer treflicher Menſch, und Kayſer dereinſt, und
ſollte er der einzige ſeyn untern den Maͤnnern den
der Titel meines Gemahls nicht ſchmeichelte. Weis-
lingen denke nicht mich zu hindern, ſonſt mußt du
in den Boden, mein Weg geht uͤber dich hin.
Franz. (kommt mit einem Brief.)
Franz. Hier gnaͤdige Frau.
Adelheid. Gab dir Carl ihn ſelbſt?
Franz. Ja.
Adelheid. Was haſt du? du ſiehſt ſo kum-
mer voll.
Franz. Es iſt euer Wille daß ich mich todt
ſchmachten ſoll, in den Jahren der Hofnung macht
ihr mich verzweifeln.
Adel-
Adelheid. Er dauert mich, — und wie wenig
koſtets mich ihn gluͤcklich zu machen. Sey gutes
Muths Junge. Jch fuͤhle deine Lieb und Treu, und
werde nie unerkenntlich ſeyn.
Franz. (beklemmt.) Wenn ihr das faͤhig waͤrt,
ich muͤßte vergehn. Mein Gott, ich habe keine an-
dere Faſer an mir, keinen Sinn als euch zu lieben
und zu thun was euch gefaͤllt.
Adelheid. Lieber Junge.
Franz. Jhr ſchmeichelt mir.
(in Thraͤnen aus-
brechend.) Wenn dieſe Ergebenheit nichts mehr
verdient als andere ſich vorgezogen zu ſehn, als
eure Gedanken alle nach dem Carl gerichtet zu ſehn.
Adelheid. Du weißt nicht was du willſt, noch
weniger was du redſt.
Franz. (mit Verdruß und Zorn mit dem Fuß
ſtampfend.) Jch will auch nicht mehr. Will nicht
mehr den Unterhaͤndler abgeben.
Adelheid. Franz! Du vergißt dich.
Franz. Mich aufzuopfern! Meinen lieben Herrn.
Adelheid. Geh mir aus dem Geſicht.
Franz. Gnaͤdige Frau!
L 2Adel-
Adelheid. Geh entdecke deinem lieben Herrn
mein Geheimniß. Jch war die Naͤrrin dich fuͤr was
zu halten das du nicht biſt.
Franz. Liebe gnaͤdige Frau ihr wißt daß ich
euch liebe.
Adelheid. Und du warſt mein Freund, meinem
Herzen ſo nahe. Geh verrath mich!
Franz. Jch wollt mir ehe das Herz aus dem
Leibe reiſſen. Verzeiht mir gnaͤdige Frau. Mein
Herz iſt zu voll, meine Sinnen haltens nicht aus.
Adelheid. Lieber warmer Junge.
(ſie faßt ihn
bey den Haͤnden, zieht ihn zu ſich, und ihre Kuͤſſe
begegnen einander, er faͤllt ihr weinend an den
Hals.)
Adelheid. Laß mich.
Franz. (erſtickend in Thraͤnen an ihrem Hals.)
Gott! Gott!
Adelheid. Laß mich, die Mauern ſind Verraͤ-
ther. Laß mich.
(ſie macht ſich los.) Wanke
nicht von deiner Lieb und Treu, und der ſchoͤnſte
Lohn ſoll dir werden.
(ab.)
Franz. Der ſchoͤnſte Lohn! Nur biß dahin laß
mich leben! Jch wollte meinen Vater ermorden,
der mir dieſen Platz ſtreitig machte.
Jaxt-
Jaxthauſſen.
Goͤtz. (an einem Tiſch.) Eliſabeth.
(bey ihm mit der Arbeit, es ſteht
ein Licht auf dem Tiſch und Schreib-
zeug.)
Goͤtz. Der Muͤſſiggang will mir gar nicht
ſchmecken, und meine Beſchraͤnkung wird mir von
Tag zu Tag enger, ich wollt ich koͤnnt ſchlafen, oder
mir nur einbilden die Ruh ſey was angenehmes.
Eliſabeth. So ſchreib doch deine Geſchichte aus
die du angefangen haſt. Gieb deinen Freunden ein
Zeugniß in die Hand deine Feinde zu beſchaͤmen,
verſchaff einer edlen Nachkommenſchaft die Freude
dich nicht zu verkennen.
Goͤtz. Ach! Schreiben iſt geſchaͤftiger Muͤſſig-
gang, es kommt mir ſauer an. Jndem ich ſchreibe
was ich gethan habe, aͤrgere ich mich uͤber den Ver-
luſt der Zeit in der ich etwas thun koͤnnte.
Eliſabeth. (nimmt die Schrift.) Sey nicht
wunderlich. Du biſt eben an deiner erſten Gefan-
genſchaft in Heilbronn.
L 3Goͤtz.
Goͤtz. Das war mir von jeher ein fataler Ort.
Eliſabeth. (ließt.) „Da waren ſelbſt einige
von den Buͤndiſchen, die zu mir ſagten: ich habe
thoͤrig gethan mich meinen aͤrgſten Feinden zu ſtel-
len, da ich doch vermuthen konnte ſie wuͤrden nicht
glimpflich mit mir umgehn, da antwortet ich:„
Nun was antworteteſt du? ſchreibe weiter.
Goͤtz. Jch ſagte: ſetz ich ſo oft meine Haut an
anderer Gut und Geld, ſollt ich ſie nicht an mein
Wort ſetzen.
Eliſabeth. Dieſen Ruf haſt du.
Goͤtz. Den ſollen ſie mir nicht nehmen! Sie
haben mir alles genommen, Gut, Freyheit —
Eliſabeth. Es faͤllt in die Zeiten wie ich die
von Miltenberg und Singlingen in der Wirthſtube
fand, die mich nicht kannten. Da hat ich eine
Freude als wenn ich einen Sohn gebohren haͤtte.
Sie ruͤhmten dich unter einander, und ſagten: Er
iſt das Muſter eines Ritters, tapfer und edel in
ſeiner Freyheit, und gelaſſen und treu im Ungluͤck.
Goͤtz. Sie ſollen mir einen ſtellen dem ich mein
Wort gebrochen. Und Gott weiß, daß ich mehr
geſchwitzt hab meinem Naͤchſten zu dienen als mir,
daß
daß ich um den Nahmen eines tapfern und treuen
Ritters gearbeitet habe, nicht um hohe Reichthuͤ-
mer und Rang zu gewinnen. Und Gott ſey dank
worum ich warb iſt mir worden.
Lerſe. Georg. (mit Wildbret.)
Goͤtz. Gluͤck zu brave Jaͤger!
Georg. Das ſind wir aus braven Reutern ge-
worden. Aus Stiefeln machen ſich leicht Pantoffeln.
Lerſe. Die Jagd iſt doch immer was, und eine
Art von Krieg.
Georg. Wenn man nur hier zu Land nicht im-
mer mit Reichsknechten zu thun haͤtte. Wißt ihr
gnaͤdiger Herr, wie ihr uns prophezeihet: wenn ſich
die Welt umkehrte wuͤrden wir Jaͤger werden.
Da ſind wir’s ohne das.
Goͤtz. Es kommt auf eins hinaus, wir ſind aus
unſerm Kraiſe geruckt.
Georg. Es ſind bedenkliche Zeiten. Schon ſeit
acht Tagen laͤßt ſich ein fuͤrchterlicher Comet ſehen,
und ganz Deutſchland iſt in Angſt es bedeute den
Todt des Kayſers der ſehr krank iſt.
Goͤtz. Sehr krank! Unſere Bahn geht zu Ende.
L 4Lerſe.
Lerſe. Und hier in der Naͤhe gibts noch ſchreck-
lichere Veraͤnderungen. Die Bauern haben einen
entſetzlichen Aufſtand erregt.
Goͤtz. Wo?
Lerſe Jm Herzen von Schwaben. Sie ſengen,
brennen und morden. Jch fuͤrchte ſie verheeren das
ganze Land.
Georg. Einen fuͤrchterlichen Krieg gibts. Es
ſind ſchon an die hundert Ortſchaften aufgeſtanden
und taͤglich mehr. Der Sturmwind neulich hat
ganze Waͤlder ausgeriſſen, und kurz darauf hat man
in der Gegend wo der Aufſtand begonnen zwey
feurige Schwerdter kreuzweis in der Luft geſehen.
Goͤtz. Da leiden von meinen guten Herrn und
Freunden gewiß unſchuldig mit.
Georg. Schade daß wir nicht reiten duͤrfen.
Fuͤnfter Act.
Bauernkrieg.
Tumult in einem Dorf und
Pluͤnderung.
Weiber und Alte mit Kindern (und
Gepaͤcke, Flucht.)
Alter. Fort, fort, daß wir den Mordhunden
entgehen.
Weib. Heiliger Gott, wie blutroth der Himmel
iſt, die untergehende Sonne blutroth.
Mutter. Das bedeut Feuer.
Weib. Mein Mann! Mein Mann!
Alter. Fort! fort! in Wald.
(ziehen vorbey.)
Link. (Anfuͤhrer.)
Link. Was ſich widerſetzt niedergeſtochen. Das
Dorf iſt unſer. Daß von Fruͤchten nichts um-
kommt, nichts zuruͤck bleibt. Pluͤndert rein aus
und ſchnell. Wir zuͤnden gleich an.
L 5Metzler
Metzler (vom Huͤgel herunter gelauffen)
Metzler. Wie gehts euch Link?
Link. Drunter und druͤber ſiehſt du, du kommſt
zum Kehraus. Woher?
Metzler. Von Weinſperg. Da war ein Feſt.
Link. Wie?
Metzler. Wir haben ſie zuſammen geſtochen,
daß eine Luſt war.
Link. Wen alles?
Metzler. Ditrich von Weiler tanzte vor. Der
Fratz! Wir waren mit hellem wuͤtigem Hauf her-
um, und er oben auf’m Kirchthurn wollt guͤtlich
mit uns handeln. Plaff! Schoß ihm einer vorn
Kopf. Wir hinauf wie Wetter und zum Fenſter
herunter mit dem Kerl.
Link. Ah!
Metzler. (zu den Bauern.) Jhr Hund ſoll
ich euch Bein machen, wie ſie haudern und trenteln
die Eſel.
Link. Brennt an! ſie moͤgen drinnen braten.
Fort! Fahrt zu ihr Schlingel.
Metzler. Darnach fuͤhrten wir heraus den
Helfenſtein, den Eltershofen, an die dreyzehn von
Adel,
Adel, zuſammen auf achtzig. Herausgefuͤhrt auf
die Ebne gegen Heilbronn. Das war ein Jubili-
rens und ein Tumultuirens von unſrigen wie die
lange Reih arme reiche Suͤnder daher zog, einan-
der anſturten, und die Erd und Himmel. Umringt
waren ſie ehe ſie ſichs verſahen, und all mit Spie-
ſen niedergeſtochen.
Link. Daß ich nicht dabey war!
Metzler. Hab mein Tag ſo kein Gaudium ge-
habt.
Link. Fahrt zu! Heraus!
Bauer. Alles iſt leer.
Link. So brennt an allen Ecken.
Metzler. Wird ein huͤbſch Feuergen geben.
Siehſt du wie die Kerls uͤbereinander purzelten und
quickten wie die Froͤſch! Es lief mir ſo warm uͤbers
Herz wie ein Glas Brandtewein. Da war ein
Rixinger, wenn der Kerl ſonſt auf die Jagd ritt,
mit dem Federbuſch und weiten Nasloͤchern, und
uns vor ſich hertrieb mit den Hunden und wie die
Hunde. Jch hat ihn die Zeit nicht geſehen, ſein
Fratzengeſicht fiel mir recht auf. Haſch! den Spies
dem Kerl zwiſchen die Rippen, da lag er, ſtreckt
alle Vier uͤber ſeine Geſellen. Wie die Haaſen beym
Treibjagen zuckten die Kerls uͤber einander.
Link.
Link. Raucht ſchon brav.
Metzler. Dort hinten brennts. Laß uns mit
der Beute gelaſſen zu dem groſen Haufen ziehen.
Link. Wo haͤlt er?
Metzler. Von Heilbronn hierher zu. Sie
deliberiren einen zum Hauptmann, vor dem das
Volk all Reſpeckt haͤtt. Denn wir ſind doch nur ih-
res gleichen, das fuͤhlen ſie und werden ſchwuͤrig.
Link. Wen meynen ſie?
Metzler. Max Stumpf oder Goͤtz von Ber-
lichingen.
Link. Das waͤr gut gaͤb auch der Sache
einen Schein, wenn’s der Goͤtz thaͤt, er iſt immer
fuͤr einen rechtſchafnen Ritter paſſirt. Auf! Auf!
wir ziehen nach Heilbronn zu! rufts herum.
Metzler. Das Feuer leucht uns noch eine gute
Strecke. Haſt du den großen Cometen geſehen?
Link. Ja. Das iſt ein grauſam erſchrecklich
Zeichen. Wenn wir die Nacht durchziehen koͤnnen
wir’n recht ſehn. Er geht gegen Eins auf.
Metzler. Und bleibt nur fuͤnfviertel Stunden.
Wie ein gebogner Arm mit einem Schwerdt ſieht er
aus, ſo blut gelb roth.
Link.
Link. Haſt du die drey Stern geſehen an des
Schwerdts Spitze und Seite?
Metzler. Und der breite wolkenfaͤrbige Streif,
mit tauſend und tauſend Striemen wie Spies, und
dazwiſchen wie kleine Schwerdter.
Link. Mir hats gegraußt. Wie das alles ſo
bleichroth, und darunter viel feurige helle Flammen
und dazwiſchen die grauſame Geſichter mit rauchen
Haͤuptern und Baͤrten.
Metzler. Haſt du die auch geſehen. Und das
zwitſert alles ſo durcheinander, als laͤg’s in einem
blutigen Meere und arbeitet durcheinander, daß ei-
nem die Sinne vergehn.
Link. Auf! Auf!
(ab.)
Feld,
man ſieht in der Ferne zwey Doͤrfer
brennen und ein Kloſter.
Kohl. Wild. (Anfuͤhrer,) Max Stumpf.
Haufen.
Max Stumpf. Jhr koͤnnt nicht verlangen, daß
ich euer Hauptmann ſeyn ſoll. Fuͤr mich und euch
waͤrs
waͤrs nichts nuͤtze. Jch bin Pfalzgraͤfiſcher Diener,
wie ſollt ich gegen meinen Herrn fuͤhren. Wuͤrdet
immer waͤhnen ich thaͤt nicht von Herzen.
Kohl. Wußten wohl du wuͤrdeſt Entſchuldi-
gung finden.
Goͤtz. Lerſe. Georg. (kommen.)
Goͤtz. Was wollt ihr mit mir?
Kohl. Jhr ſollt unſer Hauptmann ſeyn.
Goͤtz. Soll ich mein ritterlich Wort dem
Kayſer brechen, und aus meinem Bann gehen.
Wild. Das iſt keine Entſchuldigung.
Goͤtz. Und wenn ich ganz frey waͤre, und ihr
wollt handeln wie bey Weinſperg an den Edlen und
Herrn, und ſo fort hauſſen wie rings herum das
Land brennet und blutet, und ich ſollt euch behuͤlf-
lich ſeyn zu eurem ſchaͤndlichen raſenden Weſen,
eher ſollt ihr mich todt ſchlagen wie einen wuͤtigen
Hund, als daß ich euer Haupt wuͤrde.
Kohl. Waͤre das nicht geſchehen es geſchaͤhe
vielleicht nimmermehr.
Stumpf. Das war eben das Ungluͤck daß ſie
keinen Fuͤhrer hatten den ſie geehrt, und er ihrer
Wuth Einhalt thun koͤnnen. Nimm die Haupt-
mann-
mannſchaft an, ich bitte dich Goͤtz. Die Fuͤrſten
werden dir Dank wiſſen, ganz Deutſchland. Es
wird zum Beſten und Frommen aller ſeyn, Men-
ſchen und Laͤnder werden geſchont werden.
Goͤtz. Warum uͤbernimmſt du’s nicht?
Stumpf. Jch hab mich von ihnen losgeſagt.
Kohl. Wir haben nicht Sattelhenkenszeit, und
langer unnoͤthiger Diſkurſe. Kurz und gut. Goͤtz
ſey unſer Hauptmann, oder ſieh zu deinem Schloß,
und deiner Haut. Und hiermit zwey Stunden Be-
denkzeit. Bewacht ihn.
Goͤtz. Was brauchts das. Jch bin ſo gut ent-
ſchloſſen — jetzt als darnach. Warum ſeyd ihr aus-
gezogen? Eure Rechte und Freyheiten wieder zu er-
langen! Was wuͤtet ihr und verderbt das Land!
Wollt ihr abſtehen von allen Uebelthaten, und han-
deln als wackere Leute, und die wiſſen was ſie wol-
len, ſo will ich euch behuͤlflich ſeyn zu euren For-
derungen, und auf acht Tag euer Hauptmann ſeyn.
Wild. Was geſchehen iſt iſt in der erſten Hitz
geſchehen, und brauchts deiner nicht uns kuͤnftig
zu hindern.
Kohl. Auf ein viertel Jahr wenigſtens mußt
du uns zuſagen.
Stumpf.
Stumpf. Macht vier Wochen, damit koͤnnt
ihr beyde zufrieden ſeyn.
Goͤtz. Meintwegen.
Kohl. Eure Hand.
Goͤtz. Und gelobt mir den Vertrag den ihr
mit mir gemacht, ſchriftlich an alle Haufen zu ſen-
den, bey Strafe ihm ſtreng nachzukommen.
Wild. Nun ja! Soll geſchehen.
Goͤtz. So verbind ich mich euch auf vier Wo-
chen.
Stumpf. Gluͤck zu. Was du thuſt, ſchon un-
ſern gnaͤdigen Herrn den Pfalzgrafen.
Kohl. (leiſe.) Bewacht ihn. Daß niemand
mit ihm rede auſſer eurer Gegenwart.
Goͤtz. Lerſe! Kehr zu meiner Frau. Steh ihr
bey. Sie ſoll bald Nachricht von mir haben.
(Goͤtz.
Stumpf. Georg. Lerſe. einige Bauern ab.)
Metzler. Link. (kommen.)
Metzler. Was hoͤren wir von einem Vertrag!
Was ſoll der Vertrag!
Link. Es iſt ſchaͤndlich ſo einen Vertrag ein-
zugehen.
Kohl. Wir wiſſen ſo gut was wir wollen als
ihr, und haben zu thun und zu laſſen.
Wild.
Wild. Das Raſen und Brennen und Morden
mußte doch einmal aufhoͤren, heut oder morgen,
ſo haben wir noch einen braven Hauptmann dazu
gewonnen.
Metzler. Was aufhoͤren! Du Verraͤther! Wa-
rum ſind wir da? Uns an unſern Feinden zu raͤchen,
uns empor zu helfen! — Das hat euch ein Fuͤr-
ſtenknecht gerathen.
Kohl. Komm Wild, er iſt wie ein Vieh.
(ab.)
Metzler. Geht nur! Wird euch kein Haufen
zuſtehn. Die Schurken! Link, wir wollen die an-
dern aufhetzen, Miltenberg dort druͤben anzuͤnden,
und wenn’s Haͤndel ſetzt wegen des Vertrags,
ſchlagen wir den Vertraͤgern zuſammen die Koͤpf ab.
Link. Wir haben doch den großen Haufen auf
unſrer Seite.
Berg und Thal.
Eine Muͤhle in der Tiefe.
Ein Trupp Reuter. Weislingen (kommt
aus der Muͤhle mit) Franzen (und
einem) Boten.
Weislingen. Mein Pferd! — Jhr habts den
andern Herrn auch angeſagt?
MBote.
Bote. Wenigſtens ſieben Faͤhnlein werden mit
euch eintreffen, im Wald hinter Miltenberg. Die
Bauern ziehen unten herum. Ueberall ſind Boten
ausgeſchickt, der ganze Bund wird in kurzem bey-
ſammen ſeyn. Fehlen kanns nicht, man ſagt: es
ſey Zwiſt unter ihnen.
Weislingen. Deſto beſſer. Franz!
Franz. Gnaͤdiger Herr.
Weislingen. Richt es puͤnktlich aus. Jch bind
es dir auf deine Seele. Gieb ihr den Brief. Sie
ſoll von Hof auf mein Schloß! Sogleich! Du
ſollſt ſie abreiſen ſehn, und mirs dann melden.
Franz. Soll geſchehen, wie ihr befehlt.
Weislingen. Sag ihr ſie ſoll wollen.
(zum Bo-
ten) Fuͤhrt uns nun den naͤchſten und beſten Weg.
Bote. Wir muͤſſen umziehen. Die Waſſer ſind
von den entſetzlichen Regen alle ausgetreten.
Jaxthauſſen.
Eliſabeth. Lerſe.
Lerſe. Troͤſtet euch gnaͤd’ge Frau!
Eliſabeth. Ach Lerſe, die Thraͤnen ſtunden ihm
in den Augen wie er Abſchied von mir nahm. Es
iſt grauſam grauſam.
Lerſe.
Lerſe. Er wird zuruͤck kehren.
Eliſabeth. Es iſt nicht das. Wenn er auszog
ruͤhmlichen Sieg zu erwerben, da war mir’s nicht
weh ums Herz. Jch freute mich auf ſeine Ruͤck-
kunft vor der mir jetzt bang iſt.
Lerſe. Ein ſo edler Mann. —
Eliſabeth. Nenn ihn nicht ſo, das macht neu
Elend. Die Boͤſewichter. Sie drohten ihn zu ermor-
den und ſein Schloß anzuzuͤnden. Wenn er wie-
der kommen wird. Jch ſeh ihn finſter finſter. Sei-
ne Feinde werden luͤgenhafte Klagartickel ſchmieden
und er wird nicht ſagen koͤnnen: nein!
Lerſe. Er wird und kann.
Eliſabeth. Er hat ſeinen Bann gebrochen. Sag
nein!
Lerſe. Nein, er ward gezwungen, wo iſt der
Grund ihn zu verdammen.
Eliſabeth. Die Bosheit ſucht keine Gruͤnde, nur
Urſachen. Er hat ſich zu Rebellen, Miſſethaͤtern,
Moͤrdern geſellt, an ihrer Spitze gezogen. Sage
nein!
Lerſe. Laßt ab euch zu quaͤlen, und mich. Ha-
ben ſie ihm nicht ſelbſt feyerlich zugeſagt keine
Thathandlung mehr zu unternehmen, wie die bey
M 2Weins-
Weinsberg. Hoͤrt ich ſie nicht ſelbſt halbreuig ſagen:
wenn’s nicht geſchehen waͤr, geſchaͤhs vielleicht nie.
Muͤßten nicht Fuͤrſten und Herrn ihm Dank wiſſen,
wenn er freywillig Fuͤhrer eines unbaͤndigen Volks
geworden waͤre, um ihrer Raſerey Einhalt zu thun
und ſo viel Menſchen und Beſitzthuͤmer zu ſchonen.
Eliſabeth. Du biſt ein liebevoller Advocat. —
Wenn ſie ihn gefangen naͤhmen, als Rebell behan-
delten, und ſein graues Haupt — Lerſe ich moͤchte
von Sinnen kommen.
Lerſe. Sende ihrem Koͤrper Schlaf lieber Va-
ter der Menſchen, wenn du ihrer Seele keinen
Troſt geben willſt.
Eliſabeth. Georg hat verſprochen Nachricht zu
bringen. Er wird auch nicht duͤrfen wie er will.
Sie ſind aͤrger als gefangen. Jch weiß man be-
wacht ſie wie Feinde. Der gute Georg! Er wollte
nicht von ſeinem Herrn weichen.
Lerſe. Das Herz blutete mir wie er mich von
ſich ſchickte. Wenn ihr nicht meiner Huͤlf beduͤrftet,
alle Gefahren des ſchmaͤhlichſten Tods ſollten mich
nicht von ihm getrennt haben.
Eliſa-
Eliſabeth. Jch weiß nicht wo Sickingen iſt.
Wenn ich nur Marien einen Boten ſchicken koͤnnte.
Lerſe. Schreibt nur, ich will dafuͤr ſorgen.
(ab.)
Bey einem Dorf.
Goͤtz. Georg.
Goͤtz. Geſchwind zu Pferde Georg, ich ſehe
Miltenberg brennen. Halten ſie ſo den Vertrag!
Reit hin, ſag ihnen die Meynung. Die Mordbren-
ner! Jch ſage mich von ihnen los. Sie ſollen ei-
nen Zigeuner zum Hauptmann machen, mich nicht.
Geſchwind Georg.
(Georg ab.)
Goͤtz. Wollt, ich waͤre tauſend Meilen da-
von, und laͤg im tiefſten Thurn der in der Tuͤrkey
ſteht. Koͤnnt ich mit Ehren von ihnen kommen!
Jch fahr ihnen alle Tag durch den Sinn, ſag ihnen
die bitterſten Wahrheiten, daß ſie mein muͤde wer-
den und mich erlaſſen ſollen.
Ein Unbekannter.
Unbekannter. Gott gruͤs euch ſehr edler Herr.
Goͤtz. Gott dank euch. Was bringt ihr? Eu-
ren Namen?
M 3Unbe-
Unbekannter. Der thut nichts zur Sache. Jch
komme euch zu ſagen daß euer Kopf in Gefahr iſt.
Die Anfuͤhrer ſind muͤde ſich von euch ſo harte
Worte geben zu laſſen, haben beſchloſſen euch aus
dem Weg zu raͤumen. Maͤßigt euch oder ſeht zu
entwiſchen und Gott gleit euch.
(ab.)
Goͤtz Auf dieſe Art dein Leben zu laſſen Goͤtz
und ſo zu enden! Es ſey drum! So iſt mein Tod
der Welt das ſicherſte Zeichen, daß ich nichts gemei-
nes mit den Hunden gehabt habe.
Einige Bauern.
Erſter Bauer. Herr! Herr! Sie ſind geſchla-
gen, ſie ſind gefangen.
Goͤtz. Wer?
Zweyter Bauer. Die Miltenberg verbrannt ha-
ben. Es zog ſich ein Buͤndiſcher Trupp hinter dem
Berg hervor, und uͤberfiel ſie auf einmal.
Goͤtz. Sie erwartet ihr Lohn. — O Georg!
Georg — Sie haben ihn mit den Boͤſewichtern
gefangen — Mein Georg! Mein Georg! —
Anfuͤhrer (kommen.)
Link. Auf Herr Hauptmann auf! Es iſt nicht ſaͤu-
mens Zeit. Der Feind iſt in der Naͤhe und maͤchtig.
Goͤtz. Wer verbrannte Miltenberg?
Metz-
Metzler. Wenn ihr Umſtaͤnde machen wollt, ſo
wird man euch weiſen wie man keine macht.
Kohl. Sorgt fuͤr unſere Haut und eure. Auf! Auf!
Goͤtz (zu Metzler.) Drohſt du mir. Du
Nichtswuͤrdiger. Glaubſt du daß du mir fuͤrchter-
licher biſt weil des Grafen von Helfenſtein Blut an
deinen Kleidern klebt.
Metzler. Berlichingen!
Goͤtz. Du darfſt meinen Namen nennen und
meine Kinder werden ſich deſſen nicht ſchaͤmen.
Metzler. Mit dir feigen Kerl! Fuͤrſtendiener.
Goͤtz (haut ihm uͤber den Kopf daß er ſtuͤrzt.
Die andern treten darzwiſchen.)
Kohl. Jhr ſeyd raſend. Der Feind bricht auf
allen Seiten ’rein, und ihr hadert.
Link. Auf! Auf!
(Tumult und Schlacht.)
Weislingen. Reuter.
Weislingen. Nach! Nach! Sie fliehen. Laßt
euch Regen und Nacht nicht abhalten. Goͤtz iſt un-
ter ihnen hoͤr ich. Wendet Fleiß zu daß ihr ihn
erwiſcht. Er iſt ſchwer verwundet, ſagen die uns-
rigen.
(die Reuter ab.) Und wenn ich dich habe!
— Es iſt noch Gnade wenn wir heimlich im Ge-
M 4faͤng-
faͤngniß dein Todesurtheil vollſtrecken. — So
verliſcht er vor dem Andenken der Menſchen, und
du kannſt freyer athmen thoͤriges Herz.
(ab.)
Nacht,
im wilden Wald.
Zigeunerlager.
Zigeunermutter (am Feuer.)
Mutter. Flick das Strohdach uͤber der Grube
Tochter, gibt hint Nacht noch Regen genug.
Knab (kommt)
Knab. Ein Hamſter Mutter. Da! Zwey
Feldmaͤus.
Mutter. Will ſie dir abziehen und braten, und
ſollſt eine Kapp haben von den Fellgen. — Du
blutſt?
Knab. Hamſter hat mich biſſen.
Mutter. Hohl mir duͤrr Holz, daß das Feuer
loh brennt wenn dein Vater kommt, wird naß
ſeyn durch und durch.
Andre Zigeunerinn (ein Kind auf
dem Ruͤcken.)
Erſte Zigeunerinn. Haſt du brav geheiſchen.
Zweyte
Zweyte Ziegeunerin. Wenig genug. Das Land
iſt voll Tumult herum daß man ſeines Lebens nicht
ſicher iſt. Brennen zwey Doͤrfer lichterloh.
Erſte Ziegeunerin. Jſt das dort drunten Brand,
der Schein? Seh ihm ſchon lang zu. Man iſt der
Feuerzeichen am Himmel zeither ſo gewohne worden.
Zigeunerhauptmann, drey Geſellen
(kommen.)
Hauptmann. Hoͤrt ihr den wilden Jaͤger?
Erſte Zigeunerinn. Er zieht grad uͤber uns hin.
Hauptmann. Wie die Hunde bellen! Wau! Wau!
Zweyter Zigeuner. Die Peitſchen knallen.
Dritter Zigeuner. Die Jaͤger jauchzen holla ho!
Mutter. Bringt ja des Teufels ſein Gepaͤck.
Hauptmann. Haben im truͤben gefiſcht, die
Bauern rauben ſelbſt, iſt’s uns wohl vergoͤnnt.
Zweyte Ziegeunerinn. Was haſt du Wolf.
Wolf. Einen Haaſen, da, und einen Hahn.
Ein Bratſpies. Ein Buͤndel Leinwand. Drey Koch-
loͤffel und ein Pferdzaum.
Sticks. Ein wullen Deck hab ich, ein Paar Stie-
feln, und Zunder und Schwefel.
M 5Mutter.
Mutter. Jſt alles pudelnaß, wollens trocknen,
gebt her.
Hauptmann. Horch ein Pferd! Geht ſeht was iſt.
Goͤtz (zu Pferd.)
Goͤtz. Gott ſey Dank dort ſeh ich Feuer, ſind
Zigeuner. Meine Wunden verbluten, die Feinde
hinter her. Heiliger Gott, du endigſt graͤßlich mit
mir.
Hauptmann. Jſt’s Friede daß du kommſt?
Goͤtz. Jch flehe Huͤlfe von euch. Meine Wun-
den ermatten mich. Helft mir vom Pferd.
Hauptmann. Helf ihm. Ein edler Mann, an
Geſtalt und Wort.
Wolf. (leiſe.) Es iſt Goͤtz von Berlichingen.
Hauptmann. Seyd willkommen. Alles iſt euer
was wir haben.
Goͤtz. Dank euch.
Hauptmann. Kommt in mein Zelt.
Hauptmanns Zelt.
Hauptmann. Goͤtz.
Hauptmann. Ruft der Mutter, ſie ſoll Blut-
wurzel bringen und Pflaſter.
Goͤtz.
Goͤtz. (legt den Harniſch ab.)
Hauptmann. Hier iſt mein Feyertagswamms.
Goͤtz. Gott lohns.
Mutter. (verbind ihn.)
Hauptmann. Jſt mir herzlich lieb euch zu haben.
Goͤtz. Kennt ihr mich?
Hauptmann. Wer ſollte euch nicht kennen. Goͤtz
unſer Leben und Blut laſſen wir vor euch.
Schricks.
Schricks. Kommen durch den Wald Reuter.
’Sind Buͤndiſche.
Hauptmann. Eure Verfolger! Sie ſollen nit
bis zu euch kommen. Auf Schricks! Biete den
andern. Wir kennen die Schliche beſſer als ſie,
wir ſchieſſen ſie nieder ehe ſie uns gewahr werden.
(ab.)
Goͤtz. (allein.) O Kayſer! Kayſer! Raͤu-
ber beſchuͤtzen deine Kinder.
(man hoͤrt ſcharf ſchieſ-
ſen.) Die wilden Kerls, ſtarr und treu!
Zigeunerinn.
Zigeunerinn. Rettet euch. Die Feinde uͤber-
waͤltigen.
Goͤtz. Wo iſt mein Pferd?
Zigeu-
Zigeunerinn Hierbey.
Goͤtz. (guͤrtet ſich, und ſitzt auf ohne Harniſch.)
Zum letztenmal ſollen ſie meinen Arm fuͤhlen. Jch
bin ſo ſchwach noch nicht.
(ab.)
Zigeunerinn. Er ſprengt zu den unſrigen.
(Flucht.)
Wolf. Fort fort! Alles verlohren. Unſer
Hauptmann erſchoſſen. Goͤtz gefangen.
(Geheul
der Weiber und Flucht.)
Adelheidens Schlafzimmer.
Adelheid. (mit einem Brief.)
Adelheid. Er, oder ich! Der Uebermuͤthige!
Mir drohn. — Wir wollen dir vorkommen. Was
ſchleicht durch den Saal.
(es klopft.) Wer draus?
Franz. (leiſe.)
Franz. Macht mir auf gnaͤdige Frau.
Adelheid. Franz! Er verdient wohl daß ich
ihm aufmache.
(ſie laͤßt ihn ein.)
Franz. (faͤllt ihr um den Hals.) Liebe gnaͤ-
dige Frau.
Adelheid. Unverſchaͤmter! Wenn dich jemand
gehoͤrt haͤtte.
Franz.
Franz. O es ſchlaͤft alles alles.
Adelheid. Was willſt du?
Franz. Mich laͤßt’s nicht ruhen. Die Dro-
hungen meines Herrn, euer Schickſal, mein Herz.
Adelheid. Er war ſehr zornig als du Abſchied
nahmſt?
Franz Als ich ihn nie geſehen. Auf ihre Guͤ-
ter ſoll ſie, ſagt er, ſie ſoll wollen.
Adelheid. Und wir folgen?
Franz. Jch weiß nichts gnaͤdige Frau.
Adelheid. Betrogener thoͤriger Junge, du ſiehſt
nicht wo das hinaus will. Hier weiß er mich in
Sicherheit. Denn lange ſteht’s ihm ſchon nach mei-
ner Freyheit. Er will mich auf ſeine Guͤter. Dort
hat er Gewalt mich zu behandeln, wie ſein Haß
ihm eingibt.
Franz. Er ſoll nicht.
Adelheid. Wirſt du ihn hindern.
Franz. Er ſoll nicht.
Adelheid. Jch ſeh mein ganzes Elend voraus.
Von ſeinem Schloß wird er mich mit Gewalt reiſ-
ſen, wird mich in ein Kloſter verſperren.
Franz. Hoͤlle und Todt!
Adel-
Adelheid. Wirſt du mich retten?
Franz. Eh alles! Alles!
Adelheid. (die weinend ihn umhalſt.) Franz-
ach uns zu retten!
Franz. Er ſoll nieder, ich will ihm den Fuß
auf den Nacken ſetzen.
Adelheid. Keine Wuth. Du ſollſt einen Brief
an ihn haben, voll Demuth daß ich gehorche. Und
dieſes Flaͤſchgen gieß ihm unter das Getraͤnk.
Franz. Gebt. Jhr ſollt frey ſeyn.
Adelheid. Frey! Wenn du nicht mehr zitternd
auf deinen Zehen zu mir ſchleichen wirſt. Nicht
mehr ich aͤngſtlich zu dir ſage, brich auf Franz der
Morgen kommt.
Heilbronn
vorm Thurn.
Eliſabeth. Lerſe.
Lerſe. Gott nehm das Elend von euch gnaͤdige
Frau. Marie iſt hier.
Eliſabeth. Gott ſey Dank. Lerſe wir ſind in
entſetzliches Elend verſunken. Da iſt’s nun wie mir
alles ahndete, gefangen, als Meuter Miſſethaͤter
in den tiefſten Thurn geworfen.
Lerſe.
Lerſe. Jch weis alles.
Eliſabeth. Nichts nichts weißt du, der Jam-
mer iſt zu gros! Sein Alter, ſeine Wunden, ein
ſchleichend Fieber, und mehr als alles das, die
Finſterniß ſeiner Seelen, daß es ſo mit ihm enden
ſoll.
Lerſe. Auch, und daß der Weislingen Com-
miſſar iſt.
Eliſabeth. Weislingen!
Lerſe. Man hat mit unerhoͤrten Exekutionen
verfahren. Metzler iſt lebendig verbrannt, zu hun-
derten geraͤdert, geſpießt, gekoͤpft, geviertelt. Das
Land umher gleicht einer Metzge wo Menſchen-
fleiſch wohlfeil iſt.
Eliſabeth. Weislingen Commiſſar! O Gott ein
Stral von Hofnung. Marie ſoll mir zu ihm, er
kann ihr nichts abſchlagen. Er hatte immer ein
weiches Herz, und wenn er ſie ſehen wird, die er
ſo liebte, die ſo elend durch ihn iſt. Wo iſt ſie?
Lerſe. Noch im Wirthshaus.
Eliſabeth. Fuͤhre mich zu ihr. Sie muß gleich
fort. Jch fuͤrchte alles.
Weis-
Weislingens Schloß.
Weislingen.
Weislingen. Jch bin ſo krank, ſo ſchwach. Alle
meine Gebeine ſind hohl. Ein elendes Fieber hat
das Mark ausgefreſſen. Keine Ruh und Raſt,
weder Tag noch Nacht. Jm halben Schlummer
giftige Traͤume. Die vorige Nacht begegnete ich
Goͤtzen im Wald. Er zog ſein Schwerdt und forder-
te mich heraus. Jch faßte nach meinem, die Hand
verſagte mir. Da ſtieß ers in die Scheide, ſah
mich veraͤchtlich an und gieng hinter mich. — Er
iſt gefangen und ich zittere vor ihm. Elender Menſch!
Dein Wort hat ihn zum Tode verurtheilt und du
bebſt vor ſeiner Traumgeſtalt wie ein Miſſethaͤter.
— Und ſoll er ſterben? — Goͤtz! Goͤtz! —
Wir Menſchen fuͤhren uns nicht ſelbſt, boͤſen Gei-
ſtern iſt Macht uͤber uns gelaſſen, daß ſie ihren
hoͤlliſchen Muthwillen an unſerm Verderben uͤben.
(er ſetzt ſich.) — Matt! Matt! Wie ſind mei-
ne Naͤgel ſo blau. — Ein kalter kalter verzehrender
Schweis laͤhmt mir jedes Glied. Es dreht mir
alles vorm Geſicht. Koͤnnt ich ſchlafen. Ach —
Marie.
Marie. (tritt auf.)
Weislingen. Jeſus Marie! — Laß mir Ruh!
Laß mir Ruh! — Die Geſtalt fehlte noch! —
Sie ſtirbt, Marie ſtirbt und zeigt ſich mir an. —
Verlaß mich ſeeliger Geiſt, ich bin elend gnug.
Marie. Weislingen ich bin kein Geiſt. Jch
bin Marie.
Weislingen. Das iſt ihre Stimme.
Marie. Jch komme meines Bruders Leben von
dir zu erflehen, er iſt unſchuldig ſo ſtrafbar er
ſcheint.
Weislingen. Still Marie. Du Engel des
Himmels bringſt die Quaalen der Hoͤlle mit dir.
Rede nicht fort.
Marie. Und mein Bruder ſoll ſterben? Weis-
lingen es iſt entſetzlich daß ich dir zu ſagen brauche:
er iſt unſchuldig, daß ich jammern muß dich von
dem abſcheulichſten Mord zuruͤck zu halten. Deine
Seele iſt bis in ihre innerſte Tiefen von feindſeli-
gen Maͤchten beſeſſen. Das iſt Adelbert!
Weislingen. Du ſiehſt der verzehrende Athem
des Tods hat mich angehaucht, meine Kraft ſinkt
nach dem Grabe. Jch ſtuͤrbe als ein Elender, und
Ndu
du kommſt mich in Verzweiflung zu ſtuͤrzen. Wenn
ich reden koͤnnte, dein hoͤchſter Haß wuͤrde in Mit-
leyd und Jammer zerſchmelzen. Oh! Marie!
Marie!
Marie. Mein Bruder, Weislingen verkranket
im Gefaͤngniß. Seine ſchwere Wunden, ſein Alter.
Und wenn du faͤhig waͤrſt ſein graues Haupt —
Weislingen wir wuͤrden verzweifeln.
Weislingen. Genug.
(er zieht die Schelle.)
Franz. (in aͤuſſerſter Bewegung.)
Franz. Gnaͤdiger Herr.
Weislingen. Die Papiere dort Franz!
Franz (bringt ſie.)
Weislingen. (reißt ein Packet auf und zeigt
Marie ein Papier.) Hier iſt deines Bruders Tod-
tesurtheil unterſchrieben.
Marie. Gott im Himmel!
Weislingen. Und ſo zerreiß ich’s. Er lebt. Aber
kann ich wieder ſchaffen was ich zerſtoͤrt habe!
Weine nicht ſo Franz! Guter Junge dir geht mein
Elend tief zu Herzen.
Franz. (wirft ſich vor ihm nieder und faßt
ſeine Knie.)
Marie.
Marie. (vor ſich.) Er iſt ſehr krank. Sein
Anblick zerreißt mir das Herz. Wie liebt ich ihn,
und nun ich ihm nahe, fuͤhl ich wie lebhaft.
Weislingen. Franz ſteh auf und laß das Wei-
nen. Jch kann wieder aufkommen. Hofnung iſt
bey den Lebenden.
Franz. Jhr werdet nicht. Jhr muͤßt ſterben.
Weislingen. Jch muß.
Franz. (auſſer ſich.) Gift. Gift. Von eu-
rem Weibe. Jch. Jch.
(er rennt davon.)
Weislingen. Marie geh ihm nach. Er ver-
zweifelt.
(Marie ab.)
Weislingen. Gift von meinem Weibe! Weh!
Weh! Jch fuͤhls. Marter und Todt.
Marie. (inwendig.) Huͤlfe! Huͤlfe!
Weislingen. (will aufſtehn.) Gott, vermag
ich das nicht.
Marie. (kommt.) Er iſt hin. Zum Saalfen-
ſter hinaus, ſtuͤrzt er wuͤtend in den Mayn hinunter.
Weislingen. Jhm iſt wohl. Dein Bruder iſt
auſſer Gefahr. Die andere Commiſſaren, Secken-
dorf beſonders ſind ſeine Freunde. Ritterlich Ge-
N 2faͤng-
faͤngniß werden ſie ihm auf ſein Wort gleich gewaͤh-
ren. Leb wohl Marie und geh.
Marie. Jch will bey dir bleiben, armer Ver-
laßner.
Weislingen. Wohl verlaſſen und arm. Du
biſt ein furchtbarer Raͤcher Gott! Mein Weib. —
Marie. Entſchlage dich dieſer Gedanken. Kehr
dein Herz zu dem Barmherzigen.
Weislingen. Geh liebe Seele, uͤberlaß mich mei-
nem Elend. Entſetzlich! Auch deine Gegenwart
Marie der letzte Troſt iſt Quaal.
Marie. (vor ſich.) Staͤrke mich Gott, mei-
ne Seele erliegt mit der Seinigen.
Weislingen. Weh! Weh! Gift von meinem
Weibe. Mein Franz verfuͤhrt durch die Abſcheuliche.
Wie ſie wartet, horcht auf den Boten, der ihr die
Nachricht braͤchte: er iſt todt. Und du Marie.
Marie warum biſt du gekommen? daß du jede
ſchlafende Erinnerung meiner Suͤnden weckteſt.
Verlaß mich! Verlaß mich! Daß ich ſterbe.
Marie. Laß mich bleiben. Du biſt allein.
Denk ich ſey deine Waͤrterinn. Vergiß alles.
Vergeſſe dir Gott ſo alles, wie ich dir alles vergeſſe.
Weis-
Weislingen. Du Seele voll Liebe bete fuͤr mich,
bete fuͤr mich. Mein Herz iſt verſchloſſen.
Marie. Er wird ſich deiner erbarmen. — Du
biſt matt.
Weislingen. Jch ſterbe, ſterbe und kann nicht
erſterben. Und in dem fuͤrchterlichen Streit des
Lebens und Tods ſind die Quaalen der Hoͤlle.
Marie. Erbarmer erbarme dich ſeiner. Nur
Einen Blick deiner Liebe an ſein Herz, daß es ſich
zum Troſt oͤffne, und ſein Geiſt Hofnung, Lebens-
hofnung in den Tod hinuͤber bringe.
Jn einem finſtern engen
Gewoͤlb.
Die Richter des heimlichen Gerichts.
(alle vermummt.)
Aelteſter. Richter des heimlichen Gerichts,
ſchwurt auf Strang und Schwerdt unſtraͤflich zu
ſeyn, zu richten im Verborgenen, zu ſtrafen im
Verborgenen Gott gleich. Sind eure Herzen rein
und eure Haͤnde, hebt die Arme empor, ruft uͤber
die Miſſethaͤter. Wehe! Wehe!
N 3Alle.
Alle. Wehe! Wehe!
Aelteſter. Rufer beginne das Gericht.
Rufer. Jch Rufer rufe die Klag gegen den
Miſſethaͤter. Des Herz rein iſt, deſſen Haͤnde rein
ſind zu ſchwoͤren auf Strang und Schwerdt, der
klage bey Strang und Schwerdt! klage! klage!
Klaͤger. (tritt vor.) Mein Herz iſt rein von
Miſſethat, meine Haͤnde von unſchuldigem Blut.
Verzeih mir Gott boͤſe Gedanken und hemme den
Weg zum Willen. Jch hebe meine Hand auf und
klage! klage! klage!
Aelteſter. Wen klagſt du an?
Klaͤger. Klage an auf Strang und Schwerdt
Adelheiden von Weislingen. Sie hat Ehebruchs ſich
ſchuldig gemacht, ihren Mann vergiftet durch ihren
Knaben. Der Knab hat ſich ſelbſt gerichtet, der
Mann iſt todt.
Aelteſter. Schwoͤrſt du zu dem Gott der Wahr-
heit, daß du Wahrheit klagſt?
Klaͤger. Jch ſchwoͤre.
Aelteſter. Wuͤrde es falſch befunden, beutſt du
deinen Hals der Strafe des Mords und des Ehe-
bruchs?
Klaͤger.
Klaͤger. Jch biete.
Aelteſter. Eure Stimmen.
(Sie reden heim-
lich zu ihm.)
Klaͤger. Richter des heimlichen Gerichts, was
iſt euer Urtheil uͤber Adelheiden von Weislingen,
bezuͤchtigt des Ehebruchs und Mords.
Aelteſter. Sterben ſoll ſie! Sterben des bit-
tern doppelten Todts. Mit Strang und Dolch,
buͤßen doppelt doppelte Miſſethat. Streckt eure
Haͤnde empor, und rufet Weh uͤber ſie! Weh!
Weh! Jn die Haͤnde des Raͤchers.
Alle. Weh! Weh! Weh!
Aelteſter. Raͤcher! Raͤcher tritt auf.
Raͤcher. (tritt vor.)
Aelteſter. Faß hier Strang und Schwerdt.
Sie zu tilgen von dem Angeſicht des Himmels,
binnen acht Tage Zeit. Wo du ſie findeſt nieder mit
ihr in Staub. Richter die ihr richtet im Verborge-
nen und ſtrafet im Verborgenen Gott gleich, be-
wahrt euer Herz fuͤr Miſſethat und eure Haͤnde vor
unſchuldigem Blut.
N 4Hof
Hof einer Herberge.
Marie. Lerſe.
Marie. Die Pferde haben gnug geraſtet. Wir
wollen fort Lerſe.
Lerſe. Ruht doch bis an Morgen. Die Nacht
iſt gar zu unfreundlich.
Marie. Lerſe ich habe keine Ruh bis ich mei-
nen Bruder geſehen habe. Laß uns fort. Das Wet-
ter hellt ſich aus, wir haben einen ſchoͤnen Tag zu
gewarten.
Lerſe. Wie ihr befehlt.
Heilbronn
im Thurn.
Goͤtz. Eliſabeth.
Eliſabeth. Jch bitte dich lieber Mann rede mit
mir. Dein Stillſchweigen aͤngſtet mich. Du ver-
gluͤhſt in dir ſelbſt. Komm laß uns nach deinen
Wunden ſehen, ſie beſſern ſich um vieles. Jn der
muthloſen Finſterniß erkenn ich dich nicht mehr.
Goͤtz.
Goͤtz. Suchteſt du den Goͤtz? Der iſt lang hin.
Sie haben mich nach und nach verſtuͤmmelt, meine
Hand, meine Freyheit, Guͤter und guten Namen.
Mein Kopf was iſt an dem? — Was hoͤrt ihr
von Georgen? Jſt Lerſe nach Georgen?
Eliſabeth. Ja Lieber! Richtet euch auf, es
kann ſich vieles wenden.
Goͤtz. Wen Gott niederſchlaͤgt, der richtet ſich
ſelbſt nicht auf. Jch weiß am beſten was auf mei-
nen Schuldern liegt. Ungluͤck bin ich gewohnt zu
dulden. Und jetzt iſt’s nicht Weislingen allein, nicht
die Bauern allein, nicht der Todt des Kayſers und
meine Wunden. — Es iſt alles zuſammen. Mei-
ne Stunde iſt kommen. Jch hoffte ſie ſollte ſeyn
wie mein Leben. Sein Will geſchehe.
Eliſabeth. Willt du nicht was eſſen?
Goͤtz. Nichts meine Frau. Sieh wie die Sonne
drauſſen ſcheint.
Eliſabeth. Ein ſchoͤner Fruͤhlingstag.
Goͤtz. Meine Liebe, wenn du den Waͤchter be-
reden koͤnnteſt mich in ſein klein Gaͤrtgen zu laſſen
auf eine halbe Stunde, daß ich der lieben Sonne
N 5genoͤſſe,
genoͤſſe, des heitern Himmels und der reinen
Luft.
Eliſabeth. Gleich! und er wirds wohl thun.
Gaͤrtgen am Thurn.
Marie. Lerſe.
Marie. Geh hinein und ſieh wie’s ſteht.
(Lerſe ab.)
Eliſabeth. Waͤchter.
Eliſabeth. Gott vergelt euch die Lieb und Treu
an meinem Herrn.
(Waͤchter ab.) Marie was
bringſt du.
Marie. Meines Bruders Sicherheit. Ach
aber mein Herz iſt zerriſſen. Weislingen iſt todt,
vergiftet von ſeinem Weibe. Mein Mann iſt in
Gefahr. Die Fuͤrſten werden ihm zu maͤchtig, man
ſagt er ſey eingeſchloſſen und belagert.
Eliſabeth. Glaubt dem Geruͤchte nicht. Und
laßt Goͤtzen nichts merken.
Marie. Wie ſtehts um ihn?
Eliſa-
Eliſabeth. Jch fuͤrchtete er wuͤrde deine Ruͤck-
kunft nicht erleben. Die Hand des Herrn liegt
ſchwer auf ihm. Und Georg iſt todt.
Marie. Georg! der goldne Junge!
Eliſabeth. Als die Nichtwuͤrdigen Miltenberg
verbrannten, ſandte ihn ſein Herr ihnen Einhalt zu
thun, da fiel ein Trupp Buͤndiſcher auf ſie los.
Georg! haͤtten ſie ſich alle gehalten wir er, ſie haͤtten
all das gute Gewiſſen haben muͤſſen. Viel wurden
erſtochen, und Georg mit, er ſtarb einen Reuters
todt.
Marie. Weiß es Goͤtz?
Eliſabeth. Wir verbergens vor ihm. Er fragt
mich zehnmal des Tags, und ſchickt mich zehnmal
des Tags zu forſchen was Georg macht. Jch fuͤrch-
te, ſeinem Herzen dieſen letzten Stoß zu geben.
Marie. O Gott, was ſind die Hoffnungen die-
ſer Erden.
Goͤtz. Lerſe. Waͤchter.
Goͤtz. Allmaͤchtiger Gott. Wie wohl iſt’s einem
unter deinem Himmel. Wie frey! Die Baͤume trei-
ben
ben Knoßpen und alle Welt hofft. Lebt wohl meine
Lieben meine Wurzeln ſind abgehauen, meine Kraft
ſinkt nach dem Grabe.
Eliſabeth. Darf ich Lerſen nach deinem Sohn
ins Kloſter ſchicken, daß du ihn noch einmal ſiehſt
und ſeegneſt.
Goͤtz. Laß ihn er iſt heiliger als ich, er braucht
meinen Seegen nicht. — An unſerm Hochzeittag
Eliſabeth ahndete mirs nicht, daß ich ſo ſterben
wuͤrde. — Mein alter Vater ſeegnete uns, und
eine Nachkommenſchaft von edlen tapfern Soͤhnen,
quoll aus ſeinem Gebet. — Du haſt ihn nicht er-
hoͤrt, und ich bin der letzte. — Lerſe dein Angeſicht
freut mich in der Stunde des Tods mehr als im
muthigſten Gefecht. Damals fuͤhrte mein Geiſt den
eurigen, jetzt haͤlſt du mich aufrecht. Ach daß ich
Georgen noch einmal ſaͤhe, mich an ſeinem Blick
waͤrmte! — Jhr ſeht zur Erden und weint —
Er iſt todt — Georg iſt todt. — Stirb Goͤtz —
Du haſt dich ſelbſt uͤberlebt, die Edlen uͤberlebt. —
Wie ſtarb er? — Ach fingen ſie ihn unter den
Mordbrennern, und er iſt hingerichtet?
Eliſa-
Eliſabeth. Nein er wurde bey Miltenberg er-
ſtochen. Er wehrte ſich wie ein Loͤw um ſeine
Freyheit.
Goͤtz. Gott ſey Dank. Er war der beſte Junge
unter der Sonne und tapfer. — Loͤſe meine Seele
nun. — Arme Frau. Jch laſſe dich in einer ver-
derbten Welt. Lerſe verlaß ſie nicht — Schließt
eure Herzen ſorgfaͤltiger als eure Thore. Es kom-
men die Zeiten des Betrugs, es iſt ihm Freyheit
gegeben. Die Nichtswuͤrdigen werden regieren mit
Liſt, und der Edle wird in ihre Netze fallen. Marie
gebe dir Gott deinen Mann wieder. Moͤge er nicht
ſo tief fallen als er hoch geſtiegen iſt. Selbitz ſtarb,
und der gute Kayſer, und mein Georg. — Gebt
mir einen Trunk Waſſer. — Himmliſche Luft. —
Freyheit! Freyheit!
(er ſtirbt.)
Eliſabeth. Nur droben droben bey dir. Die
Welt iſt ein Gefaͤngniß.
Marie.
Marie. Edler Mann! Edler Mann! Wehe
dem Jahrhundert das dich von ſich ſtieß.
Lerſe. Wehe der Nachkommenſchaft die dich
verkennt.