BRÜDERCHEN UND SCHWESTERCHEN . Ludwig Emil Grimm gez .
Stahlstich u. Druck v. Carl Mayer in Nürnberg
Kinder u : Haus
Märchen .
Kinder
und
Hausmaͤrchen .
Gesammelt
durch
die Brüder Grimm .
Erster Band .
Grosse Ausgabe .
Mit zwei Kupfern .
Vierte vermehrte und verbesserte Auflage .
Göttingen ,
Druck und Verlag der Dieterichischen Buchhandlung .
1840 .
An die Frau
Bettina von Arnim .
L iebe Bettine , dieses Buch kehrt abermals bei Jhnen ein , wie eine ausgeflogene Taube die Heimat wieder sucht , und sich da friedlich sonnt . Vor fünf und zwanzig Jahren hat es Jhnen Arnim zuerst , grün eingebunden mit goldenem Schnitt , unter die Weihnachtsgeschenke gelegt . Uns freute daß er es so werth hielt , und er konnte uns einen schönern Dank nicht sagen . Er war es , der uns , als er in jener Zeit einige Wochen bei uns in Cassel zubrachte , zur Herausgabe angetrieben hatte . Wie nahm er an allem Theil , was eigenthümliches Leben zeigte : auch das kleinste beachtete er , wie er ein grünes Blatt , eine Feldblume mit besonderem Geschick anzufassen und sinnvoll zu betrachten wußte . Von unsern Sammlungen gefielen ihm diese Märchen am besten . Er meinte wir sollten nicht zu lange damit zurückhalten , weil bei dem Streben nach Vollständigkeit die Sache am Ende liegen bliebe . ‘ Es ist alles
schon so reinlich und sauber geschrieben ’ fügte er mit gutmüthiger Jronie hinzu , denn bei den kühnen , nicht sehr lesbaren Zügen seiner Hand schien er selbst nicht viel auf deutliche Schrift zu halten . Jm Zimmer auf und abgehend las er die einzelnen Blätter , während ein zahmer Kanarienvogel , in zierlicher Bewegung mit den Flügeln sich im Gleichgewicht haltend , auf seinem Kopfe saß , in dessen vollen Locken es ihm sehr behaglich zu sein schien . Dies edle Haupt ruht nun schon seit Jahren im Grab , aber noch heute bewegt mich die Erinnerung daran , als hätte ich ihn erst gestern zum letztenmal gesehen , als stehe er noch auf grüner Erde wie ein Baum , der seine Krone in der Morgensonne schüttelt .
Jhre Kinder sind groß geworden , und bedürfen der Märchen nicht mehr : Sie selbst haben schwerlich Veranlassung sie wieder zu lesen , aber die unversiegbare Jugend Jhres Herzens nimmt doch das Geschenk treuer Freundschaft und Liebe gerne von uns an .
Mit diesen Worten sendete ich Jhnen das Buch vor drei Jahren aus Göttingen , heute sende ich es
Jhnen wieder aus meinem Geburtslande , wie das erstemal . Jch konnte in Göttingen aus meinem Arbeitszimmer nur ein paar über die Dächer hinausragende Linden sehen , die Heine hinter seinem Hause gepflanzt hatte , und die mit dem Ruhm der Universität aufgewachsen waren : ihre Blätter waren gelb und wollten abfallen , als ich am 3ten October 1838 meine Wohnung verließ ; ich glaube nicht daß ich sie je wieder im Frühlingsschmuck erblicke . Jch mußte noch einige Wochen dort verweilen , und brachte sie in dem Hause eines Freundes zu , im Umgange mit denen , welche mir lieb geworden und lieb geblieben waren . Als ich abreiste wurde mein Wagen von einem Zug aufgehalten : es war die Universität , die einer Leiche folgte . Jch langte in der Dunkelheit hier an , und trat in dasselbe Haus , das ich vor acht Jahren in bitterer Kälte verlassen hatte : wie war ich überrascht als ich Sie , liebe Bettine , fand neben den Meinigen sitzend , Beistand und Hilfe meiner kranken Frau leistend . Seit jener verhängnisvollen Zeit , die unser ruhiges Leben zerstörte , haben Sie mit warmer Treue an unserm Geschick Theil genommen , und ich empfinde diese Theilnahme ebenso
wohlthätig , als die Wärme des blauen Himmels , der jetzt in mein Zimmer herein blickt , wo ich die Sonne wieder am Morgen aufsteigen und ihre Bahn über die Berge vollenden sehe , unter welchen der Fluß glänzend herzieht : die Düfte der Orangen und Linden dringen aus dem Park herauf , und ich fühle mich in Liebe und Haß jugendlich erfrischt . Kann ich eine bessere Zeit wünschen um mit diesen Märchen mich wieder zu beschäftigen ? hatte ich doch auch im Jahr 1813 an dem zweiten Band geschrieben , als wir Geschwister von der Einquartierung bedrängt waren , und russische Soldaten neben in dem Zimmer lärmten , aber damals war das Gefühl der Befreiung der Frühlingshauch , der die Brust erweiterte , und jede Sorge aufzehrte .
Wilhelm .
Vorrede .
W ir finden es wohl , wenn von Sturm oder anderem Unglück , das der Himmel schickt , eine ganze Saat zu Boden geschlagen wird , daß noch bei niedrigen Hecken oder Sträuchen , die am Wege stehen , ein kleiner Platz sich gesichert hat , und einzelne Ähren aufrecht geblieben sind . Scheint dann die Sonne wieder günstig , so wachsen sie einsam und unbeachtet fort : keine frühe Sichel schneidet sie für die großen Vorratskammern , aber im Spätsommer , wenn sie reif und voll geworden , kommen arme Hände , die sie suchen , und Ähre an Ähre gelegt , sorgfältig gebunden und höher geachtet , als sonst ganze Garben , werden sie heim getragen , und winterlang sind sie Nahrung , vielleicht auch der einzige Samen für die Zukunft .
So ist es uns vorgekommen , wenn wir gesehen haben wie von so vielem , was in früherer Zeit geblüht hat , nichts mehr übrig geblieben , selbst die Erinnerung daran fast ganz verloren war , als unter dem Volke Lieder , ein paar Bücher , Sagen , und diese unschuldigen Hausmärchen . Die Plätze am Ofen , der Küchenherd , Bodentreppen , Feiertage noch gefeiert , Triften und Wälder in ihrer Stille , vor allem die ungetrübte Phantasie sind die Hecken gewesen , die sie gesichert und einer Zeit aus der andern überliefert haben .
Es war vielleicht gerade Zeit , diese Märchen festzuhalten , da diejenigen , die sie bewahren sollen , immer seltner werden . Freilich , die sie noch wissen , wissen gemeinlich auch recht viel , weil die Menschen ihnen absterben , sie nicht den Menschen ; aber die Sitte selber nimmt immer mehr ab , wie alle heimlichen Plätze in Wohnungen und Gärten , die vom Großvater bis zum Enkel fortdauerten , dem stätigen Wechsel einer leeren Prächtigkeit weichen , die dem Lächeln gleicht , womit man von diesen Hausmärchen spricht , welches vornehm aussieht , und doch wenig kostet . Wo sie noch da sind , leben sie so , daß man nicht daran denkt , ob sie gut oder schlecht sind , poetisch ,
oder für gescheidte Leute abgeschmackt : man weiß sie und liebt sie , weil man sie eben so empfangen hat , und freut sich daran , ohne einen Grund dafür . So herrlich ist lebendige Sitte , ja auch das hat diese Poesie mit allem unvergänglichen gemein , daß man ihr selbst gegen einen andern Willen geneigt seyn muß . Leicht wird man übrigens bemerken daß sie nur da gehaftet hat , wo überhaupt eine regere Empfänglichkeit für Poesie , oder eine noch nicht von den Verkehrtheiten des Lebens ausgelöschte Phantasie vorhanden war . Wir wollen in gleichem Sinne hier diese Märchen nicht rühmen , oder gar gegen eine entgegengesetzte Meinung vertheidigen ; ihr bloßes Dasein reicht hin , sie zu schützen . Was so mannigfach und immer wieder von neuem erfreut bewegt und belehrt hat , das trägt seine Notwendigkeit in sich , und ist gewiß aus jener ewigen Quelle gekommen , die alles Leben bethaut , und wenn auch nur ein einziger Tropfen , den ein kleines , zusammenhaltendes Blatt gefaßt hat , doch in dem ersten Morgenroth schimmernd .
Darum auch geht innerlich durch diese Dichtungen jene Reinheit , um derentwillen uns Kinder so wunderbar und selig erscheinen ; sie haben gleichsam dieselben blaulichweißen
mackellosen glänzenden Augen in die sich Kinder selbst so gern greifen ( Fischarts Gargantua 129 b. 131 b. ) , und die sie sich holen möchten . , die nicht mehr wachsen können , während die andern Glieder noch zart , schwach , und zum Dienste der Erde ungeschickt sind . Das ist der Grund , warum wir durch unsere Sammlung nicht bloß der Geschichte der Poesie und Mythologie einen Dienst erweisen wollten , sondern es zugleich Absicht war , daß die Poesie selbst , die darin lebendig ist , wirke und erfreue , wen sie erfreuen kann , also auch , daß es als ein Erziehungsbuch diene . Wir suchen für ein solches nicht jene Reinheit , die durch ein ängstliches Ausscheiden alles dessen , was Bezug auf gewisse Zustände und Verhältnisse hat , wie sie täglich vorkommen , und auf keine Weise verborgen bleiben können , erlangt wird , und wobei man zugleich in der Täuschung ist , daß was in einem gedruckten Buche ausführbar , es auch im wirklichen Leben sei . Wir suchen die Reinheit in der Wahrheit einer geraden nichts Unrechtes im Rückhalt bergenden Erzählung . Dabei haben wir jeden für das Kinderalter nicht passenden Ausdruck in dieser neuen Auflage sorgfältig gelöscht . Sollte man dennoch einzuwenden haben daß
Eltern eins und das andere in Verlegenheit setze , und ihnen anstößig vorkomme , so daß sie das Buch Kindern nicht geradezu in die Hände geben wollten , so mag für einzelne Fälle die Sorge begründet sein , und sie können dann leicht eine Auswahl treffen : im Ganzen , das heißt für einen gesunden Zustand , ist sie gewiß unnöthig . Nichts besser kann uns vertheidigen als die Natur selber , welche diese Blumen und Blätter in solcher Farbe und Gestalt hat wachsen lassen ; wem sie nicht zuträglich sind , nach besonderen Bedürfnissen , der kann nicht fordern daß sie deshalb anders gefärbt und geschnitten werden sollen . Oder auch , Regen und Thau fällt als eine Wohlthat für alles herab , was auf der Erde steht , wer seine Pflanzen nicht hineinzustellen getraut , weil sie zu empfindlich sind , und Schaden nehmen könnten , sondern lieber in der Stube mit abgeschrecktem Wasser begießt , wird doch nicht verlangen daß Regen und Thau darum ausbleiben sollen . Gedeihlich aber kann alles werden , was natürlich ist , und danach sollen wir trachten . Übrigens wissen wir kein gesundes und kräftiges Buch , welches das Volk erbaut hat , wenn wir die Bibel obenan stellen , wo solche Bedenklichkeiten nicht in ungleich größerm Maaß
einträten ; der rechte Gebrauch aber findet nichts Böses heraus , sondern , wie ein schönes Wort sagt , ein Zeugnis unseres Herzens . Kinder deuten ohne Furcht in die Sterne , während andere , nach dem Volksglauben , die Engel damit beleidigen .
Gesammelt haben wir an diesen Märchen seit etwa dreizehn Jahren , der erste Band , welcher im Jahr 1812 erschien , enthielt meist was wir nach und nach in Hessen , in den Main- und Kinziggegenden der Grafschaft Hanau , wo wir her sind , von mündlichen Überlieferungen aufgefaßt hatten . Der zweite Band wurde im Jahr 1814 beendigt , und kam schneller zu Stande , theils weil das Buch selbst sich Freunde verschafft hatte , die es nun , wo sie bestimmt sahen was und wie es gemeint wäre , unterstützten , theils weil uns das Glück begünstigte , das Zufall scheint , aber gewöhnlich beharrlichen und fleißigen Sammlern beisteht . Jst man erst gewöhnt auf dergleichen zu achten , so begegnet es doch häufiger als man sonst glaubt , und das ist überhaupt mit Sitten und Eigenthümlichkeiten Sprüchen und Scherzen des Volkes der Fall . Die schönen plattdeutschen Märchen aus dem Fürstenthum Münster und Paderborn verdanken wir besonderer Güte
und Freundschaft : das Zutrauliche der Mundart bei der innern Vollständigkeit zeigt sich hier besonders günstig . Dort , in den altberühmten Gegenden deutscher Freiheit , haben sich an manchen Orten die Sagen und Märchen als eine fast regelmäßige Vergnügung der Feiertage erhalten , und das Land ist noch reich an ererbten Gebräuchen und Liedern . Da , wo die Schrift theils noch nicht durch Entführung des Fremden stört , oder durch Überladung abstumpft , theils , weil sie sichert , dem Gedächtnis noch nicht nachlässig zu werden gestattet , überhaupt bei Völkern , deren Literatur unbedeutend ist , pflegt sich als Ersatz die Überlieferung stärker und ungetrübter zu zeigen . So scheint auch Niedersachsen mehr als andere Gegenden behalten zu haben . Was für eine viel vollständigere und innerlich reichere Sammlung wäre im 15ten Jahrhundert , oder auch noch im 16ten zu Hans Sachsens und Fischarts Zeiten in Deutschland möglich gewesen Merkwürdig ist daß bei den Galliern nicht erlaubt war die überlieferten Gesänge aufzuschreiben , während man sich der Schrift in allen übrigen Angelegenheiten bediente . Cäsar , der dies anmerkt ( de B. G. VI. 4. ) , glaubt daß man damit .
Einer jener guten Zufälle aber war es , daß wir aus dem bei Cassel gelegenen Dorfe Niederzwehrn eine Bäuerin kennen lernten , die uns die meisten und schönsten Märchen des zweiten Bandes erzählte . Die Frau Viehmännin war noch rüstig , und nicht viel über fünfzig Jahre alt . Jhre Gesichtszüge hatten etwas Festes , Verständiges und Angenehmes , und aus großen Augen blickte sie hell und scharf Unser Bruder Ludwig Grimm hat eine recht ähnliche und natürliche Zeichnung von ihr radiert , die man in der Sammlung seiner Blätter ( bei Weigel in Leipzig ) findet . Einen zwar verkleinerten doch wohlgeratenen Nachstich davon liefert hier das Titelkupfer vor dem zweiten Band . Durch den Krieg gerieth die gute Frau in Elend und Unglück , das wohlthätige Menschen lindern aber nicht heben konnten . Der Vater ihrer zahlreichen Enkel starb am Nervenfieber , die Waisen brachten Krankheit und die höchste Noth in ihre schon arme Hütte . Sie wurde siech , und starb am 17. Nov. 1816 . . Sie bewahrte die alten Sagen fest im Gedächtnis , und sagte wohl selbst daß diese Gabe nicht jedem verliehen sei , und mancher gar nichts im Zusammenhange habe verhüten wollen , im Vertrauen auf die Schrift , leichtsinnig im Erlernen und Behalten der Lieder zu werden . Auch Thamus hält dem Theuth ( im Phädrus des Plato ) bei Erfindung der Buchstaben den Nachtheil vor , den die Schrift auf die Ausbildung des Gedächtnisses haben würde .
behalten könne . Dabei erzählte sie bedächtig , sicher und ungemein lebendig , mit eigenem Wohlgefallen daran , erst ganz frei , dann , wenn man es wollte , noch einmal langsam , so daß man ihr mit einiger Übung nachschreiben konnte . Manches ist auf diese Weise wörtlich beibehalten , und wird in seiner Wahrheit nicht zu verkennen sein . Wer an leichte Verfälschung der Überlieferung , Nachlässigkeit bei Aufbewahrung , und daher an Unmöglichkeit langer Dauer als Regel glaubt , der hätte hören müssen , wie genau sie immer bei der Erzählung blieb , und auf ihre Richtigkeit eifrig war ; sie änderte niemals bei einer Wiederholung etwas in der Sache ab , und besserte ein Versehen , sobald sie es bemerkte , mitten in der Rede gleich selber . Die Anhänglichkeit an das Überlieferte ist bei Menschen , die in gleicher Lebensart unabänderlich fortfahren , stärker als wir , zur Veränderung geneigt , begreifen . Eben darum hat es , so vielfach bewährt , eine gewisse eindringliche Nähe und innere Tüchtigkeit , zu der anderes , das äußerlich viel glänzender erscheinen kann , nicht so leicht gelangt . Der epische Grund der Volksdichtung gleicht dem durch die ganze Natur in mannigfachen Abstufungen verbreitete Grün , das sättigt und sänftigt , ohne je zu ermüden .
Wir erhielten außer den Märchen des zweiten Bandes auch reichliche Nachträge zu dem ersten , und bessere Erzählungen vieler dort gelieferten gleichfalls aus jener oder andern ähnlichen Quellen . Hessen hat als ein bergichtes , von großen Heerstraßen abseits liegendes , und zumeist mit dem Ackerbau beschäftigtes Land den Vortheil , daß es alte Sitten und Überlieferungen besser aufbewahren kann . Ein gewisser Ernst , eine gesunde , tüchtige und tapfere Gesinnung , die von der Geschichte nicht wird unbeachtet bleiben , selbst die große und schöne Gestalt der Männer in den Gegenden , wo der eigentliche Sitz der Chatten war , haben sich auf diese Art erhalten , und lassen den Mangel an dem Bequemen und Zierlichen , den man im Gegensatz zu andern Ländern , etwa aus Sachsen kommend , leicht bemerkt , eher als einen Gewinn betrachten . Dann empfindet man auch daß die zwar rauheren aber oft ausgezeichnet herrlichen Gegenden , wie eine gewisse Strenge und Dürftigkeit der Lebensweise , zu dem Ganzen gehören . Überhaupt müssen die Hessen zu den Völkern unseres Vaterlandes gezählt werden , die am meisten wie die alten Wohnsitze so auch die Eigentümlichkeit ihres Wesens durch die Veränderungen der Zeit festgehalten haben .
Was wir nun bisher für unsere Sammlung gewonnen hatten , wollten wir bei dieser zweiten Auflage dem Buch einverleiben . Daher ist der erste Band fast ganz umgearbeitet das Unvollständige ergänzt , manches einfacher und reiner erzählt , und nicht viel Stücke werden sich finden , die nicht in besserer Gestalt erscheinen . Es ist noch einmal geprüft , was verdächtig schien , d. h. was etwa hätte fremden Ursprungs oder durch Zusätze verfälscht sein können , und dann alles ausgeschieden . Dafür sind die neuen Stücke , worunter wir auch Beiträge aus Östreich und Deutschböhmen zählen , eingerückt , so daß man manches bisher ganz Unbekannte finden wird . Für die Anmerkungen war uns früher nur ein enger Raum gegeben bei dem erweiterten Umfange des Buchs konnten wir für jene nun einen eigenen dritten Band bestimmen . Hierdurch ist es möglich geworden , nicht nur das , was wir früher ungern zurück behielten , mitzutheilen , sondern auch neue , hierher gehörige Abschnitte zu liefern , die , wie wir hoffen , den wissenschaftlichen Werth dieser Überlieferungen noch deutlicher machen werden .
Was die Weise betrifft , in der wir gesammelt haben , so ist es uns zuerst auf Treue und Wahrheit angekommen .
Wir haben nämlich aus eigenen Mitteln nichts hinzugesetzt , keinen Umstand und Zug der Sage selbst verschönert , sondern ihren Jnhalt so wiedergegeben , wie wir ihn empfangen hatten ; daß der Ausdruck und die Ausführung der Einzelnen großentheils von uns herrührt versteht sich von selbst , doch haben wir jede Eigenthümlichkeit , die wir bemerkten , zu erhalten gesucht , um auch in dieser Hinsicht der Sammlung die Mannigfaltigkeit der Natur zu lassen . Jeder , der sich mit ähnlicher Arbeit befaßt , wird es übrigens begreifen , daß dies kein sorgloses und unachtsames Auffassen kann genannt werden , im Gegentheil ist Aufmerksamkeit und ein Takt nöthig , der sich erst mit der Zeit erwirbt um das Einfachere , Reinere , und doch in sich Vollkommnere , von dem Verfälschten zu unterscheiden . Verschiedene Erzählungen haben wir , sobald sie sich ergänzten , und zu ihrer Vereinigung keine Widersprüche wegzuschneiden waren , als Eine mitgetheilt , wenn sie aber abwichen , wo dann jede gewöhnlich ihre eigentümlichen Züge hatte , der besten den Vorzug gegeben , und die andern für die Anmerkungen aufbewahrt . Diese Abweichungen nämlich erscheinen uns merkwürdiger , als denen , welche darin bloß
Abänderungen und Entstellungen eines einmal dagewesenen Urbildes sehen , da es im Gegentheil vielleicht nur Versuche sind , einem im Geist bloß vorhandenen , unerschöpflichen , auf mannigfachen Wegen sich zu nähern . Wiederholungen einzelner Sätze , Züge und Einleitungen , sind wie epische Zeilen zu betrachten , die , sobald der Ton sich rührt , der sie anschlägt , immer wiederkehren , und in einem andern Sinne eigentlich nicht zu verstehen .
Eine entschiedene Mundart haben wir gerne beibehalten . Hätte es überall geschehen können , so würde die Erzählung ohne Zweifel gewonnen haben . Es ist hier ein Fall wo die erlangte Bildung , Feinheit und Kunst der Sprache zu Schanden wird , und man fühlt daß eine geläuterte Schriftsprache , so gewandt sie in allem übrigen sein mag , heller und durchsichtiger aber auch schmackloser geworden ist , und nicht mehr so fest dem Kerne sich anschließe . Schade , daß die niederhessische Mundart in der Nähe von Cassel , als in den Gränzpunkten des alten sächsischen und fränkischen Hessengaues , eine unbestimmte und nicht reinlich aufzufassende Mischung von niedersächsischem und hochdeutschem ist .
Jn diesem Sinne gibt es unseres Wissens sonst keine
Sammlungen von Märchen in Deutschland . Entweder waren es nur ein paar zufällig erhaltene , die man mittheilte , oder man betrachtete sie bloß als rohen Stoff , um größere Erzählungen daraus zu bilden . Gegen solche Bearbeitungen erklären wir uns geradezu . Zwar ist es unbezweifelt , daß in allem lebendigen Gefühl für eine Dichtung ein poetisches Bilden und Fortbilden liegt , ohne welches auch eine Überlieferung etwas Unfruchtbares und Abgestorbenes wäre , ja eben dies ist mit Ursache , warum jede Gegend nach ihrer Eigentümlichkeit , jeder Mund anders erzählt . Aber es ist doch ein großer Unterschied zwischen jenem halb unbewußten , dem stillen Forttreiben der Pflanzen ähnlichen , und von der unmittelbaren Lebensquelle getränkten Entfalten , und einer absichtlichen , alles nach Willkür zusammenknüpfenden und auch wohl leimenden Umänderung ; diese aber ist es , welche wir nicht billigen können . Die einzige Richtschnur wäre dann die von seiner Bildung abhängende , gerade vorherrschende Ansicht des Dichters , während bei jenem natürlichen Fortbilden der Geist des Volkes in dem einzelnen waltet , und einem besondern Gelüsten vorzudringen nicht erlaubt . Räumt man den Überlieferungen wissenschaftlichen
Werth ein , das heißt gibt man zu daß sich in ihnen Anschauungen und Bildungen der Vorzeit erhalten , so versteht sich von selbst daß dieser Werth durch solche Bearbeitungen fast immer zu Grunde gerichtet wird . Allein auch die Poesie gewinnt nicht dadurch , denn wo lebt sie wirklich als da , wo sie die Seele trifft , wo sie in der That kühlt und erfrischt , oder wärmt und stärkt ? Aber jede Bearbeitung dieser Sagen , welche ihre Einfachheit Unschuld und prunklose Reinheit wegnimmt , reißt sie aus dem Kreiße , welchem sie angehören , und wo sie ohne Überdruß immer wieder begehrt werden . Es kann sein , und dies ist der beste Fall , daß man Feinheit , Geist , besonders Witz , der die Lächerlichkeit der Zeit mit hineinzieht , ein zartes Ausmahlen des Gefühls , wie es einer von der Poesie aller Völker genährten Bildung nicht allzuschwer fällt , dafür gibt ; aber diese Gabe hat doch mehr Schimmer als Nutzen : sie denkt an das einmalige Anhören oder Lesen , an das sich unsere Zeit gewöhnt hat , und sammelt und spitzt dafür die Reize . Doch in der Wiederholung ermüdet uns der Witz , und das Dauernde ist ewas etwas Ruhiges Stilles und Reines . Die geübte Hand solcher Bearbeitungen gleicht doch jener unglücklich
begabten , die alles , was sie anrührte auch die Speisen in Gold verwandelte , und kann uns mitten im Reichthum nicht sättigen und tränken . Gar , wo aus bloßer Einbildungskraft die Mythologie mit ihren Bildern soll angeschafft werden , wie kahl , innerlich leer und gestaltlos sieht dann trotz den besten und stärksten Worten alles aus ! Übrigens ist dies nur gegen sogenannte Bearbeitungen gesagt , welche die Märchen bloß zu verschönern und poetischer auszustatten vorhaben , nicht gegen ein freies Auffassen derselben zu eigenen , ganz der Zeit angehörenden Dichtungen ; denn wer hätte Lust der Poesie Gränzen abzustecken ?
Wir übergeben dies Buch wohlwollenden Händen , dabei denken wir an die segnende Kraft , die in diesen liegt , und wünschen daß denen , welche solche Brosamen der Poesie Armen und Genügsamen nicht gönnen , es gänzlich verborgen bleiben möge .
Cassel am 3. Julius 1819 .
Durch eine Anzahl neuer , dem zweiten Theile zugefügter Märchen , unter welchen einige in schweizerischer
Mundart sich auszeichnen , ist unsere Sammlung in gegenwärtiger dritten Auflage wiederum gewachsen , und der Vollständigkeit , soweit sie möglich ist , näher gerückt . Außerdem sind viele der frühern Stücke abermals umgearbeitet und durch Zusätze und einzelne , aus mündlichen Erzählungen gewonnene Züge ergänzt und bereichert .
Der dritte Theil , dessen Jnhalt sich lediglich auf den wissenschaftlichen Gebrauch der Sammlung bezieht , und daher nur in einem viel engern Kreiß Eingang finden konnte , ist diesmal nicht mit abgedruckt , weil davon noch Exemplare in der Reimerschen Buchhandlung zu Berlin vorräthig sind . Jn der Folge soll dieser dritte Theil als ein für sich bestehendes Werk erscheinen , in welchem auch die in der vorigen Ausgabe vorangesetzten Einleitungen von dem Wesen der Märchen und von Kindersitten einen Platz finden werden .
Die treue Auffassung der Überlieferung , der ungesuchte Ausdruck und , wenn es nicht unbescheiden klingt , der Reichthum und die Mannigfaltigkeit der Sammlung haben ihr fortdauernde Theilnahme unter uns , und Beachtung im Auslande verschafft . Unter den verschiedenen Übersetzungen verdient die englische als die vollständigste ,
und weil die verwandte Sprache sich am genausten anschließt , den Vorzug Nachdem Francis Cohen im Quarterly Review ( 1819 Mai ) die ältere Ausgabe ausführlich angezeigt hatte , erschien nach der zweiten eine Übersetzung von Eduard Taylor in zwei Theilen mit geistreichen Kupfern von Cruikshank ( German popular stories . London 1823 und 1826 ) , welche nochmals aufgelegt wurde . Eine holländische ( Sprookjes-boek voor Kinderen . Amsterdam 1820 ) enthielt einen Auszug , wie eine dänische von Hegermann-Lindencrone ( Börne Eventyr . Kopenh. 1820 oder 21 ) ; einzelne Stücke hat Molbech ( Julegave for Börn 1835 und 1836 ) übersetzt , andere Öhlenschläger . Das Journal des Débats vom 4ten August 1832 enthält sinnreiche Äußerungen über das Buch , und als Probe eine Übersetzung des Märchens von dem eisernen Heinrich : ferner das Blatt vom 1. Jan. 1834 ein Bruchstück aus dem Machandelboom ; späterhin ( Paris 1836 ) erschienen Contes choisis de Grimm traduits par F. C. Gérard mit Kupfern . . Eine Auswahl , als kleinere Ausgabe in einem Bändchen , wobei zugleich die Bedenklichkeit derer berücksichtigt ist , welche nicht jedes Stück der größeren Sammlung für Kinder angemessen halten , veranstalteten wir zuerst 1825 , sie ist 1833 und 1836 wieder aufgelegt worden .
Der wissenschaftliche Werth dieser Überlieferungen hat sich in mancher überraschenden Verwandtschaft mit
alten Göttersagen bewährt , und die deutsche Mythologie nicht selten Gelegenheit gehabt darauf zurückzukommen , ja sie hat in der Übereinstimmung mit nordischen Mythen einen Beweis des ursprünglichen Zusammenhangs gefunden .
Wenn die Gunst für dieses Buch fortdauert , so soll es an weiterer Pflege von unserer Seite nicht fehlen .
Göttingen am 15. Mai 1837 .
Es freut uns , daß unter den neuen Stücken , womit die Sammlung abermals ist vermehrt worden , sich auch eins wieder aus unserer Heimat befindet . Das schöne Märchen von der Lebenszeit ( Nr. 176 ) erzählte ein Bauer aus Zwehrn einem meiner Freunde , mit dem er auf dem freien Feld eine Unterredung angeknüpft hatte ; man sieht daß die Weisheit auf der Gasse noch nicht ganz untergegangen ist .
Cassel am 17. September 1840 .
Jnhalt .
1. Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich Seite 1
2. Katze und Maus in Gesellschaft — 7
3. Marienkind — 11
4. Märchen von einem , der auszog das Fürchten zu lernen — 18
5. Der Wolf und die sieben jungen Geislein — 31
6. Der treue Johannes — 35
7. Der gute Handel — 46
8. Der wunderliche Spielmann — 52
9. Die zwölf Brüder — 56
10. Das Lumpengesindel — 64
11. Brüderchen und Schwesterchen — 67
12. Rapunzel — 76
13. Die drei Männlein im Walde — 81
14. Die drei Spinnerinnen — 89
15. Hänsel und Grethel — 93
16. Die drei Schlangenblätter — 102
17 . Die weiße Schlange — 108
18. Strohhalm , Kohle und Bohne Seite 114
19. Van den Fischer und siine Fru — 117
20 . Das tapfere Schneiderlein — 125
21. Aschenputtel — 137
22. Das Räthsel — 147
23 . Von dem Mäuschen , Vögelchen und der Bratwurst — 151
24. Frau Holle — 154
25. Die sieben Raben — 159
26. Rothkäppchen — 163
27 . Die Bremer Stadtmusikanten — 168
28. Der singende Knochen — 173
29. Der Teufel mit den drei goldenen Haaren — 176
30. Läuschen und Flöhchen — 186
31. Das Mädchen ohne Hände — 189
32. Der gescheidte Hans — 198
33. Die drei Sprachen — 202
34. Die kluge Else — 206
35. Der Schneider im Himmel — 211
36. Tischchen deck dich , Goldesel , und Knüppel aus dem Sack — 214
37. Daumesdick — 228
38. Die Hochzeit der Frau Füchsin — 236
39. Die Wichtelmänner — 241
40. Der Räuberbräutigam — 246
41. Herr Korbes — 252
42. Der Herr Gevatter — 254
43. Frau Trude — 257
44. Der Gevatter Tod — 259
45. Daumerlings Wanderschaft — 264
46. Fitchers Vogel — 270
47. Van den Machandelboom Seite 275
48. Der alte Sultan — 287
49. Die sechs Schwäne — 291
50. Dornröschen — 298
51. Fundevogel — 303
52. König Drosselbart — 307
53. Sneewittchen — 313
54. Der Ranzen , das Hütlein und das Hörnlein — 325
55. Rumpelstilzchen — 333
56. Der Liebste Roland — 337
57. Der goldene Vogel — 343
58. Der Hund und der Sperling — 354
59. Der Frieder und das Catherlieschen — 359
60. Die zwei Brüder — 368
61. Das Bürle — 397
62. Die Bienenkönigin — 404
63. Die drei Federn — 407
64. Die goldene Gans — 411
65. Allerleirauh — 417
66. Häsichenbraut — 425
67 . Die zwölf Jäger — 427
68. De Gaudeif und sien Meester — 431
69. Jorinde und Joringel — 434
70. Die drei Glückskinder — 438
71. Sechse kommen durch die ganze Welt — 442
72. Der Wolf und der Mensch — 450
73. Der Wolf und der Fuchs — 452
74. Der Fuchs und die Frau Gevatterin — 455
75. Der Fuchs und die Katze — 457
76 . Die Nelke — 459
77. Das kluge Grethel Seite 466
78. Der alte Großvater und der Enkel — 470
79. Der Wassernix — 472
80 . Von dem Tode des Hühnchens — 474
81. Bruder Lustig — 477
82. De Spielhansl — 492
83. Hans im Glück — 496
84. Hans heirathet — 504
85. Die Goldkinder — 506
86. Der Fuchs und die Gänse — 513
1.
Der Froschkönig oder der eiserne Heinrich .
J n den alten Zeiten , wo das Wünschen noch geholfen hat , lebte ein König , dessen Töchter waren alle schön , aber die jüngste war so schön , daß die Sonne selber , die schon so vieles gesehen hat , sich verwunderte so oft sie ihr ins Gesicht schien . Nahe bei dem Schlosse des Königs lag ein großer dunkler Wald , und in dem Walde unter einer alten Linde war ein Brunnen : wenn nun der Tag recht heiß war , so gieng das Königskind hinaus in den Wald , und setzte sich an den Rand des kühlen Brunnens , und wenn sie Langeweile hatte , so nahm sie eine goldene Kugel , warf sie in die Höhe und fieng sie wieder ; und das war ihr liebstes Spielwerk .
Nun trug es sich einmal zu , daß die goldene Kugel der
Königstochter nicht in das Händchen fiel , das sie in die Höhe gehalten hatte , sondern vorbei auf die Erde schlug , und geradezu ins Wasser hinein rollte . Die Königstochter folgte ihr mit den Augen nach , aber die Kugel verschwand , und der Brunnen war tief , und gar kein Grund zu sehen . Da fieng sie an zu weinen , und weinte immer lauter , und konnte sich gar nicht trösten . Und wie sie so klagte , rief ihr jemand zu ‘ was hast du vor , Königstochter , du schreist ja daß sich ein Stein erbarmen möchte . ’ Sie sah sich um , woher die Stimme käme , da erblickte sie einen Frosch , der seinen dicken häßlichen Kopf aus dem Wasser streckte . ‘ Ach , du bists , alter Wasserpatscher ,’ sagte sie , ‘ ich weine über meine goldne Kugel , die mir in den Brunnen hinab gefallen ist . ’ ‘Laß dein Jammern ,’ antwortete der Frosch , ‘ ich kann wohl Rath schaffen , aber was gibst du mir , wenn ich dein Spielwerk wieder heraufhole ? ’ ‘ Was du willst , lieber Frosch ,’ sagte sie , ‘ meine Kleider , meine Perlen und Edelsteine , dazu die goldne Krone , die ich trage . ’ Der Frosch antwortete ‘ deine Kleider , deine Perlen und Edelsteine , deine goldne Krone , die mag ich nicht : aber wenn du mich lieb haben willst , und ich soll dein Geselle und Spielkamerad seyn , an deinem Tischlein neben dir sitzen , von deinem goldnen Tellerlein essen , aus deinem Becherlein trinken , in deinem Bettlein schlafen : wenn du mir das versprichst , so will ich hinunter steigen , und dir die goldne Kugel wieder aus dem Grunde herauf holen . ’ ‘ Ach ja’ , sagte sie , ‘ ich verspreche dir alles , was du willst , wenn du mir nur die Kugel wieder bringst . ’ Sie dachte aber ‘ was der einfältige
Frosch schwätzt , der sitzt im Wasser bei seines Gleichen , und quackt , und kann keines Menschen Geselle seyn .’
Der Frosch , als er die Zusage erhalten hatte , tauchte seinen Kopf unter , sank hinab , und über ein Weilchen kam er wieder herauf gerudert , hatte die Kugel im Maul , und warf sie ins Gras . Die Königstochter war voll Freude , als sie ihr schönes Spielwerk wieder erblickte , hob es auf , und sprang damit fort . ‘Warte , warte ,’ rief der Frosch , ‘ nimm mich mit , ich kann nicht so laufen wie du . ’ Aber was half ihn daß er ihr sein quack quack so laut nachschrie als er konnte ! sie hörte nicht darauf , eilte nach Haus , und hatte bald den armen Frosch vergessen , der wieder in seinen Brunnen hinab steigen mußte .
Am andern Tage , als sie mit dem König und allen Hofleuten an der Tafel saß , und von ihrem goldnen Tellerlein aß , da kam , plitsch platsch , plitsch platsch , etwas die Marmortreppe herauf gekrochen , und als es oben angelangt war , klopfte es an der Thür , und rief ‘Königstochter , jüngste , mach mir auf . ’ Sie lief und wollte sehen wer draußen wäre , als sie aber aufmachte , so saß der Frosch davor . Da warf sie die Thür hastig zu , setzte sich wieder an den Tisch , und war ihr ganz angst . Der König sah wohl daß ihr das Herz gewaltig klopfte , und sprach ‘ mein Kind , was fürchtest du dich , steht etwa ein Riese vor der Thür , und will dich holen ? ’ ‘ Ach nein ,’ antwortete sie , ‘ es ist kein Riese , sondern ein garstiger Frosch , der hat mir gestern im Wald meine goldene Kugel aus dem Wasser geholt , dafür versprach ich ihm er sollte mein Geselle werden , ich dachte
aber nimmermehr daß er aus seinem Wasser heraus könnte : nun ist er draußen , und will zu mir herein . ’ Jndem klopfte es zum zweitenmal und rief
‘Königstochter , jüngste ,
mach mir auf ,
weißt du nicht was gestern
du zu mir gesagt
bei dem kühlen Brunnenwasser ?
Königstochter , jüngste ,
mach mir auf .’
Da sagte der König ‘ hast du’s versprochen , so mußt du ’s auch halten ; geh nur und mach ihm auf . ’ Sie gieng und öffnete die Thüre , da hüpfte der Frosch herein , ihr immer auf dem Fuße nach , bis zu ihrem Stuhl . Da saß er und rief ‘heb mich herauf zu dir . ’ Sie that es nicht bis es der König befahl . Als der Frosch auf den Stuhl gekommen war , sprach er ‘ nun schieb mir dein goldenes Tellerlein näher , damit wir zusammen essen . ’ Das that sie nun , aber man sah wohl daß sies nicht gerne that . Der Frosch ließ sichs gut schmecken , aber ihr blieb fast jedes Bißlein im Halse . Endlich sprach er ‘ nun hab ich mich satt gegessen , und bin müde , trag mich hinauf in dein Kämmerlein , und mach dein seiden Bettlein zurecht , da wollen wir uns schlafen legen . ’ Da fieng die Königstochter an zu weinen , und fürchete sich vor dem kalten Frosch , den sie nicht anzurühren getraute , und der nun in ihrem schönen reinen Bettlein schlafen sollte . Der König aber ward zornig , und sprach ‘ wer dir geholfen hat ,
als du in der Noth warst , den mußt du hernach nicht verachten , und was du versprochen hast , das mußt du auch halten . Da packte sie ihn mit zwei Fingern , trug ihn hinauf , und setzte ihn in eine Ecke . Als sie aber im Bett lag , kam er gekrochen , und sprach ‘ ich bin müde , ich will schlafen so gut wie du , heb mich herauf , oder ich sags deinem Vater . ’ Da ward sie bitterböse , faßte ihn und warf ihn aus allen Kräften wider die Wand ; ‘ nun wirst du Ruhe haben , du garstiger Frosch ’ .
Als aber der Frosch herab fiel , stand da ein Königssohn mit schönen und freundlichen Augen . Der war nun von Recht und mit ihres Vaters Willen ihr lieber Geselle und Gemahl . Da erzählte er ihr , er wäre von einer bösen Hexe verwünscht worden , und hätte nur von ihr aus dem Brunnen erlöst werden können , und morgen wollten sie zusammen in sein Reich gehen . Dann schliefen sie ein , und am andern Morgen , als die Sonne sie aufweckte , kam ein Wagen herangefahren mit acht weißen Pferden bespannt , die waren mit Federn geschmückt , und giengen in goldenen Ketten , und hinten stand der Diener des jungen Königs , das war der treue Heinrich . Der treue Heinrich hatte sich so betrübt , als sein Herr war in einen Frosch verwandelt worden , daß er drei eiserne Bande hatte müssen um sein Herz legen lassen , damit es ihm nicht vor Weh und Traurigkeit zerspränge . Der Wagen aber sollte den jungen König in sein Reich abholen ; der treue Heinrich hob beide hinein , und stellte sich wieder hinten auf , voller Freude über die Erlösung . Und als sie ein Stück Wegs gefahren waren , hörte der Königssohn
daß es hinter ihm krachte , als wäre etwas zerbrochen . Da drehte er sich um , und rief
‘Heinrich , der Wagen bricht . ’
‘Nein , Herr , der Wagen nicht ,
es ist ein Band von meinem Herzen ,
das da lag in großen Schmerzen ,
als ihr in den Brunnen saßt ,
als ihr eine Fretsche ( Frosch ) wast ( wart ) .’
Noch einmal und noch einmal krachte es auf dem Weg , und der Königssohn meinte immer der Wagen bräche , und es waren doch nur die Bande , die vom Herzen des treuen Heinrich absprangen , weil sein Herr wieder erlöst und glücklich war .
2.
Katze und Maus in Gesellschaft .
E ine Katze hatte Bekanntschaft mit einer Maus gemacht , und ihr so viel von der großen Liebe und Freundschaft vorgesagt , die sie zu ihr trüge , daß die Maus endlich einwilligte mit ihr zusammen in einem Hause zu wohnen , und gemeinschaftliche Wirthschaft zu führen . ‘ Aber für den Winter müssen wir Vorsorge tragen , sonst leiden wir Hunger ,’ sagte die Katze , ‘ du Mäuschen , kannst dich nicht überall hinwagen , und geräthst mir am Ende in eine Falle . ’ Der gute Rath ward also befolgt , und ein Töpfchen mit Fett angekauft . Sie wußten aber nicht wo sie es hinstellen sollten , endlich nach langer Ueberlegung sprach die Katze ‘ ich weiß keinen Ort , wo es besser aufgehoben wäre , als die Kirche , da getraut sich niemand etwas wegzunehmen , wir stellen es unter den Altar , und rühren es nicht eher an als bis wir es nöthig haben . ’ Das Töpfchen ward also in Sicherheit gebracht , aber es dauerte nicht lange so trug die Katze Gelüsten danach , und sprach zur Maus ‘ was ich dir sagen wollte , Mäuschen , ich bin von meiner Base zu Gevatter gebeten : sie hat ein Söhnchen zur Welt gebracht , weiß mit braunen Flecken , das soll ich über die Taufe halten . Laß mich ausgehen , und besorge du heute das Haus allein . ’ ‘ Ja , ja ,’ antwortete die Maus , ‘ geh in Gottes Namen
wenn du was Gutes ißest , so denk an mich : von dem süßen rothen Kindbetterwein tränk ich auch gerne ein Tröpfchen . ’ Es war aber alles nicht wahr , die Katze hatte keine Base , und war nicht zu Gevatter gebeten . Sie gieng geradeswegs nach der Kirche , schlich zu dem Fetttöpfchen , fieng an zu lecken , und leckte die fette Haut ab . Dann machte sie einen Spatziergang auf den Dächern der Stadt , besah sich die Gelegenheit , ruhte dann in der Sonne , und wischte sich den Bart so oft sie an das Fetttöpfchen dachte . Erst als es Abend war , kam sie wieder nach Haus . ‘ Nun , da bist du ja wieder ,’ sagte die Maus , ‘ du hast gewiß einen lustigen Tag gehabt . Was hat denn das Kind für einen Namen bekommen ? ’ ‘ Hautab ’ antwortete die Katze ganz trocken . ‘Hautab ,’ rief die Maus , ‘ das ist ja ein wunderlicher und seltsamer Name , ist der in eurer Familie gebräuchlich ? ’ ‘ Was ist da weiter ,’ sagte die Katze , ‘er ist nicht schlechter als Bröseldieb , wie deine Pathen heißen .’
Nicht lange danach überkam die Katze wieder ein Gelüsten . Sie sprach zur Maus ‘ du mußt mir den Gefallen thun und nochmals das Hauswesen allein besorgen , ich bin zum zweitenmal zu Gevatter gebeten , und da das Kind einen weißen Ring um den Hals hat , so kann ichs nicht absagen . ’ Die gute Maus willigte ein , die Katze aber schlich hinter der Stadtmauer zu der Kirche , und fraß den Fetttopf halb aus . ‘ Es schmeckt nichts besser ,’ sagte sie , ‘ als was man selber ißt ,’ und war mit ihrem Tagewerk ganz zufrieden . Als sie heimkam , fragte die Maus ‘ wie ist denn dieses Kind getauft worden ? ’ ‘ Halbaus ’ antwortete
die Katze . ‘Halbaus ! was du sagst ! den Namen habe ich mein Lebtag noch nicht gehört , ich wette der steht nicht in dem Kalender .’
Der Katze wässerte das Maul bald wieder nach dem Leckerwerk . ‘ Aller guten Dinge sind drei ,’ sprach sie zu der Maus , ‘ da soll ich wieder Gevatter stehen , das Kind ist ganz schwarz und hat bloß weiße Pfoten , sonst kein weißes Haar am ganzen Leib , das trifft sich alle paar Jahr nur einmal : du lässest mich doch ausgehen ? ’ ‘Hautab ! Halbaus !’ antwortete die Maus , ‘ es sind so kuriose Namen , die machen mich so nachdenksam . ’ ‘ Da sitzest du daheim in deinem dunkelgrauen Flausrock und deinem langen Haarzopf ,’ sprach die Katze , ‘ und fängst Grillen , das kommt davon wenn man bei Tage nicht ausgeht . ’ Die Maus räumte während der Abwesenheit der Katze auf , und brachte das Haus in Ordnung , die naschhafte Katze aber fraß den Fetttopf rein aus . ‘ Wenn erst alles aufgezehrt ist , so hat man Ruhe ’ sagte sie zu sich selbst , und kam satt und dick erst in der Nacht nach Haus . Die Maus fragte gleich nach dem Namen , den das dritte Kind bekommen hätte . ‘ Er wird dir wohl auch nicht gefallen ,’ sagte die Katze , ‘ es heißt Ganzaus . ’ ‘ Ganzaus ! ’ rief die Maus , ‘ das ist der allerbedenklichste Namen , gedruckt ist er mir noch nicht vorgekommen . Ganzaus ! was soll das bedeuten ? ’ Sie schüttelte den Kopf , rollte sich zusammen , und legte sich schlafen .
Von nun an wollte niemand mehr die Katze zu Gevatter bitten , als aber der Winter herangekommen und draußen nichts mehr zu finden war , gedachte die Maus ihres Vorraths und
sprach ‘ komm , Katze , wir wollen zu unserm Fetttopfe gehen den wir uns aufgespart haben , der wird uns schmecken . ’ ‘ Ja wohl ,’ antwortete die Katze , ‘ der wird dir schmecken als wenn du deine feine Zunge zum Fenster hinaus streckst . ’ Sie machten sich auf den Weg , und als sie anlangten stand zwar der Fetttopf noch an seinem Platz , er war aber leer . ‘ Ach ,’ sagte die Maus jetzt merke ich was geschehen ist , jetzt kommts an den Tag , du bist mir die wahre Freundin ! aufgefressen hast du alles , wie du zu Gevatter gestanden hast : erst Haut ab , dann halb aus , dann ... ‘Willst du schweigen ’ rief die Katze , ‘ noch ein Wort , und ich fresse dich auf . ’ ‘Ganz aus’ hatte die arme Maus schon auf der Zunge , kaum war es heraus , so that die Katze einen Satz nach ihr , packte sie , und schluckte sie hinunter .
3.
Marienkind .
V or einem großen Walde lebte ein Holzhacker mit seiner Frau und seinem einzigen Kind , das war ein Mädchen und drei Jahre alt . Sie waren aber so arm , daß sie nicht mehr das tägliche Brot hatten , und nicht wußten was sie ihm sollten zu essen geben . Eines Morgens gieng der Holzhacker voller Sorgen hinaus in den Wald an seine Arbeit , und wie er da Holz hackte , stand auf einmal eine schöne große Frau vor ihm , die hatte eine Krone von leuchtenden Sternen auf dem Haupt , und sprach zu ihm ‘ ich bin die Jungfrau Maria , die Mutter des Christkindleins : du bist arm und dürftig , bring mir dein Kind , ich will es mit mir nehmen , seine Mutter seyn und für es sorgen . ’ Der Holzhacker gehorchte , holte sein Kind , und übergab es der Jungfrau Maria , die nahm es mit sich hinauf in den Himmel . Da gieng es ihm wohl , es aß Zuckerbrot und trank süße Milch , und seine Kleider waren von Gold , und die Englein spielten mit ihm . Als es nun vierzehn Jahr alt geworden war , rief es einmal die Jungfrau Maria zu sich , und sprach ‘liebes Kind , ich habe eine große Reise vor , da nimm die Schlüssel zu den dreizehn Thüren des Himmelreichs in Verwahrung : zwölf darfst du davon aufschließen , und die Herrlichkeiten
betrachten , aber die dreizehnte , die dieser kleine Schlüssel öffnet , die ist dir verboten , und hüte dich daß du sie nicht aufschließest , sonst wirst du unglücklich . ’ Das Mädchen versprach ihr gehorsam zu seyn , und als nun die Jungfrau Maria weg war , fieng es an und besah die Wohnungen des Himmelreichs : jeden Tag schloß es eine auf , bis die zwölfe herum waren . Jn jeder aber saß ein Apostel , und war so viel Glanz umher , daß es sein Lebtag solche Pracht und Herrlichkeit nicht gesehen hatte : und es freute sich darüber , und die Englein , die es immer begleiteten , freuten sich mit ihm . Nun war nur noch die verbotene Thüre übrig , da empfand es eine große Lust zu wissen was dahinter verborgen wäre , und sprach zu den Englein ‘ ganz aufmachen will ich sie nicht , aber ein bischen aufschließen , damit wir durch den Ritz sehen . ’ ‘ Ach nein ,’ sagten die Englein , ‘ das wäre Sünde : die Jungfrau Maria hats verboten , und es könnte leicht dein Unglück werden . ’ Da schwieg es still , aber die Lust und Neugier in seinem Herzen schwieg nicht still , sondern pickte ordentlich daran , und ließ ihm keine Ruhe . Und als die Englein einmal weggegangen waren , dachte es ‘ nun bin ich ganz allein , wer siehts dann ! ’ und holte den Schlüssel . Und als es ihn geholt hatte , steckte es ihn auch in das Schlüsselloch , und als es ihn hinein gesteckt hatte , drehte es auch um . Da sprang die Thüre auf , und es sah im Feuer und Glanz die Dreieinigkeit sitzen , und rührte ein klein wenig mit dem Finger an den Glanz , da ward er ganz golden . Da ward ihm Angst , und es schlug die Thüre heftig zu , und lief fort . Die Angst wollt auch
nicht wieder weichen , es mochte anfangen was es wollte , und das Herz klopfte in einem fort und wollte nicht ruhig werden : auch das Gold blieb an dem Finger , und gieng nicht ab , es mochte waschen so viel es wollte .
Nach wenigen Tagen kam die Jungfrau Maria von ihrer Reise zurück , rief das Mädchen zu sich , und forderte ihm die Himmelsschlüssel wieder ab . Jndem es den Bund hinreichte , blickte es die Jungfrau an , und sprach ‘ hast du auch nicht die dreizehnte Thüre geöffnet ? ’ ‘ Nein ’ antwortete es . Da legte sie ihre Hand auf sein Herz , fühlte wie es klopfte und klopfte , und merkte wohl daß es ihr Gebot übertreten , und die Thüre aufgeschlossen hatte . Da sprach sie noch einmal ‘ hast du es gewiß nicht gethan ? ’ ‘ Nein ’ sagte das Mädchen zum zweitenmal . Da erblickte sie den Finger , der von der Berührung des himmlischen Feuers golden geworden war , und wußte nun gewiß daß es schuldig war , und sprach zum drittenmal ‘ hast du es nicht gethan ? ’ ‘ Nein ’ sagte das Mädchen zum drittenmal . Da sprach die Jungfrau Maria ‘ du hast mir nicht gehorcht , und hast gelogen , du bist nicht mehr würdig im Himmel zu seyn .’
Da versank das Mädchen in einen tiefen Schlaf , und als es erwachte , lag es unten auf der Erde , mitten in einer Wildnis . Es wollte rufen , aber es konnte keinen Laut hervorbringen : es sprang auf , und wollte fortlaufen , aber wo es sich hinwendete , überall ward es von dichtem Gebüsch zurück gehalten , das es nicht durchbrechen konnte . Jn dem Kreiß , in welchem es eingeschlossen
war , stand ein alter hohler Baum , der diente ihm als Wohnung . Darin schlief es Nachts , und wenn es stürmte und regnete , fand es darin Schutz . Wurzeln und Waldbeeren waren seine einzige Nahrung , die suchte es sich , so weit es kommen konnte . Jm Herbst sammelte es die Blätter des Baumes , und trug sie in die Höhle , und wenn es dann schneite und fror , barg es sich darin . Auch verdarben seine Kleider , und fielen ihm ab , da mußte es sich in die Blätter einhüllen . Sobald dann die Sonne wieder warm schien , gieng es heraus , und setzte sich vor den Baum , und seine langen Haare bedeckten es von allen Seiten wie ein Mantel . So saß es lange Zeit , und fühlte den Jammer und das Elend der Welt .
Einmal zur Frühlingszeit jagte der König des Landes in dem Wald , und verfolgte ein Wild , und weil es in das Gebüsch geflohen war , das den hohlen Banm umschloß , stieg er ab , riß es von einander , und hieb sich mit seinem Schwert einen Weg . Als er nun hindurchgedrungen war , sah er unter dem Baum ein wunderschönes Mädchen sitzen , das von seinem goldenen Haar bis zu den Fußzehen bedeckt war . Er betrachtete es voll Erstaunen , und sprach ‘ wie bist du in die Einöde gekommen ? ’ Es schwieg aber still , denn es konnte seinen Mund nicht aufthun . Der König sprach weiter ‘ willst du mit mir auf mein Schloß gehen ? ’ Da nickte es bloß ein wenig mit dem Kopf . Der König nahm es auf seinen Arm , trug es auf sein Pferd , und führte es heim , wo er ihm Kleider anziehen ließ , und ihm alles im Ueberfluß gab . Und ob es gleich nicht sprechen konnte ,
so war es doch so schön und lieblich , daß er es von Herzen lieb gewann , und sich mit ihm vermählte .
Als etwa ein Jahr verflossen war , brachte die Königin einen Sohn zur Welt . Darauf in der Nacht , wo sie allein in ihrem Bette lag , erschien ihr die Jungfrau Maria , und sprach ‘willst du nun die Wahrheit sagen , und gestehen daß du die verbotene Thür aufgeschlossen hast , so will ich deinen Mnnd öffnen , und dir die Sprache wieder geben : verharrst du aber in der Sünde , und leugnest hartnäckig , so nehm ich dein neugebornes Kind mit mir . ’ Da war der Königin verliehen zu antworten , aber sie sprach ‘ nein , ich habe die verbotene Thür nicht geöffnet ,’ und die Jungfrau Maria nahm das neugeborne Kind ihr aus dem Arme , und verschwand damit . Am andern Morgen , als das Kind nicht zu finden war , gieng ein Gemurmel unter den Leuten , die Königin wäre eine Menschenfresserin , und hätte ihr eigenes Kind umgebracht . Sie hörte alles , und konnte nichts dagegen sagen , der König aber hatte sie zu lieb als daß ers glauben wollte .
Nach einem Jahr gebar die Königin wieder einen Sohn , da trat in der Nacht auch wieder die Jungfrau Maria vor sie , und sprach ‘willst du nun gestehen daß du die verbotene Thüre geöffnet hast , so will ich dir dein Kind wiedergeben , und deinen Mund lösen : verharrst du aber in der Sünde , und leugnest , so nehme ich auch dieses neugeborne mit mir . ’ Da sprach die Königin wiederum ‘ nein , ich habe die verbotene Thüre nicht geöffnet ,’ und die Jungfrau nahm ihr das Kind aus den Armen
weg und mit sich in den Himmel . Am Morgen , als die Leute hörten daß das Kind abermals verschwunden sey , sagten sie laut die Königin hätte es gegessen , und des Königs Räthe verlangten daß sie sollte gerichtet werden . Der König aber hatte sie so lieb daß er es nicht glauben wollte , und befahl den Räthen bei Leibes- und Lebensstrafe nichts mehr darüber zu sprechen .
Jm dritten Jahre gebar die Königin ein schönes Töchterlein , da erschien ihr auch wieder Nachts die Jungfrau Maria , und sprach ‘ folge mir . ’ Und sie nahm sie bei der Hand , und führte sie in den Himmel , und zeigte ihr da ihre beiden ältesten Kinder , die lachten sie an , und spielten mit der Weltkugel . Und als sich die Königin darüber freuete , sprach die Jungfrau Maria ‘ willst du nun eingestehen daß du die verbotene Thür geöffnet hast , so will ich dir deine beiden Söhnlein zurück geben . ’ Die Königin antwortete zum drittenmal ‘ nein , ich habe die verbotene Thür nicht geöffnet . ’ Da ließ sie die Jungfrau wieder zur Erde hinabsinken , und nahm ihr auch das dritte Kind .
Am andern Morgen , als es ruchbar ward , riefen alle Leute laut ‘ die Königin ist eine Menschenfresserin , sie muß verurtheilt werden ! ’ und der König konnte seine Räthe nicht mehr zurückweisen . Es wurde ein Gericht über sie gehalten , und weil sie nicht antworten und sich nicht vertheidigen konnte , ward sie verurtheilt auf dem Scheiterhaufen zu sterben . Das Holz wurde zusammengetragen , und als sie nun an den Pfahl festgebunden war , und das Feuer rings umher zu brennen aufieng , da ward ihr Herz von Reue bewegt , und sie dachte ‘könnt ich vor meinem
Tode gestehen daß ich die Thüre geöffnet habe ’ und rief ‘ ja , Maria , ich habe es gethan ! ’ Und wie der Gedanke in ihr Herz kam , da fieng der Himmel an zu regnen , und löschte die Feuerflammen , und über ihr brach ein Licht hervor , und die Jungfrau Maria kam herab , und hatte die beiden Söhnlein zu ihren Seiten , das neu geborne Töchterlein auf dem Arm . Sie sprach freundlich zu ihr ‘ wer seine Sünde gesteht und bereut , dem ist sie vergeben ,’ und reichte ihr die Kinder , löste ihr den Mund , und gab ihr Glück für das ganze Leben .
4.
Märchen von einem , der auszog das Fürchten zu lernen .
E in Vater hatte zwei Söhne , davon war der älteste klug und gescheidt , und wußte sich in alles wohl zu schicken , der jüngste aber war dumm , konnte nichts begreifen und lernen : und wenn ihn die Leute sahen , sprachen sie ‘ mit dem wird der Vater noch seine Last haben ! ’ Wenn nun etwas zu thun war , so mußte es der älteste allzeit ausrichten : hieß ihn aber der Vater noch spät oder gar in der Nacht etwas holen , und der Weg gieng dabei über den Kirchhof oder sonst einen schaurigen Ort , so antwortete er wohl ‘ ach , Vater , es gruselt mir ! ’ denn er fürchtete sich . Oder , wenn Abends beim Feuer Geschichten erzählt wurden , wobei einem die Haut schaudert , so sprachen die Zuhörer manchmal ‘ach , es gruselt mir ! ’ Der jüngste saß in einer Ecke , und hörte das mit an , und konnte nicht begreifen was es heißen sollte . ‘Jmmer sagen sie es gruselt mir ! es gruselt mir ! mir gruselts nicht : das wird wohl eine Kunst seyn , von der ich auch nichts verstehe .’
Nun geschah es , daß der Vater einmal zu ihm sprach ‘hör du , in der Ecke dort , du wirst groß und stark , und mußt auch etwas lernen , womit du dein Brod verdienst . Siehst du , wie
sich dein Bruder Mühe giebt , aber an dir ist Hopfen und Malz verloren . ’ ‘ Ei , Vater ,’ antwortete er , ‘ ich will gerne was lernen ; ja , wenns angienge , so möchte ich lernen daß mirs gruselte ; davon verstehe ich noch gar nichts . ’ Der älteste lachte als er das hörte , und dachte bei sich ‘ du lieber Gott , was ist mein Bruder ein Dummbart , auf dem wird mein Lebtag nichts : was ein Häckchen werden will , muß sich bei Zeiten krümmen . ’ Der Vater seufzte , und antwortete ihm ‘ das Gruseln , das sollst du schon noch lernen , aber dein Brod wirst du damit nicht verdienen .’
Bald darnach kam der Küster zum Besuch ins Haus , da klagte ihm der Vater seine Noth , und erzählte wie sein jüngster Sohn in allen Dingen so schlecht beschlagen wäre , er wisse nichts und lerne nichts . ‘Denkt euch , als ich ihn fragte , womit er sein Brod verdienen wollte , hat er gar verlangt das Gruseln zu lernen ! ’ ‘ Wenns weiter nichts ist ,’ antwortete der Küster , ‘ das kann er bei mir lernen ; thut ihn nur zu mir , ich will ihn schon abhobeln . ’ Der Vater war es zufrieden , weil er dachte ‘ der Junge wird doch ein wenig zugestutzt . ’ Der Küster nahm ihn also ins Haus , und er mußte die Glocke läuten . Nach ein paar Tagen weckte er ihn um Mitternacht , hieß ihn aufstehen , in den Kirchthurm steigen , und läuten . ‘ Du sollst schon lernen was Gruseln ist’ , dachte er , gieng heimlich voraus , und als der Junge oben war , und sich umdrehte , und das Glockenseil faßen wollte , so sah er auf der Treppe , dem Schalloch gegenüber eine weiße Gestalt stehen . ‘ Wer da ? ’ rief er , aber die Gestalt gab keine Antwort , regte und bewegte sich nicht . ‘Gib Antwort ,’ rief der
Junge , ‘ oder mache daß du fort kommst , du hast hier in der Nacht nichts zu schaffen . ’ Der Küster aber blieb unbeweglich stehen , damit der Junge glauben sollte es wäre ein Gespenst . Der Junge rief zum zweitenmal ‘ was willst du hier ? sprich , wenn du ein ehrlicher Kerl bist , oder ich werfe dich der Treppe hinab . ’ Der Küster dachte ‘ das wird so schlimm nicht gemeint sein ,’ gab keinen Laut von sich , und stand als wenn er von Stein wäre . Da rief ihn der Junge zum drittenmal an , und als das auch vergeblich war , nahm er einen Anlauf , und stieß das Gespenst die Treppe hinab , daß es zehn Stufen hinab fiel und in einer Ecke liegen blieb . Darauf läutete er die Glocke , gieng heim , legte sich ohne ein Wort zu sagen , ins Bett , und schlief fort . Die Küsterfrau wartete lange Zeit auf ihren Mann , aber er wollte nicht wieder kommen . Da ward ihr endlich angst , sie weckte den Jungen und fragte ‘weißt du nicht , wo mein Mann geblieben ist ? er ist vor dir auf den Thurm gestiegen . ’ ‘Nein ,’ antwortete der Junge , ‘ aber da hat einer dem Schallloch gegenüber auf der Treppe gestanden , und weil er keine Antwort geben und auch nicht weggehen wollte , so habe ich ihn für einen Spitzbuben gehalten und hinunter gestoßen . Geht nur hin , so werdet Jhr sehen ob ers gewesen ist , es sollte mir leid thun . ’ Die Frau sprang fort und fand ihren Mann , der in einer Ecke lag und jammerte , und ein Bein gebrochen hatte .
Sie trug ihn herab , und eilte dann mit lautem Geschrei zu dem Vater des Jungen . ‘ Euer Junge ,’ rief sie , ‘ hat ein großes Unglück angerichtet , meinen Mann hat er die Treppe
hinab geworfen daß er ein Bein gebrochen hat : schafft den Taugenichts aus unserm Hause . ’ Der Vater erschrak , kam herbei gelaufen , und schalt den Jungen aus . ‘ Was sind das für gottlose Streiche , die muß dir der Böse eingegeben haben ’ ‘ Vater ’ , antwortete er , ‘ hört nur an , ich bin ganz unschuldig : er stand da in der Nacht , wie einer der böses im Sinne hat . Jch wußte nicht wers war , und habe ihn dreimal ermahnt zu reden oder wegzugehen . ’ ‘ Ach ,’ sprach der Vater , ‘ mit dir erleb ich nur Unglück , geh mir aus den Augen , ich will dich nicht mehr ansehen . ’ ‘ Ja , Vater , recht gerne , wartet nur bis Tag ist , da will ich ausgehen und das Gruseln lernen , so versteh ich doch auch eine Kunst , die mich ernähren kann . ’ ‘ Lerne was du willst ,’ sprach der Vater , ‘ mir ist alles einerlei . Da hast du funfzig Thaler , damit geh in die weite Welt , und sage keinem Menschen wo du her bist und wer dein Vater ist , denn ich muß mich deiner schämen . ’ ‘ Ja , Vater , wie ihrs haben wollt , wenn ihr nicht mehr verlangt , das kann ich leicht in Acht behalten .’
Als nun der Tag anbrach , steckte der Junge seine funfzig Thaler in die Tasche , gieng hinaus auf die große Landstraße , und sprach immer vor sich hin ‘ wenn mirs nur gruselte ! wenn mirs nur gruselte ! ’ Da gieng ein Mann neben ihm , der hörte das Gespräch mit an , und als sie ein Stück weiter waren , daß man den Galgen sehen konnte , sagte er zu dem Jungen ‘ siehst du , dort ist der Baum , wo siebene mit des Seilers Tochter Hochzeit gehalten haben , setz dich darunter , und warte bis die Nacht kommt , so wirst du schon das Gruseln lernen . ’ ‘ Wenn
weiter nichts dazu gehört ,’ antwortete der Junge , ‘ das will ich gerne thun ; lerne ich aber so geschwind das Gruseln , so sollst du meine funfzig Thaler haben : komm nur Morgen früh wieder zu mir . ’ Da gieng der Junge zu dem Galgen , und setzte sich darunter , und wartete bis der Abend kam . Und weil ihn fror , machte er sich ein Feuer an , aber um Mitternacht gieng der Wind so kalt , daß er trotz des Feuers nicht warm werden wollte . Und als der Wind die Gehenkten gegen einander stieß , das sie sich hin und her bewegten , da dachte er ‘ du frierst unten bei dem Feuer , was mögen die da oben erst frieren und zappeln . ’ Und weil er mitleidig war , legte er die Leiter an , stieg hinauf , knüpfte einen nach dem andern los , und holte sie alle siebene herab . Darauf schürte er das Feuer , und blies es an , und setzte sie rings herum , daß sie sich wärmen sollten . Aber sie saßen da , und regten sich nicht , und das Feuer ergriff ihre Kleider . Da sprach er ‘ nehmt euch in Acht , sonst häng ich euch wieder hinauf . ’ Die Todten aber hörten nicht , schwiegen , und ließen ihre Lumpen fort brennen . Da ward er bös , und sprach ‘ wenn ihr nicht Acht geben wollt , so kann ich euch nicht helfen , ich will nicht mit euch verbrennen , ’ und hieng sie nach der Reihe wieder hinauf . Nun setzte er sich zu seinem Feuer , und schlief ein , und am andern Morgen , da kam der Mann zu ihm , wollte die funfzig Thaler haben , und sprach ‘ nun , weißt du was gruseln ist ? ’ ‘Nein ,’ antwortete er , ‘ woher sollte ichs wissen ? die da droben haben das Maul nicht aufgethan , und waren so dumm , daß sie die paar alten Lappen , die sie am Leibe haben , brennen
ließen . ’ Da sah der Mann daß er die funfzig Thaler heute nicht davon tragen würde , gieng fort , und sprach ‘ so einer ist mir noch nicht vorgekommen .’
Der Junge gieng auch seines Weges , und fieng wieder an vor sich hin zu reden ‘ ach , wenn mirs nur gruselte ! ’ ‘ ach , wenn mirs nur gruselte ! ’ Das hörte ein Fuhrmann , der hinter ihm her schritt , und fragte ‘ wer bist du ? ’ ‘Jch weiß nicht’ antwortete der Junge . Der Fuhrmann fragte weiter ‘ wo bist du her ? ’ ‘Jch weiß nicht . ’ ‘ Wer ist dein Vater ? ’ ‘ Das darf ich nicht sagen . ’ ‘ Was brummst du beständig in den Bart hinein ? ’ ‘ Ei ,’ antwortete der Junge , ‘ ich wollte , daß mirs gruselte ; aber niemand kann mirs lehren . ’ ‘Laß dein dummes Geschwätz ,’ sprach der Fuhrmann , ‘ komm , geh mit mir , ich will sehen daß ich dich unterbringe . ’ Nun gieng der Junge mit dem Fuhrmann . Abends gelangten sie zu einem Wirthshaus , wo sie übernachten wollten , da sprach er beim Eintritt in die Stube wieder ganz laut ‘ wenn mirs nur gruselte ! wenn mirs nur gruselte ! ’ Der Wirth , der das hörte , lachte und sprach ‘ wenn dich danach lüstet , dazu sollte hier wohl Gelegenheit seyn . ’ ‘Ach schweig stille ,’ sprach die Wirthsfrau , ‘ so mancher Vorwitzige hat schon sein Leben eingebüßt , es wäre Jammer und Schade um die schönen Augen , wenn die das Tageslicht nicht wieder sehen sollten . ’ Der Junge aber sagte ‘ wenns noch so schwer wäre , ich wills einmal lernen , deshalb bin ich ja ausgezogen . ’ Er ließ dem Wirth auch keine Ruhe , bis dieser erzählte nicht weit davon stände ein verwünschtes Schloß , wo einer wohl lernen könnte , was gruseln
wäre , wenn er nur drei Nächte darin wachen wollte . Der König hätte dem , ders wagen wollte , seine Tochter zur Frau versprochen , und die wäre die schönste Jungfrau , welche die Sonne beschien : in dem Schlosse steckten auch grosse Schätze , von bößen Geistern bewacht , die würden dann frei , und könnten einen Armen reich genug machen . Schon viele wären wohl hinein aber noch keiner wieder heraus gekommen . Da gieng der Junge am andern Morgen vor den König , und sprach ‘ wenns erlaubt wäre , so wollte ich wohl drei Nächte in dem verwünschten Schloß wachen .’ Der König sah ihn an , und weil er ihm gefiel , sprach er ‘ du darfst dir noch dreierlei ausbitten , aber von leblosen Dingen , das du mit ins Schloß nimmst . ’ Da antwortete er ‘ so bitt ich um ein Feuer , eine Drehbank und eine Schnitzbank mit dem Messer .’
Der König ließ ihm das alles bei Tag in das Schloß tragen . Als es Nacht werden wollte , gieng der Junge hinauf , machte sich in einer Kammer ein helles Feuer an , stellte die Schnitzbank mit dem Messer daneben , und setzte sich auf die Drehbank . ‘ Ach , wenn mirs nur gruselte ! ’ sprach er , ‘ aber hier werd ichs auch nicht lernen . ’ Gegen Mitternacht wollte er sich sein Feuer einmal aufschürren , wie er so hinein blies , da schries plötzlich aus einer Ecke ‘ au , miau ! was uns friert ! ’ ‘Jhr Narren ,’ rief er , ‘ was schreit ihr ? wenn euch friert , kommt , setzt euch ans Feuer , und wärmt euch . ’ Und wie er das gesagt hatte , kamen zwei große schwarze Katzen in einem gewaltigen Sprunge herbei , und setzten sich ihm zu beiden Seiten , und sahen ihn mit
ihren feurigen Augen ganz wild an . Ueber ein Weilchen , als sie sich gewärmt hatten , sprachen sie ‘Kamerad , wollen wir eins in der Karte spielen ? ’ ‘ Ja ,’ antwortete er , ‘ aber zeigt einmal eure Pfoten her . ’ Da streckten sie die Krallen aus . ‘ Ei ,’ sagte er , ‘ was habt ihr lange Nägel ! wartet , die muß ich euch erst abschneiden . ’ Damit packte er sie beim Kragen , hob sie auf die Schnitzbank , und schraubte ihnen die Pfoten fest . ‘ Euch habe ich auf die Finger gesehen ,’ sprach er , ‘ da vergeht mir die Lust zum Kartenspiel ;’ und schlug sie todt , und warf sie hinaus ins Wasser . Als er aber die zwei zur Ruhe gebracht hatte , und sich wieder zu seinem Feuer setzen wollte , da kamen aus allen Ecken und Enden schwarze Katzen und schwarze Hunde an glühenden Ketten , immer mehr und mehr , daß er sich nicht mehr bergen konnte : die schrien gräulich , traten ihm auf sein Feuer , zerrten es auseinander , und wollten es ausmachen . Das sah er ein Weilchen ruhig mit an , als es ihm aber zu arg ward faßte er sein Schnitzmesser , ‘ du Gesindel , fort mit dir ,’ rief er , und hieb hinein . Ein großer Theil sprang fort , die andern schlug er todt , und warf sie hinaus in den Teich . Als er wieder gekommen war , blies er aus den Funken sein Feuer frisch an , und wärmte sich . Und als er so saß , wollten ihm die Augen nicht länger offen bleiben , und er bekam Lust zu schlafen . Da blickte er um sich , und sah in der Ecke ein großes Bett , gieng und legte sich hinein . Als er aber die Augen eben zuthun wollte , so fieng das Bett von selbst an zu fahren , und fuhr im ganzen Schloß herum . ‘Recht so ,’ sprach er , ‘ nur besser zu . ’ Da fieng das
Bett an zu fahren , als wären sechs Pferde vorgespannt , fort über Schwellen und Treppen auf und ab : hopp hopp ! warf es um , das unterste zu oberst , daß er ganz zugedeckt war . Aber er schleuderte Decken und Kissen in die Höhe , stieg heraus und sagte ‘ nun mag fahren wer Lust hat ,’ legte sich an sein Feuer , und schlief bis es Tag war . Am Morgen kam der König , und als er ihn da auf der Erde liegen sah , meinte er die Gespenster hätten ihn umgebracht , und er wäre todt . Da sprach er ‘ es ist doch schade um den schönen Menschen . ’ Das hörte der Junge , richtete sich auf , und sprach ‘ so weit ists noch nicht ! ’ Da verwunderte sich der König , freute sich aber , und fragte wie es ihm gegangen wäre . ‘Recht gut ,’ antwortete er , ‘ eine Nacht wäre herum , die zwei andern werden auch herum gehen . ’ Als er nun zum Wirth kam , machte der große Augen , und sprach ‘ ich dachte nicht , daß ich dich wieder lebendig sehen würde ; hast du nun gelernt , was Gruseln ist ? ’ ‘Nein ,’ sagte er , ‘ ich weiß es nicht , wenn mirs nur einer sagen könnte !’
Die zweite Nacht gieng er wieder hinauf ins alte Schloß , setzte sich zum Feuer , und fieng sein altes Lied wieder an ‘ wenn mirs nur gruselte ! ’ Wie Mitternacht herankam , ließ sich ein Lärm und Gepolter hören , erst sachte , dann immer stärker , dann wars ein bischen still , endlich kam mit lautem Geschrei ein halber Mensch den Schornstein herab , und fiel vor ihn hin . ‘Heda ! ’ rief er , ‘ noch ein halber gehört dazu , das ist zu wenig . ’ Da gieng der Lärm von frischem an , es tobte und heulte , und fiel die andere Hälfte auch herab . ‘Wart ,’ sprach er , ‘ ich will dir
erst das Feuer ein wenig anblasen . ’ Wie er das gethan hatte , und sich wieder umsah , da waren die beiden Stücke zusammen gefahren , und saß da ein gräulicher Mann auf seinem Platz . ‘ So ists nicht gemeint ,’ sprach der Junge , ‘ die Bank ist mein . ’ Der Mann wollte ihn wegdrängen , aber der Junge ließ sichs nicht gefallen , schob ihn mit Gewalt weg , und setzte sich wieder auf seinen Platz . Da fielen noch mehr Männer herab , die hatten neun Todtenbeine und zwei Todtenköpfe , setzten auf , und spielten Kegel . Der Junge bekam auch Lust , und fragte ‘hört ihr , kann ich mit seyn ? ’ ‘ Ja , wenn du Geld hast . ’ ‘Geld genug ,’ antwortete er , aber eure Kugeln sind nicht recht rund . Da nahm er sie , setzte sie in die Drehbank , und drehte sie rund . ‘ So , jetzt werden sie besser schüppeln ,’ sprach er , ‘heida ! nun gehts lustig ! ’ Er spielte mit , und verlor etwas von seinem Geld , als es aber zwölf Uhr schlug , war alles vor seinen Augen verschwunden , und er legte sich nieder , und schlief ruhig ein . Am andern Morgen kam der König und wollte sich erkundigen : ‘ wie ist dirs diesmal gegangen ? ’ fragte er . ‘ Jch habe gekegelt ,’ antwortete er , ‘ und ein paar Heller verloren . ’ ‘ Hat dir denn nicht gegruselt ? ’ ‘ Ei was ,’ sprach er , ‘ lustig hab ich mich gemacht . Wenn ich nur wüßte was Gruseln wäre !’
Jn der dritten Nacht setzte er sich wieder auf seine Bank , und sprach ganz verdrießlich ‘ wenn es mir nur gruselte ! ’ Als es spät ward , kamen sechs große Männer , und brachten eine Todtenlade hereingetragen . Da sprach er ‘ ha ha , das ist gewiß mein Vetterchen , das erst vor ein paar Tagen gestorben ist ,’
winkte mit dem Finger , und rief ‘ komm , Vetterchen , komm ! ’ Sie stellten den Sarg auf die Erde , er aber gieng hinzu , und nahm den Deckel ab , da lag ein todter Mann darinn : er fühlte ihm ans Gesicht , aber es war kalt wie Eis . ‘Wart ,’ sprach er , ‘ ich will dich ein bischen wärmen ,’ gieng ans Feuer , wärmte seine Hand , und legte sie ihm aufs Gesicht , aber der Todte blieb kalt . Nun nahm er ihn heraus , setzte sich ans Feuer , und legte ihn auf seinen Schooß , und rieb ihm die Arme , damit das Blut wieder in Bewegung kommen sollte . Als auch das nichts helfen wollte , fiel ihm ein ‘ wenn zwei zusammen im Bett liegen , so wärmen sie sich ,’ brachte ihn ins Bett , deckte ihn zu , und legte sich neben ihn . Ueber ein Weilchen ward auch der Todte warm , und fieng an sich zu regen . Da sprach der Junge ‘siehst du , Vetterchen , hätt ich dich nicht gewärmt ! ’ Der Todte aber hub an und rief ‘ jetzt will ich dich erwürgen . ’ ‘ Was ,’ sagte er , ‘ ist das mein Dank ? nun sollst du wieder in deinen Sarg ,’ hub ihn auf , warf ihn hinein , und machte den Deckel zu ; da kamen die sechs Männer , und trugen ihn wieder fort . ‘ Es will mir nicht gruseln ,’ sagte er , ‘ hier lerne ichs mein Lebtag nicht .’
Da trat ein Mann herein , der war größer als alle andere , und sah fürchterlich aus , er war aber alt , und hatte einen langen weißen Bart . ‘ O du Wicht ,’ rief er , ‘ nun sollst du bald lernen was Gruseln ist , denn du sollst sterben . ’ ‘ Nicht so schnell ,’ antwortete er , ‘ soll ich sterben , so muß ich auch dabei seyn . ’ ‘ Dich will ich schon packen ’ sprach der Unhold . ‘Sachte , mach dich nicht gar zu breit : so stark wie du bin ich auch , und wohl
noch stärker . ’ ‘ Das will ich sehn ,’ sprach der Alte , ‘ bist du stärker als ich , so will ich dich lassen ; komm , wir wollens versuchen . ’ Da führte er ihn durch dunkle Gänge zu einem Schmiedefeuer , und nahm eine Axt , und schlug den einen Amboß mit einem Schlag in die Erde . ‘ Das kann ich noch besser ’ sprach der Junge , und gieng zu dem andern Amboß , und der Alte stellte sich neben hin , und wollte zusehen , und sein weißer Bart hieng herab . Da faßte der Junge die Axt , und zerspaltete den Amboß auf einen Hieb , und klemmte den Bart mit hinein . ‘Nun hab ich dich ,’ sprach der Junge , ‘ jetzt ist das Sterben an dir . ’ Dann faßte er eine Eisenstange , und schlug auf ihn los , bis der Alte wimmerte und bat er möchte aufhören , er wollte ihm große Reichthümer geben . Der Junge zog die Axt raus , und ließ den Alten los , der führte ihn wieder ins Schloß zurück , und zeigte ihm in einem Keller drei Kasten voll Gold . ‘Davon ,’ sprach er , ‘ ist ein Theil den Armen , der andere dem König , der dritte dein . ’ Jndem schlug es zwölfe , und der Geist verschwand , also daß der Junge im finstern stand . ‘ Jch werde mir doch heraushelfen können ’ sprach er , tappte herum , suchte den Weg in die Kammer , und schlief bei seinem Feuer ein . Am andern Morgen kam der König und sagte ‘ nun wirst du gelernt haben was Gruseln ist ? ’ ‘Nein ,’ antwortete er , ‘ was ists nur ? mein todter Vetter war da , und ein bärtiger Mann ist gekommen , der hat mir da unten viel Geld gezeigt , aber was Gruseln ist hat mir keiner gesagt . Da sprach der König ‘ du hast das Schloß erlöst , und sollst meine Tochter heirathen . ’ ‘ Das ist all recht
gut ,’ antwortete er , ‘ aber ich weiß immer noch nicht was Gruseln ist .’
Da ward das Gold gehoben , und die Hochzeit gefeiert , aber der junge König , so lieb er seine Gemahlin hatte , und so vergnügt er war , sagte doch immer ‘ wenn mir nur gruselte , wenn mir nur gruselte . ’ Das verdroß sie endlich . Jhr Kammermädchen sprach ‘ ich will Hülfe schaffen , das Gruseln soll er schon noch lernen . ’ Und gieng hinaus , und ließ sich einen ganzen Eimer voll Gründlinge holen . Und Nachts als der junge König schlief , mußte seine Gemahlin ihm die Decke wegziehen , und den Eimer voll kalt Wasser mit den Gründlingen über ihn herschütten , daß die kleinen Fische um ihn herum zappelten . Da wachte er auf und rief ‘ ach was gruselt mir , was gruselt mir , liebe Frau ! Ja , nun weiß ich was Gruseln ist .’
5.
Der Wolf und die sieben jungen Geislein .
E ine Geis hatte sieben junge Geislein , die sie mütterlich liebte , und sorgfältig vor dem Wolf hütete . Eines Tags , als sie ausgehen mußte , Futter zu holen , rief sie alle zusammen und sagte ‘liebe Kinder , ich muß ausgehen und Futter holen , seyd auf eurer Hut und laßt den Wolf nicht herein ; er verstellt sich , aber an seiner rauhen Stimme und an seinen schwarzen Pfoten könnt ihr ihn erkennen : ist er erst einmal im Hause , so frißt er euch alle mit Haut und Haar . ’ Nicht lange darauf , als sie weggegangen war , kam auch schon der Wolf vor die Hausthüre , und rief mit seiner rauhen Stimme ‘liebe Kinder , macht auf , ich bin eure Mutter , und hab euch schöne Sachen mitgebracht . ’ Die sieben Geiserchen aber sprachen ‘unsere Mutter bist du nicht , die hat eine feine liebliche Simme Stimme , deine Stimme aber ist rauh : du bist der Wolf , und wir machen dir nicht auf . ’ Der Wolf aber besann sich auf eine List , gieng fort zu einem Krämer , und kaufte sich ein groß Stück Kreide , die aß er , und machte seine Stimme fein damit . Darnach gieng er wieder zu der sieben Geislein Hausthüre , und rief mit feiner Stimme ‘liebe Kinder , laßt mich ein , ich bin eure Mutter : jedes von euch soll etwas
haben . ’ Er hatte aber seine Pfote in das Fenster gelegt , das sahen die sieben Geiserchen , und sprachen ‘unsere Mutter bist du nicht , die hat keinen schwarzen Fuß , wie du : du bist der Wolf , und wir machen dir nicht auf . ’ Der Wolf lief zu einem Bäcker , und sprach ‘Bäcker , bestreich mir meine Pfote mit frischem Teig ,’ und als der Bäcker das gethan hatte , gieng er zum Müller , und sprach ‘Müller , streu mir feines weißes Mehl auf meine Pfote . ’ Der Müller wollte nicht . ‘ Wenn du es nicht thust ,’ sprach der Wolf , ‘ so freß ich dich . ’ Da that es der Müller , denn er fürchtete sich .
Nun gieng der Wolf wieder vor der sieben Geiserchen Hausthüre , und sagte ‘liebe Kinder , laßt mich ein , ich bin eure Mutter : jedes von euch soll etwas geschenkt kriegen . ’ Die sieben Geiserchen wollten erst die Pfote sehen , und wie sie sahen daß sie schneeweiß war , und hörten wie fein die Stimme des Wolfes klang , so glaubten sie es wäre ihre Mutter , und machten die Thür auf , und ließen den Wolf herein . Wie sie aber sahen wer es war , da erschracken sie , und versteckten sich geschwind so gut es gieng : das eine unter den Tisch , das zweite ins Bett , das dritte in den Ofen , das vierte in die Küche , das fünfte in den Schrank , das sechste unter eine große Schüssel , das siebente in die Wanduhr . Aber der Wolf fand sie alle , und verschluckte sie , außer das jüngste in der Wanduhr , das blieb am Leben . Als er seine Lust gebüßt hatte , trollte er sich wieder fort .
Bald darauf kam die Mutter nach Haus . Was mußte sie sehen ! die Hausthür stand offen : Tisch , Stuhl und Bänke waren
umgeworfen ; die Schüsseln in der Küche waren zerbrochen ; Decke und Kissen aus dem Bett gezogen : das war ein Jammer ! ‘ Ach ,’ rief sie , ‘ der Wolf ist da gewesen und hat meine lieben Kinder gefressen , meine sieben Geiserchen sind todt ! ’ und fieng an bitterlich zu weinen . Da sprang das jüngste aus der Wanduhr , und rief ‘ eins lebt noch , liebe Mutter ,’ und erzählte ihr wie das Unglück gekommen war .
Der Wolf aber , war von der starken Mahlzeit ganz satt und müde geworden , hatte sich draußen auf eine grüne Wiese in den Sonnenschein gelegt , und war eingeschlafen . Die alte Geis aber , die klug und listig war , dachte hin und her wie sie ihre Kinder wohl retten könnte . Endlich kam ihr ein guter Einfall , ‘nimm Zwirn , Nadel und Scheere’ , sagte sie zu dem jüngsten Geislein , ‘ und folge mir . ’ Nun giengen sie beide hinaus , und fanden den Wolf , wie er in tiefem Schlafe auf der Wiese lag . ‘ Da liegt das Ungethüm und schnarcht ’ sagte die Mutter , und betrachtete ihn von allen Seiten , ‘ zum Abendbrot hat er meine sechs Kindlein hinuntergewürgt , und hat nicht weiter laufen können , und sich da hingestreckt ! geschwind gieb die Scheere her , vielleicht sind sie noch am Leben , ich will ihm den Bauch aufschneiden . ’ Damit ritzte sie dem Wolf den Bauch auf , und die sechs Geiserchen , die er in der Gier und Hast ganz verschluckt hatte , als sie Luft bekamen , sprangen heraus , hatten keinen Schaden genommen , und freuten sich daß sie aus dem dunkeln Gefängnis erlöst waren . Sie herzten ihre Mutter , aber sie sprach ‘ geht , und tragt große und schwere
Wackersteine herbei . ’ Damit mußten sie dem Wolf den Leib anfüllen , und die Alte nähte ihn so geschwind wieder zu , daß er nichts merkte , und sich nicht einmal in seinem Schlafe regte . Darnach sprangen sie alle davon , und versteckten sich hinter eine Hecke .
Als der Wolf ausgeschlafen hatte , so fühlte er daß es ihm so schwer im Leibe war . ‘ Es rumpelt und pumpen mir im Leibe herum ,’ sprach er , ‘ und habe doch nur sechs Geiserchen gegessen . ’ Da dachte er ein frischer Trunk würde ihm helfen , machte sich in die Höhe , und suchte einen Brunnen . Wie er sich aber über das Wasser bückte , und trinken wollte , konnte er sich vor der Schwere der Steine nicht mehr halten , stürzte hinab und ertrank . Wie das die sieben Geiserchen sahen , kamen sie herzu gelaufen , riefen ‘ der Wolf ist todt ! der Wolf ist todt ! ’ und tanzten vor Freude um den Brunnen .
6.
Der treue Johannes .
E s war einmal ein alter König , der war krank , und dachte ‘ es wird wohl das Todtenbett seyn , darauf ich liege ;’ da sprach er ‘ laßt mir den getreuen Johannes kommen .’ Der getreue Johannes war aber sein liebster Diener , und hieß so , weil er ihm sein Lebelang so treu gewesen war . Als er nun vor das Bett kam , sprach der König zu ihm ‘ getreuester Johannes , ich fühle daß mein Ende heran naht , und da hab ich keine andere Sorge als um meinen Sohn : er ist noch in jungen Jahren , wo er sich nicht immer zu rathen weiß , und wenn du mir nicht versprichst ihn zu unterrichten in allem , was er wissen muß , und sein Pflegevater zu seyn , so kann ich meine Augen nicht in Ruhe zuthun . ’ Da antwortete der getreue Johannes ‘ ich will ihn nicht verlassen , und will ihm mit Treue dienen , wenns auch mein Leben kostet . ’ Da sagte der alte König ‘ so sterb ich getrost und in Frieden . ’ Und sprach dann weiter ‘ nach meinem Tode sollst du ihm das ganze Schloß zeigen , alle Kammern , Säle und Gewölbe , und alle Schätze , die darin liegen : aber eine Kammer sollst du ihm nicht zeigen , die , worin das Bild von der Königstochter vom goldenen Dache verborgen steht : denn wenn er sie erblickt , wird er eine heftige Liebe zu
ihr empfinden , und wird in Ohnmacht niederfallen , und wird ihretwillen in große Gefahren gerathen ; davor sollst du ihn hüten . ’ Und als der treue Johannes nochmals dem alten König die Hand darauf gegeben hatte , ward dieser still , legte sein Haupt auf das Kissen , und starb .
Als der alte König nun zu Grabe getragen war , da erzählte der treue Johannes dem jungen König was er seinem Vater auf dem Sterbelager versprochen hatte , und sagte ‘ das will ich gewißlich halten , und will dir treu seyn , wie ich ihm gewesen bin , und sollte es mein Leben kosten . ’ Die Trauer gieng vorüber , da sprach der treue Johannes zu ihm ‘ es ist nun Zeit , daß du dein Erbe siehst : ich will dir dein väterliches Schloß zeigen . ’ Da führte er ihn überall herum , auf und ab , und ließ ihn alle die Reichthümer und prächtigen Kammern sehen : nur die eine Kammer öffnete er nicht , worin das gefährliche Bild stand . Das Bild war aber so gestellt , daß , wenn die Thüre aufgieng , man gerade darauf sah , und war so herrlich gemacht , daß man meinte es leibte und lebte , und es gäbe nichts lieblicheres und schöneres auf der ganzen Welt . Der junge König aber merkte wohl daß der getreue Johannes immer an einer Thür vorübergieng , und sprach ‘ warum schließest du mir diese eine nicht auf ? ’ ‘ Es ist etwas darin ,’ antwortete er , ‘ vor dem du erschrickst . ’ Aber der König antwortete ‘ ich habe das ganze Schloß gesehen , so will ich auch wissen was darin ist , ’ und gieng , und wollte die Thüre mit Gewalt öffnen . Da hielt ihn der getreue Johannes zurück , und sagte ‘ ich habe es deinem
Vater vor seinem Tode versprochen , daß du nicht sehen sollst was in der Kammer steht : es könnte dir und mir zu großem Unglück ausschlagen . ’ ‘Nein ,’ antwortete der junge König , ‘ mein Unglück ist , wann ich nicht hineinkomme , ich würde Tag und Nacht keine Ruhe haben , bis ichs mit meinen Augen gesehen hätte ; nun gehe ich nicht von der Stelle bis du aufgeschlossen hast .’
Da sah der getreue Johannes daß es nicht mehr zu ändern war , und suchte mit schwerem Herzen und vielem Seufzen aus dem großen Bund den Schlüssel heraus . Darnach öffnete er die Thür der Kammer , und trat zuerst hinein , und dachte der König sollte das Bildnis vor ihm nicht sehen : aber der König war zu neugierig , stellte sich auf die Fußspitzen , und sah ihm über die Schulter . Und als er das Bildnis der Jungfrau erblickte , das so herrlich war und von Gold glänzte , da fiel er alsbald ohnmächtig auf die Erde nieder . Der getreue Johannes hob ihn auf , und trug ihn in sein Bett , und dachte voll Sorgen ‘ das Unglück ist geschehen , Herr Gott , was will daraus werden ! ’ dann stärkte er ihn mit Wein , bis er wieder zu sich selbst kam ; das erste aber , das er sprach , war ‘ ach ! wer ist das schöne Bild ? ’ ‘ Das ist die Königstochter vom goldnen Dache ’ antwortete der treue Johannes . Da sprach der König weiter ‘ meine Liebe zu ihr ist so groß , wenn alle Blätter an den Bäumen Zungen wären , sie könntens nicht aussagen ; mein Leben setze ich daran , sie zu erlangen ; du bist mein getreuster Johannes , du mußt mir beistehen .’
Der treue Diener sann lange nach wie es anzufangen wäre , denn es hielt schwer , nur vor das Angesicht der Königstochter kommen . Endlich hatte er ein Mittel ausgedacht , und sprach zu dem König ‘ alles , was sie um sich hat , ist von Gold : Tische , Stühle , Schüsseln , Becher , Näpfe , und alles Hausgeräth : in deinem Schatze liegen fünf Tonnen Goldes , davon laß eine von den Goldschmieden des Reichs verarbeiten zu allerhand Gefäßen und Geräthschaften , zu allerhand Vögeln , Gewild und wunderbaren Thieren , damit wollen wir hinfahren und unser Glück versuchen .’ Der König ließ alle Goldschmiede zusammen kommen : sie arbeiteten Tag und Nacht , bis endlich die herrlichsten Dinge fertig waren . Nun ließ der getreue Johannes alles auf ein Schiff laden , und zog Kaufmannskleider an , und der König mußte ein gleiches thun , so daß er unkenntlich war ; dann fuhren sie über das Meer , und fuhren lange bis sie zu der Stadt kamen , worin die Königstochter vom goldnen Dache wohnte .
Der treue Johannes hieß den König auf dem Schiffe zurückbleiben , und auf ihn warten . ‘Vielleicht ,’ sprach er , ‘ bring ich die Königstochter mit , darum sorgt daß alles in Ordnung ist , laßt die Goldgefäße aufstellen , und das ganze Schiff ausschmücken . ’ Darauf suchte er sich in sein Schürzchen allerlei von den Goldsachen zusammen , stieg ans Land , und gieng gerade nach dem königlichen Schloß . Und als er in den Schloßhof kam , stand da beim Brunnen ein schönes Mädchen , das hatte zwei goldene Eimer in der Hand , und schöpfte damit . Und als
es das goldblinkende Wasser forttragen wollte , und sich umdrehte , sah es den fremden Mann , und fragte ihn wer er wäre ? Da antwortete er ‘ ich bin ein Kaufmann ,’ und öffnete sein Schürzchen , und ließ sie hineinschauen . Da rief sie ‘ei , was für schönes Goldzeug ! ’ setzte die Eimer nieder , und betrachtete eins nach dem andern . Da sprach das Mädchen ‘ das muß die Königstochter sehen , die hat so große Freude an den Goldsachen , daß sie euch alles abkauft . ’ Es nahm ihn bei der Hand , und führte ihn hinauf , denn es war die Kammerjungfer . Als die Königstochter die Waare sah , war sie ganz vergnügt , und sprach ‘ es ist so schön gearbeitet , daß ich dir alles abkaufen will . ’ Aber der getreue Johannes sprach ‘ ich bin nur der Diener von einem reichen Kaufmann , was ich hier habe ist nichts gegen das , was mein Herr auf seinem Schiff stehen hat , und das ist das künstlichste und köstlichste , was je in Gold ist gebildet worden .’ Sie wollte alles herauf gebracht haben , aber er sprach ‘ dazu gehören viele Tage , so groß ist die Menge , und so viel Säle um es aufzustellen , daß euer Haus nicht Raum dafür hat . ’ Da ward ihre Neugierde und Lust immer mehr angeregt , so daß sie endlich sagte ‘ führe mich hin zu dem Schiff , ich will selbst hingehen und deines Herrn Schätze betrachten .’
Da führte sie der getreue Johannes zu dem Schiffe hin , und war ganz freudig , und der König , als er sie erblickte , sah daß ihre Schönheit noch größer war , als das Bild sie dargestellt hatte , und meinte nicht anders als das Herz wollte ihm zerspringen . Nun stieg sie in das Schiff , und der König führte sie hinein ;
der getreue Johannes aber blieb zurück bei dem Steuermann , und hieß das Schiff abstoßen , ‘ spannt alle Segel auf , daß es fliegt wie ein Vogel in der Luft . ’ Der König aber zeigte ihr drinnen das goldene Geschirr , jedes einzeln , die Schüsseln , Becher , Näpfe , die Vögel , das Gewild und die wunderbaren Thiere . Viele Stunden giengen herum , während sie alles besah , und in ihrer Freude merkte sie nicht daß das Schiff dahin fuhr . Nachdem sie das letzte betrachtet hatte , dankte sie dem Kaufmann , und wollte heim : aber als sie an des Schiffes Rand kam , sah sie daß es fern vom Land auf hohem Meere gieng , und mit vollen Segeln forteilte . ‘ Ach ,’ rief sie erschrocken , ‘ ich bin betrogen , ich bin entführt und in die Gewalt eines Kaufmanns gerathen ; lieber wollt ich sterben ! ’ Der König aber faßte sie bei der Hand und sprach ‘ ein Kaufmann bin ich nicht , ich bin ein König und nicht geringer an Geburt , als du bist : aber daß ich dich mit List entführt habe , das ist auf übergroßer Liebe geschehen . Das erstemal , als ich dein Bildnis gesehen habe , bin ich ohnmächtig zur Erde gefallen . ’ Als die Königstochter vom goldenen Dache das hörte , ward sie getröstet , und ihr Herz ward ihm geneigt , so daß sie gerne einwilligte seine Gemahlin zu werden .
Es trug sich aber zu , während sie auf dem hohen Meere dahin fuhren , daß der getreue Johannes , als er vornen auf dem Schiffe saß und Musik machte , in der Luft drei Raben erblickte , die daher geflogen kamen . Da hörte er auf zu spielen , und horchte was sie mit einander sprachen , denn er verstand
das wohl . Die eine rief ‘ei , da führt er die Königstochter vom goldenen Dache heim . ’ ‘ Ja ’ antwortete die zweite , ‘er hat sie noch nicht . ’ Sprach die dritte ‘er hat sie doch , sie sitzt bei ihm im Schiffe . ’ Da fieng die erste wieder an und rief ‘ was hilft ihm das ! wenn sie ans Land kommen , wird ihm ein fuchsrothes Pferd entgegen springen : da wird er sich aufschwingen wollen , und thut er das , so sprengt es mit ihm fort und in die Luft hinein , daß er nimmer mehr seine Jungfrau wieder sieht . ’ Sprach die zweite ‘ ist gar keine Rettung ? ’ ‘ O ja , wenn ein anderer schnell aufsitzt , das Feuergewehr , das in den Halftern stecken muß , heraus nimmt und das Pferd damit todt schießt , so ist der junge König gerettet . Aber wer weiß das ! und wers weiß und sagts ihm , der wird zu Stein von den Fußzehen bis zum Knie . ’ Da sprach die zweite ‘ ich weiß noch mehr , wenn das Pferd auch getödtet wird , so behält der junge König doch nicht seine Braut : wenn sie zusammen ins Schloß kommen , so liegt dort ein gemachtes Brauthemd in einer Schüssel , und sieht aus als wärs von Gold und Silber gewebt , ist doch nichts als Schwefel und Pech : wenn ers anthut , verbrennt es ihn bis auf Mark und Knochen . ’ Sprach die dritte ‘ ist da gar keine Rettung ? ’ ‘ O ja ,’ antwortete die zweite , ‘ wenn einer mit Handschuhen das Hemd packt , und wirft es ins Feuer , daß es verbrennt , so ist der junge König gerettet . Aber was hilfts ! wers weiß und es ihm sagt , der wird halbes Leibes Stein vom Knie bis zum Herzen . ’ Da sprach die dritte ‘ ich weiß noch mehr , wird das Brauthemd auch verbrannt , so hat der junge König
seine Braut doch noch nicht : wenn nach der Hochzeit der Tanz anhebt , und die junge Königin tanzt , wird sie plötzlich erbleichen und wie todt hinfallen : und hebt sie nicht einer auf , und zieht aus ihrer rechten Brust drei Tropfen Blut , und speit sie wieder aus , so stirbt sie . Aber verräth das einer , der es weiß , so wird er ganzes Leibes zu Stein vom Wirbel bis zur Fußzehe . ’ Als die Raben das mit einander gesprochen hatten , flogen sie weiter , und der getreue Johannes hatte alles wohl verstanden , aber von der Zeit an war er still und traurig ; denn verschwieg er seinem Herrn , was er gehört hatte , so war dieser unglücklich , entdeckte er es ihm , so mußte er selbst sein Leben hingeben . Endlich aber sprach er bei sich ‘ meinen Herrn will ich retten , und sollt ich selbst darüber zu Grunde gehen .’
Als sie nun ans Land kamen , da geschah es , wie die Rabe vorher gesagt hatte , und es sprengte ein prächtiger fuchsrother Gaul daher . ‘Wohlan ,’ sprach der König , ‘ der soll mich in mein Schloß tragen ,’ und wollte sich aufsetzen , doch der treue Johannes kam ihm zuvor , schwang sich schnell darauf , zog das Gewehr aus den Halftern , und schoß ihn nieder . Da riefen die andern Diener des Königs , die dem treuen Johannes doch nicht gut waren , ‘ wie schändlich , das schöne Thier zu tödten , das den König in sein Schloß tragen sollte ! ’ Aber der König sprach ‘schweigt und laßt ihn gehen , es ist mein getreuester Johannes , wer weiß wozu das gut ist ! ’ Nun giengen sie ins Schloß , und da stand im Saal eine Schüssel , und das gemachte Brauthemd lag darin und sah aus nicht anders als wär es von Gold und
Silber . Der junge König gieng darauf zu , und wollte es ergreifen , aber der treue Johannes schob ihn weg , packte es mit Handschuhen an , trug es schnell ins Feuer und ließ es verbrennen . Die anderen Diener fiengen wieder an zu murren , und sagten ‘ seht , nun verbrennt er gar des Königs Brauthemd .’ Aber der junge König sprach ‘ wer weiß wozu es gut ist , laßt ihn gehen , es ist mein getreuester Johannes . ’ Nun ward die Hochzeit gefeiert : der Tanz hub an , und die Braut trat auch hinein , da hatte der treue Johannes Acht , und schaute ihr ins Antlitz ; auf einmal erbleichte sie und fiel wie todt zur Erde . Da sprang er eilends hinzu , hob sie auf und trug sie in eine Kammer , da legte er sie nieder , kniete und sog die drei Blutstropfen aus ihrer rechten Brust , und speite sie aus . Alsbald athmete sie wieder und erholte sich , aber der junge König hatte es mit angesehen , und wußte nicht warum es der getreue Johannes gethan hatte , ward zornig darüber , und rief ‘ werft ihn ins Gefängnis .’ Am andern Morgen ward der getreue Johannes verurtheilt und zum Galgen geführt , und als er oben stand und gerichtet werden sollte , sprach er ‘ jeder der sterben soll , darf vor seinem Ende noch einmal reden , soll ich das Recht auch haben ? ’ ‘ Ja ,’ antwortete der König , ‘ es soll dir vergönnt seyn . ’ Da sprach der treue Johannes ‘Jch bin mit Unrecht verurtheilt und bin dir immer treu gewesen ,’ und erzählte wie er auf dem Meer das Gespräch der Raben gehört habe , und wie er , um seinen Herrn zu retten , das alles habe thun müssen . Da rief der König ‘o mein getreuester Johannes , Gnade ! Gnade !
führt ihn herunter . ’ Aber der treue Johannes war bei dem letzten Wort , das er geredet hatte , leblos herabgefallen , und war ein Stein .
Darüber trug nun der König und die Königin großes Leid , und der König sprach ‘ach , was hab ich große Treue so übel belohnt ! ’ und ließ das steinerne Bild aufheben und in seine Schlafkammer neben sein Bett stellen . So oft er es ansah , weinte er und sprach ‘ach , könnt ich dich wieder lebendig machen , mein getreuester Johannes . ’ Es gieng eine Zeit herum , da gebar die Königin Zwillinge , zwei Söhnlein , die wuchsen heran , und waren ihre Freude . Einmal , als die Königin in der Kirche war , und die zwei Kinder bei dem Vater saßen und spielten , sah dieser wieder das steinerne Bildnis voll Trauer an , seufzte und rief ‘ ach könnt ich dich wieder lebendig machen , mein getreuester Johannes . ’ Da fieng der Stein an zu reden und sprach ‘ja , du kannst mich wieder lebendig machen , wenn du dein Liebstes daran wenden willst . ’ Da rief der König ‘ alles , was ich auf der Welt habe , will ich für dich hingeben . ’ Sprach der Stein weiter ‘ wenn du mit deiner eigenen Hand deinen beiden Kindern den Kopf abhaust , und mich mit ihrem Blnte Blute bestreichst , so erhalte ich das Leben wieder . ’ Der König erschrack , als er hörte daß er seine liebsten Kinder selbst tödten sollte , doch dachte er an die große Treue , und daß der getreue Johannes für ihn gestorben war , zog sein Schwert und hieb mit eigener Hand den Kindern den Kopf ab , und bestrich mit ihrem Blute den Stein : und als das geschehen war , kehrte das Leben zurück ,
und der getreue Johannes stand wieder frisch und gesund vor ihm . Er aber sprach zum König ‘ deine Treue will ich dir wieder lohnen , ’ und nahm die Häupter der Kinder , und setzte sie an , und bestrich die Wunde mit ihrem Blut , davon wurden sie im Augenblick wieder heil , und sprangen herum und spielten fort , als wär ihnen nichts geschehen . Nun war der König voll Freude , und als er die Königin kommen sah , versteckte er den getreuen Johannes und die beiden Kinder in einen großen Schrank . Wie sie hereintrat , sprach er zu ihr ‘ hast du gebetet in der Kirche ? ’ ‘ Ja ,’ antwortete sie , ‘ aber ich habe beständig an den treuen Johannes gedacht , daß er so unglücklich durch uns geworden ist . ’ Da sprach er ‘liebe Frau , wir können ihm das Leben wiedergeben , aber es kostet uns unsere beiden Söhnlein , die müssen wir opfern . ’ Die Königin ward bleich und erschrack im Herzen , doch sprach sie ‘ wir sinds ihm schuldig wegen seiner großen Treue . ’ Da freute er sich daß sie dachte wie er gedacht hatte , gieng hin und schloß den Schrank auf , und holte die Kinder und den treuen Johannes heraus , und sprach ‘Gott sey gelobt , er ist erlöst , und unsere Söhnlein haben wir auch wieder ,’ und erzählte ihr wie sich alles zugetragen hatte . Da lebten sie zusammen in Glückseligkeit bis an ihr Ende .
7.
Der gute Handel .
E in Bauer , der hatte seine Kuh auf den Markt getrieben , und für sieben Thaler verkauft . Auf dem Heimweg mußte er an einem Teich vorbei , und da hörte er schon von weitem wie die Frösche riefen ‘ ak , ak , ak , ak . ’ ‘ Ja ,’ sprach er für sich , ‘ die schreien auch ins Haberfeld hinein : sieben Thaler sinds , die ich gelöst habe , keine acht . ’ Als er an das Wasser heran kam , rief er ihnen zu ‘ dummes Vieh , das ihr seyd ! wißt ihrs nicht besser ? sieben Thaler sinds und keine acht . ’ Die Frösche blieben aber bei ihrem ‘ ak , ak , ak , ak ! ’ ‘ Nun , wenn ihrs nicht glauben wollt , ich kanns euch vorzählen ,’ holte das Geld aus der Tasche , und zählte die sieben Thaler ab , immer vierundzwanzig Groschen auf einen . Die Frösche kehrten sich aber nicht an sein Rechnen , und riefen abermals ‘ ak , ak , ak , ak . ’ ‘ Ei ,’ rief der Bauer ganz bös , ‘ wollt ihrs besser wissen als ich , so zählt selber , ’ und warf ihnen das Geld miteinander ins Wasser hinein . Er blieb stehen , und wollte warten bis sie fertig wären , und ihm das Seinige wiederbrächten , aber die Frösche beharrten auf ihrem Sinn , schrien immerfort ‘ ak , ak , ak , ak ,’ und warfen auch das Geld nicht wieder heraus . Er wartete noch eine gute Weile , bis der Abend einbrach , und er nach Haus mußte ,
da schimpfte er die Frösche aus , und rief ‘ ihr Wasserpatscher , ihr Dickköpfe , ihr Klotzaugen , ein groß Maul habt ihr , und könnt schreien daß einem die Ohren weh thun , aber sieben Thaler könnt ihr nicht zählen , meint ihr , ich wollte da stehen bis ihr fertig wärt ? ’ Damit gieng er fort , aber die Frösche riefen noch ‘ ak , ak , ak , ak ,’ hinter ihm her , daß er ganz verdrießlich heim kam .
Ueber eine Zeit erhandelte er sich wieder eine Kuh , die schlachtete er , und machte die Rechnung , wenn er das Fleisch gut verkaufte , könnte er so viel lösen , als die beiden Kühe werth wären , und das Fell hätte er obendrein . Als er nun mit dem Fleisch zu der Stadt kam , war vor dem Thore ein ganzes Rudel Hunde zusammengelaufen , voran ein großer Windhund : der sprang um das Fleisch , schnupperte und bellte ‘ was , was , was , was . ’ Als er gar nicht aufhören wollte , sprach der Bauer zu ihm ‘ja , ich merke wohl , du sagst ‘ was , was’ weil du etwas von dem Fleisch verlangst , da sollt ich aber schön ankommen , wenn ich dirs geben wollte . ’ Der Hund antwortete nichts als ‘ was , was . ’ ‘Willst dus auch nicht wegfressen , und für deine Cameraden da gut stehen ? ’ ‘ Was , was’ sprach der Hund . ‘ Nun , wenn du dabei beharrst , so will ich dirs lassen , ich kenne dich wohl , und weiß bei wem du dienst : aber das sage ich dir , in drei Tagen muß ich mein Geld haben , du kannst mirs nur hinausbringen . ’ Darauf lud er das Fleisch ab , und kehrte wieder um : die Hunde machten sich darüber her , und bellten laut ‘ was , was . ’ Der Bauer , der es von weitem hörte , sprach zu
sich ‘horch , jetzt verlangen sie alle was , aber der große muß mir einstehen .’
Als drei Tage herum waren , dachte der Bauer ‘ heute Abend hast du dein Geld in der Tasche ,’ und war ganz vergnügt . Aber es wollte niemand kommen und auszahlen . ‘ Es ist kein Verlaß mehr auf jemand ’ sprach er , und endlich riß ihm die Geduld , daß er in die Stadt zu dem Fleischer gieng , und sein Geld forderte . Der Fleischer meinte , es wäre ein Spaß , aber der Bauer sagte ‘Spaß beiseite , ich will mein Geld : hat der große Hund euch nicht die ganze geschlachtete Kuh vor drei Tagen heim gebracht ? ’ Da ward der Fleischer zornig , griff nach einem Besenstiel , und jagte ihn hinaus . ‘Wart ,’ sprach der Bauer , ‘ es giebt noch Gerechtigkeit auf der Welt ! ’ und gieng in das königliche Schloß , und bat sich Gehör aus . Er ward vor den König geführt , der da saß mit seiner Tochter , und fragte was ihm für ein Leid wiederfahren wäre ? ‘ Ach ,’ sagte er , ‘ die Frösche und Hunde haben mir das Meinige genommen , und der Metzger hat mich dafür mit dem Stock bezahlt ,’ und erzählte weitläuftig wie es zugegangen war . Darüber fieng die Königstochter laut an zu lachen , und der König sprach zu ihm ‘Recht kann ich dir hier nicht geben , aber dafür sollst du meine Tochter zur Frau haben , ihr Lebtag hat sie noch nicht gelacht , als eben über dich , und ich habe sie dem versprochen , der sie zum Lachen brächte . Du kannst Gott für dein Glück danken . ’ ‘ O ,’ antwortete der Bauer , ‘ ich will sie gar nicht : ich habe daheim nur eine einzige Frau , und wenn ich nach Haus komme ,
so ist mir doch als ob in jedem Winkel eine stände . ’ Da ward der König zornig , und sprach ‘ bist du so ein Grobian , so mußt du einen andern Lohn haben : jetzt pack dich fort , aber in drei Tagen komm wieder , so sollen dir fünfhundert vollgezählt werden .’
Wie der Bauer hinaus vor die Thür kam , sprach die Schildwache ‘ du hast die Königstochter zum Lachen gebracht , da wirst du was rechtes bekommen haben . ’ ‘ Ja , das mein ich ,’ antwortete der Bauer , ‘ fünfhundert werden mir ausgezahlt . ’ ‘Hör ,’ sprach der Soldat , ‘ gieb mir etwas davon : was willst du mit all dem Geld aufangen ! ’ ‘ Nun ,’ sprach der Bauer , ‘ weil dus bist , so sollst du zweihundert haben , melde dich in drei Tagen beim König , und laß dirs aufzählen . ’ Ein Jude , der in der Nähe gestanden und das Gespräch mit angehört hatte , lief dem Bauer nach , hielt ihn beim Rock , und sprach ‘Gotteswunder , was seyd ihr ein Glückskind ! ich wills euch wechseln , ich wills euch umsetzen in Scheidemünz , was wollt ihr mit den harten Thalern ? ’ ‘Mauschel ,’ sagte der Bauer , ‘ dreihundert kannst du noch haben , gieb mirs gleich in Münze , heut über drei Tage wirst du dafür beim König bezahlt werden . ’ Der Jude freute sich über das Profitchen , und brachte die Summe in schlechten Groschen , wo drei so viel werth sind als zwei gute . Nach Verlauf der drei Tage gieng der Bauer , dem Befehl gemäß , vor den König . ‘Zieht ihm den Rock aus ,’ sprach dieser , ‘er soll seine fünfhundert haben . ’ ‘ Ach ,’ sagte der Bauer , ‘ sie gehören nicht mehr mein , zweihundert habe ich an die Schildwache verschenkt , und dreihundert hat mir der Jude eingewechselt , von
Rechtswegen gebührt mir gar nichts . ’ Jndem kam der Soldat und der Jude herein , verlangten das Jhrige , das sie dem Bauer abgewonnen hätten , und erhielten die Schläge richtig zugemessen . Der Soldat ertrugs geduldig , und wußte schon wie ’s schmeckte : der Jude aber that jämmerlich , ‘ au weih geschrien ! sind das die harten Thaler ? ’ Der König mußte über den Bauer lachen , und da aller Zorn verschwunden war , sprach er ‘ weil du deinen Lohn schon verloren , eh du ihn empfangen hast , so will ich dir einen Ersatz geben : geh in meine Schatzkammer und hol dir Geld , so viel du willst . ’ Der Bauer ließ sich das nicht zweimal sagen , und füllte in seine weiten Taschen was nur hinein wollte . Darnach gieng er ins Wirthshaus , und überzählte sein Geld . Der Jude war ihm nachgeschlichen , und hörte wie er mit sich allein brummte ‘ nun hat mich der Spitzbube von König doch hinters Licht geführt ! hätte er mir nicht selbst das Geld geben können , so wüßte ich was ich hätte , wie kann ich nun wissen ob das richtig ist , was ich so eingesteckt habe ! ’ ‘Gott bewahre ,’ sprach der Jude für sich , ‘ der spricht despectirlich von unserm Herrn , ich lauf und gebs an , so krieg ich eine Belohnung , und er wird obendrein noch bestraft . ’ Als der König die Reden des Bauern erfuhr , ward er zornig , und hieß den Juden hingehen , und den Sünder herbeiholen . Der Jude lief zum Bauer , ‘ ihr sollt gleich zum Herrn König kommen , wie ihr geht und steht . ’ ‘ Jch weiß besser , was sich schickt ,’ antwortete der Bauer , ‘ erst laß ich mir einen neuen Rock machen ; meinst du ein Mann , der so viel Geld in der Tasche hat , sollte in dem
alten Lumpenrock hingehen . ’ Der Jude , wie er sah daß der Bauer ohne einen andern Rock nicht wegzubringen war , und weil er fürchtete wenn der König seinen Zorn verliere , so verliere er seine Belohnung und der Bauer die Strafe , so sprach er ‘ ich will euch für die kurze Zeit einen schönen Rock leihen aus bloßer Freundschaft ; was thut der Mensch nicht alles aus Liebe ! ’ Der Bauer ließ sich das gefallen , zog den Rock vom Juden an , und gieng mit ihm fort . Der König hielt dem Bauer die bösen Reden vor , die der Jude hinterbracht hatte . ‘ Ach ,’ sprach der Bauer , ‘ was ein Jude sagt ist immer gelogen , dem geht kein wahres Wort aus dem Munde ; der Kerl da ist im Stand und behauptet ich hätte seinen Rock an . ’ ‘ Was soll mir das ? ’ schrie der Jude , ‘ ist der Rock nicht mein ? hab ich ihn nicht aus Freundschaft geborgt , damit ihr vor den Herrn König treten konntet ? ’ Wie der König das hörte , sprach er ‘ einen hat der Jude gewiß betrogen , mich oder den Bauer , ’ und ließ ihm noch etwas in harten Thalern nachzahlen ; der Bauer aber gieng in dem guten Rock und mit dem guten Geld in der Tasche heim , und sprach ‘diesmal hab ichs getroffen .’
8.
Der wunderliche Spielmann .
E s war einmal ein wunderlicher Spielmann , der gieng durch einen Wald mutterselig allein , und dachte hin und her , und als für seine Gedanken nichts mehr übrig war , sprach er zu sich selbst ‘ mir wird hier im Walde Zeit und Weile lang , ich will einen guten Gesellen herbei holen . ’ Da nahm er die Geige vom Rücken , und fidelte eins daß es durch die Bäume schallte . Nicht lange , so kam ein Wolf durch das Dickicht daher getrabt . ‘ Ach , ein Wolf kommt ! nach dem trage ich kein Verlangen ’ sagte der Spielmann , aber der Wolf schritt näher , und sprach zu ihm ‘ei , du lieber Spielmann , was fidelst du so schön ! das möcht ich auch lernen . ’ ‘ Das ist bald gelernt ,’ antwortete ihm der Spielmann , ‘ du mußt nur alles thun , was ich dich heiße . ’ ‘ O Spielmann ,’ sprach der Wolf , ‘ ich will dir gehorchen , wie ein Schüler seinem Meister .’ Der Spielmann hieß ihn mitgehen , und als sie ein Stück Wegs zusammen gegangen waren , kamen sie an einen alten Eichbaum , der innen hohl und in der Mitte aufgerissen war . ‘ Sieh hier ,’ sprach der Spielmann , ‘ willst du fideln lernen , so lege die Vorderpfoten in diesen Spalt . ’ Der Wolf gehorchte , aber der Spielmann hob schnell einen Stein auf , und keilte ihm die beiden Pfoten mit einem Schlag so fest
daß er wie ein Gefangener da liegen bleiben mußte . ‘Warte da so lange bis ich wieder komme ’ sagte der Spielmann , und gieng seines Weges .
Ueber eine Weile sprach er abermals zu sich selber ‘ mir wird hier im Walde Zeit und Weile lang , ich will einen andern Gesellen herbei holen ,’ nahm seine Geige und fidelte wieder in den Wald hinein . Nicht lange , so kam ein Fuchs durch die Bäume daher geschlichen . ‘ Ach , ein Fuchs kommt ! ’ sagte der Spielmann , ‘ nach dem trage ich kein Verlangen . ’ Der Fuchs kam zu ihm heran , und sprach ‘ei , du lieber Spielmann , was fidelst du so schön ! das möcht ich auch lernen . ’ ‘ Das ist bald gelernt ,’ sprach der Spielmann , ‘ du mußt nur alles thun , was ich dich heiße . ’ ‘ O Spielmann ,’ antwortete der Fuchs , ‘ ich will dir gehorchen , wie ein Schüler seinem Meister . ’ ‘Folge mir ,’ sagte der Spielmann , und als sie ein Stück Wegs gegangen waren , kamen sie auf einen Fußweg , zu dessen beiden Seiten hohe Sträuche standen . Da hielt der Spielmann still , bog von der einen Seite ein Haselnußbäumchen zur Erde herab und trat mit dem Fuß auf die Spitze , dann bog er von der andern Seite noch ein Bäumchen herab , und sprach ‘wohlan , Füchslein , wenn du etwas lernen willst , so reich mir deine linke Vorderpfote . ’ Der Fuchs gehorchte , und der Spielmann band ihm die Pfote an den linken Stamm . ‘Füchslein ,’ sprach er , ‘ nun reich mir die rechte ’ und band sie ihm an den rechten Stamm . Dann lies er los , und die Bäumchen fuhren in die Höhe , und schnellten das Füchslein hinauf daß es in der Luft schwebte und zappelte .
‘Warte da so lange bis ich wiederkomme ,’ sagte der Spielmann und gieng seines Weges .
Wiederum sprach er zu sich ‘ Zeit und Weile wird mir hier im Walde lang ; ich will einen andern Gesellen herbei holen ,’ nahm seine Geige , und der Klang erschallte durch den Wald . Da kam ein Häschen daher gesprungen . ‘ Ach , ein Hase kommt ! ’ sagte der Spielmann , ‘ den wollte ich nicht haben . ’ ‘ Ei , du lieber Spielmann , sagte das Häslein , was fidelst du so schön , das möchte ich auch lernen . ’ ‘ Das ist bald gelernt ,’ sprach der Spielmann , ‘ du mußt nur alles thun was ich dich heiße . ’ ‘ O Spielmann ,’ antwortete das Häslein , ‘ ich will dir gehorchen wie ein Schüler seinem Meister .’ Sie giengen ein Stück Wegs zusammen bis sie zu einer lichten Stelle im Wald kamen , wo ein Espenbaum stand . Der Spielmann band dem Häschen einen langen Bindfaden um den Hals , wovon er das andere Ende an den Baum knüpfte . ‘Munter , Häschen , jetzt spring mir zwanzigmal um den Baum herum ’ rief der Spielmann , und das Häschen gehorchte , und wie es zwanzigmal herumgelaufen war , so hatte sich der Bindfaden zwanzigmal um den Stamm gewickelt , und das Häschen war gefangen , und es mochte ziehen und zerren wie es wollte , es schnitt sich nur den Faden in den weichen Hals . ‘Warte da so lange bis ich wiederkomme ,’ sprach der Spielmann , und gieng weiter .
Der Wolf indessen hatte gerückt , gezogen , an dem Stein gebissen und so lange gearbeitet , bis er die Pfoten frei gemacht und wieder aus der Spalte gezogen hatte . Voll Zorn und
Wuth eilte er hinter dem Spielmann her , und wollte ihn zerreißen . Als ihn der Fuchs laufen sah , fieng er an zu jammern , und schrie aus Leibeskräften ‘Bruder Wolf , komm mir zu Hilfe , der Spielmann hat mich betrogen . ’ Der Wolf zog die Bäumchen herab , und biß die Schnüre entzwei , und machte den Fuchs frei , der mit ihm gieng und an dem Spielmann Rache nehmen wollte . Sie fanden das gebundene Häschen , das sie ebenfalls erlösten , und dann suchten alle zusammen ihren Feind auf .
Der Spielmann hatte auf seinem Weg abermals seine Fidel erklingen lassen , und diesmal war er glücklicher gewesen . Die Töne drangen zu den Ohren eines armen Holzhauers , der alsbald , er mochte wollen oder nicht , von der Arbeit abließ , und mit dem Beil unter dem Arme heran kam die Musik zu hören . ‘Endlich kommt doch der rechte Geselle ,’ sagte der Spielmann , ‘ denn einen Menschen suchte ich , und keine wilden Thiere . ’ Und fieng an und spielte so schön und lieblich , daß der arme Mann wie bezaubert da stand , und ihm das Herz vor Freude aufgieng . Und wie er so stand , kamen der Wolf , der Fuchs und das Häslein heran , und er merkte wohl daß sie etwas Böses im Schilde führten . Da erhob er seine blinkende Axt , und stellte sich vor den Spielmann als wollte er sagen ‘wer an ihn will , der hüte sich , der hat es mit mir zu thun . ’ Da ward den Thieren Angst , und sie liefen in den Wald zurück , der Spielmann aber spielte dem Manne noch eins zum Dank , und zog dann weiter .
9.
Die zwölf Brüder .
E s war einmal ein König und eine Königin , die lebten in Frieden mit einander , und hatten zwölf Kinder , das waren aber lauter Buben . Nun sprach der König zu seiner Frau ‘ wenn das dreizehnte Kind , das du zur Welt bringst , ein Mädchen ist , so sollen die zwölf Buben sterben , damit sein Reichthum groß wird , und das Königreich ihm allein zufällt .’ Er ließ auch zwölf Särge machen , die waren schon mit Hobelspänen gefüllt , und in jedem lag das Todtenkißchen , und ließ sie in eine verschlossene Stube bringen , davon gab er der Königin den Schlüssel , und gebot ihr , niemand etwas davon zu sagen .
Die Mutter aber saß nun den ganzen Tag , und trauerte , so daß der kleinste Sohn , der immer bei ihr war , und den sie nach der Bibel Benjamin nannte , zu ihr sprach ‘liebe Mutter , warum bist du so traurig ? ’ ‘Liebstes Kind ,’ antwortete sie , ‘ ich darf dirs nicht sagen . ’ Er ließ ihr aber keine Ruhe , bis sie gieng und die Stube aufschloß , und ihm die zwölf mit Hobelspänen schon gefüllten Todtenladen zeigte , und sprach ‘ mein liebster Benjamin , diese Särge hat dein Vater für dich und deine elf Brüder machen lassen , denn wenn ich ein Mädchen
zur Welt bringe , so sollt ihr allesammt getödtet und darin begraben werden . ’ Und als sie weinte , wie sie das sprach , so tröstete sie der Sohn und sagte ‘weine nicht , liebe Mutter , wir wollen uns helfen , und wollen fortgehen . ’ Sie aber sprach ‘ geh mit deinen elf Brüdern hinaus in den Wald , und einer setze sich immer auf den höchsten Baum , der zu finden ist , und halte Wacht , und schaue nach dem Thurm hier im Schloß . Gebär ich ein Söhnlein so will ich eine weiße Fahne aufstecken , und dann dürft ihr wiederkommen : gebär ich ein Töchterlein , so will ich eine rothe Fahne aufstecken , und dann flieht fort , so schnell ihr könnt , und der liebe Gott behüte euch . Alle Nacht will ich aufstehen und für euch beten , im Winter , daß ihr an einem Feuer euch wärmen könnt , im Sommer , daß ihr nicht in der Hitze schmachtet .’
Nachdem sie also ihre Söhne gesegnet hatte , giengen sie hinaus in den Wald . Einer hielt um den andern Wacht , saß auf der höchsten Eiche , und schauete nach dem Thurm . Als elf Tage herum waren , und die Reihe an Benjamin kam , da sah er wie eine Fahne aufgesteckt wurde , es war aber nicht die weiße sondern die rothe Blutfahne , die verkündigte daß sie alle sterben sollten . Wie die Brüder das nun hörten , wurden sie zornig , und sprachen ‘sollten wir um eines Mädchens willen den Tod leiden ! wir schwören daß wir uns rächen wollen , wo wir ein Mädchen finden , soll sein rothes Blut fließen .’
Darauf giengen sie tiefer in den Wald hinein , und mitten drein , wo er am dunkelsten war , fanden sie ein kleines verwünschtes
Häuschen , das leer stand . Da sprachen sie ‘ hier wollen wir wohnen , und du , Benjamin , du bist der jüngste und schwächste , du sollst daheim bleiben und haushalten , wir andern wollen ansgehen und Essen holen . ’ Nun zogen sie in den Wald und schossen Hasen , wilde Rehe , Vögel und Täuberchen und was zu essen stand : das brachten sie dem Benjamin , der mußts ihnen zurecht machen , damit sie ihren Hunger stillen konnten . Jn dem Häuschen lebten sie zehn Jahre zusammen , und die Zeit ward ihnen nicht lang .
Das Töchterchen , das ihre Mutter , die Königin , geboren hatte , war nun herangewachsen , war gar schön , und hatte einen goldenen Stern auf der Stirne . Einmal , als große Wäsche war , sah es darunter zwölf Mannshemden , und fragte seine Mutter ‘ wem gehören diese zwölf Hemden , für den Vater sind sie doch viel zu klein ? ’ Da antwortete sie mit schwerem Herzen ‘ liebes Kind , die gehören deinen zwölf Brüdern . ’ Sprach das Mädchen ‘ wo sind meine zwölf Brüder , ich habe noch niemals von ihnen gehört . ’ Sie antwortete ‘ das weiß Gott , wo sie sind : sie irren in der Welt herum . ’ Da nahm sie das Mädchen , und schloß ihm das Zimmer auf , und zeigte ihm die zwölf Särge mit den Hobelspänen und den Todtenkißchen . ‘ Diese Särge ,’ sprach sie , ‘ waren für deine Brüder bestimmt , aber sie sind heimlich fortgegangen , eh du geboren warst ,’ und erzählte ihm wie sich alles zugetragen hatte . Da sagte das Mädchen ‘liebe Mutter , weine nicht , ich will gehen und meine Brüder suchen .’
Nun nahm es die zwölf Hemden , und gieng fort und geradezu in den großen Wald hinein . Es gieng den ganzen Tag , und am Abend kam es zu dem verwünschten Häuschen . Da trat es hinein , und fand einen jungen Knaben , der fragte ‘ wo kommst du her und wo willst du hin ? ’ und erstaunte daß sie so gar schön war , königliche Kleider trug , und einen Stern auf der Stirne hatte . Da antwortete sie ‘ ich bin eine Königstochter , und suche meine zwölf Brüder und will gehen so weit der Himmel blau ist , bis ich sie finde . ’ Sie zeigte ihm auch die zwölf Hemden , die ihnen gehörten . Da sah Benjamin daß es seine Schwester war , und sprach ‘ ich bin Benjamin , dein jüngster Bruder . ’ Und sie fieng an zu weinen vor Freude , und Benjamin auch , und sie küßten und herzten einander vor großer Liebe . Hernach sprach er ‘liebe Schwester , es ist noch ein Vorbehalt da , wir hatten verabredet , daß ein jedes Mädchen , das uns begegnete , sterben sollte , weil wir um ein Mädchen unser Königreich verlassen mußten . ’ Da sagte sie ‘ ich will gerne sterben , wenn ich damit meine zwölf Brüder erlösen kann . ’ ‘Nein ,’ antwortete er , ‘ du sollst nicht sterben , setze dich unter diese Bütte bis die elf Brüder kommen , dann will ich schon einig mit ihnen werden . ’ Also that sie ; und wie es Nacht ward , kamen die andern von der Jagd , und die Mahlzeit war bereit . Und als sie am Tische saßen und aßen , fragten sie ‘ was giebts neues ? ’ Sprach Benjamin ‘ wißt ihr nichts ? ’ ‘ Nein ’ antworteten sie . Sprach er weiter ‘ ihr seyd im Walde gewesen , und ich bin daheim geblieben , und weiß noch mehr als ihr . ’ ‘ So
erzähl uns’ riefen sie . Antwortete er ‘ versprecht ihr mir auch daß das erste Mädchen , das uns begegnet , nicht soll getödtet werden ? ’ ‘ Ja ,’ riefen sie alle , ‘ das soll Gnade haben , erzähl uns nur . ’ Da sprach er ‘ unsere Schwester ist da ,’ und hub die Bütte auf , und die Königstochter kam hervor in ihren königlichen Kleidern mit dem goldenen Stern auf der Stirne , und war so schön , zart und fein . Da freuten sie sich alle , fielen ihr um den Hals und küßten sie , und hatten sie von Herzen lieb .
Nun blieb sie bei Benjamin zu Haus , und half ihm in der Arbeit . Die elfe zogen in den Wald , suchten Gewild , Rehe , Hasen , Vögel und Täuberchen , damit sie zu essen hatten , und die Schwester und Benjamin sorgten daß es zubereitet wurde . Sie suchte das Holz zum Kochen , und die Kräuter zum Gemüs , und stellte zu am Feuer , also daß die Mahlzeit immer fertig war , wenn die elfe kamen . Sie hielt auch sonst Ordnung im Häuschen , und deckte die Bettlein hübsch weiß und rein , und die Brüder waren immer zufrieden , und lebten in großer Einigkeit mit ihr .
Auf eine Zeit hatten die beide daheim eine schöne Kost zurecht gemacht , und wie sie nun alle beisammen waren , setzten sie sich , aßen und tranken , und waren voller Freude . Es war aber ein kleines Gärtchen an dem verwünschten Häuschen , darin standen zwölf Lilienblumen , die man auch Studenten heißt : nun wollte sie ihren Brüdern ein Vergnügen machen , brach die zwölf Blumen ab , und dachte jedem aufs Essen eine zu schenken .
Wie sie aber die Blumen abgebrochen hatte , in demselben Augenblick waren die zwölf Brüder in zwölf Raben verwandelt , und flogen über den Wald hin fort , und das Haus mit dem Garten war auch verschwunden . Da war nun das arme Mädchen allein in dem wilden Wald , und wie es sich umsah , so stand eine alte Frau neben ihm , die sprach ‘ mein Kind , was hast du angefangen ? warum hast du die zwölf weißen Blumen nicht stehen lassen , das waren deine Brüder , die sind nun auf immer in Raben verwandelt . ’ Das Mädchen sprach weinend ‘ ist denn kein Mittel sie zu erlösen ? ’ ‘Nein ,’ sagte die Alte , ‘ es ist keins auf der ganzen Welt , als eins , das ist aber so schwer , daß du sie damit nicht befreien wirst , denn du mußt sieben Jahre stumm seyn , darfst nicht sprechen und nicht lachen , und sprichst du ein einziges Wort , und es fehlt nur eine Stunde an den sieben Jahren , so ist alles umsonst , und deine Brüder werden von deinem Wort getödtet .’
Da sprach das Mädchen in seinem Herzen ‘ ich will meine Brüder gewiß erlösen , ’ und gieng und suchte einen hohen Baum , setzte sich darauf , und spann , und sprach nicht , und lachte nicht . Nun trugs sich zu , daß ein König in dem Wald jagte , der hatte einen großen Windhund , der lief zu dem Baum , wo das Mädchen drauf saß , sprang herum , schrie und bellte hinauf . Da kam der König herbei , und sich die schöne Königstochter mit dem goldnen Stern auf der Stirne , und war so entzückt über ihre Schönheit , daß er ihr zurief ob sie seine Gemahlin werden wollte . Sie gab keine Antwort , nickte aber ein wenig
mit dem Kopf . Da stieg er felbst auf den Baum , trug sie herab , setzte sie auf sein Pferd , und führte sie heim . Da ward die Hochzeit , obgleich die Braut stumm war und nicht lachte , mit großer Pracht und Freude gefeiert . Als sie ein paar Jahre mit einander vergnügt gelebt hatten , fieng die Mutter des Königs , die eine böse Frau war , an , die junge Königin zu verläumden , und sprach zum König ‘ es ist ein gemeines Bettelmädchen , das du dir mitgebracht hast , wer weiß was für gottlose Streiche sie heimlich treibt . Wenn sie stumm ist und nicht sprechen kann , so könnte sie doch einmal lachen , aber wer nicht lacht , der hat ein böses Gewissen . ’ Der König wollte zuerst nicht daran glauben , aber die Alte trieb es so lange , und beschuldigte sie so viel böser Dinge , daß der König sich endlich überreden ließ , und sie zum Tod verurtheilte .
Nun ward im Hof ein großes Feuer angezündet , darin sie sollte verbrannt werden , und der König stand oben am Fenster und sah mit weinenden Augen zu , weil er sie noch immer so lieb hatte . Und als sie schon an den Pfahl festgebunden war , und das Feuer schon an ihren Kleidern mit rothen Zungen leckte , da war eben der letzte Augenblick von den sieben Jahren verflossen . Da ließ sich in der Luft ein Geschwirr hören , und zwölf Raben kamen hergezogen , und senkten sich nieder : und wie sie die Erde berührten , waren es ihre zwölf Brüder , die sie erlöst hatte . Sie rissen das Feuer auseinander , löschten die Flammen , machten ihre liebe Schwester frei , und küßten und herzten sie . Nun aber , da sie ihren Mund aufthun und reden
durfte , erzählte sie dem Könige warum sie stumm gewesen wäre und niemals gelacht hätte . Der König freute sich daß sie unschuldig war , und sie lebten nun alle zusammen in Einigkeit bis an ihren Tod . Die böse Stiefmutter ward in ein Faß gesteckt , das mit siedendem Oel und giftigen Schlangen angefüllt war , und starb eines bösen Todes .
10.
Das Lumpengesindel .
H ähnchen sprach zum Hühnchen ‘ die Nüsse sind reif geworden , da wollen wir mit einander auf den Berg gehen , und uns einmal recht satt daran essen , ehe sie das Eichhorn alle wegholt . ’ ‘ Ja ,’ antwortete das Hühnchen , ‘ komm , wir wollen uns eine Lust miteinander machen . ’ Da giengen sie zusammen fort auf den Berg , und weil es ein heller Tag war , blieben sie bis zum Abend . Nun weiß ich nicht ob sie sich so dick gegessen hatten , oder ob sie so übermüthig geworden waren , kurz , sie wollten nicht zu Fuß nach Haus gehen , und das Hähnchen mußte einen kleinen Wagen von Nußschalen bauen . Als er fertig war , setzte sich Hühnchen hinein , und sagte zum Hähnchen ‘ du kannst dich nur immer vorspannen . ’ ‘ Du kommst mir recht ,’ sagte das Hähnchen , ‘lieber geh ich zu Fuß nach Haus , als daß ich mich vorspannen lasse , nein , so haben wir nicht gewettet . Kutscher will ich wohl seyn und auf dem Bock sitzen , aber selbst ziehen , das thu ich nicht .’
Wie sie so stritten , schnatterte eine Ente daher ‘ ihr Diebsvolk , wer hat euch geheißen in meinen Nußberg gehen , wartet , das soll euch schlecht bekommen ! ’ gieng damit auf das Hähnchen los . Aber Hähnchen war auch nicht faul , und stieg der Ente
tüchtig zu Leib , endlich hackte es mit seinen Sporn so gewaltig , daß sie um Gnade bat , und sich gern zur Strafe vor den Wagen spannen ließ . Hähnchen setzte sich nun auf den Bock , und war Kutscher , und darauf gieng es fort in einem Jagen , ‘Ente , lauf zu was du kannst ! ’ Als sie ein Stück Weges gefahren waren , begegneten sie zwei Fußgängern , einer Stecknadel und einer Nähnadel . Die riefen ‘halt ! halt ! ’ und sagten es würde gleich stichdunkel werden , da könnten sie keinen Schritt weiter , dabei wär es so schmutzig auf der Straße , ob sie nicht ein wenig einsitzen könnten : sie wären auf der Schneiderherberge vor dem Thor gewesen , und hätten sich beim Bier verspätet . Hähnchen , da es magere Leute waren , die nicht viel Platz einnahmen , ließ sie beide einsteigen , doch mußten sie versprechen ihm und seinem Hühnchen nicht auf die Füße zu treten . Spät Abends kamen sie zu einem Wirthshaus , und weil sie die Nacht nicht weiter fahren wollten , die Ente auch nicht gut zu Fuß war , und von einer Seite auf die andere fiel , so kehrten sie ein . Der Wirth machte anfangs viel Einwendungen , sein Haus sei schon voll , gedachte auch wohl es möchte keine vornehme Herrschaft sein , endlich aber , da sie süße Reden führten , er sollte das Ei haben , welches das Hühnchen unterwegs gelegt hatte , auch die Ente behalten , die alle Tage eins lege , so gab er nach . Nun ließen sie wieder frisch auftragen , und lebten in Saus und Braus . Früh Morgens , als es erst dämmerte , und noch alles schlief , weckte Hähnchen das Hühnchen , holte das Ei , pickte es auf , und sie verzehrten es zusammen ; die Schalen aber warfen
sie auf den Feuerherd . Dann giengen sie zu der Nähnadel , die noch schlief , packten sie beim Kopf , und steckten sie in das Sesselkissen des Wirths , die Stecknadel aber in sein Handtuch , endlich flogen sie , mir nichts dir nichts , über die Heide davon . Die Ente , die gern unter freiem Himmel schlief , und im Hof geblieben war , hörte sie fortschnurren , machte sich munter , und fand einen Bach , auf dem sie hinab schwamm , und das gieng geschwinder als vor dem Wagen . Ein paar Stunden darnach hob sich der Wirth aus den Federn , wusch sich , und wollte sich am Handtuch abtrocknen , da fuhr ihm die Stecknadel über das Gesicht , und machte ihm einen rothen Strich von einem Ohr zum andern ; dann gieng er in die Küche , und wollte sich eine Pfeife anstecken , wie er aber an den Herd kam , sprangen ihm die Eierschalen in die Augen . ‘Heute Morgen will mir Alles an meinen Kopf ,’ sagte er , und ließ sich verdrießlich auf seinen Großvaterstuhl nieder ; aber wie geschwind fuhr er wieder in die Höhe , und schrie ‘auweh !’ denn die Nähnadel hatte ihn noch schlimmer und nicht in den Kopf gestochen . Nun war er vollens böse , und hatte Verdacht auf die Gäste , die so spät gestern Abend gekommen waren ; und wie er gieng und sich nach ihnen umsah , waren sie fort . Da that er einen Schwur , kein Lumpengesindel mehr in sein Haus zu nehmen , das viel verzehrt , nichts bezahlt , und obendrein zum Dank Schabernack treibt .
11.
Brüderchen und Schwesterchen .
B rüderchen nahm sein Schwesterchen an der Hand , und sprach ‘ seit die Mutter todt ist , haben wir keine gute Stunde mehr ; die Stiefmutter schlägt uns alle Tage , und wenn wir zu ihr kommen , stößt sie uns mit den Füßen fort . Die harten Brotkrusten , die übrig bleiben , sind unsere Speise , und dem Hündlein unter dem Tisch geht ’s besser : dem wirft sie doch manchmal einen guten Bissen zu . Daß Gott erbarm , wenn das unsere Mutter wüßte ! Komm , wir wollen miteinander in die weite Welt gehen . ’ Sie giengen den ganzen Tag über Wiesen , Felder und Steine , und wenn es regnete , sprach das Schwesterchen ‘Gott und unsere Herzen , die weinen zusammen ! ’ Abends kamen sie in einen großen Wald , und waren so müde von Jammer , Hunger und dem langen Weg , daß sie sich in einen hohlen Baum setzten und einschliefen .
Am andern Morgen , als sie aufwachten , stand die Sonne schon hoch am Himmel , und schien heiß in den Baum hinein . Da sprach das Brüderchen ‘Schwesterchen , mich dürstet , wenn ich ein Brünnlein wüßte , ich gieng und tränk einmal ; ich mein , ich hört eins rauschen . ’ Brüderchen stand auf , nahm Schwesterchen an der Hand , und sie wollten das Brünnlein suchen .
Die böse Stiefmutter aber war eine Hexe , und hatte wohl gesehen wie die beiden Kinder fortgegangen waren , war ihnen nachgeschlichen , heimlich , wie die Hexen schleichen , und hatte alle Brunnen im Walde verwünscht . Als sie nun ein Brünnlein fanden , das so glitzerig über die Steine sprang , wollte das Brüderchen daraus trinken ; aber das Schwesterchen hörte wie es im Rauschen sprach ‘ wer aus mir trinkt , wird ein Tiger ; wer aus mir trinkt , wird ein Tiger . ’ Da rief das Schwesterchen ‘ ich bitte dich , Brüderchen , trink nicht , sonst wirst du ein wildes Thier , und zerreißest mich . ’ Das Brüderchen trank nicht , ob es gleich so großen Durst hatte , und sprach ‘ ich will warten bis zur nächsten Quelle . ’ Als sie zum zweiten Brünnlein kamen , hörte das Schwesterchen wie auch dieses sprach ‘ wer aus mir trinkt , wird ein Wolf ; wer aus mir trinkt , wird ein Wolf . ’ Da rief das Schwesterchen ‘Brüderchen , ich bitte dich , trink nicht , sonst wirst du ein Wolf , und frissest mich . ’ Das Brüderchen trank nicht , und sprach ‘ ich will warten , bis wir zur nächsten Quelle kommen , aber dann muß ich trinken , du magst sagen , was du willst : mein Durst ist gar zu groß . ’ Und als sie zum dritten Brünnlein kamen , hörte das Schwesterlein , wie es im Rauschen sprach ‘ wer aus mir trinkt , wird ein Reh ; wer aus mir trinkt , wird ein Reh . ’ Das Schwesterchen sprach ‘ ach Brüderchen , ich bitte dich , trink nicht , sonst wirst du ein Reh , und läufst mir fort . ’ Aber das Brüderchen hatte sich gleich beim Brünnlein nieder geknieet , hinab gebeugt und von dem Wasser getrunken , und
wie die ersten Tropfen auf seine Lippen gekommen waren , lag es da als ein Rehkälbchen .
Nun weinte das Schwesterchen über das arme verwünschte Brüderchen , und das Rehchen weinte auch , und saß so traurig neben ihm . Da sprach das Mädchen endlich ‘ sey still , liebes Rehchen , ich will dich ja nimmermehr verlassen .’ Dann band es sein goldenes Strumpfband ab , und that es dem Rehchen um den Hals , und rupfte Binsen , und flocht ein weiches Seil daraus . Daran band es das Thierchen , und führte es weiter , und gieng immer tiefer in den Wald hinein . Und als sie lange lange gegangen waren , kamen sie endlich in ein kleines Haus , und das Mädchen schaute hinein , und weil es leer war , dachte es ‘ hier können wir bleiben und wohnen . ’ Da suchte es dem Rehchen Laub und Moos zu einem weichen Lager , und jeden Morgen gieng es aus , und sammelte sich Wurzeln , Beeren und Nüsse , und für das Rehchen brachte es zartes Gras mit , das fraß es ihm aus der Hand , und war vergnügt , und spielte vor ihm herum . Abends wenn Schwesterchen müde war und sein Gebet gesagt hatte , legte es seinen Kopf auf den Rücken des Rehkälbchens , das war sein Kissen , darauf es sanft einschlief . Und hätte das Brüderchen nur seine menschliche Gestalt gehabt , es wäre ein herrliches Leben gewesen .
Das dauerte nur eine Zeitlang , daß sie so allein in der Wildnis waren , da trug es sich zu , daß der König des Landes eine große Jagd in dem Wald hielt . Da schallte darin das Hörnerblasen , Hundegebell und das lustige Geschrei der Jäger ,
und das Rehlein hörte es , und wäre gar zu gerne dabei gewesen . ‘ Ach ,’ sprach es zum Schwesterlein , ‘ laß mich hinaus in die Jagd , ich kanns nicht länger mehr aushalten ,’ und bat so lange , bis es einwilligte . ‘ Aber ,’ sprach es zu ihm , ‘ komm mir ja Abends wieder , vor den wilden Jägern schließ ich mein Thürlein ; und damit ich dich kenne , so klopf und sprich mein Schwesterlein , laß mich herein : und wenn du nicht so sprichst , so schließ ich mein Thürlein nicht auf . ’ Nun sprang das Rehchen hinaus , und war ihm so wohl , und war so lustig in freier Luft . Der König und seine Jäger sahen das schöne Thier , und setzten ihm nach , aber sie konnten es nicht einholen , und wenn sie meinten , sie hätten es gewiß , da sprang es über das Gebüsch weg , und war verschwunden . Wies dunkel ward , lief es zu dem Häuschen , klopfte und sprach ‘ mein Schwesterlein , laß mich herein . ’ Da ward ihm die kleine Thüre aufgethan , es sprang hinein , und ruhte sich die ganze Nacht auf seinem weichen Lager aus . Am andern Morgen gieng die Jagd von neuem an , und als das Rehlein wieder das Hüfthorn hörte und das ho , ho ! der Jäger , da hatte es keine Ruhe , und sprach ‘Schwesterchen , mach mir auf , ich muß hinaus . ’ Das Schwesterchen öffnete ihm die Thüre , und sprach ‘ aber zu Abend mußt du wieder da seyn , und dein Sprüchlein sagen . ’ Als der König und seine Jäger das Rehlein mit dem goldenen Halsband wieder sahen , jagten sie ihm alle nach , aber es war ihnen zu schnell und behend . Das währte den ganzen Tag ; endlich aber hatten es die Jäger Abends umzingelt , und einer verwundete es ein
wenig am Fuß , so daß es hinken mußte , und langsam fortlief . Da schlich ihm ein Jäger nach bis zu dem Häuschen , und hörte wie es rief ‘ mein Schwesterlein , laß mich herein ,’ und sah daß die Thüre ihm aufgethan und alsbald wieder zugeschlossen wurde . Der Jäger behielt das alles wohl im Sinn , gieng zum König , und erzählte ihm was er gesehn und gehört hatte . Da sprach der König ‘ morgen soll noch einmal gejagt werden .’
Das Schwesterchen aber war recht erschrocken , als das Rehkälbchen verwundet herein kam ; es wusch ihm das Blut ab , legte Kräuter auf , und sprach ‘geh auf dein Lager , lieb Rehchen , daß du wieder heil wirst . ’ Die Wunde war aber so gering , daß das Rehchen am Morgen nichts mehr davon spürte ; und als es die Jagdlust wieder draußen hörte , sprach es ‘ ich kanns nicht aushalten , ich muß dabei seyn ; so bald soll mich auch keiner kriegen . ’ Das Schwesterchen weinte , und sprach ‘ nun werden sie dich tödten , ich laß dich nicht hinaus . ’ ‘ So sterb ich dir hier vor Betrübnis , wenn du mich abhältst ,’ antwortete es ‘ wenn ich das Hüfthorn höre , so mein ich , ich müßt aus den Schuhen springen ! ’ Da konnte das Schwesterchen nicht anders , und schloß ihm mit schwerem Herzen die Thüre auf , und das Rehchen sprang gesund und fröhlich in den Wald . Als es der König erblickte , sprach er zu seinen Jägern ‘ nun jagt ihm nach den ganzen Tag bis in die Nacht , aber daß ihm keiner etwas zu Leide thut . ’ Wie die Sonne untergegangen war , da sprach der König zum Jäger ‘ nun komm , und zeig mir das
Waldhäuschen . ’ Und als er vor dem Thürlein war , klopfte er an , und rief ‘lieb Schwesterlein , laß mich herein . ’ Da gieng die Thür auf , und der König trat hinein , und da stand ein Mädchen , das war so schön wie er noch keins gesehen hatte . Das Mädchen aber war erschrocken daß nicht sein Rehlein sondern ein König mit goldener Krone hereingekommen war . Aber der König sah es freundlich an , reichte ihm die Hand , und sprach ‘willst du mit mir gehen auf mein Schloß , und meine liebe Frau werden ? ’ ‘ Ach ja ,’ antwortete das Mädchen , ‘ aber das Rehchen muß auch mit , das verlaß ich nicht . ’ Sprach der König ‘ es soll bei dir bleiben , so lange du lebst , und soll ihm an nichts fehlen . ’ Jndem kam es hereingesprungen , da band es das Schwesterchen wieder an das Binsenseil , nahm es selbst in die Hand , und gieng mit ihm zum Waldhäuschen hinaus .
Der König führte das schöne Mädchen in sein Schloß , wo die Hochzeit mit großer Pracht gefeiert wurde , und war es nun die Frau Königin , und lebten sie lange Zeit vergnügt zusammen ; das Rehlein ward gehegt und gepflegt , und sprang in dem Schloßgarten herum . Die böse Stiefmutter aber , um derentwillen die Kinder in die Welt hinein gegangen waren , die meinte nicht anders , als Schwesterchen wäre von den wilden Thieren im Walde zerrissen worden , und Brüderchen als ein Rehkalb von den Jägern todt geschossen . Als sie nun hörte daß sie so glücklich waren , und es ihnen so wohl gieng , da wurden Neid und Mißgunst in ihrem Herzen rege , und zwickten und nagten daran , und sie hatte keinen andern Gedanken , als
wie sie die beiden doch noch ins Unglück bringen könnte . Jhre rechte Tochter , die häßlich war wie die Nacht , und nur ein Auge hatte , die machte ihr Vorwürfe und sprach ‘ eine Königin zu werden , das Glück hätte mir gebührt . ’ ‘ Sei nur still ,’ sagte die Alte und sprach sie zufrieden , ‘ wenn ’s Zeit ist , will ich schon bei der Hand feyn . ’ Als nun die Zeit heran gerückt war , und die Königin ein schönes Knäbchen zur Welt gebracht hatte , und der König gerade auf der Jagd war , da nahm die alte Hexe die Gestalt der Kammerfrau an , trat in die Stube , wo die Königin lag , und sprach zu der Kranken ‘ kommt , das Bad ist fertig , das soll euch wohlthun und stärken ; geschwind , eh es kalt wird . ’ Jhre Tochter war auch bei der Hand , und sie trugen die schwache Königin in die Badstube , legten sie hinein , giengen schnell fort , und schlossen die Thüre ab . Jn der Badstube aber hatten sie ein rechtes Höllenfeuer angemacht , daß die schöne junge Königin bald ersticken mußte .
Als das geschehen war , nahm die Alte ihre Tochter , und setzte ihr eine Haube auf , und legte sie ins Bett an der Königin Stelle . Sie gab ihr auch die Gestalt und das Ansehen der Königin , nur das verlorene Auge konnte sie ihr nicht wieder geben . Damit aber der König es nicht merken sollte , mußte sie sich auf die Seite legen , wo sie kein Auge hatte . Am Abend , als der König heim kam , und hörte daß ihm ein Söhnlein geboren war , freute er sich herzlich , und wollte ans Bett zu seiner lieben Frau gehen , und wollte sehen was sie machte . Da rief die Alte geschwind ‘ bei Leibe , laßt die Vorhänge zu , die Königin
darf noch nicht ins Licht sehen , und muß Ruhe haben . ’ Der König gieng zurück , und wußte nicht daß eine falsche Königin im Bette lag .
Als es aber Mitternacht war und alles schlief , da sah die Kinderfrau , die in der Kinderstube neben der Wiege saß , und allein noch wachte , wie die Thüre aufgieng , und die rechte Königin herein trat . Sie nahm das Kind aus der Wiege , legte es in ihren Arm , und gab ihm zu trinken . Dann schüttelte sie ihm sein Kißchen , und legte es wieder hinein , und deckte es mit dem Deckbettchen zu . Sie vergaß aber auch das Rehchen nicht , gieng in die Ecke , wo es lag , und streichelte ihm über den Rücken . Darauf gieng sie ganz stillschweigend wieder zur Thüre hinaus , und die Kinderfrau fragte am andern Morgen die Wächter ob jemand während der Nacht ins Schloß gegangen wäre ; aber sie antworteten ‘ nein , wir haben niemand gesehen .’ So kam sie viele Nächte , und sprach niemals ein Wort dabei ; die Kinderfrau sah sie immer , aber sie getraute nicht jemand etwas davon zu sagen .
Als nun so eine Zeit verflossen war , da hub die Königin in der Nacht an zu reden und sprach
‘ was macht mein Kind ? was macht mein Reh ?
Nun komm ich noch zweimal und dann nimmermehr .’
Die Kinderfrau antwortete ihr nicht , aber als sie wieder verschwunden war , gieng sie zum König und erzählte ihm alles . Sprach der König ‘ Ach Gott , was ist das ! ich will in der nächsten Nacht bei dem Kinde wachen . ’ Abends gieng er auch
in die Kinderstube , aber um Mitternacht erschien die Königin wieder und sprach
‘ was macht mein Kind ? was macht mein Reh ?
Nun komm ich noch einmal und dann nimmermehr .’
Und pflegte dann des Kindes , wie sie gewöhnlich that , eh sie verschwand . Der König getraute sich nicht sie anzureden ; aber die folgende Nacht wachte er wieder , da sprach sie abermals
‘ was macht mein Kind ? was macht mein Reh ?
Nun komm ich noch diesmal und dann nimmermehr .’
Da konnte sich der König nicht zurückhalten , sprang zu ihr , und sprach ‘ du kannst niemand anders sein , als meine liebe Frau . ’ Da antwortete sie ‘ja , ich bin deine liebe Frau ,’ und hatte in dem Augenblick durch Gottes Gnade das Leben wieder erhalten , war frisch , roth und gesund . Darauf erzählte sie dem König den Frevel , den die böse Hexe und ihre Tochter an ihr begangen hatten . Der König ließ beide vor Gericht führen , und sie wurden verurtheilt ; die Tochter ward in Wald geführt , wo sie die wilden Thiere zerrissen , wie sie sie erblickten ; die Hexe aber ward ins Feuer gelegt , und mußte jammervoll verbrennen . Und wie sie davon verzehrt war , verwandelte sich auch das Rehkälbchen , und erhielt seine menschliche Gestalt wieder ; und Schwesterchen und Brüderchen lebten glücklich zusammen bis an ihr Ende .
12.
Rapunzel .
E s war einmal ein Mann und eine Frau , die wünschten sich schon lange vergeblich ein Kind , endlich machte sich die Frau Hoffnung der liebe Gott werde ihren Wunsch erfüllen . Die Leute hatten in ihrem Hinterhaus ein kleines Fenster , daraus konnte man in einen prächtigen Garten sehen , der voll der schönsten Blumen und Kräuter stand , er war aber von einer hohen Mauer umgeben , und niemand wagte hinein zu gehen , weil er einer Zauberin gehörte , die große Macht hatte , und von aller Welt gefürchtet wurde . Eines Tags stand die Frau an diesem Fenster , und sah in den Garten hinab , da erblickte sie ein Beet , das mit den schönsten Rapunzeln bepflanzt war , und sie sahen so frisch und grün aus , daß sie lüstern wurde , und das größte Verlangen empfand von den Rapunzeln zu essen . Das Verlangen nahm jeden Tag zu , und da sie wußte daß sie keine davon bekommen konnte , so fiel sie ganz ab , sah blaß und elend aus . Da erschrack der Mann , und fragte ‘ was fehlt dir liebe Frau ? ’ ‘ Ach ,’ antwortete sie , ‘ wenn ich keine Rapunzeln aus dem Garten hinter unserm Hause zu essen kriege , so sterbe ich . ’ Der Mann , der sie gar lieb hatte , dachte ‘ eh du deine Frau sterben lässest , holst du ihr von den Rapunzeln , es mag kosten was es will . ’
Jn der Abenddämmerung stieg er also über die Mauer in den Garten der Zauberin , stach in aller Eile eine Hand voll Rapunzeln , und brachte sie seiner Frau . Sie machte sich sogleich Salat daraus , und aß sie in voller Begierde auf . Sie hatten ihr aber so gut , so gut geschmeckt daß sie den andern Tag noch dreimal so viel Lust bekam . Sollte sie Ruhe haben , so mußte der Mann noch einmal in den Garten steigen . Er machte sich also in der Abenddämmerung wieder hinab , als er aber die Mauer herabgeklettert war , erschrack er gewaltig , denn er sah die Zauberin vor sich stehen . ‘ Wie kannst du es wagen ,’ sagte sie zornig , ‘ in meinen Garten wie ein Dieb zu kommen , und mir meine Rapunzeln zu stehlen ? ’ ‘ Ach ,’ antwortete er , ‘ ungern habe ich mich dazu entschlossen , und nur aus Noth : meine Frau hat eure Rapunzeln aus dem Fenster erblickt , und hat ein so großes Gelüsten danach , daß sie sterben würde wenn sie nicht davon zu essen bekäme . ’ Da ließ die Zauberin in ihrem Zorne nach , und sprach zu dem Mann ‘ verhält es sich so , wie du sagst , so will ich dir gestatten Rapunzeln mitzunehmen so viel du willst , allein ich mache eine Bedingung : du mußt mir das Kind geben , das deine Frau zur Welt bringen wird . Es soll ihm gut gehen , und ich will für es sorgen wie eine Mutter . ’ Der Mann sagte in der Angst alles zu , und als die Frau in Wochen kam , so erschien gleich die Zauberin , gab dem Kind den Namen Rapunzel , und nahm es mit sich fort .
Rapunzel wurde das schönste Kind unter der Sonne . Als es zwölf Jahr alt war schloß es die Zauberin in einen Thurm , der in einem Walde lag , und weder Treppe noch Thüre hatte ,
nur ganz oben war ein kleines Fensterchen . Wenn die Zauberin hinein wollte , so stellte sie sich unten hin , und rief
‘Rapunzel , Rapunzel ,
laß mir dein Haar herunter .’
Rapunzel hatte lange prächtige Haare , fein wie gesponnen Gold . Wenn sie nun die Stimme der Zauberin vernahm , so band sie ihre Zöpfe los , wickelte sie oben um einen Fensterhacken , und dann fielen die Haare zwanzig Ellen tief herunter , und die Zauberin stieg daran hinauf .
Nach ein paar Jahren trug es sich zu , daß der Sohn des Königs durch den Wald ritt , und an dem Thurm vorüber kam . Da hörte er einen Gesang , der war so lieblich , daß er still hielt , und horchte . Das war Rapunzel , die in ihrer Einsamkeit sich die Zeit damit vertrieb , ihre süße Stimme erschallen zu lassen . Der Königssohn suchte vergeblich nach einer Thüre des Thurms , der Gesang hatte ihm aber so sehr das Herz gerührt , daß er jeden Tag hinaus in den Wald gieng und darauf horchte . Als er einmal so hinter einem Baume stand , sah er die Zauberin herankommen , und hörte wie sie hinauf rief
‘Rapunzel , Rapunzel ,
laß dein Haar herunter .’
Da ließ Rapunzel die Haarflechten herab , und die Zauberin stieg zu ihr hinauf . ‘Jst das die Leiter , auf welcher man hinauf kommt ,’ sprach der Königssohn , ‘ so will ich auch einmal mein Glück versuchen . ’ Und den folgenden Tag , als es anfieng dunkel zu werden , gieng er zu dem Thurme , und rief
‘Rapunzel , Rapunzel ,
laß dein Haar herunter .’
Alsbald fielen die Haare herab , und der Königssohn stieg hinauf .
Anfangs erschrack Rapunzel gewaltig als ein Mann zu ihr herein kam , wie ihre Augen noch nie einen erblickt hatten , doch der Königssohn fieng an ganz freundlich mit ihr zu reden , und erzählte ihr daß von ihrem Gesang sein Herz so sehr sei bewegt worden , daß es ihm keine Ruhe gelassen , und er sie selbst habe sehen müssen . Da verlor Rapunzel ihre Angst , und als er sie fragte ob sie ihn zum Manne nehmen wolle , und sie sah daß er jung und schön war , so dachte sie ‘ der wird mich lieber haben als die alte Frau Gothel , ’ und sagte ja , und reichte ihm ihre Hand . Sie verabredeten daß er alle Abend zu ihr kommen sollte , aber die Zauberin , die nur bei Tage kam , merkte nichts davon , bis einmal Rapunzel anfieng und zu ihr sagte ‘ sag sie mir doch , Frau Gothel , wie kommt es nur , sie wird mir viel schwerer heraufzuziehen , als der junge Königssohn , der ist in einem Augenblick bei mir . ’ ‘ Ach du gottloses Kind ,’ rief die Zauberin ‘ was muß ich von dir hören , so hast du mich doch betrogen ! ’ Und in ihrem Zorne packte sie die schönen Haare der Rapunzel , schlug sie ein paar Mal um ihre linke Hand , griff eine Scheere mit der rechten , und ritsch , ritsch , waren sie abgeschnitten , und die schönen Flechten lagen auf der Erde . Und sie war so unbarmherzig daß sie die arme Rapunzel in eine Wüstenei brachte , wo sie in großem Jammer und Elend leben mußte .
Denselben Tag aber , wo sie Rapunzel verstoßen hatte ,
machte die Zauberin Abends die abgeschnittenen Haare oben am Fensterhacken fest , und als der Königssohn kam und rief
‘Rapunzel , Rapunzel ,
laß dein Haar herunter’
so ließ sie die Haare hinab , aber der arme Königssohn fand oben nicht seine liebste Rapunzel , sondern die Zauberin , die ihn mit bösen und giftigen Blicken ansah , und zu ihm sprach ‘ für dich ist Rapunzel verloren , du wirst sie nie wieder erblicken .’ Der Königssohn gerieth außer sich vor Schmerz , und in der Verzweiflung stürzte er sich den Thurm herab : das Leben brachte er davon , aber die beiden Augen waren verletzt . Blind irrte er im Walde umher , aß nichts als Wurzeln und Beeren , und that nichts als jammern und weinen über den Verlust seiner liebsten Frau . So irrte er einige Jahre umher , und gerieth endlich in die Wüstenei , wo Rapunzel mit den Zwillingen , die sie geboren hatte , einem Knaben und Mädchen , kümmerlich lebte . Er vernahm eine Stimme , und sie däuchte ihn so bekannt : da gieng er darauf zu , und wie er heran kam , erkannte ihn Rapunzel , und fiel ihm um den Hals und weinte . Zwei von ihren Thränen aber benetzten seine Augen , da wurden sie wieder klar , und er konnte damit sehen wie sonst . Er führte sie in sein Reich , und sie lebten noch lange glücklich und vergnügt .
13.
Die drei Männlein im Walde .
E s war ein Mann , dem starb seine Frau , und eine Frau , der starb ihr Mann ; und der Mann hatte eine Tochter , und die Frau hatte auch eine Tochter . Die Mädchen waren mit einander bekannt , und giengen zusammmen spazieren , und kamen hernach zu der Frau ins Haus . Da sprach sie zu des Mannes Tochter ‘ hör , sag deinem Vater , ich wollt ihn heirathen , dann sollst du jeden Morgen dich in Milch waschen und Wein trinken , meine Tochter aber soll sich in Wasser waschen und Wasser trinken .’ Das Mädchen gieng nach Haus , und erzählte seinem Vater was die Frau gesprochen hatte . Der Mann sprach ‘ was soll ich thun ? das Heirathen ist eine Freude und ist auch eine Qual . ’ Endlich , weil er keinen Entschluß fassen konnte , zog er seinen Stiefel aus , und sagte ‘ nimm diesen Stiefel , der hat in der Sohle ein Loch , geh damit auf den Boden , häng ihn an den großen Nagel , und gieß dann Wasser hinein . Hält er das Wasser , so will ich wieder eine Frau nehmen , läufts aber durch , so will ich nicht . ’ Das Mädchen that wie ihm geheißen war : aber das Wasser zog das Loch zusammen , und der Stiefel ward voll bis obenhin . Nun verkündigte es seinem Vater wies angefallen war ; er stieg selbst hinauf , und als er sah
daß es seine Richtigkeit hatte , gieng er zu der Wittwe und freite sie , und die Hochzeit ward gehalten .
Am andern Morgen , als die beiden Mädchen sich aufmachten , da stand vor des Mannes Tochter Milch zum Waschen und Wein zum Trinken , vor der Frau Tochter aber stand Wasser zum Waschen und Wasser zum Trinken . Am zweiten Morgen stand Wasser zum Waschen und Wasser zum Trinken so gut vor des Mannes Tochter als vor der Frau Tochter . Und am dritten Morgen stand Wasser zum Waschen und Wasser zum Trinken vor des Mannes Tochter , und Milch zum Waschen und Wein zum Trinken vor der Frau Tochter , und dabei bliebs . Die Frau ward ihrer Stieftochter spinnefeind , und wußte nicht wie sie es ihr von einem Tag zum andern schlimmer machen sollte . Auch war sie neidisch , weil ihre Stieftochter schön und lieblich , ihre rechte Tochter aber häßlich und widerlich war .
Einmal im Winter , als es steinhart gefroren hatte , und Berg und Thal vollgeschneit lag , machte die Frau ein Kleid von Papier , rief dann das Mädchen , und sprach ‘ da zieh das Kleid an , und geh in den Wald , und hol mir ein Körbchen voll Erdbeeren , ich habe Lust danach . ’ ‘ Du lieber Gott ,’ sagte das Mädchen , ‘ im Winter wachsen ja keine Erdbeeren , die Erde ist gefroren , und der Schnee hat auch alles zugedeckt . Wie soll ich in dem Papierkleide gehen ? es ist draußen so kalt , daß einem der Athem friert , da weht ja der Wind hindurch , und die Dornen reißen mirs vom Leib . ’ ‘Willst du mir noch widersprechen ? ’ sagte die Stiefmutter , ‘ mach daß du fortkommst , und
laß dich nicht eher wieder sehen als bis du das Körbchen voll Erdbeeren hast . ’ Dann gab sie ihm noch ein Stückchen hartes Brot , und sprach ‘ davon kannst du für den Tag essen ,’ und dachte ‘draußen wirds erfrieren und verhungern , und mir nimmermehr wieder vor die Augen kommen .’
Nun war das Mädchen gehorsam , that das Papierkleid an , und gieng mit dem Körbchen hinaus . Da war nichts als Schnee die Weite und Breite , und war kein grünes Hälmchen zu merken . Als es in den Wald kam , sah es ein kleines Häuschen , daraus guckten drei kleine Haulemännerchen , denen wünschte es die Tageszeit , und klopfte an der Thüre . Sie riefen herein , und es gieng in die Stube , und setzte sich auf die Bank am Ofen , da wollte es sich wärmen und sein Frühstück essen . Die Haulemännerchen sprachen ‘ gieb uns auch etwas davon . ’ ‘ Gerne ’ sprach es , theilte sein Stückchen Brot entzwei , und gab ihnen die Hälfte . Sie fragten ‘ was willst du zur Winterzeit in deinem dünnen Kleidchen hier im Wald ? ’ ‘ Ach ,’ antwortete es , ‘ ich soll ein Körbchen voll Erdbeeren suchen , und darf nicht eher nach Hause kommen , als bis ich es mitbringe . ’ Als es nun sein Brot gegessen hatte , gaben sie ihm einen Besen , und sprachen ‘ damit kehre an der Hinterthüre den Schnee weg .’ Wie es aber draußen war , sprachen die drei Männerchen untereinander ‘ was sollen wir ihm schenken , weil es so artig und gut ist , und sein Brot mit uns getheilt hat ? ’ Da sagte der erste ‘ ich schenk ihm daß es jeden Tag schöner wird . ’ Der zweite sprach ‘ ich schenk ihm daß die Goldstücke ihm aus dem Mund fallen , so oft es
ein Wort spricht . ’ Der dritte sprach ‘ ich schenke ihm daß ein König kommt , und es zu seiner Gemahlin macht .’
Das Mädchen aber kehrte mit dem Besen der Haulemännerchen den Schnee hinter dem kleinen Hause weg , und fand darunter alles roth von schönen reifen Erdbeeren . Da raffte es in seiner Freude sein Körbchen voll , dankte den kleinen Männern , nahm Abschied von ihnen , und lief nach Haus , und wollte es der Stiefmutter bringen . Und wie es eintrat und ‘ guten Abend ’ sagte , fiel ihm schon ein Goldstück aus dem Mund . Darauf erzählte es was ihm im Walde begegnet war , aber bei jedem Worte , das es sprach , fielen ihm die Goldstücke aus dem Mund so daß bald die ganze Stube damit bedeckt wurde . ‘ Nun sehe einer den Uebermuth ,’ sagte die Stiefschwester , ‘ das Geld so hinzuwerfen ,’ aber heimlich war sie neidisch darüber , und lag der Mutter beständig an daß sie es auch in den Wald schicken möchte . Die Mutter wollte aber nicht , und sprach ‘nein , mein liebes Töchterchen , es ist zu kalt , du könntest mir erfrieren . ’ Weil es sie aber plagte , und ihr keine Ruhe ließ , gab sie endlich nach , nähte ihm aber vorher einen prächtigen Pelzrock , den es anziehen mußte , und gab ihm Butterbrot und Kuchen mit auf den Weg .
Das Mädchen gieng in den Wald und gerade nach dem kleinen Häuschen . Die drei kleinen Haulemänner guckten wieder , aber es grüßte sie nicht , gieng geradezu in die Stube hinein , setzte sich an den Ofen , und fieng an sein Butterbrot und seinen Kuchen zu essen . ‘Gieb uns doch davon’ riefen die Kleinen ,
aber es antwortete ‘ es schickt mir selber nicht , wie kann ich andern noch davon abgeben ? ’ Als es nun fertig war mit dem Essen , sprachen sie ‘ da hast du einen Besen , kehr uns draußen vor der Hinterthür rein . ’ ‘ Ei , kehrt euch selber ,’ antwortete es , ‘ ich bin eure Magd nicht . ’ Wie es sah daß sie ihm nichts schenken wollten , gieng es zur Thüre hinaus . Da sprachen die kleinen Männer untereinander ‘ was sollen wir ihm schenken , weil es so unartig ist , und ein böses neidisches Herz hat , das niemand etwas gönnt ? ’ Der erste sprach ‘ ich schenk ihm daß es jeden Tag häßlicher wird . ’ Der zweite sprach ‘ ich schenk ihm daß ihm bei jedem Wort , das es spricht , eine Kröte aus dem Mund springt . ’ Der dritte sprach ‘ ich schenk ihm daß es eines unglücklichen Todes stirbt . ’ Das Mädchen suchte draußen nach Erdbeeren , als es aber keine fand , gieng es verdrießlich nach Haus . Und wie es den Mund aufthat , und seiner Mutter erzählen wollte was ihm im Walde begegnet war , da sprang ihm bei jedem Wort eine Kröte aus dem Mund , so daß alle einen Abscheu vor ihm bekamen .
Nun ärgerte sich die Stiefmutter noch viel mehr , und dachte nur darauf wie sie der Tochter des Mannes alles Herzeleid anthun wollte , deren Schönheit doch alle Tage größer ward . Endlich nahm sie einen Kessel , setzte ihn zum Feuer , und sott Garn darin . Als es gesotten war , gab sie es dem armen Mädchen und eine Axt dazu , damit sollte es auf den gefrornen Fluß gehen , ein Eisloch hauen , und das Garn schlittern . Nun war es gehorsam , gieng hin , und haute ein Loch , und als es mitten
im Hauen war , kam ein prächtiger Wagen hergefahren , worin der König saß . Er hielt still , und fragte ‘ mein Kind , wer bist du , und was machst du da ? ’ ‘Jch bin ein armes Mädchen , und schlittere Garn . ’ Da fühlte der König Mitleiden , und als er sah wie es so gar schön war , sprach er ‘ willst du mit mir fahren ? ’ ‘ Ach ja , von Herzen gern ,’ antwortete es , denn es war froh daß es der Mutter und Schwester aus den Augen kommen sollte .
Also stieg es in den Wagen , und fuhr mit dem König fort , und als sie auf sein Schloß gekommen waren , ward die Hochzeit mit großer Pracht gefeiert , wie es die kleinen Männlein dem Mädchen geschenkt hatten . Ueber ein Jahr gebar die junge Königin einen Sohn , und als die Stiefmutter von dem großen Glücke gehört hatte , so kam sie mit ihrer Tochter gegangen , und that als wollte sie einen Besuch machen . Als aber der König einmal hinaus gegangen und sonst niemand zugegen war , packte das böse Weib die Königin am Kopf , und ihre Tochter an den Füßen , hoben sie aus dem Bett , und warfen sie zum Fenster hinaus in den vorbei fließenden Strom . Dann nahm sie ihre häßliche Tochter , legte sie ins Bett , und deckte sie zu bis über den Kopf . Als der König wieder zurück kam und mit seiner Frau sprechen wollte , rief die Alte ‘ still , still , jetzt geht das nicht , sie liegt in starkem Schweiß , ihr müßt sie heute ruhen lassen . ’ Der König dachte nichts Böses dabei , und kam erst den andern Morgen wieder , und wie er mit seiner Frau sprach , und sie ihm antworten mußte , sprang bei jedem
Wort eine Kröte hervor , während sonst ein Goldstück herausgefallen war . Da fragte er was das wäre , aber die Alte sprach das hätte sie von dem starken Schweiß gekriegt , und würde sich schon wieder verlieren .
Jn der Nacht aber sah der Küchenjunge wie eine Ente durch die Gosse geschwommen kam , die sprach
‘König , was machst du ?
schläfst du , oder wachst du ? ’
Und als er keine Antwort gab , sprach sie
‘ was machen meine Gäste ?’
Da antwortete der Küchenjunge
‘ sie schlafen feste .’
Fragte sie weiter
‘ was macht mein Kindelein ? ’
Antwortete er
‘ es schläft in der Wiege fein .’
Da gieng sie in der Königin Gestalt hinauf , gab ihm zu trinken , schüttelte ihm sein Bettchen , deckte es zu , und schwamm als Ente wieder durch die Gosse fort . So kam sie zwei Nächte , in der dritten sprach sie zu dem Küchenjungen ‘geh und sage dem König daß er sein Schwert nimmt , und auf der Schwelle dreimal über mir schwingt . ’ Da lief der Küchenjunge , und sagte es dem König , der kam mit seinem Schwert , und schwang es dreimal über dem Geist ; und beim drittenmal stand seine Gemahlin vor ihm , frisch , lebendig und gesund , wie sie vorher gewesen war .
Nun war der König in großer Freude , und hielt die Königin in einer Kammer verborgen bis auf den Sonntag , wo das Kind getauft werden sollte . Und als es getauft war , sprach er ‘ was gehört einem Menschen , der den andern aus dem Bett trägt und ins Wasser wirft ? ’ ‘ Nichts besseres ,’ antwortete die Alte , ‘ als daß man den Bösewicht in ein Faß steckt , das mit Nägeln ausgeschlagen ist , und den Berg hinab ins Wasser rollt . ’ Da ließ der König ein solches Faß holen , und die Alte mit ihrer Tochter hineinstecken , dann ward der Boden zugehämmert , und das Faß bergab gekullert , bis es in den Fluß rollte .
14.
Die drei Spinnerinnen .
E s war ein Mädchen faul und wollte nicht spinnen , und die Mutter mochte sagen was sie wollte , sie konnte es nicht dazu bringen . Endlich übernahm die Mutter einmal Zorn und Ungeduld , daß sie ihm Schläge gab , worüber es laut zu weinen aufieng . Nun fuhr gerade die Königin vorbei , und als sie das Weinen hörte , ließ sie anhalten , trat in das Haus , und fragte die Mutter , warum sie ihre Tochter schlüge , daß man draußen auf der Straße das Weinen hörte . Da schämte sich die Frau daß sie die Faulheit ihrer Tochter offenbaren sollte , und sprach ‘ ich kann sie nicht vom Spinnen abbringen , sie will immer und ewig spinnen , und ich bin arm und kann den Flachs nicht herbeischaffen . ’ Da antwortete die Königin ‘ ich höre nichts lieber als spinnen , und bin nicht vergnügter als wenn die Räder schnurren ; gebt mir eure Tochter mit ins Schloß , ich habe Flachs genug , da soll sie spinnen so viel sie Lust hat . ’ Die Mutter wars von Herzen gerne zufrieden , und die Königin nahm das Mädchen mit . Als sie ins Schloß gekommen waren , führte sie es hinauf zu drei Kammern , die lagen von unten bis oben voll vom schönsten Flachs . ‘ Nun spinn mir diesen Flachs ,’ sprach sie , ‘ und wenn du es fertig bringst , so sollst du meinen
ältesten Sohn zum Gemahl haben ; bist du gleich arm , so acht ich nicht darauf , dein unverdroßner Fleiß ist Ausstattung genug . ’ Das Mädchen erschrack innerlich , denn es konnte den Flachs nicht spinnen , und wärs dreihundert Jahr alt geworden , und hätte jeden Tag von Morgen bis Abend dabei gesessen . Als es nun allein war , fieng es an zu weinen , und saß so drei Tage ohne die Hand zu rühren . Am dritten Tage kam die Königin , und als sie sah daß noch nichts gesponnen war , verwunderte sie sich , aber das Mädchen entschuldigte sich damit , daß es vor großer Betrübnis über die Entfernung aus seiner Mutter Hause noch nicht hätte anfangen können . Das ließ sich die Königin gefallen , sagte aber beim Weggehen ‘morgen mußt du mir anfangen zu arbeiten .’
Als nun das Mädchen wieder allein war , wußte es sich nicht mehr zu rathen und zu helfen , und trat in seiner Betrübnis vor das Fenster . Da sah es drei Weiber herkommen , davon hatte die erste einen breiten Platschfuß , die zweite hatte eine so große Unterlippe , daß sie über das Kinn herunterhing , und die dritte hatte einen breiten Daumen . Als sie vor dem Fenster waren , blieben sie stehen , schauten hinauf , und fragten das Mädchen was ihm fehlte . Es klagte ihnen seine Noth , da trugen sie ihm ihre Hülfe an , und sprachen ‘willst du uns zur Hochzeit einladen , dich unser nicht schämen , und uns deine Basen heißen , auch an deinen Tisch setzen , so wollen wir dir den Flachs wegspinnen , und das in kurzer Zeit . ’ ‘ Von Herzen gern ,’ antwortete es , ‘ kommt nur herein , und fangt gleich die Arbeit
an .’ Da ließ es die drei seltsamen Weiber herein , und machte in der ersten Kammer eine Lücke , wo sie sich hinein setzten , und ihr Spinnen anhuben . Die eine zog den Faden und trat das Rad ; die andere netzte den Faden , die dritte drehte ihn , und schlug mit dem Finger auf den Tisch , und so oft sie schlug , fiel eine Zahl Garn zur Erde , und das war aufs feinste gesponnen . Vor der Konigin verbarg sie die drei Spinnerinnen , und zeigte ihr , so oft sie kam , die Menge des gesponnenen Garns , daß diese des Lobes kein Ende fand . Als die erste Kammer leer war , giengs an die zweite , endlich an die dritte , und die war auch bald zu Ende . Nun nahmen die drei Weiber Abschied , und sagten zum Mädchen ‘ vergiß nicht , was du uns versprochen hast : es wird dein Glück seyn .’
Als das Mädchen der Königin die leeren Kammern und den großen Haufen Garn zeigte , richtete sie die Hochzeit aus , und der Bräutigam freute sich daß er eine so geschickte und fleißige Frau bekäme , und lobte sie gar sehr . ‘ Jch habe drei Basen ,’ sprach das Mädchen , ‘ da sie mir viel Gutes gethan haben , so wollte ich sie nicht gern in meinem Glück vergessen : erlaubt doch daß ich sie zu der Hochzeit einlade , und daß sie mit an dem Tisch sitzen . ’ Die Königin und der Bräutigam gaben gern ihre Einwilligung . Als nun das Fest anhub , traten die drei Jungfern in wunderlicher Tracht herein , und die Braut sprach ‘ seyd willkommen , liebe Basen . ’ ‘ Ach ,’ sagte der Bräutigam , ‘ wie kommst du zu der garstigen Freundschaft ? ’ Darauf gieng er zu der einen mit dem breiten Platschfuß , und fragte
‘ wovon habt ihr einen solchen breiten Fuß ? ’ ‘ Vom Treten ,’ antwortete sie , ‘ vom Treten . ’ Da gieng der Bräutigam zur zweiten , und sprach ‘ wovon habt ihr nur die herunterhängende Lippe ? ’ ‘ Vom Lecken ,’ antwortete sie , ‘ vom Lecken . ’ Da fragte er die dritte ‘ wovon habt ihr den breiten Daumen ? ’ ‘ Vom Faden drehen ,’ antwortete sie , ‘ vom Faden drehen . ’ Da erschrack der Königssohn und sprach ‘ so soll mir nun und nimmermehr meine schöne Braut ein Spinnrad anrühren . ’ Damit war sie das böse Flachsspinnen los .
15.
Hänsel und Grethel .
V or einem großen Walde wohnte ein armer Holzhacker , der hatte wenig zu beißen und zu brechen , und kaum das tägliche Brot für seine Frau und seine zwei Kinder , Hänsel und Grethel . Endlich kam die Zeit , da konnte er auch das nicht schaffen , und wußte keine Hülfe mehr für seine Noth . Wie er sich nun Abends vor Sorge im Bett herumwälzte , sprach seine Frau zu ihm ‘ hör , Mann , morgen in aller Frühe nimm die beiden Kinder , gib jedem noch ein Stückchen Brot , und führe sie hinaus in den Wald , mitten inne , wo er am dicksten ist , da mach ihnen ein Feuer an , und dann geh weg , und laß sie dort allein : wir können sie nicht länger ernähren . ’ ‘Nein , Frau ,’ sagte der Mann , ‘ wie soll ich übers Herz bringen , meine eigenen lieben Kinder den wilden Thieren im Wald zu überliefern , die würden sie bald zerrissen haben . ‘ Wenn du das nicht thust ,’ sprach die Frau , so müssen wir alle miteinander Hungers sterben , ’ und ließ ihm keine Ruhe , bis er einwilligte .
Die zwei Kinder waren auch noch vor Hunger wach gewesen , und hatten mit angehört was die Stiefmutter zum Vater gesagt hatte . Grethel dachte ‘ nun ist es um mich geschehen , und fieng erbärmlich an zu weinen , Hänsel aber sprach ‘ sey
still , Grethel , und gräme dich nicht , ich will uns schon helfen .’ Damit stieg er auf , zog sein Röcklein an , machte die Unterthüre auf , und schlich hinaus . Da schien der Mond hell , und die weißen Kieselsteine glänzten wie lauter Batzen . Hänsel bückte sich , und steckte so viel in sein Rocktäschlein als nur hinein wollten , dann gieng er zurück ins Haus . ‘Tröste dich , Grethel , und schlaf nur ruhig’ sprach er , legte sich wieder ins Bett und schlief ein .
Morgens früh , ehe die Sonne noch aufgegangen war , kam die Frau und weckte die beiden Kinder , ‘steht auf , wir wollen in den Wald gehen . Da hat jedes von euch ein Stücklein Brot , aber haltets zu Rath , und hebts euch für den Mittag auf . ’ Grethel nahm das Brot unter die Schürze , weil Hänsel die Steine in der Tasche hatte , dann machten sie sich auf den Weg zum Wald hinein . Wie sie ein Weilchen gegangen waren , stand Hänsel still , und guckte nach dem Haus zurück , bald darauf wieder und immer wieder . Der Vater sprach ‘Hänsel , was guckst du da , und bleibst zurück , hab Acht und vergiß deine Beine nicht . ’ ‘ Ach , Vater , ich seh nach meinem weißen Kätzchen , das sitzt oben auf dem Dach und will mir Ade sagen . ’ Die Frau sprach ‘Narr , das ist dein Kätzchen nicht , das ist die Morgensonne , die auf den Schornstein scheint . ’ Hänsel aber hatte nicht nach dem Kätzchen gesehen , sondern immer einen von den blanken Kieselsteinen aus seiner Tasche auf den Weg geworfen .
Wie sie mitten in den Wald gekommen waren , sprach der
Vater ‘ nun sammelt Holz , ihr Kinder , ich will ein Feuer anmachen , daß wir nicht frieren . ’ Hänsel und Grethel trugen Reisig zusammen , einen kleinen Berg hoch . Da steckten sie es an , und wie die Flamme recht groß brannte , sagte die Frau ‘ nun legt euch ans Feuer und schlaft , wir wollen in dem Wald das Holz fällen : wartet bis wir wieder kommen , und euch abholen .’
Hänsel und Grethel saßen an dem Feuer bis zu Mittag , da aß jedes sein Stücklein Brot ; sie glaubten , der Vater wäre noch im Wald , weil sie die Schläge einer Axt hörten , aber das war ein Ast , den er an einen Baum gebunden hatte , und den der Wind hin und her schlug . Nun warteten sie bis zum Abend , aber Vater und Mutter blieben aus , und niemand wollte kommen und sie abholen . Wie es nun finstere Nacht wurde , fieng Grethel an zu weinen , Hänsel aber sprach ‘ wart nur ein Weilchen , bis der Mond aufgegangen ist . ’ Und als der Mond aufgegangen war , faßte er Grethel bei der Hand , da lagen die Kieselsteine , und schimmerten wie neugeschlagene Batzen , und zeigten ihnen den Weg . Da giengen sie die ganze Nacht durch , und wie es Morgen war , kamen sie wieder bei ihres Vaters Haus an . Der Vater freute sich als er seine Kinder wieder sah , denn es war ihm zu Herzen gegangen , wie er sie so allein gelassen hatte ; die Stiefmutter stellte sich auch als wenn sie sich freute heimlich aber war sie bös .
Nicht lange darnach war wieder kein Brot im Hause
und Hänsel und Grethel hörten wie Abends die Mutter zum Vater sagte ‘ einmal haben die Kinder den Weg znrückgefunden , und da habe ichs gut seyn lassen : aber jetzt ist wieder nichts als nur noch ein halber Laib Brot im Haus , du mußt sie morgen tiefer in den Wald führen , daß sie den Weg nicht zurück finden , es ist sonst keine Hülfe mehr für uns . ’ Dem Mann fiels schwer aufs Herz , und er dachte ‘ es wäre doch besser wenn du den letzten Bissen mit deinen Kindern theiltest ;’ weil er aber einmal eingewilligt hatte , so durfte er nicht nein sagen . Als die Kinder das Gespräch gehört hatten , stand Hänsel auf , und wollte wieder Kieselsteine auflesen , wie er aber an die Thüre kam , da hatte sie die Frau zugeschlossen . Doch tröstete er die Grethel , und sprach ‘schlaf nur , Grethel , der liebe Gott wird uns schon helfen .’
Morgens früh erhielten sie ihr Stücklein Brot , noch kleiner als das vorigemal . Auf dem Wege bröckelte es Hänsel in der Tasche , stand oft still , und warf ein Bröcklein an die Erde . ‘ Was bleibst du immer stehen , Hänsel , und guckst dich um ? ’ sagte der Vater , ‘ geh deiner Wege . ’ ‘Jch sehe nach meinem Täubchen , das sitzt auf dem Dach , und will mir Ade sagen . ’ ‘ Du Narr ,’ sagte die Stiefmutter , ‘ das ist dein Täubchen nicht , das ist die Morgensonne , die auf den Schornstein oben scheint . ’ Hänsel aber zerbröckelte all sein Brot , und warf die Bröcklein auf den Weg .
Die Frau führte sie noch tiefer in den Wald hinein , wo sie ihr Lebtag nicht gewesen waren , da sollten sie wieder bei
einem großen Feuer sitzen und schlafen , und Abends wollten die Eltern kommen und sie abholen . Zu Mittag theilte Grethel ihr Brot mit Hänsel , weil der seins all auf den Weg gestreut hatte , aber der Mittag vergieng , und der Abend vergieng , und niemand kam zu den armen Kindern . Hänsel tröstete die Grethel und sagte ‘wart , wenn der Mond aufgeht , dann seh ich die Bröcklein Brot , die ich ausgestreut habe , die zeigen uns den Weg nach Haus . ’ Der Mond gieng auf , wie aber Hänsel nach den Bröcklein sah , da waren sie weg : die viel tausend Vöglein in dem Wald , die hatten sie gefunden und aufgepickt . Hänsel meinte doch den Weg nach Haus noch zu finden , und zog die Grethel mit sich : aber sie verirrten sich in der großen Wildnis , und giengen die Nacht und den ganzen Tag , und schliefen endlich vor Müdigkeit ein . Sie gingen noch einen Tag von Morgen bis Abend , aber sie kamen nicht aus dem Wald heraus , und waren so hungrig , denn sie hatten nichts zu essen , als ein paar kleine Beeren , die auf der Erde standen .
Als sie am dritten Tage wieder bis zu Mittag gegangen waren , da kamen sie an ein Häuslein , das war ganz aus Brot gebaut , und war mit Kuchen gedeckt , und die Fenster waren von hellem Zucker . ‘ Da wollen wir uns niedersetzen , und uns satt essen ,’ sagte Hänsel , ‘ ich will vom Dach essen , iß du vom Fenster , Grethel , das ist recht süß für dich . ’ Wie nun Grethel an dem Zucker knuperte , rief drinnen eine feine Stimme
‘ knuper , knuper , kneischen ,
wer knupert an meinem Häuschen ?’
Die Kinder antworteten
‘ der Wind , der Wind ,
das himmlische Kind .’
Und aßen weiter . Grethel brach sich eine ganze runde Fensterscheibe heraus , und Hänsel riß sich ein großes Stück Kuchen vom Dach ab . Da gieng die Thüre auf , und eine steinalte Frau kam heraus geschlichen . Hänsel und Grethel erschraken so gewaltig , daß sie fallen ließen was sie in Händen hatten . Die Alte aber wackelte mit dem Kopf , und sagte ‘ei , ihr lieben Kinder , wo seid ihr denn hergelaufen , kommt herein mit mir , ihr sollts gut haben ,’ faßte beide an der Hand , und führte sie in ihr Häuschen . Da ward gutes Essen aufgetragen , Milch und Pfannkuchen mit Zucker , Aepfel und Nüsse , und dann wurden zwei schöne Bettlein bereitet : da legten sich Hänsel und Grethel hinein , und meinten sie wären im Himmel .
Die Alte aber war eine böse Hexe , die lauerte den Kindern auf , und hatte bloß um sie herbei zu locken ihr Brothäuslein gebaut , und wenn eins in ihre Gewalt kam , da machte sie es todt , kochte es und aß es , und das war ihr ein Festtag . Da lachte sie boshaft als Hänsel und Grethel ihr zugelaufen kamen . Früh , ehe sie noch erwacht waren , stand die Alte schon auf , gieng an ihr Bettlein , und wie sie die zwei Kinder so lieblich ruhen sah , da murmelte sie vor sich hin , ‘ das wird ein guter Bissen werden . ’ Darauf packte sie Hänsel , und steckte ihn in einen kleinen Stall , wie man junge Hühnlein einsperrt ; wie er nun aufwachte , war er von einem Gitter umschlossen , und konnte
nur ein paar Schritte gehen . Dann aber rüttelte sie die Grethel aus dem Schlaf , und rief ‘steh auf , du Faullenzerin , hol Wasser , und geh in die Küche , und koch was gutes zu Essen , dort steckt dein Bruder in einem Stall , den will ich erst fett machen , und wenn er fett ist , dann will ich ihn essen ; jetzt sollst du ihn füttern . ’ Grethel erschrack und weinte , mußte aber thun was die böse Hexe verlangte . Da ward nun alle Tage dem Hänsel das beste Essen gekocht , daß er fett werden sollte : Grethel aber bekam nichts , als die Krebsschalen . Jeden Morgen schlich die Alte herbei und sagte ‘Hänsel , streck deine Finger heraus , daß ich fühle ob du bald fett genug bist . ’ Hänsel streckte ihr aber immer statt des Fingers ein Knöchlein heraus : da verwunderte sie sich daß er so mager blieb , und gar nicht zunehmen wollte .
Nach vier Wochen sagte sie eines Abends zu Grethel ‘ sei flink , geh und trag Wasser herbei , dein Brüderchen mag nun fett sein oder nicht , morgen will ich es schlachten und sieden ; ich will derweile den Teig anmachen , daß wir auch dazu backen können . ’ Da gieng Grethel mit traurigem Herzen , und trug das Wasser , worin Hänsel sollte gesotten werden . Früh Morgens mußte Grethel aufstehen , Feuer anzünden , und den Kessel mit Wasser aufhängen . ‘ Gib nun Acht ,’ sagte die Hexe ‘ ich will Feuer in den Backofen machen , und das Brot hineinschieben . ’ Grethel stand in der Küche , und weinte blutige Thränen , und dachte ‘hätten uns lieber die wilden Thiere im Walde gefressen , so wären wir zusammen gestorben , und müßten nun nicht das Herzeleid tragen : und ich müßte nicht selber das
Wasser heiß machen zu dem Tode meines lieben Bruders : barmherziger Gott , hilf uns armen Kindern aus der Noth .’
Da rief die Alte ‘Grethel , komm her zu dem Backofen . ’ Wie Grethel kam , sagte sie ‘ guck hinein ob das Brot schon hübsch braun und gar ist , meine Augen sind schwach , ich kann nicht so weit sehen , und wenn du ’s auch nicht kannst , so setz dich auf das Brett , so will ich dich hineinschieben , da kannst du darin herum gehen und nachsehen . ’ Sobald aber Grethel darin war , wollte sie zumachen , und Grethel sollte in dem heißen Ofen backen , und dann wollte sie es auch aufessen . Da merkte das Mädchen , was sie im Sinn hatte , und sprach ‘ ich weiß nicht wie ich das aufangen soll , zeige mirs erst , und setz dich auf , ich will dich hineinschieben . ’ Da setzte sich die Alte auf das Brett , und weil sie leicht war , schob Grethel sie hinein so weit der Stiel an dem Brett reichte , und dann machte es geschwind die Thüre zu , und steckte den eisernen Riegel vor . Nun fieng die Alte an in dem heißen Backofen zu schreien und zu heulen ; Grethel aber lief fort , und die gottlose Hexe mußte elendiglich verbrennen .
Da lief Grethel zum Hänsel , machte ihm sein Thürchen auf , und rief ‘ spring heraus , Hänsel , wir sind erlöst . ’ Da sprang Hänsel heraus , wie ein eingesperrtes Vöglein aus dem Käfig springt , wenn ihm das Thürchen geöffnet wird . Und sie weinten vor Freude , und küßten einander herzlich . Das ganze Häuschen aber war voll von Edelsteinen und Perlen , damit füllten sie ihre Taschen , giengen fort , und suchten den Weg
nach Haus . Sie kamen aber vor ein großes Wasser , und konnten nicht hinüber . Da sah das Schwesterchen ein weißes Entchen hin und her schwimmen , dem rief es ‘ach , liebes Entchen , nimm uns auf deinen Rücken . ’ Als das Entchen das hörte , kam es geschwommen , und trug Grethel hinüber , und dann holte es auch Hänsel . Darnach fanden sie bald ihre Heimath . Der Vater freute sich herzlich als er sie wieder sah , denn er hatte keinen vergnügten Tag gehabt , seit seine Kinder fort waren . Die Stiefmutter aber war gestorben . Nun brachten die Kinder Reichthümer genug mit , und sie brauchten für Essen und Trinken nicht mehr zu sorgen .
16.
Die drei Schlangenblätter .
E s war einmal ein armer Mann , der konnte seinen einzigen Sohn nicht mehr ernähren . Da sprach der Sohn ‘ lieber Vater , es geht euch so kümmerlich , ich falle euch zur Last , lieber will ich selbst fortgehen und sehen wie ich mein Brot verdiene . ’ Da gab ihm der Vater seinen Segen , und nahm mit großer Trauer von ihm Abschied . Zu dieser Zeit führte der König eines mächtigen Reichs Krieg , der Jüngling nahm Dienste bei ihm , und zog mit ins Feld . Und als er vor den Feind kam , so ward eine Schlacht geliefert , und es war große Gefahr , und regnete blaue Bohnen , daß seine Kameraden von allen Seiten niederfielen . Und als auch der Anführer blieb , so wollten die übrigen die Flucht ergreifen , aber der Jüngling trat heraus , sprach ihnen Muth zu , und rief ‘ wir wollen unser Vaterland nicht zu Grunde gehen lassen . ’ Da folgten ihm die andern , und er drang ein , und schlug den Feind . Der König , als er hörte daß er ihm allein den Sieg zu danken habe , erhob ihn über alle andern , gab ihm große Schätze , und machte ihn zum ersten in seinem Reich .
Der König hatte eine Tochter , die eben so schön als wunderlich war . Sie hatte das Gelübde gethan , keinen zum Herrn
und Gemahl zu nehmen der nicht verspreche , wenn sie zuerst sterbe , sich lebendig mit ihr begraben zu lassen . ‘ Hat er mich von Herzen lieb ,’ sagte sie , ‘ wozu dient ihm dann noch das Leben ? ’ Dagegen wollte sie ein Gleiches thun , und wenn er zuerst stürbe , mit ihm in das Grab steigen . Dieses seltsame Gelübde hatte bis jetzt alle Freier abgeschreckt , aber der Jüngling wurde von ihrer Schönheit so eingenommen , daß er auf nichts achtete , sondern bei ihrem Vater um sie anhielt . ‘Weißt du auch ,’ sprach der König , ‘ was du versprechen mußt ? ’ ‘ Jch muß mit ihr in das Grab gehen ,’ antwortete er , ‘ wenn ich sie überlebe , aber meine Liebe ist so groß daß ich der Gefahr nicht achte . ’ Da willigte der König ein , und die Hochzeit ward mit großer Freude gefeiert .
Nun lebten sie eine Zeitlang glücklich und vergnügt mit einander , da geschah es , daß die junge Königin in eine schwere Krankheit fiel , und kein Arzt ihr helfen konnte . Und als sie todt da lag , da erinnerte sich der junge König was er hatte versprechen müssen , und es grauste ihm davor , aber es war kein Ausweg : der König hatte alle Thore mit Wachen besetzen lassen , und es war nicht möglich dem Schicksal zu entgehen . Als der Tag kam , wo die Leiche in das königliche Gewölbe beigesetzt wurde , da ward er mit hinabgeführt , und dann das Thor verriegelt und verschlossen .
Neben dem Sarg stand ein Tisch , darauf vier Lichter , vier Laibe Brot und vier Flaschen Wein . Sobald dieser Vorrath
zu Ende gieng mußte er verschmachten . Nun saß er da voll Schmerz und Trauer , aß jeden Tag nur ein Bißlein Brot , trank nur einen Schluck Wein , und sah doch wie der Tod immer näher rückte . Jndem er so vor sich hinstarrte , sah er aus der Ecke des Gewölbes eine Schlange hervor kriechen , die sich der Leiche näherte . Und weil er dachte sie käme um sie zu verletzen , zog er sein Schwert , und sprach ‘ so lange ich lebe sollst du sie nicht anrühren , ’ und hieb sie in drei Stücke . Ueber ein Weilchen kroch eine zweite Schlange aus der Ecke hervor , als sie aber die andere todt und zerstückt liegen fand , gieng sie zurück , und kam bald wieder , und hatte drei grüne Blätter im Munde . Dann nahm sie die drei Stücke von der Schlange , legte sie , wie sie zusammen gehörten , und that auf jede Wunde eins von den Blättern . Alsbald fügte sich das Getrennte an einander , die Schlange regte sich und ward lebendig , und beide eilten mit einander fort . Die Blätter blieben auf der Erde liegen , und der Unglückliche , der alles mit angesehen hatte , kam es in die Gedanken , ob nicht die wunderbare Kraft der Blätter , welche die Schlange wieder lebendig gemacht hatte , auch einem Menschen helfen könnte . Er hob also die Blätter auf , und legte eins davon auf den Mund der Todten , die beiden andern auf ihre Augen . Und kaum war es geschehen , so bewegte sich das Blut in den Adern , stieg in das bleiche Angesicht , und röthete es wieder . Da zog sie Athem , schlug die Augen auf und sprach ‘ ach , Gott , wo bin ich ? ’ ‘ Du bist bei mir , liebe Frau ,’ antwortete er , und erzählte ihr wie alles gekommen war und er
sie wieder ins Leben erweckt hatte . Dann reichte er ihr etwas Wein und Brot , und als sie wieder zu Kräften gekommen war , erhob sie sich , und sie giengen zu der Thüre , und klopften und riefen so laut daß es die Wachen hörten und dem Könige meldeten . Der König kam selbst herab und öffnete die Thüre , da fand er beide frisch und gesund , und freute sich mit ihnen daß nun alle Noth überstanden war . Die drei Schlangenblätter aber nahm der junge König mit , gab sie einem Diener , und sprach ‘verwahr sie mir sorgfältig , und trag sie zu jeder Zeit bei dir , wer weiß in welcher Noth sie uns noch helfen können .’
Es war aber in der Frau , nachdem sie wieder ins Leben war erweckt worden , eine Veränderung vorgegangen : es war als ob alle Liebe zu ihrem Manne aus ihrem Herzen gewichen wäre . Und als nach einiger Zeit eine Fahrt nach seinem alten Vater geschehen sollte und sie aufs Meer kamen , so vergaß sie gänzlich der großen Liebe und Treue , die er ihr bewiesen und womit er sie vom Tode gerettet hatte , und faßte eine böse Neigung zu dem Schiffer . Und als der junge König einmal da lag und schlief , rief sie den Schiffer herbei , und faßte den schlafenden am Kopfe , und der Fischer mußte ihn an den Füßen fassen , und so warfen sie ihn hinab ins Meer . Als die Schandthat vollbracht war , sprach sie zu ihm ‘ nun laß uns heimkehren und sagen er sey unterwegs gestorben . Jch will dich schon bei meinem Vater so herausstreichen und rühmen , daß er mich mit dir vermählt und zum Erben seiner Krone einsetzt . ’ Aber der
treue Diener , der alles mit angesehen hatte , machte unbemerkt ein kleines Schifflein von dem großen los , setzte sich hinein , schiffte seinem Herrn nach , und ließ die Verräther fortfahren . Er fischte den Todten wieder auf , und mit Hilfe der drei Schlangenblätter , die er bei sich trug , und auf die Augen und den Mund legte , brachte er ihn glücklich wieder ins Leben .
Sie ruderten beide aus allen Kräften Tag und Nacht , und ihr kleines Schiff flog so schnell dahin daß sie früher als das andere bei dem alten Könige anlangten . Er verwunderte sich als er sie allein kommen sah , und fragte was ihnen begegnet sey . Als er die Bosheit seiner Tochter vernahm , sprach er ‘ ich kanns nicht glauben , daß sie so schlecht gehandelt hat , aber die Wahrheit wird bald an den Tag kommen , ’ und hieß sie in eine verborgene Kammer gehen , und sich vor jedermann heimlich halten . Bald hernach kam das große Schiff herangefahren , und die gottlose Frau erschien vor ihrem Vater mit einer betrübten Miene . Er sprach ‘ warum kehrst du allein zurück ? wo ist dein Mann ? ’ ‘ Ach , lieber Vater ,’ antwortete sie ‘ ich komme in großer Trauer wieder heim , mein Mann ist während der Fahrt plötzlich erkrankt und gestorben , und wenn der gute Schiffer mir nicht Beistand geleistet hätte , so wäre es mir schlimm ergangen ; er ist bei seinem Tode zugegen gewesen , und kann euch alles erzählen . ’ Der König sprach ‘ ich will den Todten wieder lebendig machen ’ und öffnete die Kammer , und hieß die beiden herausgehen . Die Frau , als sie ihren Mann erblickte , war wie vom Donner gerührt , sank auf die Knie , und bat um Gnade .
Der König sprach ‘ da ist keine Gnade , er war bereit mit dir zu sterben , und hat dir dein Leben wieder gegeben , du aber hast ihn im Schlaf umgebracht , und sollst deinen verdienten Lohn empfangen . ’ Da ward sie mit ihrem Helfershelfer in ein durchlöchertes Schiff gesetzt , und hinaus ins Meer getrieben , wo sie bald in den Wellen versanken .
17.
Die weiße Schlange .
E s ist nun schon lange her , da lebte ein König , dessen Weisheit im ganzen Lande berühmt war . Nichts blieb ihm unbekannt , und es war als ob ihm Nachricht von den verborgensten Dingen durch die Luft zugetragen würde . Er hatte aber eine seltsame Sitte . Jeden Mittag , wenn von der Tafel alles abgetragen und niemand mehr zugegen war , mußte ein vertrauter Diener noch eine Schüssel bringen . Sie war aber zugedeckt , und der Diener wußte selbst nicht was darin lag , und kein Mensch wußte es , denn der König deckte sie nicht eher auf und aß nicht davon bis er ganz allein war . Das hatte schon lange Zeit gedauert , da überkam eines Tages den Diener , als er die Schüssel wieder wegtrug , die Neugierde so heftig , daß er nicht widerstehen konnte , sondern die Schüssel in seine Kammer brachte . Er verschloß die Thüre sorgfältig , hob den Deckel auf , und da sah er daß eine weiße Schlange darin lag . Bei ihrem Anblick konnte er die Lust nicht zurückhalten , sie zu kosten ; er schnitt ein Stückchen davon ab , und steckte es in den Mund . Kaum aber hatte es seine Zunge berührt , so hörte er vor seinem Fenster ein seltsames Gewisper von feinen Stimmen . Er gieng und horchte , da merkte er daß es die Sperlinge waren , die mit
einander sprachen , und sich allerlei erzählten , was sie im Felde und Walde gesehen hatten . Der Genuß der Schlange hatte ihm die Fähigkeit verliehen , die Sprache der Thiere zu verstehen .
Nun trug es sich zu , daß gerade an diesem Tage der Königin ihr schönster Ring fort kam , und auf den vertrauten Diener , der überall Zugang hatte , der Verdacht fiel er habe ihn gestohlen . Der König ließ ihn vor sich kommen , und drohte ihm unter heftigen Scheltworten wenn er bis Morgen den Thäter nicht zu nennen wisse , so solle er dafür angesehen und gerichtet werden . Es half nichs daß er seine Unschuld betheuerte , er ward mit keinem bessern Bescheid entlassen . Jn seiner Unruhe und Angst gieng er hinab auf den Hof , und bedachte wie er sich aus seiner Noth helfen könne . Da saßen die Enten an einem fließenden Wasser friedlich neben ein ander , und ruhten sich , putzten sich mit ihren Schnäbeln glatt , und hielten ein vertrauliches Gespräch . Der Diener blieb stehen und hörte ihnen zu . Sie erzählten sich wo sie heute Morgen all herumgewackelt wären , und was für gutes Futter sie gefunden hätten , da sagte eine verdrießlich ‘ mir liegt etwas schwer im Magen , ich habe einen Ring , der unter der Königin Fenster lag , in der Hast mit hinunter geschluckt . ’ Da packte sie der Diener gleich beim Kragen , trug sie in die Küche , und sprach zum Koch ‘ schlachte doch diese fette zuerst ab . ’ ‘ Ja ,’ sagte der Koch , und wog sie in der Hand , ‘ die hat schon lange darauf gewartet , und gibt einen guten Braten ,’ und schnitt ihr den Hals ab . Und als sie ausgenommen wurde , so fand sich der Ring der Königin in ihrem
Magen . Der Diener konnte nun leicht vor dem Könige seine Unschuld beweisen , und da dieser sein Unrecht wieder gut machen wollte , erlaubte er ihm sich eine Gnade anszubitten , und versprach ihm die größte Ehrenstelle , die er sich an seinem Hofe wünschte .
Der Diener schlug alles aus , und bat nur um ein Pferd und Reisegeld , denn er hatte Lust die Welt zu sehen , und eine Weile darin herum zu ziehen . Er machte sich auf den Weg , und kam eines Tags zu einem Teich , da bemerkte er drei Fische , die sich im Rohr gefangen hatten , und nach Wasser schnappten . Da er die Thiersprache verstand , so hörte er wie sie klagten daß sie so elend umkommen müßten . Weil er ein mitleidiges Herz hatte , so stieg er vom Pferde ab , und setzte die drei Gefangenen wieder ins Wasser . Sie zappelten vor Freude , und riefen ihrem Erretter zu ‘ wir wollen dirs gedenken und dirs vergelten .’ Er ritt darauf weiter , und nach einem Weilchen kam es ihm vor als hörte er zu seinen Füßen in dem Sand eine Stimme . Er horchte und vernahm wie sich ein Ameisenkönig beklagte , ‘ wenn uns nur die Menschen mit den plumpen Thieren vom Leib blieben ! da tritt mir das ungeschickte Pferd mit seinen schweren Hufen meine Leute ohne Barmherzigkeit nieder ! ’ Er lenkte auf einen Seitenweg ein , und der Ameisenkönig rief ihm zu ‘ wir wollen dirs gedenken und dirs vergelten . ’ Da führte ihn der Weg in einen Wald , und er sah zwei Rabeneltern , die standen bei ihrem Nest , und warfen ihre Jungen heraus . ‘Fort mit euch , ihr Galgenschwengel ,’ riefen sie , ‘ wir können euch
nicht mehr satt machen , ihr seid groß genug und könnt euch selbst ernähren . ’ Die armen Jungen lagen auf der Erde , flatterten und schlugen mit ihren Fittichen , und schrien ‘ wir hilflosen Kinder , wir sollen uns ernähren , und können noch nicht fliegen ! uns bleibt nichts übrig als hier Hungers zu sterben . ’ Da stieg der gute Jüngling ab , tödtete das Pferd mit seinem Degen , und überließ es den jungen Raben zum Futter . Die kamen herbeigehüpft , sättigten sich , und riefen ‘ wir wollen dirs gedenken und dirs vergelten .’
Er mußte jetzt zu Fuße weiter gehen , und als er lange Wege gegangen war , kam er in eine große Stadt . Da war großer Lärm und Gedränge in den Straßen , und kam einer zu Pferde , und machte bekannt , ‘ die Königstochter suche einen Gemahl , wer sich aber um sie bewerben wolle , der müsse eine schwere Aufgabe vollbringen , und könne er es nicht glücklich ausführen , so habe er sein Leben verwirkt . ’ Viele hatten es schon versucht , aber vergeblich ihr Leben daran gesetzt . Der Jüngling , als er die Königstochter in ihrer großen Schönheit sah , vergaß alle Gefahr , trat vor den König , und meldete sich als Freier .
Er ward hinaus ans Meer geführt , und vor seinen Augen ein goldner Ring hineingeworfen ; dann ward ihm aufgegeben den Ring aus dem Grunde herauszuholen , und ihm gedroht wenn er ohne ihn wieder in die Höhe käme , so würde er aufs neue hinabgestürzt , und müsse in den Wellen umkommen . Alle bedauerten den schönen Jüngling , und ließen ihn einsam am
Meer zurück . Da stand er unentschlossen am Ufer , und überlegte was er wohl thun sollte , als er auf einmal drei Fische daher schwimmen sah , und es waren keine anderen , als jene , welchen er das Leben gerettet hatte . Der mittelste hielt eine Muschel im Munde , die er an den Strand zu den Füßen des Jünglings hinlegte , und als dieser sie aufhob und öffnete , so lag der Goldring darin . Voll Freude brachte er ihn dem Könige , und erwartete daß er ihm dafür den verheißenen Lohn gewähren würde . Die stolze Königstochter aber , als sie vernahm , daß er ihr nicht ebenbürtig war , verschmähte ihn , und verlangte er sollte erst eine zweite Aufgabe lösen . Sie gieng hinab in den Garten , und streute selbst zehn Säcke voll Hirsen ins Gras . ‘ Die muß er Morgen , eh die Sonne hervor kommt , aufgelesen haben ,’ sprach sie ‘ und darf kein Körnchen fehlen . ’ Vergeblich sann der Jüngling wie er diese Forderung erfüllen könnte , er saß traurig im Garten , und erwartete bei Anbruch des Morgens zum Tode geführt zu werden . Als aber die ersten Sonnenstrahlen in den Garten fielen , so sah er die zehn Säcke alle wohl gefüllt neben einander stehen , und kein Körnchen fehlte darin . Der Ameisenkönig war mit seinen viel tausend Ameisen in der Nacht herangekommen , und die dankbaren Thiere hatten den Hirsen mit großer Emsigkeit aufgelesen und in die Säcke gesammelt . Die Königstochter kam selbst in den Garten herab , und sah mit Verwunderung daß der Jüngling vollbracht hatte was ihm aufgegeben war . Aber sie konnte ihr stolzes Herz noch nicht bezwingen , und sprach ‘ hat er auch die beiden Aufgaben gelöst ,
so soll er doch nicht eher mein Gemahl werden , bis er mir einen Apfel vom Baume des Lebens gebracht hat .’ Der Jüngling hätte aber niemals den Baum des Lebens gefunden , wenn die jungen Raben , die dankbar für ihre Erhaltung waren , sich seiner nicht angenommen hätten . Sie waren indessen groß geworden , und waren ihrem Erretter nachgezogen , und als sie hörten was die Königstochter forderte , flogen sie zu dem Baume des Lebens , und einer brachte im Schnabel einen Apfel , den er in die Hand des Jünglings fallen ließ . Er überreichte ihn der schönen Jungfrau , und da auch die letzte Bedingung erfüllt war , so blieb keine Ausrede mehr übrig . Sie ward seine Gemahlin , und als der alte König starb , erhielt er die Krone , und da sie den Apfel von dem Baume des Lebens gegessen hatten , so erreichten sie in ungestörtem Glück ein hohes Alter .
18.
Strohhalm , Kohle und Bohne .
J n einem Dorfe wohnte eine arme alte Frau , die hatte ein Gericht Bohnen zusammen gebracht , und wollte sie kochen . Sie machte also auf ihrem Herd ein Feuer zurecht , und damit es desto schneller brennen sollte , zündete sie es mit einer Hand voll Stroh an . Als sie die Bohnen in den Topf schüttete , entfiel ihr unbemerkt eine , die auf dem Boden neben einen Strohhalm zu liegen kam ; bald darnach sprang auch eine glühende Kohle vom Herd zu den beiden herab . Da fieng der Strohhalm an , und sprach ‘liebe Freunde , von wannen kommt ihr her ? ’ Die Kohle antwortete ‘ ich bin zu gutem Glück dem Feuer entsprungen , und hätte ich das nicht mit Gewalt durchgesetzt , so war mir der Tod gewiß : ich wäre zu Asche verbrannt . ’ Die Bohne sagte ‘ ich bin auch noch mit heiler Haut davon gekommen , aber hätte mich die Alte in den Topf gebracht , ich wäre ohne Barmherzigkeit zu Brei gekocht worden , wie meine Kameraden . ’ ‘Wäre mir denn ein besser Schicksal zu Theil geworden ? ’ sprach das Stroh , ‘ alle meine Brüder hat die Alte in Feuer und Rauch aufgehen lassen , sechzig hat sie auf einmal gepackt , und ums Leben gebracht . Glücklicherweise
bin ich ihr zwischen den Fingern durchgeschlüpft . ’ ‘ Was sollen wir aber nun anfangen ? ’ sprach die Kohle . ‘ Jch meine ,’ antwortete die Bohne , ‘ weil wir so glücklich dem Tode entronnen sind , so wollen wir uns als gute Gesellen zusammen halten , und , damit uns hier nicht wieder ein neues Unglück ereilt , gemeinschaftlich auswandern , und in ein fremdes Land ziehen .’
Der Vorschlag gefiel den beiden andern , und sie machten sich miteinander auf den Weg . Bald aber kamen sie an einen kleinen Bach , und da keine Brücke oder Steg da war , so wußten sie nicht wie sie hinüber kommen sollten . Der Strohhalm fand guten Rath , und sprach ‘ ich will mich quer über legen , so könnt ihr auf mir wie auf einer Brücke hinüber gehen . ’ Der Strohhalm streckte sich also von einem Ufer zum andern , und die Kohle , die von hitziger Natur war , trippelte auch ganz keck auf die neugebaute Brücke . Als sie aber in die Mitte gekommen war , und unter ihr das Wasser rauschen hörte , ward ihr doch angst , sie blieb stehen , und getraute nicht weiter . Der Strohhalm aber fieng an zu brennen , zerbrach in zwei Stücke und fiel in den Bach : die Kohle ruschte rutschte nach , zischte wie sie ins Wasser kam , und gab den Geist auf . Die Bohne , die vorsichtigerweise noch auf dem Ufer zurückgeblieben war , mußte über die Geschichte lachen , konnte nicht aufhören , und lachte so gewaltig daß sie zerplatzte . Nun war es ebenfalls um sie geschehen , wenn nicht zu gutem Glück ein Schneider , der auf der Wanderschaft war , sich an dem Bach ausgeruht hätte .
Weil er ein mitleidiges Herz hatte , so holte er Nadel und Zwirn heraus , und nähte sie zusammen . Die Bohne bedankte sich bei ihm aufs schönste , aber da er schwarzen Zwirn gebraucht hatte , so haben seit der Zeit alle Bohnen eine schwarze Naht .
19.
Van den Fischer und siine Fru .
D aar was mal eens een Fischer un siine Fru , de waanten tosamen in’n Pispott , dicht an de See , un de Fischer gieng alle Dage hen un angelt , un gieng he hen lange Tid .
Daar satt he eens an de See bi de Angel , und sach in dat blanke Water , und he sach ümmer ua na de Angel : daar gieng de Angel to Grun’n , deep unner , un as he se heruttreckt , so haalt he eenen groten Butt herut . De Butt sed to em ‘ ick bidd di datt du mi lewen lättst ; ick bin keen rechte Butt , ick bin een verwünscht Prins , sett mi wedder in dat Water , un latt mi swemmen . ’ ‘ Nu ,’ sed de Mann , ‘ du bruukst nich so veele Woord to maken , eenen Butt , de spreken kan , hadd ick doch woll swemmen laten . ’ Daar sett’t he en wedder in dat Water , un de Butt gieng fuurts weg to Grun’n , un leet eenen langen Stripen Bloot hinner sich .
De Mann averst gieng to siine Fru in’n Pispott , un vertellt eer , dat he eenen Butt fangen hadd , de hadd to em segt he weer een verwünscht Prins , daar hadd he em wedder swemmen laten . ‘Hest du di den nix wünscht ? ’ sed de Fru . ‘ Nee ,’ sed de Mann , ‘ wat sull ick mi wünschen ? ’ ‘ Ach ,’ sed de Fru , ‘ dat is doch övel , ümmer in’n Pispott to wanen , dat is so
stinkig und dreckig hier , ga du noch hen , un wünsch uns ne lütte Hütt . ’ Den Mann was dat nich so recht , doch gieng he hen na de See , un as hen kamm , so was de See gans geel un grön , da gieng he an dat Water staan , und sed
‘Mandje , Mandje Timpe Te ,
Buttje , Buttje in de See ,
miine Fru , de Jlsebell ,
will nich so as ick wol will .’
Daar kam de Butt answemmen un sed ‘ na , wat will se denn ? ’ ‘ Ach ! ’ sed de Mann , ‘ ick hev di doch fangen hätt , nu sed miine Fru , ich hadd mi doch wat wünschen sullt , se mag nich meer in Pispott wanen , se wull geern ne Hütt hebben . ’ ‘ Ga man hen’ sed de Butt , ‘ se is all daar in .’
Daar gieng de Mann hen , un siine Fru stund in eene Hütt in de Döör , un sed to em ‘ kumm man herin ; sü , nu is dat doch veel beter . ’ Und daar was eene Stuwe un Kammer un eene Kök daar in , un da achter was een lütte Gaaren mit allerhand Grönigkeiten , un een Hoff , da weeren Höner und Aanten . ‘ Ach ,’ sed de Mann , ‘ nu willn wi vergnögt lewen . ’ ‘ Ja ,’ sed de Fru , ‘ wi willnt versöken .’
So gieng dat nu woll een acht oder veertein Daag , daar sed de Fru ‘Mann , de Hütt wart mi to eng , de Hoff un Gaarn is to lütt , ich will in een grot steenern Slott wanen ; ga hen tom Butt , de sall uns een Slott schaffen . ’ ‘ Ach , Fru ,’ sed de Mann , ‘ de Butt hett uns eerst de Hütt gewen , ick mag nu nich all wedder kamen , den Butt mügt et verdreeten . ’ ‘J
watt ,’ sed de Fru , ‘ he kann dat recht good , un deit dat geern , ga du man hen . ’ Daar gieng der Mann hen , und siin Hart was em so swar ; as he awerst bi de See kam , was dat Water gans vigelett und grag und dunkelblag , doch was’t noch still , dar gieng he staan , un sed
‘Mandje , Mandje Timpe Te ,
Buttje , Buttje in de See ,
miine Fru , de Jlsebill ,
will nich so as ick wol will .’
‘ Na , wat will se denn ? ’ sed de Butt . ‘ Ach ,’ sed de Mann , ganz bedrövd , ‘ miine Fru will in enn steenern Slott wanen . ’ ‘ Ga man hen , se steit vör de Döör . ’ sed de Butt .
Daar gieng de Mann hen , un siine Fru stund vör eenen groten Pallast . ‘ Sü Mann ,’ sed se , ‘ wat is dat nu schön ! ’ Mit des giengen se tosamen herin , daar weeren so veel Bedeenters , un de Wände weeren all blank , un goldne Stööl un Dische weeren in de Stuw , un achter dat Slott was een Gaaren un Holt , woll eene halve Miil lang , daar in weeren Hirsche , Reeh un Hasen , un up den Hoff Köh- und Peerdställ . ‘ Ach ,’ sed de Mann , ‘ nu willn wi ook in dat schöne Slott bliwen , un tofreden sin . ’ ‘ Dat willn wi uns bedenken ,’ sedd de Fru , ‘ uud und willn’t beschlapen . ’ Mit des giengen se to Bed .
Den annern Morgen waakt de Fru up , da was’t all Dag : da stödd se den Mann mit den Ellbagen in de Siid , un sed ‘Mann , stah up , wi möten König warden över all dat Land . ’ ‘ Ach , Fru ,’ sed de Mann , ‘ wat wulln wi König warden , ick
mag nich König sin . ’ ‘ Na , denn will ick König sin . ’ ‘ Ach , Fru ,’ sed de Mann , ‘ wo kannst du König sin , de Butt mügt dat nich doon . ’ ‘Mann ,’ sed de Fru , ‘ ga stracks hen , ick möt König sin . ’ Daar gieng de Mann , und was gans bedrövd dat siin Fru König warden wull . Un as he an de See kamm , was se all gans swartgrag , un dat Water geert so van unnen up . Daar gieng he staan , und sed
‘Mandje , Mandje Timpe Te ,
Buttje , Buttje in de See ,
miine Fru , de Jlsebill ,
will nich so as ick wol will .’
‘ Na , wat will se denn ? ’ sed de Butt . ‘ Ach ,’ sed de Mann , ‘ miine Fru will König warden . ’ ‘ Ga man hen , se is’t all’ sed de Butt .
Daar gieng de Mann hen , un as he na den Pallast kamm , da weren daar so veele Soldaten un Pauken un Trumpeten , un siine Fru satt up eenen hogen Troon von Gold un Demant , un had eene goldne Kron up , un up beiden Siiden bi eer daar stunden sös Jumfern , ümmer eene eenen Kopf lüttjer as de annre . ‘ Ach ,’ sed de Mann , ‘ bist du nu König ? ’ ‘ Ja ,’ sed se , ‘ ick bin König . ’ Un as he eer so ne Wile ansehn had , so sed he ‘ ach , Fru , wat leet dat schön , wenn du König bist , nu willn wi ook nich mehr wünschen . ’ ‘ Nee , Mann ,’ sed se , ‘ mi duurt dat all te lang , ick kan dat nich meer uthollen , König bin ick , nu möt ick ook Kaiser warden ! ’ ‘ Ach , Fru ,’ sed de ‘Mann , ‘ wat willst du Kaiser warden . ’ ‘Mann ,’ sed se , ‘ ga tom Butt , ick
wull Kaiser sin . ’ ‘ Ach , Fru ,’ sed de Mann , ‘Kaiser kann he nich maken , ick mag den Butt dat nich segen . ’ ‘ Jck bin König ,’ sed de Fru , ‘un du bist miin Mann , ga gliik hen . ’ Daar gieng de Mann weg , un as he so gieng , dacht he ‘ dit geit un geit nich good , Kaiser is to utverschamt , de Butt ward am Ende möde . ’ Mit des kamm he an de See , dat Water was gans swart un dick , un et gieng so een Keekwind äver hen , dat dat sik so köret . Daar gieng he staan , un sed
‘Mandje , Mandje Timpe Te ,
Buttje , Buttje in de See ,
miine Fru , de Jlsebill ,
will nich so as ick wol will .’
‘ Na , wat will se denn ? ’ sed de Butt . ‘ Ach ,’ sed he , ‘ miin Fru will Kaiser warden . ’ ‘ Ga man hen ,’ sed de Butt , ‘ se is’t all .’
Daar gieng de Mann hen , un as he daar kamm , so satt siine Fru up eenen seer hogen Troon , de was van een Stück Gold , un had eene grote Kroon up , de was wol twee Ellen hoch , bi eer up de Siiden daar stunnen de Trabanten , ümmer een lüttjer as de anner , von den allergrötsten Risen , bet to den lüttsten Dwark , de was man so lang , as miin lüttje Finger . Vor eer daar stunden so veele Fürsten und Graven , daar gieng de Mann unner staan , un sed ‘ Fro , bist du nu Kaiser ? ’ ‘ Ja ,’ sed se , ‘ ick bin Kaiser . ’ ‘ Ach ,’ sed de Mann , un sach se so recht an , ‘ Fru , watt lett dat schön , wenn du Kaiser bist . ’ ‘Mann ,’ sed se , ‘ wat steist du daar , ick bin nu Kaiser , nu will ick äwerst ook Pabst warden . ’ ‘ Ach , Fru ,’ sed de Mann , ‘ wat
willst du Pabst warden , Pabst is man eemal in de Christenheit . ’ ‘Mann ,’ sed se , ‘ ick möt hüüt noch Pabst warden . ’ ‘ Ne Fru ,’ sed he , ‘ to Pabst kan de Butt nich maken , dat geit nich good . ’ ‘Mann , wat Snack , kan he Kaiser maken , kan he ook Pabst maken , ga fuurts hen . ’ Daar gieng de Mann hen , un em was gans flau , dee Knee un de Waden flakkerten em , un buten gieng de Wind , un dat Water was as kaakt dat , de Scheep schoten in de Noot , un dansten un sprungen up de Bülgen , doch was de Himmel in de Midde noch so’n beeten blag : awerst an de Siiden , daar toog dat so recht rood up as een swaar Gewitter . Da gieng he recht vörzufft staan , un sed
‘Mandje , Mandje Timpe Te ,
Buttje , Buttje in de See ,
miine Fru , de Jlsebill ,
will nich so as ick wol will .’
‘ Na , wat will se denn ? ’ sed de Butt . ‘ Ach ,’ sed de Mann , ‘ miin Fru will Pabst warden . ’ ‘ Ga man hen ,’ sed de Butt , ‘ se ist all .’
Daar gieng he hen , un as he daar kamm , satt siine Fru up eenen Troon , de was twee Mil hoch , un had dree groote Kroonen up , un um eer du was so veel van geistlike Staat , un up de Siiden bi eer daar stunden twee Reegen Lichter , dat grötste so dick un grot as de aller grötste Torm , bet to dat alle lüttste Kökenlicht . ‘ Fru ,’ sed de Mann , un sach se so recht an , ‘ bist du nu Pabst ? ’ ‘ Ja ,’ sed se , ‘ ick bin Pabst . ’ ‘ Ach , Fru ,’ sed de Mann , ‘ wat lett dat schön , wenn du Pabst bist . Fru , nu
wes tofreden , nu du Pabst bist , kannst du nix meer warden . ’ ‘ Dat will ick mi bedenken’ sed de Fru , daar giengen see beede to Bed , awerst se was nich tofreden , un de Girigkeit leet eer nich slapen , se dacht ümmer wat se noch wol warden wull . Mit des gieng de Sunn up : ‘ ha ,’ dacht se , as se se ut den Fenster so herup kamen sach , ‘ kann ick nich ook de Sünn upgaan laten ? ’ Daar wurde se recht so grimmig , un stödd eeren Mann an , ‘Mann , ga hen tom Butt , ick will warden as de lewe Gott . ’ De Mann was noch meist im Slap , awerst he verschrack sich so , dat he ut den Bed feel . ‘ Ach , Fru ,’ sed he , ‘ ga in di , un bliw Pabst . ’ ‘ Ne ,’ sed de Fru , un reet sich dat Liivken up , ‘ ick bin nich ruhig , un kan dat nich uthollen , wenn ick de Sünn un de Mann upgaan see , un kan se nich ook upgaan laten , ick möt warden as de lewe Gott . ’ ‘ Ach , Fru ,’ sed de Mann , ‘ dat kan de Butt nich , Kaiser un Pabst kan he maken , awerst dat kan he nich . ’ ‘Mann ,’ sed se , un sach so recht gräsig ut , ‘ick will warden as de lewe Gott , ga gliik hen tom Butt .’
Dat fuur den Mann so dörch de Gleder , dat he bewt vör Angst , buten aber gieng de Storm , dat alle Böme un Felsen umweigten , un de Himmel was gans swart , un dat dunnert un blitzt : daar sach man in de See so swarte hoge Bülgen as Barg , un hadden baben all eene witte Kroon van Schuum up . Da sed he
‘Mandje , Mandje Timpe Te ,
Buttje , Buttje in de See ,
miine Fru , de Jlsebill ,
will nich so as ick wol will .’
‘ Na , wat will se denn ? ’ sed de Butt . ‘ Ach ,’ sed he , ‘se will warden as de lewe Gott . ’ ‘ Ga man hen , se sitt all wedder in’n Pispott . ’ Daar sitten se noch hüt up dissen Dag .
20.
Das tapfere Schneiderlein .
A n einem Sommermorgen saß ein Schneiderlein auf seinem Tisch am Fenster , war guter Dinge , und nähte aus Leibeskräften . Da kam eine Bauersfrau die Straße herab , und rief ‘gut Mus feil ! gut Mus feil ! ’ Das klang dem Schneiderlein lieblich in die Ohren , es steckte sein zartes Haupt zum Fenster hinaus , und rief ‘ hier herauf , liebe Frau , hier wird sie ihre Waare los .’ Die Frau stieg die drei Treppen mit ihrem schweren Korbe zu dem Schneider herauf , und mußte die Töpfe sämmtlich vor ihm auspacken . Er besah sie alle , hob sie in die Höhe , hielt die Nase dran , und sagte endlich ‘ das Mus scheint mir gut , wieg sie mir doch vier Loth ab , liebe Frau , wenns auch ein Viertelpfund ist , kommt es mir nicht darauf an . ’ Die Frau , welche gehofft hatte einen guten Absatz zu finden , gab ihm was er verlangte , gieng aber ganz ärgerlich und brummig fort . ‘ Nun das Mus soll mir Gott gesegnen ,’ rief das Schneiderlein , und soll mir Kraft und Stärke geben ,’ holte das Brot aus dem Schrank , schnitt sich ein Stück über den ganzen Laib , und strich das Mus darüber . ‘ Das wird nicht bitter schmecken ,’ sprach er , ‘ aber erst will ich den Wams fertig machen , eh ich anbeiße .’ Er legte das Brot neben sich , nähte weiter , und
machte vor Freude immer größere Stiche . Jndeß stieg der Geruch von dem süßen Mus hinauf an die Wand , wo die Fliegen in großer Menge saßen , so daß sie herangelockt wurden , und sich scharenweis darauf nieder ließen . ‘ Ei , wer hat euch eingeladen ? ’ sprach das Schneiderlein , und jagte die ungebetenen Gäste fort . Die Fliegen aber , die kein deutsch verstanden , ließen sich nicht abweisen , sondern kamen in immer größerer Gesellschaft wieder . Da lief dem Schneiderlein endlich , wie man sagt , die Laus über die Leber , es langte aus seiner Hölle nach einem Tuchlappen , und ‘ wart , ich will es euch geben ! ’ schlug es unbarmherzig drauf . Als es abzog und zählte , so lagen nicht weniger als sieben vor ihm todt , und streckten die Beine . ‘ Bist du so ein Kerl ? ’ sprach er , und mußte selbst seine Tapferkeit bewundern , ‘ das soll die ganze Stadt erfahren . ’ Und in der Hast schnitt sich das Schneiderlein einen Gürtel , nähte ihn , und stickte mit großen Buchstaben darauf ‘siebene auf einen Streich ! ’ ‘ Ei was Stadt ! ’ sprach er weiter , ‘ die ganze Welt solls erfahren ! ’ und sein Herz wackelte ihm vor Freude wie ein Lämmerschwänzchen .
Der Schneider band sich den Gürtel um den Leib , und wollte in die Welt hinaus , weil er meinte die Werkstätte sey zu klein für seine Tapferkeit . Eh er abzog , suchte er im Haus herum ob nichts da wäre , was er mitnehmen könnte , er fand aber nichts als einen alten Käs , den er einsteckte . Vor dem Thore bemerkte er einen Vogel , der sich im Gesträuch gefangen hatte , der mußte zu dem Käse in die Tasche . Nun nahm er den Weg
tapfer zwischen die Beine , und weil er leicht und behend war fühlte er keine Müdigkeit . Der Weg führte ihn auf einen Berg , und als er den höchsten Gipfel erreicht hatte , so saß da ein gewaltiger Riese , und schaute sich ganz gemächlich um . Das Schneiderlein gieng beherzt auf ihn zu , redete ihn an , und sprach ‘ guten Tag , Kamerad , gelt , du sitzest da , und besiehst dir die weitläuftige Welt ? ich bin eben auf dem Wege dahin , und will mich versuchen . Hast du Lust mit zu gehen ? ’ Der Riese sah den Schneider verächtlich an , und sprach ‘ du miserabler Kerl ! ’ ‘ Das wäre ! ’ antwortete das Schneiderlein , knöpfte den Rock auf , und zeigte dem Riesen den Gürtel , ‘ da kannst du lesen was ich für ein Mann bin .’ Der Riese las ‘ sieben auf einen Streich ,’ meinte das wären Menschen gewesen , die der Schneider erschlagen hätte , und kriegte ein wenig Respekt vor dem kleinen Kerl . Doch wollte er ihn erst prüfen , nahm einen Stein in die Hand , und drückte ihn zusammen daß das Wasser heraus tropfte . ‘ Das mach mir nach’ sprach der Riese , ‘ wenn du Stärke hast . ’ ‘ Jst weiter nichts ? ’ sagte das Schneiderlein ‘ das ist bei unser einem Spielwerk ,’ griff in die Tasche , holte den weichen Käs , und drückte ihn daß der Saft heraus lief . ‘Gelt ,’ sprach er , ‘ das war ein wenig besser ? ’ Der Riese wußte nicht was er sagen sollte , und konnte es von dem Männlein nicht glauben . Da hob der Riese einen Stein auf , und warf ihn so hoch , daß man ihn mit Augen kaum noch sehen konnte : ‘ nun , du Erpelmännchen , das thu mir nach . ’ ‘Gut geworfen ,’ sagte der Schneider , ‘ aber der Stein hat doch wieder
zur Erde herabfallen müssen ich will dir einen werfen , der soll gar nicht wieder kommen ;’ griff in die Tasche , nahm den Vogel und warf ihn in die Luft . Der Vogel , froh über seine Freiheit , stieg auf , flog fort , und kam nicht wieder . ‘ Wie gefällt dir das Stückchen , Kamerad ? ’ fragte der Schneider . ‘Werfen kannst du wohl ,’ sagte der Riese , ‘ aber nun wollen wir sehen ob du im Stande bist etwas ordentliches zu tragen . ’ Er führte das Schneiderlein zu einem mächtigen Eichbaum , der da gefällt auf dem Boden lag , und sagte ‘ wenn du stark genug bist , so hilf mir den Baum aus dem Wald heraus tragen . ’ ‘Gerne ,’ antwortete der kleine Mann , ‘ nimm du nur den Stamm auf deine Schulter , ich will die Aeste mit dem Gezweige aufheben und tragen , das ist doch das schwerste . ’ Der Riese nahm den Stamm auf die Schulter , der Schneider aber setzte sich auf einen Ast , und der Riese , der sich nicht umsehen konnte , mußte den ganzen Baum und das Schneiderlein noch obendrein forttragen . Es war da hinten ganz lustig und guter Dinge , pfiff das Liedchen ‘ es ritten drei Schneider zum Thore hinaus , ’ als wäre das Baumtragen ein Kinderspiel . Der Riese , nachdem er ein Stück Wegs die schwere Last fortgeschleppt hatte , konnte nicht weiter , und rief ‘ hör , ich muß den Baum fallen lassen .’ Der Schneider sprang behendiglich herab , faßte den Baum mit beiden Armen , als wenn er ihn getragen hätte , und sprach zum Riesen ‘ du bist ein so großer Kerl , und kannst den Baum nicht einmal tragen .’
Sie giengen zusammen weiter , und als sie an einem Kirschbaum
vorbei kamen , faßte der Riese die Krone des Baums , wo die zeitigsten Früchte hiengen , bog sie herab , gab sie dem Schneider in die Hand , und hieß ihn essen . Das Schneiderlein aber war viel zu schwach um den Baum zu halten , und als der Riese los ließ , fuhr der Baum in die Höhe , und der Schneider ward mit in die Luft geschnellt . ‘ Was ist das ? ’ sprach der Riese , ‘ hast du nicht Kraft die schwache Gerte zu halten ? ’ ‘ An der Kraft fehlt es nicht ,’ antwortete das Schneidelein Schneiderlein , ‘ meinst du das wäre etwas für einen , der siebene mit einem Streich getroffen hat ? ich bin über den Baum gesprungen , weil die Jäger da unten in das Gebüsch schießen . Spring nach , wenn dus vermagst . ’ Der Riese machte den Versuch , konnte aber nicht über den Baum kommen , sondern bieb blieb in den Aesten hängen , also daß das Schneiderlein auch hier die Oberhand behielt .
Der Riese sprach ‘ wenn du ein so tapferer Kerl bist , so komm mit in unsere Höhle , und übernachte bei uns . ’ Das Schneiderlein war bereit , und folgte ihm . Als sie in der Höhle anlangten , saßen da noch andere Riesen beim Feuer , und jeder hatte ein gebratenes Schaf in der Hand , und aß davon . Das Schneiderlein sah sich um , und dachte ‘ es ist doch hier viel weitläuftiger als in meiner Werkstatt . ’ Der Riese wies ihm ein Bett an , und sagte er solle sich hinein legen und ausschlafen . Dem Schneiderlein war aber das Bett zu groß , er legte sich nicht hinein , sondern kroch in eine Ecke . Als es ‘Mitternacht war , und der Riese meinte das Schneiderlein läge in tiefem Schlafe , so stand er auf , nahm eine große Eisenstange und
schlug das Bett mit einem Schlag durch , und meinte er hätte dem Grashüpfer den Garaus gemacht . Mit dem frühsten Morgen giengen die Riesen in den Wald , und hatten das Schneiderlein ganz vergessen , da kam es auf einmal ganz lustig und kecklich daher geschritten . Die Riesen erschracken , fürchteten es schlüge sie alle todt , und liefen in einer Hast fort .
Das Schneiderlein zog weiter , immer seiner spitzen Nase nach . Nachdem es lange gewandert war , kam es in den Hof eines königlichen Palastes , und da es müde war , so legte es sich ins Gras , und schlief ein . Während es da lag , kamen die Leute , betrachteten es von allen Seiten , und lasen auf dem Gürtel ‘ siebene auf einen Streich ! ’ ‘ Ach ,’ sprachen sie , ‘ was will der große Kriegsheld hier mitten im Frieden ? Das muß ein mächtiger Herr sein . ’ Sie giengen und meldeten es dem König , und meinten wenn Krieg ausbrechen sollte , wäre das ein wichtiger und nützlicher Mann , den man um keinen Preis fortlassen dürfte . Dem König gefiel der Rath , und er schickte einen von seinen Hofleuten an das Schneiderlein ab , der sollte ihm , wenn es aufgewacht wäre , Kriegsdienste anbieten . Der Abgesandte blieb bei dem Schläfer stehen , wartete bis er seine Glieder streckte und die Augen aufmachte , und brachte dann seinen Antrag vor . ‘Eben deshalb bin ich hierher gekommen ,’ antwortete er , ‘ und bin bereit in des Königs Dienste zu treten . Also ward er ehrenvoll empfangen , und ihm eine besondere Wohnung angewiesen .
Die Kriegsleute aber waren dem Schneiderlein aufgesessen ,
und wünschten es wäre tausend Meilen weit weg . ‘ Was soll daraus werden ? ’ sprachen sie untereinander , ‘ wenn wir Zank mit ihm kriegen , und er haut zu , so fallen auf jeden Streich siebene . Da kann unser einer nicht bestehen . ’ Also faßten sie einen Entschluß , begaben sich allesammt zum König , und baten um ihren Abschied . ‘ Wir sind nicht gemacht ,’ sprachen sie , ‘ neben einem so starken Mann auszuhalten , der siebene auf einen Streich schlägt .’ Der König war traurig daß er um des Einen willen alle seine treuen Diener verlieren sollte , wünschte daß seine Augen ihn nie gesehen hätten , und wäre ihn gerne wieder los gewesen . Aber er getraute sich nicht ihm den Abschied zu geben , weil er fürchtete , er möchte ihn sammt seinem Volke todt schlagen , und sich auf den königlichen Thron setzen . Er sann lange hin und her , endlich fand er einen Rath . Er schickte zu dem Schneiderlein , und ließ ihm sagen weil er ein so großer Kriegsheld wäre , so wollte er ihm ein Anerbieten machen . Jn einem Walde seines Landes hausten zwei Riesen , die mit Rauben , Morden , Sengen und Brennen großen Schaden stifteten : niemand dürfte sich ihnen nahen ohne sich in Lebensgefahr zu setzen . Wenn er diese beiden Riesen überwände und tödtete , so wollte er ihm seine einzige Tochter zur Gemahlin geben und das halbe Königreich zur Ehesteuer ; auch sollten hundert Reiter mit ziehen und ihm Beistand leisten . ‘ Das wäre so etwas für einen Mann , wie du bist ,’ dachte das Schneiderlein , ‘ eine schöne Königstochter und ein halbes Königreich wird einem nicht alle Tage angeboten . ’ ‘ O ja ,’ gab er zur Antwort , ‘ die Riesen
will ich schon bändigen , und habe die hundert Reiter dabei nicht nöthig : wer siebene auf einen Streich trifft , braucht sich vor zweien nicht zu fürchten .’
Das Schneiderlein zog aus und die hundert Reiter folgten ihm . Als er zu dem Rand des Waldes kam , sprach er zu seinen Begleitern ‘ bleibt hier nur halten , ich will schon allein mit den Riesen fertig werden . ’ Dann sprang er in den Wald hinein , und schaute sich rechts und links um . Ueber ein Weilchen erblickte er beide Riesen , sie lagen unter einem Baume , und schliefen und schnarchten dabei , daß sich die Aeste auf und nieder bogen . Das Schneiderlein , nicht faul , las beide Taschen voll Steine , und stieg damit auf den Baum . Als es in der Mitte war , rutschte es auf einem Ast bis es gerade über die Schläfer zu sitzen kam , und ließ dem einen Riesen einen Stein nach dem andern auf die Brust fallen . Der Riese spürte lange nichts , bis er endlich aufwachte , seinen Gesellen anstieß und sprach ‘ei , was schlägst du mich . ’ ‘ Du träumst ,’ sagte der andere , ‘ ich schlage dich nicht . ’ Sie legten sich wieder zum Schlaf , da warf der Schneider auf den zweiten einen Stein herab . ‘ Was soll das ? ’ rief dieser jetzt , ‘ warum wirfst du mich ? ’ ‘Jch werfe dich nicht , du mußt träumen ’ antwortete der erste . Sie zankten sich ein Weile herum , doch weil sie müde waren , ließen sies gut seyn , und die Augen fielen ihnen wieder zu . Das Schneiderlein fieng sein Spiel von neuem an , suchte den dicksten Stein aus , und warf ihn dem ersten Riesen mit aller Gewalt auf die Brust . ‘ Das ist zu arg ! ’ schrie er , sprang wie ein Unsinniger auf , und fiel über seinen Gesellen
her ; dieser zahlte ihn mit gleicher Münze , und sie geriethen in solche Wuth , daß sie Bäume ausrissen und auf einander los schlugen , und ließen nicht eher ab als bis sie beide todt auf der Erde lagen . Nun sprang das Schneiderlein herab . ‘ Ein Glück nur ,’ sprach es , ‘ daß sie den Baum , auf dem ich saß , nicht ausgerissen haben , sonst hätt ich wie ein Eichhörnchen auf einen andern springen müssen : doch unser einer ist flüchtig ! ’ Es zog sein Schwert , und versetzte jedem ein paar tüchtige Hiebe in die Brust , dann gieng es hinaus zu den Reitern , und sprach ‘ ich habe beiden den Garaus gemacht , hart ist es hergegangen , und sie haben in der Noth Bäume ausgerissen und sich gewehrt , aber es hilft alles nichts wenn einer kommt wie ich , der siebene auf einen Streich schlägt . ’ ‘Seid ihr denn nicht verwundet ? ’ fragten die Reiter . ‘ Das hat gute Wege ,’ antwortete der Schneider , ‘ kein Haar haben sie mir gekrümmt . ’ Die Reiter wollten ihm keinen Glauben beimessen , und ritten in den Wald hinein , da fanden sie die Riesen in ihrem Blute schwimmend , und rings herum lagen die ausgerissenen Bäume .
Das Schneiderlein verlangte von dem König die versprochene Belohnung , diesen aber reute sein Versprechen , und er sann aufs neue wie er sich den Helden vom Halse schaffen könnte . ‘ Ehe du meine Tochter und das halbe Reich erhälst ,’ sprach er zu ihm , ‘ mußt du noch eine Heldenthat vollbringen . Jn dem Walde läuft ein Einhorn , das großen Schaden anrichtet , das mußt du erst einfangen . ’ ‘ Vor einem Einhorne fürchte ich mich noch weniger als vor zwei Riesen : siebene auf einen
Streich , das ist meine Sache . ’ Er nahm sich einen Strick und eine Axt mit , und gieng hinaus in den Wald , und hieß abermals die , welche ihm zugeordnet waren , außen warten . Er brauchte nicht lange zu suchen , das Einhorn kam bald daher gesprungen und geradezu auf den Schneider los , als wollte es ihn ohne Umstände aufspießen . ‘Sachte , sachte ,’ sprach er , ‘ so geschwind geht das nicht ,’ blieb stehen , und wartete bis das Thier ganz nahe war , dann sprang er behendiglich hinter den Baum , und das Einhorn rannte mit aller Kraft gegen den Baum , und spießte sein Horn so fest in den Stamm , daß es nicht Kraft genug hatte es wieder heraus zu ziehen , und gefangen war . ‘ Jetzt hab ich das Vöglein ’ sagte der Schneider , kam hinter dem Baum hervor , legte dem Einhorn den Strick um den Hals , hieb mit der Axt das Horn aus dem Baum , und führte es vor den König .
Der König aber wollte ihm den verheißenen Lohn noch nicht gewähren , sondern verlangte von dem Schneiderlein es müste ihm vor der Hochzeit erst ein Wildschwein fangen , das in dem Wald großen Schaden that ; die Jäger sollten ihm Beistand leisten . ‘Gerne ,’ sprach der Schneider , ‘ das ist ein Kinderspiel . ’ Die Jäger nahm er nicht mit in den Wald , und sie warens wohl zufrieden , denn das Wildschwein hatte sie schon mehrmals so empfangen , daß sie keine Lust hatten ihm nachzustellen . Das Schwein , als es den Schneider erblickte , lief mit schäumenden Munde und wetzenden Zähnen auf ihn zu , und wollte ihn zur Erde werfen , der flüchtige Held aber sprang in eine Kapelle ,
die in der Nähe war , aber auch gleich oben zum Fenster in einem Satz wieder hinaus . Das Schwein war hinter ihm her gelaufen , er aber hüpfte außen herum , und schlug die Thüre hinter ihm zu ; da war das wüthende Thier gefangen , das viel zu plump war um zu dem Fenster hinaus zu springen . Das Schneiderlein rief die Jäger herbei , die mußten den Gefangenen mit eigenen Augen sehen ; der Held aber begab sich zum Könige , der nun , er mochte wollen oder nicht , sein Versprechen halten und ihm seine Tochter und das halbe Königreich übergeben mußte . Hätte er gewußt daß kein Kriegsheld sondern ein Schneiderlein vor ihm stand , es wäre ihm noch mehr zu Herzen gegangen . Die Hochzeit ward also mit großer Pracht und kleiner Freude gehalten , und aus einem Schneider ein König gemacht .
Nach einiger Zeit hört die junge Königin in der Nacht wie ihr Gemahl im Traume sprach ‘Junge , mach mir den Wams und flick mir die Hosen , oder ich will dir die Elle über die Ohren schlagen . ’ Da merkte sie in welcher Gasse der junge Herr geboren war , klagte am andern Morgen ihrem Vater ihr Leid , und bat er möchte ihr von dem Manne helfen , der nichts anders als ein Schneider wäre . Der König sprach ihr Trost zu , und sagte ‘ laß in der nächsten Nacht deine Schlafkammer offen , meine Diener sollen außen stehen und , wenn er eingeschlafen ist , hineingehen , ihn binden und auf ein Schiff tragen , das ihn fortführt . ’ Die Frau war damit zufrieden , des Königs Waffenträger aber , der alles mit angehört hatte , war dem jungen Herrn gewogen , und hinterbrachte ihm den ganzen Anschlag .
‘ Dem Ding will ich einen Riegel vorschieben ’ sagte das Schneiderlein . Abends legte es sich zu gewöhnlicher Zeit mit seiner Frau zu Bett ; als sie glaubte er sey eingeschlafen , stand sie auf , öffnete die Thüre , und legte sich wieder . Das Schneiderlein , das sich nur stellte als wenn es schlief , fieng an mit heller Stimme zu rufen ‘Junge mach mir den Wams , und flick mir die Hosen , oder ich will dir die Elle über die Ohren schlagen ! ich habe siebene mit einem Streich getroffen , zwei Riesen getödtet , ein Einhorn fortgeführt , und ein Wildschwein gefangen , und sollte mich vor denen fürchten , die draußen vor der Kammer stehen ! ’ Als diese den Schneider also sprechen hörten , überkam sie eine große Furcht , sie liefen , als wenn das wilde Heer hinter ihnen wäre , und keiner wollte sich mehr an ihn wagen . Also war und blieb das Schneiderlein sein Lebtag ein König .
21.
Aschenputtel .
E inem reichen Manne dem wurde seine Frau krank , und als sie fühlte daß ihr Ende heran kam , rief sie ihr einziges Töchterlein zu sich ans Bett , und sprach ‘liebes Kind , bleib fromm und gut , so wird dir der liebe Gott immer beistehen , und ich will vom Himmel auf dich herab blicken , und will um dich sein . ’ Darauf that sie die Augen zu , und verschied . Das Mädchen gieng jeden Tag hinaus zu dem Grabe der Mutter und weinte , und blieb fromm und gut . Der Schnee aber deckte ein weißes Tüchlein auf das Grab , und als die Sonne es wieder herabgezogen hatte , nahm sich der Mann eine andere Frau .
Die Frau hatte zwei Töchter mit ins Haus gebracht , die schön und weiß von Angesicht waren , aber garstig und schwarz von Herzen . Da gieng eine schlimme Zeit für das arme Stiefkind an . ‘ Was soll das Geschöpf in den Stuben ,’ sprachen sie , ‘wer Brot essen will , muß es verdienen ; hinaus mit der Küchenmagd . ’ Sie nahmen ihm seine schönen Kleider weg , zogen ihm einen grauen alten Kittel an , lachten es dann aus , und führten es in die Küche . Da mußte es so schwere Arbeit thun , früh vor Tag aufstehn , Wasser tragen , Feuer anmachen , kochen und waschen . Obendrein thaten ihm die Schwestern alles ersinnliche
Herzeleid an , verspotteten es , und schütteten ihm die Erbsen und Linsen in die Asche , so daß es sitzen und sie wieder auslesen mußte . Abends , wenn es sich müde gearbeitet hatte , kam es in kein Bett , sondern mußte sich neben den Heerd in die Asche legen . Und weil es darum immer staubig und schmutzig aussah , nannten sie es Aschenputtel .
Es trug sich zu , daß der Vater einmal in die Messe ziehen wollte , da fragte er die beiden Stieftöchter was er ihnen mitbringen sollte ? ‘ Schöne Kleider ’ sagte die eine , ‘Perlen und Edelsteine ’ die zweite . ‘ Aber du , Aschenputtel ,’ sprach er , ‘ was willst du haben ? ’ ‘Vater , das erste Reis , das euch auf eurem Heimweg an den Hut stößt , das brecht für mich ab . ’ Er kaufte nun für die beiden Stiefschwestern schöne Kleider , Perlen und Edelsteine , und auf dem Rückweg , als er durch einen grünen Busch ritt , streifte ihn ein Haselreis , und stieß ihm den Hut ab . Da brach er das Reis ab , und nahm es mit . Als er nach Haus kam , gab er den Stieftöchtern was sie sich gewünscht hatten , und dem Aschenputtel gab er das Reis von dem Haselbusch . Aschenputtel dankte ihm , gieng zu seiner Mutter Grab , und pflanzte das Reis darauf , und weinte so sehr , daß es von seinen Thränen begossen ward . Es wuchs aber und ward ein schöner Baum . Aschenputtel gieng alle Tage dreimal darunter , weinte und betete , und allemal kam ein Vöglein auf den Baum , und das Vöglein warf ihm herab was es sich nur wünschte .
Es begab sich aber , daß der König ein Fest anstellte , das drei Tage dauern sollte , und wozu alle schöne Jungfrauen im
Lande eingeladen wurden , damit sich sein Sohn eine Braut aussuchen möchte . Die zwei Stiefschwestern als sie hörten daß sie auch dabei erscheinen sollten , waren guter Dinge , riefen Aschenputtel , und sprachen ‘ kämm uns die Haare , bürste uns die Schuhe , und mache uns die Schnallen fest , wir gehen zur Hochzeit auf des Königs Schloß . ’ Aschenputtel gehorchte , weinte aber , weil es auch gern zum Tanz mitgegangen wär , und bat die Stiefmutter sie möchte es ihm erlauben . ‘ Du Aschenputtel , voll Staub und Schmutz ,’ sprach sie , ‘ du willst zur Hochzeit , und hast keine Kleider , willst tanzen , und hast keine Schuhe ! ’ Als es noch weiter bat , sprach sie endlich ‘ da habe ich dir eine Schüssel Linsen in die Asche geschüttet , und wenn du die Linsen in zwei Stunden wieder ausgelesen hast , so sollst du mitgehen . ’ Das Mädchen gieng durch die Hinterthüre nach dem Garten , und rief ‘ ihr zahmen Täubchen , ihr Turteltäubchen , all ihr Vöglein unter dem Himmel , kommt und helft mir lesen ,
die guten ins Töpfchen ,
die schlechten ins Kröpfchen .’
Da kamen zum Küchenfenster zwei weiße Täubchen herein , und danach die Turteltäubchen , und endlich schwirrten und schwärmten alle Vöglein unter dem Himmel herein , und ließen sich um die Asche nieder . Und die Täubchen nickten mit den Köpfchen , und fiengen an pik , pik , pik , pik , und da fiengen die übrigen auch an pik , pik , pik , pik , und lasen alle guten Körnlein in die Schüssel . Wie eine Stunde herum war , waren sie schon fertig , und flogen alle wieder hinaus . Da brachte das Mädchen die
Schüssel der Stiefmutter , und freute sich , und glaubte es dürfte nun mit auf die Hochzeit gehen . Aber sie sprach ‘nein Aschenputtel , du kommst doch nicht mit , du hast keine Kleider und kannst nicht tanzen . ’ Als es nun weinte , sprach sie ‘ wenn du mir zwei Schüsseln voll Linsen in einer Stunde aus der Asche rein lesen kannst , so sollst du mitgehen ,’ und dachte ‘ das kann es ja nimmermehr . ’ Nun schüttete sie zwei Schüsseln Linsen in die Asche ; aber das Mädchen gieng durch die Hinterthüre nach dem Garten , und rief ‘ ihr zahmen Täubchen , ihr Turteltäubchen , all ihr Vöglein unter dem Himmel , kommt und helft mir lesen ,
die guten ins Töpfchen ,
die schlechten ins Kröpfchen .’
Da kamen zum Küchenfenster zwei weiße Täubchen herein , und danach die Turteltäubchen , und endlich schwirrten und schwärmten alle Vöglein unter dem Himmel herein , und ließen sich um die Asche nieder . Und die Täubchen nickten mit ihren Köpfchen , und fiengen an pik , pik , pik , pik , und da fiengen die übrigen auch an pik , pik , pik , pik , und lasen alle guten Körner in die Schüsseln . Und eh eine halbe Stunde herum war , waren sie schon fertig , und flogen alle wieder hinaus . Da brachte das Mädchen der Stiefmutter die Schüsseln , und freute sich , und glaubte nun dürfte es mit auf die Hochzeit gehen . Aber sie sprach ‘ es hilft dir alles nichts : du kommst nicht mit , denn du hast keine Kleider , und kannst nicht tanzen , und wir müßten uns
deiner schämen . ’ Darauf kehrte sie ihm den Rücken zu , und gieng mit ihren zwei stolzen Töchtern fort .
Als nun niemand mehr daheim war , gieng Aschenputtel zu seiner Mutter Grab unter den Haselbaum , und rief
‘Bäumchen , rüttel dich und schüttel dich ,
wirf Gold und Silber über mich .’
Da warf ihm der Vogel ein golden und silbern Kleid herunter , und mit Seide und Silber ausgestickte Pantoffeln . Da zog es das Kleid an , und gieng zur Hochzeit . Seine Schwestern aber und die Stiefmutter kannten es nicht , und meinten es müßte eine fremde Königstochter seyn , so schön sah es in dem goldenen Kleide aus . An Aschenputtel dachten sie gar nicht , und glaubten es läge daheim im Schmutz . Der Königssohn kam ihm entgegen , nahm es bei der Hand , und tanzte mit ihm . Er wollte auch mit sonst niemand tanzen , also daß er ihm die Hand nicht los ließ , und wenn ein anderer kam , es aufzufordern , sprach er ‘ das ist meine Tänzerin .’
Es tanzte bis es Abend war , da wollte es nach Haus gehen . Der Königssohn aber sprach ‘ ich gehe mit und begleite dich ,’ denn er wollte sehen wem das schöne Mädchen angehörte . Sie entwischte ihm aber , und sprang in das Taubenhaus . Nun wartete der Königssohn bis der Vater kam , und sagte ihm das fremde Mädchen wär in das Taubenhaus gesprungen . Da dachte er ‘ sollte es Aschenputtel seyn ,’ und sie mußten ihm Axt und Hacken bringen , damit er das Taubenhaus entzwei schlagen konnte : aber es war niemand darin . Und als sie ins Haus
kamen , lag Aschenputtel in seinen schmutzigen Kleidern in der Asche , und ein trübes Oehllämpchen brannte im Schornstein ; denn Aschenputtel war geschwind aus dem Taubenhaus hinten herab gesprungen , und war zu dem Haselbäumchen gelaufen , da hatte es die schönen Kleider ausgethan und aufs Grab gelegt , und der Vogel hatte sie wieder weggenommen , und dann hatte es sich in seinem grauen Kittelchen in die Küche zur Asche gesetzt .
Am andern Tag , als das Fest von neuem anhub , und die Eltern und Stiefschwestern wieder fort waren , gieng Aschenputtel zu dem Haselbaum , und sprach
‘Bäumchen , rüttel dich und schüttel dich ,
wirf Gold und Silber über mich .’
Da warf der Vogel ein noch viel stolzeres Kleid herab , als am vorigen Tag . Und als es mit diesem Kleide auf der Hochzeit erschien , erstaunte jedermann über seine Schönheit . Der Königssohn aber hatte gewartet bis es kam , nahm es gleich bei der Hand , und tanzte nur allein mit ihm . Wenn die andern kamen und es aufforderten , sprach er ‘ das ist meine Tänzerin . ’ Als es nun Abend war , wollte es fort , und der Königssohn gieng mit , und wollte sehen in welches Haus es gienge : aber es sprang ihm fort und in den Garten hinter dem Haus . Darin stand ein schöner großer Baum an dem die herrlichsten Birnen hiengen , auf den stieg es , behend wie ein Eichhörnchen , und der Königssohn wußte nicht wo es hingekommen war . Er wartete aber bis der Vater kam , und sprach zu ihm ‘ das fremde Mädchen ist mir entwischt , und ich glaube es ist auf den Birnbaum
gesprungen . ’ Der Vater dachte ‘ sollte es Aschenputtel seyn , ’ und ließ sich die Axt holen , und hieb den Baum um , aber es war niemand darauf . Und als sie in die Küche kamen , lag Aschenputtel da in der Asche , wie sonst auch , denn es war auf der andern Seite vom Baum herabgesprungen , hatte dem Vogel auf dem Haselbäumchen die schönen Kleider wieder gebracht , und sein graues Kittelchen angezogen .
Am dritten Tag , als die Eltern und Schwestern fort waren , gieng Aschenputtel wieder zu seiner Mutter Grab , und sprach zu dem Bäumchen
‘Bäumchen , rüttel dich und schüttel dich ,
wirf Gold und Silber über mich .’
Nun warf ihm der Vogel ein Kleid herab , das war so prächtig wie es noch keins gehabt hatte , und die Pantoffel waren ganz golden . Als es zu der Hochzeit kam , wußten sie alle nicht was sie vor Verwunderung sagen sollten , der Königssohn tanzte ganz allein mit ihm , und wenn es einer aufforderte , sprach er ‘ das ist meine Tänzerin .’
Als es nun Abend war , wollte Aschenputtel fort , und der Königssohn wollte es begleiten , aber es entsprang ihm so geschwind daß er nicht folgen konnte . Der Königssohn hatte aber eine List gebraucht , und hatte die ganze Treppe mit Pech bestreichen lassen , da war der linke Pantoffel des Mädchens hängen geblieben . Der Königssohn nahm ihn weg , und er war klein und zierlich und ganz golden . Am nächsten Morgen gieng er damit zu dem Mann , und sagte keine andere sollte seine
Gemahlin werden als die , an deren Fuß dieser goldene Schuh paßte . Da freuten sich die beiden Schwestern , denn sie hatten schöne Füße . Die Aelteste gieng mit dem Schuh in die Kammer , und wollte ihn anprobieren , und die Mutter stand dabei . Aber sie konnte mit der großen Zehe nicht hineinkommen , und der Schuh war ihr zu klein , da reichte ihr die Mutter ein Messer , und sprach ‘ hau die Zehe ab , wann du Königin bist , so brauchst du nicht mehr zu Fuß zu gehen . ’ Das Mädchen hieb die Zehe ab , zwängte den Fuß in den Schuh , verbiß den Schmerz , und gieng heraus zum Königssohn . Der nahm sie als seine Braut aufs Pferd , und ritt mit ihr fort . Sie mußten aber an dem Grabe vorbei , da saßen die zwei Täubchen auf dem Haselbäumchen und riefen
‘ rucke di guck , rucke di guck ,
Blut ist im Schuck ( Schuh ) ,
der Schuck ist zu klein ,
die rechte Braut sitzt noch daheim .’
Da blickte er auf ihren Fuß , und sah wie das Blut herausquoll . Er wendete sein Pferd um , brachte die falsche Braut wieder nach Haus , und sagte das wäre nicht die rechte , die andere Schwester sollte den Schuh anziehen . Da gieng diese in die Kammer , und kam mit den Zehen glücklich in die Schuh , aber die Ferse war zu groß . Da reichte ihr die Mutter ein Messer , und sprach ‘ hau ein Stück von der Ferse ab , wann du Königin bist , brauchst du nicht mehr zu Fuß zu gehen . ’ Das Mädchen hieb ein Stück von der Ferse ab , zwängte den Fuß
in den Schuh , verbiß den Schmerz , und gieng heraus zum Königssohn . Der nahm sie als seine Braut aufs Pferd , und ritt mit ihr fort . Als sie an dem Haselbäumchen vorbeikamen , saßen die zwei Täubchen darauf und riefen
‘ rucke di guck , rucke di guck ,
Blut ist im Schuck ,
der Schuck ist zu klein ,
die rechte Braut sitzt noch daheim .’
Er blickte nieder auf ihren Fuß , und sah wie das Blut aus dem Schuh quoll , und an den weißen Strümpfen ganz roth heraufgestiegen war . Da wendete er sein Pferd , und brachte die falsche Braut wieder nach Haus . ‘ Das ist auch nicht die rechte ,’ sprach er , ‘ habt ihr keine andere Tochter ? ’ ‘Nein ,’ sagte der Mann , ‘ nur von meiner verstorbenen Frau ist noch ein kleines verbuttetes Aschenputtel da , das kann unmöglich die Braut seyn . ’ Der Königssohn sprach er sollt es heraufschicken , die Mutter aber antwortete ‘ ach nein , das ist viel zu schmutzig , das darf sich nicht sehen lassen .’ Er wollte es aber durchaus haben , und Aschenputtel mußte gerufen werden . Da wusch es sich erst Hände und Angesicht rein , gieng dann hin und neigte sich vor dem Königssohn , der ihm den goldenen Schuh reichte . Nun streifte es den schweren Schuh vom linken Fuß ab , setzte diesen auf den goldenen Pantoffel , und drückte ein wenig , so stand es darin , als wär er ihm angegossen . Und als es sich aufbückte , erkannte er es im Angesicht , und sprach ‘ das ist die rechte Braut ! ’ Die Stiefmutter und die beiden Schwestern erschracken ,
und wurden bleich vor Aerger , er aber nahm Aschenputtel aufs Pferd , und ritt mit ihm fort . Als sie an dem Haselbäumchen vorbei kamen , riefen die zwei weißen Täubchen
‘ rucke di guck , rucke di guck ,
kein Blut im Schuck ,
der Schuck ist nicht zu klein ,
die rechte Braut die führt er heim .’
Und als sie das gerufen hatten , kamen sie beide herab geflogen , und setzten sich dem Aschenputtel auf die Schultern , eine rechts , die andere links , und blieben da sitzen .
Als die Hochzeit mit dem Königssohn sollte gehalten werden , kamen die falschen Schwestern , wollten sich einschmeicheln , und Theil an seinem Glück nehmen . Als die Brautleute nun zur Kirche giengen , war die älteste zur rechten , die jüngste zur linken Seite , da pickten die Tauben einer jeden das eine Auge aus ; hernach als sie heraus gieng , war die älteste zur linken , und die jüngste zur rechten , da pickten die Tauben einer jeden das andere Auge aus : und waren sie also für ihre Bosheit und Falschheit mit Blindheit auf ihr Lebtag gestraft .
22.
Das Räthsel .
E s war einmal ein Königssohn , der bekam Lust in der Welt umher zu ziehen , und nahm niemand mit als einen treuen Diener . Eines Tags gerieth er in einen großen Wald , und als der Abend kam , konnte er keine Herberge finden , und wußte nicht wo er die Nacht zubringen sollte . Da sah er ein Mädchen , das nach einem kleinen Häuschen zu gieng , und als er näher kam , sah er daß das Mädchen sehr schön war , und redete es an und sprach ‘liebes Kind , kann ich und mein Diener in dem Häuschen für die Nacht ein Unterkommen finden ? ’ ‘ Ach ja ,’ sagte das Mädchen mit trauriger Stimme ‘ das könnt ihr wohl , aber ich rathe euch nicht dazu . ’ ‘Warum räthst du mir nicht dazu ? ’ fragte der Königssohn . Das Mädchen seufzte und sprach ‘ meine Stiefmutter treibt böse Künste , sie meints nicht gut mit den Fremden . ’ Da merkte er wohl daß er zu dem Haus einer Hexe gekommen war , doch weil er nicht weiter konnte , und sich nicht fürchtete , so trat er ein . Die Alte saß auf einem Lehnstuhl beim Feuer , und sah mit ihren rothen und feurigen Augen die Fremden an . ‘Guten Abend ,’ schnarrte sie , und that ganz freundlich , ‘ laßt euch nieder und ruht euch aus . ’ Sie blies die Kohlen an , bei welchen sie in einem kleinen Topf etwas kochte . Die
Tochter warnte die beiden vorsichtig zu seyn , nichts zu essen und nichts zu trinken , denn die Alte braue böse Getränke . Sie schliefen ruhig bis zum frühen Morgen ; als sie sich zur Abreise fertig machten , und der Königssohn schon zu Pferde saß , sprach die Alte ‘ wartet einen Augenblick , ich will euch erst einen Abschiedstrank reichen . ’ Während sie ihn holte , ritt der Königssohn fort , und der Diener , der den Sattel noch fest schnallen mußte , war allein zugegen , als die böse Hexe mit dem Trank kam . ‘ Da bring ihn deinem Herrn ’ sagte sie , aber in dem Augenblick sprang das Glas , und das Gift spritzte auf das Pferd , und war so heftig daß das Thier gleich todt hinstürzte . Der Diener lief seinem Herrn nach , und erzählte ihm was geschehen war , der Diener aber wollte den Sattel nicht im Stich lassen , und lief zurück um ihn zu holen . Wie er aber zu dem todten Pferde kam , saß schon eine Rabe darauf , und fraß davon . ‘ Wer weiß ob wir heute noch etwas besseres finden ’ sagte der Diener , tödtete den Raben , und nahm ihn mit . Nun zogen sie in dem Walde den ganzen Tag weiter , konnten aber nicht herauskommen . Bei Anbruch der Nacht fanden sie ein Wirthshaus , und giengen hinein . Der Diener gab dem Wirth den Raben , und sagte er sollte ihn zum Abendessen zubereiten . Sie waren aber in eine Mördergrube gerathen , und in der Dunkelheit kamen zwölf Mörder , und wollten die Fremden umbringen und berauben . Eh sie sich aber ans Werk machten , verzehrten sie erst den Raben , der da gebraten auf dem Tische stand . Dem Raben aber hatte sich das Gift von dem genossenen Pferdefleisch mitgetheilt , und kaum hatten sie ein paar
Bißen hinunter geschluckt , so fielen sie alle todt nieder . Es war niemand mehr im Hause übrig als die Tochter des Wirths , die es redlich meinte , und an den gottlosen Dingen keinen Theil genommen hatte . Sie öffnete dem Fremden alle Thüren , und zeigte ihm die angehäuften Schätze . Der Königssohn aber sagte sie möchte alles behalten , und ritt mit seinem Diener weiter .
Nachdem sie lange herum gezogen waren , kamen sie in eine Stadt , worin eine schöne aber übermüthige Königstochter war , die hatte bekannt machen lassen wer ihr ein Räthsel vorlegte das sie nicht errathen könnte , der sollte ihr Gemahl werden ; erriethe sie es aber , so müßte er sich das Haupt abschlagen lassen . Drei Tage hatte sie Zeit sich zu besinnen , sie war aber so klug daß sie immer die vorgelegten Räthsel vor der bestimmten Zeit errieth . Schon hatten neune sich hingeopfert , als der Königssohn kam , und , von ihrer großen Schönheit geblendet , sein Leben daran wagte . Er trat vor sie hin , und gab ihr sein Räthsel auf , ‘ was ist das ,’ sagte er , ‘ einer schlug keinen , und schlug doch zwölfe . ’ Sie wußte nicht was das war , sie sann und sann , aber sie brachte es nicht heraus : sie schlug ihre Räthselbücher auf , aber es stand nicht darin ; kurz , ihr Latein war zu Ende . Da sie sich nicht zu helfen wußte , befahl sie ihrer Magd in das Schlafgemach des Herrn zu schleichen , da sollte sie seine Träume behorchen , und dachte er rede vielleicht im Schlaf , und verrathe das Räthsel . Aber der kluge Diener hatte sich statt des Herrn ins Bett gelegt , und als die Magd heran kam , nahm er ihr den Mantel weg , und jagte sie mit Ruthen
hinaus . Jn der zweiten Nacht schickte die Königstochter ihre Kammerjungfer , die sollte sehen ob es ihr mit Horchen besser glückte , aber der Diener nahm auch ihr den Mantel weg , und jagte sie mit Ruthen hinaus . Nun glaubte der Herr für die dritte Nacht sicher zu seyn , und legte sich in sein Bett , da kam die Königstochter selbst , hatte einen nebelgrauen Mantel umgethan , und setzte sich neben ihn . Und als sie dachte er schliefe und träumte , so redete sie ihn an , und hoffte er werde im Traume antworten , wie viele thun ; aber er war wach , und verstand und hörte alles sehr wohl . Da fragte sie ‘ einer schlug keinen , was ist das ? ’ Er antwortete ‘ ein Rabe der von einem todten und vergifteten Pferde fraß , und davon starb . ’ Weiter fragte sie ‘ und schlug doch zwölfe , was ist das ? ’ ‘ Das sind zwölf Mörder , die den Raben verzehrten , und daran starben . ’ Als sie das Räthsel wußte , wollte sie sich fortschleichen , aber er hielt ihren Mantel fest , daß sie ihn zurücklassen mußte . Am andern Morgen verkündigte die Königstochter sie habe das Räthsel errathen , und ließ die zwölf Richter kommen , und löste es vor ihnen . Aber der Jüngling bat sich Gehör aus , und sagte ‘ sie ist in der Nacht zu mir geschlichen und hat mich ausgefragt , denn sonst hätte sie es nicht errathen . ’ Die Richter sprachen ‘bringt uns Wahrzeichen . ’ Da wurden die drei Mäntel von dem Diener herbei gebracht , und als die Richter den nebelgrauen erblickten , den die Königstochter zu tragen pflegte , so sagten sie ‘ laßt den Mantel sticken mit Gold und Silber , damit ein Hochzeitsmantel daraus wird .’
23.
Von dem Mäuschen , Vögelchen und der Bratwurst .
E s waren einmal ein Mäuschen , ein Vögelchen und eine Bratwurst in Gesellschaft gerathen , hatten einen Haushalt geführt , lange wohl und köstlich im Frieden gelebt , und trefflich an Gütern zugenommen . Des Vögelchens Arbeit war , daß es täglich im Wald fliegen und Holz beibringen müßte . Die Maus sollte Wasser tragen , Feuer anmachen und den Tisch decken , die Bratwurst aber sollte kochen .
Wem zu wohl ist , den gelüstet immer nach neuen Dingen ! Also eines Tages stieß dem Vöglein unterweges ein anderer Vogel aus , dem es seine treffliche Gelegenheit erzählte und rühmte . Derselbe andere Vogel schalt es aber einen armen Tropfen , der große Arbeit , die beiden zu Haus aber gute Tage hätten . Denn , wenn die Maus ihr Feuer angemacht und Wasser getragen hatte , so begab sie sich in ihr Kämmerlein zur Ruhe bis man sie heiße den Tisch decken . Das Würstlein blieb beim Hafen , sahe zu daß die Speise wohl kochte , und wann es bald Essenszeit war , schlingte es sich ein mal viere durch den Brei oder das Gemüs , so war es geschmalzen , gesalzen und bereitet : kam dann das Vöglein heim , und legte seine Bürde ab , so saßen sie zu Tisch , und nach gehabtem Mahl schliefen sie sich
die Haut voll bis den andern Morgen , und das war ein herrlich Leben .
Das Vöglein anderes Tages wollte aus Anstiftung nicht mehr ins Holz , sprechend es wäre lang genug Knecht gewest , und hätte gleichsam ihr Narr sein müssen , sie sollten einmal umwechseln , und es auf eine andere Weise auch versuchen . Und wie wohl die Maus heftig dafür bate , auch die Bratwurst , so war der Vogel doch Meister , es mußte gewagt seyn , spieleten derowegen , und kam das Loos auf die Bratwurst , die mußte Holz tragen , die Maus ward Koch , und der Vogel sollte Wasser holen .
Was geschicht ? das Bratwürstchen zog fort gen Holz , das Vöglein machte Feuer an , die Maus stellte den Topf zu , und erwarteten allein , bis Bratwürstchen heim käme , und Holz für den andern Tag brächte . Es blieb aber das Würstlein so lang unterwegs , daß ihnen beiden nichts guts vorkam , und das Vöglein ein Stück Luft hinaus entgegen floge . Unfern aber findet es einen Hund am Weg , der das arme Bratwürstlein als freie Beut angetroffen , angepackt und niedergemacht . Das Vöglein beschwerte sich auch dessen als eines offenbaren Raubes sehr gegen den Hund , aber es half kein Wort , denn , sprach der Hund , er hätte falsche Briefe bei der Bratwurst gefunden , deswegen wäre sie ihm des Lebens verfallen gewesen .
Das Vöglein , traurig , nahm das Holz auf sich , flog heim , und erzählete was es gesehn und gehöret . Sie waren sehr betrübt , verglichen sich aber das beste zu thun , und beisammen zu
bleiben . Derowegen so deckte das Vöglein den Tisch , und die Maus rüstete das Essen , und wollte anrichten , und in den Hafen , wie zuvor das Würstlein , durch das Gemüs schlingen und schlupfen , dasselbe zu schmelzen : aber ehe sie in die Mitte kam , ward sie angehalten , und mußte Haut und Haar und dabei das Leben lassen .
Als das Vöglein kam , und wollte das Essen auftragen , da war kein Koch vorhanden . Das Vöglein warf bestürzt das Holz hin und her , rufte und suchte , konnte aber seinen Koch nicht mehr finden . Aus Unachtsamkeit kam das Feuer in das Holz , also daß eine Brunst entstunde ; das Vöglein eilte Wasser zu langen , da entfiel ihm der Eimer in den Brunnen , und es mit hinab , daß es sich nicht mehr erholen konnte , und da ersaufen mußte .
24.
Frau Holle .
E ine Wittwe hatte zwei Töchter , davon war die eine schön und fleißig , die andere häßlich und faul . Sie hatte aber die häßliche und faule , weil sie ihre rechte Tochter war , viel lieber , und die andere mußte alle Arbeit thun , und der Aschenputtel im Hause sein . Das arme Mädchen mußte sich täglich hinaus auf die große Straße bei einem Brunnen setzen , und so viel spinnen , daß ihm das Blut aus den Fingern sprang . Nun trug es sich zu , daß die Spule einmal ganz blutig war , da bückte es sich damit in den Brunnen , und wollte sie abwaschen : sie sprang ihm aber aus der Hand , und fiel hinab . Es weinte , lief zur Stiefmutter , und erzählte ihr das Unglück : sie schalt es heftig , und war so unbarmherzig , daß sie sprach ‘ hast du die Spule hinunterfallen lassen , so hol sie auch wieder herauf . ’ Da gieng das Mädchen zu dem Brunnen zurück , und wußte nicht was es anfangen sollte , und sprang in seiner Angst in den Brunnen hinein , um die Spule zu holen . Als es erwachte , und wieder zu sich selber kam , war es auf einer schönen Wiese , da schien die Sonne , und waren viel tausend Blumen . Auf der Wiese gieng es fort , und kam zu einem Backofen , der war voller Brot ; das Brot aber rief ‘ ach , zieh mich raus , zieh
mich raus , sonst verbrenn ich , ich bin schon längst ausgebacken . ’ Da trat es fleißig herzu , und holte alles heraus . Danach gieng es weiter , und kam zu einem Baum , der hieng voll Aepfel , und rief ihm zu ‘ ach schüttel mich , schüttel mich , wir Aepfel sind alle mit einander reif . ’ Da schüttelte es den Baum , daß die Aepfel fielen als regneten sie , so lang bis keiner mehr oben war ; und dann gieng es wieder weiter . Endlich kam es zu einem kleinen Haus , daraus guckte eine alte Frau , weil sie aber so große Zähne hatte , ward ihm Angst , und es wollte fortlaufen . Die alte Frau aber rief ihm nach ‘ fürchte dich nicht , liebes Kind , bleib bei mir , wenn du alle Arbeit im Hause ordentlich thun willst , so soll dirs gut gehn ; nur mußt du Acht geben daß du mein Bett gut machst , und es fleißig aufschüttelst , daß die Federn fliegen , dann schneit es in der Welt ; Darum sagt man in Hessen , wenn es schneit , die Frau Holle macht ihr Bett . ich bin die Frau Holle .’ Weil die Alte ihm so gut zusprach , willigte das Mädchen ein , und begab sich in ihren Dienst . Es besorgte auch alles nach ihrer Zufriedenheit , und schüttelte ihr das Bett immer gewaltig auf ; dafür hatte es auch ein gut Leben bei ihr , kein böses Wort , und alle Tage Gesottenes und Gebratenes . Nun war es eine Zeitlang bei der Frau Holle , da ward es traurig in seinem Herzen : und ob es hier gleich viel tausendmal besser war als zu Haus , so hatte es doch ein Verlangen dahin ;
endlich sagte es zu ihr ‘ ich habe den Jammer nach Haus kriegt , und wenn es mir auch noch so gut hier geht , so kann ich doch nicht länger bleiben . ’ Die Frau Holle sagte ‘ es gefällt mir , daß du wieder nach Haus verlangst , und weil du mir so treu gedient hast , so will ich dich selbst wieder hinauf bringen . ’ Sie nahm es darauf bei der Hand , und führte es vor ein großes Thor . Das Thor ward auf gethan , und wie das Mädchen gerade darunter stand , fiel ein gewaltiger Goldregen , und alles Gold blieb an ihm hängen , so daß es über und über davon bedeckt war . ‘ Das sollst du haben , weil du so fleißig gewesen bist’ sprach die Frau Holle , und gab ihm auch die Spule wieder , die ihm in den Brunnen gefallen war . Darauf ward das Thor verschlossen , und das Mädchen befand sich oben auf der Welt , nicht weit von seiner Mutter Haus , und als es in den Hof kam , saß der Hahn auf dem Brunnen und rief
‘ kikeriki ,
unsere goldene Jungfrau ist wieder hie .’
Da gieng es hinein zu seiner Mutter , und weil es so mit Gold bedeckt ankam , ward es gut aufgenommen .
Als die Mutter hörte wie es zu dem Reichthum gekommen war , wollte sie der andern häßlichen und faulen Tochter gerne dasselbe Glück verschaffen . Sie mußte sich auch an den Brunnen setzen und spinnen ; und damit ihre Spule blutig ward ,
stach sie sich in die Finger , und zerstieß sich die Hand an der Dornhecke . Dann warf sie die Spule in den Brunnen , und sprang selber hinein . Sie kam , wie die andere , auf die schöne Wiese , und gieng auf demselben Pfade weiter . Als sie zu dem Backofen gelangte , schrie das Brot wieder ‘ ach , zieh mich raus , zieh mich raus sonst verbrenn ich , ich bin schon längst ausgebacken . ’ Die Faule aber antwortete ‘ da hätt ich Lust mich schmutzig zu machen , ’ und gieng fort . Bald kam sie zu dem Apfelbaum , der rief ‘ach , schüttel mich , schüttel mich , wir Aepfel sind alle mit einander reif . ’ Sie antwortete aber ‘ du kommst mir recht , es könnte mir einer auf den Kopf fallen , ’ und gieng damit weiter . Als sie vor der Frau Holle Haus kam , fürchtete sie sich nicht , weil sie von ihren großen Zähnen schon gehört hatte , und verdingte sich gleich zu ihr . Am ersten Tag that sie sich Gewalt an , war fleißig und folgte der Frau Holle , wenn sie ihr etwas sagte , denn sie dachte an das viele Gold , das sie ihr schenken würde ; am zweiten Tag aber fieng sie schon an zu faullenzen , am dritten noch mehr , da wollte sie Morgens gar nicht aufstehen : sie machte auch der Frau Holle das Bett schlecht , und schüttelte es nicht daß die Federn aufflogen . Das ward die Frau Holle bald müde , und sagte der Faulen den Dienst auf . Die war es wohl zufrieden , und meinte nun würde der Goldregen kommen ; die Frau Holle führte sie auch zu dem Thor , als sie aber darunter stand , ward statt des Goldes ein großer Kessel voll Pech ausgeschüttet . ‘ Das ist zur Belohnung deiner Dienste ’ sagte die Frau Holle , und schloß das Thor zu . Da
kam die Faule heim ganz mit Pech bedeckt ; der Hahn aber auf dem Brunnen , als er sie sah , rief
‘ kikeriki ,
unsere schmutzige Jungfrau ist wieder hie .’
Das Pech aber wollte , so lange sie lebte , nicht abgehen und blieb an ihr hängen .
25.
Die sieben Raben .
E in Mann hatte sieben Söhne , und immer noch kein Töchterchen , so sehr er sichs auch wünschte ; endlich gab ihm seine Frau wieder gute Hoffnung zu einem Kinde , und wies zur Welt kam , wars ein Mädchen . Ob es gleich schön war , so wars doch auch schmächtig und klein , und sollte wegen seiner Schwachheit die Nothtaufe haben . Da schickte der Vater einen der Knaben eilends zur Quelle , Taufwasser zu holen , aber die andern sechs liefen mit . Jeder wollte aber der erste beim Schöpfen seyn , und darüber fiel ihnen der Krug in den Brunnen . Da standen sie , und wußten nicht was sie thun sollten , und keiner getraute sich heim . Dem Vater ward unter der Weile angst das Mädchen müßte ungetauft verscheiden , und wußte gar nicht warum die Jungen so lange ausblieben . ‘Gewiß ,’ sprach er , ‘ haben sies wieder über ein Spiel vergessen ;’ und als sie immer nicht kamen , fluchte er im Aerger ‘ ich wollte daß die Jungen alle zu Raben würden . ’ Kaum war das Wort ausgeredet , so hörte er Geschwirr über seinem Haupt in der Luft , blickte auf , und sah sieben kohlschwarze Raben auf und davon fliegen .
Die Eltern konnten die Verwünschung nicht mehr zurücknehmen , und so traurig sie über den Verlust ihrer sieben Söhne waren , trösteten sie sich einigermaßen durch ihr liebes Töchterchen , das bald zu Kräften kam , und mit jedem Tage schöner ward . Es wußte lange Zeit nicht einmal daß es Geschwister gehabt hatte , denn die Eltern hüteten sich ihrer zu erwähnen , bis es eines Tags von ungefähr die Leute von sich sprechen hörte , das Mädchen wäre wohl schön , aber doch eigentlich Schuld an dem Unglück seiner sieben Brüder . Da wurde es ganz betrübt , gieng zu Vater und Mutter , und fragte ob es denn Brüder gehabt hätte , und wo sie hingerathen wären ? Nun durften die Eltern das Geheimnis nicht länger verschweigen sagten jedoch es sei so des Himmels Verhängnis , und seine Geburt nur der unschuldige Anlaß gewesen . Allein das Mädchen machte sich täglich ein Gewissen daraus , und glaubte sich fest verbunden seine Geschwister zu erlösen , und hatte nicht Ruhe und Rast , bis es sich heimlich aufmachte , und in die weite Welt gieng , seine Brüder irgendwo aufzuspüren und zu befreien , es koste was es wolle . Es nahm nichts mit sich als ein Ringlein von seinen Eltern zum Andenken , einen Laib Brot für den Hunger , ein Krüglein Wasser für den Durst , und ein Stühlchen für die Müdigkeit .
Nun gieng es immer zu , weit weit bis an der Welt Ende . Da kam es zur Sonne , aber die war zu heiß und fürchterlich , und fraß die kleinen Kinder ; eiligst lief es weg , und hin zu dem Mond , aber der war gar zu kalt , und auch grausig und bös ,
und als er das Kind merkte , sprach er ‘ ich rieche rieche Menschenfleisch . ’ Da machte es sich geschwind fort , und kam zu den Sternen , die waren ihm freundlich und gut , und jeder saß auf seinem besondern Stühlchen . Der Morgenstern aber stand auf , gab ihm ein Hinkelbeinchen und sprach ‘ wenn du das Beinchen nicht hast , kannst du den Glasberg nicht aufschließen , und in dem Glasberg da sind deine Brüder .’
Das Mädchen nahm das Beinchen , wickelte es wohl in ein Tüchlein , und gieng wieder fort so lange bis es an den Glasberg kam , dessen Thor verschlossen war . Nun wollte es das Beinchen hervor holen , aber wie es das Tüchlein aufmachte , so war es leer , und es hatte das Geschenk der guten Sterne verloren . Was sollte es nun anfangen ? seine Brüder wollte es erretten , und hatte keinen Schlüssel zum Glasberg . Das gute Schwesterchen nahm ein Messer , schnitt sich ein kleines Fingerchen ab , steckte es in das Thor , und schloß glücklich auf . Als es hinein getreten war , kam ihm ein Zwerglein entgegen , das sprach ‘ mein Kind , was suchst du ? ’ ‘Jch suche meine Brüder , die sieben Raben ’ antwortete es . Der Zwerg sprach ‘ die Herren Raben sind nicht zu Haus , aber willst du hier so lang warten , bis sie kommen , so tritt ein . ’ Darauf brachte das Zwerglein die Speise der Raben getragen auf sieben Tellerchen und in sieben Becherchen , und von jedem Tellerchen aß das Schwesterchen ein Bröckchen , und aus jedem Becherchen trank es ein Schlückchen ; in das letzte Becherchen aber ließ es das Ringlein fallen , das es mitgenommen hatte .
Auf einmal hörte es in der Luft ein Geschwirr und ein Geweh , da sprach das Zwerglein ‘ jetzt kommen die Herren Raben heim geflogen . ’ Da kamen sie , wollten essen und trinken , und suchten ihre Tellerchen und Becherchen . Da sprach einer nach dem andern ‘ wer hat von meinem Tellerchen gegessen ? wer hat aus meinem Becherchen getrunken ? das ist eines Menschen Mund gewesen . ’ Und wie der siebente auf den Grund des Bechers kam , rollte ihm das Ringlein entgegen ; da sah er es an , und erkannte daß es ein Ring von Vater und Mutter war , und sprach ‘Gott gebe , unser Schwesterlein wäre da , so wären wir erlöst . ’ Wie das Mädchen , das hinter der Thüre stand und lauschte , den Wunsch hörte , so trat es hervor , und da bekamen alle die Raben ihre menschliche Gestalt wieder . Und sie herzte und küßten einander , und zogen fröhlich heim .
26.
Rothkäppchen .
E s war einmal eine kleine süße Dirne , die hatte jedermann lieb , der sie nur ansah , am allerliebsten aber ihre Großmutter , die wußte gar nicht was sie alles dem Kinde geben sollte . Einmal schenkte sie ihm ein Käppchen von rothem Sammet , und weil ihm das so wohl stand , und es nichts anders mehr tragen wollte , hieß es nur das Rothkäppchen . Da sagte einmal seine Mutter zu ihm ‘ komm , Rothkäppchen , da hast du ein Stück Kuchen und eine Flasche Wein , die bring der Großmutter hinaus : weil sie krank und schwach ist , wird sie sich daran laben ; sey aber hübsch artig und grüße sie von mir , geh auch ordentlich , und lauf nicht vom Weg ab , sonst fällst du , und zerbrichst das Glas , dann hat die kranke Großmutter nichts .’
Rothkäppchen sagte ‘ ich will schon alles gut ausrichten ,’ und gab der Mutter die Hand darauf . Die Großmutter aber wohnte draußen im Wald , eine halbe Stunde vom Dorf . Wie nun Rothkäppchen in den Wald kam , begegnete ihm der Wolf . Rothkäppchen aber wußte nicht was das für ein böses Thier war , und fürchtete sich nicht vor ihm . ‘Guten Tag , Rothkäppchen ,’ sprach er . ‘Schönen Dank , Wolf . ’ ‘ Wo hinaus so früh ,
Rothkäppchen ? ’ ‘ Zur Großmutter . ’ ‘ Was trägst du unter der Schürze ? ’ ‘Kuchen und Wein , gestern haben wir gebacken , da soll sich die kranke und schwache Großmutter etwas zu gut thun , und sich damit stärken . ’ ‘Rothkäppchen , wo wohnt deine Großmutter ? ’ ‘ Noch eine gute Viertelstunde weiter im Wald , unter den drei großen Eichbäumen , da steht ihr Haus , unten sind die Nußhecken , das wirst du ja wissen ’ sagte Rothkäppchen . Der Wolf dachte bei sich ‘ das junge zarte Mädchen , das ist ein guter Bissen für dich : du mußt es listig anfangen , damit du den erschnappst . ’ Da gieng er ein Weilchen neben Rothkäppchen her , dann sprach er ‘Rothkäppchen , sieh einmal die schönen Blumen , die rings umher stehen , warum guckst du nicht um dich ? ich glaube du hörst gar nicht , wie die Vöglein so lieblich singen ? du gehst ja für dich hin als wenn du zur Schule giengst , und ist so lustig haußen in dem Wald .’
Rothkäppchen schlug die Augen auf , und als es sah wie die Sonne durch die Bäume hin und her sprang , und alles voll schöner Blumen stand , dachte es ‘ wenn ich der Großmutter einen frischen Strauß mitbringe , der wird ihr auch Freude machen ; es ist ja noch früh , daß ich doch zu rechter Zeit ankomme ,’ sprang in den Wald und suchte Blumen . Und wenn es eine gebrochen hatte , meinte es weiter hinaus stände eine noch schönere , und lief darnach , und lief immer weiter in den Wald hinein . Der Wolf aber gieng geradeswegs nach dem Haus der Großmutter , und klopfte an die Thüre . ‘ Wer ist draußen ? ’ ‘Rothkäppchen , das bringt dir Kuchen und Wein , mach auf . ’ ‘Drück nur auf
die Klinke ,’ rief die Großmutter , ‘ ich bin zu schwach , und kann nicht aufstehen . ’ Der Wolf drückte auf die Klinke , trat hinein , und gieng , ohne ein Wort zu sprechen , geradezu an das Bett der Großmutter , und verschluckte sie . Dann nahm er ihre Kleider , that sie an , setzte ihre Haube auf , legte sich in ihr Bett , und zog die Vorhänge vor .
Rothkäppchen aber war nach den Blumen herumgelaufen , und als es so viel hatte , daß es keine mehr tragen konnte , fiel ihm die Großmutter wieder ein , und es machte sich auf den Weg zu ihr . Es wunderte sich daß die Thüre aufstand , und wie es in die Stube trat , so kam es ihm so seltsam darin vor , daß es dachte ‘ei , du mein Gott , wie ängstlich wird mirs heute zu Muth , und bin sonst so gerne bei der Großmutter ! ’ Darauf gieng es zum Bett , und zog die Vorhänge zurück : da lag die Großmutter , und hatte die Haube tief ins Gesicht gesetzt , und sah so wunderlich aus . ‘ Ei , Großmutter , was hast du für große Ohren ! ’ ‘ Daß ich dich besser hören kann . ’ ‘ Ei , Großmutter , was hast du für große Augen ! ’ ‘ Daß ich dich besser sehen kann . ’ ‘ Ei , Großmutter , was hast du für große Hände ! ’ ‘ Daß ich dich besser packen kann . ’ ‘ Aber , Großmutter , was hast du für ein entsetzlich großes Maul ! ’ ‘ Daß ich dich besser fressen kann . ’ Und wie der Wolf das gesagt hatte , sprang er aus dem Bette und auf das arme Rothkäppchen , und verschlang es .
Wie der Wolf sein Gelüsten gestillt hatte , legte er sich wieder ins Bett , schlief ein , und fieng an überlaut zu schnarchen . Der Jäger gieng eben vorbei , und dachte bei sich ‘ wie
kann die alte Frau so schnarchen , du mußt einmal nachsehen ob ihr etwas fehlt . ’ Da trat er in die Stube , und wie er vor das Bette kam , so lag der Wolf darin . ‘ Bist du da ,’ sagte er , ‘ ich habe dich lange gesucht . ’ Nun wollte er seine Büchse anlegen , da fiel ihm ein der Wolf könnte die Großmutter gefressen haben , und sie wäre noch zu retten , schoß nicht , sondern nahm eine Scheere , und fieng an dem schlafenden Wolf den Bauch aufzuschneiden . Wie er ein paar Schnitte gethan hatte , da sah er das rothe Käppchen leuchten , und noch ein paar Schnitte , da sprang das Mädchen heraus , und rief ‘ach , wie war ich erschrocken , was wars so dunkel in dem Wolf seinem Leib ! ’ Und dann kam die alte Großmutter auch noch lebendig heraus , und konnte kaum athmen . Rothkäppchen aber holte geschwind große Steine , damit füllten sie dem Wolf den Leib , und wie er aufwachte , wollte er fortspringen , aber die Steine waren so schwer , daß er gleich niedersank und sich todt fiel .
Da waren alle drei vergnügt ; der Jäger nahm den Pelz vom Wolf , die Großmutter aß den Kuchen und trank den Wein den Rothkäppchen gebracht hatte , und erholte sich wieder , Rothkäppchen aber dachte ‘ du willst dein Lebtag nicht wieder allein vom Wege ab in den Wald laufen , wenn dirs die Mutter verboten hat .’
Es wird auch erzählt , daß einmal , als Rothkäppchen der alten Großmutter wieder Gebackenes brachte , ein anderer Wolf ihm
zugesprochen , und es vom Wege habe ableiten wollen . Rothkäppchen aber hütete sich , und gieng gerade fort seines Wegs , und sagte der Großmutter daß es dem Wolf begegnet wäre , der ihm guten Tag gewünscht , aber so bös aus den Augen geguckt hätte : ‘ wenns nicht auf offner Straße gewesen wäre , er hätte mich gefressen . ’ ‘Komm ,’ sagte die Großmutter , ‘ wir wollen die Thüre verschließen , daß er nicht herein kann . ’ Bald darnach klopfte der Wolf an , und rief ‘mach auf , Großmutter , ich bin das Rothkäppchen , ich bring dir Gebackenes . ’ Sie schwiegen aber still , und machten die Thüre nicht auf , da gieng der Böse etlichemal um das Haus , und sprang endlich aufs Dach , und wollte warten bis Rothkäppchen Abends nach Haus gienge , dann wollte er ihm nachschleichen , und wollts in der Dunkelheit fressen . Aber die Großmutter merkte was er im Sinn hatte . Nun stand vor dem Haus ein großer Steintrog ; da sprach sie zu dem Kind ‘ nimm den Eimer , Rothkäppchen , gestern hab ich Würste gekocht , da trag das Wasser , worin sie gekocht sind , in den Trog . ’ Rothkäppchen trug so lange , bis der große große Trog ganz voll war . Da stieg der Geruch von den Würsten dem Wolf in die Nase , er schnupperte und guckte hinab , endlich machte er den Hals so lang , daß er sich nicht mehr halten konnte , und anfieng zu rutschen : so rutschte er vom Dach herab , und gerade in den großen Trog hinein , und ertrank . Rothkäppchen aber gieng fröhlich nach Haus , und that ihm niemand etwas zu Leid .
27.
Die Bremer Stadtmusikanten .
E s hatte ein Mann einen Esel , der ihm schon lange Jahre treu gedient hatte , dessen Kräfte aber nun zu Ende giengen , so daß er zur Arbeit immer untauglicher ward . Da wollte ihn der Herr aus dem Futter schaffen , aber der Esel merkte daß kein guter Wind wehte , lief fort , und machte sich auf den Weg nach Bremen , ‘ dort ,’ dachte er , ‘ kannst du ja Stadtmusikant werden . ’ Als er ein Weilchen fortgegangen war , fand er einen Jagdhund auf dem Wege liegen , der jappte wie einer , der sich müde gelaufen . ‘ Nun , was jappst du so , Packan ? ’ fragte der Esel . ‘ Ach ,’ sagte der Hund , ‘ weil ich alt bin , und jeden Tag schwächer werde , und auf der Jagd nicht mehr fort kann , hat mich mein Herr wollen todtschlagen , da hab ich Reißaus genommen ; aber womit soll ich nun mein Brot verdienen ? ’ ‘Weißt du was ,’ sprach der Esel , ‘ ich gehe nach Bremen , dort Stadtmusikant zu werden , geh mit , und laß dich auch bei der Musik annehmen . Jch spiele die Laute , und du schlägst die Pauken . ’ Der Hund wars zufrieden , und sie giengen weiter . Es dauerte nicht lange , so saß da eine Katze an dem Weg , und machte ein Gesicht wie drei Tage Regenwetter . ‘ Nun , was ist dir in die Quere gekommen , alter Bartputzer ? ’ sprach der Esel . ‘ Wer kann da lustig sein , wenns
einem an den Kragen geht ,’ antwortete die Katze , ‘ weil ich nun zu Jahren komme , meine Zähne stumpf werden , und ich lieber hinter dem Ofen sitze und spinne , als nach den Mäusen herum jage , hat mich meine Frau ersäufen wollen ; ich habe mich zwar noch fortgemacht , aber nun ist guter Rath theuer ; wo soll ich hin ? ’ ‘ Geh mit uns nach Bremen , du verstehst dich doch auf die Nachtmusik , da kannst du ein Stadtmusikant werden . ’ Die Katze hielt das für gut , und gieng mit . Darauf kamen die drei landesflüchtigen an einem Hof vorbei , da saß auf dem Thor der Haushahn , und schrie aus Leibeskräften . ‘ Du schreist einem durch Mark und Bein ,’ sprach der Esel , ‘ was hast du vor . ’ ‘ Da hab ich gut Wetter prophezeit ,’ sprach der Hahn , ‘ weil unserer lieben Frauen Tag ist , wo sie dem Christkindlein die Hemdchen gewaschen hat , und sie trocknen will : aber weil Morgen zum Sonntag Gäste kommen , so hat die Hausfrau doch kein Erbarmen , und hat der Köchin gesagt sie wollte mich Morgen in der Suppe essen , und da soll ich mir heut Abend den Kopf abschneiden lassen . Nun schrei ich aus vollem Hals , so lang ich noch kann . ’ ‘ Ei was , du Rothkopf ,’ sagte der Esel , ‘ zieh lieber mit uns fort nach Bremen , etwas besseres als den Tod findest du überall ; du hast eine gute Stimme , und wenn wir zusammen musicieren , so muß es eine Art haben . ’ Der Hahn ließ sich den Vorschlag gefallen , und sie giengen alle viere zusammen fort .
Sie konnten aber die Stadt Bremen in einem Tag nicht erreichen , und kamen Abends in einen Wald , wo sie übernachten wollten . Der Esel und der Hund legten sich unter einen
großen Baum , die Katze und der Hahn machten sich hinauf , der Hahn aber flog bis in die Spitze , wo es am sichersten für ihn war . Ehe er einschlief , sah er sich noch einmal nach allen vier Winden um , da däuchte ihn er sähe in der Ferne ein Fünkchen brennen , und rief seinen Gesellen zu es müßte nicht gar weit ein Haus seyn , denn es scheine ein Licht . Sprach der Esel ‘ so , müssen wir uns aufmachen und noch hingehen , denn hier ist die Herberge schlecht ;’ und der Hund sagte ‘ ja ein paar Knochen und etwas Fleisch daran , thäten mir auch gut . ’ Nun machten sie sich auf den Weg nach der Gegend , wo das Licht war , und sahen es bald heller schimmern , und es ward immer größer , bis sie vor ein hell erleuchtetes Räuberhaus kamen . Der Esel , als der größte , machte sich ans Fenster , und schaute hinein . ‘ Was siehst du , Grauschimmel ? ’ fragte der Hahn . ‘ Was ich sehe ? ’ antwortete der Esel , ‘ einen gedeckten Tisch mit schönem Essen und Trinken , und Räuber sitzen daran , und lassens sich wohl seyn . ’ ‘ Das wäre was für uns’ sprach der Hahn . ‘ Ja , ja , ach , wären wir da ! ’ sagte der Esel . Da rathschlagten die Thiere wie sie es anfangen müßten , um die Räuber fortzubringen , endlich fanden sie ein Mittel . Der Esel mußte sich mit den Vorderfüßen auf das Fenster stellen , der Hund auf des Esels Rücken , die Katze auf den Hund klettern , und endlich flog der Hahn hinauf , und setzte sich der Katze auf den Kopf . Wie das geschehen war , fiengen sie insgesammt auf ein Zeichen an ihre Musik zu machen : der Esel schrie , der Hund bellte , die Katze miaute , und der Hahn krähte ; dann stürzten sie durch
das Fenster in die Stube hinein daß die Scheiben klirrend niederfielen . Die Räuber fuhren bei dem entsetzlichen Geschrei in die Höhe , meinten nicht anders , als ein Gespenst käme herein , und flohen in größter Furcht in den Wald hinaus . Nun setzten sich die vier Gesellen an den Tisch , nahmen mit dem vorlieb , was übrig geblieben war , und aßen als wenn sie vier Wochen hungern sollten .
Wie die vier Spielleute fertig waren , löschten sie das Licht aus , und suchten sich eine Schlafstätte , jeder nach seiner Natur und Bequemlichkeit . Der Esel legte sich auf den Mist , der Hund hinter die Thüre , die Katze auf den Herd bei die warme Asche , und der Hahn setzte sich auf den Hahnenbalken : und weil sie müde waren von ihrem langen Weg , schliefen sie auch bald ein . Als Mitternacht vorbei war , und die Räuber von weitem sahen daß kein Licht mehr im Haus brannte , auch alles ruhig schien , sprach der Hanptmann ‘ wir hätten uns doch nicht sollen ins Bockshorn jagen lassen , ’ und hieß einen hingehen und das Haus untersuchen . Der Abgeschickte fand alles still , gieng in die Küche , wollte ein Licht anzünden , und nahm ein Schwefelhölzchen , und weil er die glühenden , feurigen Augen der Katze für lebendige Kohlen ansah , hielt er es daran , daß es Feuer fangen sollte . Aber die Katze verstand keinen Spaß , sprang ihm ins Gesicht , spie und kratzte . Da erschrack er gewaltig , lief und wollte zur Hinterthüre hinaus , aber der Hund , der da lag , sprang auf und biß ihm ins Bein ; und als er über den Hof an dem Miste vorbei rennte , gab ihm der Esel noch einen
tüchtigen Schlag mit dem Hinterfuß ; der Hahn aber , der vom Lärmen aus dem Schlaf geweckt und munter geworden war , rief vom Balken herab ‘ kikeriki ! ’ Da lief der Räuber , was er konnte , zu seinem Hauptmann zurück , und sprach ‘ ach , in dem Haus sitzt eine gräuliche Hexe , die hat mich angehaucht , und mit ihren langen Fingern mir das Gesicht zerkratzt : und vor der Thüre steht ein Mann mit einem Messer , der hat mich ins Bein gestochen : und auf dem Hof liegt ein schwarzes Ungethüm , das hat mit einer Holzkeule auf mich losgeschlagen : und oben auf dem Dache , da sitzt der Richter , der rief ‘ bringt mir den Schelm her . ’ Da machte ich daß ich fortkam . ’ Von nun an getrauten sich die Räuber nicht weiter in das Haus , den vier Bremer Musikanten gefiels aber so wohl darin , daß sie nicht wieder heraus wollten . Und der das zuletzt erzählt hat , dem ist der Mund noch warm .
28.
Der singende Knochen .
E s war einmal in einem Lande große Klage über ein Wildschwein , das den Bauern die Aecker umwühlte , das Vieh tödtete , und den Menschen mit seinen Hauern den Leib aufriß . Der König versprach einem jeden , der das Land von dieser Plage befreien würde , eine große Belohnung , aber das Thier war so groß und stark , daß sich niemand in die Nähe des Waldes wagte , worin es hauste . Endlich ließ der König bekannt machen wer das Wildschwein einfange oder tödte , solle seine einzige Tochter zur Gemahlin haben .
Nun lebten zwei Brüder in dem Lande , Söhne eines armen Mannes , die meldeten sich und wollten das Wagnis übernehmen . Der älteste , der listig und klug war , that es aus Hochmuth , der jüngste , der unschuldig und dumm war , aus gutem Herzen . Der König sagte ‘ damit ihr desto sicherer das Thier findet , so sollt ihr von entgegengesetzten Seiten in den Wald gehen . ’ Da gieng der älteste von Abend und der jüngste von Morgen hinein . Und als der jüngste ein Weilchen gegangen war , so trat ein kleines Männlein zu ihm , das hielt einen schwarzen Spieß in der Hand , und sprach ‘ diesen Spieß gebe ich dir , weil dein Herz unschuldig und gut ist , damit kannst du getrost auf das wilde Schwein eingehen ,
es wird dir keinen Schaden zufügen .’ Er dankte dem Männlein , nahm den Spieß auf die Schulter , und gieng ohne Furcht weiter . Nicht lange so erblickte er das Thier , das auf ihn los rennte , er hielt ihm aber den Spieß entgegen , und in seiner blinden Wuth rennte es so gewaltig hinein , daß ihm das Herz entzwei geschnitten ward . Da nahm er das Ungethüm auf die Schulter , gieng heimwärts , und wollte es dem Könige bringen .
Als er auf der andern Seite des Waldes heraus kam , stand da am Eingang ein Haus , wo die Leute sich mit Tanz und Wein lustig machten . Sein ältester Bruder war da eingetreten , und hatte gedacht das Schwein laufe ihm doch nicht fort , erst wolle er sich einen rechten Muth trinken . Als er nun den jüngsten erblickte , der mit seiner Beute beladen aus dem Wald kam so ließ ihm sein neidisches und boshaftes Herz keine Ruhe . Er rief ihm zu ‘ komm doch herein , lieber Bruder , ruhe dich aus , und stärke dich mit einem Becher Wein . ’ Der jüngste , der nichts arges dahinter vermuthete , gieng hinein , und erzählte ihm von dem guten Männlein , das ihm einen Spieß gegeben , womit er das Schwein getödtet habe . Der älteste hielt ihn bis zum Abend zurück , da giengen sie zusammen fort . Als sie aber in der Dunkelheit zu der Brücke über einen Bach kamen , ließ der älteste den jüngsten vorangehen , und als er mitten über dem Wasser war , gab er ihm von hinten einen Schlag , daß er todt hinabstürzte . Er begrub ihn unter der Brücke , nahm dann das Schwein , und brachte es dem König mit dem Vorgeben er habe es getödtet ; worauf er die Tochter des Königs zur Gemahlin
erhielt . Als der jüngste Bruder nicht wieder kommen wollte , sagte er ‘ das Schwein wird ihm den Leib aufgerissen haben ,’ und das glaubte jedermann .
Weil aber vor Gott nichts verborgen bleibt , sollte auch diese schwarze That ans Licht kommen . Nach langen Jahren trieb ein Hirt einmal seine Herde über die Brücke , und sah unten im Sande ein schneeweißes Knöchlein liegen , und dachte das gäbe ein gutes Mundstück . Da stieg er herab , und hob es auf , und schnitzte ein Mundstück daraus für sein Horn . Als er zum erstenmal darauf geblasen hatte , so fieng das Knöchlein zu großer Verwunderung des Hirten von selbst an zu singen
‘ Ach , du liebes Hirtelein ,
du bläst auf meinem Knöchelein .
mein Bruder hat mich erschlagen ,
unter der Brücke begraben ,
um das wilde Schwein ,
für des Königs Töchterlein .’
‘ Was für ein wunderliches Hörnchen ,’ sagte der Hirt , ‘ das von selber singt , das muß ich dem Herrn König bringen . ’ Als er damit vor den König kam , fieng das Hörnchen abermals an sein Liedchen zu singen . Der König verstand es wohl , und ließ die Erde unter der Brücke aufgraben , da kam das ganze Gerippe des Erschlagenen zum Vorschein . Der böse Bruder konnte die That nicht läugnen , ward in einen Sack genäht und lebendig ersäuft , die Gebeine des Gemordeten aber wurden auf den Kirchhof in ein schönes Grab zur Ruhe gelegt .
29.
Der Teufel mit den drei goldenen Haaren .
E s war einmal eine arme Frau , die gebar ein Söhnlein , und weil es eine Glückshaut um hatte , als es zur Welt kam , so ward ihm geweissagt es werde im vierzehnten Jahr die Tochter des Königs zur Frau haben . Es trug sich zu , daß der König bald darauf ins Dorf kam , und niemand wußte daß es der König war , und als er die Leute fragte was es neues gäbe , so antworteten sie ‘ es ist eben ein Kind mit einer Glückshaut geboren , was so einer unternimmt , das schlägt ihm zum Glück aus . Es ist ihm auch voraus gesagt , in seinem vierzehnten Jahre solle er die Tochter des Königs zur Frau haben . ’ Der König , der ein böses Herz hatte , und über die Weissagung sich ärgerte , gieng zu den Eltern , that ganz freundlich , und sagte ‘ ihr armen Leute , überlaßt mir euer Kind , ich will es versorgen . ’ Anfangs weigerten sie sich , da aber der fremde Mann schweres Gold dafür bot , und sie dachten ‘ es ist ein Glückskind , es muß doch zu seinem Besten ausschlagen ,’ so willigten sie endlich ein , und gaben ihm das Kind .
Der König legte es in eine Schachtel , und ritt damit weiter bis er zu einem tiefen Wasser kam , da warf er die Schachtel hinein , und dachte ‘ von dem unerwarteten Freier habe ich
meine Tochter geholfen .’ Die Schachtel aber gieng nicht unter , sondern schwamm wie ein Schiffchen , und es drang auch kein Tröpfchen Wasser hinein . Sie schwamm bis zwei Meilen von des Königs Hauptstadt , wo eine Mühle war , an dessen Wehr sie hängen blieb . Ein Mahlbursche , der glücklicherweise dastand und sie bemerkte , zog sie mit einem Hacken heran , und dachte große Schätze zu finden , als er sie aber aufmachte , lag ein schöner Knabe darin , der ganz frisch und munter war . Er brachte ihn zu den Müllersleuten , und weil diese keine Kinder hatten , freuten sie sich , und sprachen ‘ Gott hat es uns beschert . ’ Sie pflegten den Fündling wohl , und er wuchs in allen Tugenden heran .
Es trug sich zu , daß der König einmal bei einem Gewitter in die Mühle trat , und die Müllersleute fragte ob der große Junge ihr Sohn wäre . ‘Nein ,’ antworteten sie , ‘ es ist ein Fündling , er ist vor vierzehn Jahren in einer Schachtel ans Wehr geschwommen , und der Mahlbursche hat ihn aus dem Wasser gezogen . ’ Da merkte der König daß es niemand anders , als das Glückskind war , das er ins Wasser geworfen hatte , und sprach ‘ ihr guten Leute , könnte der Junge nicht einen Brief an die Frau Königin bringen , ich will ihm zwei Goldstücke zum Lohn geben ? ’ ‘ Wie der Herr König gebietet ’ antworteten die Leute , und hießen den Jungen sich bereit halten . Da schrieb der König einen Brief an die Königin , worin stand ‘ sobald der Knabe mit diesem Schreiben angelangt ist , soll er getödtet und begraben werden , und das alles soll geschehen sein ehe ich zurückkomme .’
Der Knabe machte sich mit diesem Briefe auf den Weg , verirrte sich aber , und kam Abends in einen großen Wald . Jn der Dunkelheit sah er ein kleines Licht , gieng darauf zu , und gelangte zu einem Häuschen . Als er hinein trat , saß eine alte Frau beim Feuer ganz allein . Sie erschrack als sie den Knaben erblickte , und sprach ‘ wo kommst du her und wo willst du hin ? ’ ‘ Jch komme von der Mühle ,’ antwortete er ‘ und will zur Frau Königin , der ich einen Brief bringen soll , weil ich mich aber in dem Walde verirrt habe , so wollte ich hier gerne übernachten . ’ ‘ Du armer Junge ,’ sprach die Frau , ‘ du bist in ein Räuberhaus gerathen , und wenn sie heim kommen , so bringen sie dich um . ’ ‘Mag kommen wer will ,’ sagte der Junge , ‘ ich fürchte mich nicht , ich bin aber so müde , daß ich nicht weiter kann ,’ streckte sich auf eine Bank , und schlief ein . Bald hernach kamen die Räuber , und fragten zornig was da für ein fremder Knabe läge . ‘ Ach ,’ sagte die Alte , ‘ es ist ein unschuldiges Kind , es hat sich im Walde verirrt , und ich habe ihn aus Barmherzigkeit aufgenommen : er soll einen Brief an die Frau Königin bringen .’ Die Räuber erbrachen den Brief , und lasen ihn , und es stand darin daß der Knabe sogleich , wie er ankäme , sollte ums Leben gebracht werden . Da empfanden die hartherzigen Räuber Mitleid , und der Anführer zerriß den Brief , und schrieb einen andern , und es stand darin so wie der Knabe ankäme , sollte er sogleich mit der Königstochter vermählt werden . Sie ließen ihn dann ruhig bis zum andern Morgen auf der Bank liegen , und als er aufgewacht war , gaben sie ihm den Brief , und
zeigten ihm den rechten Weg . Die Königin aber , als sie den Brief empfangen und gelesen hatte , that wie darin stand , hieß ein prächtiges Hochzeitsfest anstellen , und die Königstochter ward mit dem Glückskind vermählt , und da der Jüngling schön und freundlich war , so lebte sie vergnügt und zufrieden mit ihm .
Nach einiger Zeit kam der König wieder in sein Schloß , und sah daß die Weissagung erfüllt und das Glückskind mit seiner Tochter vermählt war . ‘ Wie ist das zugegangen ? ’ sprach er , ‘ ich habe in meinem Brief einen ganz andern Befehl ertheilt . ’ Da reichte ihm die Königin den Brief , und sagte er möchte selbst sehen was darin stände . Der König las den Brief , und merkte wohl daß er mit einem andern war vertauscht worden . Er fragte den Jüngling wie es mit dem anvertrauten Briefe zugegangen wäre , warum er einen andern dafür gebracht hätte . ‘ Jch weiß von nichts ,’ antwortete er , ‘er muß mir in der Nacht vertauscht seyn , als ich im Walde geschlafen habe . ’ Voll Zorn sprach der König ‘ so leicht soll es dir nicht werden , wer meine Tochter haben will , der muß mir aus der Hölle drei goldene Haare von dem Haupte des Teufels holen ; bringst du mir was ich verlange , so sollst du meine Tochter behalten . ’ Damit hoffte der König ihn auf immer los zu werden . Das Glückskind aber antwortete ‘ die goldenen Haare will ich wohl holen , ich fürchte mich vor dem Teufel nicht . ’ Darauf nahm er Abschied , und begann seine Wanderschaft .
Der Weg führte ihn zu einer großen Stadt , wo ihn der Wächter an dem Thore ausfragte was für ein Gewerb er verstehe
und was er wisse . ‘Jch weiß alles’ antwortete das Glückskind . ‘ So kannst du uns einen Gefallen thun ,’ sagte der Wächter , ‘ wenn du uns sagst warum aus unserm Marktbrunnen , aus dem sonst Wein quoll , nicht einmal mehr Wasser quillt . ’ ‘ Das sollt ihr erfahren ,’ antwortete er , ‘ wartet nur bis ich wiederkomme . ’ Da gieng er weiter , und kam vor eine andere Stadt , da fragte der Thorwächter wiederum was für ein Gewerb er verstehe und was er wisse . ‘Jch weiß alles’ antwortete er . ‘ So kannst du uns einen Gefallen thun , und uns sagen warum ein Baum in unserer Stadt , der sonst goldene Aepfel trug , jetzt nicht einmal Blätter hervor treibt . ’ ‘ Das sollt ihr erfahren ,’ antwortete er , ‘ wartet nur bis ich wiederkomme . ’ Da gieng er weiter , und kam an ein großes Wasser , über das er hinüber mußte . Der Fährmann fragte ihn was er für ein Gewerb verstehe und was er wisse ? ‘Jch weiß alles’ antwortete er . ‘ So kannst du mir einen Gefallen thun ,’ sprach der Fährmann , ‘ und mir sagen warum ich immer hin und her fahren muß , und niemals abgelöst werde ? ’ ‘ Das sollst du erfahren ,’ antwortete er , ‘ warte nur bis ich wiederkomme .’
Als er über das Wasser hinüber war , so fand er den Eingang zur Hölle . Es war schwarz und rußig darin , und der Teufel war nicht zu Haus , aber seine Ellermutter saß da in einem breiten Sorgenstuhl . ‘ Was willst du ? ’ sprach sie zu ihm , sah aber gar nicht so böse aus . ‘ Jch wollte gerne drei goldene Haare von des Teufels Kopf ,’ antwortete er , ‘ sonst kann ich meine Frau nicht behalten . ’ ‘ Das ist viel verlangt ,’ sagte sie ,
‘ wenn der Teufel heim kommt , und findet dich , so geht dirs an den Kragen ; aber du dauerst mich , ich will sehen ob ich dir helfen kann . ’ Sie verwandelte ihn in eine Ameise , und sprach ‘kriech in meine Rockfalten , da bist du sicher . ’ ‘ Ja ,’ antwortete er , ‘ das ist schon gut , aber drei Dinge möchte ich gerne noch wissen , warum aus einem Brunnen , aus dem sonst Wein quoll , jetzt nicht einmal Wasser quillt , warum ein Baum , der sonst goldene Aepfel trug , nicht einmal mehr Laub treibt , und warum ein Fährmann immer fahren muß und nicht abgelöst wird . ’ ‘ Das sind schwere Fragen ,’ antwortete sie , ‘ aber halte dich nur still und ruhig , und hab acht was der Teufel spricht , wann ich ihm die drei goldenen Haare ausziehe .’
Als der Abend einbrach , kam der Teufel nach Haus . Kaum war er eingetreten , so merkte er daß die Luft nicht rein war . ‘Jch rieche rieche Menschenfleisch ,’ sagte er ‘ es ist hier nicht richtig . ’ Dann guckte er in alle Ecken , und suchte , konnte aber nichts finden . Die Ellermutter schalt ihn aus , und sprach ‘ eben ist erst gekehrt und alles in Ordnung gebracht , nun wirfst du mirs wieder untereinander ; immer hast du Menschenfleisch in der Nase ! Setz dich nieder , und iß dein Abendbrot . ’ Als er gegessen und getrunken hatte , war er müde , legte der Ellermutter seinen Kopf in den Schooß , und sagte sie sollte ihn ein wenig lausen . Es dauerte nicht lange , so schlummerte er ein , blies und schnarchte . Da faßte die Alte ein goldenes Haar , riß es aus , und legte es neben sich . ‘ Autsch ! ’ schrie der Teufel , ‘ was hast du vor ? ’ ‘ Jch habe einen schweren Traum gehabt ,’ antwortete die Ellermutter ,
‘ da habe ich dir in die Haare gefaßt . ’ ‘ Was hat dir denn geträumt ? ’ fragte der Teufel . ‘ Mir hat geträumt ein Marktbrunnen , aus dem sonst Wein quoll , sei versiegt , und es habe nicht einmal Wasser daraus quellen wollen , was ist wohl Schuld daran ? ’ ‘ Ha , wenn sies wüßten ! ’ antwortete der Teufel , ‘ es sitzt eine Kröte unter einem Stein im Brunnen , wenn sie die tödten , so wird der Wein schon wieder fließen . ’ Die Ellermutter lauste ihn wieder , bis er einschlief und schnarchte daß die Fenster zitterten . Da riß sie ihm das zweite Haar aus . ‘ Hu ! was machst du ? ’ schrie der Teufel zornig . ‘Nimms nicht übel ,’ antwortete sie , ‘ ich habe es im Traum gethan . ’ ‘ Was hat dir wieder geträumt ? ’ fragte er . ‘ Mir hat geträumt in einem Königreiche ständ ein Obstbaum , der hätte sonst goldene Aepfel getragen , und wollte jetzt nicht einmal Laub treiben . Was war wohl die Ursache davon ? ’ ‘ He , wenn sies wüßten ! ’ antwortete der Teufel , ‘ an der Wurzel nagt eine Maus , wenn sie die tödten , so wird er schon wieder goldene Aepfel tragen , nagt sie aber noch länger , so verdorrt der Baum gänzlich . Aber laß mich mit deinen Träumen in Ruhe , wenn du mich noch einmal im Schlafe störst , so kriegst du eine Ohrfeige . ’ Die Ellermutter sprach ihn zu gut , und lauste ihn wieder bis er eingeschlafen war und schnarchte . Da faßte sie das dritte goldene Haar , und riß es ihm aus . Der Teufel fuhr in die Höhe , schrie und wollte übel mit ihr wirthschaften , aber sie besänftigte ihn nochmals , und sprach , ‘ wer kann für böse Träume ! ’ ‘ Was hat dir denn geträumt ? ’ fragte er , und war doch neugierig . ‘ Mir hat von einem
Fährmann geträumt , der sich beklagte daß er immer hin und her fahren müsse , und nicht abgelöst werde . Was ist wohl Schuld ? ’ ‘He , der Dummbart ! ’ antwortete der Teufel , ‘ wenn einer kommt und will überfahren , so muß er ihm die Stange in die Hand geben , dann muß der andere überfahren , und er ist frei . ’ Da die Ellermutter ihm die drei goldnen Haare ausgerissen hatte , und die drei Fragen beantwortet waren , so ließ sie den Teufel in Ruhe , und er schlief bis der Tag anbrach .
Als der Teufel wieder fortgezogen war , holte die Alte die Ameise aus der Rockfalte , und gab dem Glückskind die menschliche Gestalt zurück . ‘ Da hast du die drei goldenen Haare ,’ sprach sie , ‘ was der Teufel zu deinen drei Fragen gesagt hat , wirst du wohl gehört haben . ’ ‘ Ja ’ antwortete er , ‘ ich habe es gehört , und wills auch wohl behalten . ’ ‘ So ist dir geholfen ,’ sagte sie , ‘ und nun kannst du deiner Wege ziehen . ’ Er bedankte sich bei der Alten für die Hilfe in der Noth , verließ die Hölle , und war vergnügt daß ihm alles so wohl geglückt war . Als er zu dem Fährmann kam , sollte er ihm die versprochene Antwort geben . ‘Fahr mich erst hinüber ,’ sprach das Glückskind , ‘ so will ich dir sagen wie du erlöst wirst ,’ und als er auf dem jenseitigen Ufer angelangt war , gab er ihm des Teufels Rath , ‘ wenn wieder einer kommt , und will übergefahren seyn , so gib ihm die Stange in die Hand . ’ Er gieng weiter , und kam zu der Stadt , worin der unfruchtbare Baum stand , und wo der Wächter auch Antwort haben wollte . Da sagte er ihm , wie er vom Teufel gehört hatte , ‘ tödtet die Maus , die an seiner Wurzel
nagt , so wird er wieder goldne Aepfel tragen . ’ Da dankte ihm der Wächter , und gab ihm zur Belohnung zwei mit Gold beladene Esel , die mußten ihm nachfolgen . Zuletzt kam er zu der Stadt , deren Brunnen versiegt war . Da sprach er zu dem Wächter , wie der Teufel gesprochen hatte , ‘ es sitzt eine Kröte im Brunnen unter einem Stein , die müßt ihr aufsuchen und tödten , so wird er wieder reichlich Wein geben . ’ Der Wächter dankte ihm , und gab ihm ebenfalls zwei mit Gold beladene Esel .
Endlich langte das Glückskind daheim bei seiner Frau an , die sich herzlich freute als sie ihn wiedersah , und hörte wie wohl ihm alles gelungen war . Dem König brachte er was er verlangt hatte , die drei goldnen Haare des Teufels , und als dieser die vier Esel mit dem Golde sah , ward er ganz vergnügt , und sprach ‘ nun sind alle Bedingungen erfüllt , und du kannst meine Tochter behalten . Aber , lieber Schwiegersohn , sage mir doch woher ist das viele Gold ? das sind ja gewaltige Schätze ! ’ ‘ Jch bin über einen Fluß gefahren ,’ antwortete er , ‘ und da habe ich es mitgenommen , es liegt dort statt des Sandes am Ufer . ’ ‘ Kann ich mir auch davon holen ? ’ sprach der König und war ganz begierig . ‘ So viel ihr nur wollt ,’ antwortete er , ‘ es ist ein Fährmann auf dem Fluß , von dem laßt euch überfahren , so könnt ihr drüben eure Säcke füllen .’ Der habsüchtige König machte sich in aller Eile auf den Weg , und als er zu dem Fluß kam , so winkte er dem Fährmann , der sollte ihn übersetzen . Der Fährmann kam , und hieß ihn einsteigen , und als sie an das jenseitige
Ufer kamen , gab er ihm die Ruderstange in die Hand , und sprang davon . Der König aber mußte von nun an fahren zur Strafe für seine Sünden .
‘Fährt er wohl noch ? ’ ‘ Was dann ? es wird ihm niemand die Stange abgenommen haben .’
30.
Läuschen und Flöhchen .
E in Läuschen und ein Flöhchen die lebten zusammen in einem Haushalt , und brauten das Bier in einer Eierschale . Da fiel das Läuschen hinein , und verbrannte sich . Darüber fieng das Flöhchen an laut zu schreien . Da sprach die kleine Stubenthüre ‘ was schreist du , Flöhchen ? ’ ‘ Weil Läuschen sich verbrannt hat .’
Da fieng das Thürchen an zu knarren . Da sprach ein Besenchen in der Ecke ‘ was knarrst du , Thürchen ? ’ ‘ Soll ich nicht knarren ?
Läuschen hat sich verbrannt ,
Flöhchen weint .’
Da fieng das Besenchen an entsetzlich zu kehren . Da kam ein Wägelchen vorbei , und sprach ‘ was kehrst du Besenchen ? ’ ‘ Soll ich nicht kehren ?
Läuschen hat sich verbrannt ,
Flöhchen weint ,
Thürchen knarrt .’
Da sprach das Wägelchen ‘ so will ich rennen , ’ und fieng an entsetzlich zu rennen . Da sprach das Mistchen , an dem es vorbei rannte , ‘ was rennst du , Wägelchen ? ’ ‘ Soll ich nicht rennen ?
Läuschen hat sich verbrannt ,
Flöhchen weint ,
Thürchen knarrt ,
Besenchen kehrt .’
Da sprach das Mistchen ‘ so will ich entsetzlich brennen , ’ und fieng an in hellem Feuer zu brennen . Da stand ein Bäumchen neben dem Mistchen , das sprach ‘Mistchen , warum brennst du ? ’ ‘ Soll ich nicht brennen ?
Läuschen hat sich verbrannt ,
Flöhchen weint ,
Thürchen knarrt ,
Besenchen kehrt ,
Wägelchen rennt .’
Da sprach das Bäumchen ‘ so will ich mich schütteln , ’ und fieng an sich zu schütteln daß all seine Blätter abfielen . Das sah ein Mädchen , das mit seinem Wasserkrügelchen heran kam , und sprach ‘Bäumchen , was schüttelst du dich ? ’ ‘ Soll ich mich nicht schütteln ?
Läuschen hat sich verbrannt ,
Flöhchen weint ,
Thürchen knarrt ,
Besenchen kehrt ,
Wägelchen rennt ,
Mistchen brennt .’
Da sprach das Mädchen ‘ so will ich mein Wasserkrügelchen zerbrechen ,’ und zerbrach das Wasserkrügelchen . Da sprach das
Brünnlein , aus dem das Wasser quoll , ‘Mädchen , was zerbrichst du dein Wasserkrügelchen ? ’ ‘ Soll ich mein Wasserkrügelchen nicht zerbrechen ?
Läuschen hat sich verbrannt ,
Flöhchen weint ,
Thürchen knarrt ,
Besenchen kehrt ,
Wägelchen rennt ,
Bäumchen schüttelt sich .’
‘ Ei ,’ sagte das Brünnchen ‘ so will ich anfangen zu fließen , ’ und fieng an entsetzlich zu fließen . Und in dem Wasser ist alles ertrunken , das Mädchen , das Bäumchen , das Mistchen , das Wägelchen , das Besenchen , das Thürchen , das Flöhchen , das Läuschen , alles miteinander .
31.
Das Mädchen ohne Hände .
E in Müller war nach und nach in Armuth gerathen , und hatte nichts mehr als seine Mühle und einen großen Apfelbaum dahinter . Einmal war er in den Wald gegangen Holz zu holen , da trat ein alter Mann zu ihm , den er noch niemals gesehen hatte , und sprach ‘ was quälst du dich mit Holzhacken , ich will dich reich machen , wenn du mir versprichst was hinter deiner Mühle steht . ’ ‘ Was kann das anders sein als mein Apfelbaum ? ’ dachte der Müller , sagte ja , und verschrieb es dem fremden Manne . Der aber lachte höhnisch , und sagte ‘ nach drei Jahren will ich kommen und es abholen , ’ und gieng fort . Als der Müller nach Haus kam , trat ihm seine Frau entgegen , und sprach ‘ ei , Müller , woher kommt der plötzliche Reichthum in unser Haus ? auf einmal sind alle Kisten und Kasten voll , kein Mensch hats hereingebracht , und ich weiß nicht wie es zugegangen ist . ’ Er antwortete , ‘ das kommt von einem fremden Manne , der mir im Walde begegnet ist , und mir große Schätze verheißen hat : ich habe ihm dagegen verschrieben was hinter der Mühle steht ; den großen Apfelbaum können wir wohl dafür geben . ’ ‘ Ach , Mann ,’ sagte die Frau erschrocken , ‘ das ist der Teufel gewesen : den Apfelbaum hat er nicht gemeint , sondern unsere Tochter , die stand hinter der Mühle , und kehrte den Hof .’
Die Müllerstochter war ein schönes und frommes Mädchen , und lebte die drei Jahre in Gottesfurcht und ohne Sünde . Als nun die Zeit herum war , und der Tag kam , wo sie der Böse holen wollte , da wusch sie sich rein , und machte mit Kreide einen Kranz um sich . Der Teufel erschien ganz frühe , aber er konnte sich ihr nicht nähern . Zornig sprach er zum Müller ‘ thu ihr alles Wasser weg , damit sie sich nicht mehr waschen kann , denn sonst habe ich keine Gewalt über sie . ’ Der Müller fürchtete sich , und that es . Am andern Morgen kam der Teufel , wieder , aber sie hatte auf ihre Hände geweint , und sie waren ganz rein . Da konnte er ihr wiederum nicht nahen , und sprach wüthend zu dem Müller ‘ hau ihr die Hände ab , sonst kann ich ihr nichts anhaben .’ Der Müller entsetzte sich , und antwortete ‘ wie könnte ich meinen eigenen Kinde die Hände abhauen ! ’ Da drohte ihm der Böse und sprach ‘ wo du es nicht thust , so bist du mein , und ich hole dich selber . ’ Dem Vater ward angst und er versprach ihm zu gehorchen . Da gieng er zu dem Mädchen und sagte ‘ mein Kind , wenn ich dir nicht beide Hände abhaue , so führt mich der Teufel fort , und in der Angst habe ich es ihm versprochen . Hilf mir doch in meiner Noth , und verzeihe mir was ich böses an dir thue . ’ Sie antwortete , ‘ lieber Vater , macht mit mir was ihr wollt , ich bin euer Kind . ’ Darauf legte sie beide Hände hin , und ließ sie sich abhauen . Der Teufel kam zum drittenmal , aber sie hatte so lange und so viel auf die Stümpfe geweint daß sie doch ganz rein waren . Da mußte er weichen , und hatte alles Recht auf sie verloren .
Der Müller sprach zu ihr ‘ ich habe so großes Gut durch dich gewonnen , ich will dich zeitlebens aufs köstlichste halten . ’ Sie antwortete aber ‘ hier kann ich nicht bleiben , ich will fortgehn ; mitleidige Menschen werden mir schon so viel geben als ich brauche . ’ Darauf ließ sie sich die verstümmelten Arme auf den Rücken binden , und mit Sonnenaufgang machte sie sich auf den Weg , und gieng den ganzen Tag bis es Nacht ward . Da kam sie zu einem königlichen Garten , und beim Mondschimmer sah sie daß Bäume voll schöner Früchte darin standen ; aber sie konnte nicht hinein , denn es war ein Wasser darum . Und weil sie den ganzen Tag gegangen war , und keinen Bißen genossen hatte , und der Hunger sie quälte , so dachte sie ‘ ach , wäre ich darin , damit ich etwas von den Früchten äße , sonst muß ich verschmachten . ’ Da kniete sie nieder , rief Gott den Herrn an , und betete . Auf einmal kam ein Engel daher , der machte eine Schleuße in dem Wasser zu , so daß der Graben trocken ward und sie hindurch gehen konnte . Nun gieng sie in den Garten , und der Engel gieng mit ihr . Sie sah einen Baum mit Obst , das waren schöne Birnen , aber sie waren alle gezählt . Da trat sie hinzu , und aß eine mit dem Munde vom Baume ab , ihren Hunger zu stillen , aber nicht mehr . Der Gärtner sah es mit an , weil aber der Engel dabei stand , fürchtete er sich , und meinte das Mädchen wäre ein Geist , schwieg still , und getraute nicht zu rufen oder den Geist anzureden . Als sie die eine Birne gegessen hatte , war sie gesättigt , und gieng und versteckte sich in das Gebüsch . Der König , dem der Garten gehörte , kam am
andern Morgen herab , da zählte er , und sah daß eine der Birnen fehlte , und fragte den Gärtner wo sie hingekommen wäre : sie liege nicht unter dem Baume und sei doch weg . Da antwortete der Gärtner ‘ vorige Nacht kam ein Geist herein , der hatte keine Hände , und aß eine mit dem Munde ab .’ Der König sprach ‘ wie ist der Geist über das Wasser herein gekommen ? und wo ist er hingegangen , nachdem er die Birne gegessen hatte ? ’ Der Gärtner antwortete ‘ es kam jemand in schneeweißem Kleide vom Himmel , der hat die Schleuße zugemacht , und das Wasser gehemmt , damit der Geist durch den Graben gehen konnte . Und weil es ein Engel muß gewesen sein , so habe ich mich gefürchtet , nicht gefragt und nicht gerufen . Als der Geist die Birne gegessen hatte , ist er wieder zurückgegangen .’ Der König sprach ‘verhält es sich wie du sagst , so will ich diese Nacht bei dir wachen .’
Als es dunkel ward , kam der König in den Garten , und brachte einen Priester mit , der sollte den Geist anreden . Alle drei setzten sich unter den Baum , und gaben acht . Um Mitternacht kam das Mädchen aus dem Gebüsch gekrochen , trat zu dem Baum , und aß wieder mit dem Munde eine Birne ab ; neben ihr aber stand der Engel im weißen Kleide . Da gieng der Priester hervor und sprach ‘ bist du von Gott gekommen oder von der Welt ? bist du ein Geist oder ein Mensch ? ’ Sie antwortete ‘ ich bin kein Geist , sondern ein armer Mensch , von allen verlassen nur von Gott nicht . ’ Der König sprach ‘ wenn du von aller Welt verlassen bist , so will ich dich nicht verlassen . ’
Er nahm sie mit sich in sein königliches Schloß , und weil sie so schön und fromm war , liebte er sie von Herzen , ließ ihr silberne Hände machen , und nahm sie zu seiner Gemahlin .
Nach einem Jahre mußte der König über Feld ziehen , da befahl er die junge Königin seiner Mutter , und sprach ‘ wenn sie ins Kindbett kommt , so haltet und verpflegt sie wohl , und schreibt mirs gleich in einem Briefe . ’ Nun gebar sie einen schönen Sohn . Da schrieb es die alte Mutter eilig , und meldete ihm die frohe Nachricht . Der Bote aber ruhte unterwegs an einem Bache , und da er von dem langen Wege ermüdet war , schlief er ein . Da kam der Teufel , welcher der frommen Königin immer zu schaden trachtete , und vertauschte den Brief mit einem andern , darin stand daß die Königin einen Wechselbalg zur Welt gebracht hätte . Als der König den Brief las , erschrack er und betrübte sich sehr , doch schrieb er zur Antwort , sie sollten die Königin wohl halten und pflegen , bis zu seiner Ankunft . Der Bote gieng mit dem Brief zurück , ruhte an der nämlichen Stelle , und schlief wieder ein . Da kam der Teufel abermals , und legte ihm einen andern Brief in die Tasche , darin stand sie sollten die Königin mit ihrem Kinde tödten . Die alte Mutter erschrack heftig als sie den Brief erhielt , konnte es nicht glauben , und schrieb dem Könige noch einmal , aber sie bekam keine andere Antwort , da der Teufel dem Boten jedesmal einen falschen Brief unterschob , und in dem letzten Briefe stand noch sie sollten zum Wahrzeichen Zunge und Augen der Königin aufheben .
Aber die alte Mutter weinte daß so unschuldiges Blut sollte vergossen werden , ließ in der Nacht eine Hirschkuh holen , schnitt ihr Zunge und Augen aus , und hob sie auf . Dann sprach sie zu der Königin ‘ ich kann dich nicht tödten lassen , wie der König befiehlt , aber länger darfst du nicht hier bleiben : geh mit deinem Kinde in die weite Welt hinein , und komm nie wieder zurück . ’ Sie band ihr das Kind auf den Rücken , und die arme Frau gieng mit weiniglichen Augen fort . Sie kam in einen großen wilden Wald , da setzte sie sich auf ihre Knie , und betete zu Gott , und der Engel des Herrn erschien ihr , und führte sie zu einem kleinen Haus , daran war ein Schildchen mit den Worten ‘ hier wohnt ein jeder frei . ’ Aus dem Häuschen kam eine schneeweiße Jungfrau , die sprach ‘willkommen , Frau Königin ,’ und führte sie hinein . Da band sie ihr den kleinen Knaben von dem Rücken , und hielt ihn an ihre Brust , damit er trank , und legte ihn dann auf ein schönes gemachtes Bettchen . Da sprach die arme Frau ‘ woher weißt du daß ich eine Königin war ? ’ Die weiße Jungfrau antwortete ‘ ich bin ein Engel , von Gott gesandt , dich und dein Kind zu verpflegen . ’ Da blieb sie in dem Hause sieben Jahre , und war wohl verpflegt , und durch Gottes Gnade wegen ihrer Frömmigkeit wuchsen ihr die abgehauenen Hände wieder .
Der König kam endlich aus dem Felde wieder nach Haus , und sein erstes war daß er seine Frau mit dem Kinde sehen wollte . Da fieng die alte Mutter an zu weinen , und sprach ‘ du böser Mann , was hast du mir geschrieben daß ich zwei
unschuldige Seelen ums Leben bringen sollte ! ’ und zeigte ihm die beiden Briefe , die der Böse verfälscht hatte , und sprach weiter ‘ ich habe gethan wie du befohlen hast , ’ und wies ihm die Wahrzeichen , Zunge und Augen . Da fieng der König an noch viel bitterlicher zu weinen über seine arme Frau und sein Söhnlein , daß es die alte Mutter erbarmte , und sie zu ihm sprach ‘gib dich zufrieden , sie lebt noch . Jch habe eine Hirschkuh heimlich schlachten lassen , und von dieser die Wahrzeichen genommen , deiner Frau aber habe ich ihr Kind auf den Rücken gebunden , und sie geheißen in die weite Welt zu gehen , und sie hat versprechen müssen nicht wieder hierher zu kommen , weil du so zornig über sie wärst . ’ Da sprach der König ‘ ich will gehen so weit der Himmel blau ist , und nicht essen und nicht trinken bis ich meine liebe Frau und mein Kind wieder gefunden habe , wenn sie nicht in der Zeit umgekommen oder Hungers gestorben sind .’
Darauf zog der König umher , an die sieben Jahre lang , und suchte sie in allen Steinklippen und Felsenhöhlen , aber er fand sie nicht , und dachte sie wäre verschmachtet . Er aß nicht und trank nicht während dieser ganzen Zeit , aber Gott erhielt ihn . Endlich kam er in einen großen Wald , und fand darin das kleine Häuschen , daran das Schildchen war mit den Worten ‘ hier wohnt jeder frei . ’ Da kam die weiße Jungfrau heraus , nahm ihn bei der Hand , und führte ihn hinein , und sprach ‘ seid willkommen , Herr König ,’ und fragte ihn wo er her käme . Er antwortete ‘ ich bin bald sieben Jahre umher gezogen , und
suche meine Frau mit ihrem Kinde , ich kann sie aber nicht finden . ’ Der Engel bot ihm Essen und Trinken an , er nahm es aber nicht , und wollte nur ein wenig ruhen . Da legte er sich schlafen , und deckte ein Tuch über sein Gesicht .
Darauf gieng der Engel in die Kammer , wo die Königin mit ihrem Sohne saß , den sie gewöhnlich Schmerzenreich nannte , und sprach zu ihr ‘ geh heraus mit sammt deinem Kinde , dein Gemahl ist gekommen . ’ Da gieng sie hin wo er lag , und das Tuch fiel ihm vom Angesicht . Da sprach sie ‘Schmerzenreich , heb deinem Vater das Tuch auf , und decke ihm sein Gesicht wieder zu .’ Das Kind hob es auf , und deckte es wieder über sein Gesicht . Das hörte der König im Schlummer , und ließ das Tuch noch einmal gerne fallen . Da ward das Knäbchen ungeduldig , und sagte ‘liebe Mutter , wie kann ich meinem Vater das Gesicht zudecken , ich habe ja keinen Vater auf der Welt ? Jch habe das Beten gelernt , unser Vater , der du bist im Himmel ; da hast du gesagt mein Vater wär im Himmel und wäre der liebe Gott : wie soll ich einen so wilden Mann kennen ? der ist mein Vater nicht . ’ Wie der König das hörte , richtete er sich auf , und fragte wer sie wäre . Da sagte sie ‘ ich bin deine Frau , und das ist dein Sohn Schmerzenreich . ’ Und er sah ihre lebendigen Hände , und sprach ‘ meine Frau hatte silberne Hände . ’ Sie antwortete ‘ die natürlichen Hände hat mir der gnädige Gott wieder wachsen lassen ;’ und der Engel gieng in die Kammer , holte die silbernen Hände , und zeigte sie ihm . Da sah er erst gewiß daß es seine liebe Frau und sein liebes Kind war , und
küßte sie , und war froh , und sagte ‘ ein schwerer Stein ist von meinem Herzen gefallen . ’ Da speiste sie der Engel Gottes noch einmal zusammen , und dann giengen sie nach Haus zu seiner alten Mutter . Da war große Freude überall , und der König und die Königin hielten noch einmal Hochzeit , und sie lebten vergnügt bis an ihr seliges Ende .
32.
Der gescheidte Hans .
H ansens Mutter fragt ‘ wohin , Hans ? ’ Hans antwortet ‘ zur Grethel . ’ ‘ Machs gut , Hans . ’ ‘ Schon gut machen . Adies , Mutter . ’ ‘Adies , Hans .’
Hans kommt zur Grethel . ‘Guten Tag , Grethel . ’ ‘ Guten Tag , Hans . Was bringst du Gutes ? ’ ‘ Bring nichts , gegeben han . ’ Grethel schenkt dem Hans eine Nadel . Hans spricht ‘ Adies , Grethel . ’ ‘Adies , Hans .’
Hans nimmt die Nadel , steckt sie in einen Heuwagen , und geht hinter dem Wagen her nach Haus . ‘Guten Abend , Mutter . ’ ‘Guten Abend , Hans . Wo bist du gewesen ? ’ ‘ Bei der Grethel gewesen . ’ ‘ Was hast du ihr gebracht ? ’ ‘ Nichts gebracht , gegeben hat . ’ ‘ Was hat dir Grethel gegeben ? ’ ‘Nadel gegeben . ’ ‘ Wo hast du die Nadel , Hans ? ’ ‘ Jn Heuwagen gesteckt . ’ ‘ Das hast du dumm gemacht , Hans , mußtest die Nadel an den Ermel stecken . ’ ‘ Thut nichts , besser machen .’
‘Wohin , Hans ? ’ ‘ Zur Grethel , Mutter . ’ ‘ Machs gut , Hans . ’ ‘ Schon gut machen . Adies , Mutter . ’ ‘Adies , Hans .’
Hans kommt zur Grethel . ‘Guten Tag , Grethel . ’ ‘ Guten Tag , Hans . Was bringst du Gutes ? ’ ‘ Bring nichts , gegeben
han . ’ Grethel schenkt dem Hans ein Messer . ‘Adies , Grethel . ’ ‘Adies , Hans .’
Hans nimmt das Messer , steckts an den Ermel , und geht nach Haus . ‘Guten Abend , Mutter . ’ ‘Guten Abend , Hans . Wo bist du gewesen ? ’ ‘ Bei der Grethel gewesen . ’ ‘ Was hast du ihr gebracht ? ’ ‘ Nichts gebracht , gegeben hat . ’ ‘ Was hat dir Grethel gegeben ? ’ ‘Messer gegeben . ’ ‘ Wo hast du das Messer , Hans ? ’ ‘ An den Ermel gesteckt . ’ ‘ Das hast du dumm gemacht , Hans , mußtest das Messer in die Tasche stecken . ’ ‘ Thut nichts , besser machen .’
‘Wohin , Hans ? ’ ‘ Zur Grethel , Mutter . ’ ‘ Machs gut , Hans . ’ ‘ Schon gut machen . Adies , Mutter . ’ ‘Adies , Hans .’
Hans kommt zur Grethel . ‘Guten Tag , Grethel . ’ ‘ Guten Tag , Hans . Was bringst du Gutes ? ’ ‘ Bring nichts , gegeben han . ’ Grethel schenkt dem Hans eine junge Ziege . ‘Adies , Grethel . ’ ‘Adies , Hans .’
Hans nimmt die Ziege , bindet ihr die Beine , und steckt sie in die Tasche . Wie er nach Hause kommt ist sie erstickt . ‘Guten Abend , Mutter . ’ ‘Guten Abend , Hans . Wo bist du gewesen ? ’ ‘ Bei der Grethel gewesen . ’ ‘ Was hast du ihr gebracht ? ’ ‘ Nichts gebracht , gegeben hat . ’ ‘ Was hat dir Grethel gegeben ? ’ ‘Ziege gegeben . ’ ‘ Wo hast du die Ziege , Hans ? ’ ‘ Jn die Tasche gesteckt . ’ ‘ Das hast du dumm gemacht , Hans , mußtest die Ziege an ein Seil binden . ’ ‘ Thut nichts , besser machen .’
‘Wohin , Hans ? ’ ‘ Zur Grethel , Mutter . ’ ‘ Machs gut , Hans . ’ ‘ Schon gut machen . Adies , Mutter . ’ ‘Adies , Hans .’
Hans kommt zur Grethel . ’ ‘ Guten Tag , Grethel . ’ ‘ Guten Tag , Hans . Was bringst du Gutes ? ’ ‘ Bring nichts , gegeben han . ’ Grethel schenkt dem Hans ein Stück Speck . ‘Adies , Grethel . ’ ‘Adies , Hans .’
Hans nimmt den Speck , bindet ihn an ein Seil , und schleifts hinter sich her . Die Hunde kommen und fressen den Speck ab . Wie er nach Haus kommt , hat er das Seil an der Hand , und ist nichts mehr daran . ‘Guten Abend , Mutter . ’ ‘Guten Abend , Hans . Wo bist du gewesen ? ’ ‘ Bei der Grethel gewesen . ’ ‘ Was hast du ihr gebracht ? ’ ‘ Nichts gebracht , gegeben hat . ’ ‘ Was hat dir Grethel gegeben ? ’ ‘Stück Speck gegeben . ’ ‘ Wo hast du den Speck , Hans ? ’ ‘ Ans Seil gebunden , heim geführt , Hunde weggeholt . ’ ‘ Das hast du dumm gemacht , Hans , mußtest den Speck auf dem Kopf tragen . ’ ‘ Thut nichts , besser machen .’
‘Wohin , Hans ? ’ ‘ Zur Grethel , Mutter . ’ ‘ Machs gut , Hans . ’ ‘ Schon gut machen . Adies , Mutter . ’ ‘Adies , Hans .’
Hans kommt zur Grethel . ‘Guten Tag , Grethel . ’ ‘ Guten Tag , Hans . Was bringst du Gutes ? ’ ‘ Bring nichts , gegeben han . ’ Grethel schenkt dem Hans ein Kalb . ‘Adies , Grethel . ’ ‘Adies , Hans .’
Hans nimmt das Kalb , setzt es auf den Kopf , und das Kalb zertritt ihm das Gesicht . ‘Guten Abend , Mutter . ’ ‘Guten Abend , Hans . ’ ‘ Wo bist du gewesen ? ’ ‘ Bei der Grethel gewesen . ’ ‘ Was hast du ihr gebracht ? ’ ‘ Nichts gebracht , gegeben hat . ’ ‘ Was hat dir Grethel gegeben ? ’ ‘Kalb gegeben . ’ ‘ Wo hast du das Kalb , Hans ? ’ ‘ Auf den Kopf gesetzt , Gesicht
zertreten . ’ ‘ Das hast du dumm gemacht , Hans , mußtest das Kalb leiten , und an die Raufe stellen . ’ ‘ Thut nichts , besser machen .’
‘Wohin , Hans ? ‘ Zur Grethel , Mutter . ’ ‘ Machs gut , Hans . ’ ‘ Schon gut machen . Adies , Mutter . ’ ‘Adies , Hans .’
Hans kommt zur Grethel . ‘Guten Tag , Grethel . ’ ‘ Guten Tag , Hans . ’ ‘ Was bringst du Gutes ? ’ ‘ Bring nichts , gegeben han . ’ Grethel sagt zum Hans ‘ ich will mit dir gehen .’
Hans nimmt die Grethel , bindet sie an ein Seil , leitet sie , führt sie vor die Raufe , und knüpft sie fest . Darauf geht Hans zu seiner Mutter . ‘Guten Abend , Mutter . ’ ‘Guten Abend , Hans . ’ ‘ Wo bist du gewesen ? ’ ‘ Bei der Grethel gewesen . ’ ‘ Was hast du ihr gebracht ? ’ ‘ Nichts gebracht . ’ ‘ Was hat dir Grethel gegeben ? ’ ‘ Nichts gegeben , mitgegangen . ’ ‘ Wo hast du die Grethel gelassen ? ’ ‘ Am Seil geleitet , vor die Raufe gebunden , Gras vorgeworfen . ’ ‘ Das hast du dumm gemacht Hans , mußtest ihr freundliche Augen zuwerfen . ’ ‘ Thut nichts , besser machen .’
Hans geht in den Stall , sticht allen Kälbern und Schafen die Augen aus , und wirft sie der Grethel ins Gesicht . Da wird Grethel böse , reißt sich los , und lauft fort , und ist Hansens Braut gewesen .
33.
Die drei Sprachen .
J n der Schweiz lebte einmal ein alter Graf , der hatte nur einen einzigen Sohn , aber er war dumm , und konnte nichts lernen . Da sprach der Vater ‘hör , mein Sohn , ich bringe nichts in deinen Kopf , ich mag es anfangen wie ich will . Jetzt sollst du fort , und ein berühmter Meister soll es mit dir versuchen . ’ Der Junge ward in eine fremde Stadt geschickt , und blieb bei dem Meister ein ganzes Jahr . Nach Verlauf dieser Zeit kam er wieder heim , und der Vater fragte ‘ nun mein Sohn , was hast du gelernt ? ’ ‘Vater , ich habe gelernt was die Hunde bellen ’ antwortete er . ‘ Daß Gott erbarm ,’ rief der Vater aus , ‘ ist das alles was du gelernt hast ? ich will dich in eine andere Stadt zu einem andern Meister thun . ’ Der Junge ward hingebracht , und blieb bei diesem Meister auch ein Jahr , und als er zurückkam , fragte der Vater wiederum ‘ mein Sohn , was hast du gelernt ? ’ Er antwortete ‘Vater , ich habe gelernt was die Vögli sprechen . ’ Da gerieth der Vater in Zorn , und sprach ‘o du verlorner Mensch , hast die kostbare Zeit hingebracht , und nichts gelernt , und schämst dich nicht mir unter die Augen zu treten ? Jch will dich zu einem dritten Meister schicken , aber lernst du
auch diesmal nichts , so will ich dein Vater nicht mehr sein . ’ Der Sohn blieb bei dem dritten Meister ebenfalls ein ganzes Jahr , und als er wieder nach Haus kam , und der Vater fragte ‘ mein Sohn , was hast du gelernt ? ’ so antwortete er ‘ lieber Vater , ich habe dieses Jahr gelernt was die Frösche quacken . ’ Da gerieth der Vater in den höchsten Zorn , sprang auf , rief seine Leute herbei , und sprach ‘ dieser Mensch ist mein Sohn nicht mehr , ich stoße ihn aus , und gebiete euch daß ihr ihn hinaus in den Wald führt , und ihm das Leben nehmt . ’ Sie nahmen ihn , und führten ihn hinaus , aber als sie ihn tödten sollten , konnten sie nicht vor Mitleiden , und ließen ihn gehen . Sie schnitten einem Reh Augen und Zunge aus , damit sie dem Alten die Wahrzeichen bringen konnten .
Der Jüngling wanderte fort , und kam nach einiger Zeit zu einer Burg , wo er um Nachtherberge bat . ‘ Ja ,’ sagte der Burgherr , ‘ wenn du da unten in dem alten Thurm übernachten willst , so gehe hin , aber ich warne dich , es ist lebensgefährlich , denn er ist voll wilder Hunde , die bellen und heulen in einem fort , und zu gewissen Stunden müssen sie einen Menschen ausgeliefert haben , den sie auch gleich verzehren . ’ Die ganze Gegend war darüber in Trauer und Leid , und konnte doch niemand helfen . Der Jüngling aber , der sich nicht fürchtete , sprach ‘ laßt mich nur hinab zu den bellenden Hunden , und gebt mir etwas , das ich ihnen vorwerfen kann ; mir sollen sie nichts thun . ’ Weil er nun selber nicht anders wollte , so gaben sie ihm etwas Essen für die wilden Thiere , und brachten ihn hinab zu dem
Thurm . Als er hinein trat , bellten ihn die Hunde nicht an , wedelten mit den Schwänzen ganz freundlich um ihn herum , fraßen was er ihnen hinsetzte , und krümmten ihm kein Härchen . Am andern Morgen kam er zu jedermanns Erstaunen gesund und unversehrt heraus , und sagte zu dem Burgherrn ‘ die Hunde haben mir in ihrer Sprache offenbart warum sie da hausen und dem Lande Schaden bringen . Sie sind verwünscht einen großen Schatz so lange im Thurme zu hüten bis der Schatz gehoben ist , dann kommen sie zur Ruhe . Auf was Art und Weise dies geschehen muß , habe ich ebenfalls aus ihren Reden vernommen . ’ Da freuten sich alle die das hörten , und der Burgherr versprach ihm seine Tochter wenn er den Schatz heben könnte . Er vollführte es glücklich , die wilden Hunde verschwanden , und das Land war von der Plage befreit . Da ward ihm die schöne Jungfrau angetraut , und sie lebten vergnügt zusammen .
Ueber eine Zeit setzte er sich mit ihr in einen Wagen , und wollte nach Rom fahren . Auf dem Weg kamen sie an einem Sumpf vorbei , in welchem Frösche saßen und quackten . Der junge Graf horchte , und als er vernahm was sie sprachen , ward er ganz nachdenklich und traurig , sagte aber seiner Frau die Ursache nicht . Endlich langten sie in Rom an , da war gerade der Pabst gestorben , und unter den Kardinälen großer Zweifel wen sie zum Nachfolger bestimmen sollten . Sie wurden zuletzt einig derjenige sollte zum Pabst erwählt werden , an dem sich ein göttliches Wunderzeichen offenbaren würde . Und als das eben beschlossen war , in demselben Augenblick trat der junge
Graf in die Kirche , und plötzlich flogen zwei schneeweiße Tauben auf seine beiden Schultern , und blieben da sitzen . Die Geistlichkeit erkannte darin das Zeichen Gottes , und fragte ihn auf der Stelle ob er ihr Pabst werden wolle . Er war unschlüßig und wußte nicht ob er dessen würdig sey , aber die Tauben redeten ihm zu daß er es thun möchte , und er antwortete ‘ ja .’ Da wurde er gesalbt und geweiht , und damit war eingetroffen , was ihm die Frösche unterwegs gesagt hatten , und was ihn so bestürzt gemacht , daß er der heilige Pabst werden sollte . Darauf mußte er eine Messe singen , und wußte kein Wort davon , aber die zwei Tauben saßen stets auf seinen Schultern , und sagten ihm alles ins Ohr .
34.
Die kluge Else .
E s war ein Mann , der hatte eine Tochter , die hieß die kluge Else . Als sie nun erwachsen war , sprach der Vater ‘ wir wollen sie heirathen lassen . ’ ‘ Ja ,’ sagte die Mutter , ‘ wenn nur einer käme , der sie haben wollte . ’ Endlich kam von weither einer , der hieß Hans , und hielt um sie an unter der Bedingung , daß die kluge Else auch recht gescheidt wäre . ‘ O ,’ sprach der Vater , ‘ die hat Zwirn im Kopf ,’ und die Mutter sagte ‘ach , die sieht den Wind auf der Gasse laufen , und hört die Fliegen husten . ’ ‘ Ja ,’ sprach der Hans , ‘ wenn sie nicht recht gescheidt ist , so nehm ich sie nicht . ’ Als sie nun zu Tisch saßen und gegessen hatten , sprach die Mutter ‘Else , geh in den Keller , und hol Bier .’ Da nahm die Else den Krug von der Wand , gieng in den Keller , und klappte unterwegs brav mit dem Deckel , damit ihr die Zeit ja nicht lang würde . Als sie unten war , holte sie ein Stühlchen , und stellte es vors Faß , damit sie sich nicht zu bücken brauchte , und ihrem Rücken etwa nicht wehe thäte , und unverhofften Schaden nähme . Dann that sie die Kanne vor sich , und drehte den Hahn auf , und während der Zeit daß das Bier hinein lief , wollte sie doch ihre Augen
nicht müßig lassen , und sah oben an die Wand hinauf , und erblickte nach vielem Hin- und Herschauen eine Kreuzhacke gerade über sich , welche die Maurer da aus Versehen hatten stecken lassen . Da fieng die kluge Else an zu weinen , und sprach ‘ wenn ich den Hans kriege , und wir kriegen ein Kind , und das ist groß , und wir schicken das Kind in den Keller , daß es hier soll Bier zapfen , so fällt ihm die Kreuzhacke auf den Kopf und schlägts todt .’
Da blieb sie sitzen , und weinte aus Jammer über das bevorstehende Unglück . Die oben saßen warteten auf den Trank , aber die kluge Else kam immer nicht . Da sprach die Frau zur Magd ‘geh doch hinunter in den Keller , und sieh wo die Else bleibt . ’ Die Magd gieng und fand sie vor dem Fasse sitzend und laut schreiend . ‘Else , was weinst du ? ’ fragte die Magd . ‘ Ach ,’ antwortete sie , ‘ soll ich nicht weinen ! wenn ich den Hans kriege , und wir kriegen ein Kind , und das ist groß , und soll hier Trinken zapfen , so fällt ihm vielleicht die Kreuzhacke auf den Kopf und schlägt es todt . ’ Da sprach die Magd ‘ was haben wir für eine kluge Else ! ’ setzte sich zu ihr , und fieng auch an über das Unglück zu weinen . Ueber eine Weile , als die Magd nicht wiederkam , und die droben durstig nach dem Trank waren , sprach der Mann zum Knecht ‘geh doch hinunter in den Keller , und sieh wo die Else und die Magd bleibt .’ Der Knecht gieng hinab , da saß die kluge Else und die Magd , und weinten beide zusammen , da fragte er ‘ was weint ihr denn ? ’ ‘ Ach ,’ sprach die Else , ‘ soll ich nicht weinen ! wenn ich den Hans kriege , und
wir kriegen ein Kind , und das ist groß , und soll hier Trinken zapfen , so fällt ihm die Kreuzhacke auf den Kopf , und schlägts todt . ’ Da sprach der Knecht ‘ was haben wir für eine kluge Else ! ’ setzte sich zu ihr , und fieng auch an laut zu heulen . Oben warteten sie auf den Knecht , als er aber immer nicht kam , sprach der Mann zur Frau ‘geh doch hinunter in den Keller , und sieh wo die Else bleibt . ’ Die Frau gieng hinab , und fand alle drei in Wehklagen , und fragte nach der Ursache , da erzählte ihr die Else auch daß ihr zukünftiges Kind wohl würde von der Kreuzhacke todtgeschlagen werden , wenn es erst groß wäre , und Bier zapfen sollte , und die Kreuzhacke fiele herab . Da sprach die Mutter gleichfalls ‘ach , was haben wir für eine kluge Else ! ’ setzte sich hin , und weinte mit . Der Mann oben wartete auch ein Weilchen , als aber seine Frau nicht wieder kam , und sein Durst immer stärker ward , sprach er ‘ ich muß nur selber in den Keller gehn , und sehen wo die Else bleibt . ’ Als er aber in den Keller kam , und alle da bei einander saßen und weinten , und er die Ursache hörte , daß das Kind der Else schuld wäre , das sie vielleicht einmal zur Welt brächte , und von der Kreuzhacke könnte todtgeschlagen werden , wenn es gerade zur Zeit , wo sie herab fiele , darunter säße , Bier zu zapfen : da rief er ‘ was für eine kluge Else ! ’ setzte sich , und weinte auch mit . Der Bräutigam blieb lange oben allein , da niemand wiederkommen wollte , dachte er ‘ sie werden unten auf dich warten , du mußt auch hingehen , und sehen was sie vorhaben . ’ Als er hinab kam , saßen da fünfe , und schrien und jammerten
ganz erbärmlich , einer immer besser als der andere . ‘ Was für ein Unglück ist denn geschehen ? ’ fragte er . ‘ Ach , lieber Hans ,’ sprach die Else , ‘ wann wir einander heirathen , und haben ein Kind , und es ist groß , und wir schickens vielleicht hierher Trinken zu zapfen , da kann ihm ja die Kreuzhacke , die da oben ist stecken geblieben , wenn sie herabfallen sollte , den Kopf zerschlagen , daß es liegen bleibt ; sollen wir da nicht weinen ? ’ ‘ Nun ,’ sprach Hans , ‘ mehr Verstand ist für meinen Haushalt nicht nöthig ; weil du so eine kluge Else bist , so will ich dich haben ,’ packte sie bei der Hand , und nahm sie mit hinauf , und hielt Hochzeit mit ihr .
Als sie den Hans eine Weile hatte , sprach er ‘ Frau , ich will ausgehen arbeiten , und uns Geld verdienen , geh du ins Feld , und schneid das Korn , daß wir Brot haben . ’ ‘ Ja , mein lieber Hans , das will ich thun . ’ Nachdem der Hans fort war , kochte sie sich einen guten Brei , und nahm ihn mit ins Feld . Als sie vor den Acker kam , sprach sie zu sich selbst ‘ was thu ich ? schneid ich ehr , oder eß ich ehr ? hei , ich will erst essen . ’ Nun aß sie ihren Topf mit Brei aus , und als sie dick satt war , sprach sie wieder ‘ was thu ich ? schneid ich ehr , oder schlaf ich ehr ? hei , ich will erst schlafen . ’ Da legte sie sich ins Korn , und schlief ein . Der Hans war längst zu Haus , aber die Else wollte nicht kommen , da sprach er ‘ was hab ich für eine kluge Else , die ist so fleißig , daß sie nicht einmal nach Haus kommt und ißt . ’ Als sie aber noch immer ausblieb , und es Abend ward , gieng der Hans hinaus , und wollte sehen was sie geschnitten
hätte : aber es war nichts geschnitten , sondern sie lag im Korn und schlief . Da eilte Hans geschwind heim , und holte ein Vogelgarn mit kleinen Schellen , und hängte es um sie herum ; und sie schlief noch immer fort . Dann lief er heim , setzte sich auf einen Stuhl , und schloß die Hausthüre zu . Endlich erwachte die kluge Else , wie es schon ganz dunkel war , und als sie aufstand , rappelte es um sie herum , bei jedem Schritte , den sie that . Da erschrack sie , und ward irre ob sie auch wirklich die kluge Else wäre , und sprach ‘ bin ichs , oder bin ichs nicht ? ’ Sie wußte aber nicht was sie darauf antworten sollte , und stand eine Zeitlang zweifelhaft : endlich dachte sie ‘ ich will nach Haus gehen , und fragen ob ichs bin oder ob ichs nicht bin , die werdens ja wissen . ’ Sie lief vor ihre Hausthüre , aber die war verschlossen , da klopfte sie an das Fenster , und rief ‘Hans , ist die Else drinnen ? ’ ‘ Ja ,’ antwortete der Hans , ‘ sie ist drinnen . ’ Da erschrack sie , und sprach ‘ach Gott , dann bin ichs nicht , ’ und gieng vor eine andere Thür ; aber als die Leute das Klingeln der Schellen hörten , wollten sie nicht aufmachen , und sie konnte nirgends unterkommen : da lief sie fort zum Dorf hinaus .
35.
Der Schneider im Himmel .
E s trug sich zu , daß der liebe Gott an einem schönen Tag in dem himmlischen Garten sich ergehen wollte , und alle Apostel und Heiligen mit nahm , also daß niemand mehr im Himmel blieb , als der heilige Petrus . Der Herr hatte ihm befohlen während seiner Abwesenheit niemand einzulassen , Petrus stand also an der Pforte und hielt Wache . Nicht lange so klopfte jemand an . Petrus fragte wer da wäre und was er wollte . ‘Jch bin ein armer ehrlicher Schneider ,’ antwortete eine feine Stimme , ‘ der um Einlaß bittet . ’ ‘ Ja , ehrlich ,’ sagte Petrus , ‘ wie der Dieb am Galgen , du hast lange Finger gemacht , und den Leuten das Tuch abgezwickt . Du kommst nicht in den Himmel , der Herr hat mir verboten , so lange er draußen wäre , irgend jemand einzulassen . ’ ‘Seid doch barmherzig ,’ rief der Schneider , ‘ ich hinke und habe von dem Weg daher Blasen an den Füßen , ich kann unmöglich wieder umkehren . Laßt mich nur hinein , ich will alle schlechte Arbeit thun . Jch will die Kinder tragen , die Windeln waschen , die Bänke , darauf sie gespielt haben , säubern und abwischen , und ihre zerrissenen Kleider flicken .’ Der heilige Petrus ließ sich aus Mitleiden bewegen , und öffnete dem lahmen Schneider
die Himmelspforte so weit , daß er mit seinem dürren Leib hineinschlüpfen konnte . Er mußte sich in einen Winkel hinter die Thüre setzen , und sollte sich da still und ruhig verhalten , damit ihn der Herr , wenn er zurückkäme , nicht bemerkte und zornig würde . Der Schneider gehorchte , als aber der heilige Petrus einmal zur Thüre hinaus trat , stand er auf , gieng voll Neugierde in allen Winkeln des Himmels herum , und besah sich die Gelegenheit . Endlich kam er zu einem Platz , da standen viele schöne und köstliche Stühle und in der Mitte ein ganz goldener Sessel , der mit glänzenden Edelsteinen besetzt war ; er war auch viel höher als die übrigen Stühle , und ein goldener Fußschemel stand davor . Es war aber der Sessel , auf welchem der Herr saß , wenn er daheim war , und von welchem er alles sehen konnte , was auf Erden geschah . Der Schneider stand still und sah den Sessel eine gute Weile an , denn er gefiel ihm besser als alles andere . Endlich konnte er den Vorwitz nicht bezähmen , stieg hinauf , und setzte sich in den Sessel . Da sah er alles was auf Erden geschah , und bemerkte eine alte häßliche Frau , die an einem Bach stand und wusch , und zwei Schleier heimlich bei Seite that . Der Schneider erzürnte sich bei diesem Anblicke so sehr , daß er den goldenen Fußschemel ergriff und durch den Himmel auf die Erde hinab nach der alten Diebin warf . Da er aber den Schemel nicht wieder herauf holen konnte , so schlich er sich sachte aus dem Sessel weg , setzte sich wieder an seinen Platz hinter die Thüre , und that als ob er kein Wasser getrübt hätte .
Als der Herr und Meister mit dem himmlischen Gefolge
wieder zurückkam , ward er zwar den Schneider hinter der Thüre nicht gewahr , als er sich aber auf seinen Sessel setzte , mangelte der Schemel . Er fragte den heiligen Petrus wo der Schemel hingekommen wäre ; der wußte es nicht . Da fragte er weiter ob er jemand hereingelassen hätte . ‘ Jch weiß niemand ,’ antwortete Petrus , ‘ der da gewesen wäre , als ein lahmer Schneider , der noch hinter der Thüre sitzt . ’ Da ließ der Herr den Schneider vor sich treten , und fragte ihn ob er den Schemel weggenommen und wo er ihn hingethan hätte . ‘ O Herr ,’ antwortete der Schneider freudig , ‘ ich habe ihn im Zorn hinab auf die Erde nach einem alten Weib geworfen , das ich bei der Wäsche zwei Schleier stehlen sah . ’ ‘ O du Schalk ,’ sprach der Herr , ‘ wollt ich richten wie du richtest , wie meinst du daß es dir schon längst ergangen wäre ? ich hätte schon lange keine Stühle , Bänke , Sessel , ja keine Ofengabel mehr hier gehabt , sondern alles nach den Sündern hinab geworfen . Fortan kannst du nicht mehr im Himmel bleiben , sondern mußt wieder hinaus vor das Thor , da sieh zu wo du hinkommst . Hier soll niemand strafen , denn ich allein , der Herr’ .
Petrus mußte den Schneider wieder hinaus vor den Himmel bringen , und weil er zerrissene Schuhe hatte und die Füße voll Blasen , nahm er einen Stock in die Hand , und zog nach Warteinweil , wo die frommen Soldaten sitzen , und sich lustig machen .
36.
Tischchen deck dich , Goldesel , und Knüppel aus dem Sack .
V or Zeiten war ein Schneider , der drei Söhne hatte , und nur eine einzige Ziege . Aber die Ziege , weil sie alle zusammen mit ihrer Milch ernährte , mußte ihr gutes Futter haben , und täglich hinaus auf die Weide geführt werden . Die Söhne thaten das auch nach der Reihe . Einmal brachte sie der älteste auf den Kirchhof , wo die schönsten Kräuter standen , ließ sie da fressen und herumspringen . Abends , als es Zeit war heim zu gehn , fragte er ‘Ziege , bist du satt ? ’ Die Ziege antwortete
‘ ich bin so satt ,
ich mag kein Blatt : meh ! meh !’
‘ So komm nach Haus ’ sprach der Junge , faßte sie am Strickchen , führte sie in den Stall , und band sie fest . ‘ Nun ,’ sagte der alte Schneider ‘ hat die Ziege ihr gehöriges Futter ? ’ ‘ O ,’ antwortete der Sohn , ‘ die ist so satt , sie mag kein Blatt . ’ Der Vater aber wollte sich selbst überzeugen , gieng hinab in den Stall , streichelte das liebe Thier , und fragte ‘Ziege , bist du auch satt ? ’ Die Ziege antwortete
‘Wovon sollt ich satt seyn ?
ich sprang nur über Gräbelein ,
und fand kein einzig Blättelein : meh ! meh !’
‘ Was muß ich hören ! ’ rief der Schneider , lief hinauf , und sprach zu dem Jungen ‘ei , du Lügner , sagst die Ziege wäre satt , und hast sie hungern lassen ? ’ und in seinem Zorn nahm er die Elle von der Wand , und jagte ihn hinaus .
Am andern Tag war die Reihe am zweiten Sohn , der suchte einen Platz aus , wo lauter gute Kräuter standen , und die Ziege fraß sie rein ab . Abends , als er heim wollte , fragte er ‘Ziege , bist du satt ? ’ Die Ziege antwortete
‘ ich bin so satt ,
ich mag kein Blatt : meh ! meh !’
‘ So komm nach Haus ,’ sprach der Junge , zog sie heim , und band sie im Stalle fest . ‘ Nun ,’ sagte der alte Schneider , ‘ hat die Ziege ihr gehöriges Futter ? ’ ‘ O ,’ antwortete der Sohn , ‘ die ist so satt , sie mag kein Blatt . ’ Der Schneider wollte sich darauf nicht verlassen , gieng hinab in den Stall , und fragte ‘Ziege , bist du auch satt ? ’ Die Ziege antwortete
‘ wovon sollt ich satt seyn ?
ich sprang nur über Gräbelein ,
und fand kein einzig Blättelein : meh ! meh !’
‘ Der gottlose Bösewicht ! ’ schrie der Schneider , ‘ so ein frommes Thier hungern zu lassen ! ’ lief hinauf , und schlug mit der Elle den Jungen zur Hausthüre hinaus .
Die Reihe kam jetzt an den dritten Sohn , der wollte seine Sache gut machen , suchte Buschwerk mit dem schönsten Laube
aus , und ließ die Ziege daran fressen . Abends , als er heim wollte , fragte er ‘Ziege , bist du auch satt ? ’ Die Ziege antwortete
‘ ich bin so satt ,
ich mag kein Blatt : meh ! meh !’
‘ So komm nach Haus ,’ sagte der Junge , führte sie in den Stall , und band sie fest . ‘ Nun ,’ sagte der alte Schneider , ‘ hat die Ziege ihr gehöriges Futter ? ’ ‘ O ,’ antwortete der Sohn , ‘ die ist so satt , sie mag kein Blatt . ’ Der Schneider traute nicht , gieng hinab und fragte ‘Ziege , bist du auch satt ? ’ Das boshafte Thier antwortete
‘ wovon sollt ich satt seyn ?
ich sprang nur über Gräbelein ,
und fand kein einzig Blättelein : meh ! meh !’
‘ O die Lügenbrut ! ’ rief der Schneider , ‘ einer so gottlos und pflichtvergessen wie der andere ! ihr sollt mich nicht länger zum Narren haben ! ’ und vor Zorn ganz außer sich sprang er hinauf , und gerbte dem einen Jungen mit der Elle den Rücken so gewaltig , daß er zum Haus hinaus sprang .
Der alte Schneider war nun mit seiner Ziege allein . Am andern Morgen gieng er hinab in den Stall , liebkoste die Ziege , und sprach ‘ komm , mein liebes Thierlein , ich will dich selbst zur Weide führen .’ Er nahm sie am Strick , und brachte sie zu grünen Hecken und unter Schafrippe und was die Ziegen gerne fressen . ‘ Da kannst du dich einmal nach Herzenslust sättigen ’ sprach er zu ihr , und ließ sie weiden bis zum Abend . Da fragte er ‘Ziege , bist du satt ? ’ Sie antwortete
‘ ich bin so satt ,
ich mag kein Blatt : meh ! meh !’
‘ So komm nach Haus ’ sagte der Schneider , führte sie in den Stall , und band sie fest . Als er weggieng , kehrte er sich noch einmal um , und sagte ‘ nun bist du doch einmal satt ! ’ Aber die Ziege machte es ihm nicht besser , und rief
‘ wie sollt ich satt seyn ?
ich sprang nur über Gräbelein ,
und fand kein einzig Blättelein : meh ! meh ! ’
Als der Schneider das hörte , stutzte er , und sah wohl daß er seine drei Söhne ohne Ursache verstoßen hatte . ‘Wart ,’ rief er , ‘ du undankbares Geschöpf , dich fortzujagen ist noch zu wenig , ich will dich zeichnen daß du dich unter ehrlichen Schneidern nicht mehr darfst sehen lassen . ’ Jn einer Hast sprang er hinauf , holte sein Bartmesser , seifte der Ziege den Kopf ein , und schor sie so glatt wie seine flache Hand . Und weil die Elle zu ehrenvoll gewesen wäre , holte er die Peitsche , und versetzte ihr solche Hiebe , daß sie in gewaltigen Sprüngen davon lief .
Der Schneider , als er so ganz einsam in seinem Hause saß , verfiel in große Traurigkeit , und hätte seine Söhne gerne wieder gehabt , aber niemand wußte wo sie hingerathen waren . Der älteste war zu einem Schreiner in die Lehre gegangen , da lernte er fleißig und unverdrossen , und als seine Zeit herum war , daß er wandern sollte , schenkte ihm der Meister ein Tischchen , das gar kein besonderes Ansehen hatte , und von gewöhnlichem Holz war , aber es hatte eine gute Eigenschaft . Wenn man es hinstellte
und sprach ‘Tischchen , deck dich ,’ so war das gute Tischchen auf einmal mit einem saubern Tüchlein bedeckt , und stand da ein Teller , und Messer und Gabel daneben , und Schüsseln mit Gesottenem und Gebratenem , so viel Platz hatten , und ein großes Glas mit rothem Wein leuchtete daß einem das Herz lachte . Der junge Gesell dachte ‘ damit hast du genug für dein Lebtag ,’ zog guter Dinge in der Welt umher , und bekümmerte sich gar nicht darum ob ein Wirthshaus gut oder schlecht , und ob etwas darin zu finden war , oder nicht . Wenn es ihm gefiel , so kehrte er gar nicht ein , sondern im Feld , im Wald , auf einer Wiese , wo er Lust hatte , nahm er sein Tischchen vom Rücken , stellte es vor sich , und sprach ‘deck dich ,’ so war alles da , was sein Herz begehrte . Endlich kam es ihm in den Sinn , er wollte zu seinem Vater zurückkehren , sein Zorn würde sich gelegt haben , und mit dem Tischchen deck dich würde er ihn gerne wieder aufnehmen . Es trug sich zu , daß er auf dem Heimweg Abends in ein Wirthshaus kam , das mit Gästen angefüllt war ; sie hießen ihn willkommen , und luden ihn ein sich zu ihnen zu setzen und mit ihnen zu essen , sonst würde er schwerlich noch etwas bekommen . ‘Nein ,’ antwortete der Schreiner , ‘ die paar Bissen will ich euch nicht vor dem Munde nehmen , lieber sollt ihr meine Gäste seyn . ’ Sie lachten und meinten er triebe seinen Spaß mit ihnen . Er aber stellte sein hölzernes Tischchen mitten in die Stube , und sprach ‘Tischchen , deck dich . Augenblicklich war es mit Speisen besetzt , so gut wie sie der Wirth nicht hätte herbeischaffen können , und wovon der Geruch den Gästen lieblich in die Nase stieg .
‘Zugegriffen , liebe Freunde ,’ sprach der Schreiner , und die Gäste , als sie sahen wie es gemeint war , ließen sich nicht zweimal bitten , rückten heran , zogen ihre Messer , und griffen tapfer zu . Und was sie am meisten verwunderte , wenn eine Schüssel leer geworden war , so stellte sich gleich von selbst eine volle an ihren Platz . Der Wirth stand in einer Ecke , und sah dem Dinge zu ; er wußte gar nicht was er sagen sollte , dachte aber ‘ einen solchen Koch könntest du in deiner Wirtschaft wohl brauchen . ’ Der Schreiner und seine Gesellschaft waren lustig bis in die späte Nacht , endlich aber legten sie sich schlafen , und der junge Gesell gieng auch zu Bett , und stellte sein Wünschtischchen an die Wand . Dem Wirthe aber ließen seine Gedanken keine Ruhe , es fiel ihm ein daß in seiner Rumpelkammer ein altes Tischchen stände , das gerade so aussähe : das holte er ganz sachte herbei , und vertauschte es mit dem Wünschtischchen . Am andern Morgen zahlte der Schreiner sein Schlafgeld , packte sein Tischchen auf , dachte gar nicht daran daß er ein falsches hätte , und gieng seiner Wege . Zu Mittag kam er bei seinem Vater an , der ihn mit großer Freude empfieng . ‘ Nun , mein lieber Sohn , was hast du gelernt ? ’ sagte er zu ihm . ‘Vater , ich bin ein Schreiner geworden . ’ ‘ Ein gutes Handwerk ,’ erwiederte der Alte , ‘ aber was hast du von deiner Wanderschaft mitgebracht ? ’ ‘Vater , das beste , was ich mitgebracht habe , ist das Tischchen . ’ Der Schneider betrachtete es , und sagte ‘ daran hast du kein Meisterstück gemacht , das ist ein altes und schlechtes Tischchen . ’ ‘ Aber es ist ein Tischchen deck dich’ , antwortete der Sohn , ‘ wenn ich es hinstelle , und sage ihm
es sollte sich decken , so stehen gleich die schönsten Gerichte darauf und ein Wein dabei , der das Herz erfreut . Ladet nur alle Verwandte und Freunde ein , die sollen sich einmal laben und erquicken , denn das Tischchen macht sie alle satt . ’ Als die Gesellschaft beisammen war , stellte er sein Tischchen mitten in die Stube , und sprach ‘Tischchen , deck dich . ’ Aber das Tischchen regte sich nicht , und blieb so leer wie ein anderer Tisch , der die Sprache nicht versteht . Da merkte der arme Geselle daß ihm das Tischchen vertauscht war , schämte sich daß er wie ein Lügner da stand , und die Verwandten lachten ihn aus , und mußten ungetrunken und ungegessen wieder heim wandern . Der Vater holte seine Lappen wieder herbei , und schneiderte fort , der Sohn aber mußte bei einem Meister in die Arbeit gehen .
Der zweite Sohn war zu einem Müller gekommen , und bei ihm in die Lehre gegangen . Als er seine Jahre herum hatte , sprach der Meister ‘ weil du dich so wohl gehalten hast , so schenke ich dir einen Esel von einer besondern Art , er zieht nicht am Wagen , und trägt auch keine Säcke . ’ ‘ Wozu ist er denn nütze ? ’ fragte der junge Geselle . ‘ Er speit Gold ,’ antwortete der Müller , ‘ wenn du ihn auf ein Tuch stellst , und sprichst ‘Bricklebrit , ’ so speit dir das gute Thier Goldstücke aus , hinten und vorn . ’ ‘ Das ist eine schöne Sache ’ sprach der Geselle , dankte dem Meister und zog in die Welt . Wenn er Gold nöthig hatte brauchte er nur zu seinem Esel ‘ Bricklebrit ’ zu sagen , so regnete es Goldstücke , und er hatte weiter keine Mühe als sie von der Erde aufzuheben . Wo er hinkam , war ihm das beste gut genug ,
und je theurer je lieber , denn er hatte immer einen vollen Beutel . Als er sich eine Zeit lang in der Welt umgesehen , dachte er ‘ du mußt deinen Vater aufsuchen , wenn du mit dem Goldesel kommst , so wird er seinen Zorn vergessen , und dich gut aufnehmen . ’ Es trug sich zu , daß er in dasselbe Wirthshaus gerieth , in welchem seinem Bruder das Tischchen vertauscht war . Er führte seinen Esel an der Hand , und der Wirth wollte ihm das Thier abnehmen und anbinden , der junge Geselle aber sprach ‘ gebt euch keine Mühe , meinen Grauschimmel führe ich selbst in den Stall , und binde ihn auch selbst an , denn ich muß wissen wo er steht .’ Dem Wirth kam das wunderlich vor , und er meinte einer , der seinen Esel selbst besorge , habe nicht viel zu verzehren , als aber der Fremde in die Tasche griff , und zwei Goldstücke heraus holte , und sagte er sollte nur etwas gutes für ihn einkaufen , so machte er große Augen , lief und suchte das beste , das er auftreiben konnte . Nach der Mahlzeit fragte der Gast was er schuldig sei , der Wirth wollte die doppelte Kreide nicht sparen , und sagte noch ein paar Goldstücke müste er zulegen . Der Geselle griff in die Tasche , aber sein Gold war eben zu Ende . ‘Wartet einen Augenblick , Herr Wirth ,’ sprach er , ‘ ich will nur gehen und Gold holen ;’ nahm aber das Tischtuch mit . Der Wirth wußte nicht was das heißen sollte , war neugierig , schlich ihm nach , und da der Gast die Stallthüre zuriegelte , so guckte er durch ein Astloch . Der Fremde breitete unter dem Esel das Tuch aus , rief ‘Bricklebrit ,’ und augenblicklich fieng das Thier an Gold zu speien von hinten und vorn , daß es ordentlich
auf die Erde herabregnete . ‘ Ei der tausend ,’ sagte der Wirth , ‘ da sind die Ducaten bald geprägt ! so ein Geldbeutel ist nicht übel ! ’ Der Gast bezahlte seine Zeche , und legte sich schlafen , der Wirth aber schlich in der Nacht herab in den Stall , führte den Münzmeister weg , und band einen andern Esel an seine Stelle . Den folgenden Morgen in der Frühe zog der Geselle mit seinem Esel ab , und meinte er hätte seinen Goldesel . Mittags kam er bei seinem Vater an , der sich freute als er ihn wiedersah , und ihn gerne aufnahm . ‘ Was ist aus dir geworden , mein Sohn ? fragte der Alte . ‘ Ein Müller , lieber Vater ,’ antwortete er . ‘ Was hast du von deiner Wanderschaft mitgebracht ? ’ ‘ Weiter nichts als einen Esel . ’ ‘Esel gibts hier genug ,’ sagte der Vater , ‘ da wäre mir doch eine gute Ziege lieber gewesen . ’ ‘ Ja ,’ antwortete der Sohn , ‘ aber es ist kein gemeiner Esel , sondern ein Goldesel : wenn ich sage ‘Bricklebrit , ’ so speit euch das gute Thier ein ganzes Tuch voll Goldstücke . Laßt nur alle Verwandte herbei rufen , ich mache sie alle zu reichen Leuten . ’ ‘ Das laß ich mir gefallen ’ sagte der Schneider , ‘ dann brauch ich mich mit der Nadel nicht weiter zu quälen ,’ sprang selbst fort , und rief die Verwandten herbei . Sobald sie beisammen waren , hieß sie der Müller Platz machen , breitete sein Tuch aus , und brachte den Esel in die Stube . ‘ Jetzt gebt acht’ sagte er , und rief ‘Bricklebrit ,’ aber es waren keine Goldstücke was herabfiel , und es zeigte sich , daß das Thier nichts von der Kunst verstand , denn es bringts nicht jeder Esel so weit . Da machte der arme Müller ein langes Gesicht , sah daß er betrogen war , und bat
die Verwandten um Verzeihung , die so arm heim giengen , als sie gekommen waren . Es blieb nichts übrig , der Alte mußte wieder nach der Nadel greifen , und der Junge sich bei einem Müller verdingen .
Der dritte Bruder war zu einem Drechsler in die Lehre gegangen , und weil das ein kunstreiches Handwerk ist , mußte er am längsten lernen . Seine Brüder aber meldeten ihm in einem Briefe wie schlimm es ihnen ergangen wäre , und wie sie der Wirth noch am letzten Abende um ihre schönen Wünschdinge gebracht hätte . Als der Drechsler nun ausgelernt hatte , und wandern sollte , so schenkte ihm sein Meister , weil er sich so wohl gehalten , einen Sack , und sagte ‘ es liegt ein Knüppel darin . ’ ‘ Den Sack kann ich umhängen , und er kann mir gute Dienste leisten , aber was soll der Knüppel darin , der macht ihn nur schwer . ’ ‘ Das will ich dir sagen ,’ antwortete der Meister , ‘ hat dir jemand etwas zu Leid gethan , so sprich nur ‘Knüppel , aus dem Sack ,’ so springt dir der Knüppel heraus unter die Leute , und tanzt ihnen so lustig auf dem Rücken herum , daß sie sich acht Tage lang nicht regen und bewegen können ; und eher läßt er nicht ab als bis du sagst ‘Knüppel , in den Sack ,’ der Gesell dankte ihm , hieng den Sack um , und wenn ihm jemand zu nahe kam , und auf den Leib wollte , so sprach er ‘Knüppel aus dem Sack ,’ alsbald sprang der Knüppel heraus , und klopfte einem nach dem andern den Rock oder Wams auf dem Rücken aus , und wartete nicht erst bis er ihn ausgezogen hatte ; und das gieng so geschwind , daß eh sichs einer versah die Reihe schon an ihm
war . Der junge Drechsler langte zur Abendzeit auch in dem Wirthshaus an , wo seine Brüder waren betrogen worden . Er legte seinen Ranzen vor sich auf den Tisch , und fieng an zu erzählen was er alles merkwürdiges in der Welt gesehen habe . ‘ Ja ,’ sagte er , ‘ man findet wohl ein Tischchen deck dich , einen Goldesel und dergleichen : lauter gute Dinge , die ich nicht verachte , aber das ist alles nichts gegen den Schatz , den ich erworben habe , und mit mir da in meinem Sack führe . ’ Der Wirth spitzte die Ohren : ‘ was in aller Welt mag das seyn ? ’ dachte er , ‘ der Sack ist wohl mit lauter Edelsteinen angefüllt ; den sollte ich billig auch noch haben , denn aller guten Dinge sind drei . ’ Als Schlafenszeit war , streckte sich der Gast auf die Bank , und legte seinen Sack als Kopfkissen unter . Der Wirth wartete bis er meinte er läge in tiefem Schlaf , dann gieng er herbei , rückte und zog ganz sachte und vorsichtig an dem Sack , ob er ihn vielleicht wegziehen und einen andern unterlegen könnte . Der Drechsler aber hatte schon lange darauf gewartet , wie nun der Wirth eben einen herzhaften Ruck thun wollte , rief er ‘Knüppel , aus dem Sack . ’ Alsbald fuhr das Knüppelchen heraus , dem Wirth auf den Leib , und rieb ihm die Nähte daß es eine Art hatte . Der Wirth schrie zum Erbarmen , aber je lauter er schrie , desto kräftiger schlug der Knüppel ihm dem Tact dazu auf dem Rücken , bis er endlich erschöpft zur Erde fiel . Da sprach der Drechsler ‘ wo du das Tischchen deck dich und den Goldesel nicht wieder heraus gibst , so soll der Tanz von neuem angehen . ’ ‘ Ach nein ,’ rief der Wirth ganz kleinlaut , ‘ ich gebe alles gerne wieder heraus
laßt nur den verwünschten Kobold wieder in den Sack kriechen . ’ Da sprach der Geselle ‘ ich will Gnade für Recht ergehen lassen , aber hüte dich vor Schaden ! ’ dann rief er ‘Knüppel , in den Sack ! ’ und ließ ihn ruhen .
Der Drechsler zog am andern Morgen mit dem Tischchen deck dich und dem Goldesel heim zu seinem Vater . Der Schneider freute sich als er ihn wieder sah , und fragte auch ihn was er in der Fremde gelernt hätte . ‘Lieber Vater ,’ antwortete er , ‘ ich bin ein Drechsler geworden . ’ ‘ Ein kunstreiches Handwerk ,’ sagte der Vater , ‘ was hast du von der Wanderschaft mitgebracht ? ’ ‘ Ein kostbares Stück , lieber Vater ,’ antwortete der Sohn , ‘ einen Knüppel in dem Sack . ’ ‘ Was ! ’ rief der Vater , ‘ einen Knüppel ! das ist der Mühe werth ! den kannst du dir von jedem Baume abhauen . ’ ‘ Aber einen solchen nicht , lieber Vater : sage ich Knüppel aus dem Sack , so springt der Knüppel heraus , und macht mit dem , der es nicht gut mit mir meint , einen schlimmen Tanz , und läßt nicht eher nach als bis er auf der Erde liegt , und um gut Wetter bittet . Seht ihr , mit diesem Knüppel habe ich das Tischchen deck dich und den Goldesel wieder herbei geschafft , die der diebische Wirth meinen Brüdern abgenommen hatte . Jetzt laßt sie beide rufen , und ladet alle Verwandten ein , ich will sie speisen und tränken , und will ihnen die Taschen noch mit Gold füllen .’ Der alte Schneider wollte nicht recht trauen , brachte aber doch die Verwandten zusammen . Da deckte der Drechsler ein Tuch in die Stube , führte den Goldesel herein , und sagte zu seinem Bruder ‘ nun , lieber Bruder , sprich mit ihm . ’ Der Müller
sagte ‘Bricklebrit ,’ und augenblicklich sprangen die Goldstücke auf das Tuch herab , als käme ein Platzregen , und der Esel hörte nicht eher auf als bis alle so viel hatten , daß sie nicht mehr tragen konnten . ( Jch sehe dirs an , du wärst auch gerne dabei gewesen . ) Dann holte der Drechsler das Tischchen , und sagte ‘ lieber Bruder , nun sprich mit ihm . ’ Und kaum hatte der Schreiner ‘Tischchen deck dich’ gesagt , so war es gedeckt und mit den schönsten Schüsseln reichlich besetzt . Da ward eine Mahlzeit gehalten , wie der gute Schneider noch keine in seinem Hause erlebt hatte , und die ganze Verwandtschaft blieb beisammen bis in die Nacht , und waren alle lustig und vergnügt . Der Schneider verschloß Nadel und Zwirn , Elle und Bügeleisen in einen Schrank , und lebte mit seinen drei Söhnen in Freude und Herrlichkeit .
Wo ist aber die Ziege hingekommen , die Schuld war daß der Schneider seine drei Söhne fortjagte ? Das will ich dir sagen . Sie schämte sich daß sie einen kahlen Kopf hatte , lief in eine Fuchshöhle , und verkroch sich hinein . Als der Fuchs nach Haus kam , funkelten ihm ein paar große Augen aus der Dunkelheit entgegen , daß er erschrack und wieder zurücklief . Der Bär begegnete ihm , und da der Fuchs ganz verstört aussah , so sprach er ‘ was ist dir , Bruder Fuchs , was machst du für ein Gesicht ? ’ ‘ Ach ,’ antwortete der Rothe , ‘ ein grimmig Thier sitzt in meiner Höhle , und hat mich mit feurigen Augen angeglotzt . ’ ‘ Das wollen wir bald austreiben ’ sprach der Bär , gieng mit zu der Höhle , und schaute hinein ; als er aber die feurigen Augen erblickte , wandelte ihn ebenfalls die Furcht an : er
wollte mit dem grimmigen Thiere nichts zu thun haben , und nahm Reißaus . Die Biene begegnete ihm , und da sie merkte daß es ihm in seiner Haut nicht wohl zu Muthe war , sprach sie ‘ Bär , du machst es ja ein gewaltig verdrießlich Gesicht , wo ist deine Lustigkeit geblieben ? ‘ Du hast gut reden ,’ antwortete der Bär , ‘ es sitzt ein grimmiges Thier mit Glotzaugen in dem Hause des Rothen , und wir können es nicht herausjagen . ’ Die Biene sprach ‘ du dauerst mich , Bär , ich bin ein armes schwaches Geschöpf , das ihr im Wege nicht anguckt , aber ich glaube doch daß ich euch helfen kann . ’ Sie flog in die Fuchshöhle , setzte sich der Ziege auf den glatten geschorenen Kopf , und stach sie so gewaltig , daß sie aufsprang , ‘ meh ! meh ! ’ schrie , und wie toll in die Welt hineinlief ; und weiß niemand auf diese Stunde wo sie hingelaufen ist .
37.
Daumesdick .
E s war ein armer Bauersmann , der saß Abends beim Herd , und schürte das Feuer , und die Frau saß und spann . Da sprach er ‘ wie ists so traurig , daß wir keine Kinder haben ! es ist so still bei uns , und in den andern Häusern ists so laut und lustig . ’ ‘ Ja ,’ antwortete die Frau , und seufzte , ‘ wenn ’s nur ein einziges wäre , und wenns auch ganz klein wäre , nur Daumens groß , so wollt ich schon zufrieden seyn : wir hättens doch von Herzen lieb . ’ Nun geschah es , daß die Frau kränklich ward , und nach sieben Monaten ein Kind gebar , das zwar an allen Gliedern vollkommen aber nicht länger als ein Daumen war . Da sprachen sie ‘ es ist wie wir es gewünscht haben , und es soll unser liebes Kind sein ,’ und nannten es nach seiner Gestalt Daumesdick . Sie ließens nicht an Nahrung fehlen , aber das Kind ward nicht größer , sondern blieb wie es in der ersten Stunde gewesen war , doch schaute es verständig aus den Augen , und zeigte sich bald als ein kluges und behendes Ding , dem alles glückte was es anfieng .
Der Bauer machte sich einmal fertig in den Wald zu gehen und Holz zu fällen , da sprach er so vor sich hin ‘ nun wollt er
daß einer da wäre , der wir den Wagen nachbrächte . ’ ‘ O Vater ,’ rief Daumesdick , ‘ den Wagen will ich schon bringen , verlaßt euch drauf , er soll zur bestimmten Zeit im Walde seyn . ’ Da lachte der Mann , und sprach ‘ wie sollte das zugehen , du bist viel zu klein , um das Pferd mit dem Zügel zu leiten . ’ ‘ Das thut nichts , Vater , wenn nur die Mutter anspannen will , ich setze mich dem Pferd ins Ohr , und rufe ihm zu wie es gehen soll . ’ ‘ Nun ,’ antwortete der Vater , ‘ einmal wollen wirs versuchen . ’ Als die Stunde kam , spannte die Mutter an , und setzte den Daumesdick dem Pferd ins Ohr , darauf rief der Kleine , wie das Pferd gehen sollte , jüh und joh ! hott und har ! ’ Nun gieng es ganz ordentlich als wie bei einem Meister , und der Wagen fuhr den rechten Weg nach dem Walde . Es trug sich zu , als er eben um eine Ecke bog , und der Kleine ‘ har , har ! ’ rief , daß zwei fremde Männer daher kamen . ‘ Mein ,’ sprach der eine , ‘ was ist das ? da fährt ein Wagen , und ein Fuhrmann ruft dem Pferde zu , und ist doch nicht zu sehen . ’ ‘ Das geht nicht mit rechten Dingen zu ,’ sagte der andere , ‘ wir wollen dem Karren folgen , und sehen wo er anhält . ’ Der Wagen aber fuhr vollends in den Wald hinein , und richtig zu dem Platze , wo das Holz gehauen wurde . Als Daumesdick seinen Vater erblickte , rief er ihm zu ‘siehst du , Vater , da bin ich mit dem Wagen , nun hol mich herunter . ’ Der Vater faßte das Pferd mit der linken , und holte mit der rechten sein Söhnlein aus dem Ohr , das sich ganz lustig auf einen Strohhalm niedersetzte . Als die beiden fremden Männer den Daumesdick erblickten , wußten sie nicht was sie vor Verwunderung sagen sollten .
Da nahm der eine den andern beiseit , und sprach ‘ hör , der kleine Kerl könnte unser Glück machen , wenn wir ihn in einer großen Stadt vor Geld sehen ließen , wir wollen ihn kaufen . ’ Sie giengen zu dem Bauer , und sprachen ‘verkauft uns den kleinen Mann , er solls gut bei uns haben . ’ ‘Nein ,’ antwortete der Vater , ‘ es ist mein Herzblatt , und ist mir für alles Gold in der Welt nicht feil . ’ Daumesdick aber , als er von dem Handel gehört , war an den Rockfalten seines Vaters hinaufgekrochen , stellte sich ihm auf die Schulter , und sagte ihm ins Ohr ‘Vater , gieb mich nur hin , ich will schon wieder zu dir kommen . ’ Da gab ihn der Vater für ein schönes Stück Geld den beiden Männern hin . ‘ Wo willst du sitzen ? ’ sprachen sie zu ihm . ‘ Ach , setzt mich nur auf den Rand von eurem Hut , da kann ich auf und ab spazieren , und die Gegend betrachten , und falle doch nicht herunter . ’ Sie thaten ihm den Willen , und als Daumesdick Abschied von seinem Vater genommen hatte , machten sie sich mit ihm fort . So giengen sie bis es Abend und dämmerig ward , da sprach der Kleine ‘ hebt mich einmal herunter , es ist nöthig . ’ ‘Bleib nur droben , sprach der Mann , auf dessen Kopf er saß , ‘ ich will mir nichts draus machen , die Vögel lassen mir auch manchmal was drauf fallen . ’ ‘Nein ,’ sprach Daumesdick , ‘ ich weiß auch , was sich schickt : hebt mich nur geschwind herab . ’ Der Mann nahm den Hut ab , und setzte den Kleinen auf einen Acker am Weg , da sprang und kroch er ein wenig zwischen den Schollen hin und her , und schlüpfte dann auf einmal in ein Mausloch , das er sich gesucht hatte . ‘Guten
Abend , ihr Herrn , geht nur ohne mich heim , rief er ihnen zu , und lachte sie aus . Sie liefen herbei , und stachen mit Stöcken in das Mausloch , aber das war vergebliche Mühe : Daumesdick kroch immer weiter zurück ; und da es bald ganz dunkel ward , so mußten sie mit Aerger und mit leerem Beutel wieder heim wandern .
Als Daumesdick merkte daß sie fort waren , kroch er aus dem unterirdischen Gang wieder hervor . ‘ Es ist hier auf dem Acker in der Finsternis so gefährlich gehen ,’ sprach er , ‘ wie leicht bricht einer Hals und Bein ! ’ Zum Glück stieß er an ein leeres Schneckenhaus . ‘Gottlob ,’ sagte er , ‘ da kann ich die Nacht sicher zubringen ,’ und setzte sich hinein . Nicht lang , als er eben einschlafen wollte , so hörte er zwei Männer vorüber gehen , davon sprach der eine ‘ wie wirs nur anfangen , um dem reichen Pfarrer sein Geld und sein Silber zu holen ? ’ ‘ Das könnt ich dir sagen ,’ rief Daumesdick dazwischen . ‘ Was war das ? ’ sprach der eine Dieb erschrocken , ‘ ich hörte jemand sprechen . ’ Sie blieben stehen und horchten , da sprach Daumesdick wieder ‘ nehmt mich mit , so will ich euch helfen . ’ ‘ Wo bist du denn ? ’ ‘Sucht nur hier auf der Erde , und merkt wo die Stimme herkommt ’ antwortete er . Da fanden ihn endlich die Diebe , und hoben ihn in die Höhe . ‘ Du kleiner Wicht , was willst du uns helfen ! ’ sprachen sie . ‘Seht ,’ antwortete er , ‘ ich krieche zwischen den Eisenstäben in die Kammer des Pfarrers hinein , und reiche euch heraus was ihr haben wollt . ’ ‘Wohlan ,’ sagten sie , ‘ wir wollen sehen was du kannst . ’ Als sie bei dem Pfarrhaus kamen , kroch
Daumesdick in die Kammer , schrie aber gleich aus Leibeskräften ‘ wollt ihr alles haben , was hier ist ? ’ Die Diebe erschracken , und sagten ‘ so sprich doch leise , damit niemand aufwacht .’ Aber Daumesdick that als hätte er sie nicht verstanden , und schrie von neuem ‘ was wollt ihr ? wollt ihr alles haben , was hier ist ? ’ Das hörte die Köchin , die in der Stube daran schlief , richtete sich im Bette auf , und horchte . Die Diebe aber waren vor Schrecken ein Stück Wegs zurück gelaufen , endlich faßten sie wieder Muth , dachten ‘ der kleine Kerl will uns necken ,’ kamen zurück , und flüsterten ihm hinein ‘ nun mach Ernst , und reich uns etwas heraus . ’ Da schrie Daumesdick noch einmal so laut er konnte ‘ ich will euch ja alles geben , reicht nur die Hände herein . ’ Das hörte aber die horchende Magd ganz deutlich , sprang aus dem Bett , und stolperte zur Thüre herein . Die Diebe liefen fort , und rannten als wäre der wilde Jäger hinter ihnen , die Magd aber , als sie nichts bemerken konnte , gieng ein Licht anzuzünden . Wie sie damit herbei kam , machte sich Daumesdick , ohne daß er gesehen wurde , hinaus in die Scheune : die Magd aber , nachdem sie alle Winkel durchgesucht und nichts gefunden hatte , legte sich endlich wieder zu Bett , und glaubte sie hätte mit offnen Augen und Ohren doch nur geträumt .
Daumesdick war in den Heuhälmchen herumgeklettert , und hatte einen schönen Platz zum Schlafen gefunden : da wollte er sich ausruhen bis es Tag wäre , und dann zu seinen Eltern wieder heim gehen . Aber er mußte andere Dinge erfahren ! ja , es giebt viel Trübsal und Noth auf der Welt ! Die Magd stieg ,
wie gewöhnlich , als der Tag graute , schon aus dem Bett , und wollte das Vieh füttern . Jhr erster Gang war in die Scheune , wo sie einen Arm voll Heu packte , und gerade dasjenige , worin der arme Daumesdick lag und schlief . Er schlief aber so fest , daß er nichts gewahr wurde , und nicht eher aufwachte als bis er in dem Maul der Kuh war , die ihn mit dem Heu aufgerafft hatte . ‘ Ach Gott ,’ rief er , ‘ wie bin ich in die Walkmühle gerathen ! ’ merkte aber bald wo er war . Da hieß es aufpassen , daß er nicht zwischen die Zähne kam und zerdrückt wurde , und darnach mußte er doch mit in den Magen hinabrutschen . ‘ Jn dem Stübchen sind die Fenster vergessen ,’ sprach er , ‘ und scheint keine Sonne herein : ein Licht wird auch nicht wohl zu haben seyn ! ’ Ueberhaupt gefiel ihm das Quartier schlecht , und was das schlimmste war , es kam immer mehr neues Heu zur Thür hinein , und der Platz ward immer enger . Da rief er endlich in der Angst , so laut er konnte , ‘ bringt mir kein frisch Futter mehr , bringt mir kein frisch Futter mehr . ’ Die Magd melkte gerade die Kuh , und als sie sprechen hörte ohne jemand zu sehen , und es dieselbe Stimme war , die sie auch in der Nacht gehört hatte , erschrack sie so , daß sie von ihrem Stühlchen herabglitschte , und die Milch verschüttete . Sie lief in der größten Hast zu ihrem Herrn , und rief ‘ach Gott , Herr Pfarrer , die Kuh hat geredet . ’ ‘ Du bist verrückt ’ antwortete der Pfarrer , gieng aber doch selbst in den Stall nachzusehen was vor wäre . Aber kaum hatte er den Fuß hineingesetzt , so rief Daumesdick eben aufs neue ‘ bringt mir kein frisch Futter mehr , bringt mir kein frisch Futter
mehr . ’ Da erschrack der Pfarrer selbst , meinte es wär ein böser Geist , und hieß die Kuh tödten . Nun ward sie geschlachtet , der Magen aber , worin Daumesdick steckte , hinaus auf den Mist geworfen . Daumesdick suchte sich heraus zu arbeiten , und hatte große Mühe damit , doch endlich brachte er es so weit , daß er Platz bekam , aber , als er eben sein Haupt herausstrecken wollte , kam ein neues Unglück . Ein hungriger Wolf sprang vorbei , und verschlang den ganzen Magen mit einem Schluck . Daumesdick verlor den Muth nicht , ‘ vielleicht ,’ dachte er , ‘ läßt der Wolf mit sich reden , ’ und rief ihm aus dem Wanste zu ‘ lieber Wolf , ich weiß dir einen herrlichen Fraß . ’ ‘ Wo ist der zu holen ? ’ sprach der Wolf . ‘Jn dem und dem Haus , da mußt du durch die Gosse hinein kriechen , und wirst Kuchen , Speck und Wurst finden , so viel du essen willst ,’ und beschrieb ihm genau seines Vaters Haus . Der Wolf ließ sich das nicht zweimal sagen , drängte sich in der Nacht zur Gosse hinein , und fraß in der Vorratskammer nach Herzenslust . Als er satt war , wollte er wieder fort , aber er war so dick geworden , daß er denselben Weg nicht wieder hinaus konnte . Darauf hatte Daumesdick gerechnet , und fieng nun an in dem Leib des Wolfs einen gewaltigen Lärmen zu machen , tobte und schrie , was er konnte . ‘Willst du stille seyn ,’ sprach der Wolf , ‘ du weckst die Leute auf . ’ ‘ Ei was ,’ antwortete der Kleine , ‘ du hast dich satt gefressen , ich will mich auch lustig machen , ’ und fieng von neuem an aus allen Kräften zu schreien . Davon erwachte nun sein Vater und seine Mutter , liefen an die Kammer , und
schauten durch die Spalte hinein . Wie sie sahen daß ein Wolf darin hauste , erschracken sie , und der Mann holte die Axt , und die Frau die Sense . ‘Bleib dahinten ,’ sprach der Mann , als sie in die Kammer traten , ‘ wann ich ihm einen Schlag gegeben habe , und er davon noch nicht todt ist , so haust du auf ihn , und zerschneidest ihm den Leib . ’ Da hörte Daumesdick die Stimme seines Vaters , und rief ‘ lieber Vater , ich bin hier , ich stecke im Leibe des Wolfs . ’ Sprach der Vater voll Freuden ‘ gottlob , unser liebes Kind hat sich wieder gefunden , ’ und hieß die Frau die Sense wegthun , damit Daumesdick nicht beschädigt würde . Darnach holte er aus , und schlug dem Wolf einen Schlag auf den Kopf daß er todt niederstürzte , dann suchten sie Messer und Scheere , schnitten ihm den Leib auf , und zogen den Kleinen wieder hervor . ‘ Ach ,’ sprach der Vater , ‘ was haben wir für Sorge um dich ausgestanden ! ’ ‘ Ja , Vater , ich bin viel in der Welt herumgekommen ; gottlob , daß ich wieder frische Luft schöpfe ! ’ ‘ Wo bist du denn all gewesen ? ’ ‘ Ach , Vater , ich war in einem Mauseloch , in einer Kuh Bauch und eines Wolfes Wanst : nun bleib ich bei euch . ’ ‘ Und wir verkaufen dich um alle Reichthümer der Welt nicht wieder . ’ Da herzten und küßten sie ihren lieben Daumesdick , gaben ihm zu essen und trinken , und ließen ihm neue Kleider machen , denn die seinigen waren ihm auf der Reise verdorben .
38.
Die Hochzeit der Frau Füchsin .
Erstes Märchen .
E s war einmal ein alter Fuchs mit neun Schwänzen , der glaubte seine Frau wäre ihm nicht treu , und da wollte er sie in Versuchung führen . Er streckte sich unter die Bank , regte kein Glied , und stellte sich als wenn er mausetod wäre . Die Frau Füchsin gieng auf ihre Kammer , schloß sich ein , und ihre Magd , die Jungfer Katze , saß auf dem Herd , und kochte . Als es nun bekannt wurde , daß der alte Fuchs gestorben war , so meldeten sich die Freier . Da hörte die Magd daß jemand vor der Hausthüre stand und anklopfte ; sie gieng und machte auf , und da wars ein junger Fuchs , der sprach
‘ was macht sie , Jungfer Katze ?
schläft se oder wacht se ? ’
Sie antwortete
‘ ich schlafe nicht , ich wache .
Will er wissen was ich mache ?
Jch koche warm Bier , thue Butter hinein :
will der Herr mein Gast seyn ?’
‘ Jch bedanke mich , Jungfer ,’ sagte der Fuchs , ‘ was macht die Frau Füchsin ? ’ Die Magd antwortete
‘ sie sitzt auf ihrer Kammer ,
sie beklagt ihren Jammer ,
weint ihre Aeuglein seidenroth ,
weil der alte Herr Fuchs ist todt .’
‘Sag sie ihr doch , Jungfer , es wäre ein junger Fuchs da , der wollte sie gerne freien . ’ ‘ Schon gut , junger Herr .’
Da gieng die Katz die Tripp die Trapp ,
Da schlug die Thür die Klipp die Klapp .
‘Frau Füchsin , sind Sie da ? ’
‘ Ach ja , mein Kätzchen , ja . ’
‘ Es ist ein Freier draus . ’
‘ Mein Kind , wie sieht er aus ?’
‘ Hat er denn auch neun so schöne Zeiselschwänze wie der selige Herr Fuchs ? ’ ‘ Ach nein ,’ antwortete die Katze , ‘er hat nur Einen . ’ ‘ So will ich ihn nicht haben .’
Die Jungfer Katze gieng hinab , und schickte den Freier fort . Bald darauf klopfte es wieder an , und war ein anderer Fuchs vor der Thüre , der wollte die Frau Füchsin freien ; er hatte zwei Schwänze , aber es gieng ihm nicht besser als dem ersten . Darnach kamen noch andere , immer mit einem Schwanz mehr , die alle abgewiesen wurden , bis zuletzt einer kam der neun Schwänze hatte wie der alte Herr Fuchs . Als die Wittwe das hörte , sprach sie voll Freude zu der Katze
‘ nun macht mir Thor und Thüre auf ,
und kehrt den alten Herrn Fuchs hinaus .’
Als aber eben die Hochzeit sollte gefeiert werden , da regte sich der alte Herr Fuchs unter der Bank , prügelte das ganze Gesindel durch , und jagte es mit der Frau Füchsin zum Haus hinaus .
Zweites Märchen .
Als der alte Herr Fuchs gestorben war , kam der Wolf als Freier , klopfte an die Thüre , und die Katze , die als Magd bei der Frau Füchsin diente , machte auf . Der Wolf grüßte sie , und sprach
‘ guten Tag , Frau Katz von Kehrewitz ,
wie kommts daß sie alleine sitzt ?
was macht sie gutes da ? ’
Die Katze antwortete
‘Brock mir Wecke und Milch ein :
will der Herr mein Gast seyn ?’
‘Dank schön , Frau Katze ,’ antwortete der Wolf , ‘ die Frau Füchsin nicht zu Haus ? ’
Die Katze sprach
‘ sie sitzt droben in der Kammer ,
beweint ihren Jammer ,
beweint ihre große Noth ,
daß der alte Herr Fuchs ist todt .’
Der Wolf antwortete
‘ Will sie haben einen andern Mann ,
so soll sie nur herunter gan .’
Die Katz die lief die Trepp hinan ,
und ließ ihr Zeilchen rummer gan
bis sie kam vor den langen Saal :
klopft an mit ihren fünf goldenen Ringen .
‘Frau Füchsin , ist sie drinnen ?
Will sie haben einen andern Mann ,
so soll sie nur herunter gan .’
Die Frau Füchsin fragte ‘ hat der Herr rothe Höslein an , und hat er ein spitz Mäulchen ? ’ ‘ Nein ’ antwortete die Katze . ‘ So kann er mir nicht dienen .’
Als der Wolf abgewiesen war , kam ein Hund , ein Hirsch , ein Hase , ein Bär , ein Löwe , und nacheinander alle Waldthiere . Aber es fehlte immer eine von den guten Eigenschaften , die der alte Herr Fuchs gehabt hatte , und die Katze mußte den Freier jedesmal wegschicken . Endlich kam ein junger Fuchs . Da sprach die Frau Füchsin ‘ hat der Herr rothe Höslein an , und hat er ein spitz Mäulchen ? ’ ‘ Ja ,’ sagte die Katze , ‘ das hat er . ’ ‘ So soll er herauf kommen ’ sprach die Frau Füchsin , und hieß die Magd das Hochzeitfest bereiten .
‘Katze , kehr die Stube aus ,
und schmeiß den alten Fuchs zum Fenster hinaus .
Bracht so manche dicke fette Maus
fraß sie immer alleine ,
gab mir aber keine .’
Da ward Hochzeit gehalten mit dem jungen Herrn Fuchs , und ward gejubelt und getanzt , und wenn sie nicht aufgehört haben , so tanzen sie noch .
39.
Die Wichtelmänner .
Erstes Märchen .
E s war ein Schuster ohne seine Schuld so arm geworden , daß ihm endlich nichts mehr übrig blieb als Leder zu einem einzigen Paar Schuhe . Nun schnitt er am Abend die Schuhe zu , und wollte sie den nächsten Morgen in Arbeit nehmen , und weil er ein gutes Gewissen hatte , so legte er sich ruhig zu Bett , befahl sich dem lieben Gott , und schlief ein . Morgens , nachdem er sein Gebet verrichtet hatte , und sich zur Arbeit niedersetzen wollte , so standen die beiden Schuhe ganz fertig auf seinem Tisch . Er verwunderte sich , wußte nicht was er dazu sagen sollte , und nahm die Schuhe in die Hand um sie näher zu betrachten : sie waren so sauber gearbeitet , daß kein Stich daran falsch war , gerade als wenn es ein Meisterstück sein sollte . Bald darauf trat auch schon ein Käufer ein , und weil ihm die Schuhe so gut gefielen , so bezahlte er mehr als gewöhnlich dafür , und der Schuster konnte von dem Geld Leder zu zwei Paar Schuhen erhandeln . Er schnitt sie Abends zu , und wollte den nächsten Morgen mit frischem Muth an die Arbeit gehen , aber er brauchte es nicht , denn als er aufstand waren sie schon fertig , und es
blieben auch nicht die Käufer aus , die ihm so viel Geld gaben , daß er Leder zu vier Paar Schuhen einkaufen konnte . Er fand früh Morgens auch die vier Paar fertig ; und so giengs immer fort , was er Abends zuschnitt , das war am Morgen verarbeitet , also daß er bald wieder sein ehrliches Auskommen hatte , und endlich ein wohlhabender Mann ward . Nun geschah es eines Abends , nicht lange vor Weihnachten , als der Mann wieder zugeschnitten hatte , daß er vor Schlafengehen zu seiner Frau sprach ‘ wie wärs wenn wir diese Nacht aufblieben um zu sehen wer uns solche hilfreiche Hand leistet ? ’ Die Frau wars zufrieden , und steckte ein Licht an ; darauf verbargen sie sich in den Stubenecken , hinter den Kleidern , die da aufgehängt waren , und gaben acht . Als es Mitternacht war , da kamen zwei kleine niedliche nackte Männlein , setzten sich vor des Schusters Tisch , nahmen alle zugeschnittene Arbeit zu sich , und fiengen an mit ihrem Fingerlein so behend und schnell zu stechen , zu nähen , zu klopfen , daß der Schuster vor Verwunderung die Augen nicht abwenden konnte . Sie ließen nicht nach , bis alles zu Ende gebracht war , und fertig auf dem Tische stand , dann sprangen sie schnell fort .
Am andern Morgen sprach die Frau ‘ die kleinen Männer haben uns reich gemacht , wir müßten uns doch dankbar dafür bezeigen . Sie laufen so herum , haben nichts am Leib , und müssen frieren . Weißt du was ? ich will Hemdlein , Rock , Wams und Höslein für sie nähen , auch jedem ein Paar Strümpfe stricken ; mach du jedem ein Paar Schühlein dazu . ’ Der Mann war das
wohl zufrieden . Abends , wie sie alles fertig hatten , legten sie die Geschenke statt der zugeschnittenen Arbeit zusammen auf den Tisch , und versteckten sich dann , um mit anzusehen wie sich die Männlein dazu anstellen würden . Um Mitternacht kamen sie herangesprungen , und wollten sich gleich an die Arbeit machen , als sie aber kein zugeschnittenes Leder , sondern die niedlichen Kleidungsstücke fanden , verwunderten sie sich erst , dann aber bezeigten sie eine gewaltige Freude . Mit der größten Geschwindigkeit zogen sie sich an , strichen die schönen Kleider am Leib , und sangen
‘ sind wir nicht Knaben glatt und fein ?
was sollen wir länger Schuster sein !’
Dann hüpften und tanzten sie , und sprangen über Stühle und Bänke . Endlich tanzten sie zur Thüre hinaus . Von nun an kamen sie nicht wieder , dem Schuster aber gieng es wohl so lang er lebte , und es glückte ihm alles was er unternahm .
Zweites Märchen .
Es war einmal ein armes Dienstmädchen , das war fleißig und reinlich , kehrte alle Tage das Haus , und schüttete das Kehricht auf einen großen Haufen vor die Thüre . Eines Morgens , als es eben wieder an die Arbeit gehen wollte , fand es einen Brief darauf , und weil es nicht lesen konnte , so stellte es den Besen in die Ecke , und brachte den Brief seiner Herrschaft , und da war es eine Einladung von den Wichtelmännern , die baten das Mädchen ihnen ein Kind aus der Taufe zu heben . Das Mädchen wußte nicht was es thun sollte , endlich auf vieles
Zureden , und weil sie ihm sagten so etwas dürfe man nicht abschlagen , so willigte es ein . Da kamen drei Wichtelmänner , und führten es in einen hohlen Berg , wo die Kleinen lebten . Es war da alles klein , aber so zierlich und prächtig daß es nicht zu sagen ist . Die Kindbetterin lag in einem Bett von schwarzem Ebenholz mit Knöpfen von Perlen , die Decken waren mit Gold gestickt , die Wiege war von Elfenbein , die Wanne von Gold . Das Mädchen stand nun Gevatter , und wollte dann wieder nach Haus gehen , die Wichtelmännlein baten es aber inständig drei Tage bei ihnen zu bleiben . Es blieb also , und verlebte die Zeit in Lust und Freude , und die Kleinen thaten ihm alles zu Liebe . Als es sich nun auf den Rückweg machen wollte , steckten sie ihm die Taschen erst ganz voll Gold , und führten es dann wieder zum Berge heraus . Als es nach Haus kam , wollte es seine Arbeit beginnen , nahm den Besen in die Hand , der noch in der Ecke stand , und fieng an zu kehren . Da kamen fremde Leute aus dem Haus , die fragten wer es wäre , und was es da zu thun hätte . Da war es nicht drei Tage , wie es gemeint hatte , sondern sieben Jahre bei den kleinen Männern im Berge gewesen , und seine vorige Herrschaft war in der Zeit gestorben .
Drittes Märchen .
Einer Mutter war ihr Kind von den Wichtelmännern aus der Wiege geholt , und ein Wechselbalg mit dickem Kopf und starren Augen hineingelegt , der nichts als essen und trinken
wollte . Jn ihrer Noth gieng sie zu ihrer Nachbarin , und fragte sie um Rath . Die Nachbarin sagte sie sollte den Wechselbalg in die Küche tragen , auf den Herd setzen , Feuer anmachen , und in zwei Eierschalen Wasser kochen ; das bringe den Wechselbalg zum Lachen , und wenn er lache , dann sei es aus mit ihm . Die Frau that alles wie die Nachbarin gesagt hatte . Wie sie die Eierschalen mit Wasser über das Feuer setzte , sprach der Klotzkopf
‘ nun bin ich so alt
wie der Westerwald ,
und hab nicht gesehen daß jemand in Schalen kocht .’
Und fieng an darüber zu lachen . Jndem er lachte kam auf einmal eine Menge von Wichtelmännerchen , die brachten das rechte Kind , setzten es auf den Herd , und nahmen den Wechselbalg wieder mit fort .
40.
Der Räuberbräutigam .
E s war einmal ein Müller , der hatte eine schöne Tochter , und als sie herangewachsen war , so wünschte er sie wäre versorgt und gut verheirathet , und dachte ‘ kommt ein ordentlicher Freier , und hält um sie an , so will ich sie ihm geben . ’ Nicht lange so kam ein Freier , der schien sehr reich zu sein , und da der Müller nichts an ihm auszusetzen wußte , so versprach er ihm seine Tochter . Das Mädchen aber hatte ihn nicht so recht lieb , wie eine Braut ihren Bräutigam lieb haben soll , hatte kein Vertrauen zu ihm , und so oft es ihn ansah , oder an ihn dachte , fühlte es ein Grauen in seinem Herzen . Einmal sprach er zu ihr ‘ du bist meine Braut , und besuchst mich nicht einmal . ’ Das Mädchen antwortete ‘ ich weiß nicht wo euer Haus ist . ’ Da sprach der Bräutigam ‘ mein Haus ist draußen im dunkeln Wald . ’ Es suchte Ausreden , und meinte es könnte den Weg dahin nicht finden . Der Bräutigam sagte ‘ künftigen Sonntag mußt du hinaus zu mir kommen , ich habe die Gäste schon eingeladen , und damit du den Weg durch den Wald findest , so will ich dir Asche streuen . ’ Als der Sonntag kam , und das Mädchen sich auf den Weg machen sollte , ward ihm so angst , es wußte selbst
nicht recht warum , und es steckte sich beide Taschen voll Erbsen und Linsen . Jn dem Wald fand es Asche gestreut , die ihm den Weg zeigen sollte ; es gieng darauf weiter , warf aber bei jedem Schritt rechts und links ein paar Erbsen auf die Erde . Nun gieng es fast den ganzen Tag bis es zu einem Hause kam , das mitten im dunkelsten Walde stand . Das Haus gefiel ihm nicht , es sah so finster und unheimlich aus . Es trat hinein , aber es war niemand darin und alles still . Plötzlich rief eine Stimme
‘kehr um , kehr um , du junge Braut ,
du bist in einem Mörderhaus .’
Das Mädchen sah sich um , und sah daß die Stimme von einem Vogel kam , der da in einem Bauer an der Wand hieng , und der nochmals rief
‘kehr um , kehr um , du junge Braut ,
du bist in einem Mörderhaus .’
Da gieng die schöne Braut weiter aus einer Stube in die andere , und gieng durch das ganze Haus , aber es war alles leer und keine Menschenseele zu finden . Endlich kam sie auch in den Keller , da saß eine steinalte Frau , und wackelte mit dem Kopfe . ‘Könnt ihr mir nicht sagen ,’ sprach das Mädchen , ‘ ob mein Bräutigam hier wohnt ? ’ ‘ Ach , du armes Kind ,’ antwortete die Alte , ‘ wo bist du hingerathen ! du bist in einer Mördergrube . Du meinst du wärst eine Braut , die bald Hochzeit macht , aber deine Hochzeit sollst du mit dem Tode halten . Dein Bräutigam will dir das Leben nehmen . Siehst du , da hab ich einen großen Kessel mit Wasser aufsetzen müssen , wenn sie dich
in ihrer Gewalt haben , so zerhacken sie dich ohne Barmherzigkeit , kochen dich und essen dich , denn es sind Menschenfresser . Wenn ich nicht Mitleiden mit dir habe und dich rette , so bist du verloren .’
Darauf mußte sich das Mädchen hinter ein großes Faß verstecken . ‘Sei wie ein Mäuschen still ,’ sagte die Alte , ‘ rege dich nicht und bewege dich nicht , sonst ists um dich geschehen . Nachts wenn die Räuber schlafen , wollen wir entfliehen , ich habe schon lange auf eine Gelegenheit gewartet . ’ Sie versteckte das Mädchen hinter ein Faß , und kaum war das geschehen , so kam die gottlose Rotte nach Haus . Sie brachten eine andere Jungfrau mitgeschleppt , waren trunken , und hörten nicht auf ihr Schreien und Jammern . Sie gaben ihr Wein zu trinken , drei Gläser voll , ein Glas weißen , ein Glas rothen , und ein Glas gelben , davon zersprang ihr das Herz . Darauf rissen sie ihr die feinen Kleider ab , legten sie auf einen Tisch , und zerhackten ihren schönen Leib in Stücke , und streuten Salz darüber . Die arme Braut hinter dem Faß zitterte und bebte , denn sie sah wohl daß ihr die Räuber ein gleiches Schicksal zugedacht hatten . Einer von ihnen bemerkte an dem kleinen Finger der Gemordeten einen goldenen Ring , und als er sich nicht gleich abziehen ließ , so nahm er ein Beil , und hackte den Finger ab : aber der Finger sprang in die Höhe , und fiel der Braut gerade in den Schooß . Der Räuber nahm ein Licht , und wollte ihn suchen , konnte ihn aber nicht finden . Da sprach ein anderer ‘ hast du auch schon hinter dem großen Fasse gesucht ? ’ ‘ Ei ,’
rief die Alte , ‘ kommt und eßt , und laßt das Suchen bis Morgen : der Finger läuft euch nicht fort .’
Da riefen die Räuber ‘ die Alte hat recht ,’ ließen vom Suchen ab , setzten sich zum Essen , und die Alte tröpfelte ihnen einen Schlaftrunk in den Wein , daß sie sich bald in den Keller hinlegten , schliefen und schnarchten . Als die Braut das hörte , kam sie hinter dem Faß hervor , und mußte über die Schlafenden wegschreiten , die da reihenweise auf der Erde lagen , und hatte große Angst sie möchte einen aufwecken . Aber Gott half ihr daß sie glücklich durchkam , und die Alte stieg mit ihr hinauf , öffnete die Thüre , und sie eilten so schnell sie konnten aus der Mördergrube fort . Die gestreute Asche hatte der Wind weggeweht , aber die Erbsen und Linsen hatten gekeimt und waren aufgegangen , und zeigten im Mondschein den Weg . Sie giengen die ganze Nacht bis sie Morgens in der Mühle ankamen . Da erzählte das Mädchen seinem Vater alles , wie es sich zugetragen hatte .
Als der Tag kam , wo die Hochzeit sollte gehalten werden , erschien der Bräutigam , der Müller aber hatte alle seine Verwandte und Bekannte einladen lassen . Wie sie bei Tische saßen , ward einem jeden aufgegeben etwas zu erzählen . Die Braut saß still , und redete nichts . Da sprach der Bräutigam zur Braut ‘ nun , mein Herz , weißt du nichts ? erzähl uns auch etwas . ’ Sie antwortete ‘ so will ich einen Traum erzählen . Jch gieng allein durch einen Wald , und kam endlich zu einem Haus , da
war keine Menschenseele darin , aber an der Wand war ein Vogel in einem Bauer , der rief
‘kehr um , kehr um , du junge Braut ,
du bist in einem Mörderhaus .’
Und rief es noch einmal . Mein Schatz , das träumte mir nur . Da gieng ich durch alle Stuben , und alle waren leer , und es war so unheimlich darin ; ich stieg endlich hinab in den Keller , da saß eine steinalte Frau darin , die wackelte mit dem Kopfe . Jch fragte sie ‘ wohnt mein Bräutigam in diesem Haus ? ’ Sie antwortete ‘ach , du armes Kind , du bist in eine Mördergrube gerathen , dein Bräutigam wohnt hier , aber er will dich zerhacken und tödten , und will dich dann kochen und essen . ’ Mein Schatz , das träumte mir nur . Aber die alte Frau versteckte mich hinter ein großes Faß , und kaum war ich da verborgen , so kamen die Räuber heim , und schleppten eine Jungfrau mit sich , der gaben sie dreierlei Wein zu trinken , weißen , rothen und gelben , davon zersprang ihr das Herz . Mein Schatz , das träumte mir nur . Darauf zogen sie ihr die feinen Kleider ab , zerhackten ihren schönen Leib auf einen Tisch in Stücke , und bestreuten sie mit Salz . Mein Schatz , das träumte mir nur . Und einer von den Räubern sah daß an dem Goldfinger noch ein Ring steckte , und er schwer abzuziehen war , so nahm er ein Beil , und hieb ihn ab , aber der Finger sprang in die Höhe , und sprang hinter das große Faß , und fiel mir in den Schooß . Und da ist der Finger mit dem Ring . ’ Bei diesen Worten zog sie ihn hervor , und zeigte ihn den Anwesenden .
Der Räuber , der bei der Erzählung ganz kreideweiß geworden war , sprang auf , und wollte entfliehen , aber die Gäste hielten ihn fest , und überlieferten ihn den Gerichten . Da ward er und seine ganze Bande für ihre Schandthaten gerichtet .
41.
Herr Korbes .
E s war einmal ein Hühnchen und ein Hähnchen , die wollten zusammen eine Reise machen . Da baute das Hähnchen einen schönen Wagen , der vier rothe Räder hatte , und spannte vier Mäuschen davor . Das Hühnchen setzte sich mit dem Hähnchen auf , und sie fuhren miteinander fort . Nicht lange , so begegnete ihnen eine Katze , die sprach ‘ wo wollt ihr hin ? ’ Hähnchen antwortete
‘ als hinaus
nach des Herrn Korbes seinem Haus .’
‘Nehmt mich mit’ sprach die Katze . Hähnchen antwortete ‘ recht gerne , setz dich hinten auf , daß du vornen nicht herabfällst .
Nehmt euch wohl in acht
daß ihr meine rothen Räderchen nicht schmutzig macht .
Jhr Räderchen , schweift ,
ihr Mäuschen , pfeift ,
als hinaus
nach des Herrn Korbes seinem Haus .’
Darnach kam ein Mühlstein , dann ein Ei , dann eine Ente , dann eine Stecknadel , und zuletzt eine Nähnadel , die setzten sich auch
alle auf den Wagen , und fuhren mit . Wie sie aber zu des Herrn Korbes Haus kamen , so war der Herr Korbes nicht da . Die Mäuschen fuhren den Wagen in die Scheune , das Hühnchen flog mit dem Hähnchen auf eine Stange , die Katze setzte sich ins Kamin , die Ente in die Bornstange , das Ei wickelte sich ins Handtuch , die Stecknadel steckte sich ins Stuhlkissen , die Nähnadel sprang aufs Bett mitten ins Kopfkissen , und der Mühlstein legte sich über die Thüre . Da kam der böse Herr Korbes nach Haus , gieng ans Kamin , und wollte Feuer anmachen , da warf ihm die Katze das Gesicht voll Asche . Er lief geschwind in die Küche , und wollte sich abwaschen , da sprützte ihm die Ente Wasser ins Gesicht . Er wollte sich an dem Handtuch abtrocknen , aber das Ei rollte ihm entgegen , zerbrach , und klebte ihm die Augen zu . Er wollte sich ruhen , und setzte sich auf den Stuhl , da stach ihn die Stecknadel . Er gerieth in Zorn , und warf sich aufs Bett , wie er aber den Kopf aufs Kissen niederlegte , stach ihn die Nähnadel , so daß er aufschrie und ganz wüthend in die weite Welt laufen wollte . Wie er aber an die Hausthüre kam , sprang der Mühlstein herunter , und schlug ihn todt .
42.
Der Herr Gevatter .
E in armer Mann hatte so viel Kinder , daß er schon alle Welt zu Gevatter gebeten hatte , und als er noch eins bekam , so war niemand mehr übrig , den er bitten konnte . Er wußte nicht was er anfangen sollte , legte sich in seiner Betrübnis nieder , und schlief ein . Da träumte ihm er sollte vor das Thor gehen , und den ersten , der ihm begegnete , zu Gevatter bitten . Als er aufgewacht war , beschloß er dem Traume zu folgen , gieng hinaus vor das Thor , und den ersten , der ihm begegnete , bat er zu Gevatter . Der Fremde schenkte ihm ein Gläschen mit Wasser , und sagte ‘ das ist ein wunderbares Wasser , damit kannst du die Kranken gesund machen , du mußt nur sehen wo der Tod steht . Steht er beim Kopf , so gib dem Kranken von dem Wasser , und er wird wieder gesund werden , steht er aber bei den Füßen , so ist alle Mühe vergebens , er muß sterben . ’ Der Mann konnte von nun an immer sagen ob ein Kranker zu retten war oder nicht , ward berühmt durch seine Kunst , und verdiente viel Geld . Einmal ward er zu dem Kinde des Königs gerufen , und als er eintrat , sah er den Tod bei dem Kopfe stehen , und heilte es mit dem Wasser , und so war es auch bei dem zweitenmal ,
aber das drittemal stand der Tod bei den Füßen , da mußte das Kind sterben .
Der Mann wollte doch einmal seinen Gevatter besuchen , und ihm erzählen wie es mit dem Wasser gegangen war . Als er aber ins Haus kam , war eine so wunderliche Wirthschaft darin . Auf der ersten Treppe zankten sich Schippe und Besen , und schmissen gewaltig auf einander los . Er fragte sie ‘ wo wohnt der Herr Gevatter ? ’ Der Besen antwortete ‘ eine Treppe höher . ’ Als er auf die zweite Treppe kam , sah er eine Menge todter Finger liegen . Er fragte ‘ wo wohnt der Herr Gevatter ? ’ Einer aus den Fingern antwortete ‘ eine Treppe höher . ’ Auf der dritten Treppe lag ein Haufen todter Köpfe , die wiesen ihn wieder eine Treppe höher . Auf der vierten Treppe sah er Fische über dem Feuer stehen , die britzelten in der Pfanne , und backten sich selber . Sie sprachen auch ‘ eine Treppe höher . ’ Und als er die fünfte hinauf gestiegen war , so kam er vor eine Stube , und guckte durch das Schlüsselloch , und sah den Gevatter , der ein paar lange lange Hörner hatte . Als er die Thüre aufmachte , und hinein gieng , legte sich der Gevatter geschwind aufs Bett , und deckte sich zu . Da sprach der Mann ‘ Herr Gevatter , was ist für eine wunderliche Wirtschaft in eurem Hause ? als ich auf eure erste Treppe kam , so zankten sich Schippe und Besen mit einander und schlugen gewaltig auf einander los . ’ ‘ Wie seid ihr so einfältig ,’ sagte der Gevatter , ‘ das war der Knecht und die Magd , die sprachen mit einander . ’ ‘ Aber auf der zweiten Treppe sah ich todte Finger liegen . ’ ‘ Ei , wie seid ihr albern ! das waren
Skorzenerwurzel . ’ ‘ Auf der dritten Treppe lag ein Haufen Todtenköpfe . ’ ‘Dummer Mann , das waren Krautköpfe . ’ ‘ Auf der vierten Treppe sah ich Fische in der Pfanne , die britzelten und backten sich selber . ’ Wie er das gesagt hatte , kamen die Fische , und trugen sich selber auf . ‘ Und als ich die fünfte Treppe heraufgekommen war , guckte ich durch das Schlüsselloch einer Thür , und da sah ich Euch , Gevatter , und ihr hattet lange lange Hörner . ’ ‘ Ei , das ist nicht wahr . ’ Dem Mann ward angst , und er lief fort , und wer weiß was ihm der Herr Gevatter sonst angethan hätte .
43.
Frau Trude .
E s war einmal ein kleines Mädchen , das war eigensinnig und vorwitzig , und wenn ihm seine Eltern etwas sagten , so gehorchte es nicht ; wie konnte es dem gut gehen ? Eines Tages sagte es zu seinen Eltern ‘ ich habe so viel von der Frau Trude gehört , ich will einmal zu ihr hingehen : die Leute sagen es sehe so wunderlich bei ihr aus , und erzählen es seien so seltsame Dinge in ihrem Hause , da bin ich ganz neugierig geworden . ’ Die Eltern verboten es ihr streng , und sagten ‘ die Frau Trude ist eine böse Frau , die gottlose Dinge treibt , und wenn du zu ihr hingehst so bist du unser Kind nicht mehr . ’ Aber das Mädchen kehrte sich nicht an das Verbot seiner Eltern , und gieng doch zu der Frau Trude . Und als es zu ihr kam , fragte die Frau Trude ‘ warum bist du so bleich ? ’ ‘ Ach ,’ antwortete es , und zitterte am Leibe , ‘ ich habe mich so erschrocken über das , was ich gesehen habe . ’ ‘ Was hast du gesehen ? ’ ‘ Jch sah auf eurer Stiege einen schwarzen Mann .’ ‘ Das war ein Köhler . ’ ‘ Dann sah ich einen grünen Mann .’ ‘ Das war ein Jäger . ’ ‘Darnach sah ich einen blutrothen Mann .’ ‘ Das war ein Metzger . ’ ‘ Ach , Frau Trude , mir grauste , ich sah durchs Fenster und sah statt Euch
den Teufel mit feurigem Kopf . ’ ‘ Oho ,’ sagte sie , ‘ so hast du die Hexe in ihrem rechten Schmuck gesehen , ich habe schon lange auf dich gewartet , und nach dir verlangt , du sollst mir leuchten . ’ Da verwandelte sie das Mädchen in einen Holzblock , warf ihn ins Feuer , setzte sich daneben , wärmte sich daran , und sprach ‘ das leuchtet einmal hell ! ’
44.
Der Gevatter Tod .
E s hatte ein armer Mann zwölf Kinder , und mußte Tag und Nacht arbeiten damit er ihnen nur Brot geben konnte . Als nun das dreizehnte zur Welt kam , wußte er sich in seiner Noth nicht zu helfen , lief hinaus auf die große Landstraße , und wollte den ersten , der ihm begegnete , zu Gevatter bitten . Der erste der ihm begegnete , das war der liebe Gott , der wußte schon was er auf dem Herzen hatte , und sprach zu ihm ‘ armer Mann , du dauerst mich , ich will dein Kind aus der Taufe heben , will für es sorgen und es glücklich machen auf Erden . ’ Der Mann sprach ‘ wer bist du ? ’ ‘Jch bin der liebe Gott . ’ ‘ So begehr ich dich nicht zu Gevatter ,’ sagte der Mann , ‘ du gibst den Reichen , und lässest den Armen hungern . ’ Das sprach der Mann , weil er nicht wußte wie weislich Gott Reichthum und Armuth vertheilt . Also wendete er sich von dem Herrn , und gieng weiter . Da trat der Teufel zu ihm , und sprach ‘ was suchst du ? willst du mich zum Pathen deines Kindes nehmen , so will ich ihm Gold die Hülle und Fülle , und alle Lust der Welt geben . ’ Der Mann fragte ‘ wer bist du ? ’ ‘Jch bin der Teufel . ’ ‘ So begehr ich dich nicht zum Gevatter ,’ sprach der Mann , ‘ du betrügst und
verführst die Menschen .’ Er gieng weiter , da kam der dürrbeinige Tod auf ihn zugeschritten , und sprach ‘ nimm mich zu Gevatter . ’ Der Mann fragte ‘ wer bist du ? ’ ‘Jch bin der Tod , der alle gleich macht . ’ Da sprach der Mann ‘ du bist der rechte , du holst den Reichen wie den Armen ohne Unterschied , du sollst mein Gevattersmann seyn . ’ Der Tod antwortete ‘ ich will dein Kind reich und berühmt machen , denn wer mich zum Freunde hat , dem kanns nicht fehlen . ’ Der Mann sprach ‘künftigen Sonntag ist die Taufe , da stelle dich zu rechter Zeit ein .’ Der Tod erschien , wie er versprochen hatte , und stand ganz ordentlich Gevatter .
Als der Knabe zu Jahren gekommen war , trat zu einer Zeit der Pathe ein , und hieß ihn mitgehen . Er führte ihn hinaus in den Wald , zeigte ihm ein Kraut , das da wuchs , und sprach ‘ jetzt sollst du dein Pathengeschenk empfangen . Jch mache dich zu einem berühmten Arzt . Wenn du zu einem Kranken gerufen wirst , so will ich dir jedesmal erscheinen : steh ich zu Häupten des Kranken , so kannst du keck sprechen , du wolltest ihn wieder gesund machen , und gibst du ihm dann von jenem Kraut ein , so wird er genesen ; steh ich aber zu Füßen des Kranken , so ist er mein , und du mußt sagen alle Hilfe sei umsonst , und kein Arzt in der Welt könne ihn retten . Aber hüte dich daß du das Kraut nicht gegen meinen Willen gebrauchst , es könnte dir schlimm ergeben .’
Es dauerte nicht lange , so war der Jüngling der berühmteste
Arzt auf der ganzen Welt . ‘ Wenn er den Kranken nur ansieht , so weiß er schon wie es steht , ob er wieder gesund wird , oder ob er sterben muß , ’ so hieß es von ihm , und weit und breit kamen die Leute herbei , holten ihn zu den Kranken , und gaben ihm so viel Gold daß er bald ein reicher Mann war . Nun trug es sich zu , daß der König schwer erkrankte ; der Arzt ward berufen , und sollte sagen ob Genesung möglich wäre . Wie er aber zu dem Bette trat , so stand der Tod zu den Füßen des Kranken , und da war für ihn kein Kraut mehr gewachsen . Da kam es dem Arzt in den Sinn ob er vielleicht den Tod überlisten könnte , und tröstete sich damit , weil er sein Pathe wäre , würde er es nicht übel nehmen wenn er ihn einmal hinters Licht führte . Er faßte also den Kranken , und legte ihn verkehrt , so daß der Tod zu Häupten desselben zu stehen kam . Dann gab er ihm von dem Kraute ein , und der König erholte sich , und ward wieder gesund . Der Tod aber kam zu dem Arzte , machte ein böses und finsteres Gesicht , drohte mit dem Finger , und sagte ‘ diesmal will ich dirs nachsehen , weil du mein Pathe bist , aber wagst du noch einmal mich zu betrügen , so nehme ich dich selbst mit fort .’
Bald hernach verfiel des Königs einzige Tochter in eine schwere Krankheit . Der alte König weinte Tag und Nacht , daß ihm die Augen erblindeten , und ließ bekannt machen wer sie vom Tode errette , der solle ihr Gemahl werden , und die Krone erben . Da kam der Arzt zu dem Bette der Kranken , und erblickte den Tod zu ihren Füßen . Er hätte sich der Warnung
seines Pathen erinnern sollen , aber die große Schönheit der Königstochter nahm ihn so ein , daß er alle Gedanken in den Wind schlug . Wie zornig und böse ihn der Tod auch ansah , und ihm mit geballter Faust drohte , so änderte er doch die Lage der Kranken , und gab ihr sein Kraut , so daß sich das Leben in ihr neu zu regen anfieng .
Der Tod , der sich zum zweitenmal um sein Eigenthum betrogen sah , trat zu dem Arzt , sprach ‘ nun kommt die Reihe an dich ,’ packte ihn hart mit seiner eiskalten Hand , und führte ihn in eine unterirdische Höhle . Da brannten tausend und tausend Lichter in unübersehbaren Reihen , einige groß , andere halbgroß , andere klein . Jeden Augenblick verloschen einige , andere dagegen brannten wieder auf , also daß die Flämmchen in beständigem Wechsel hin und her zu hüpfen schienen . ‘Siehst du ,’ sprach der Tod , ‘ das sind die Lebenslichter der Menschen . Die großen gehören Kindern , die halbgroßen Eheleuten in ihren besten Jahren , die kleinen gehören Greisen . Doch haben auch Kinder und junge Leute oft nur ein kleines Lichtchen . ’ Der Arzt bat er möchte ihm auch sein Lebenslicht zeigen . Der Tod deutete auf ein kleines Endchen , das eben auszugehen drohte , und sagte ‘ siehst du , da ist es . ’ ‘ Ach , lieber Pathe ,’ sagte der erschrockene Arzt , ‘ zündet mir ein neues an , thut mirs zu liebe , damit ich meines Lebens genießen kann , König werde und Gemahl der schönen Königstochter . ’ ‘ Jch kann nicht ,’ antwortete der Tod , ‘ erst muß eins verlöschen , eh ein neues anbrennt . ’ ‘ So setzt das alte auf ein neues , das gleich fortbrennt sobald jenes zu Ende ist ,’ sprach der Arzt . Der Tod
stellte sich an als ob er seinen Wunsch erfüllen wollte , langte ein frisches großes Licht herbei ; aber beim Umstecken versah ers , um sich zu rächen , absichtlich , und das Stückchen fiel und verlosch . Da sank der Arzt um , und war nun selbst in die Hand des Todes gefallen .
45.
Daumerlings Wanderschaft .
E in Schneider hatte einen Sohn , der war klein gerathen , und nicht größer als ein Daumen , darum hieß er auch der Daumerling . Er hatte aber Courage im Leibe , und sagte zu seinem Vater ‘ Vater , ich soll und muß in die Welt hinaus . ’ ‘Recht , mein Sohn ,’ sprach der Alte , nahm eine Stopfnadel , und machte am Licht einen Knoten von Siegellack daran , ‘ da hast du auch einen Degen mit auf den Weg .’ Nun wollte das Schneiderlein noch einmal mitessen , und hüpfte in die Küche um zu sehen was die Frau Mutter zu guter Letzt gekocht hätte . Es war aber eben angerichtet , und die Schüssel stand auf dem Herd . Da sprach es ‘ Frau Mutter , was giebts heute zu essen ? ’ ‘Sieh du selbst zu’ sagte die Mutter . Da sprang Daumerling auf den Herd , und guckte in die Schüssel : weil er aber den Hals zu weit hineinstreckte , faßte ihn der Dampf von der Speise , und trieb ihn zum Schornstein hinaus . Eine Weile ritt er auf dem Dampf in der Luft herum , bis er endlich wieder auf die Erde herabsank . Nun war das Schneiderlein draußen in der weiten Welt , zog umher , und gieng bei einem Meister in die Arbeit ; da war ihm aber das Essen nicht gut genug . ‘Frau Meisterin , wenn sie uns kein besser Essen giebt ,’ sagte der
Daumerling , ‘ so gehe ich fort , und schreibe morgen früh mit Kreide an ihre Hausthüre Kartoffel zu viel , Fleisch zu wenig , Adies , Herr Kartoffelkönig . ’ ‘ Was willst du wohl , Grashüpfer ? ’ sagte die Meisterin , ward bös , ergriff einen Lappen , und wollte nach ihm schlagen : mein Schneiderlein aber kroch behende unter den Fingerhut , guckte unten hervor , und streckte der Frau Meisterin die Zunge heraus . Sie hob den Fingerhut auf , und wollte ihn packen , aber der kleine Daumerling hüpfte in die Lappen , und wie die Meisterin die Lappen auseinander warf , und ihn suchte , machte er sich in den Tischritz . ‘ He , he , Frau Meisterin ,’ rief er , und steckte den Kopf in die Höhe , und wenn sie zuschlagen wollte , sprang er in die Schublade hinunter . Endlich aber erwischte sie ihn doch , und jagte ihn zum Haus hinaus .
Das Schneiderlein wanderte und kam in einen großen Wald , da begegnete ihm ein Haufen Räuber , die hatten vor des Königs Schatz zu bestehlen . Als sie das Schneiderlein sahen , dachten sie ‘ so ein Jnstrument kann uns viel nützen . ’ ‘Heda ,’ rief einer , ‘ du Riese Goliath , willst du mit zur Schatzkammer gehen ? du kannst dich hineinschleichen , und das Geld herauswerfen .’ Der Daumerling besann sich , endlich sagte er ja , und gieng mit zu der Schatzkammer . Da besah er die Thüre oben und unten , ob kein Ritz darin wäre . Glücklicherweise fand er einen , und wollte gleich einsteigen , aber die eine Schildwache sprach zur andern ‘ was kriegt da für eine garstige Spinne ? die will ich todt treten . ’ ‘ Ei , laß das arme Thier gehen ,’ sagte die
andere , ‘ es hat dir ja nichts gethan . ’ Nun kam der Daumerling durch den Ritz glücklich in die Schatzkammer , machte das Fenster , unter welchem die Räuber standen , auf , und warf ihnen einen Thaler nach dem andern hinaus . Als das Schneiderlein in der besten Arbeit war , hörte es den König kommen , der seine Schatzkammer besehen wollte , und mußte sich einstweilen verkriechen . Der König merkte daß viele harte Thaler fehlten , konnte aber nicht begreifen wer sie sollte gestohlen haben , da die Schlösser in gutem Stand waren , und alles wohl verwahrt schien . Da gieng er wieder fort , und sprach zu den zwei Wachen ‘ habt acht , es ist einer hinter dem Geld . ’ Als der Daumerling nun seine Arbeit von neuem anfieng , hörten sie das Geld drinnen sich regen und klingen klipp , klapp , klipp , klapp , sprangen geschwind hinein , und wollten den Dieb greifen . Aber das Schneiderlein , das sie kommen hörte , war noch geschwinder , sprang in eine Ecke , und deckte einen Thaler über sich , so daß nichts von ihm zu sehen war , neckte die Wachen , und rief ‘ hier bin ich . ’ Die Wachen liefen dahin , wie sie aber ankamen , war es schon in eine andere Ecke unter einen Thaler gehüpft , und rief ‘ he , hier bin ich . ’ Die Wachen sprangen eilends herbei , Daumerlig Daumerling war aber längst in einer dritten Ecke , und rief ‘ he , hier bin ich . ’ Und so hatte es sie zu Narren , und trieb sie so lange in der Schatzkammer herum , bis sie müde waren , und davon giengen . Nun warf es die Thaler nach und nach alle hinaus , und den letzten schnellte es mit aller Macht , hüpfte dann selber noch behendiglich darauf , und flog damit durchs
Fenster hinab . Die Räuber machten ihm große Lobsprüche ‘ du bist ein gewaltiger Held ,’ sagten sie , ‘ willst du unser Hauptmann werden ? ’ Daumerling bedankte sich aber , und sagte er wollte erst die Welt sehen . Sie theilten nun die Beute , das Schneiderlein aber verlangte nur einen Kreuzer , weil es nicht mehr tragen konnte .
Darauf schnallte es seinen Degen wieder um den Leib , sagte den Räubern guten Tag , und nahm den Weg zwischen die Beine . Bei etlichen Meistern gieng er zwar in Arbeit , endlich aber , weils mit dem Handwerk nicht recht fort wollte , verdingte es sich als Hausknecht in einem Gasthof . Die Mägde aber konnten es nicht leiden , denn ohne gesehen zu werden sah es alles , was sie heimlich thaten , und gab bei der Herrschaft an was sie sich von den Tellern weg genommen und aus dem Keller für sich mitgebracht hatten . Da sprachen sie ‘ wart , wir wollen dirs eintränken ,’ und verabredeten untereinander ihm einen Schabernack anzuthun . Als die eine Magd bald hernach im Garten mähte , und den Daumerling da herumspringen , und an den Kräutern auf und abkriechen sah , mähte sie ihn mit dem Gras schnell zusammen , band alles in ein großes Tuch , und warf es heimlich den Kühen vor . Nun war eine große schwarze darunter , die schluckte ihn mit hinab , ohne ihm weh zu thun . Unten gefiels ihm aber schlecht , denn es war ganz finster , und brannte da kein Licht . Als die Kuh gemelkt wurde , da rief er
‘ strip , strap , stroll ,
ist der Eimer bald voll ?’
Doch bei dem Geräusch des Melkens wurde er nicht verstanden . Hernach trat der Hausherr in den Stall , und sprach ‘morgen soll die Kuh da geschlachtet werden . ’ Da ward dem Daumerling angst , daß er mit heller Stimme rief ‘ laßt mich erst heraus , ich sitze ja drin . ’ Der Herr hörte ihn wohl , wußte aber nicht , wo die Stimme herkam , und sprach ‘ wo bist du ? ’ ‘ Jn der schwarzen ,’ antwortete er , aber der Herr verstand nicht was das heißen sollte , und gieng fort .
Am andern Morgen wurde die Kuh geschlachtet ; glücklicherweise traf bei dem Zerhacken und Zerlegen den Daumerling kein Hieb , aber er gerieth unter das Wurstfleisch . Wie nun der Metzger herbeitrat , und seine Arbeit anfieng , schrie er aus Leibeskräften ‘ hackt nicht zu tief , hackt nicht zu tief , ich stecke ja drunter . ’ Vor dem Lärmen der Hackmesser hörte das kein Mensch . Nun hatte der arme Daumerling seine Noth , aber die Noth macht Beine , und da sprang er so behend zwischen den Hackmessern durch , daß ihn keins anrührte , und er mit heiler Haut davon kam . Aber entspringen konnte er auch nicht : es war keine andre Auskunft , er mußte sich mit den Speckbrocken in eine Blutwurst hinunter stopfen lassen . Da war das Quartier etwas enge , und dazu ward er noch in den Schornstein zum Räuchern aufgehängt , wo ihm Zeit und Weile gewaltig lang wurde . Endlich im Winter wurde er herunter geholt , weil die Wurst einem Gast sollte vorgesetzt werden . Als nun die Frau Wirthin die Wurst in Scheiben schnitt , nahm er sich in acht , daß er den Kopf nicht zu weit vorstreckte , damit ihm nicht etwa der Hals
mit abgeschitten würde : endlich ersah er seinen Vortheil , machte sich Luft , und sprang heraus .
Jn dem Hause aber , wo es ihm so übel ergangen war , wollte das Schneiderlein nicht länger mehr bleiben , sondern begab sich gleich wieder auf die Wanderung . Doch seine Freiheit dauerte nicht lange , auf dem freien Feld , kam es einem Fuchs in dem Weg , der schnappte es in Gedanken auf . ‘ Ei , Herr Fuchs ,’ riefs Schneiderlein , ‘ ich bins ja , der in eurem Hals steckt , laßt mich wieder frei . ’ ‘ Du hast recht ,’ antwortete der Fuchs , ‘ an dir hab ich doch so viel als nichts ; versprichst du mir die Hühner in deines Vaters Hof , so will ich dich loslassen . ’ ‘ Von Herzen gern ,’ antwortete der Daumerling , ‘ die Hühner sollst du alle haben , das gelobe ich dir . ’ Da ließ ihn der Fuchs wieder los , und trug ihn selber heim . Als der Vater sein liebes Söhnlein wieder sah , gab er dem Fuchs gerne alle die Hühner die er hatte . ‘Dafür bring ich dir auch ein schön Stück Geld mit’ sprach der Daumerling , und reichte ihm den Kreuzer , den er auf seiner Wanderschaft erworben hatte .
‘Warum hat aber der Fuchs die armen Piephühner zu fressen kriegt ? ’ ‘ Ei , du Narr , deinem Vater wird ja wohl sein Kind lieber sein als die Hühner auf dem Hof .’
46.
Fitchers Vogel .
E s war einmal ein Hexenmeister , der nahm die Gestalt eines armen Mannes an , gieng vor die Häuser und bettelte , und fieng die schönen Mädchen . Kein Mensch wußte wo er sie hinbrachte , denn sie kamen nimmer mehr wieder zum Vorschein . Nun trat er auch einmal vor die Thüre eines Mannes , der drei schöne Töchter hatte , erschien als ein armer , schwacher Bettler , und trug eine Kötze auf dem Rücken , als wollte er milde Gaben darin sammeln . Er bat um ein bischen Essen , und als die älteste herauskam , und ihm ein Stück Brot reichen wollte , rührte er sie nur an , und alsbald mußte sie in seine Kötze springen . Dann eilte er mit starken Schritten fort , und durch einen finstern Wald in sein Haus , wo alles prächtig war . Da gab er ihr , was sie nur wünschte , und sprach ‘ es wird dir wohlgefallen bei mir , denn du hast alles , was dein Herz begehrt . ’ Das dauerte ein paar Tage , da sagte er ‘ ich muß fortreisen und dich eine kurze Zeit allein lassen , da sind die Hausschlüssel , du kannst überall umhergehen , und alles sehen , nur nicht in eine Stube , die dieser kleine Schlüssel aufschließt , das verbiet ich dir bei Lebensstrafe .’ Auch gab er ihr ein Ei , und sprach
‘ das verwahre mir sorgfältig , und trag es lieber beständig bei dir , denn gienge es verloren , so würde ein großes Unglück daraus entstehen . ’ Sie nahm die Schlüssel und das Ei , und versprach alles wohl auszurichten . Als er aber fort war , konnte sie der Neugierde nicht wiederstehen , und nachdem sie das ganze Haus von unten bis oben gesehen hatte , gieng sie auch zu der verbotenen Thüre , und öffnete sie . Wie erschrack sie aber , als sie hineintrat : da stand in der Mitte ein großes blutiges Becken , und darin lagen todte zerhauene Menschen . Sie erschrack so sehr , daß das Ei , das sie in der Hand hielt , hineinplumpte . Zwar holte sie es geschwind wieder heraus , und wischte das Blut ab , aber es half nichts , denn es kam den Augenblick wieder zum Vorschein ; sie wischte und schabte , aber sie konnte es nicht herunter kriegen . Nicht lange , so kam der Mann von der Reise zurück , und das erste war , daß er Schlüssel und Ei zurückforderte . Sie reichte es ihm mit Zittern hin , er betrachtete beides genau , und sah wohl daß sie in der Blutkammer gewesen war . Da sprach er ‘ bist du gegen meinen Willen in der Kammer gewesen , so sollst du nun gegen deinen Willen wieder hinein . Dein Leben ist zu Ende . ’ Darauf ergriff er sie , führte sie hinein , zerhackte sie , daß ihr rothes Blut auf der Erde floß , und warf sie zu den übrigen ins Becken .
‘ Jetzt will ich mir die zweite holen ’ sprach der Hexenmeister , gieng wieder in Gestalt eines armen Mannes vor das Haus , und bettelte . Da brachte ihm die zweite ein Stück Brot , und er fieng sie wie die erste durch ein bloßes Anrühren , trug
sie hinaus , und mordete sie in der Blutkammer , weil sie hineingeschaut hatte . Da gieng er die dritte Schwester noch zu fangen , und brachte sie auch hinaus ; die dritte aber war klug und listig . Als er ihr nun die Schlüssel und das Ei gegeben hatte und fortgereist war , hob sie das Ei erst auf und verschloß es , und dann gieng sie in die verbotene Kammer . Ach , was erblickte sie ! ihre beiden lieben Schwestern , die jämmerlich ermordet in dem Becken lagen . Aber sie hub an und suchte ihre Glieder zusammen , und legte sie zurecht , Kopf , Leib , Arm und Beine . Und als nichts mehr fehlte , da fiengen die Glieder an sich zu regen , und schlossen sich an einander , und beide Mädchen öffneten die Augen , und wurden wieder lebendig . Da freuten sie sich , küßten und herzten einander : aber die jüngste führte sie heraus und versteckte sie . Der Mann bei seiner Ankunft forderte Schlüssel und Ei , als er aber keine Spur von Blut daran entdecken konnte , sprach er ‘ du hast die Probe bestanden , du sollst meine Braut seyn . ’ ‘ Ja ,’ antwortete sie , ‘ aber du mußt mir versprechen , vorher einen Korb voll Gold meinem Vater und meiner Mutter auf deinem Rücken hinzutragen , dieweil ich die Hochzeit bestelle . ’ Darauf gieng sie in ihr Kämmerlein , wo sie ihre Schwestern versteckt hatte , und sprach ‘ jetzt kommt der Augenblick , wo ich euch retten kann , der Bösewicht soll euch selbst forttragen ; aber sobald ihr zu Hause seyd , laßt mir Hilfe zukommen . ’ Dann setzte sie beide in einen Korb , und deckte sie mit Gold ganz zu , daß nichts von ihnen zu sehen war , und rief den Hexenmeister herein , und sprach ‘ nun trag den Korb
fort , aber daß du mir unterwegs nicht stehen bleibst und ruhest , ich schaue hier durch mein Fensterlein , und habe acht .’
Nun hob der Hexenmeister den Korb auf seinen Rücken , und gieng damit fort , er wurde ihm aber so schwer , daß ihm der Schweiß über das Angesicht lief , und er fürchtete todt gedrückt zu werden . Da wollte er sich ein wenig ruhen , aber gleich rief eine im Korbe ‘ ich schaue durch mein Fensterlein , und sehe daß du ruhst , willst du gleich weiter . ’ Er meinte die Braut rief ihm das zu , und machte sich wieder auf . Hernach wollte er sich wieder setzen , aber es rief abermals ‘ ich schaue durch mein Fensterlein , und sehe daß du ruhst , willst du gleich weiter . ’ Und so oft er stillstand , rief es , und da mußte er fort , und brachte außer Athem den Korb mit dem Gold und den beiden Mädchen in ihrer Eltern Haus .
Daheim aber ordnete die Braut das Hochzeitsfest an . Sie nahm einen Todtenkopf mit grinsenden Zähnen , und setzte ihm einen Schmuck auf , und trug ihn oben vors Bodenloch , und ließ ihn da herausschauen . Dann ladete sie die Freunde des Hexenmeisters zum Fest ein , und wie das geschehen war , steckte sie sich in ein Faß mit Honig , schnitt das Bett auf , und wälzte sich darin , daß sie aussah wie ein wunderlicher Vogel , und kein Mensch sie erkennen konnte . Da gieng sie zum Haus hinaus , und unterwegs begegnete ihr ein Theil der Hochzeitsgäste , die fragten
‘ Du Fitchers Vogel , wo kommst du her ? ’
‘ Jch komme von Fitze Fitchers Hause her .’
‘ Was macht denn da die junge Braut ? ’
‘ Hat gekehrt von unten bis oben das Haus ,
und guckt zum Bodenloch heraus .’
Darauf begegnete ihr der Bräutigam , der zurückkam ; der fragte auch
‘ Du Fitchers Vogel , wo kommst du her ? ’
‘ Jch komme von Fitze Fitchers Hause her . ’
‘ Was macht denn da meine junge Braut ? ’
‘ Hat gekehrt von unten bis oben das Haus ,
und guckt zum Bodenloch heraus .’
Der Bräutigam schaute hinauf , und sah den geputzten Todtenkopf , da meinte er es wäre seine Braut , und nickte ihr zu , und grüßte sie freundlich . Wie er aber sammt seinen Gästen ins Haus gegangen war , da kam die Hilfe von den Schwestern an , und sie schlossen alle Thüren des Hauses zu , daß niemand entfliehen konnte , und steckten es an , also daß der Hexenmeister mit sammt seinem Gesindel verbrennen mußte .
47.
Van den Machandelboom .
D at is nu all lang her , woll twee dusend Joor , do was daar een riik Mann , de hadde eene schöne frame Fru , un se hadden sick beede sehr leef , hadden averst keene Kinner , se wünschten sick averst seer welke , un de Fru bedt so veel dorum Dag un Nacht , man se kregen keen un kregen keen . Vör eeren Huse was een Hoff , darup stund een Machandelboom , ünner den stund de Fru eens in’n Winter , und schellt sick eenen Appel : un as se sick den Appel so schellt , so sneet se sick in’n Finger , un dat Blood feel in den Snee . ‘ Ach ,’ sed de Fru , un füft so recht hoch up , un sach dat Blood för sick an , un was so recht wehmödig , ‘ hadd ick doch een Kind so rood as Blood un so witt as Snee ! ’ Un as se dat sed , so wurd eer so recht fröhlich to Moode , eer was recht as sull dat wat warden . Daar gieng se to den Huse , un gieng een Maand hen , de Snee vörgieng , un twee Maand , daar was dat grön , un dree Maand , daar kemen de Blömer ut de Eerde , un veer Maand , daar drungen sick alle Bömer in dat Holt , un de grönen Twige weeren all in een anner wussen : daar sungen de Vögelkens , dat dat ganze Holt schallt , un de Bleujten felen van de Bömer , daar was
de fifte Maand weg , un se stund ünner den Machandelboom , de rook so schön : do sprung eer dat Hart vör Freuden , un se feel up eere Knee , un kunde sick nich laten , un as de söste Maand vörbi was , daar wurden de Früchte dick un stark , do wurd se gans still , un de söwende Maand , do greep se na de Machandelbeeren , un att se so nidsch , do wurd se trurig un krank : daar gieng de achte Maand hen , un se reep eeren Mann , un weende un sed ‘ wenn ick starve , so begrave mi ünner den Machandelboom .’ Do wurde se gans getrost un freute sick , bet de neegte Maand vörbi was , daar kreeg se een Kind , so witt as Snee un so rood as Blood : un as se dat sach , so freute se sick so , dat se sturv .
Daar begroof eer Mann se ünner den Machandelboom , un he fung an to weenen so seer ; eene Tiid lang , do wurd dat wat sachter , un daar he noch wat weend hadd , do heel he up , un noch eene Tiid , do nam he sick wedder eene Fru .
Mit de tweete Fru kreeg he eene Dochter , dat Kind averst van de erste Fru was een lüttje Sön , un was so rood as Blood un so witt as Snee . Wenn de Fru eere Dochter so ansach , so had se se so leef , averst denn sach se den lüttjen Jung an , un dat gieng eer so dorch’t Hart , und eer dücht , as stund he eer allerwegen in’n Weg , un dacht denn man ümmer , wo se eer Dochter all dat Vörmögent towenden wull : un de Böse gav eer dat in , dat se denn lüttjen Jung ganz gram wurd , un stöd em herüm van een Ek in de anner , un buft em hier un knuft em daar , so dat dat arme Kind ümmer in Angst was ;
wenn he denn ut de School kam , so hadd he keene ruhige Stede .
Eens was de Fru up de Kamer gaan , do kamm de lüttje Dochter ook herup , un sed ‘ Moder , giv mi eenen Appel . ’ ‘ Ja , min Kind ’ sed de Fru , un gav eer eenen schönen Appel ut de Kist ; de Kist averst had eenen groten swaaren Deckel mit een groot schaarp iisern Slott . ‘Moder ,’ sed de lüttje Dochter , ‘ schall Broder nich ook eenen hebben ? ’ Dat vördrot de Fru , doch sed se ‘ ja , wenn he ut de School kümmt . ’ Un as se ut dat Finster gewaar wurde dat he kamm , so was dat recht as wenn de Böse över eer kamm , un se grapst to , un nam eerer Dochter den Appel wedder weg , un sed ‘ du sast nich eer eenen hebben as Broder .’ Daar smeet se den Appel in de Kist , un maakt de Kist to . Daar kamm de lüttje Jung in de Dör , daar gav eer de Böse in , dat se früntlich to em sed ‘miin Sön , wist du eenen Appel hebben ? ’ und sach em so hastig an . ‘ Moder , sed de lüttje Jung , wat sühst du gräsig ut ! ja , giv mi eenen Appel . ’ Daar was er as sull se em toriden ; ‘ kumm mit mi’ sed se , un maakt den Deckel up , ‘ haal di eenen Appel herut . ’ Und as sick de lütt Jung henin bückt , so reet er de Böse : bratsch , sloog se den Deckel to , dat de Kop af floog un ünner de rooden Appel feel . Daar äverleep eer dat in de Angst , un dacht ‘ kund ick dat van mi bringen . ’ Daar gieng se baben na eere Stuve na eeren Draagkasten , und haalt ut de dävelste Schuuflade eenen witten Dook , un sett den Kopp wedder up den Hals , un bund den Halsdook so um , dat man niks seen
kund , un sed em vör de Dör up eenen Stool , un gav em den Appel in de Hand .
Daar kamm daarna Marleenken to eere Moder in de Köke , de stund bi den Füür un had eenen Pott mit heet Water för sick , den rüürt se ümmer um . ‘Moder ,’ sed Marleenken , Broder sitt vör de Döör , un süüt ganz witt ut , und hed eenen Appel in de Hand : ick hev em beden , he sull mi den Appel geven , averst he antwoord mi nich , da wurd mi gans gruulig . ‘Ga nochmal hen ,’ sed de Moder , ‘ un wenn he di nicht antwoorden will , so giv em eens an de Ooren .’ Daar gieng Marleenken hen , un sed ‘Broder , giv mi den Appel ,’ averst he sweeg still . Daar gav se em eens up de Ooren , daar feel de Kopp herünn , daröver vörschrak se sick , un fung an to weenen un to raaren , un leep to eere Moder un sed ‘ ach , Moder , ick hebb minen Bruder den Kopp afslagen ,’ un weend un weend , un wull sick nich tofreden geven . ‘Marleenken ,’ sed de Moder , ‘ wat hest du daan ! averst swig man still , dat et keen Minsch markt , dat is nu doch nich to ännern ; wi willen em in Suur kaaken .’ Daar nam de Moder den lüttjen Jungen , un hack em in Stücken , ded de in den Pott , und kaakt em in Suur ; Marleenken averst stund daarbi un weend un weend , un de Traanen feelen all in den Pott , un se bruukten gar keen Salt .
Daar kamm de Vader to Huus , un sett sick to Disch un sed ‘ wo is denn miin Sön ? ’ Daar drog de Moder eene groote groote Schöttel op mit swart Suur , un Marleenken weend , un kund sick nicht hollen . Da sedd de Vader wedder ‘ wo is denn
miin Sön ? ’ ‘ Ach ,’ sed de Moder , ‘ he is över Land gaan , na Mütten eer groot Oem , he wull daar wat bliven . ’ ‘ Wat deit he denn daar ? un hed mi nich mal Adjüs segd ? ’ ‘ O , he wulld geern hen , un bed mi , ob he daar woll sös Weken bliven kunn , he is jo woll daar uphaben . ’ ‘ Ach ,’ sed de Mann , ‘ mi is so recht trurig , dat is doch nich recht , he had mi doch Adjüs seggen schullt . ’ Mit des fung he an to eeten , un sed ‘Marleenken , wat weenst du ? Broder ward woll wedder kamen . ’ ‘ Ach , Fru ,’ sed he do , ‘ wat smeckt mi dat Eten schön ! giv mi meer .’ Un je meer he at , je meer wuld he hebben , und sed ‘ gevt mi meer , gi söllt niks daaraf hebben , dat is as wenn dat all miin weer ,’ un he att un att , un de Knaken smeet he all unner den Disch , bett he alles up had . Marleenken averst gieng hen na eere Commode , un namm ut de unnerste Schuuf eeren besten siiden Dook , und haalt all de Beenken und Knaken ünner den Disch herut , un bund se in den siiden Dook , un drog se vör de Döör , un weente eere blödigen Traanen : daar legd se se unner den Machandelboom in dat gröne Gras , un as se se daar henlegd hadd , so was eer mit eenmal so recht licht , un weente nich meer . Da sung de Machandelboom an sick to bewegen , un de Twiige deden sick ümmer so recht van eenanner , un denn wedder tohop , so recht as wenn sick eener so recht fröit un mit de Hände so deit . Mit des , so gieng daar so’n Newel van den Boom , un recht in den Newel da brennt dat as Füür , un ut dat Füür daar flog so ’n schönen Vagel herut , de sung so herrlich , un flog hoch in de Luft , un as he weg
was , do was de Machandelboom , as he vörheer west was , un de Dook mit de Knaken was weg . Marleenken averst was so recht licht un vergnögt , recht as wenn de Broder noch leeft : daar gieng se wedder ganz lustig in dat Huus bi Disch , un att .
De Vagel averst floog weg , un sett sick up eenen Goldsmitt siin Huus , un fung an to singen :
‘miin Moder de mi slacht’t ,
miin Vader de mi att ,
miin Swester , de Marleeniken ,
söcht alle miine Beeniken
un bindt se in een siiden Dook ,
legts unner den Machandelboom ;
kiwitt , kiwitt , ach watt en schön Vagel bin ick !’
De Goldsmitt satt in sine Warkstede , un maakt eene goldne Kede , daar hörd he den Vagel de up siin Dack satt un sung , un dat dünkt em so schön . Daar stund he up , un as he äver den Süll gieng , so vörloor he eenen Tüffel ; he gieng aver so recht midden up de Strate , eenen Tüffel un een Sock an , siin Schortfell had he vör , un in de een Hand had he de golden Kede , un in de anner de Tang : un de Sünn schiint so hell up de Strate . Daar gieng he recht so staan , un sach den Vagel an : ‘Vagel ,’ segd he do , ‘ wo schön kannst du singen , sing mi dat Stük nochmal . ’ ‘ Nee ,’ segd de Vagel , ‘ tweemal sing ick nich umsünst , giv mi de golden Kede , so wil ick di et nochmal singen . ’ ‘ Da ,’ segd de Goldsmitt , ‘ hest du de golden Kede , nu sing
mi dat nochmal . ’ Daar kam de Vagel , un nam de golden Ked so in de rechte Krall , un gieng vör den Goldsmitt sitten , un sung
‘miin Moder de mi slacht’t ,
miin Vader de mi att ,
miin Swester , de Marleeniken ,
söcht alle miine Beeniken
un bindt se in een siiden Dook ,
legts unner den Machandelboom ;
kiwitt , kiwitt , ach wat een schön Vagel bin ick ! ’
Daar flog de Vagel weg na eenen Schooster , un sett sick up den siin Dack , und sung
‘miin Moder de mi slacht’t ,
miin Vader de mi att ,
miin Swester , de Marleeniken ,
söcht alle miine Beeniken
un bindt se in een siiden Dook ,
legts unner den Machandelboom ;
kiwitt , kiwitt , ach watt een schön Vagel bin ick !’
De Schooster hörd dat , un leep vör siin Döör in Hemdsarmel , un sach nach siin Dack , un must de Hand vör de Oogen holln , dat de Sünn em nich blendt . ‘Vagel ,’ segd he , ‘ wat kanst du schön singen ! ’ Daar reep he in siin Döör herin ‘ Fru , kumm mal herut , daar is een Vagel , sü mal den Vagel , de kann mal schön singen . ’ Daar reep he siin Dochter un Kinner un Gesellen Jung un Magd , un keemen all up de Straat , un segen den Vagel an , wo schön he was , un he hadd so recht roode un gröne
Feddern , un um den Hals was dat as luter Gold , un de Oogen blinkten em in Kopp as Steern . ‘Vagel ,’ sed de Schooster , ‘ nu sing mi dat Stük nochmal . ’ ‘ Nee ,’ segd de Vagel , ‘ tweemal sing ick nich umsünst , du möst mi wat schenken . ’ ‘ Fru ,’ sedd de Mann , ‘ ga an de Dönböhn up den bövelsten Boord , da staan een paar roode Scho , de bring herunn . ’ Daar gieng de Fru hen , un haalt de Scho . ‘ Da Vagel ,’ sed de Mann , ‘ nu sing mi dat Stük nochmal . ’ Daar kamm de Vagel , un namm de Scho in de linke Klau , und flog wedder up dat Dack , un sung
‘miin Moder de mi slacht’t ,
miin Vader de mi att ,
miin Swester , de Marleeniken ,
söcht alle miine Beeniken ,
un bindt se in een siiden Dook ,
legts unner den Machandelboom ;
kiwitt , kiwitt , ach watt een schön Vagel bin ick !’
Un as he utsungen hadd , so floog he weg ; de Kede hadd he in de rechte un de Scho in de linke Klau . Un he floog wiit weg na eene Mähl , un de Mähl gieng klippe klappe , klippe klappe , klippe klappe : un in de Mähl daar seeten twintig Mählenburschen , de haugten eenen Steen und hackten hick hack , hick hack , hick hack , un de Mähl gieng klippe klappe , klippe klappe , klippe klappe . Daar gieng de Vagel up eenen Lindenboom sitten , de vör de Mähl stund , un sung
‘miin Moder de mi slacht’t ,’
do hörd een up ;
‘miin Vader de mi att ,’
do hörden noch twee up , un hörden dat ;
‘miin Swester , de Marleeniken ,’
do hörden wedder veer up ;
‘ söcht alle miine Beeniken ,
un bindt se in een siiden Dook ,’
un hackten noch man acht ;
‘ legts unner’
nu noch man fife ;
‘ den Machandelboom ;’
nu noch man een ;
‘ kiwitt , kiwitt , ach watt een schön Vagel bin ick !’
daar heel de leste ook up , un hadd dat leste noch hörd . ‘Vagel , segd he , wat singst du schön , laat mi dat ook hören , sing mi dat nochmal . ’ ‘ Nee ,’ segd de Vagel , ‘ tweemal sing ick nich umsünst , giv mi den Mählensteen , so will ick dat nochmal singen . ’ ‘ Ja ,’ segd he , ‘ wenn he mi alleen hörd , so sust du em hebben . ’ ‘ Ja ,’ seden de annern , ‘ wenn he nochmal singt , so sall he em hebben . ’ Daar kamm de Vagel herün , un de Möllers faat ’n all twintig mit Bööm an , un böörten den Steen up hu uh uhp , hu uh uhp , hu uh uhp , daar stack de Vagel den Hals döör dat Lock , un nam em üm as eenen Kragen , un floog wedder up den Boom , un sung
‘miin Moder de mi slacht’t ,
miin Vader de mi att ,
miin Swester , de Marleeniken ,
söcht alle miine Beeniken ,
un bindt se in een siiden Dook ,
legts unner den Machandelboom ;
kiwitt , kiwitt ach wat een schön Vagel bin ick !’
Un as he dat utsungen hadd , da ded he de Flünk van eenanner , un had in de rechte Klau de Kede , un in de linke de Scho , un üm den Hals den Mählensteen , und floog wiit weg na siines Vaders Huus .
Jn de Stuve satt de Vader , de Moder , un Marleenken bi Disch , un de Vader segd ‘ach wat waart mi licht , mi is recht so good to Mode . ’ ‘ Nee ,’ segd de Moder , ‘ mi is so angst , so recht as wenn een swaar Gewitter kümmt . ’ Marleenken averst satt un weend un weend . Daar kamm de Vagel anflogen , un as he sick up dat Dack sett , ‘ ach ,’ segd de Vader , ‘ mi is so recht früdig , un de Sünn schiint buten so schön , mi is recht as süll ick eenen ollen Bekannten wedder seen . ’ ‘ Nee ,’ segd de Fru , ‘ mi is so angst , de Teene klappern mi , un dat is mi as Füür in de Adern ,’ un se reet sick eer Liisken up un so meer : averst Marleenken satt in een Eck un weende , un had eeren Platen vor de Oogen , un weende den Platen gans messnat . Daar sett sich de Vagel up den Machandelboom , un sung
‘miin Moder de mi slacht’t ,’
Daar heel de Moder de Ooren to , un kneep de Oogen to , un wold nich seen un hören , aver dat bruuste eer in de Ooren as de allerstarkst Storm , un de Oogen brennten eer un zackten as Bliz .
‘miin Vader de mi att ,’
‘ Ach Moder ,’ segd de Mann , ‘ daar is een schön Vagel , de singt so herlich , de Sünn schiint so warm , un dat rückt as luter Zinnemamen .’
‘miin Swester , de Marleeniken ,’
Daar led Marleenken den Kopp up de Knee , un weende in eens weg ; de Mann averst segd ‘ick ga herut , ick mut den Vagel dicht bi seen . ’ ‘ Ach , ga nich ,’ sed de Fru , ‘ mi is , as bevt dat ganze Huus , un stünn in Flammen . ’ Aver de Mann gieng herut , un sach den Vagel an .
‘ söcht alle miine Beeniken ,
un bindt se in een siiden Dook ,
legts unner den Machandelboom ;
kiwitt , kiwitt , ach wat een schön Vagel bin ick !’
Mit des lett de Vagel de golden Kede fallen , un se feel den Mann jüst um den Hals , so recht hier herüm , dat se recht so schön past . Daar gieng he herin , un segd ‘ sü , wat is dat vör een schön Vagel , hett mi so ne schöne goldne Kede schenkt , un süht so schöne ut . ’ De Fru aver was so angst , un feel langs in de Stuve hen , un de Mütz feel eer van den Kopp . Daar sung de Vagel wedder
‘miin Moder de mi slacht’t ,’
‘ Ach , dat ick dusend Fuder unner de Eerde weer , dat ick dat nich hören sull !’
‘miin Vader de mi att ,’
Daar feel de Fru vör dood nedder ,
‘miin Swester , de Marleeniken ,’
‘ Ach ,’ sed Marleenken , ‘ ick will ook herut gaan un seen op de Vagel mi wat schenkt . ’ Daar gieng se herut ,
‘ söcht alle miine Beeniken ,
un bindt se in een siiden Dook .
Daar smeet he eer de Scho herun .
‘ legts unner den Machandelboom ;
kiwitt , kiwitt , ach watt een schön Vagel bin ick ! ’
Daar was eer so licht un frölich , daar trekt se de nien rooden Scho an , un danst un sprung herinn . ‘ Ach ,’ segd se , ‘ ick was so trurig as ick herut gieng , un nu is mi so licht , dat is mal een herlichen Vagel , het mi een Paar roode Scho schenkt . ’ ‘ Nee ,’ segd de Fru , un sprung up , un de Haar stunnen eer to Barge as Füürsflammen , ‘ mi is , as sull de Werld unner gahn , ick wil ook herut , op mi lichter warden sull . ’ Un as se ut de Döör kamm , bratsch ! smeet eer de Vagel den Mählensteen up den Kopp , dat se gans tomatscht . De Vader un Marleenken hörden dat , un giengen herut : daar gieng een Damp un Flam un Füür up van de Steed , un as dat vorbi was , da stund de lüttje Broder , un he namm siinen Vader un Marleenken bi de Hand , un weeren alle dree so recht vergnögt , un giengen in dat Huus bi Disch , un eeten .
48.
Der alte Sultan .
E s hatte ein Bauer einen treuen Hund , der Sultan hieß , der war alt geworden , und hatte alle Zähne verloren , so daß er nichts mehr fest packen konnte . Zu einer Zeit stand der Bauer mit seiner Frau vor der Hausthüre , und sprach ‘ den alten Sultan schieß ich morgen todt , der ist zu nichts mehr nütze . ’ Die Frau , die Mitleid mit dem treuen Thiere hatte , antwortete ‘ da er uns so lange Jahr gedient hat , und ehrlich bei uns gehalten , so könnten wir ihm wohl das Gnadenbrot geben . ’ ‘ Ei was ,’ sagte der Mann , ‘ du bist nicht recht gescheidt , er hat keinen Zahn mehr im Maul , und kein Dieb fürchtet sich vor ihm , er kann jetzt abgehen . Hat er uns gedient , so hat er sein gutes Fressen dafür gekriegt .’
Der arme Hund , der nicht weit davon in der Sonne ausgestreckt lag , hatte alles mit angehört , und war traurig daß morgen sein letzter Tag sein sollte . Er hatte einen guten Freund , das war der Wolf , zu dem schlich er Abends hinaus in den Wald , und klagte über das Schicksal , das ihm bevorstände . ‘Höre , Gevatter ,’ sagte der Wolf , ‘ sei gutes Muthes , ich will dir aus deiner Noth helfen . Jch habe etwas ausgedacht . Morgen
in aller Frühe geht dein Herr mit seiner Frau ins Heu , und sie nehmen ihr kleines Kind mit , weil niemand im Hause zurückbleibt . Sie pflegen das Kind während der Arbeit hinter die Hecke in den Schatten zu legen : leg dich daneben , gleich als wolltest du es bewachen . Jch will dann aus dem Walde heraustraben , und das Kind rauben , du mußt mir eifrig nachspringen als wolltest du mir es wieder abjagen . Jch lasse es fallen , und du bringst es den Eltern wieder zurück , die glauben dann du hättest es gerettet , und sind viel zu dankbar als daß sie dir ein Leid anthun sollten : im Gegentheil , du kommst in völlige Gnade , und sie werden es dir an nichts mehr fehlen lassen .’
Der Anschlag gefiel dem Hund , und wie er ausgedacht war so wurde er auch ausgeführt . Der Bauer schrie als er den Wolf mit seinem Kinde durchs Feld laufen sah , als es aber der alte Sultan zurückbrachte , da war er froh , streichelte ihn , und sagte ‘ dir soll kein Härchen gekrümmt werden , du sollst das Gnadenbrot essen , so lange du lebst . ’ Zu seiner Frau aber sprach er ‘ geh gleich heim , und koche dem alten Sultan einen Weckbrei , den braucht er nicht zu beißen , und bring das Kopfkissen aus meinem Bette , das schenk ich ihm zu seinem Lager . ’ Von nun an hatte es der alte Sultan so gut als er sichs nur wünschen konnte . Bald hernach besuchte ihn der Wolf , und freute sich daß alles so wohl gelungen war . ‘ Aber Gevatter ,’ sagte er , ‘ du wirst doch ein Auge zudrücken , wenn ich bei Gelegenheit deinem Herrn ein fettes Schaf weghole . Es wird einem heutzutage schwer sich durchzuschlagen . ’ ‘Darauf rechne nicht ,’ antwortete
der Hund , ‘ meinem Herrn bleibe ich treu , das darf ich nicht zugeben . ’ Der Wolf meinte das wäre nicht im Ernste gesprochen , kam in der Nacht herangeschlichen , und wollte sich das Schaf holen . Aber der Bauer , dem der treue Sultan das Vorhaben des Wolfes verrathen hatte , paßte ihm auf , und kämmte ihm mit dem Dreschflegel garstig die Haare . Der Wolf mußte ausreißen , schrie aber dem Hund zu ‘ wart , du schlechter Geselle , dafür sollst du büßen .’
Am andern Morgen schickte der Wolf das Schwein , und ließ den Hund hinaus in den Wald fordern , da wollten sie ihre Sache ausmachen . Der alte Sultan konnte keinen Beistand finden als eine Katze , die nur drei Beine hatte , und als sie zusammen hinaus giengen , humpelte die arme Katze daher , und streckte zugleich vor Schmerz den Schwanz in die Höhe . Der Wolf und sein Beistand waren schon an Ort und Stelle , als sie aber ihren Gegner daher kommen sahen , meinten sie er führte einen Säbel mit sich , weil sie den aufgerichteten Schwanz der Katze dafür ansahen . Und wenn das arme Thier so auf drei Beinen hüpfte , dachten sie nicht anders als es höbe jedesmal einen Stein auf , und wollte damit auf sie werfen . Da ward ihnen beiden angst ; das wilde Schwein verkroch sich ins Laub , und der Wolf sprang auf einen Baum . Der Hund und die Katze , als sie heran kamen , wunderten sich daß sich niemand sehen ließ . Das wilde Schwein aber hatte sich im Laub nicht ganz verstecken können , sondern die Ohren ragten noch heraus . Während die Katze sich bedächtig umschaute , zwinste das Schwein mit den Ohren : die Katze
welche meinte es regte sich da eine Maus , sprang darauf zu , und biß herzhaft hinein . Da erhob sich das Schwein mit großem Geschrei , lief fort , und rief ‘ dort auf dem Baum da sitzt der Schuldige . ’ Der Hund und die Katze schauten hinauf , und erblickten den Wolf , der schämte sich daß er sich so furchtsam gezeigt hatte , und nahm von dem Hund den Frieden an .
49.
Der alte Sultan .
E s jagte einmal ein König in einem großen Wald , und jagte einem Wild so eifrig nach daß ihm niemand von seinen Leuten folgen konnte . Und als es Abend war , und er still hielt und um sich blickte , so sah er daß er sich verirrt hatte . Er suchte einen Ausgang , konnte aber keinen finden . Endlich sah er eine alte Frau mit wackelndem Kopfe , die auf ihn zu kam ; das war aber eine Hexe . Der König redete sie an , und sprach ‘liebe Frau , könnt ihr mir nicht den Weg durch den Wald zeigen . ’ ‘ O ja , Herr König ,’ antwortete sie , ‘ das kann ich wohl , aber es ist eine Bedingung dabei , wenn ihr die nicht erfüllt , so kommt ihr nimmermehr aus dem Wald , und müßt darin Hungers sterben . ’ ‘ Was ist das für eine Bedingung ? ’ fragte der König . ‘ Jch habe eine Tochter ,’ sagte die Alte , ‘ die so schön ist wie ihr eine auf der Welt finden könnt , und die wohl verdient eure Gemahlin zu werden , wollt ihr die heirathen und zur Frau Königin machen , so zeige ich euch den Weg aus dem Walde . ’ Der König sagte in der Angst seines Herzens ja , und die Alte führte ihn zu ihrem Häuschen , wo ihre Tochter beim Feuer saß . Sie empfieng den König als wenn sie ihn erwartet hätte , und er sah
wohl daß sie sehr schön war , aber sie gefiel ihm doch nicht , und er konnte sie ohne heimliches Grausen nicht ansehen . Nachdem er das Mädchen zu sich aufs Pferd gehoben hatte , zeigte ihm die Alte den Weg , und der König gelangte wieder in sein königliches Schloß , wo die Hochzeit gefeiert wurde .
Der König war schon einmal verheirathet gewesen , und hatte von seiner ersten Gemahlin sieben Kinder , sechs Knaben und ein Mädchen , die er über alles auf der Welt liebte . Weil er nun fürchtete die Stiefmutter möchte sie nicht gut behandeln , und ihnen gar ein Leid anthun , so brachte er sie in ein einsames Schloß , das mitten in einem Walde stand . Es lag so verborgen , und der Weg war so schwer zu finden , daß er ihn selbst nicht gefunden hätte , wenn ihm nicht eine weise Frau ein Knäuel Garn von wunderbarer Eigenschaft geschenkt hätte ; wenn er das vor sich hinwarf , so wickelte es sich von selbst los , und zeigte ihm den Weg . Der König gieng aber so oft hinans zu seinen lieben Kindern , daß der Königin seine Abwesenheit auffiel ; sie ward neugierig , und wollte wissen was er draußen ganz allein in dem Walde zu schaffen habe . Sie gab seinen Dienern viel Geld , und die verriethen ihr das Geheimnis , und sagten ihr auch von dem Knäuel , das allein den Weg zeigen könne . Nun hatte sie keine Ruhe bis sie herausgebracht hatte , wo der König das Knäuel aufbewahrte , und dann machte sie kleine weißseidene Hemdchen , und da sie von ihrer Mutter die Hexenkünste gelernt hatte , so nähte sie einen Zauber hinein . Und als der Konig einmal auf die Jagd geritten war , nahm sie die Hemdchen , und gieng in den Wald , und
das Knäuel zeigte ihr den Weg . Die Kinder , die aus der Ferne jemand kommen sahen , meinten ihr lieber Vater käme zu ihnen und sprangen ihm voll Freude entgegen . Da warf sie über ein jedes eins von den Hemdchen , und wie das ihren Leib berührt hatte , verwandelten sie sich in Schwäne , und flogen davon über den Wald hinweg . Die Königin gieng ganz vergnügt nach Haus , und glaubte ihre Stiefkinder los zu seyn , aber das Mädchen war nicht mitgelaufen , und sie wußte nichts von ihm . Andern Tags kam der König , und wollte seine Kinder besuchen , er fand aber niemand als das Mädchen . ‘ Wo sind deine Brüder ? ’ fragte der König . ‘ Ach , lieber Vater ’ antwortete es , ‘ die sind fort , und haben mich allein zurückgelassen ,’ und erzählte ihm daß es aus seinem Fensterlein mit angesehen habe wie seine Brüder als Schwäne über den Wald weggeflogen wären , und zeigte ihm die Federn , die sie in dem Hof hatten fallen lassen , und die es aufgelesen hatte . Der König trauerte , aber er dachte nicht daß die Königin die böse That vollbracht hätte , und weil er fürchtete das Mädchen würde ihm auch geraubt , so wollte er es mit fortnehmen . Aber es hatte Angst vor der Stiefmutter , und bat den König daß es nur noch diese Nacht im Waldschloß bleiben dürfte .
Das arme Mädchen dachte aber ‘ meines Bleibens ist nicht länger hier , ich will gehen und meine Brüder suchen . ’ Und als die Nacht kam , entfloh es , und gieng gerade in den Wald hinein . Es gieng die ganze Nacht durch und auch den andern Tag in einem fort bis es vor Müdigkeit nicht weiter konnte . Da sah es eine Wildhütte , stieg hinauf , und fand eine Stube
mit sechs kleinen Betten , aber es getraute nicht sich in eins zu legen , sondern kroch unter eins , legte sich auf den harten Boden , und wollte die Nacht da zubringen . Als aber die Sonne bald untergehen wollte , hörte es ein Rauschen , und sah daß sechs Schwäne zum Fenster hereingeflogen kamen . Sie setzten sich auf den Boden , und bliesen einander an , und bliesen sich alle Federn ab , und ihre Schwanenhaut streifte sich ab wie ein Hemd . Da sah sie das Mädchen an , und erkannte ihre Brüder , freute sich , und kroch unter dem Bett hervor . Die Brüder waren nicht weniger erfreut als sie ihr Schwesterchen erblickten , aber ihre Freude war von kurzer Dauer . ‘ Hier kann deines Bleibens nicht seyn ,’ sprachen sie zu ihm , ‘ das ist eine Herberge für Räuber , wenn die heim kommen , und finden dich , so ermorden sie dich . ’ ‘Könnt ihr mich denn nicht beschützen ? ’ fragte das Schwesterchen . ‘Nein ,’ antworteten sie , ‘ denn wir können nur eine Viertelstunde lang jeden Abend unsere Schwanenhaut ablegen , und haben in dieser Zeit unsere menschliche Gestalt , aber dann werden wir wieder in Schwäne verwandelt .’ Das Schwesterchen weinte , und sagte ‘ könnt Jhr denn nicht erlöst werden ? ’ ‘ Ach nein ,’ antworteten sie , ‘ die Bedingungen sind zu schwer . Du darfst sechs Jahre lang nicht sprechen und nicht lachen , und mußt in der Zeit sechs Hemdchen für uns aus Sternenblumen zusammennähen . Kommt ein einziges Wort aus deinem Munde , so ist alle Arbeit verloren . ’ Und als die Brüder das gesprochen hatten , war die Viertelstunde herum , und sie flogen als Schwäne wieder zum Fenster hinaus .
Das Mädchen aber dachte in seinem Herzen es wollte seine Brüder erlösen , und wenn e sauch es auch sein Leben kostete . Am andern Morgen gieng es aus , sammelte Sternblumen , und fieng an zu nähen . Reden konnte es mit niemand , und zum Lachen hatte es keine Lust : es saß da , und sah nur auf seine Arbeit . Als es schon lange Zeit da zugebracht hatte , geschah es , daß der König des Landes in dem Wald jagte , und seine Jäger zu dem Baum kamen , auf welchem das Mädchen saß . Sie riefen es an und sagten ‘ wer bist du ? ’ Es gab aber keine Antwort . ‘Komm herab zu uns ,’ sagten sie , ‘ wir wollen dir nichts zu Leid thun . ’ Es schüttelte bloß mit dem Kopf . Als sie es weiter mit Fragen bedrängten , so warf es ihnen seine goldene Halskette herab , und dachte sie damit zufrieden zu stellen . Sie ließen aber nicht ab , da warf es ihnen seinen Gürtel herab , und als auch dies nicht half , seine Strumpfbänder , und nach und nach alles , was es anhatte und entbehren konnte , so daß es nichts mehr als sein Hemdlein behielt . Die Jäger ließen sich aber damit nicht abweisen , stiegen auf den Baum , hoben das Mädchen herab , und führten es vor den König . Der König fragte ‘ wer bist du ? was machst du auf dem Baum ? ’ Aber es antwortete nicht . Er fragte es in allen Sprachen , die er wußte , aber es blieb stumm wie ein Fisch . Weil es aber so schön war , so ward des Königs Herz gerührt , und er faßte eine große Liebe zu ihm . Er that ihm seinen Mantel um , nahm es vor sich aufs Pferd , und brachte es in sein Schloß . Da ließ er ihm reiche Kleider anthun , und es strahlte in seiner Schönheit wie der helle Tag , aber es war kein Wort
aus ihm herauszubringen . Er setzte es bei Tisch an seine Seite , und seine bescheidenen Mienen und Sittsamkeit gefielen ihm so sehr daß er sprach ‘ diese begehre ich zu heirathen und keine andere auf der Welt ,’ und nach einigen Tagen vermählte er sich mit ihr .
Der König aber hatte eine böse Mutter , die war unzufrieden mit dieser Heirath , und sprach schlecht von der jungen Königin . ‘ Wer weiß , wo die Dirne her ist ,’ sagte sie , ‘ die nicht reden kann : sie ist eines Königs nicht würdig . ’ Ueber ein Jahr , als die Königin das erste Kind zur Welt brachte , nahm es ihr die Alte weg , und bestrich ihr im Schlafe den Mund mit Blut . Dann gieng sie zum König , und klagte sie an , sie sei eine Menschenfresserin . Der König wollte es nicht glauben , und litt nicht daß man ihr ein Leid anthat . Sie saß aber beständig , und nähte an den Hemden , und achtete auf nichts anderes . Das nächstemal , als sie wieder einen schönen Knaben gebar , übte die falsche Schwiegermutter denselben Betrug aus , aber der König konnte sich nicht entschließen ihren Reden Glauben beizumessen , und sprach ‘ sie ist zu fromm und gut als daß sie so etwas thun könnte , wäre sie nicht stumm , und könnte sie sich vertheidigen , so würde ihre Unschuld an den Tag kommen . ’ Als aber das drittemal die Alte das neugeborne Kind raubte , und die Königin anklagte , die kein Wort zu ihrer Vertheidigung vorbrachte , so konnte der König nicht anders , er mußte sie dem Gericht übergeben , und das verurtheilte sie den Tod durchs Feuer zu erleiden .
Als der Tag heran kam , wo das Urtheil sollte vollzogen werden , da war zugleich der letzte Tag von den sechs Jahren
herum , in welchen sie nicht sprechen und nicht lachen durfte , und sie hatte ihre lieben Brüder aus der Macht des Zaubers befreit . Die sechs Hemden waren fertig geworden , nur daß an dem letzten der linke Ermel noch fehlte . Als sie nun zum Scheiterhaufen geführt wurde , legte sie die Hemden auf ihren Arm , und als sie oben stand , und das Feuer eben sollte angezündet werden , so schaute sie sich um , da kamen sechs Schwäne durch die Luft daher gezogen . Da sah sie daß ihre Erlösung nahte , und ihr Herz regte sich in Freude . Die Schwäne rauschten zu ihr her , und senkten sich herab so daß sie ihnen die Hemden überwerfen konnte , und wie sie davon berührt wurden , fielen die Schwanenhäute ab , und ihre Brüder standen leibhaftig vor ihr , und waren frisch und schön ; nur dem jüngsten fehlte der linke Arm , und er hatte dafür einen Schwanenflügel am Rücken . Sie herzten und küßten sich , und die Königin gieng zu dem Könige , der ganz bestürzt war , und fieng an zu reden , und sagte ‘ liebster Gemahl , nun darf ich sprechen und dir offenbaren daß ich unschuldig bin und fälschlich angeklagt ,’ und erzählte ihm von dem Betrug der Alten , die ihre drei Kinder weggenommen und verborgen hätte . Da wurden sie zu großer Freude des Königs herbeigeholt , und die böse Schwiegermutter wurde zur Strafe auf den Scheiterhaufen gebunden und zu Asche verbrannt . Der König aber und die Königin mit ihren sechs Brüdern lebten lange Jahre in Glück und Frieden .
50.
Dornröschen .
V or Zeiten war ein König und eine Königin , die sprachen jeden Tag , ‘ ach wenn wir doch ein Kind hätten ! ’ und kriegten immer keins . Da trug sich zu , als die Königin einmal im Bade saß , daß ein Frosch aus dem Wasser ans Land kroch , und zu ihr sprach , ‘ dein Wunsch wird erfüllt werden , und du wirst eine Tochter zur Welt bringen . ’ Was der Frosch vorausgesagt hatte , das geschah , und die Königin gebar ein Mädchen , das war so schön , daß der König vor Freude sich nicht zu lassen wußte , und ein großes Fest anstellte . Er ladete nicht blos seine Verwandte , Freunde und Bekannte , sondern auch die weisen Frauen dazu ein , damit sie dem Kind hold und gewogen würden . Es waren ihrer dreizehn in seinem Reiche , weil er aber nur zwölf goldene Teller hatte , von welchen sie essen sollten , konnte er eine nicht einladen . Die geladen waren kamen , und als das Fest vorbei war , beschenkten sie das Kind mit ihren Wundergaben : die eine mit Tugend , die andere mit Schönheit , die dritte mit Reichthum , und so mit allem , was Herrliches auf der Welt ist . Als elfe ihre Wünsche eben gethan hatten , trat plötzlich die dreizehnte herein . Sie wollte sich dafür rächen daß sie nicht
eingeladen war , und ohne jemand zu grüßen und anzusehen , rief sie mit lauter Stimme ‘ die Königstochter soll sich in ihrem funfzehnten Jahr an einer Spindel stechen , und todt hinfallen . ’ Nach diesen Worten kehrte sie sich um , und verließ den Saal , und alle standen erschrocken , da trat die zwölfte hervor , die noch einen Wunsch übrig hatte , und weil sie den bösen Ausspruch nicht aufheben , sondern ihn nur mildern konnte , so sprach sie ‘ es soll aber kein Tod seyn , sondern ein hundertjähriger tiefer Schlaf , in welchen die Königstochter fällt .’
Der König , der sein liebes Kind vor dem Unglück gern bewahren wollte , ließ den Befehl ausgehen , daß alle Spindeln im ganzen Königreiche sollten abgeschafft werden . An dem Mädchen aber wurden die Gaben der weisen Frauen sämmtlich erfüllt , denn es war so schön , sittsam , freundlich und verständig , daß es jedermann , der es ansah , lieb haben mußte . Es geschah , daß an dem Tage , wo es gerade funfzehn Jahr alt ward , der König und die Königin nicht zu Haus waren , und das Mädchen ganz allein im Schloß zurückblieb . Da gieng es aller Orten herum , besah Stuben und Kammern , wie es Lust hatte , und kam endlich auch an einen alten Thurm . Es stieg eine enge Treppe hinauf , und gelangte zu einer kleinen Thüre . Jn dem Schloß steckte ein verrosteter Schlüssel , und als es umdrehte , sprang die Thüre auf , und saß da in einem kleinen Stübchen eine alte Frau , und spann emsig ihren Flachs . ‘ Ei du altes Mütterchen ,’ sprach die Königstochter , ‘ was machst du da ? ’ ‘ Jch spinne ,’ sagte die Alte , und nickte mit dem Kopf . ‘ Wie das Ding so lustig herumspringt ! ’
sprach das Mädchen , nahm die Spindel , und wollte auch spinnen . Kaum hatte sie aber die Spindel angerührt , so gieng der Zauberspruch in Erfüllung , und sie stach sich damit .
Jn dem Augenblicke aber , wo sie den Stich empfand , fiel sie auch nieder in einen tiefen Schlaf . Und dieser Schlaf verbreitete sich über das ganze Schloß : der König und die Königin , die eben heim gekommen waren , fiengen an einzuschlafen , und der ganze Hofstaat mit ihnen . Da schliefen auch die Pferde im Stall ein , die Hunde im Hofe , die Tauben auf dem Dache , die Fliegen an der Wand , ja , das Feuer , das auf dem Herde flackerte , ward still und schlief ein , und der Braten hörte auf zu brutzeln , und der Koch , der den Küchenjungen , weil er etwas versehen hatte , in den Haaren ziehen wollte , ließ ihn los , und schlief . Und der Wind legte sich , und aus den Baum vor dem Schloß regte sich kein Blättchen mehr .
Rings um das Schloß aber begann eine Dornenhecke zu wachsen , die jedes Jahr höher ward , und endlich das ganze Schloß umzog , und darüber hinaus wuchs , daß gar nichts mehr , selbst nicht die Fahnen auf den Dächern , zu sehen war . Es gieng aber die Sage in dem Land von dem schönen schlafenden Dornröschen , denn so wurde die Königstochter genannt , also daß von Zeit zu Zeit Königssöhne kamen , und durch die Hecke in daß Schloß dringen wollten . Es war ihnen aber nicht möglich , denn die Aeste hielten sich , als hätten sie Hände , zusammen , und die Jünglinge blieben in den Dornen hängen , und starben jämmerlich . Nach langen langen Jahren kam wieder ein Königssohn durch
das Land , dem erzählte ein alter Mann von der Dornhecke , es sollte ein Schloß dahinter stehen , in welchem eine wunderschöne Königstochter , Dornröschen genannt , schliefe , und mit ihr schliefe der ganze Hofstaat . Er wußte auch von seinem Großvater daß viele Königssöhne schon versucht hätten durch die Dornenhecke zu dringen , aber darin hängen geblieben , und eines traurigen Todes gestorben wären . Da sprach der Jüngling ‘ das soll mich nicht abschrecken , ich will hindurch , und das schöne Dornröschen sehen . ’ Der Alte mochte ihm abrathen , wie er wollte , er hörte gar nicht darauf .
Nun waren aber gerade an dem Tage , wo der Königssohn kam , die hundert Jahre verflossen . Und als er sich der Dornenhecke näherte , waren es lauter große schöne Blumen , die thaten sich von selbst auseinander , daß er unbeschädigt hindurch gieng : und hinter ihm thaten sie sich wieder als eine Hecke zusammen . Er kam ins Schloß , da lagen im Hof die Pferde und scheckigen Jagdhunde und schliefen , auf dem Dache saßen die Tauben , und hatten das Köpfchen unter den Flügel gesteckt . Und als er ins Haus kam , schliefen die Fliegen an der Wand , der Koch in der Küche hielt noch die Hand , als wollte er den Jungen anpacken , und die Magd saß vor dem schwarzen Huhn , das sollte gerupft werden . Da gieng er weiter , und sah im Saale den ganzen Hofstaat liegen und schlafen , und oben bei dem Throne lag der König und die Königin . Da gieng er noch weiter , und alles war so still , daß einer seinen Athem hören konnte , und endlich kam er zu dem Thurm , und öffnete die Thüre zu der kleinen Stube ,
in welcher Dornröschen schlief . Da lag es und war so schön , daß er die Augen nicht abwenden konnte , und er bückte sich , und gab ihm einen Kuß . Wie er es mit dem Kuß berührt hatte , schlug Dornröschen die Augen auf , erwachte , und blickte ihn ganz freundlich an . Da giengen sie zusammen herab , und der König erwachte und die Königin , und der ganze Hofstaat , und sahen einander mit großen Augen an . Und die Pferde im Hof standen auf und rüttelten sich ; die Jagdhunde sprangen und wedelten ; die Tauben auf dem Dache zogen das Köpfchen unterm Flügel hervor , sahen umher , und flogen ins Feld ; die Fliegen an den Wänden krochen weiter ; das Feuer in der Küche erhob sich , flackerte , und kochte das Essen ; der Braten brutzelte weiter , und der Koch gab dem Jungen eine Ohrfeige daß er schrie ; und die Magd rupfte das Huhn fertig . Und da wurde die Hochzeit des Königssohns mit dem Dornröschen in aller Pracht gefeiert , und sie lebten vergnügt bis an ihr Ende .
51.
Fundevogel .
E s war einmal ein Förster , der gieng in den Wald auf die Jagd , und wie er in den Wald kam , hörte er schreien , als obs ein kleines Kind wäre , und gieng dem Schreien nach , da sah er endlich einen hohen Baum , und oben darauf saß ein kleines Kind . Es war aber die Mutter mit dem Kinde unter dem Baum eingeschlafen , und ein Raubvogel hatte das Kind in ihrem Schooße gesehen , da flog er hinzu , nahm es mit seinem Schnabel weg , und setzte es auf den hohen Baum .
Der Förster stieg hinauf , holte das Kind herunter , und dachte ‘ du willst das Kind mit nach Haus nehmen , und mit deinem Lenchen zusammen aufziehn ,’ und brachte es heim , und die zwei Kinder wuchsen mit einander auf . Das aber , das auf dem Baum gefunden worden war , und weil es ein Vogel weggetragen hatte , wurde Fundevogel geheißen . Fundevogel und Lenchen hatten sich so lieb , nein so lieb , daß wenn eins das andere nicht sah , wurde es traurig .
Der Förster hatte aber eine alte Köchin , die nahm eines Abends zwei Eimer , und fieng an Wasser zu schleppen , und gieng nicht einmal sondern vielemal hinaus an den Brunnen ,
Lenchen sah es , und sprach ‘ hör einmal , alte Sanne , was trägst du denn so viel Wasser zu ? ’ ‘ Wenn dus keinem Menschen wieder sagen willst , so will ich dirs wohl sagen . ’ Da sagte Lenchen nein , sie wollte es keinem Menschen wiedersagen , so sprach die Köchin ‘morgen früh , wenn der Förster auf die Jagd ist , da koche ich das Wasser , und wenns im Kessel siedet , werf ich den Fundevogel nein , und will ihn darin kochen .’
Und des andern Morgens in aller Frühe stieg der Förster auf , und gieng auf die Jagd , und als er weg war , lagen die Kinder noch im Bett , da sprach Lenchen zum Fundevogel ‘ verläßt du mich nicht , so verlaß ich dich auch nicht :’ so sprach der Fundevogel ‘ nun und nimmermehr . ’ Da sprach Lenchen ‘ ich will es dir nur sagen , die alte Sanne schleppte gestern Abend so viel Eimer Wasser ins Haus , da fragte ich sie warum sie das thäte , so sagte sie , wenn ichs keinem Menschen sagen wollte , so wollte sie es mir wohl sagen : sprach ich , ich wollte es gewiß keinem Menschen sagen : da sagte sie , morgen früh , wenn der Vater auf die Jagd wäre , wollte sie den Kessel voll Wasser sieden , und dich hineinwerfen und kochen . Wir wollen aber geschwind aufsteigen , uns anziehen , und zusammen fortgehen .’
Also standen die beiden Kinder auf , zogen sich geschwind an , und giengen fort . Wie nun das Wasser im Kessel kochte , gieng die Köchin in die Schlafkammer , und wollte den Fundevogel holen , um ihn hineinzuwerfen . Aber , als sie hinein kam , und zu den Betten trat , waren die Kinder alle beide fort , da wurde ihr grausam angst , und sie sprach vor sich ‘ was will ich nun
sagen , wenn der Förster heim kommt , und sieht daß die Kinder weg sind ? Geschwind hinten nach , daß wir sie wieder kriegen .’
Da schickte die Köchin drei Knechte nach , die sollten laufen , und die Kinder einlangen . Die Kinder aber saßen vor dem Wald , und als sie die drei Knechte von weitem laufen sahen , sprach Lenchen zum Fundevogel ‘ verläßt du mich nicht , so verlaß ich dich auch nicht . ’ So sprach Fundevogel ‘ nun und nimmermehr . ’ Da sagte Lenchen ‘ werde du zum Rosenstöckchen , und ich zum Röschen drauf . ’ Wie nun die drei Knechte vor den Wald kamen , so war nichts da , als ein Rosenstrauch und ein Röschen oben drauf , die Kinder aber nirgends . Da sprachen sie ‘ hier ist nichts zu machen ,’ und giengen heim , und sagten der Köchin sie hätten nichts in der Welt gesehen , als nur ein Rosenstöckchen , mit einem Röschen oben drauf . Da schalt die alte Köchin ‘ ihr Einfaltspinsel , ihr hättet das Rosenstöckchen sollen entzwei schneiden , und das Röschen abbrechen , und mit nach Haus bringen ; geschwind und thuts . ’ Sie mußten also zum zweitenmal hinaus , und suchen . Die Kinder sahen sie aber von weitem kommen , da sprach Lenchen ‘Fundevogel , verläßt du mich nicht , so verlaß ich dich auch nicht . ’ Fundevogel sagte ‘ nun und nimmermehr . ’ Sprach Lenchen ‘ so werde du eine Kirche , und ich die Krone darin . ’ Wie nun die drei Knechte dahin kamen , war nichts da , als eine Kirche und eine Krone darin . Sie sprachen also zu einander ‘ was sollen wir hier machen , laßt uns nach Hause gehen . ’ Wie sie nach Haus kamen , fragte die Köchin ob sie nichts gefunden hätten : so sagten sie nein , sie
hätten nichts gefunden , als eine Kirche , da wäre eine Krone darin gewesen . ‘Jhr Narren ,’ schalt die Köchin , ‘ warum habt ihr nicht die Kirche zerbrochen , und die Krone mit heim gebracht ? ’ Nun machte sich die alte Köchin selbst auf die Beine , und gieng mit den drei Knechten den Kindern nach . Die Kinder sahen aber die drei Knechte von weitem kommen , und die Köchin wackelte hinten nach . Da sprach Lenchen ‘Fundevogel , verläßt du mich nicht , so verlaß ich dich auch nicht . ’ Da sprach der Fundevogel ‘ nun und nimmermehr . ’ Sprach Lenchen ‘ werde zum Teich , und ich die Ente drauf . ’ Die Köchin aber kam herzu , und als sie den Teich sahe , legte sie sich drüber hin , und wollte ihn aussaufen . Aber die Ente kam schnell geschwommen , faßte sie mit ihrem Schnabel beim Kopf , und zog sie ins Wasser hinein : da mußte die alte Hexe ertrinken . Da giengen die Kinder zusammen nach Haus , und waren herzlich froh ; und wenn sie nicht gestorben sind , leben sie noch .
52.
König Drosselbart .
E in König hatte eine Tochter , die war wunderschön , aber stolz und übermüthig , so daß ihr kein Freier gut genug war . Sie wies einen nach dem andern ab , und trieb noch dazu Spott mit ihnen . Einmal ließ der König ein großes Fest anstellen , und ladete dazu aus der Nähe und Ferne die heirathslustigen Männer ein . Sie wurden alle in eine Reihe nach Rang und Stand geordnet ; erst kamen die Könige , dann die Herzöge , die Fürsten , Grafen und Freiherrn , zuletzt die Edelleute . Nun wurde die Königstochter durch die Reihen geführt , aber an jedem hatte sie etwas auszusetzen . Der eine war ihr zu dick , ‘ das Weinfaß ! ’ sprach sie . Der andere zu lang , ‘ lang und schwank hat keinen Gang . ’ Der dritte zu kurz , ‘ kurz und dick hat kein Geschick . ’ Der vierte zu blaß , ‘ der bleiche Tod ! ’ der fünfte zu roth , ‘ der Zinshahn ! ’ der sechste war nicht gerad genug , ‘ grünes Holz , hinterm Ofen getrocknet ! ’ Und so hatte sie an einem jeden etwas auszusetzen , besonders aber machte sie sich über einen guten König lustig , der ganz oben stand , und dem das Kinn ein wenig krumm gewachsen war . ‘ Ei ,’ rief sie und lachte , ‘ der hat ein Kinn , wie die Drossel einen Schnabel ; ’ und seit der Zeit bekam er den Namen Drosselbart . Der alte König aber , als er sah daß seine Tochter nichts that
als über die Leute spotten , und alle Freier , die da versammelt waren , verschmähte , ward er zornig , und schwur sie sollte den ersten besten Bettler zum Mann nehmen , der vor seine Thüre käme .
Ein paar Tage darauf hub ein Spielmann an unter dem Fenster zu singen , um damit ein geringes Almosen zu verdienen . Als es der König hörte , sprach er ‘ laßt ihn herauf kommen . ’ Da trat ein schmutziger Spielmann herein , sang vor dem König und seiner Tochter , und bat , als er fertig war , um eine milde Gabe . Der König sprach ‘ dein Gesang hat mir so wohl gefallen , daß ich dir da meine Tochter zur Frau geben will . ’ Die Königstochter erschrack , aber der König sagte ‘ ich habe den Eid gethan , dich dem ersten besten Bettelmann zu geben , den will ich auch halten . ’ Es half keine Einrede , der Pfarrer ward geholt , und sie mußte sich gleich mit dem Spielmann trauen lassen . Als das geschehen war , sprach der König ‘ nun schickt sichs nicht weiter , daß du in meinem Schloß bleibst , du kannst nur mit deinem Manne fortziehen .’
Der Bettelmann nahm sie mit hinaus , und sie kamen in einen großen Wald . Da fragte sie
‘ ach , wem gehört der schöne Wald ? ’
‘ Der gehört dem König Drosselbart ;
hättst du ’n genommen , so wär er dein . ’
‘ Jch arme Jungfer zart ,
ach , hätt ich genommen den König Drosselbart ! ’
Darauf kamen sie über eine Wiese , da fragte sie wieder
‘ wem gehört die schöne grüne Wiese ?’
‘ Sie gehört dem König Drosselbart ;
hättst du ’n genommen , so wär sie dein . ’
‘ Jch arme Jungfer zart ,
ach , hätt ich genommen den König Drosselbart !’
Dann kamen sie durch eine große Stadt , da fragte sie wieder
‘wem gehört wohl diese schöne große Stadt ? ’
‘ Sie gehört dem König Drosselbart ,
hättst du ’n genommen , so wär sie dein . ’
‘ Jch arme Jungfer zart ,
ach , hätt ich genommen den König Drosselbart .’
‘ Es gefällt mir gar nicht ,’ sprach der Spielmann , ‘ daß du dir immer einen andern zum Mann wünschest , ich bin dir nicht gut genug ? ’ Endlich kamen sie an ein ganz kleines Häuschen , da sprach sie
‘ ach , Gott , was für ein Häuselein !
wem mag das elende winzige Häuschen seyn ?’
Der Spielmann antwortete ‘ das ist mein und dein Haus , wo wir zusammen wohnen . ’ ‘ Wo sind die Diener ? ’ sprach die Königstochter . ‘ Was Diener ! ’ antwortete der Bettelmann , ‘ du mußt selber thun was du willst gethan haben . Mach nur gleich Feuer an , und stell Wasser auf , daß du mir mein Essen kochst ; ich bin ganz müde . ’ Die Königstochter verstand aber nichts vom Feueranmachen und Kochen , und der Bettelmann mußte selber mit Hand anlegen , daß es noch so leidlich gieng . Als sie die schmale Kost gegessen hatten , legten sie sich zu Bett , aber am Morgen trieb er sie schon ganz früh heraus , weil sie das Haus
besorgen sollte . Ein paar Tage lebten sie auf diese Art schlecht und recht , und zehrten ihren Vorrath auf . Da sprach der Mann ‘Frau , so gehts nicht länger , daß wir hier zehren und nichts verdienen . Du sollst Körbe flechten .’ Er gieng aus , schnitt Weiden , und brachte sie heim : da fieng sie an zu flechten , aber die harten Weiden stachen ihr die zahrten Hände wund . ‘ Jch sehe das geht nicht ,’ sprach der Mann , ‘ spinn lieber , vielleicht kannst du das besser . ’ Sie setzte sich hin , und versuchte zu spinnen , aber der harte Faden schnitt ihr bald in die weichen Finger , daß das Blut daran herunter lief . ‘Siehst du ,’ sprach der Mann , ‘ du taugst zu keiner Arbeit , mit dir bin ich schlimm angekommen . Nun will ichs versuchen , und einen Handel mit Töpfen und irdenem Geschirr anfangen : du sollst dich auf den Markt setzen , und die Waare feil halten . ’ ‘ Ach ,’ dachte sie , ‘ wenn auf den Markt Leute aus meines Vaters Reich kommen , und sehen mich da sitzen und feil halten , wie werden sie mich verspotten ! ’ Aber es half nichts , sie mußte sich fügen , wenn sie nicht Hungers sterben wollten . Das erstemal giengs gut , denn die Leute kauften der Frau , weil sie schön war , gern ihre Waare ab , und bezahlten was sie forderte : ja , viele gaben ihr das Geld , und ließen ihr die Töpfe noch dazu . Nun lebten sie von dem erworbenen so lang es dauerte , da behandelte der Mann wieder eine Menge neues Geschirr ein , und sie setzte sich an eine Ecke des Marktes , und stellte es um sich her , und hielt feil . Da kam plötzlich ein trunkener Husar daher gejagt , und ritt gerade zu in die Töpfe hinein , daß alles in tausend Scherben zersprang . Sie fieng an
zu weinen , und wußte vor Angst nicht was sie anfangen sollte . ‘ Ach , wie wird mirs ergehen ! ’ rief sie , ‘ was wird mein Mann dazu sagen ! ’ Sie lief heim , und erzählte ihm das Unglück . ‘Wer setzt sich auch an die Ecke des Marktes mit irdenem Geschirr ! ’ sprach der Mann , ‘ laß nur das Weinen , ich sehe wohl du bist zu keiner ordentlichen Arbeit zu gebrauchen ; da bin ich in unseres Königs Schloß gewesen , und habe gefragt ob sie nicht eine Küchenmagd brauchen könnten , und sie haben mir versprochen sie wollten dich dazu nehmen , dafür bekommst du freies Essen .’
Nun ward die Königstochter eine Küchenmagd , mußte dem Koch zur Hand gehen , und die sauerste Arbeit thun . Sie machte sich an beiden Seiten in den Taschen ein Töpfchen fest , darin brachte sie was ihr von dem übrig gebliebenen zu Theil ward nach Haus , und sie lebten zusammen davon . Es trug sich zu , daß die Hochzeit des ältesten Königssohnes sollte gefeiert werden , da gieng die arme Frau hinauf , stellte sich vor die Saalthüre , und sah zu . Als nun die Lichter angezündet wurden , und immer einer schöner als der andere hereintrat , und alles voll Pracht und Herrlichkeit war , da dachte sie mit betrübtem Herzen an ihr Schicksal , und verwünschte ihren Stolz und Uebermuth , der sie erniedrigt und in diese Armuth gestürzt hatte . Von den köstlichen Speisen , die da ein und ausgetragen wurden , erhielt sie von den Dienern manchmal etwas geschenkt , das that sie in ihr Töpfchen , und wollte es heim tragen . Auf einmal trat der Königssohn in goldenen Kleidern daher , und als er die schöne Frau in der Thüre stehen sah , ergriff er sie bei der Hand , und wollte
mit ihr tanzen , aber sie wollte nicht , und erschrack , denn sie sah daß es der König Drosselbart war , der um sie gefreit und den sie mit Spott abgewiesen hatte . Als sie sich sträubte , zog er sie herein , da gieng das Band auf , welches die Taschen hielt , und die Töpfe fielen heraus , daß die Suppe floß , und die Brocken umher sprangen . Und wie das die Leute sahen , entstand ein allgemeines Gelächter und Spotten , und sie war so beschämt , daß sie sich lieber tausend Klafter unter die Erde gewünscht hätte . Sie sprang zur Thüre , und wollte entfliehen , aber auf der Treppe holte sie ein Mann ein , und brachte sie zurück : und wie sie ihn ansah , war es der König Drosselbart selbst , der sprach ihr freundlich zu , ‘ fürchte dich nicht , ich und der Spielmann , der mit dir in dem elenden Häuschen gewohnt hat , sind eins : dir zu Liebe habe ich mich so verstellt , und der Husar , der dir die Töpfe entzwei geritten hat , bin ich auch gewesen . Das alles ist geschehen , um deinen stolzen Sinn zu beugen , und dich für deinen Hochmuth , womit du mich verspottet hast , zu strafen . Nun aber ist’s vorüber , und jetzt soll unser Hochzeitsfest seyn . ’ Da kamen die Kammerfrauen , und thaten ihr die prächtigsten Kleider an , und ihr Vater kam und der ganze Hof , und wünschten ihr Glück zu ihrer Vermählung mit dem König Drosselbart , und die rechte Freude fieng jetzt erst an . Jch wollte , du und ich , wir wären auch dabei gewesen .
53.
Sneewittchen .
E s war einmal mitten im Winter , und die Schneeflocken fielen wie Federn vom Himmel herab , da saß eine Königin an einem Fenster , das einen Rahmen von schwarzem Ebenholz hatte , und nähte . Und wie sie so nähte und nach dem Schnee aufblickte , stach sie sich mit der Nadel in den Finger , und es fielen drei Tropfen Blut in den Schnee . Und weil das Rothe im weißen Schnee so schön aussah , dachte sie bei sich ‘ hätt ich ein Kind so weiß wie Schnee , so roth wie Blut , und so schwarz wie der Rahmen . ’ Bald darauf bekam sie ein Töchterlein , das war so weiß wie Schnee , so roth wie Blut , und so schwarzhaarig wie Ebenholz , und wurde darum das Sneewittchen ( Schneeweißchen ) genannt . Und wie das Kind geboren war , starb die Königin .
Ueber ein Jahr nahm sich der König eine andere Gemahlin . Es war eine schöne Frau , aber sie war stolz und übermüthig , und konnte nicht leiden daß sie an Schönheit von jemand sollte übertroffen werden . Sie hatte einen wunderbaren Spiegel , wenn sie vor den trat und sich darin beschaute , sprach sie
‘Spieglein , Spieglein an der Wand ,
wer ist die schönste im ganzen Land ? ’
so antwortete der Spiegel
‘Frau Königin , ihr seid die schönste im Land .’
Da war sie zufrieden , denn sie wußte daß der Spiegel die Wahrheit sagte .
Sneewittchen aber wuchs heran , und wurde immer schöner , und als es sieben Jahr alt war , war es so schön , wie der klare Tag , und schöner als die Königin selbst . Als diese einmal ihren Spiegel fragte
‘Spieglein , Spieglein an der Wand ,
wer ist die schönste im ganzen Land ? ’
so antwortete er
‘Frau Königin , ihr seyd die schönste hier ,
aber Sneewittchen ist tausendmal schöner als ihr .’
Da erschrack die Königin , und ward gelb und grün vor Neid . Von Stund an , wenn sie Sneewittchen erblickte , kehrte sich ihr das Herz im Leibe herum , so haßte sie das Mädchen . Und der Neid und Hochmuth wuchsen , und wurden so groß in ihr , daß sie Tag und Nacht keine Ruhe mehr hatte . Da rief sie einen Jäger , und sprach ‘ bring das Kind hinaus in den Wald , ich wills nicht mehr vor meinen Augen sehen . Dort sollst dus tödten , und mir Lunge und Leber zum Wahrzeichen mitbringen .’ Der Jäger gehorchte , und führte es hinaus , und als er den Hirschfänger gezogen hatte , und Sneewittchens unschuldiges Herz durchbohren wollte , fieng es an zu weinen , und sprach ‘ ach lieber Jäger , laß mir mein Leben ; ich will in den wilden Wald laufen , und nimmermehr wieder heim kommen . ’ Und weil es
so schön war , hatte der Jäger Mitleiden , und sprach ‘ so lauf hin , du armes Kind . ’ ‘ Die wilden Thiere werden dich bald gefressen haben’ dachte er , und doch wars ihm als wär ein Stein von seinem Herzen gewälzt , weil er es nicht zu tödten brauchte . Und weil gerade ein junger Frischling daher gesprungen kam , stach er ihn ab , nahm Lunge und Leber heraus , und brachte sie als Wahrzeichen der Königin mit . Der Koch mußte sie in Salz kochen , und das boshafte Weib aß sie auf , und meinte sie hätte Sneewittchens Lunge und Leber gegessen .
Nun war das arme Kind in dem großen Wald mutterseelig allein , und ward ihm so angst , daß es alle Blätter an den Bäumen ansah , und nicht wußte wie es sich helfen sollte . Da fieng es an zu laufen , und lief über die spitzen Steine und durch die Dornen , und die wilden Thiere sprangen an ihm vorbei , aber sie thaten ihm nichts . Es lief so lange nur die Füße noch fort konnten , bis es bald Abend werden wollte , da sah es ein kleines Häuschen , und gieng hinein sich zu ruhen . Jn dem Häuschen war alles klein , aber so zierlich und reinlich , daß es nicht zu sagen ist . Da stand ein weiß gedecktes Tischlein mit sieben kleinen Tellern , jedes Tellerlein mit seinem Löffelein , ferner sieben Messerlein und Gäblein , und sieben Becherlein . An der Wand waren sieben Bettlein neben einander aufgestellt , und schneeweiße Laken darüber gedeckt . Sneewittchen , weil es so hungrig und durstig war , aß von jedem Tellerlein ein wenig Gemüs und Brot , und trank aus jedem Becherlein einen Tropfen Wein ; denn es wollte nicht einem allein alles wegnehmen .
Hernach , weil es so müde war , legte es sich in ein Bettchen , aber keins paßte ; das eine war zu lang , das andere zu kurz , bis endlich das siebente recht war , und darin blieb es liegen , befahl sich Gott , und schlief ein .
Als es nun ganz dunkel war , kamen die Herren von dem Häuslein , das waren sieben Zwerge , die in den Bergen nach Erz hackten und gruben . Sie zündeten ihre sieben Lichtlein an , und wie es nun hell im Häuslein ward , sahen sie daß jemand darin gewesen war , denn es stand nicht alles so in der Ordnung , wie sie es verlassen hatten . Der erste sprach ‘ wer hat auf meinem Stühlchen gesessen ? ’ Der zweite ‘ wer hat von meinem Tellerchen gegessen ? ’ Der dritte ‘ wer hat von meinem Brötchen genommen ? ’ Der vierte ‘ wer hat von meinem Gemüschen gegessen ? ’ Der fünfte ‘ wer hat mit meinem Gäbelchen gestochen ? ’ Der sechste ‘ wer hat mit meinem Messerchen geschnitten ? ’ Der siebente ‘ wer hat aus meinem Becherlein getrunken ? ’ Dann sah sich der erste um , und sah daß auf seinem Bett eine kleine Dälle war , da sprach er ‘ wer hat in mein Bettchen getreten ? ’ Die andern kamen gelaufen , und riefen ‘ in meinem hat auch jemand gelegen . ’ Der siebente aber , als er in sein Bett sah , erblickte Sneewittchen , das lag darin und schlief . Nun rief er die andern , die kamen herbeigelaufen , und schrien vor Verwunderung , holten ihre sieben Lichtlein , und beleuchteten Sneewittchen . ‘ Ei , du mein Gott ! ei du mein Gott ! ’ riefen sie , ‘ was ist das Kind schön ! ’ und hatten so große Freude , daß sie es nicht aufweckten , sondern im Bettlein fortschlafen ließen . Der
siebente Zwerg aber schlief bei seinen Gesellen , bei jedem eine Stunde , da war die Nacht herum .
Als es Morgen war , erwachte Sneewittchen , und wie es die sieben Zwerge sah , erschrack es . Sie waren aber freundlich und fragten ‘ wie heißt du ? ’ ‘ Jch heiße Sneewittchen ’ antwortete es . ‘ Wie bist du in unser Haus gekommen ? ’ sprachen weiter die Zwerge . Da erzählte es ihnen daß seine Stiefmutter es hätte wollen umbringen lassen , der Jäger hätte ihm aber das Leben geschenkt , und da wär es gelaufen den ganzen Tag , bis es endlich ihr Häuslein gefunden hätte . Die Zwerge sprachen ‘willst du unsern Haushalt versehen , kochen , betten , waschen , nähen und stricken , und willst du alles ordentlich und reinlich halten , so kannst du bei uns bleiben , und es soll dir an nichts fehlen . ’ Das versprach Sneewittchen , und blieb bei ihnen . Es hielt ordentlich Haus : Morgens giengen sie in die Berge , und suchten Erz und Gold , Abends kamen sie wieder , und da mußte ihr Essen bereit seyn . Den Tag über war das Mädchen allein , da warnten es die guten Zwerglein und sprachen ‘ hüte dich vor deiner Stiefmutter , die wird bald wissen daß du hier bist ; laß ja niemand herein .’
Die Königin aber , nachdem sie Sneewittchens Lunge und Leber glaubte gegessen zu haben , dachte nicht anders als wieder die erste und allerschönste zu sein , und trat vor ihren Spiegel und sprach
‘Spieglein , Spieglein an der Wand ,
wer ist die schönste im ganzen Land ? ’
Da antwortete der Spiegel
‘Frau Königin , ihr seyd die schönste hier ,
aber Sneewittchen über den Bergen
bei den sieben Zwergen
ist noch tausendmal schöner als ihr .’
Da erschrack sie , denn sie wußte , daß der Spiegel keine Unwahrheit sprach , und merkte daß der Jäger sie betrogen hatte , und Sneewittchen noch am Leben war . Und da sann und sann sie aufs neue , wie sie es umbringen wollte ; denn so lange sie nicht die schönste war im ganzen Land , ließ ihr der Neid keine Ruhe . Und als sie sich endlich etwas ausgedacht hatte , färbte sie sich das Gesicht , und kleidete sich wie eine alte Krämerin , und war ganz unkenntlich . Jn dieser Gestalt gieng sie über die sieben Berge zu den sieben Zwergen , klopfte an die Thüre , und rief ‘ schöne Waare feil ! feil ! ’ Sneewittchen guckte zum Fenster heraus , und rief ‘ guten Tag , liebe Frau , was habt ihr zu verkaufen ? ’ ‘Gute Waare , schöne Waare ’ antwortete sie , ‘Schnürriemen von allen Farben ,’ dabei holte sie einen hervor , der aus bunter Seide geflochten war . ‘ Die ehrliche Frau kann ich herein lassen ’ dachte Sneewittchen , riegelte die Thüre auf , und kaufte sich den hübschen Schnürriemen . ‘Kind ,’ sprach die Alte , ‘ wie du aussiehst ! komm , ich will dich einmal ordentlich schnüren . ’ Sneewittchen hatte kein Arg , stellte sich vor sie , und ließ sich mit dem neuen Schnürriemen schnüren ; aber die Alte schnürte geschwind , und schnürte so fest , daß dem Sneewittchen
der Athem vergieng , und es für todt hinfiel . ‘ Nun bist du die schönste gewesen ,’ sprach sie , und eilte hinaus .
Nicht lange darauf , zur Abendzeit , kamen die sieben Zwerge nach Haus , aber wie erschracken sie , als sie ihr liebes Sneewittchen auf der Erde liegen sahen , und es regte und bewegte sich nicht , als wäre es todt . Sie hoben es in die Höhe , und weil sie sahen daß es zu fest geschnürt war , schnitten sie den Schnürriemen entzwei : da fieng es an ein wenig zu athmen , und ward nach und nach wieder lebendig . Als die Zwerge hörten was geschehen war , sprachen sie , ‘ die alte Krämerfrau war niemand als die gottlose Königin , hüte dich , und laß keinen Menschen herein , wenn wir nicht bei dir sind .’
Das böse Weib aber , als es nach Haus gekommen war , gieng vor den Spiegel , und fragte
‘Spieglein , Spieglein an der Wand ,
wer ist die schönste im ganzen Land ? ’
Da antwortete er wie sonst
‘Frau Königin , ihr seid die schönste hier ,
aber Sneewittchen über den Bergen
bei den sieben Zwergen
ist noch tausendmal schöner als ihr .’
Als sie das hörte , lief ihr alles Blut zum Herzen , so erschrack sie , denn sie sah wohl daß Sneewittchen wieder lebendig geworden war . ‘ Nun aber ,’ sprach sie , ‘ will ich etwas aussinnen , das dich zu Grunde richten soll ,’ und mit Hexenkünsten , die sie verstand , machte sie einen giftigen Kamm . Dann verkleidete
sie sich , und nahm die Gestalt eines andern alten Weibes an . So gieng sie hin über die sieben Berge zu den sieben Zwergen , klopfte an die Thüre , und rief ‘ gute Waare feil ! feil ! ’ Sneewittchen schaute heraus , und sprach ‘ geht nur weiter , ich darf niemand hereinlassen . ’ ‘ Das Ansehen wird dir doch erlaubt seyn ,’ sprach die Alte , zog den giftigen Kamm heraus , und hielt ihn in die Höhe . Da gefiel er dem Kinde so gut , daß es sich bethören ließ , und die Thüre öffnete . Als es den Kamm erhandelt hatte , sprach die Alte ‘ nun will ich dich einmal ordentlich kämmen . ’ Das arme Sneewittchen dachte an nichts , und ließ die Alte gewähren , aber kaum hatte sie den Kamm in die Haare gesteckt , als das Gift darin wirkte , und das Mädchen ohne Besinnung niederfiel . ‘ Du Ausbund von Schönheit ,’ sprach das boshafte Weib , ‘ jetzt ists um dich geschehen ’ und gieng fort . Zum Glück aber war es bald Abend , wo die sieben Zwerglein nach Haus kamen . Als sie Sneewittchen wie todt auf der Erde liegen sahen , hatten sie gleich die Stiefmutter in Verdacht , suchten nach , und fanden den giftigen Kamm , und kaum hatten sie ihn herausgezogen , so kam Sneewittchen wieder zu sich , und erzählte was vorgegangen war . Da warnten sie es noch einmal auf seiner Hut zu seyn , und niemand die Thüre zu öffnen .
Die Königin stellte sich daheim vor den Spiegel , und sprach
‘Spieglein , Spieglein an der Wand ,
wer ist die schönste im ganzen Land ? ’
Da antwortete er , wie vorher
‘Frau Königin , ihr seid die schönste hier ,
aber Sneewittchen über den Bergen
bei den sieben Zwergen
ist noch tausendmal schöner als ihr .’
Als sie den Spiegel so reden hörte , zitterte und bebte sie vor Zorn . ‘Sneewittchen soll sterben ,’ rief sie , ‘ und wenn es mein eigenes Leben kostet . ’ Darauf gieng sie in eine ganz verborgene einsame Kammer , wo niemand hinkam , und machte da einen giftigen giftigen Apfel . Aeußerlich sah er schön aus , weiß mit rothen Backen , daß jeder , der ihn erblickte , Lust darnach bekam , aber wer ein Stückchen davon aß , der mußte sterben . Als der Apfel fertig war , färbte sie sich das Gesicht , und verkleidete sich in eine Bauersfrau , und so gieng sie über die sieben Berge zu den sieben Zwergen . Sie klopfte an , Sneewittchen streckte den Kopf zum Fenster heraus , und sprach ‘ ich darf keinen Menschen einlassen , die sieben Zwerge haben mirs verboten . ’ ‘ Mir auch recht ,’ antwortete die Bäurin , ‘ meine Aepfel will ich schon los werden . Da , einen will ich dir schenken . ’ ‘Nein ,’ sprach Sneewitchen , ‘ ich darf nichts annehmen . ’ ‘Fürchtest du dich vor Gift ? ’ sprach die Alte , ‘siehst du , da schneide ich den Apfel in zwei Theile ; den rothen Backen iß du , den weißen will ich essen . ’ Der Apfel war aber so künstlich gemacht , daß der rothe Backen allein vergiftet war . Sneewittchen lusterte den schönen Apfel an , und als es sah daß die Bäurin davon aß , so konnte es nicht länger widerstehen , streckte die Hand hinaus , und nahm die giftige Hälfte . Kaum aber hatte es einen Bissen davon im Mund , so fiel es todt zur Erde nieder . Da betrachtete es die
Königin mit grausigen Blicken , und lachte überlaut , und sprach ‘ weiß wie Schnee , roth wie Blut , schwarz wie Ebenholz ! diesmal können dich die Zwerge nicht wieder erwecken . ’ Und als sie daheim den Spiegel befragte
‘Spieglein , Spieglein an der Wand ,
wer ist die schönste im ganzen Land ? ’
so antwortete er endlich
‘Frau Königin , ihr seid die schönste im Land .’
Da hatte ihr neidisches Herz Ruhe , so gut ein neidisches Herz Ruhe haben kann .
Die Zwerglein , wie sie Abends nach Haus kamen , fanden Sneewittchen auf der Erde liegen , und regte sich kein Athem mehr , und es war todt . Sie hoben es auf , suchten ob sie was giftiges fänden , schnürten es auf , kämmten ihm die Haare , wuschen es mit Wasser und Wein , aber es half alles nichts ; das liebe Kind war todt , und blieb todt . Sie legten es auf eine Bahre , und setzten sich alle siebene daran , und beweinten es , und weinten drei Tage lang . Da wollten sie es begraben , aber es sah noch so frisch aus , wie ein lebender Mensch , und hatte noch seine schönen rothen Backen . Sie sprachen ‘ das können wir nicht in die schwarze Erde versenken ,’ und ließen einen durchsichtigen Sarg von Glas machen , daß man es von allen Seiten sehen konnte , legten es hinein , und schrieben mit goldenen Buchstaben seinen Namen darauf , und daß es eine Königstochter wäre . Dann setzten sie den Sarg hinaus auf den Berg , und einer von ihnen blieb immer dabei , und bewachte ihn .
Und die Thiere kamen auch , und beweinten Sneewittchen , erst eine Eule , dann ein Rabe , zuletzt ein Täubchen .
Nun lag Sneewittchen lange lange Zeit in dem Sarg , und verweste nicht , sondern sah aus als wenn es schliefe , denn es war noch so weiß als Schnee , so roth als Blut , und so schwarzhaarig wie Ebenholz . Es geschah aber , daß ein Königssohn in den Wald gerieth , und zu dem Zwergenhaus kam , da zu übernachten . Er sah auf dem Berg den Sarg , und das schöne Sneewittchen darin , und las was mit goldenen Buchstaben darauf geschrieben war . Da sprach er zu den Zwergen ‘ laßt mir den Sarg , ich will euch geben , was ihr dafür haben wollt . ’ Aber die Zwerge antworteten ‘ wir geben ihn nicht um alles Gold in der Welt . ’ Da sprach er ‘ so schenkt mir ihn , denn ich kann nicht leben ohne Sneewittchen zu sehen , ich will es ehren und hochachten wie mein Liebstes . ’ Wie er so sprach , empfanden die guten Zwerglein Mitleiden mit ihm , und gaben ihm den Sarg . Der Königssohn ließ ihn nun von seinen Dienern auf den Schultern forttragen . Da geschah es , daß sie über einen Strauch stolperten , und von dem Schüttern fuhr der giftige Apfelgrütz , den Sneewittchen abgebissen hatte , aus dem Hals . Und nicht lange so schlug es die Augen auf , richtete sich in die Höhe und war wieder lebendig . ‘ Ach Gott , wo bin ich ? ’ rief es . Der Königssohn sagte voll Freude ‘ du bist bei mir ,’ und erzählte was sich zugetragen hatte , und sprach ‘ ich habe dich lieber , als alles auf der Welt ; komm mit mir in meines Vaters Schloß , du sollst meine Gemahlin werden . ’ Da war ihm Sneewittchen gut , und
gieng mit ihm , und ihre Hochzeit ward mit großer Pracht und Herrlichkeit angeordnet .
Zu dem Fest wurde aber auch Sneewittchens gottlose Stiefmutter eingeladen . Wie sie sich nun mit schönen Kleidern angethan hatte , trat sie vor den Spiegel , und sprach
‘Spieglein , Spieglein an der Wand ,
wer ist die schönste im ganzen Land ?’
Der Spiegel antwortete
‘Frau Königin , ihr seyd die schönste hier ,
aber die junge Königin ist tausendmal schöner als ihr .’
Da stieß das böse Weib einen Fluch aus , und ward ihr so angst , so angst , daß sie sich nicht zu lassen wußte . Sie wollte zuerst gar nicht auf die Hochzeit kommen : doch ließ es ihr keine Ruhe , sie mußte fort und die junge Königin sehen . Und wie sie hineintrat , erkannte sie Sneewittchen , und vor Angst und Schrecken stand sie da , und konnte sich nicht regen . Aber es waren schon eiserne Pantoffeln über Kohlenfeuer gestellt , und wurden glühend herein gebracht : da mußte sie die feuerrothen Schuhe anziehen , und darin tranzen tanzen , daß ihr die Füße jämmerlich verbrannten : und sie durfte nicht aufhören bis sie sich todt getanzt hatte .
54.
Der Ranzen das Hütlein und das Hörnlein .
E s waren einmal drei Brüder , die waren immer tiefer in Armuth gerathen , und endlich war die Noth so groß daß sie Hunger leiden mußten , und nichts mehr zu beißen und zu brechen hatten . Da sprachen sie ‘ es kann so nicht bleiben , es ist besser wir gehen in die Welt , und suchen unser Glück . ’ Sie machten sich also auf , und waren schon weite Wege und über viele Grashälmerchen gegangen , aber das Glück war ihnen noch nicht begegnet . Da gelangten sie eines Tags in einen großen Wald , und mitten darin war ein Berg , und als sie näher kamen , so sahen sie daß der Berg ganz von Silber war . Da sprach der älteste ‘ nun habe ich das gewünschte Glück gefunden , und verlange kein größeres . ’ Er nahm von dem Silber so viel er nur tragen konnte , kehrte dann um , und gieng wieder nach Haus . Die beiden andern aber sprachen ‘ wir verlangen vom Glück noch etwas mehr als bloßes Silber ,’ rührten es nicht an , und giengen weiter . Nachdem sie abermals ein paar Tage gegangen waren , so kamen sie zu einem Berg , der ganz von Gold war . Der zweite Bruder stand , besann sich , und war ungewiß . ‘ Was soll ich thun ? ’ sprach er , ‘ soll ich mir von dem Golde so viel nehmen
daß ich mein Lebtag genug habe , oder soll ich weiter gehen ? ’ Endlich faßte er einen Entschluß , füllte in seine Taschen was hinein wollte , sagte seinem Bruder Lebewohl , und gieng heim . Der dritte aber sprach ‘Silber und Gold das rührt mich nicht , ich will meinem Glück nicht absagen , vielleicht ist mir etwas besseres beschert .’ Er zog weiter , und als er drei Tage gegangen war , so kam er in einen Wald , der noch größer war als die vorigen , und gar kein Ende nehmen wollte ; und da er nichts zu essen und zu trinken fand , so war er nahe daran zu verschmachten . Da stieg er auf einen hohen Baum , ob er da oben Waldes Ende sehen möchte , aber so weit sein Auge reichte sah er nichts als die Gipfel der Bäume . Da begab er sich von dem Baume wieder herunter zu steigen , aber der Hunger quälte ihn , und er dachte ‘ wenn ich nur noch einmal meinen Leib ersättigen könnte . ’ Als er herab kam , sah er mit Erstaunen unter dem Baum einen Tisch , der mit Speisen reichlich besetzt war , die ihm entgegen dampften . ‘Diesmal ,’ sprach er , ‘ ist mein Wunsch zu rechter Zeit erfüllt worden ,’ und ohne zu fragen wer das Essen gebracht und wer es gekocht hätte , nahte er sich dem Tisch , und aß mit Lust bis er seinen Hunger gestillt hatte . Als er fertig war , dachte er ‘ es wäre doch Schade wenn das feine Tischtüchlein hier in dem Walde verderben sollte ,’ legte es säuberlich zusammen , und steckte es ein . Darauf gieng er weiter , und Abends , als der Hunger sich wieder regte , wollte er sein Tüchlein auf die Probe stellen , breitete es aus , und sagte ‘ so wünsche ich daß du abermals mit guten Speisen besetzt wärest , ’ und kaum war der
Wunsch über seine Lippen gekommen , so standen so viel Schüsseln mit dem schönsten Essen darauf , als nur Platz hatten . ‘ Jetzt merke ich ,’ sagte er , ‘ in welcher Küche für mich gekocht wird ; du sollst mir lieber seyn als der Berg von Silber und Gold ,’ denn er sah wohl daß es ein Tüchlein deck dich war . Das Tüchlein war ihm aber doch noch nicht genug um sich daheim zur Ruhe zu setzen , sondern er wollte lieber noch in der Welt herum wandern , und weiter sein Glück versuchen . Eines Abends traf er in einem einsamen Walde einen Köhler , der brannte da Kohlen , und hatte Kartoffeln am Feuer stehen , damit wollte er seine Mahlzeit halten . ‘Guten Abend , du Schwarzamsel ,’ sagte er , ‘ wie geht dirs in deiner Einsamkeit ? ’ ‘ Einen Tag wie den andern ,’ erwiederte der Köhler , ‘ und jeden Abend Kartoffeln ; hast du Lust dazu und willst mein Gast seyn ? ’ ‘ Schönen Dank ’ antwortete der Reisende , ‘ ich will dir die Mahlzeit nicht wegnehmen , du hast auf einen Gast nicht gerechnet , aber wenn du mit mir vorlieb nehmen willst , so sollst du eingeladen seyn . ’ ‘ Wer soll dir anrichten ? ’ sprach der Köhler , ‘ ich sehe daß du nichts bei dir hast , und ein paar Stunden im Umkreis ist niemand , der dir etwas geben könnte . ’ ‘ Und doch solls ein Essen seyn ,’ antwortete er , ‘ so gut , wie du noch keins gekostet hast . ’ Darauf holte er sein Tüchlein aus dem Ranzen , breitete es auf die Erde , und sprach ‘Tüchlein deck dich ,’ und alsbald stand da Gesottenes und Gebratenes , und war so warm als wäre es eben aus der Küche gebracht . Der Köhler machte große Augen , ließ sich aber nicht lange bitten , sondern langte zu , und schob immer
größere Bissen in sein schwarzes Maul hinein . Als sie abgegessen hatten , schmunzelte der Köhler , und sagte ‘hör , dein Tüchlein hat meinen Beifall , das wäre so etwas für mich in dem Walde , wo mir niemand etwas gutes kocht ; ich will dir einen Tausch vorschlagen , ich habe da einen Soldatenranzen , der zwar alt und unscheinbar ist , in dem aber wunderbare Kräfte stecken ; da ich ihn doch nicht mehr brauche , so will ich ihn für das Tüchlein geben . ’ ‘Erst muß ich wissen was das für wunderbare Kräfte sind’ erwiederte er . ‘ Das will ich dir sagen ,’ antwortete der Köhler , ‘ wenn du mit der Hand darauf klopfst , so kommt jedesmal ein Gefreiter mit sechs Mann , die haben Ober- und Untergewehr , und was du befiehlst das vollbringen sie . ’ ‘ Meintwegen ’ sagte er , ‘ wenns nicht anders seyn kann , so wollen wir tauschen ,’ gab dem Köhler das Tüchlein für den Ranzen , und nahm Abschied von ihm . Als er ein Stück Wegs gegangen war , wollte er die Wunderkräfte seines Ranzens versuchen , und klopfte darauf . Alsbald traten die sieben Kriegshelden vor ihn , und der Gefreite sprach ‘ was verlangt mein Herr und Gebieter ? ’ ‘Marschiert zu dem Köhler , und fordert mein Wünschtuchlein zurück . ’ Sie machten links um , und gar nicht lange , so brachten sie das Verlangte , und hatten es dem Köhler , ohne viel zu fragen , abgenommen . Er hieß sie wieder abziehen , gieng weiter , und hoffte das Glück würde ihm noch heller scheinen . Bei Sonnenuntergang kam er zu einem andern Köhler , der bei dem Feuer seine Abendmahlzeit bereitete . ‘Willst du mit mir essen ,’ sagte der rußige Geselle , ‘Kartoffeln mit Salz aber ohne Schmalz , so setz dich zu mir nieder . ’
‘Nein ,’ antwortete er , ‘ für diesmal sollst du mein Gast seyn ,’ deckte sein Tüchlein auf , das mit den schönsten Gerichten besetzt wurde . Sie aßen und tranken zusammen , und waren guter Dinge . Nach dem Essen sprach der Kohlenbrenner ‘ ich habe da ein altes abgegriffenes Hütlein , das hat seltsame Eigenschaften : wenn das einer aufsetzt , und dreht es auf dem Kopf herum , so gehen die Feldschlangen , als wären zwölfe neben einander aufgeführt , und schießen alles darnieder , daß niemand dagegen bestehen kann . Mir nützt das Hütlein nichts , und für dein Tischtuch will ichs wohl hingeben . ’ ‘ Das läßt sich hören ,’ antwortete er , nahm das Hütlein , und ließ sein Tüchlein zurück . Kaum aber war er ein Stück Wegs gegangen , so klopfte er auf seinen Ranzen , und seine Soldaten mußten ihm das Tüchlein wieder holen . ‘ Es kommt eins zum andern ,’ dachte er , ‘ und es ist mir , als wäre mein Glück noch nicht zu Ende . ’ Seine Gedanken hatten ihn auch nicht betrogen . Nachdem er abermals einen Tag gegangen war , kam er zu einem dritten Köhler , der ihn nicht anders als die vorigen zu ungeschmelzten Kartoffeln einlud . Er ließ ihn aber von seinem Wunschtüchlein mitessen , und das schmeckte dem Köhler so gut , daß er ihm zuletzt ein Hörnlein dafür bot , das noch ganz andere Eigenschaften hatte als das Hütlein . Wenn man darauf blies , so fielen alle Mauern und Festungswerke , endlich alle Städte und Dörfer übern Haufen . Er gab dem Köhler zwar das Tüchlein dafür , ließ sichs aber hernach von seiner Mannschaft wieder abfordern , so daß er endlich Ranzen Hüflein und Hörnlein beisammen hatte . ‘ Jetzt ,’
sprach er , ‘ bin ich ein gemachter Mann , und es ist Zeit , daß ich heimkehre , und sehe wie es meinen Brüdern ergeht .’
Als er daheim anlangte , hatten sich seine Brüder von ihrem Silber und Gold ein schönes Haus gebaut , und lebten in Saus und Braus . Er trat bei ihnen ein , weil er aber in einem halb zerrissenen Rock kam , das schäbige Hütlein auf dem Kopf , den alten Ranzen auf dem Rücken , so wollten sie ihn nicht für ihren Bruder anerkennen . Sie spotteten , und sagten ‘ du gibst dich für unsern Bruder aus , der Silber und Gold verschmähte , und für sich ein besseres Glück verlangte ; der kommt gewiß in voller Pracht als ein mächtiger König angefahren , nicht als ein Bettelmann ;’ und jagten ihn zur Thüre hinaus . Da gerieth er in Zorn , klopfte auf seinen Ranzen so lange bis hundert und funfzig Mann in Reih und Glied vor ihm standen . Er befahl ihnen das Haus seiner Brüder zu umzingeln , und zwei sollten Haselgerten mitnehmen und den beiden übermüthigen die Haut auf dem Leib so lange weich gerben , bis sie wüßten wer er wäre . Es entstand ein gewaltiger Lärm , die Leute liefen zusammen , und wollten den beiden in der Noth Beistand leisten , aber sie konnten gegen die Soldaten nichts ausrichten . Es geschah aber dem Könige Meldung davon , der ward unwillig , und ließ einen Hauptmann mit seiner Schaar ausrücken ; aber der Mann mit dem Ranzen hatte bald eine größere Mannschaft zusammen , die schlug den Hauptmann mit seinen Leuten zurück , daß sie mit blutigen Nasen abziehen mußten . Der König sprach ‘ der hergelaufene Kerl ist noch zu bändigen ,’ und schickte am andern Tage
eine größere Schar gegen ihn aus , aber sie konnte noch weniger ausrichten . Er stellte noch mehr Volk entgegen , und dann drehte er ein paarmal sein Hütlein auf dem Kopf herum , da fieng das schwere Geschütz an zu spielen , und des Königs Leute wurden geschlagen und in die Flucht gejagt . ‘ Jetzt mache ich nicht eher Frieden ,’ sprach er , ‘ als bis mir der König seine Tochter zur Frau gibt , und ich in seinem Namen das ganze Reich beherrsche . ’ ‘Muß ist eine harte Nuß : was bleibt mir anders übrig , als daß ich thue was er verlangt ? ’ sagte der König zu seiner Tochter ; ‘will ich Frieden haben , und die Krone auf meinem Haupte behalten , so muß ich dich hingeben .’
Die Hochzeit war gefeiert , aber die Königstochter war verdrießlich daß ihr Gemahl ein gemeiner Mann war , der einen schäbigen Hut trug , und einen alten Ranzen umhängen hatte . Sie wäre ihn gerne wieder los gewesen , und sann Tag und Nacht wie sie das bewerkstelligen könnte . Da dachte sie ‘ sollten seine Wunderkräfte wohl in dem Ranzen stecken ? ’ und verstellte sich , liebkoste ihm , und sprach ‘ wenn du nur den schlechten Ranzen ablegen wolltest , er verunziert dich so sehr , daß ich mich deiner schämen muß . ’ ‘Liebes Kind ,’ antwortete er , ‘ dieser Ranzen ist mein größter Schatz , so lange ich den habe , fürchte ich keine Macht der Welt ;’ und erzählte ihr mit welchen Wunderkräften er begabt sey . Da fiel sie ihm um den Hals , als wenn sie ihn küssen wollte , nahm ihm aber mit Behendigkeit den Ranzen von der Schulter , und lief damit fort . Sobald sie allein war , klopfte sie darauf , und befahl den Kriegsleuten sie sollten
ihren vorigen Herrn festnehmen und zum königlichen Palast hinausführen . Sie gehorchten , und die falsche Frau ließ noch mehr Leute hinter ihm her ziehen , die ihn ganz zum Lande hinausjagen sollten . Da wäre er verloren gewesen wenn er nicht das Hütlein gehabt hätte . Kaum aber waren seine Hände frei , so schwenkte er es ein paar mal : alsbald fieng das Geschütz an zu donnern , und schlug alles nieder , und die Königstochter mußte selbst kommen und um Gnade bitten . Weil sie so beweglich bat und sich zu bessern versprach , so ließ er sich überreden , und bewilligte ihr Frieden . Sie that freundlich mit ihm , und stellte sich an als hätte sie ihn sehr lieb , und wußte ihn nach einiger Zeit so zu bethören daß er ihr vertraute wenn auch einer den Ranzen in seine Gewalt bekommen hätte , so könnte er doch nichts gegen ihn ausrichten so lange das alte Hütlein noch sein wäre . Als sie das Geheimniß wußte , wartete sie bis er eingeschlafen war , dann nahm sie ihm das Hütlein weg , und ließ ihn hinaus auf die Straße werfen . Aber noch war ihm das Hörnlein übrig , und in großem Zorne blies er aus allen Kräften hinein . Alsbald fiel alles zusammen , Mauern , Festungswerk , Städte und Dörfer , und schlugen den König und die Königstochter todt . Und wenn er nicht abgesetzt und nur noch ein wenig länger geblasen hätte , so wäre alles über den Haufen gestürzt , und kein Stein auf dem andern geblieben . Da widerstand ihm niemand mehr , und er setzte sich zum König über das ganze Reich .
55.
Rumpelstilzchen .
E s war einmal ein Müller , der war arm , aber er hatte eine schöne Tochter . Nun traf es sich , daß er mit dem König zu sprechen kam , und zu ihm sagte ‘ ich habe eine Tochter , die kann Stroh zu Gold spinnen .’ Dem König , der das Gold lieb hatte , gefiel die Kunst gar wohl , und er befahl die schöne Müllerstochter sollte vor ihn gebracht werden . Da führte er sie in eine Kammer , die ganz voll Stroh war , gab ihr Rad und Haspel , und sprach ‘ wenn du diese Nacht durch bis morgen früh dieses Stroh nicht zu Gold versponnen hast , so mußt du sterben . ’ Darauf ward die Kammer verschlossen , und sie blieb allein darin .
Da saß nun die arme Müllerstochter , und wußte um ihr Leben keinen Rath , denn sie verstand gar nichts davon , wie das Stroh zu Gold zu spinnen war , und ihre Angst ward immer größer , daß sie endlich zu weinen anfieng . Da gieng auf einmal die Thüre auf , und trat ein kleines Männchen herein , und sprach ‘guten Abend , Jungfer Müllerin , warum weint sie so sehr ? ’ ‘ Ach ,’ antwortete das Mädchen , ‘ ich soll Stroh zu Gold spinnen , und verstehe das nicht . ’ Sprach das Männchen ‘ was
giebst du mir , wenn ich dirs spinne ? ’ ‘ Mein Halsband ’ sagte das Mädchen . Das Männchen nahm das Halsband , setzte sich vor das Rädchen , und schnurr , schnurr , schnurr , dreimal gezogen , war die Spule voll . Dann steckte es eine andere auf , und schnurr , schnurr , schnurr , dreimal gezogen , war auch die zweite voll : und so giengs fort bis zum Morgen , da war alles Stroh versponnen , und alle Spulen waren voll Gold . Als der König kam und nachsah , da erstaunte er , und freute sich , aber sein Herz wurde nur noch goldgieriger . Er ließ die Müllerstochter in eine andere Kammer voll Stroh bringen , die noch viel größer war , und befahl ihr das auch in einer Nacht zu spinnen , wenn ihr das Leben lieb wäre . Das Mädchen wußte sich nicht zu helfen , und weinte , da gieng abermals die Thüre auf , und das kleine Männchen kam , und sprach ‘ was giebst du mir wenn ich dir das Stroh zu Gold spinne ? ’ ‘ Meinen Ring von dem Finger ’ antwortete das Mädchen . Das Männchen nahm den Ring , und fieng wieder an zu schnurren mit dem Rade , und hatte bis zum Morgen alles Stroh zu glänzendem Gold gesponnen . Der König freute sich über die Maßen bei dem Anblick , war aber noch immer nicht Goldes satt , sondern ließ die Müllerstochter in eine noch größere Kammer voll Stroh bringen und sprach ‘ die mußt du noch in dieser Nacht verspinnen ; wenn dir das gelingt , sollst du meine Gemahlin werden . ’ ‘ Denn ,’ dachte er , ‘ eine reichere Frau kannst du auf der Welt nicht haben . ’ Als das Mädchen allein war , kam das Männlein zum drittenmal wieder , und sprach ‘ was giebst du mir , wenn ich dir noch
diesmal das Stroh spinne ? ’ ‘ Jch habe nichts mehr , das ich geben könnte ’ antwortete das Mädchen . ‘ So versprich mir , wann du Königin wirst , dein erstes Kind . ’ ‘ Wer weiß wie das noch geht’ dachte die Müllerstochter , und wußte sich auch in der Noth nicht anders zu helfen , und versprach dem Männchen was es verlangte ; dafür spann das Männchen noch einmal das Stroh zu Gold . Und als am Morgen der König kam , und alles fand wie er gewünscht hatte , so hielt er Hochzeit mit ihr , und die schöne Müllerstochter ward eine Königin .
Ueber ein Jahr brachte sie ein schönes Kind zu Welt , und dachte gar nicht mehr an das Männchen , da trat es in ihre Kammer und sprach ‘ nun gib mir was du versprochen hast . ’ Die Königin erschrack , und bot dem Männchen alle Reichthümer des Königreichs an , wenn es ihr das Kind lassen wollte , aber das Männchen sprach ‘nein , etwas Lebendes ist mir lieber als alle Schätze der Welt . ’ Da fieng die Königin so an zu jammern und zu weinen , daß das Männchen Mitleiden mit ihr hatte , und sprach ‘ drei Tage will ich dir Zeit lassen , wenn du bis dahin meinen Namen weißt , so sollst du dein Kind behalten .’
Nun dachte die Königin die ganze Nacht über an alle Namen , die sie jemals gehört hatte , und schickte einen Boten über Land , der sollte sich erkundigen weit und breit nach neuen Namen . Als am andern Tag das Männchen kam , fieng sie an mit Caspar , Melchior , Balzer , und sagte alle Namen , die sie wußte , nach der Reihe her , aber bei jedem sprach das Männlein ‘ so heißt sie nicht . ’ Den zweiten Tag ließ sie herumfragen bei
allen Leuten , und sagte dem Männlein die ungewöhnlichsten und seltsamsten vor , Rippenbiest , Hammelswade , Schnürbein , aber es blieb dabei ‘ so heiß ich nicht . ’ Den dritten Tag kam der Bote wieder zurück , und erzählte ‘ neue Namen habe ich keine einzigen finden können , aber wie ich an einen hohen Berg um die Waldecke kam , wo Fuchs und Has sich gute Nacht sagen , so sah ich da ein kleines Haus , und vor dem Haus brannte ein Feuer , und um das Feuer sprang ein gar zu lächerliches Männchen , hüpfte auf einem Bein , und schrie
‘ heute back ich , morgen brau ich ,
übermorgen hol ich der Königin ihr Kind ;
ach , wie gut ist daß niemand weiß
daß ich Rumpelstilzchen heiß ! ’
Da war die Königin ganz froh daß sie den Namen wußte , und als bald hernach das Männlein kam , und sprach ‘ nun , Frau Königin , wie heiß ich ? ’ fragte sie erst ‘ heißest du Cunz ? ’ ‘Nein .’ ‘Heißest du Heinz ? ’ ‘Nein .’
‘Heißt du etwa Rumpelstilzchen ?’
‘ Das hat dir der Teufel gesagt , das hat dir der Teufel gesagt ’ schrie das Männlein , und stieß mit dem rechten Fuß vor Zorn so tief in die Erde daß es bis an den Leib hineinfuhr , dann packte es in seiner Wuth den linken Fuß mit beiden Händen , und riß sich selbst mitten entzwei .
56.
Der liebste Roland .
E s war einmal eine Frau , die war eine rechte Hexe , und hatte zwei Töchter , eine häßlich und böse , und die liebte sie , weil sie ihre rechte Tochter war , und eine schön und gut , und die haßte sie , weil sie ihre Stieftochter war . Zu einer Zeit hatte die Stieftochter eine schöne Schürze , die der andern gefiel , so daß sie neidisch war , und ihrer Mutter sagte sie wollte und müßte die Schürze haben . ‘ Sei still , mein Kind ,’ sprach die Alte , ‘ du sollst sie auch haben . Deine Stiefschwester hat längst den Tod verdient , heute Nacht wenn sie schläft , so komm ich und haue ihr den Kopf ab . Sorge nur daß du hinten ins Bett zu liegen kommst , und schieb sie recht vornen hin . ’ Um das arme Mädchen war es geschehen , wenn es nicht gerade in einer Ecke gestanden und alles mit angehört hätte . Es durfte den ganzen Tag nicht zur Thüre hinaus , und als Schlafenszeit gekommen war , mußte es zuerst ins Bett steigen , damit sie sich hinten hin legen konnte ; als sie aber eingeschlafen war , da schob es sie sachte vornen hin , und nahm den Platz hinten an der Wand . Jn der Nacht kam die Alte geschlichen , in der rechten Hand hielt sie eine Axt , mit der linken fühlte sie erst ob auch jemand vornen
lag , und dann faßte sie die Axt mit beiden Händen , hieb und hieb ihrem eigenen Kinde den Kopf ab .
Als sie fort gegangen war , stand das Mädchen auf , und gieng zu seinem Liebsten , der Roland hieß , und klopfte an seine Thüre . Als er heraus kam , sprach sie zu ihm ‘ höre , liebster Roland , wir müssen eilig flüchten , die Stiefmutter hat mich todtschlagen wollen , hat aber ihr eigenes Kind getroffen . Kommt der Tag , und sie sieht was sie gethan hat , so sind wir verloren . ’ ‘ Aber ich rathe dir ,’ sagte Roland , ‘ daß du erst ihren Zauberstab wegnimmst , sonst können wir uns nicht retten wenn sie uns nachsetzt und verfolgt . ’ Das Mädchen holte den Zauberstab , und dann nahm es den todten Kopf , und tröpfelte drei Blutstropfen auf die Erde , einen vors Bett , einen in die Küche , und einen auf die Treppe . Darauf eilte es mit seinem Liebsten fort .
Als nun am Morgen die alte Hexe aufgestanden war , rief sie ihrer Tochter , und wollte ihr die Schürze geben , aber sie kam nicht . Da rief sie , ‘ wo bist du ? ’ ‘ Ei , hier auf der Treppe , da kehr ich ,’ antwortete der eine Blutstropfen . Die Alte gieng hinaus , sah aber niemand auf der Treppe , und rief abermals ‘ wo bist du ? ’ ‘ Ei , hier in der Küche , da wärm ich mich’ rief der zweite Blutstropfen . Sie gieng in die Küche , aber sie fand niemand . Da rief sie noch einmal ‘ wo bist du ? ’ ‘ Ach , hier im Bette , da schlaf ich’ rief der dritte Blutstropfen . Sie gieng in die Kammer ans Bett . Was sah sie da ? ihr eigenes Kind , das in seinem Blute schwamm , und dem sie selbst den Kopf abgehauen hatte .
Die Hexe gerieth in Wuth , sprang ans Fenster , und da sie weit in die Welt schauen konnte , erblickte sie ihre Stieftochter , die mit ihrem Liebsten Roland fort eilte . ‘ Das soll euch nichts helfen ,’ rief sie , ‘ wenn ihr auch schon weit weg seid , ihr entflieht mir doch nicht . ’ Sie zog ihre Meilenstiefeln an , in welchen sie mit jedem Schritt eine Stunde machte , und es dauerte nicht lange so hatte sie beide eingeholt . Das Mädchen aber , wie es die Alte daher schreiten sah , verwandelte mit dem Zauberstab seinen Liebsten Roland in einen See , sich selbst aber in eine Ente , die mitten auf dem See schwamm . Die Hexe stellte sich ans Ufer , warf Brotbrocken hinein , und gab sich alle Mühe die Ente herbeizulocken , aber die Ente ließ sich nicht locken , und die Alte mußte Abends unverrichteter Sache wieder umkehren . Darauf nahm das Mädchen mit seinem liebsten Roland wieder die natürliche Gestalt an , und sie giengen die ganze Nacht weiter bis zu Tagesanbruch , da verwandelte sich das Mädchen in eine schöne Blume , die mitten in einer Dornhecke stand , seinen Liebsten Roland aber in einen Geigenspieler . Nicht lange so kam die Hexe herangeschritten , und sprach zu dem Spielmann ‘ lieber Spielmann , darf ich mir wohl die schöne Blume abbrechen ? ’ ‘ O ja ,’ antwortete er , ‘ ich will dazu aufspielen . ’ Als sie nun mit Hast in die Hecke kroch , und die Blume brechen wollte , denn sie wußte wohl wer die Blume war , so fieng er an aufzuspielen , und , sie mochte wollen oder nicht , sie mußte tanzen , denn es war ein Zaubertanz . Je schneller er spielte , desto gewaltigere Sprünge mußte sie machen , und die Dornen rissen ihr die Kleider vom
Leibe , stachen sie blutig und wund , und da er nicht aufhörte , mußte sie so lange tanzen bis sie todt liegen blieb .
Als sie nun erlöst waren , sprach Roland ‘ nun will ich zu meinem Vater gehen , und die Hochzeit bestellen . ’ ‘ So will ich derweil hier bleiben ’ sagte das Mädchen , ‘ und auf dich warten , und damit mich niemand erkennt , will ich mich in einen rothen Feldstein verwandeln . ’ Da gieng Roland fort , und das Mädchen stand als ein rother Stein auf dem Felde , und wartete auf seinen Liebsten . Als aber Roland heim kam , gerieth er in die Fallstricke einer andern , die es dahin brachte , daß er das Mädchen vergaß . Das arme Mädchen stand lange Zeit , als er aber endlich gar nicht wieder kam , so ward es traurig , und verwandelte sich in eine Blume , und dachte ‘ es wird ja wohl einer daher gehen , und mich umtreten .’
Es trug sich aber zu , daß ein Schäfer auf dem Felde seine Schafe hütete , und die Blume sah , und weil sie so schön war , so brach er sie ab , nahm sie mit sich , und legte sie in seinen Kasten . Von der Zeit gieng es wunderlich in des Schäfers Hause zu . Wenn er Morgens aufstand , so war schon alle Arbeit gethan : die Stube war gekehrt , Tisch und Bänke abgeputzt , Feuer auf den Herd gemacht , und Wasser getragen ; und Mittags , wenn er heim kam , war der Tisch gedeckt , und ein gutes Essen aufgetragen . Er konnte nicht begreifen wie das zugieng , denn er sah niemals einen Menschen in seinem Haus , und es konnte sich auch niemand in der kleinen Hütte versteckt haben . Die gute Aufwartung gefiel ihm freilich , aber zuletzt ward ihm doch angst ,
so daß er zu einer weisen Frau gieng und sie um Rath fragte . Die weise Frau sprach ‘ es steckt Zauberei dahinter ; gib einmal Morgens in aller Frühe acht ob sich etwas in der Stube regt , und wenn du etwas siehst , es mag sein was es will , so wirf schnell ein weißes Tuch darüber , dann wird der Zauber gehemmt .’ Der Schäfer that wie sie gesagt hatte , und am andern Morgen , eben als der Tag anbrach , sah er wie sich der Kasten aufthat , und die Blume heraus kam . Schnell sprang er hinzu , und warf ein weißes Tuch darüber . Alsbald war die Verwandlung vorbei , und ein schönes Mädchen stand vor ihm , das bekannte ihm daß es die Blume gewesen wäre , und seinen Haushalt bisher besorgt hätte . Es erzählte ihm sein Schicksal , und weil es ihm gefiel , fragte er ob es ihn heirathen wollte , aber es antwortete nein , denn es wollte seinem Liebsten Roland , obgleich er es verlassen hatte , doch treu bleiben , aber es versprach nicht weg zu gehen , sondern ihm fernerhin Haus zu halten .
Nun kam die Zeit heran daß Roland Hochzeit halten sollte , da ward nach altem Brauch im Lande bekannt gemacht , es sollten alle Mädchen sich einfinden , und zu Ehren des Brautpaars singen . Das treue Mädchen , als es davon hörte , ward so traurig daß es meinte das Herz im Leib würde ihm zerspringen , und wollte nicht hingehen , aber die andern kamen , und holten es herbei . Wenn aber die Reihe kam daß es singen sollte , so trat es zurück , bis es allein noch übrig war , da konnte es nicht anders . Aber wie es seinen Gesang anfieng , und er zu Rolands Ohren kam , so sprang er auf , und rief ‘ die Stimme kenne ich ,
das ist die rechte Braut , eine andere begehr ich nicht . ’ Alles , was er vergessen hatte und ihm aus dem Sinn verschwunden war , das war plötzlich in sein Herz wieder heim gekommen . Da hielt das treue Mädchen Hochzeit mit seinem Liebsten Roland , und war sein Leid zu Ende , und fieng seine Freude an .
57.
Der goldene Vogel .
E s war vor Zeiten ein König , der hatte einen schönen Lustgarten hinter seinem Schloß , darin stand ein Baum der goldne Aepfel trug . Als die Aepfel reiften , wurden sie gezählt , aber gleich den nächsten Morgen fehlte einer . Das ward dem König gemeldet , und er befahl daß alle Nächte unter dem Baume Wache sollte gehalten werden . Der König hatte drei Söhne , davon schickte er den ältesten bei einbrechender Nacht in den Garten ; wie es aber Mitternacht war , konnte er sich des Schlafes nicht erwehren , und am nächsten Morgen fehlte wieder ein Apfel . Jn der folgenden Nacht mußte der zweite Sohn wachen , aber dem ergieng es nicht besser , um zwölf Uhr Mitternacht schlief er ein , und Morgens fehlte ein Apfel . Jetzt kam die Reihe zu wachen an den dritten Sohn , und der war auch bereit , aber der König traute ihm nicht viel zu , und meinte er würde noch weniger ausrichten als seine Brüder ; endlich aber gestattete er es doch . Der Jüngling legte sich also unter den Baum , wachte , und ließ den Schlaf nicht Herr werden . Als es zwölf schlug , so rauschte etwas durch die Luft , und er sah im Mondschein einen Vogel daher fliegen , dessen Gefieder ganz golden war . Der Vogel ließ sich auf dem Baume nieder , und hatte
eben einen Apfel abgepickt , als der Jüngling einen Pfeil nach ihm schoß . Der Vogel entflog , aber der Pfeil hatte sein Gefieder getroffen , und eine seiner goldenen Federn fiel herab . Der Jüngling hob sie auf , brachte sie am andern Morgen dem König , und erzählte ihm was er in der Nacht gesehen hatte . Der König versammelte seinen Rath , und jedermann erklärte eine Feder wie diese sei mehr werth als das gesammte Königreich . ‘ Jst die Feder so kostbar ,’ erklärte der König , ‘ so hilft mir auch die eine nichts , sondern ich will und muß den ganzen Vogel haben .’
Der älteste Sohn machte sich auf den Weg , verließ sich auf seine Klugheit , und meinte den goldenen Vogel schon zu finden . Wie er eine Strecke gegangen war , sah er an dem Rande eines Waldes einen Fuchs sitzen , legte seine Flinte an , und zielte auf ihn . Der Fuchs rief ‘ schieß mich nicht , ich will dir dafür einen guten Rath geben . Du bist auf dem Weg nach dem goldenen Vogel , und wirst heut Abend in ein Dorf kommen , wo zwei Wirthshäuser einander gegenüber stehen : eins ist hell erleuchtet , und es geht darin lustig her , da kehr aber nicht ein , sondern geh ins andere , wenn es dich auch schlecht ansieht . ’ ‘ Wie kann mir wohl so ein albernes Thier einen vernünftigen Rath ertheilen ! ’ dachte der Königssohn , und drückte los , aber er fehlte den Fuchs , der den Schwanz streckte , und schnell in den Wald lief . Darauf setzte er seinen Weg fort , und kam Abends in das Dorf , wo die beiden Wirthshäuser standen : in dem einen ward gesungen und gesprungen , das andere hatte ein armseliges , betrübtes Ansehen . ‘ Jch wäre wohl ein Narr ,’ dachte er , ‘ wenn ich in das lumpige
Wirthshaus gienge , und das schöne liegen ließ .’ Also gieng er in das lustige ein , lebte da in Saus und Braus , und vergaß den Vogel und seinen Vater .
Als eine Zeit verstrichen und der älteste Sohn immer und immer nicht nach Haus gekommen war , so machte sich der zweite auf den Weg , und wollte den goldenen Vogel suchen . Wie dem ältesten begegnete ihm der Fuchs , und gab ihm den guten Rath , den er nicht achtete . Er kam zu den beiden Wirthshäusern , wo sein Bruder am Fenster dessen stand , aus dem der Jubel erschallte , und ihn anrief . Er konnte nicht widerstehen , gieng hinein , und war da guter Dinge .
Wiederum verstrich eine Zeit , da wollte der jüngste Königssohn ausziehen , und sein Heil versuchen ; der Vater aber wollte es nicht zulassen , weil er dachte er wäre nicht so klug wie seine Brüder , und ihm stieße gewiß ein Unglück zu , so daß er auch nicht wieder käme . Doch endlich , wie keine Ruhe mehr war , ließ er ihn ziehen . Vor dem Walde saß wieder der Fuchs , bat um sein Leben , und ertheilte den guten Rath . Der Jüngling war gutmüthig , und sagte ‘ sey ruhig , Füchslein , ich thue dir nichts zu Leid . ’ ‘ Es soll dich nicht gereuen ,’ antwortete der Fuchs , ‘ und damit du schneller fortkommst , so steig hinten auf meinen Schwanz .’ Und kaum hatte er sich aufgesetzt , so fieng der Fuchs an zu laufen , und da giengs über Stock und Stein daß die Haare im Winde pfiffen . Als sie zu dem Dorfe kamen , stieg der Jüngling ab , befolgte den guten Rath , und kehrte ,
ohne sich umzusehen , in das geringe Wirthshaus ein , wo er ruhig übernachtete . Am andern Morgen , wie er auf das Feld kam , saß da schon der Fuchs , und sagte ‘ ich will dir weiter sagen was du zu thun hast . Geh du immer gerade aus , endlich wirst du an ein Schloß kommen , vor dem ein ganzes Regiment Soldaten liegt , aber kümmre dich nicht darum , sie werden alle schlafen und schnarchen : geh mitten durch und in das Schloß hinein , und geh durch alle Stuben , zuletzt wirst du in eine Kammer kommen , wo ein goldener Vogel in einem hölzernen Käfig hängt . Neben an steht ein Goldkäfig zum Prunk , aber hüte dich daß du den Vogel nicht aus seinem schlechten Käfig heraus nimmst und in den prächtigen thust , sonst möchte es dir schlimm ergehen .’ Nach diesen Worten streckte der Fuchs wieder seinen Schwanz aus , und der Königssohn setzte sich auf : da giengs über Stock und Stein daß die Haare im Winde pfiffen . Als er bei dem Schloß angelangt war , fand er alles so wie der Fuchs gesagt hatte . Der Königssohn kam in die Kammer , wo der goldene Vogel in einem hölzernen Käfig saß , und ein goldener stand daneben , die drei goldenen Aepfel aber lagen in der Stube umher . Da dachte er es wäre lächerlich wenn er den schönen Vogel in dem gemeinen und häßlichen Käfig lassen wollte , öffnete die Thüre , packte ihn , und setzte ihn in den goldenen . Jn dem Augenblick aber that der Vogel einen durchdringenden Schrei . Die Soldaten erwachten , stürzten herein und führten ihn ins Gefängnis . Den andern Morgen wurde er vor ein Gericht gestellt , und , da er alles bekannte , zum Tode verurtheilt .
Doch sagte der König er wollte ihm unter einer Bedingung das Leben schenken , wenn er ihm nämlich das goldene Pferd brächte , welches noch schneller liefe als der Wind , und dann sollte er obendrein zur Belohnung den goldenen Vogel erhalten .
Der Königssohn machte sich auf den Weg , seufzte aber und war traurig , denn wo sollte er das goldene Pferd finden ? Da sah er auf einmal seinen alten Freund , den Fuchs , an dem Wege sitzen . ‘Siehst du ,’ sprach der Fuchs , ‘ so ist es gekommen , weil du mir nicht gehört hast . Doch sei gutes Muthes , ich will mich deiner annehmen , und dir sagen wie du zu dem goldenen Pferd gelangst . Du mußt gerades Weges fortgehen , so wirst du zu einem Schloß kommen , wo das Pferd im Stalle steht . Vor dem Stall werden die Stallknechte liegen , aber sie werden schlafen und schnarchen , und du kannst geruhig das goldne Pferd herausführen . Aber eins mußt du in acht nehmen , leg ihm den schlechten Sattel von Holz und Leder auf , und ja nicht den goldenen , der dabei hängt , sonst wird es dir schlimm ergehen . ’ Dann streckte der Fuchs seinen Schwanz aus , der Königssohn setzte sich auf , und es gieng fort über Stock und Stein daß die Haare pfiffen . Alles traf so ein , wie der Fuchs gesagt hatte , er kam in den Stall , wo das goldene Pferd stand , als er ihm aber den schlechten Sattel auflegen wollte , so dachte er ‘ ein so schönes Thier wird verschändet wenn ich ihm nicht den guten Sattel auflege , der ihm gebührt . ’ Kaum aber berührte der goldne Sattel das Pferd , so fieng es an laut zu wiehern . Die Stallknechte erwachten , ergriffen den Jüngling ,
und warfen ihn ins Gefängnis . Am andern Morgen wurde er vom Gericht zum Tode verurtheilt , doch versprach ihm der König das Leben und dazu das goldne Pferd zu schenken , wenn er die schöne Königstochter vom goldnen Schlosse herbeischaffen könnte .
Traurig machte sich der Jüngling auf den Weg , doch zu seinem Glücke fand er bald den treuen Fuchs . ‘ Jch sollte dich nur deinem Unglück überlassen ,’ sagte der Fuchs , ‘ aber ich habe Mitleiden mit dir , und will dir noch einmal aus deiner Noth helfen . Dein Weg führt dich gerade zu dem goldenen Schlosse ; Abends wirst du anlangen , und Nachts , wenn alles still ist , dann geht die schöne Königstochter ins Badehaus , um da zu baden . Und wenn sie hineingeht , so spring auf sie zu , und gieb ihr einen Kuß , dann folgt sie dir , und du kannst sie mit dir fortführen , nur leide nicht daß sie vorher von ihren Eltern Abschied nimmt , sonst kann es dir schlimm ergehen . ’ Dann streckte der Fuchs seinen Schwanz , der Königssohn setzte sich auf , und so gieng es über Stock und Stein daß die Haare pfiffen . Als er beim goldenen Schloß ankam , war es so wie der Fuchs gesagt hatte . Er wartete bis um Mitternacht , als alles in tiefem Schlafe lag und die schöne Jungfrau ins Badehaus gieng , da sprang er hervor , und gab ihr einen Kuß . Sie sagte sie wollte gerne mit ihm gehen , bat ihn aber flehentlich und mit Thränen er möchte ihr erlauben , vorher von ihren Eltern Abschied zu nehmen . Er widerstand anfänglich ihren Bitten , als sie aber immer mehr weinte , und ihm zu Fuß fiel , so gab er endlich nach . Kaum
aber war die Jungfrau zu dem Bette ihres Vaters getreten , so wachte er und jedermann in dem Schloß auf , und der Jüngling ward fest gehalten und ins Gefängnis gesetzt .
Am andern Morgen sprach der König zu ihm ‘ dein Leben ist verwirkt , und du kannst bloß Gnade finden wenn du den Berg , der vor meinen Fenstern liegt , und über welchen ich nicht hinaus sehen kann , abträgst , und zwar mußt du das binnen acht Tagen zu Stande bringen . Gelingt dir das , so sollst du meine Tochter zur Belohnung haben . ’ Der Königssohn fieng an , grub und schaufelte ohne abzulassen , als er aber nach sieben Tagen sah wie wenig er ausgerichtet hatte , und man seine Arbeit gar nicht bemerkte , so fiel er in große Traurigkeit , und gab alle Hoffnung auf . Am Abend des siebenten Tags aber erschien der Fuchs , und sagte ‘ du verdienst nicht daß ich mich deiner annehme , aber geh nur hin und lege dich schlafen , ich will die Arbeit für dich thun . ’ Am andern Morgen als er erwachte , und zum Fenster hinaus sah , so war der Berg verschwunden . Der Jüngling gieng voll Freude zum König , und meldete ihm daß die Bedingung erfüllt wäre , und der König mochte wollen oder nicht , er mußte Wort halten , und ihm seine Tochter geben .
Nun zogen die beiden zusammen fort , und es währte nicht lange , so kam der treue Fuchs zu ihnen . ‘ Das beste hast du zwar ,’ sagte er , ‘ aber zu der Jungfrau aus dem goldnen Schloß gehört auch das goldene Pferd . ’ ‘ Wie soll ich das bekommen ? ’ fragte der Jüngling . ‘ Das will ich dir sagen ,’ antwortete der Fuchs , ‘zuerst bring dem Könige , der dich nach dem goldnen
Schlosse geschickt hat , die schöne Jungfrau . Da wird unerhörte Freude seyn , sie werden dir das goldene Pferd gerne geben , und werden dirs vorführen . Setz dich alsbald auf , und reiche allen zum Abschied die Hand herab , zuletzt der schönen Jungfrau , und wenn du sie gefaßt hast , so zieh sie mit einem Schwung hinauf , und jage davon , und niemand ist im Stande dich einzuholen , denn das Pferd läuft schneller als der Wind .’
Alles wurde vollbracht , und der Königssohn führte die schöne Jungfrau auf dem goldenen Pferde fort . Der Fuchs blieb nicht zurück , und sprach zu dem Jüngling ‘ jetzt will ich dir auch zu dem goldenen Vogel verhelfen . Wenn du nahe bei dem Schlosse bist , wo sich der Vogel befindet , so laß die Jungfrau absitzen , und ich will sie in meine Obhut nehmen ; dann reite mit dem goldenen Pferd in den Schloßhof : bei dem Anblick wird große Frende seyn , und sie werden dir den goldenen Vogel herausbringen . Wie du den Käfig in der Hand hast , so jage zu uns zurück , und hol dir die Jungfrau wieder ab . ’ Als der Anschlag geglückt war und der Königssohn mit seinen Schätzen heim reiten wollte , so sagte der Fuchs ‘ nun sollst du mich für meinen Beistand belohnen . ’ ‘ Was verlangst du dafür ? ’ fragte der Jüngling . ’ ‘ Wenn wir dort in den Wald kommen , so schieß mich todt , und hau mir Kopf und Pfoten ab . ’ ‘ Das wäre eine schöne Dankbarkeit ,’ sagte der Königssohn , ‘ das kann ich dir unmöglich gewähren . ’ Sprach der Fuchs ‘ wenn du es nicht thun willst , so muß ich dich verlassen ; ehe ich aber fort gehe , will ich dir noch einen guten Rath geben . Vor zwei Stücken hüte dich , kauf
kein Galgenfleisch , und setz dich an keinen Brunnenrand .’ Damit lief er in den Wald .
Der Jüngling dachte ‘ das ist ein wunderliches Thier , das seltsame Grillen hat . Wer wird Galgenfleisch kaufen ! und die Lust mich an einen Brunnenrand zu setzen ist mir noch niemals gekommen .’ Er ritt mit der schönen Jungfrau weiter , und sein Weg führte ihn wieder durch das Dorf , in welchem seine beiden Brüder geblieben waren . Da war ein großer Auflauf und Lärmen , und als er fragte was da vor wäre , hieß es , es sollten zwei Leute aufgehängt werden . Als er näher hinzu kam , sah er daß es seine Brüder waren , die allerhand schlimme Streiche verübt und alles verthan hatten . Er fragte ob sie nicht könnten frei gemacht werden . ‘ Wenn ihr für sie bezahlen wollt ,’ antworteten die Leute , ‘ aber was wollt ihr an die schlechten Menschen euer Geld hängen , und sie loskaufen . ’ Er besann sich aber nicht , zahlte für sie , und als sie frei gegeben waren , so setzten sie die Reise gemeinschaftlich fort .
Sie kamen in den Wald , wo ihnen der Fuchs zuerst begegnet war , und da es darin kühl und lieblich war , und die Sonne heiß brannte , so sagten die beiden Brüder ‘ laßt uns hier an dem Brunnen ein wenig ausruhen , essen und trinken . ’ Er willigte ein , und während des Gesprächs vergaß er sich , setzte sich an den Brunnenrand , und versah sich nichts arges . Aber die beiden Brüder warfen ihn rückwärts in den Brunnen , nahmen die Jungfrau , das Pferd und den Vogel , und zogen heim zu ihrem Vater . ‘ Da bringen wir nicht bloß den goldenen Vogel ,’
sagten sie , ‘ sondern wir haben auch das goldne Pferd und die Jungfrau von dem goldnen Schlosse erbeutet . ’ Da war große Freude , aber das Pferd das fraß nicht , der Vogel der pfiff nicht , und die Jungfrau die saß und weinte .
Der jüngste Bruder war aber nicht umgekommen . Der Brunnen war zum Glück trocken , und er fiel auf weiches Mos ohne Schaden zu nehmen , konnte aber nicht wieder heraus . Auch in dieser Noth verließ ihn der treue Fuchs nicht , kam zu ihm herabgesprungen , und schalt ihn daß er seinen Rath vergessen hätte . ‘Jch kanns aber doch nicht lassen ,’ sagte er , ‘ und will dir wieder an das Tageslicht helfen .’ Dann hieß er ihn seinen Schwanz anpacken und sich fest halten , kroch herauf und schleppte ihn in die Höhe . ‘ Noch bist du nicht aus aller Gefahr ,’ sagte der Fuchs , ‘ deine Brüder haben den Wald mit Wächtern umstellt , die sollen dich tödten , wenn du dich gerettet hättest und dich sehen ließest . ’ Da saß ein armer Mann am Weg , mit dem vertauschte der Jüngling die Kleider , und kam an des Königs Hof . Niemand erkannte ihn , aber der Vogel fieng an zu pfeifen , das Pferd fieng an zu fressen , und die schöne Jungfrau hörte Weinens auf . Der König fragte verwundert ‘ was hat das zu bedeuten ? ’ Da sprach die Jungfrau ‘ ich weiß es nicht , aber ich war so traurig , und nun bin ich so fröhlich . Es ist , als wäre mein rechter Bräutigam gekommen . ’ Sie erzählte ihm alles , was geschehen war , obgleich die andern Brüder ihr den Tod angedroht hatten , wenn sie etwas verrathen würde . Der König hieß alle Leute vor sich bringen , die in seinem Schloß waren , da kam er auch
in seinen Lumpenkleidern , aber die Jungfrau erkannte ihn gleich , und fiel ihn um den Hals . Die gottlosen Brüder wurden ergriffen und hingerichtet , er aber ward mit der schönen Jungfrau vermählt , und zum Erben des Königs bestimmt .
Aber wie ist es dem armen Fuchs ergangen ? Lange danach gieng der Königssohn einmal wieder in den Wald , da begegnete ihm der Fuchs , und sagte ‘ du hast nun alles , was du dir wünschen kannst , aber mit meinem Unglück will es kein Ende nehmen , und es steht doch in deiner Macht mich zu erlösen ,’ und bat abermals flehentlich er möchte ihn todtschießen , und ihm Kopf und Pfoten abhauen . Also that ers , und kaum war es geschehen , so verwandelte sich der Fuchs in einen Menschen , und war niemand anders als der Bruder der schönen Königstochter , der endlich von dem Zauber , der auf ihm lag , erlöst war . Und nun fehlte nichts mehr zu ihrem Glück so lange sie lebten .
58.
Der Hund und der Sperling .
E in Schäferhund hatte keinen guten Herrn , sondern einen der ihn Hunger leiden ließ . Wie ers nicht länger mehr aushalten konnte , gieng er ganz traurig fort . Auf der Straße begegnete ihm ein Sperling , der sprach ‘Bruder Hund , warum bist du so traurig ? ’ Antwortete der Hund ‘ ich bin so hungrig , und habe nichts zu fressen . ’ Da sprach der Sperling ‘ lieber Bruder , komm mit in die Stadt , so will ich dich satt machen . ’ Also giengen sie zusammen in die Stadt , und als sie vor einen Fleischerladen kamen , sprach der Sperling zum Hund ‘ da bleib stehen , ich will dir ein Stück Fleisch herunter picken ,’ setzte sich auf den Laden , schaute sich um , ob ihn auch niemand bemerkte , und pickte , zog und zerrte so lang an einem Stück , das am Rande lag , bis es herunter rutschte . Da packte es der Hund , lief in eine Ecke , und fraß es auf . Sprach der Sperling ‘ nun komm mit zu einem andern Laden , da will ich dir noch ein Stück herunter holen , damit du satt wirst . ’ Als der Hund das zweite Stück auch gefressen hatte , fragte der Sperling ‘Bruder Hund , bist du nun satt ? ’ ‘ Ja , Fleisch bin ich satt ,’ antwortete er , ‘ aber ich habe noch kein Brot gekriegt . ’ Sprach der Sperling ‘ das
sollst du auch haben , komm nur mit . ’ Da führte er ihn an einen Beckerladen , und pickte an ein paar Brötchen , bis sie herunter rollten , und als der Hund noch mehr wollte , führte er ihn zu einem andern , und holte ihm noch einmal Brot herab . Wie das verzehrt war , sprach der Sperling ‘Bruder Hund , bist du nun satt ? ’ ‘ Ja ,’ antwortete er , ‘ nun wollen wir ein bischen vor die Stadt gehen .’
Nun giengen sie beide hinaus auf die Landstraße , es war aber warmes Wetter , und als sie ein Eckchen gegangen waren , sprach der Hund ‘ ich bin müde , und möchte gerne schlafen . ’ ‘ Ja , schlaf nur ,’ antwortete der Sperling , ‘ ich will mich derweil auf einen Zweig setzen . ’ Der Hund legte sich also auf die Straße , und schlief fest ein . Während er da schlief , kam ein Fuhrmann heran gefahren , der hatte einen Wagen mit drei Pferden , und hatte zwei Fässer Wein geladen . Der Sperling aber sah daß er nicht ausbiegen wollte , sondern in der Fahrgleise blieb , in welcher der Hund lag , da rief er ‘Fuhrmann , thus nicht , oder ich mache dich arm . ’ Der Fuhrmann aber brummte vor sich ‘ du wirst mich nicht arm machen ,’ knallte mit der Peitsche , und trieb den Wagen über den Hund , daß ihn die Räder todt fuhren . Da rief der Sperling ‘ du hast mir meinen Bruder Hund todt gefahren , das soll dich Karre und Gaul kosten . ’ ‘ Ja , Karre und Gaul ,’ sagte der Fuhrmann , ‘ was könntest du mir schaden ! ’ und fuhr fort . Da kroch der Sperling unter das Wagentuch , und pickte an dem einen Spuntloch so lange , bis er den Spunt losbrachte , da lief der ganze
Wein heraus , ohne daß es der Fuhrmann merkte . Und als er einmal umblickte , sah er daß der Wagen tröpfelte , untersuchte , und fand daß das eine Faß leer war . ‘ Ach , ich armer Mann ! ’ rief er . ‘ Noch nicht arm genug ’ sprach der Sperling , und flog dem einen Pferd auf den Kopf , und pickte ihm die Augen aus . Als der Fuhrmann das sah , zog er seine Hacke heraus , und wollte den Sperling treffen , aber der Sperling flog in die Höhe , und der Fuhrmann traf seinen Gaul auf den Kopf , daß er todt hinfiel . ‘ Ach , ich armer Mann ! ’ rief er . ‘ Noch nicht arm genug ’ sprach der Sperling , und als der Fuhrmann mit den zwei Pferden weiter fuhr , kroch der Sperling wieder unter das Tuch , und pickte auch den Spunt am zweiten Faß los , daß aller Wein herausschwankte . Als es der Fuhrmann gewahr wurde , rief er wieder , ‘ach , ich armer Mann ! ’ aber der Sperling antwortete ‘ noch nicht arm genug ,’ setzte sich dem zweite Pferd auf den Kopf , und pickte ihm die Augen aus . Der Fuhrmann lief herbei , und holte mit seiner Hacke aus , aber der Sperling flog in die Höhe , da traf der Schlag das Pferd , daß es hinfiel . ‘ Ach , ich armer Mann ! ’ ‘ Noch nicht arm genug ’ sprach der Sperling , setzte sich auch dem dritten Pferd auf den Kopf , und pickte ihm nach den Augen . Der Fuhrmann schlug in seinem Zorn , ohne umzusehen , auf den Sperling los , traf ihn aber nicht , sondern schlug auch sein drittes Pferd todt . ‘ Ach , ich armer Mann ! ’ rief er . ‘ Noch nicht arm genug ,’ antwortete der Sperling , ‘ jetzt will ich dich daheim arm machen , ’ und flog fort .
Der Fuhrmann mußte den Wagen stehen lassen , und gieng voll Zorn und Aerger heim . ‘ Ach ,’ sprach er zu seiner Frau , ‘ was hab ich Unglück gehabt ! der Wein ist ausgelaufen , und die Pferde sind alle drei todt . ’ ‘ Ach , Mann ,’ antwortete sie , ‘ was für ein böser Vogel ist ins Haus gekommen ! er hat alle Vögel auf der Welt zusammen gebracht , und die sind droben über unsern Waizen hergefallen , und fressen ihn auf . ’ Da stieg er hinauf , und tausend und tausend Vögel saßen auf dem Boden , und hatten den Waizen aufgefressen , und der Sperling saß mitten darunter . Da rief der Fuhrmann ‘ach , ich armer Mann ! ’ ‘ Noch nicht arm genug ,’ antwortete der Sperling , ‘Fuhrmann , es kostet dir noch dein Leben , ’ und flog hinaus .
Da hatte der Fuhrmann all sein Gut verloren , gieng hinab in seine Stube , und setzte sich hinter den Ofen , und war ganz bös und giftig . Der Sperling aber saß draußen vor dem Fenster , und rief ‘Fuhrmann , es kostet dir dein Leben . ’ Da griff der Fuhrmann die Hacke , und warf sie nach dem Sperling , aber er schlug nur die Fensterscheiben entzwei , und traf den Vogel nicht . Der Sperling hüpfte nun herein , setzte sich auf den Ofen , und rief ‘Fuhrmann , es kostet dir dein Leben .’ Dieser , ganz toll und blind vor Wuth , schlägt den Ofen entzwei , und so fort , wie der Sperling von einem Ort zum andern fliegt , sein ganzes Hausgeräth , Spieglein , Bänke , Tisch , und zuletzt die Wände seines Hauses , und kann ihn nicht treffen . Endlich aber erwischte er ihn doch mit der Hand . Da sprach seine Frau ‘ soll ich ihn todt schlagen ? ’ ‘Nein ,’ rief er , ‘ das wäre zu gelind , der soll
viel mörderlicher sterben , ich will ihn verschlingen , ’ und nimmt ihn , und verschlingt ihn auf einmal . Der Sperling aber fängt an in seinem Leibe zu flattern , flattert wieder herauf , dem Mann in den Mund , da streckt er den Kopf heraus und ruft ‘Fuhrmann , es kostet dir doch dein Leben . ’ Der Fuhrmann reicht seiner Frau die Hacke , und spricht ‘Frau , schlag mir den Vogel im Munde todt . ’ Die Frau schlägt zu , schlägt aber fehl , und dem Fuhrmann gerade auf den Kopf , so daß er todt hinfällt . Der Sperling aber fliegt auf und davon .
59.
Der Frieder und das Catherlieschen .
E s war ein Mann , der hieß Frieder , und eine Frau , die hieß Catherlieschen , die hatten einander geheirathet , und lebten zusammen als junge Eheleute . Eines Tages sprach der Frieder ‘ ich will jetzt zu Acker , Catherlieschen , wann ich wiederkomme , muß etwas Gebratenes auf dem Tisch stehen für den Hunger , und ein frischer Trunk dabei für den Durst . ’ ‘ Geh nur , Friederchen ,’ antwortete die Catherlies , ‘geh nur , will dirs schon recht machen . ’ Als nun die Essenszeit herbeirückte , holte sie eine Wurst aus dem Schornstein , that sie in eine Bratpfanne , legte Butter dazu , und stellte sie übers Feuer . Die Wurst fieng an zu braten und zu brutzeln , Catherlieschen stand dabei , hielt den Pfannenstiel , und hatte so seine Gedanken : da fiel ihm ein ‘ bis die Wurst fertig wird , derweil könntest du ja im Keller den Trunk zapfen . ’ Also stellte es den Pfannenstiel fest , nahm eine Kanne , gieng hinab in den Keller , und zapfte Bier . Das Bier lief in die Kanne , und Catherlieschen sah ihm zu , da fiel ihm ein ‘ holla , der Hund oben ist nicht beigethan , der könnte die Wurst aus der Pfanne holen , du kämst mir recht ! ’ und im Hui war es die Kellertreppe hinauf ; aber der Spitz
hatte die Wurst schon im Maul , und schleifte sie auf der Erde mit sich fort . Doch Catherlieschen , nicht faul , setzte ihm nach , und jagte ihn ein gut Stück ins Feld : aber der Hund war geschwinder als Catherlieschen , ließ auch die Wurst nicht fahren sondern über die Aecker hin hüpfen . ‘ Hin ist hin ! ’ sprach Catherlieschen , kehrte um , und weil es sich müde gelaufen hatte , gieng es hübsch langsam , und kühlte sich ab . Während der Zeit lief das Bier aus dem Faß immer zu , denn Catherlieschen hatte den Hahn nicht umgedreht , und als die Kanne voll und sonst kein Platz da war , so lief es in den Keller , und hörte nicht eher auf , als bis das ganze Faß leer war . Catherlieschen sah schon auf der Treppe das Unglück . ‘Spuck ,’ rief es , ‘ was fängst du jetzt an , daß es der Frieder nicht merkt ! ’ Es besann sich ein Weilchen , endlich fiel ihm ein von der letzten Kirmes stände noch ein Sack mit schönem Waizenmehl auf dem Boden , das wollte es herabholen und in das Bier streuen . ‘ Ja ,’ sprach es , ‘ wer zu rechter Zeit was spart , der hats hernach in der Noth ,’ stieg auf den Boden , und trug den Sack herab , und warf ihn gerade auf die Kanne voll Bier , daß sie umstürzte , und der Trunk des Frieders auch im Keller schwamm . ‘ Ei was , wo eins ist , muß das andere auch sein ,’ sprach Catherlieschen , zerstreute darnach das Mehl im ganzen Keller , und freute sich am Ende gewaltig über seine Arbeit , und sagte ‘ wies so reinlich und sauber hier aussieht ! ’
Um Mittagszeit kam der Frieder heim . ‘ Nun , Frau , was hast du zurecht gemacht ? ’ ‘ Ach , Friederchen ,’ antwortete sie ,
‘ ich wollte dir ja eine Wurst braten , aber während ich das Bier dazu zapfte , hat sie der Hund weggenommen , und während ich dem Hund nachsprang , ist das Bier ausgelaufen , und wie ich das Bier mit dem Waizenmehl auftrocknete , hab ich die Kanne auch noch umgestoßen ; aber der Keller ist wieder ganz trocken . ’ Sprach der Frieder ‘Catherlieschen , Catherlieschen , das hättest du nicht thun müssen ! läßt die Wurst fressen , das Bier aus dem Faß laufen , und verschüttest noch unser feines Mehl ! ’ ‘ Ja , Friederchen , das habe ich nicht gewußt , hättest mirs sagen müssen .’
Der Mann dachte ‘ geht das so mit deiner Frau , so mußt du dich besser vorsehen . ’ Nun hatte er eine hübsche Summe Thaler zusammen gebracht , die wechselte er in Gold ein , und sprach zum Catherlieschen ‘ siehst du , das sind gelbe Gickelinge , die will ich in einen Topf thun , und im Stall unter der Kuhkrippe vergraben , aber daß du mir ja davon bleibst , sonst geht dirs schlimm . ’ Sprach sie ‘nein , Friederchen , wills gewiß nicht thun . ’ Nun , als der Frieder fort war , da kamen Krämer , die irdene Näpfe und Töpfe feil hatten , ins Dorf , und fragten bei der jungen Frau an ob sie nichts zu handeln hätte . ‘ O , ihr lieben Leute ,’ sprach Catherlieschen , ‘ ich hab kein Geld , und kann nichts kaufen ; aber könnt ihr gelbe Gickelinge brauchen , so will ich wohl kaufen . ’ ‘ Gelbe Gickelinge , warum nicht ? laßt sie einmal sehen . ’ ‘ So geht in den Stall , und grabt unter der Kuhkrippe , da werdet ihr die gelben Gickelinge finden , ich darf nicht dabei gehen . ’ Die Spitzbuben giengen hin , gruben
und fanden eitel Gold . Da packten sie auf damit , liefen fort , und ließen Töpfe und Näpfe im Hause stehen . Catherlieschen meinte sie müßte das neue Geschirr auch brauchen : weil nun in der Küche ohnehin kein Mangel daran war , schlug sie jedem Topf den Boden aus , und steckte sie insgesammt zum Zierrath auf die Zaunpfähle rings ums Haus herum . Wie der Frieder kam und den neuen Zierrath sah , sprach er ‘Catherlieschen , was hast du gemacht ? ’ ‘Habs gekauft , Friederchen , für die gelben Gickelinge , die unter der Kuhkrippe steckten : bin selber nicht dabei gegangen , die Krämer haben sichs heraus graben müssen . ’ ‘ Ach , Frau ,’ sprach der Frieder , ‘ was hast du gemacht ! das waren keine Gickelinge , es war eitel Gold und war all unser Vermögen ; das hättest du nicht thun sollen . ’ ‘ Ja , Friederchen ,’ antwortete sie , ‘ das hab ich nicht gewußt , hättest mirs vorher sagen sollen .’
Catherlieschen stand ein Weilchen und besann sich , da sprach sie ‘hör , Friederchen , das Gold wollen wir schon wieder kriegen , wollen hinter den Dieben herlaufen . ’ ‘ So komm ,’ sprach der Frieder , ‘ wir wollens versuchen ; nimm aber Butter und Käse mit , daß wir auf dem Weg was zu essen haben . ’ ‘ Ja , Friederchen , wills mitnehmen . ’ Sie machten sich fort , und weil der Frieder besser zu Fuß war , gieng Catherlieschen hinten nach . ‘Jst mein Vortheil ,’ dachte es , ‘ wenn wir umkehren , hab ich ja ein Stück voraus . ’ Nun kam es an einen Berg , wo auf beiden Seiten des Wegs tiefe Fahrgleisen waren . ‘ Da sehe einer ,’ sprach Catherlieschen , ‘ was sie das arme Erdreich zerrissen ,
geschunden und gedrückt haben ! das wird sein Lebtag nicht wieder heil.’ Und aus mitleidigem Herzen nahm es seine Butter , und bestrich die Gleisen , rechts und links , damit sie von den Rädern nicht so gedrückt würden : und wie es sich bei seiner Barmherzigkeit so bückte , rollte ihm ein Käse aus der Tasche fort , den Berg hinab . Sprach das Catherlieschen ‘ ich habe den Weg schon einmal herauf gemacht , ich gehe nicht wieder hinab , es mag ein anderer hinlaufen und ihn wieder holen . ’ Also nahm es einen andern Käs , und rollte ihn hinab . Die Käse aber kamen beide nicht wieder , da ließ es noch einen dritten hinablaufen , und dachte ‘vielleicht warten sie auf Gesellschaft , und gehen nicht gern allein . ’ Als sie alle drei ausblieben , sprach es ‘ ich weiß nicht , was das vorstellen soll ! doch kanns ja sein , der dritte hat den Weg nicht gefunden , und sich verirrt , ich will nur den vierten schicken , daß er sie herbei ruft . ’ Der vierte machte es aber nicht besser als der dritte . Da ward das Catherlieschen ärgerlich , und warf noch den fünften und sechssten hinab , und das waren die letzten . Eine Zeit lang blieb es stehen und lauerte daß sie kämen , als sie aber immer nicht kamen , sprach es ‘o , ihr seid gut nach dem Tod schicken , ihr bleibt fein lange aus ; meint ihr , ich wollt noch länger auf euch warten ? ich gehe meiner Wege , ihr könnt mir nachlaufen , ihr habt jüngere Beine als ich . ’ Catherlieschen gieng fort , und fand den Frieder , der war stehen geblieben und hatte gewartet , weil er gerne was essen wollte . ‘ Nun , gieb einmal her , was du mitgenommen hast . ’ Sie reichte ihm das trockene Brot .
‘ Wo ist Butter und Käse ? ’ fragte der Mann . ‘ Ach , Friederchen ,’ sagte Catherlieschen , ‘ mit der Butter hab ich die Fahrgleisen geschmiert , und die Käse werden bald kommen ; einer lief mir fort , da hab ich die andern nachgeschickt , sie sollten ihn rufen . ’ Sprach der Frieder ‘ das hättest du nicht thun sollen , Catherlieschen , die Butter an den Weg schmieren , und die Käse den Berg hinab rollen . ’ ‘ Ja , Friederchen , hättest mirs sagen müssen .’
Da aßen sie das trockene Brot zusammen , und der Frieder sagte ‘Catherlieschen , hast du auch unser Haus verwahrt , wie du fort gegangen bist ? ’ ‘ Nein , Friederchen , hättest mirs vorher sagen sollen . ’ ‘ So geh wieder heim , und bewahr erst das Haus , ehe wir weiter gehen ; bring auch etwas anderes zu essen mit , ich will hier auf dich warten . ’ Catherlieschen gieng zurück , und dachte ‘Friederchen will etwas anderes zu essen , Butter und Käse schmeckt ihm wohl nicht , so will ich ein Tuch voll Hutzeln , und einen Krug Essig zum Trunk mitnehmen . ’ Darnach riegelte es die Oberthüre zu , aber die Unterthüre hob es aus , nahm sie auf die Schulter , und glaubte wenn es die Thüre in Sicherheit gebracht hätte , müßte das Haus wohl bewahrt sein . Catherlieschen nahm sich Zeit zum Weg , als es den Frieder wieder erreicht hatte , sprach es ‘ da , Friederchen , hast du die Hausthüre , da kannst du das Haus selber verwahren . ’ ‘ Ach , Gott ,’ sprach er , ‘ was hab ich für eine kluge Frau ! hebt die Thüre unten aus , daß alles hinein laufen kann , und riegelt sie oben zu . Jetzt ists zu spät noch einmal nach Haus zu gehen , aber hast du die Thüre hierher gebracht , so sollst du sie auch ferner tragen .
‘ Die Thüre will ich tragen , Friederchen , aber die Hutzeln und der Essigkrug werden mir zu schwer , ich hänge sie an die Thüre , die mag sie tragen .’
Nun giengen sie in den Wald , und suchten die Spitzbuben aber sie fanden sie nicht . Weils endlich dunkel ward , stiegen sie auf einen Baum , und wollten da übernachten . Kaum aber saßen sie oben , so kamen die Kerle daher , die forttragen was nicht gehen will , und Dinge finden ehe sie verloren sind . Sie ließen sich gerade unter dem Baum nieder , auf dem Frieder und Catherlieschen saßen , machten sich ein Feuer an , und wollten ihre Beute theilen . Der Frieder stieg von der andern Seite herab , und sammelte Steine , stieg damit wieder hinauf , und wollte die Diebe todt werfen . Die Steine aber trafen nicht , und die Spitzbuben riefen ‘ es ist bald Morgen , der Wind schüttelt die Tannäpfel herunter . ’ Catherlieschen hatte die Thüre noch immer auf der Schulter , und weil sie so schwer drückte , dachte es die Hutzeln wären schuld , und sprach ‘Friederchen , ich muß die Hutzeln hinabwerfen . ’ ‘ Nein , Catherlieschen , jetzt nicht ,’ antwortete er , ‘ sie könnten uns verrathen . ’ ‘ Ach , Friederchen , ich muß , sie drücken mich gar zu sehr . ’ ‘ Nun so thus , ins Henkers Namen ! ’ Da rollten die Hutzeln zwischen den Aesten herab , und die Kerle unten sprachen ‘ die Vögel misten .’ Eine Weile darnach , weil die Thüre noch immer drückte , sprach Catherlieschen ‘ ach , Friederchen , ich muß den Essig ausschütten . ’ ‘ Nein , Catherlieschen , das darfst du nicht , es könnte uns verrathen . ’ ‘ Ach , Friederchen , ich muß , er drückt mich gar zu sehr . ’
‘ Nun so thus ins Henkers Namen ! ’ Da schüttelte es den Essig aus , daß er die Kerle bespritzte . Sie sprachen untereinander ‘ der Thau tröpfelt schon herunter . ’ Endlich dachte Catherlieschen ‘ sollte es wohl die Thüre sein , was mich so drückt ? ’ und sprach ‘Friederchen , ich muß die Thüre hinabwerfen . ’ ‘ Nein , Catherlieschen , jetzt nicht , sie könnte uns verrathen . ’ ‘ Ach , Friederchen , ich muß , sie drückt mich gar zu sehr . ’ ‘ Nein , Catherlieschen halt sie ja fest . ’ ‘ Ach , Friederchen , ich laß sie fallen . ’ ‘ Ei , antwortete Frieder ärgerlich , so laß sie fallen ins Teufels Namen ! ’ Da fiel sie herunter mit starkem Gepolter , und die Kerle unten riefen ‘ der Teufel kommt vom Baum herab ,’ rissen aus , und ließen alles in Stich . Frühmorgens , wie die zwei herunter kamen , fanden sie all ihr Gold wieder , und trugens heim .
Zu Haus sprach der Frieder ‘Catherlieschen , nun mußt du aber auch fleißig sein und arbeiten . ’ ‘ Ja , Friederchen , wills schon thun , will ins Feld gehen , Frucht schneiden .’ Als Catherlieschen im Feld war , sprachs mit sich selber ‘eß ich , eh ich schneid , oder schlaf ich , eh ich schneid ? hei , ich will ehr essen ! ’ Da aß Catherlieschen , und ward überm Essen schläfrig , und fieng an zu schneiden , und schnitt halb träumend alle seine Kleider entzwei , Schürze , Rock und Hemd . Wie Catherlieschen nach langem Schlaf wieder erwachte , stand es halb nackigt da , und sprach zu sich selber ‘ bin ichs , oder bin ichs nicht ? ach ich bins nicht ! ’ Unterdessen wards Nacht , da lief Catherlieschen ins Dorf hinein , klopfte an ihres Mannes Fenster , und rief ‘ Friederchen ? ’ ‘ Was ist denn ? ’ ‘Möcht gern wissen , ob Catherlieschen drinnen ist . ’
‘ Ja , ja ,’ antwortete der Frieder , ‘ es wird wohl drin liegen und schlafen . ’ Sprach sie ‘ dann bin ichs gewiß nicht , ’ und lief fort .
Draußen fand Catherlieschen Spitzbuben , die wollten stehlen . Da gieng es bei sie , und sprach ‘ ich will euch helfen stehlen . ’ Die Spitzbuben meinten es wüßte die Gelegenheit des Orts , und warens zufrieden . Catherlieschen gieng vor die Häuser , und rief ‘ ihr Leute , habt ihr was ? wir wollen stehlen . ’ Dachten die Spitzbuben ‘ das wird gut werden ,’ und wünschten sie wären Catherlieschen wieder los . Da sprachen sie zu ihm ‘ vorm Dorfe hat der Pfarrer Rüben auf dem Feld , geh hin und rupf uns Rüben . ’ Catherlieschen gieng hin aufs Land , und fieng an zu rupfen , war aber so faul , und hob sich nicht in die Höhe . Da kam ein Mann vorbei , sahs , und stand still , und dachte , das wäre der Teufel , der so in den Rüben wühlte . Lief fort ins Dorf zum Pfarrer , und sprach ‘ Herr Pfarrer , in eurem Rübenland ist der Teufel , und rupft . ’ ‘ Ach Gott ,’ antwortete der Pfarrer , ‘ ich habe einen lahmen Fuß , ich kann nicht hinaus , und ihn wegbannen . ’ Sprach der Mann ‘ so will ich euch hockeln ,’ und hockelte ihn hinaus . Und wie sie bei das Land kamen , machte sich das Catherlieschen auf , und reckte sich in die Höhe . ‘ Ach , der Teufel ! ’ rief der Pfarrer , und beide eilten fort , und der Pfarrer konnte vor großer Angst mit seinem lahmen Fuß gerader laufen , als der Mann , der ihn gehockelt hatte , mit seinen geraden Beinen .
60.
Die zwei Brüder .
E s waren einmal zwei Brüder , ein reicher und ein armer . Der Reiche war ein Goldschmied , und bös von Herzen , der arme nährte sich davon , daß er Besen band , und war gut und redlich . Der arme hatte zwei Kinder , das waren Zwillingsbrüder und sich so ähnlich , wie ein Tropfen Wasser dem andern . Die zwei Knaben giengen in des Reichen Haus ab und zu , und erhielten von dem Abfall manchmal etwas zu essen . Es trug sich zu , daß der arme Mann , als er in den Wald gieng Reisig zu holen , einen Vogel sah , der ganz golden war und so schön , wie ihm noch niemals einer vor Augen gekommen war . Da hob er ein Steinchen auf , und warf nach ihm , und traf ihn auch glücklich , es fiel aber nur eine goldene Feder herab , und der Vogel flog fort . Der Mann nahm die Feder , und brachte sie seinem Bruder , der sah sie an und sprach ‘ es ist eitel Gold ,’ und gab ihm viel Geld dafür . Am andern Tag stieg der Mann auf einen Birkenbaum , und wollte ein paar Aeste abhauen , da flog derselbe Vogel heraus , und der Mann suchte , und fand ein Nest , und ein Ei lag darin , das war von Gold . Er nahm das Ei mit heim , und als er es seinem Bruder brachte , sprach dieser wiederum , ‘ es ist eitel Gold ,’ und gab ihm was es werth war .
Zuletzt sagte der Goldschmied ‘ den Vogel selber möcht ich wohl haben . ’ Der Arme gieng zum drittenmal in den Wald , und sah den Goldvogel wieder auf dem Baum sitzen , da nahm er einen Stein , und warf ihn herunter , und brachte ihn seinem Bruder , der gab ihm einen großen Haufen Geld dafür . ‘ Nun kann ich mir forthelfen ,’ dachte er , und gieng zufrieden nach Haus .
Der Goldschmied war klug und listig , und wußte wohl was das für ein Vogel war . Er rief seine Frau , und sprach ‘ brat mir den Goldvogel , und sorge daß nichts davon weg kommt : ich habe Lust ihn ganz allein zu essen . ’ Der Vogel war aber kein gewöhnlicher , sondern so wunderbarer Art , daß wer Herz und Leber von ihm aß , jeden Morgen ein Goldstück unter seinem Kopfkissen fand . Die Frau machte den Vogel zurecht , steckte ihn an einen Spieß , und ließ ihn braten . Nun geschah es , daß während er am Feuer stand , und die Frau anderer Arbeiten wegen nothwendig aus der Küche gehen mußte , die zwei Kinder des armen Besenbinders hereinliefen , sich vor den Spieß stellten , und ihn ein paarmal herumdrehten . Und als da grade zwei Stücklein aus dem Vogel in die Pfanne herabfielen , sprach der eine ‘ die paar Bischen wollen wir essen , ich bin so hungrig , es wirds ja niemand daran merken . ’ Da aßen sie beide die Stückchen auf ; die Frau kam aber dazu , und sah daß sie etwas aßen , und sprach ‘ was habt ihr gegessenen ? ’ ‘ Ein paar Stückchen , die aus dem Vogel herausgefallen sind ,’ antworteten sie . ‘ Das ist Herz und Leber gewesenen ,’ sprach die Frau ganz erschrocken , und damit ihr Mann nichts vermißte , und nicht böse ward ,
schlachtete sie geschwind ein Hähnchen , nahm Herz und Leber heraus , und legte es zu dem Goldvogel . Als er gahr war , trug sie ihn dem Goldschmied auf , der ihn ganz allein verzehrte , und nichts übrig ließ . Am andern Morgen aber , als er unter sein Kopfkissen griff , und dachte ein Goldstück hervor zu holen , war so wenig wie sonst etwas zu finden .
Die beiden Kinder aber wußten nicht was ihnen für ein Glück zu Theil geworden war . Am andern Morgen , wie sie aufstanden , fiel etwas auf die Erde und klingelte , und als sie es aufhoben , da warens zwei Goldstücke . Sie brachten sie ihrem Vater , der wunderte sich , und sprach ‘ wie sollte das zugegangen sein ? ’ Als sie aber am andern Morgen wieder zwei fanden , und so jeden Tag , da gieng er zu seinem Bruder , und erzählte ihm die seltsame Geschichte . Der Goldschmied merkte gleich wie es gekommen war , und daß die Kinder Herz und Leber von dem Goldvogel gegessen hatten , und um sich zu rächen , und weil er neidisch und hartherzig war , sprach er zu dem Vater ‘ deine Kinder sind mit dem Bösen im Spiel , nimm das Gold nicht , und schicke sie fort , denn er hat Macht über sie , und kann dich sonst auch noch ins Verderben bringen . ’ Der Vater fürchtete den Bösen , und so schwer es ihm ankam , führte er doch die Zwillinge hinaus in den Wald , und verließ sie da mit traurigem Herzen .
Nun liefen die zwei Kinder im Wald umher , und suchten den Weg nach Haus , konnten ihn aber nicht finden , sondern verirrten sich immer weiter . Endlich begegneten sie einem Jäger , der fragte ‘ wem gehört ihr Kinder ? ’ ‘ Wir sind des armen
Besenbinders Jungen ’ antworteten sie , und erzählten ihm daß sie ihr Vater verlassen hätte , weil alle Morgen ein Goldstück unter ihrem Kopfkissen läge . Nun war der Jäger ein guter Mann , und weil ihm die Kinder gefielen , und er selbst keine hatte , nahm er sie mit nach Haus und sprach ‘ ich will euer Vater sein , und euch groß ziehen . ’ Sie lernten da bei ihm die Jägerei , und das Goldstück das ein jeder beim Aufstehen fand , das hob er ihnen auf , wenn sie ’s einmal nöthig hätten .
Als sie herangewachsen waren , nahm sie ihr Pflegevater eines Tages mit in den Wald , und sprach ‘ heute sollt ihr euern Probeschuß thun , damit ich euch frei sprechen und zu Jägern machen kann . ’ Sie giengen mit ihm auf den Anstand , und warteten lange , aber es kam kein Wild . Da sah der Jäger über sich , und sah eine Kette von Schneegänsen in der Gestalt eines Dreiecks fliegen , und sagte zu dem einen ‘ nun schieß von jeder Ecke eine herab . ’ Der thats , und vollbrachte seinen Probeschuß . Bald darauf kam noch eine Kette angeflogen , und hatte die Gestalt der Ziffer Zwei , da hieß der Jäger den andern gleichfalls von jeder Ecke eine herunterholen , und dem gelang sein Probeschuß auch . Nun sagte der Pflegevater ’ ich spreche euch frei , ihr seid ausgelernte Jäger . ’ Daraus giengen die zwei Brüder zusammen in den Wald , rathschlagten mit einander , und verabredeten etwas . Und als sie Abends sich zum Essen niedergesetzt hatten , sagten sie zu ihrem Pflegevater ‘ wir rühren keinen Bissen an , bis ihr uns erst eine Bitte gewährt habt . ’ Sprach er ‘ was ist denn eure Bitte ? ’ Sie antworteten ‘ wir haben nun
ausgelernt , wir müssen uns auch in der Welt versuchen , so erlaubt daß wir fortziehen und wandern . ’ Da sprach der Alte mit Freuden ‘ ihr redet wie brave Jäger , das hab ich selbst gewünscht ; zieht aus , es wird euch wohl ergehen . ’ Darauf aßen und tranken sie fröhlich zusammen .
Als der bestimmte Tag kam , schenkte der Pflegevater jedem eine gute Büchse und einen Hund , und ließ jeden von seinen gesparten Goldstücken nehmen so viel er wollte . Darauf begleitete er sie ein Stück Wegs , und beim Abschied gab er ihnen noch ein blankes Messer , und sprach ‘ wann ihr euch einmal trennt , so stoßt dies Messer am Scheideweg in einen Baum , daran kann einer , wenn er zurückkommt , sehen wie es seinem abwesenden Bruder ergangen ist , denn die Seite , nach welcher dieser ausgezogen ist , rostet , wann er stirbt , so lange er aber lebt , bleibt sie blank . ’ Die zwei Brüder giengen fort , und kamen in einen Wald , so groß , daß sie unmöglich in einem Tag heraus konnten . Also blieben sie die Nacht darin , und aßen was sie in die Jägertasche gesteckt hatten ; sie giengen aber auch noch den zweiten Tag , und kamen nicht heraus , und hatten nichts zu essen . Sprach der eine ‘ wir müssen uns etwas schießen , sonst leiden wir Hunger ,’ lud seine Büchse , und sah sich um . Und als ein alter Hase daher gelaufen kam , legte er an , aber der Hase rief
‘lieber Jäger , laß mich leben ,
ich will dir auch zwei Junge geben .’
Da sprang er ins Gebüsch , und brachte zwei Junge ; die Thierlein spielten aber so munter , und waren so artig , daß die Jäger
es nicht übers Herz bringen konnten sie zu tödten . Sie behielten sie also bei sich , und die kleinen Hasen folgten ihnen auf dem Fuße nach . Bald darauf kam ein Fuchs , den wollten sie nun schießen , aber der Fuchs rief
‘lieber Jäger , laß mich leben ,
ich will dir auch zwei Junge geben .’
Und brachte auch zwei Füchslein , und die Jäger mochten sie auch nicht tödten , gaben sie den Hasen zur Gesellschaft , und sie folgten ihnen auch nach . Nicht lange , so kam ein Wolf , der sollte geschossen werden , aber er rettete sich das Leben , und rief
‘lieber Jäger , laß mich leben ,
ich will dir auch zwei Junge geben .’
Die zwei jungen Wölfe thaten die Jäger zu den andern Thieren , und sie folgten ihnen nach . Darauf kam ein Bär , der wollte gern noch länger herumtraben , und rief
‘lieber Jäger , laß mich leben ,
ich will dir auch zwei Junge geben .’
Die zwei jungen Bären thaten die Jäger auch zu den andern . Endlich , wer kam ? ein Löwe kam daher . Nun zielte einer von ihnen , aber der Löwe sprach gleichfalls
‘lieber Jäger , laß mich leben ,
ich will dir auch zwei Junge geben .’
Nun hatten die Jäger zwei Löwen , zwei Bären , zwei Wölfe , zwei Füchse und zwei Hasen , die ihnen nachzogen und dienten . Jndessen war ihr Hunger noch nicht gestillt worden , da sprachen sie zu den Füchsen ‘ hört , ihr Schleicher , schafft uns etwas zu
essen , ihr seid ja listig und verschlagen . ’ Sie antworteten ‘ nicht weit von hier liegt ein Dorf , wo wir schon manches Huhn geholt haben ; den Weg dahin wollen wir euch zeigen . ’ Da giengen sie ins Dorf , kauften sich etwas zu essen , und ließen auch ihren Thieren Futter geben , und zogen dann weiter . Die Füchse aber wußten guten Bescheid in der Gegend , wo die Hühnerhöfe waren , und konnten die Jäger überall zurecht weisen .
Nun zogen sie eine Weile herum , konnten aber keinen Dienst finden , wo sie zusammen geblieben wären , da sprachen sie ‘ es geht nicht anders , wir müssen uns trennen . ’ Und nachdem sie die Thiere getheilt hatten , so daß jeder einen Löwen , einen Bären , einen Wolf , einen Fuchs und einen Hasen bekam , nahmen sie Abschied , versprachen sich brüderliche Liebe bis in den Tod , und stießen das Messer , das ihnen ihr Pflegevater mitgegeben , in einen Baum ; worauf der eine nach Osten , der andere nach Westen zog .
Der jüngste aber kam mit seinen Thieren in eine Stadt , die war ganz mit schwarzem Flor überzogen . Er gieng in ein Wirthshaus , und fragte den Wirth ob er nicht seine Thiere herbergen könnte . Der Wirth gab ihnen einen Stall , wo in der Wand ein Loch war : da kroch der Hase hinaus , und holte sich ein Kohlhaupt , und der Fuchs holte sich ein Huhn , und als er das gefressen hatte , auch den Hahn dazu ; der Wolf aber , der Bär und der Löwe , weil sie zu groß waren , konnten nicht hinaus . Da ließ sie der Wirth hinbringen , wo eben eine Kuh auf dem Rasen lag , daß sie sich satt fraßen . Und als der Jäger für seine Thiere gesorgt hatte ,
fragte er erst den Wirth , warum die Stadt so mit Trauerflor ausgehängt wäre ? Sprach der Wirth ‘ weil morgen unseres Königs einzige Tochter sterben wird . ’ Fragte der Jäger ‘ ist sie sterbenskrank ? ’ ‘Nein ,’ antwortete der Wirth , ‘ sie ist ganz gesund , aber sie muß doch sterben ’ ‘ Wie geht das zu ? ’ fragte der Jäger . ‘Draußen vor der Stadt ist ein hoher Berg , darauf wohnt ein Drache , der muß alle Jahr eine reine Jungfrau haben , sonst verwüstet er das ganze Land . Nun sind schon alle Jungfrauen hingegeben , und ist niemand mehr übrig als die Königstochter , dennoch ist keine Gnade , sie muß ihm überliefert werden ; und das soll morgen geschehen . ’ Sprach der Jäger ‘ warum wird der Drache nicht getödtet ? ’ ‘ Ach ,’ antwortete der Wirth , ‘ so viele Ritter habens versucht , aber allesammt ihr Leben eingebüßt ; der König hat dem , der den Drachen besiegt , seine Tochter zur Frau versprochen und daß er nach seinem Tode das Reich erben solle .’
Der Jäger sagte dazu weiter nichts , aber am andern Morgen nahm er seine Thiere , und stieg mit ihnen auf den Drachenberg . Da fand er oben eine kleine Kirche , und auf dem Altar standen drei gefüllte Becher und dabei war die Schrift ‘ wer die Becher austrinkt , wird der stärkste Mann auf Erden , und wird das Schwert führen , das vor der Thürschwelle vergraben liegt . ’ Der Jäger trank da nicht , gieng hinaus , und suchte das Schwert in der Erde , vermochte aber nicht es von der Stelle zu bewegen . Da gieng er hin , und trank die Becher aus , und war nun stark genug das Schwert aufzunehmen , und seine Hand konnte es
ganz leicht führen . Als die Stunde kam , wo die Jungfrau dem Drachen sollte ausgeliefert werden , begleitete sie der König , der Marschall und die Hofleute hinaus . Sie sah von weitem den Jäger oben auf dem Drachenberg , und meinte der Drache stände da , und erwartete sie , und wollte nicht hinaufgehen , endlich aber , weil die ganze Stadt sonst wäre verloren gewesen , mußte sie den schweren Gang thun . Der König und die Hofleute kehrten voll großer Trauer heim , des Königs Marschall aber sollte stehen bleiben , und aus der Ferne alles mit ansehen .
Als die Königstochter aber auf den Berg kam , stand da oben nicht der Drache sondern der junge Jäger , der sprach ihr Trost ein , und sagte er wollte sie retten , und führte sie in die Kirche , und verschloß sie darin . Gar nicht lange , so kam mit großem Gebraus der siebenköpfige Drache daher gefahren . Als er den Jäger erblickte , verwunderte er sich , und sprach ‘ was hast du hier auf dem Berge zu schaffen ? ’ Der Jäger antwortete ‘ ich will mit dir kämpfen . ’ Sprach der Drache ‘ so mancher Rittersmann hat hier sein Leben gelassen , mit dir will ich auch fertig werden ,’ und athmete Feuer aus seinen sieben Rachen . Das Feuer sollte das trockne Gras anzünden , und der Jäger sollte in der Glut und dem Dampf ersticken , aber die Thiere kamen herbeigelaufen , und traten das Feuer aus . Da fuhr der Drache gegen den Jäger , aber er schwang sein Schwert , daß es in der Luft sang , und schlug ihm drei Köpfe ab . Da ward der Drache erst recht wüthend , erhob sich in die Luft , spie die Feuerflammen über den Jäger aus , und wollte sich auf ihn stürzen , aber der Jäger zuckte
nochmals sein Schwert , und hieb ihm wieder drei Köpfe ab . Nun wurde das Unthier matt , und sank nieder , und wollte doch wieder auf den Jäger los , aber er schlug ihm mit der letzten Kraft den Schweif ab , und weil er nicht mehr kämpfen konnte , rief er seine Thiere herbei , die zerrissen es in Stücke . Als der Kampf zu Ende war , schloß der Jäger die Kirche auf , und fand die Königstochter auf der Erde liegen , weil ihr die Sinne vor Angst und Schrecken bei dem Streit vergangen waren . Er trug sie heraus , und als sie wieder zu sich selbst kam , und die Augen aufschlug , zeigte er ihr den zerrissenen Drachen , und sagte ihr daß sie nun erlöst wäre , und sie freute sich , und sprach ‘ nun wirst du mein liebster Gemahl werden , denn mein Vater hat mich demjenigen versprochen , der den Drachen tödtet . ’ Darauf hieng sie ihr Halsband von Korallen ab , und vertheilte es unter die Thiere , und der Löwe erhielt das goldene Schlößchen davon . Jhr Taschentuch aber , in dem ihr Namen stand , schenkte sie dem Jäger , der gieng hin und schnitt aus den sieben Drachenköpfen die Zungen aus , wickelte sie in das Tuch , und verwahrte sie wohl .
Als das geschehen war , weil er von dem Feuer und dem Kampf so matt und müde war , sprach er zur Jungfrau , ‘ wir sind beide so matt und müde , wir wollen ein wenig schlafen . ’ Da sagte sie ja , und sie ließen sich auf die Erde nieder , und der Jäger sprach zu dem Löwen ‘ du sollst wachen , damit uns niemand im Schlaf überfällt , ’ und beide schliefen ein . Der Löwe legte sich neben sie um zu wachen , aber er war vom Kampf
auch müde , daß er den Bären rief , und sprach ‘ lege dich neben mich , ich muß ein wenig schlafen , und wenn was kommt , so wecke mich auf . ’ Da legte sich der Bär neben ihn , aber er war auch müde , und rief den Wolf , und sprach ‘ lege dich neben mich , ich muß ein wenig schlafen , und wenn was kommt , so wecke mich auf . ’ Da legte sich der Wolf neben ihn , aber er war auch müde , und rief den Fuchs , und sprach ‘ lege dich neben mich , ich muß ein wenig schlafen , und wenn was kommt , so wecke mich auf . ’ Da legte sich der Fuchs neben ihn , aber er war auch müde , rief den Hasen , und sprach ‘ lege dich neben mich , ich muß ein wenig schlafen , und wenn was kommt , so wecke mich auf . ’ Da setzte sich der Hase neben ihn , aber der arme Has war auch müde , und hatte niemand , den er zur Wache herbeirufen konnte , und schlief ein . Da schlief nun die Königstochter , der Jäger , der Löwe , der Bär , der Wolf , der Fuchs und der Has , und schliefen alle einen festen Schlaf .
Der Marschall aber , der von weitem hatte zuschauen sollen , als er den Drachen nicht mit der Jungfrau fortfliegen sah , und alles auf dem Berg ruhig ward , nahm sich ein Herz , und stieg hinauf . Da lag der Drache zerstückt und zerrissen auf der Erde , und nicht weit davon die Königstochter und ein Jäger mit seinen Thieren , die waren alle in tiefen Schlaf versunken . Und weil er bös und gottlos war , so nahm er sein Schwert und hieb dem Jäger das Haupt ab , und faßte die Jungfrau auf den Arm , und trug sie den Berg hinab . Da erwachte sie und erschrack , aber der Marschall sprach ‘ du bist in meinen Händen , du sollst sagen
daß ich es gewesen bin , der den Drachen getödtet hat . ’ ‘ Das kann ich nicht ,’ antwortete sie , ‘ denn ein Jäger mit seinen Thieren hats gethan . ’ Da zog er sein Schwert , und drohte sie zu tödten , wo sie ihm nicht gehorchte , und zwang sie damit daß sie es versprach . Darauf brachte er sie vor den König , der sich vor Freuden nicht zu lassen wußte , als er sein liebes Kind wieder lebend erblickte , das er von dem Unthier zerrissen glaubte . Der Marschall sprach zu ihm ‘ ich habe den Drachen getödtet , und die Jungfrau und das ganze Reich befreit , darum fordere ich sie zur Gemahlin , so wie es zugesagt ist .’ Der König fragte die Jungfrau ‘ ist das wahr , was er spricht ? ’ ‘ Ach ja ,’ antwortete sie , ‘ aber ich halte mir aus daß erst über Jahr und Tag die Hochzeit gefeiert wird ,’ denn sie dachte in der Zeit etwas von ihrem lieben Jäger zu hören .
Auf dem Drachenberg aber lagen noch die Thiere neben ihrem todten Herrn , und schliefen , da kam eine große Hummel , und setzte sich dem Hasen auf die Nase , aber der Hase wischte sie mit der Pfote ab , und schlief weiter . Die Hummel kam zum zweitenmal , aber der Hase wischte sie wieder ab , und schlief fort . Da kam sie zum drittenmal , und stach ihm in die Nase , daß er aufwachte . Sobald der Hase wach war , weckte er den Fuchs , und der Fuchs den Wolf , und der Wolf den Bär , und der Bär den Löwen . Und als der Löwe aufwachte , und sah daß die Jungfrau fort war und sein Herr todt , fieng er an fürchterlich zu brüllen , und rief ‘ wer hat das vollbracht ? Bär , warum hast du mich nicht geweckt ? ’ Der Bär fragte den Wolf ‘ warum hast
du mich nicht geweckt ? ’ und der Wolf den Fuchs ‘ warum hast du mich nicht geweckt ? ’ und der Fuchs den Hasen ‘ warum hast du mich nicht geweckt ? ’ Der arme Has wußte allein nichts zu antworten , und die Schuld blieb auf ihm hangen . Da wollten sie über ihn herfallen , aber er bat und sprach ‘bringt mich nicht um , ich will unserm Herrn das Leben wieder verschaffen . Jch weiß einen Berg , da wächst eine Wurzel , wer die im Mund hat , der wird von aller Krankheit und allen Wunden geheilt . Aber der Berg liegt zweihundert Stunden von hier . ’ Sprach der Löwe ‘ in vier und zwanzig Stunden mußt du hin und her gelaufen sein und die Wurzel mitbringen . ’ Da sprang der Hase fort , und in vier und zwanzig Stunden war er zurück , und brachte die Wurzel mit . Der Löwe setzte dem Jäger den Kopf wieder an , und der Hase steckte ihm die Wurzel in den Mund , alsbald fügte sich alles wieder zusammen , und das Herz schlug , und das Leben kehrte zurück . Da erwachte der Jäger , und erschrack als er die Jungfrau nicht mehr sah , und dachte ‘ sie ist wohl fortgegangen , während ich schlief , um mich los zu werden . ’ Der Löwe hatte in der großen Eile seinem Herrn den Kopf verkehrt aufgesetzt , der aber merkte es nicht bei seinen traurigen Gedanken an die Königstochter : erst zu Mittag , als er etwas essen wollte , da sah er daß ihm der Kopf nach dem Rücken zu stand , konnte es nicht begreifen , und fragte die Thiere was ihm im Schlaf widerfahren wäre ? Da erzählte ihm der Löwe daß sie auch alle aus Müdigkeit eingeschlafen wären , und beim Erwachen hätten sie ihn todt gefunden , mit abgeschlagenem Haupte ,
der Hase hätte die Lebenswurzel geholt , er aber in der Eil den Kopf verkehrt gehalten ; doch wollte er seinen Fehler wieder gut machen . Dann riß er dem Jäger den Kopf wieder ab , drehte ihn herum , und der Hase heilte ihn mit der Wurzel fest .
Der Jäger aber war traurig , zog in der Welt herum , und ließ seine Thiere vor den Leuten tanzen . Es trug sich zu , daß er gerade nach Verlauf eines Jahres wieder in dieselbe Stadt kam , wo er die Königstochter vom Drachen erlöst hatte , und die Stadt war diesmal ganz mit rothem Scharlach ausgehängt . Da sprach er zum Wirth ‘ was will das sagen ? vorm Jahr war die Stadt mit schwarzem Flor überzogen , was soll heute der rothe Scharlach ? ’ Der Wirth antwortete ‘ vorm Jahr sollte unsers Königs Tochter dem Drachen ausgeliefert werden , aber der Marschall hat mit ihm gekämpft und ihn getödtet , und da soll morgen ihre Vermählung gefeiert werden ; darum war die Stadt damals mit schwarzem Flor zur Trauer , und ist heute mit rothem Scharlach zur Freude ausgehängt .’
Am andern Tag , wo die Hochzeit sein sollte , sprach der Jäger um Mittagszeit zum Wirth ‘ glaubt er wohl , Herr Wirth , daß ich heut Brot von des Königs Tisch hier bei ihm essen will ? ’ ‘ Ja ,’ sprach der Wirth , ‘ da wollt ich doch noch hundert Goldstücke dran setzen , daß das nicht wahr ist . ’ Der Jäger nahm die Wette an , und setzte einen Beutel mit eben so viel Goldstücken dagegen . Dann rief er den Hasen , und sprach ‘geh hin , lieber Springer , und hol mir von dem Brot , das der König ißt . ’ Nun war das Häslein das geringste , und konnte es keinem
andern wieder auftragen , sondern mußte sich selbst auf die Beine machen . ‘ Ei ,’ dachte es , ‘ wann ich so allein durch die Straßen springe , da werden die Metzgerhunde hinter mir drein sein . ’ Wie es dachte , so geschah es auch , und die Hunde kamen hinter ihm drein , und wollten ihm sein gutes Fell flicken . Es sprang aber , hast du nicht gesehen ! und flüchtete sich in ein Schilderhaus ohne daß es der Soldat gewahr wurde . Da kamen die Hunde , und wollten es heraus haben , aber der Soldat verstand keinen Spaß , und schlug mit dem Kolben drein , daß sie schreiend und heulend fortliefen . Als der Hase merkte daß die Luft rein war , sprang er zum Schloß hinein und gerade zur Königstochter , und setzte sich unter ihren Stuhl , und kratzte sie am Fuß . Da sagte sie ‘ willst du fort ! ’ und meinte es wäre ihr Hund . Der Hase kratzte sie zum zweitenmal am Fuß , da sagte sie wieder ‘ willst du fort ! ’ und meinte es wäre ihr Hund . Aber der Hase ließ sich nicht irre machen , und kratzte zum drittenmal , da guckte sie herab , und erkannte den Hasen an seinem Halsband . Nun nahm sie ihn auf ihren Schooß , trug ihn in ihre Kammer , und sprach ‘lieber Hase , was willst du ? ’ Antwortete er ‘ mein Herr , der den Drachen getödtet hat , ist hier und schickt mich , ich soll um ein Brot bitten , wie es der König ißt . ’ Da war sie voll Freude , und ließ den Bäcker kommen , und befahl ihm , ein Brot zu bringen , wie es der König aß . Sprach das Häslein ‘ aber der Bäcker muß mirs auch hintragen , damit mir die Metzgerhunde nichts thun . ’ Der Bäcker trug es ihm bis an die Thüre der Wirthsstube , da stellte sich der Hase
auf die Hinterbeine , nahm alsbald das Brot in die Vorderpfoten , und brachte es seinem Herrn . Da sprach der Jäger ‘sieht er , Herr Wirth , die hundert Goldstücke sind mein . ’ Der Wirth wunderte sich , aber der Jäger sagte weiter ‘ ja Herr Wirth , das Brot hätt ich , nun will ich aber auch von des Königs Braten essen . ’ Der Wirth sagte ‘ das möcht ich sehen ,’ aber wetten wollte er nicht mehr . Rief der Jäger den Fuchs , und sprach ‘ mein Füchslein , geh hin und hol mir Braten , wie ihn der König ißt . ’ Der Rothfuchs wußte die Schliche besser , gieng an den Ecken und durch die Winkel , ohne daß ihn ein Hund sah , und setzte sich unter der Königstochter Stuhl , und kratzte an ihrem Fuß . Da sah sie herab , und erkannte den Fuchs am Halsband , und nahm ihn mit in ihre Kammer , und sprach ‘lieber Fuchs , was willst du ? ’ Antwortete er ‘ mein Herr , der den Drachen getödtet hat , ist hier , und schickt mich , ich soll bitten um einen Braten , wie ihn der König ißt . ’ Da ließ sie den Koch kommen , der mußte einen Braten , wie ihn der König aß , anrichten , und dem Fuchs bis an die Thüre tragen , da nahm ihm der Fuchs die Schüssel ab , und brachte sie seinem Herrn . ‘Sieht er , Herr Wirth ,’ sprach der Jäger , ‘ Brot und Fleisch ist da , nun will ich auch Zugemüs essen , wie es der König ißt . ’ Da rief er den Wolf und sprach ‘lieber Wolf , geh hin und hol mir Zugemüs , wies der König ißt . ’ Da gieng der Wolf geradezu ins Schloß weil er sich vor niemand fürchtete , und als er in der Königstochter Zimmer kam , da zupfte er sie hinten am Kleid , daß sie sich umschauen mußte . Sie erkannte ihn am
Halsband , und nahm ihn mit in ihre Kammer , und sprach ‘lieber Wolf , was willst du ? ’ Antwortete er ‘ mein Herr , der den Drachen getödtet hat , ist hier , ich soll bitten um ein Zugemüs , wie es der König ißt . ’ Da ließ sie den Koch kommen , der mußte ein Zugemüs bereiten , wie es der König aß , und mußte es dem Wolf bis vor die Thüre tragen , da nahm ihm der Wolf die Schüssel ab , und brachte sie seinem Herrn . ‘Sieht er , Herr Wirth ’ sprach der Jäger , ‘ nun hab ich Brot , Fleisch und Zugemüs , aber ich will auch Zuckerwerk essen , wie es der König ißt . ’ Rief er den Bären , und sprach ‘lieber Bär , du leckst doch gern etwas Süßes , geh hin und hol mir Zuckerwerk , wies der König ißt . ’ Da trabte der Bär nach dem Schlosse , und gieng ihm jedermann aus dem Wege , als er aber zu der Wache kam , hielt sie die Flinten vor , und wollte ihn nicht ins königliche Schloß lassen . Aber er hob sich in die Höhe , und gab mit seinen Tatzen links und rechts ein paar Ohrfeigen , daß die ganze Wache zusammen fiel , und darauf gieng er gerades Wegs zu der Königstochter , stellte sich hinter sie , und brummte ein wenig . Da schaute sie rückwärts , und erkannte den Bären , und hieß ihn mit gehn in ihre Kammer , und sprach ‘lieber Bär , was willst du ? ’ Antwortete er ‘ mein Herr , der den Drachen getödtet hat , ist hier , ich soll bitten um Zuckerwerk , wies der König ißt . ’ Da ließ sie den Zuckerbäcker kommen , der mußte Zuckerwerk backen , wies der König aß , und dem Bären vor die Thüre tragen , da stellte sich der Bär aufrecht , nahm ihm die Schüssel ab , und brachte sie seinem Herrn . ‘Sieht er , Herr Wirth ,’
sprach der Jäger , ‘ nun habe ich Brot , Fleisch , Zugemüs und Zuckerwerk , aber ich will auch Wein trinken , wie ihn der König trinkt .’ Er rief seinen Löwen herbei , und sprach ‘lieber Löwe , du trinkst dir doch gerne einen Rausch , geh und hol mir Wein , wie ihn der König trinkt . ’ Da schritt der Löwe über die Straße , und die Leute liefen vor ihm , und als er an die Wache kam , wollte sie den Weg sperren , aber er brüllte einmal , da sprang alles fort . Nun gieng der Löwe vor das königliche Zimmer , und klopfte mit seinem Schweif an die Thüre . Da kam die Königstochter heraus , und wäre fast über den Löwen erschrocken , aber sie erkannte ihn an dem goldenen Schloß von ihrem Halsbande , und hieß ihn mit in ihre Kammer gehen , und sprach ‘lieber Löwe , was willst du ? ’ Antwortete er ‘ mein Herr , der den Drachen getödtet hat , ist hier , ich soll bitten um Wein , wie ihn der König trinkt . ’ Da ließ sie den Mundschenk kommen , der sollte dem Löwen Wein geben , wie ihn der König tränke . Sprach der Löwe ‘ ich will mitgehen und sehen daß ich den rechten kriege . ’ Da gieng er mit dem Mundschenk hinab , und als sie unten hin kamen , wollte ihm dieser von dem gewöhnlichen Wein zapfen , wie ihn des Königs Diener tranken , aber der Löwe sprach ‘halt ein , ich will den Wein erst versuchen ,’ zapfte sich ein halbes Maaß , und schluckte es auf einmal hinab . ‘Nein ,’ sagte er , ‘ das ist nicht der rechte . ’ Der Mundschenk sah ihn schief an , gieng aber , und wollte ihm aus einem andern Faß geben , das für des Königs Marschall war . Sprach der Löwe ‘halt ! erst will ich den Wein versuchen ,’ zapfte sich ein halbes Maaß , und
trank es , ‘ der ist besser , aber noch nicht der rechte . ’ Da ward der Mundschenk bös , und sprach ‘ was so ein dummes Vieh vom Wein verstehen will ! ’ Aber der Löwe gab ihm einen Schlag hinter die Ohren , daß er unsanft zur Erde fiel , und als er sich wieder aufgemacht hatte , führte er den Löwen ganz stillschweigens in einen kleinen besonderen Keller , wo des Königs Wein lag , von dem sonst kein Mensch zu trinken bekam . Der Löwe zapfte sich erst ein halbes Maaß , und versuchte den Wein , dann sprach er ‘ das kann von dem rechten sein , ’ und hieß den Mundschenk sechs Flaschen füllen . Nun stiegen sie herauf , wie der Löwe aber ins Freie kam , schwankte er hin und her , und war ein wenig trunken , und der Mundschenk mußte ihm den Wein bis vor die Thüre tragen , da nahm er den Korb , und brachte ihn seinem Herrn . Sprach der Jäger ‘sieht er , Herr Wirth , da hab ich Brot , Fleisch , Zugemüs , Zuckerwerk und Wein , wie es der König hat , nun will ich mit meinen Thieren Mahlzeit halten ,’ und setzte sich hin , aß und trank , und gab dem Hasen , dem Fuchs , dem Wolf , dem Bär und dem Löwen auch davon zu essen und zu trinken , und war guter Dinge , denn er sah daß ihn die Königstochter noch lieb hatte . Und als er Mahlzeit gehalten , sprach er ‘ Herr Wirth , nun hab ich gegessen und getrunken , wie der König ißt und trinkt , jetzt will ich an des Königs Hof gehen , und die Königstochter heirathen . ’ Fragte der Wirth ‘ wie soll das zugehen , da sie schon einen Bräutigam hat , und heute soll vermählt werden ? ’ Da zog der Jäger das Taschentuch heraus , das ihm die Königstochter auf dem Drachenberg gegeben
hatte , und worin die sieben Zungen des Unthiers eingewickelt waren , und sprach ‘ dazu soll mir helfen was ich da in der Hand halte . ’ Da sah der Wirth das Tuch an , und sprach ‘ wenn ich alles glaube , so glaube ich das nicht , und will wohl Haus und Hof dran setzen . ’ Der Jäger aber nahm einen Beutel mit tausend Goldstücken , stellte ihn auf den Tisch , und sagte ‘ das setze ich dagegen .’
Nun sprach der König an der königlichen Tafel zu seiner Tochter ‘ was haben die wilden Thiere alle gewollt , die zu dir gekommen und in mein Schloß ein und ausgegangen sind ? ’ Da antwortete sie ‘ ich darfs nicht sagen , aber schickt hin , und laßt den Herrn dieser Thiere holen , so werdet ihr wohl thun . ’ Der König schickte einen Diener ins Wirthshaus , und ließ den fremden Mann einladen , und der Diener kam gerade wie der Jäger mit dem Wirth gewettet hatte . Da sprach er ‘sieht er , Herr Wirth , da schickt der König einen Diener , und läßt mich einladen , aber ich gehe so noch nicht . ’ Und zu dem Diener sagte er ‘ ich lasse den Herrn König bitten daß er mir königliche Kleider schickt , einen Wagen mit sechs Pferden und Diener , die mir aufwarten . ’ Als der König die Antwort hörte , sprach er zu seiner Tochter ‘ was soll ich thun ? ’ Sagte sie ‘ laßt ihn holen wie ers verlangt , so werdet ihr wohl thun . ’ Da schickte der König königliche Kleider , einen Wagen mit sechs Pferden und Diener , die ihm aufwarten sollten . Als der Jäger sie kommen sah , sprach er ‘sieht er , Herr Wirth , nun werde ich abgeholt wie ich es verlangt habe ,’ und zog die königlichen Kleider an , nahm
das Tuch mit den Drachenzungen , und fuhr zum König . Als ihn der König kommen sah , sprach er zu seiner Tochter ‘ wie soll ich ihn empfangen ? ’ Antwortete sie ‘ geht ihm entgegen , so werdet ihr wohl thun . ’ Da gieng ihm der König entgegen , und führte ihn herauf , und seine Thiere folgten ihm nach . Der König wies ihm einen Platz an neben sich und seiner Tochter , der Marschall saß auf der andern Seite , als Bräutigam , aber der kannte ihn nicht mehr . Nun wurden gerade die sieben Häupter des Drachen zur Schau aufgetragen , und der König sprach ’ die sieben Häupter hat der Marschall dem Drachen abgeschlagen , darum geb ich ihm heute meine Tochter zur Gemahlin . ’ Da stand der Jäger auf , öffnete die sieben Rachen und sprach ‘ wo sind die sieben Zungen des Drachen ? ’ Da erschrack der Marschall , ward bleich , und wußte nicht was er antworten sollte , endlich sagte er in der Angst ‘Drachen haben keine Zungen . ’ Sprach der Jäger ‘ die Lügner sollten keine haben , aber die Drachenzungen sind das Wahrzeichen des Siegers ,’ und wickelte das Tuch auf , da lagen sie alle siebene darin , und dann steckte er jede Zunge in den Rachen , in den sie gehörte , und sie paßte genau . Darauf nahm er das Tuch , in welches der Name der Königstochter gestickt war , und zeigte es der Jungfrau , und fragte sie wem sie es gegeben hätte , da antwortete sie ‘ dem , der den Drachen getödtet hat . ’ Und dann rief er sein Gethier , nahm jedem das Halsband und dem Löwen das goldene Schloß ab , und zeigte es der Jungfrau , und fragte wem es angehörte . Antwortete sie ‘ das Halsband und das goldene Schloß waren
mein , ich habe es unter die Thiere vertheilt , die den Drachen besiegen halfen . ’ Da sprach der Jäger ‘ als ich nach dem Kampf müde und matt war , und geruht und geschlafen habe , da ist der Marschall gekommen , und hat mir den Kopf abgehauen , und hat die Königstochter fortgetragen , und vorgegeben er sei es gewesen , der den Drachen getödtet habe ; und daß er gelogen hat , beweise ich mit den Zungen , dem Tuch und dem Halsband . ’ Und dann erzählte er wie ihn seine Thiere durch eine wunderbare Wurzel geheilt hätten , und daß er ein Jahr lang mit ihnen herumgezogen und endlich wieder hierher gekommen wäre , wo ihm der Betrug des Marschalls vom Wirth sei erzählt worden . Da fragte der König seine Tochter , ‘ ist es wahr , daß dieser den Drachen getödtet hat ? ’ Da antwortete sie ‘ja , es ist wahr ; nun darf ich auch die Schandthat des Marschalls offenbaren , weil sie ohne mein Zuthun an den Tag gekommen ist , denn er hat mir das Versprechen zu schweigen abgezwungen . Darum aber habe ich mir ausgehalten daß erst in Jahr und Tag die Hochzeit sollte gefeiert werden . ’ Da ließ der König zwölf Rathsherrn rufen , die sollten über den Marschall Urtheil sprechen , und die urtheilten daß er müßte von vier Ochsen zerrissen werden . Also ward der Marschall gerichtet , der König aber übergab seine Tochter dem Jäger , und der wurde zum Statthalter des Königs im ganzen Reich ernannt . Die Hochzeit wurde mit großen Freuden gefeiert , und der junge König ließ seinen Vater und Pflegevater holen , und überhäufte sie mit Schätzen . Den Wirth vergaß er auch nicht , und ließ ihn kommen , und sprach zu ihm
‘sieht er , Herr Wirth , die Königstochter habe ich geheirathet , und sein Haus und Hof sind mein . ’ Sprach der Wirth ‘ja , das wäre nach den Rechten .’ Der junge König aber sagte ‘ es soll nach Gnaden gehen , Haus und Hof soll er behalten , und die tausend Goldstücke schenke ich ihm noch dazu .’
Nun waren der junge König und die junge Königin guter Dinge , und lebten vergnügt zusammen . Er zog oft hinaus auf die Jagd , weil das seine Freude war , und die Thiere mußten ihn begleiten . Es lag aber in der Nähe ein Wald , von dem hieß es , er wäre nicht geheuer , und wäre einer erst darin , so käm er nicht leicht wieder heraus . Der junge König hatte aber große Lust darin zu jagen , und ließ dem alten König keine Ruhe bis er es ihm erlaubte . Nun ritt er mit einer großen Begleitung aus , und als er zu dem Wald kam , sah er eine schneeweiße Hirschkuh darin , und sprach zu seinen Leuten ‘ haltet hier bis ich zurück komme , ich will das schöne Wild jagen , ’ und ritt ihm nach in den Wald hinein , und nur seine Thiere folgten ihm . Die Leute hielten und warteten bis Abend , aber er kam nicht wieder , da ritten sie heim und erzählten der jungen Königin ‘ der junge König ist im Zauberwald einer weißen Hirschkuh nachgejagt , und ist nicht wieder gekommen . ’ Da war sie in großer Besorgnis um ihn . Er war aber dem schönen Wild immer nachgeritten , und konnte es niemals einholen ; wenn er meinte es wäre schußrecht , so wars gleich wieder in weiter Ferne , und endlich verschwand es ganz . Nun merkte er daß er tief in den Wald hineingerathen war , nahm sein Horn und blies ,
aber er bekam keine Antwort , denn seine Leute konntens nicht hören . Und da auch die Nacht einbrach , sah er daß er diesen Tag nicht heim kommen könnte , stieg ab , machte sich bei einem Baum ein Feuer an , und wollte dabei übernachten . Als er bei dem Feuer saß , und seine Thiere sich auch neben ihn gelegt hatten , däuchte ihn eine menschliche Stimme zu hören ; er schaute um sich , konnte aber nichts bemerken . Bald darauf hörte er wieder ein Aechzen wie von oben her , da schaute er in die Höhe , und sah ein altes Weib auf dem Baum sitzen , das jammerte in einem fort ‘ hu , hu , hu , was mich friert ! ’ Sprach er ‘ steig herab und wärme dich , wenn dich friert . ’ Sie aber sagte ‘nein , deine Thiere beißen mich . ’ Antwortete er ‘ sie thun dir nichts , altes Mütterchen , komm nur herunter . ’ Sie war aber eine Hexe , und sprach ‘ ich will dir eine Ruthe von dem Baum herabwerfen , wenn du sie damit auf den Rücken schlägst , thun sie mir nichts . ’ Da warf sie ihm ein Rüthlein herab , und er schlug sie damit , alsbald lagen sie still , und waren in Stein verwandelt . Und als die Hexe vor den Thieren sicher war , sprang sie herunter , und rührte ihn auch mit einer Ruthe an , und verwandelte ihn in Stein . Darauf lachte sie , und schleppte ihn und die Thiere in einen Graben , wo schon mehr solcher Steine lagen .
Als aber der junge König gar nicht wieder kam , ward die Angst und Sorge der Königin immer größer . Nun trug sich zu daß gerade in dieser Zeit der andere Bruder , der bei der Trennung gen Osten gewandelt war , in das Königreich kam . Er hatte einen Dienst gesucht , und keinen gefunden , war dann herumgezogen
hin und her , und hatte seine Thiere tanzen lassen . Da fiel ihm ein er wollte einmal nach dem Messer sehen , das sie bei ihrer Trennung in einen Baumstamm gestoßen hatten , um zu erfahren wie es seinem Bruder gienge . Wie er dahin kam , war seines Bruders Seite halb verrostet und halb war sie noch blank . Da erschrack er , und dachte ‘ meinem Bruder muß ein großes Unglück zugestoßen sein , doch kann ich ihn vielleicht noch retten , denn die Hälfte des Messers ist noch blank ,’ und zog mit seinen Thieren gen Westen . Als er in das Stadtthor kam , trat ihm die Wache entgegen , und fragte ob sie ihn bei seiner Gemahlin melden sollte , die junge Königin wäre schon seit ein paar Tagen in großer Angst über sein Ausbleiben , und fürchtete er wäre im Zauberwald umgekommen ; denn die Wache glaubte nicht anders , als er wäre der junge König selbst , so ähnlich sah er ihm , und hatte auch die wilden Thiere hinter sich laufen . Da merkte er daß von seinem Bruder die Rede war , und dachte ‘ es ist das beste , ich gebe mich für ihn aus , so kann ich ihn wohl leichter erretten .’ Also ließ er sich von der Wache ins Schloß begleiten , und ward mit großen Freuden empfangen . Die junge Königin meinte nicht anders , als es wäre ihr Gemahl . Er erzählte ihr daß er sich in dem Wald verirrt hätte und nicht eher wieder sich herausfinden können . Abends ward er in das königliche Bette gebracht , aber er legte ein zweischneidiges Schwert zwischen sich und die junge Königin ; sie wußte nicht , was das heißen sollte , getraute aber nicht zu fragen .
Da blieb er ein paar Tage , und erforschte derweil alles ,
wie es mit dem Zauberwald war , endlich sprach er ‘ ich muß noch einmal dort jagen . ’ Der König und die junge Königin wollten es ihm ausreden , aber er bestand darauf , und zog mit großer Begleitung hinaus . Als er an den Wald kam , sah er wie sein Bruder , eine weiße Hirschkuh , und sprach zu seinen Leuten , ‘ bleibt hier und wartet , bis ich wiederkomme , ich will das schöne Wild jagen ,’ ritt in den Wald hinein , und seine Thiere liefen ihm nach . Nun ergieng es ihm nicht anders als seinem Bruder ; die Hirschkuh konnte er nicht einholen , und gerieth so tief in den Wald , daß er darin übernachten mußte . Und als er ein Feuer angemacht hatte , hörte er über sich ächzen ‘ hu , hu , hu , wie mich friert ! ’ Da schaute er hinauf , und es saß dieselbe Hexe oben im Baum . Sprach er ‘ wenn dich friert , so komm herab , altes Mütterchen , und wärme dich . ’ Antwortete sie ‘nein , deine Thiere beißen mich . ’ Er aber sprach ‘ sie thun dir nichts . ’ Da rief sie ‘ ich will dir eine Ruthe hinabwerfen , wenn du sie damit schlägst , so thun sie mir nichts . ’ Wie der Jäger das hörte , traute er der Alten nicht , und sprach ‘ meine Thiere schlag ich nicht , komm du herunter , oder ich hol dich . ’ Da rief sie ‘ was willst du wohl ? du thust mir noch nichts . ’ Er aber antwortete ‘kommst du nicht , so schieß ich dich herunter . ’ Sprach sie , ‘ schieß nur zu , vor deinen Kugeln fürchte ich mich nicht . ’ Da legte er an , und schoß nach ihr , aber die Hexe war fest gegen alle Bleikugeln , lachte daß es gellte , und rief ‘ du sollst mich noch nicht treffen . ’ Aber der Jäger wußte Bescheid , riß sich drei silberne Knöpfe vom Rock , lud sie in die Büchse ,
denn dagegen war ihre Kunst umsonst , und als er losdrückte , stürzte sie gleich mit Geschrei herab . Da stellte er den Fuß auf sie , und sprach ‘alte Hexe , wenn du nicht gleich gestehst wo mein Bruder ist , so pack ich dich auf , und werfe dich ins Feuer . ’ Sie war in großer Angst , und bat um Gnade , und sagte ‘er liegt mit seinen Thieren versteinert in einem Graben . ’ Da zwang er sie mit hinzugehen , und sprach , ‘alte Meerkatze , jetzt machst du meinen Bruder und alle Geschöpfe , die hier liegen , lebendig , oder du kommst ins Feuer . ’ Sie nahm eine Ruthe , und rührte die Steine an , da wurde sein Bruder mit den Thieren wieder lebendig , und viele andere , Kaufleute , Handwerker , Hirten , standen auf , dankten für ihre Befreiung , und zogen heim . Die Zwillingsbrüder aber , als sie sich wiedersahen , küßten sich und freuten sich von Herzen . Dann griffen sie die Hexe , banden sie , und legten sie ins Feuer , und als sie verbrannt war , da that sich der Wald von selbst auf , und war licht und hell , und man konnte das königliche Schloß auf drei Stunden Wegs sehen .
Nun giengen die zwei Brüder zusammen nach Haus , und erzählten einander auf dem Weg ihre Schicksale . Und als der jüngste sagte , er wäre an des Königs Statt im ganzen Lande , sprach der andere ‘ das hab ich wohl gemerkt , denn als ich in die Stadt kam , und für dich angesehen wurde , da geschah mir alle königliche Ehre , die junge Königin hielt mich für ihren Gemahl , und ich mußte an ihrer Seite essen , und in deinem Bett schlafen . ’ Wie das der andere hörte , ward er so eifersüchtig und zornig , daß er sein Schwert zog , und seinem Bruder den Kopf
abschlug . Als dieser aber todt da lag , und er sein rothes Blut fließen sah , reute es ihn gewaltig , und er sprach ‘ mein Bruder hat mich erlöst , und ich habe ihn dafür getödtet ! ’ und jammerte laut . Da kam sein Hase , und sagte er wollte von der Lebenswurzel holen , sprang fort , und brachte sie noch zu rechter Zeit , und der Todte wurde wieder lebendig , und merkte gar nichts von der Wunde .
Darauf zogen sie weiter , und der jüngste sprach ‘ du siehst aus wie ich , hast königliche Kleider an wie ich , und die Thiere folgen dir nach wie mir : wir wollen zu den entgegengesetzten Thoren eingehen , und von zwei Seiten zugleich beim alten König anlangen . ’ Also trennten sie sich , und bei dem alten König kam zu gleicher Zeit die Wache von dem einen und dem andern Thore , und meldete der junge König mit den Thieren wäre von der Jagd angelangt . Sprach der König ‘ es ist nicht möglich , die Thore liegen eine Stunde weit aus einander . ’ Jndem aber kamen von zwei Seiten die beiden Brüder in den Schloßhof hinein , und stiegen beide herauf . Da sprach der König zu seiner Tochter ‘ sag an welcher ist dein Gemahl ? es sieht einer aus wie der andere , ich kanns nicht sagen . ’ Sie war da in großer Angst , und wußte es nicht , endlich fiel ihr das Halsband ein , das sie den Thieren gegeben hatte , und sah an dem Löwen ihres Gemahls das goldene Schlößchen ; da sprach sie vergnügt ‘ dieser ist mein rechter Mann .’ Da lachte der junge König , und sagte ‘ja , das ist der rechte ,’ und sie setzten sich zusammen zu Tisch , aßen und tranken , und waren fröhlich . Abends , als der junge
König zu Bett gieng , sprach seine Frau ‘ warum hast du die vorigen Nächte immer ein zweischneidiges Schwert in unser Bett gelegt , ich habe geglaubt , du wolltest mich todtschlagen . ’ Da erkannte er wie treu sein Bruder gewesen war .
61.
Das Bürle .
E s war ein Dorf , darin saßen lauter reiche Bauern , und nur ein armer , den nannten sie das Bürle ( Bäuerlein ) . Er hatte nicht einmal eine Kuh und noch weniger Geld eine zu kaufen ; und er und seine Frau hätten so gern eine gehabt . Einmal sprach er zu ihr ‘ hör , ich habe einen guten Gedanken , da ist unser Gevatter Schreiner , der soll uns ein Kalb aus Holz machen und braun anstreichen , daß es wie ein anderes aussieht , mit der Zeit wirds wohl groß , und gibt eine Kuh . ’ Der Frau gefiel das auch , und der Gevatter Schreiner zimmerte und hobelte das Kalb zurecht , strich es an , wie sichs gehörte , und machte es so , daß es den Kopf unterhängte , als fräße es .
Wie die Kühe des andern Morgens ausgetrieben wurden , rief das Bürle den Hirt herein , und sprach ‘ seht , da hab ich ein Kälbchen , aber es ist noch klein , und muß noch getragen werden . ’ Der Hirt sagte ‘ schon gut ,’ nahms in seinen Arm , und trugs hinaus auf die Weide , da stellte ers ins Gras . Das Kälbchen blieb da immer stehen wie eins das frißt , und der Hirt sprach ‘ das wird bald selber laufen , guck einer was es schon frißt ! ’ Abends als er die Herde wieder heim treiben wollte ,
sprach er zu dem Kalb ‘ kannst du da stehen , und dich satt fressen , so kannst du auch auf deinen vier Beinen gehen , ich mag dich nicht wieder auf dem Arm heim schleppen . ’ Das Bürle stand aber vor seiner Hausthür , und wartete auf sein Kälbchen ; als nun der Kuhhirt durchs Dorf trieb , und das Kälbchen fehlte , fragte er darnach . Der Hirt antwortete ‘ das steht noch immer draußen und frißt ; es wollte nicht aufhören und nicht mitgehen . ’ Bürle aber sprach ‘ei was , ich muß mein Vieh wieder haben . ’ Da giengen sie zusammen nach der Wiese zurück , aber einer hatte das Kalb gestohlen , und es war fort . Sprach der Hirt ‘ es wird wohl wohin gelaufen sein . ’ Das Bürle aber sagte ‘ mir nicht so ! ’ und führte den Hirten vor den Schultheiß , der verdammte ihn für seine Nachlässigkeit daß er dem Bürle für das entkommene Kalb mußte eine Kuh geben .
Nun hatte das Bürle und seine Frau die lang gewünschte Kuh ; sie freuten sich von Herzen , hatten aber kein Futter , und konnten ihr nichts zu fressen geben , also mußte sie bald geschlachtet werden . Das Fleisch salzten sie ein , und das Bürle gieng in die Stadt , und wollte das Fell dort verkaufen , um für den Erlös ein neues Kälbchen zu bestellen . Unterwegs kam er an eine Mühle , da saß ein Rabe mit gebrochenen Flügeln , den nahm er aus Erbarmen auf , und wickelte ihn in das Fell . Weil aber das Wetter so schlecht ward , und Wind und Regen stürmte , konnte er nicht weiter , kehrte in die Mühle ein , und bat um Herberge . Die Müllerin war allein zu Haus , und sprach zu dem Bürle ‘ da leg dich auf die Streu ,’ und gab ihm ein Käsebrot . Das
Bürle aß , und legte sich nieder , sein Fell neben sich , und die Frau dachte ‘ der ist müde und schläft . ’ Jndem kam der Pfaff , und die Frau Müllerin empfing ihn wohl , und sprach ‘ mein Mann ist aus , da wollen wir uns tractieren . ’ Bürle horchte auf , und wies von tractieren hörte , ärgerte es sich daß es mit Käsebrot hatte vorlieb nehmen müssen . Da trug die Frau herbei , und trug viererlei auf , Braten , Salat , Kuchen und Wein .
Wie sie sich nun setzten und essen wollten , klopfte es draußen ; sprach die Frau ‘ach Gott , das ist mein Mann ! ’ Geschwind versteckte sie den Braten in die Ofenkachel , den Wein unters Kopfkissen , den Salat aufs Bett , den Kuchen unters Bett , und den Pfaff in den Schrank auf dem Hausehrn . Danach machte sie dem Mann auf , und sprach ‘gottlob , daß du wieder hier bist ! ’ Der Müller sahs Bürle auf dem Streu liegen , und fragte ‘ was will der Kerl da ? ’ ‘ Ach ,’ sagte die Frau , ‘ der arme Schelm kam in dem Sturm und Wetter , und bat um ein Obdach , da hab ich ihm ein Käsebrot gegeben , und ihm die Streu angewiesen . ’ Sprach der Mann ‘ ich habe nichts dagegen , aber schaff mir bald etwas zu essen . ’ Die Frau sagte ‘ ich habe aber nichts als Käsebrot . ’ ‘Jch bin mit allem zufrieden ,’ antwortete der Mann , ‘ meintwegen mit Käsebrot ,’ sah das Bürle an , und rief ‘ komm , und iß noch einmal mit . ’ Bürle ließ sich das nicht zweimal sagen , stand auf , und aß mit . Darnach fragte der Müller ‘ was hast du da bei dir im Fell ? ’ Antwortete das Bürle ‘ da hab ich einen Wahrsager drin . ’ ‘ Kann der mir auch wahrsagen ? ’ sprach der Müller . ‘Warum nicht ? ’ antwortete das Bürle , ‘er
sagt aber nur vier Dinge , und das fünfte behält er bei sich . ’ Der Müller war begierig , und sprach ‘ laß ihn einmal wahrsagen . ’ Da drückte Bürle dem Raben auf den Kopf , daß er quackte und krr krr machte . Sprach der Müller ‘ was hat er gesagt ? ’ Bürle antwortete ‘erstens hat er gesagt es steckte Wein unterm Kopfkissen . ’ ‘ Das wäre des Guckgucks ! ’ rief der Müller , gieng hin , und fand den Wein . ‘ Nun weiter’ sprach der Müller . Das Bürle ließ den Raben wieder quacksen , und sprach ‘zweitens , hat er gesagt , wäre Braten in der Ofenkachel . ’ ‘ Das wäre des Guckgucks ! ’ rief der Müller , gieng hin und fand den Braten . Bürle ließ den Raben noch mehr weissagen , und sprach ‘drittens , hat er gesagt , wäre Salat auf dem Bett . ’ ‘ Das wäre des Guckgucks ! ’ rief der Müller , gieng hin , und fand den Salat . Endlich drückte das Bürle den Raben noch einmal , daß er knurrte , und sprach ‘viertens , hat er gesagt , wäre Kuchen unterm Bett . ’ ‘ Das wäre des Guckgucks ! ’ rief der Müller , gieng hin , und fand den Kuchen .
Nnn setzten sich die zwei zusammen an den Tisch , die Müllerin aber kriegte Todesängste , legte sich ins Bett , und nahm alle Schlüssel zu sich . Der Müller hätte auch gern das fünfte gewußt , aber Bürle sprach ‘ erst wollen wir die vier andern Dinge ruhig essen , denn das fünfte ist etwas schlimmes . ’ So aßen sie , und darnach ward gehandelt wie viel der Müller für die fünfte Wahrsagung geben sollte , bis sie um dreihundert Thaler einig wurden . Da drückte das Bürle dem Raben noch einmal an den Kopf , daß er laut quackte . Fragte der Müller ‘ was
hat er gesagt ? ’ Antwortete das Bürle ‘er hat gesagt draußen im Schrank auf dem Hausehrn , da steckte der Teufel . ’ Sprach der Müller ‘ der Teufel muß hinaus ,’ und sperrte die Hausthür auf , die Frau aber mußte den Schlüssel hergeben , und Bürle schloß den Schrank auf . Da lief der Pfaff was er konnte hinaus , und der Müller sprach ‘ ich habe den schwarzen Kerl gesehen . ’ Bürle aber machte sich am andern Morgen in der Dämmerung mit den dreihundert Thalern aus dem Staub .
Daheim that sich das Bürle nach und nach auf , baute ein hübsches Haus , und die Bauern sprachen ‘ das Bürle ist gewiß gewesen wo der goldene Schnee fällt , und man das Geld mit Scheffeln heim trägt . ’ Da ward Bürle vor den Schultheiß gefordert , es sollte sagen woher es den Reichthum hätte . Antwortete es ‘ ich habe mein Kuhfell in der Stadt für dreihundert Thaler verkauft . ’ Als die Bauern das hörten , wollten sie auch den Vortheil genießen , liefen heim , schlugen all ihre Kühe todt , und zogen die Felle ab , um sie in der Stadt mit dem großen Gewinn zu verkaufen . Der Schultheiß sprach ‘ meine Magd muß aber vorangehen . ’ Als diese zum Kaufmann in die Stadt kam , gab er ihr nicht mehr als drei Thaler für ein Fell ; und als die übrigen kamen , gab er ihnen nicht einmal so viel , und sprach ‘ was soll ich mit all den Fellen anfangen ?’
Nun ärgerten sich die Bauern daß sie vom Bürle hinters Licht geführt waren , wollten Rache an ihm nehmen , und verklagten es wegen des Betrugs bei dem Schultheiß ; dieser verurtheilte das unschuldige Bürle zum Tod , und daß es in einem
löchrichten Faß sollte ins Wasser gerollt werden . Bürle ward hinausgeführt , und ein Geistlicher gebracht , der ihm eine Seelenmesse lesen sollte . Nun mußten die andern sich alle entfernen , und wie das Bürle den Geistlichen anblickte , so erkannte es den Pfaffen , der bei der Frau Müllerin gewesen war . Sprach es zu ihm ‘ ich habe euch aus dem Schrank befreit , befreit mich aus dem Faß ;’ und als gerade ein Schäfer mit einer Herde Schafe daher trieb , von dem das Bürle wußte daß er längst gerne Schultheiß geworden wäre , so rief es laut ‘ nein , ich thus nicht ! und wenns die ganze Welt haben wollte , nein , ich thus nicht ! ’ Der Schäfer , der das hörte , kam herbei und fragte ‘ was hast du vor ? was willst du nicht thun ? ’ Bürle sprach ‘ da wollen sie mich zum Schultheiß machen , wenn ich mich in das Faß setze , aber ich thus nicht . ’ Der Schäfer sagte ‘ wenns weiter nichts ist , um Schultheiß zu werden , wollt ich mich gleich in das Faß setzen . ’ Bürle sprach ‘willst du dich hinein setzen , so wirst du auch Schultheiß . ’ Der Schäfer wars zufrieden , setzte sich hinein , und das Bürle schlug den Deckel drauf , und trieb darnach des Schäfers Herde fort . Nun gieng der Pfaff zur Gemeinde , und sagte die Seelenmesse wäre gelesen . Da kamen sie , und rollte das Faß nach dem Wasser hin . Als das Faß zu rollen anfing , rief der Schäfer ‘ ich will ja gerne Schultheiß werden . ’ Sie glaubten nicht anders als das Bürle schrie so , und sprachen ‘ das meinen wir auch , aber erst sollst du dich da unten umsehen ,’ und rollten das Faß ins Wasser hinein .
Darauf giengen die Bauern heim , und wie sie ins Dorf
kamen , so kam auch das Bürle daher , und trieb eine Herde Schafe ruhig ein , und war ganz zufrieden . Da erstaunten die Bauern , und sprachen ‘Bürle wo kommst du her ? kommst du aus dem Wasser ? ’ ‘Freilich ,’ antwortete das Bürle , ‘ ich bin versunken tief , tief , bis ich endlich auf den Grund kam , ich stieß dem Faß den Boden aus , und kroch heraus , da waren schöne Wiesen , auf denen viele Lämmer weideten , davon bracht ich mir die Herde mit . ’ Sprachen die Bauern ‘ sind noch mehr da ? ’ ‘ O ja ,’ sagte das Bürle , ‘ mehr als ihr brauchen könnt . ’ Da verabredeten sich die Bauern daß sie sich auch Schafe holen wollten , jeder eine Herde ; der Schultheiß aber sagte ‘ ich komme zuerst . ’ Nun giengen sie zusammen zum Wasser , da standen gerade am blauen Himmel kleine Flockwolken , die man Lämmerchen nennt , die spiegelten sich im Wasser ab , da riefen die Bauern ‘ wir sehen schon die Schafe unten auf dem Grund . ’ Der Schulz drängte sich hervor , und sagte ‘ nun will ich zuerst hinunter , und mich umsehen ; wenns gut ist , will ich euch rufen . ’ Da sprang er hinein , ‘ plump ’ klang es im Wasser . Sie meinten nicht anders , als er riefe ihnen zu ‘kommt !’ und der ganze Haufe stürzte in einer Hast hinter ihm drein . Da war das Dorf ausgestorben , und Bürle war der einzige Erbe und ein reicher Mann .
62.
Die Bienenkönigin .
Z wei Königssöhne giengen einmal auf Abenteuer , und geriethen in ein wildes , wüstes Leben , so daß sie gar nicht wieder nach Haus kamen . Der jüngste , welcher der Dummling hieß , gieng aus , und suchte seine Brüder ; aber wie er sie fand , verspotteten sie ihn , daß er mit seiner Einfalt sich durch die Welt schlagen wollte , da sie zwei nicht durchkämen , und wären doch viel klüger . Da zogen sie miteinander fort , und kamen an einen Ameisenhaufen . Die zwei ältesten wollten ihn aufwühlen , und sehen wie die kleinen Ameisen in der Angst herumkröchen , und ihre Eier forttrügen , aber der Dummling sagte ‘ laßt die Thiere in Frieden , ich leids nicht , daß ihr sie stört . ’ Da giengen sie weiter , und kamen an einen See , auf dem schwammen viele viele Enten . Die zwei Brüder wollten ein paar fangen und braten , aber der Dummling sagte wieder ‘ laßt die Thiere in Frieden , ich leids nicht , daß ihr sie tödtet . ’ Endlich kamen sie an ein Bienennest , darin war so viel Honig , daß er am Stamm herunterlief . Die zwei wollten Feuer unter den Baum legen , und die Bienen ersticken , damit sie den Honig wegnehmen könnten . Der Dummling hielt sie aber wieder ab , und sprach ‘ laßt die Thiere in Frieden , ich leids nicht , daß ihr sie verbrennt . ’ Da kamen die drei
Brüder in ein Schloß , wo in den Ställen lauter steinerne Pferde standen , auch war kein Mensch zu sehen , und sie giengen durch alle Säle , bis sie vor eine Thüre ganz am Ende kamen , davor hiengen drei Schlösser ; es war aber mitten in der Thüre ein Lädlein , dadurch konnte man in die Stube sehen . Da sahen sie ein grau Männchen an einem Tisch sitzen , das riefen sie an , einmal , zweimal , aber es hörte nicht ; endlich riefen sie zum drittenmal , da stand es auf , und kam heraus . Es sprach aber kein Wort , sondern faßte sie an , und führte sie zu einem reichbesetzten Tisch ; und als sie gegessen und getrunken hatten , führte es einen jeglichen in ein eigenes Schlafgemach . Am andern Morgen kam es zu dem ältesten , winkte ihm , und brachte ihn zu einer steinernen Tafel , darauf standen die drei Aufgaben geschrieben , wodurch das Schloß erlöst werden konnte . Die erste war , in dem Wald unter dem Moos lagen die Perlen der Königstochter , tausend an der Zahl , die mußten aufgesucht werden , und wenn vor Sonnenuntergang noch eine einzige fehlte , so ward der welcher gesucht hatte , zu Stein . Der älteste gieng hin und suchte den ganzen Tag , als aber der Tag zu Ende war , hatte er erst hundert gefunden ; es geschah wie auf der Tafel stand , und er ward in Stein verwandelt . Am folgenden Tag unternahm der zweite Bruder das Abenteuer ; es gieng ihm aber nicht viel besser als dem ältesten , er fand nicht mehr als zweihundert Perlen , und ward zu Stein . Endlich kam auch an den Dummling die Reihe , der suchte im Moos , es war aber so schwer die Perlen zu finden , und gieng so langsam . Da setzte
er sich auf einen Stein , und weinte . Und wie er so saß , kam der Ameisenkönig , dem er einmal das Leben erhalten hatte , mit fünftausend Ameisen , und es währte gar nicht lange , so hatten die kleinen Thiere die Perlen miteinander gefunden , und auf einen Haufen getragen . Die zweite Aufgabe aber war , den Schlüssel zu der Schlafkammer der Königstochter aus der See zu holen . Wie der Dummling zur See kam , schwammen die Enten , die er einmal gerettet hatte , heran , tauchten unter , und holten den Schlüssel aus der Tiefe . Die dritte Aufgabe aber war die schwerste , aus den drei schlafenden Töchtern des Königs sollte die jüngste und die liebste heraus gesucht werden . Sie glichen sich aber vollkommen , und waren durch nichts verschieden , als daß sie , bevor sie eingeschlafen waren , verschiedene Süßigkeiten gegessen hatten , die älteste ein Stück Zucker , die zweite ein wenig Syrup , die jüngste einen Löffel voll Honig . Da kam die Bienenkönigin von den Bienen , die der Dummling vor dem Feuer geschützt hatte , und versuchte den Mund von allen dreien , zuletzt blieb sie auf den Mund sitzen , der Honig gegessen hatte , und so erkannte der Königssohn die rechte . Da war aller Zauber vorbei , alles war aus dem Schlaf erlöst , und wer von Stein war , erhielt seine menschliche Gestalt wieder . Und der Dummling vermählte sich mit der jüngsten und liebsten , und ward König nach ihres Vaters Tod ; seine zwei Brüder aber mit den beiden andern Schwestern .
63.
Die drei Federn .
E s war einmal ein König , der hatte drei Söhne , davon waren zwei klug und gescheidt , aber der dritte sprach nicht viel , war einfältig , und wurde der Dummling genannt . Als der König nun alt wurde , daß er an sein Ende dachte , wußte er nicht welcher von seinen Söhnen nach ihm das Reich erben sollte . Da sprach er zu ihnen ‘ziehet aus , und wer mir den feinsten Teppich bringt , der soll nach meinem Tod König sein . ’ Und damit es keinen Streit unter ihnen gab , führte er sie vor sein Schloß , blies drei Federn in die Luft und sprach ‘ wie die fliegen , so sollt ihr ziehen . ’ Die eine Feder flog nach Osten , die andere nach Westen , die dritte flog aber gerad aus , und flog nicht so weit als die andern , sondern fiel zur Erde . Nun ging der eine Bruder rechts , der andere gieng links , und sie lachten den Dummling aus , der da bei der dritten Feder auf der Erde bleiben müßte .
Der Dummling setzte sich nieder , und war traurig . Da bemerkte er auf einmal neben der Feder eine Thüre in der Erde . Er öffnete sie , fand eine Treppe , und stieg hinab . Da kam er vor eine andere Thüre , wo er anklopfte und hörte wie es inwendig rief
‘Jungfer grün und klein ,
Hutzelbein ,
Hutzelbeins Hündchen ,
Hutzel hin und her ,
laß geschwind sehen , wer draußen wär .’
Nun that sich die Thüre auf , und er sah eine große dicke Jtsche ( Kröte ) sitzen , und rings um sie eine Menge kleiner Jtschen . Die dicke Jtsche fragte was sein Begehren wäre . Er antwortete ‘ ich hätte gerne den schönsten und feinsten Teppich . ’ Da rief sie eine junge , und sprach
Jungfer grün und klein ,
Hutzelbein ,
Hutzelbeins Hündchen ,
Hutzel hin und her ,
bring mir die große Schachtel her .’
Die junge Jtsche holte die Schachtel , und die dicke Jtsche machte sie auf , und gab dem Dummling einen Teppich daraus , so schön und so fein , wie oben auf der Erde keiner gewebt werden konnte . Da dankte er ihr , und gieng wieder fort .
Die beiden andern aber hatten ihren jüngsten Bruder für so albern gehalten , daß sie glaubten er würde nicht das mindeste gegen sie aufbringen können . ‘ Was sollen wir uns mit Suchen groß Mühe geben ’ sprachen sie , und nahmen dem ersten besten Schäfersweib , das ihnen begegnete , die groben Tücher vom Leib , und trugen sie dem König hin . Da kam der Dummling auch , und brachte seinen schönen Teppich , und als der König den sah , erstaunte er , und sprach ‘ das Reich gehört dem jüngsten . ’ Aber die zwei andern ließen dem König keine Ruhe ,
und sprachen es wäre nicht möglich , daß der Dummling König würde , und baten ihn er möchte noch eine Bedingung machen . Da sagte der Vater , ‘ der soll das Reich erben , der mir den schönsten Ring bringt ,’ und führte die drei Brüder hinaus , und blies drei Federn in die Luft , denen sie nachgehen sollten . Die zwei ältesten zogen wieder nach Osten und Westen , und für den Dummling flog die Feder gerade aus , und fiel neben der Erdthüre nieder . Da stieg er wieder hinab zu der dicken Jtsche , und sagte ihr daß er den schönsten Ring brauchte . Sie ließ sich ihre große Schachtel holen , und gab ihm daraus einen Ring , so schön wie ihn kein Goldschmied auf der Erde machen konnte . Die zwei ältesten hatten über den Dummling gelacht , daß er einen goldenen Ring suchen wollte , gaben sich gar keine Mühe , sondern schlugen den ersten besten Wagenringen die Nägel aus , und brachten sie dem König . Als dieser dagegen den schönen Ring des Dummlings sah , sprach er ‘ ihm gehört das Reich . ’ Aber die zwei ältesten quälten den König so lang , bis er noch eine dritte Bedingung machte , und den Ausspruch that , der sollte das Reich haben , der die schönste Frau heimbrächte . Die drei Federn blies er auch wieder in die Luft , und sie flogen wie die vorigemale .
Da gieng der Dummling zum drittenmal hinab zu der dicken Jtsche , und sprach ‘ ich soll die schönste Frau heimbringen . ’ ‘ Ei ,’ antwortete die Jtsche , ‘ die schönste Frau ! nun die sollst du haben . ’ Und gab ihm eine gelbe Rübe mit sechs Mäuschen bespannt . Da sprach der Dummling ganz traurig ‘ was soll ich
damit anfangen ? ’ Die Jtsche aber antwortete ‘ nun setz eine von meinen kleinen Jtschen hinein . ’ Da griff er auf Gerathewohl eine aus dem Kreiß , und setzte sie auf die gelbe Rübe , aber kaum rührte sie daran , so ward sie zu einem wunderschönen Fräulein , die Rübe zur Kutsche , und die sechs Mäuschen zu Pferden . Da stiegen sie in die Kutsche , und er küßte sie , und brachte sie zu dem König . Seine Brüder kamen auch , die hatten den Dummling so verachtet , daß sie die ersten besten Bauernweiber genommen und heimgeführt hatten . Da sprach der König ‘ dem jüngsten gehört das Reich nach meinem Tod .’ Aber die zwei ältesten lärmten von neuem , sprachen ‘ wir könnens nicht zugeben ,’ und verlangten der sollte den Vorzug haben , dessen Frau durch einen Ring springen könnte , der mitten in dem Saal hieng , und dachten ‘ die Bauernweiber können das wohl , die sind stark genug , aber das zarte Fräulein springt sich todt . ’ Endlich willigte der König ein . Da sprangen die zwei Bauernweiber , sprangen auch durch , waren aber so plump , daß sie fielen , und ihre groben Arme und Beine entzwei brachen . Darauf sprang das schöne Fräulein , das der Dummling mitgebracht hatte , und sprang ganz leicht durch den Ring , und gewann ihm das Reich . Und als der König starb , erhielt er die Krone , und hat lange in Weisheit geherrscht .
64.
Die goldene Gans .
E s war ein Mann , der hatte drei Söhne , davon hieß der jüngste der Dummling , und wurde verachtet und verspottet , und bei jeder Gelegenheit zurückgesetzt . Es geschah , daß der älteste in den Wald gehen wollte , Holz hauen , und eh er gieng , gab ihm noch seine Mutter einen schönen feinen Eierkuchen und eine Flasche Wein mit , damit er nicht Hunger und Durst litte . Als er in den Wald kam , begegnete ihm ein altes graues Männlein , das bot ihm einen guten Tag , und sprach ‘ gib mir doch ein Stück Kuchen aus deiner Tasche , und laß mich einen Schluck von deinem Wein trinken , ich bin so hungrig und durstig .’ Der kluge Sohn aber antwortete ‘geb ich dir meinen Kuchen und meinen Wein , so hab ich selber nichts , pack dich deiner Wege ,’ ließ das Männlein stehen , und gieng fort . Als er nun anfieng einen Baum zu behauen , dauerte es nicht lange , so hieb er fehl , und die Axt fuhr ihm in den Arm , daß er mußte heimgehen und sich verbinden lassen . Das war aber von dem grauen Männchen gekommen .
Darauf gieng der zweite Sohn in den Wald , und die Mutter gab ihm , wie dem ältesten , einen Eierkuchen und eine Flasche
Wein . Dem begegnete gleichfalls das alte graue Männchen , und hielt um ein Stückchen Kuchen und einen Trunk Wein an . Aber der zweite Sohn sprach auch ganz verständig ‘ was ich dir gebe , das geht mir selber ab , pack dich deiner Wege ,’ ließ das Männlein stehen , und gieng fort . Die Strafe blieb nicht aus , als er ein paar Hiebe am Baum gethan , hieb er sich ins Bein , daß er mußte nach Haus getragen werden .
Da sagte der Dummling ‘Vater , laß mich einmal hinaus gehen , und Holz hauen . ’ Antwortete der Vater ‘ deine Brüder haben sich Schaden gethan , laß dus gar bleiben , du verstehst nichts davon . ’ Der Dummling aber bat daß ers erlauben möchte , da sagte er endlich ‘geh nur hin , durch Schaden wirst du klug werden . ’ Die Mutter aber gab ihm einen Kuchen , der war mit Wasser in der Asche gebacken , und dazu eine Flasche saueres Bier . Als er in den Wald kam , begegnete ihm gleichfalls das alte graue Männchen , grüßte ihn , und sprach ‘ gib mir ein Stück von deinem Kuchen und einen Trunk aus deiner Flasche , ich bin so hungrig und durstig . ’ Antwortete der Dummling ‘ ich habe aber nur Aschenkuchen und saures Bier , wenn dir das recht ist , so wollen wir uns setzen und essen . ’ Da setzten sie sich , und als der Dummling seinen Aschenkuchen herausholte , so wars ein feiner Eierkuchen , und das saure Bier war ein guter Wein . Nun aßen und tranken sie , und danach sprach das Männlein ‘ weil du ein gutes Herz hast , und von dem Deinigen gerne mittheilst , so will ich dir Glück bescheeren . Dort
steht ein alter Baum , den hau ab , so wirst du in den Wurzeln etwas finden . ’ Darauf nahm das Männlein Abschied .
Der Dummling gieng hin , und hieb den Baum um , und wie er fiel , saß in den Wurzeln eine Gans , die hatte Federn von reinem Gold . Er hob sie heraus , nahm sie mit sich , und gieng in ein Wirthshaus , da wollte er übernachten . Der Wirth hatte aber drei Töchter , die sahen die Gans , waren neugierig was das für ein wunderlicher Vogel wäre , und hätten gar gern eine von seinen goldenen Federn gehabt . Endlich dachte die älteste ‘ ich soll und muß eine Feder haben ,’ wartete bis der Dummling hinausgegangen war , und faßte die Gans beim Flügel , aber Finger und Hand blieben ihr daran festhängen . Bald danach kam die zweite , und hatte keinen andern Gedanken als sich eine goldene Feder zu holen , kaum aber hatte sie ihre Schwester angerührt , so blieb sie festhängen . Endlich kam auch die dritte , und wollte eine Feder , da schrieen die andern ‘bleib weg , ums Himmelswillen , bleib weg . ’ Aber sie begriff nicht warum sie wegbleiben sollte , dachte ‘ sind die dabei , so kann ich auch dabei sein ,’ und sprang herzu , aber wie sie ihre Schwester angerührt hatte , so blieb sie an ihr hängen . So mußten sie die Nacht bei der Gans zubringen .
Am andern Morgen nahm der Dummling die Gans in den Arm , gieng fort , und bekümmerte sich nicht um die drei Mädchen , die daran hiengen . Sie mußten immer hinter ihm drein laufen , links und rechts , wies ihm in die Beine kam . Mitten auf dem Felde begegnete ihnen der Pfarrer , und als er den Aufzug
sah , sprach er ‘ schämt euch , ihr garstigen Mädchen , was lauft ihr dem jungen Bursch durchs Feld nach , schickt sich das ? ’ Damit faßte er die jüngste an die Hand , und wollte sie zurückziehen , wie er sie aber anrührte , blieb er gleichfalls hängen , und mußte selber hinter drein laufen . Nicht lange , so kam der Küster , und sah den Herrn Pfarrer drei Mädchen auf dem Fuß folgen . Da verwunderte er sich , und rief ‘ ei , Herr Pfarrer , wo hinaus so geschwind ? vergeßt nicht daß wir heute noch eine Kindtaufe haben ,’ lief auf ihn zu , und faßte ihn am Ermel , blieb aber auch fest hängen . Wie die fünf so hinter einander her trabten , kamen zwei Bauern mit ihren Hacken vom Feld ; da rief der Pfarrer sie an , und bat sie möchten ihn und den Küster los machen . Kaum aber hatten sie den Küster angerührt , so blieben sie hängen , und waren ihrer nun siebene , die dem Dummling mit der Gans nachliefen .
Er kam darauf in eine Stadt , da herrschte ein König , der hatte eine Tochter , die war so ernsthaft , daß sie niemand zum lachen bringen konnte . Darum hatte er ein Gesetz gegeben , wer sie könnte zum lachen bringen , den sollte sie heirathen . Der Dummling , als er das hörte , gieng mit seiner Gans und ihrem Anhang vor die Königstochter , und als diese die sieben Menschen immer hinter einander herlaufen sah , fieng sie überlaut an zu lachen , und wollte gar nicht wieder aufhören . Da verlangte sie der Dummling zur Braut , aber der König machte allerlei Einwendungen , und sagte er müßte ihm erst einen Mann bringen der einen Keller voll Wein austrinken könnte . Der Dummling
dachte an das graue Männchen , das könnte ihm wohl helfen , gieng hinaus in den Wald , und auf der Stelle , wo er den Baum abgehauen hatte , sah er einen Mann sitzen , der machte ein gar betrübtes Gesicht . Der Dummling fragte was er sich so sehr zu Herzen nähme . Da antwortete er ‘ ich bin so durstig , und kann nicht genug zu trinken kriegen , ein Faß Wein hab ich zwar ausgeleert , aber was ist ein Tropfen auf einem heißen Stein ? ’ ‘ Da kann ich dir helfen ,’ sagte der Dummling , ‘ komm nur mit mir , du sollst satt haben . ’ Er führte ihn darauf in des Königs Keller , und der Mann machte sich über die großen Fässer , trank und trank , daß ihm die Hüften weh thaten , und ehe ein Tag herum war , hatte er den ganzen Keller ausgetrunken . Der Dummling verlangte wieder seine Braut , der König aber ärgerte sich daß ein schlechter Bursch , den jedermann einen Dummling nannte , seine Tochter davon tragen sollte , und machte neue Bedingungen : er müsse ihm erst einen Mann schaffen , der einen Berg voll Brot aufessen könnte . Der Dummling gieng wieder in den Wald , da saß auf des Baumes Platz ein Mann , der schnürte sich den Leib mit einem Riemen zusammen , machte ein grämliches Gesicht , und sagte ‘ ich habe einen ganzen Backofen voll Raspelbrot gegessen , aber was hilft das bei meinem großen Hunger , ich spüre nichts im Leib , und muß mich nur zuschnüren , wenn ich nicht Hungers sterben soll . ’ Wie der Dummling das hörte , war er froh und sprach ‘ mach dich auf , und geh mit mir , du sollst dich satt essen . ’ Er führte ihn an den Hof des Königs , der hatte alles Mehl aus dem ganzen
Reich zusammenfahren und einen ungeheuern Berg davon backen lassen ; der Mann aber aus dem Walde stellte sich davor , fieng an zu essen , und in einem Tag und einer Nacht war der ganze Berg verschwunden . Der Dummling forderte wieder seine Braut der König aber suchte noch einmal Ausflucht , und verlangte ein Schiff das zu Land wie zu Wasser fahren könnte : schaffe er aber das , dann solle er gleich die Königstochter haben . Der Dummling gieng noch einmal in den Wald , da saß das alte graue Männchen , dem er seinen Kuchen gegeben hatte , und sagte ‘ ich habe für dich getrunken und gegessen , ich will dir auch das Schiff geben ; das alles thu ich , weil du barmherzig gegen mich gewesen bist . ’ Da gab er ihm das Schiff , das zu Land und zu Wasser fuhr , und als der König das sah , konnte er ihm seine Tochter nicht länger vorenthalten . Da ward die Hochzeit gefeiert , und der Dummling erbte das Reich , und lebte lange Zeit vergnügt mit seiner Gemahlin .
65.
Allerleirauh .
E s war einmal ein König , dessen Frau hatte Haare von lauterem Gold , und sie war so schön , daß sich ihres Gleichen nicht mehr auf Erden fand . Es geschah , daß sie krank lag , und als sie fühlte daß sie bald sterben würde , rief sie den König , und sprach , ‘ wenn du nach meinem Tode dich wieder vermählen willst , so nimm keine , die nicht eben so schön ist , als ich bin , und die nicht solche goldene Haare hat , wie ich habe ; das mußt du mir versprechen . ’ Nachdem es ihr der König versprochen hatte , that sie die Augen zu und starb .
Der König war lange Zeit gar nicht zu trösten , und dachte nicht daran , eine zweite Frau zu nehmen . Endlich sprachen seine Räthe ‘ es geht nicht anders , der König muß sich wieder vermählen , damit wir eine Königin haben . ’ Nun wurden Boten weit und breit umhergeschickt , eine Braut zu suchen , eben so schön , als die verstorbene Königin gewesen war . Es war aber keine in der Welt so schön , und wenn sies auch gewesen wäre , so waren doch solche goldene Haare nicht mehr zu finden . Also kamen die Boten unverrichteter Sache wieder heim .
Nun hatte der König eine Tochter , die war gerade so schön
wie ihre verstorbene Mutter , und hatte auch solche goldene Haare . Als sie herangewachsen war , sah sie der König einmal an , und sah daß sie in allem seiner verstorbenen Gemahlin ähnlich war ; da fühlte er eine heftige Liebe zu ihr , und er sprach zu seinen Räthen ‘ ich will meine Tochter heirathen , denn sie ist das Ebenbild meiner verstorbenen Frau , und sonst kann ich doch keine Braut auf Erden finden . ’ Als die Räthe das hörten , erschracken sie und sprachen ‘Gott hat verboten , daß der Vater seine Tochter heirathe , und aus der Sünde kann nichts Gutes entspringen . ’ Die Tochter erschrack auch , hoffte aber den König von seinem Vorhaben noch abzubringen . Da sagte sie zu ihm ‘ eh ich euren Wunsch erfülle , muß ich erst drei Kleider haben , eins so golden wie die Sonne , eins so silbern wie der Mond , und eins so glänzend als die Sterne ; ferner verlange ich einen Mantel von tausenderlei Pelz und Rauhwerk zusammengesetzt , und ein jedes Thier in euerm Reich muß ein Stück von seiner Haut dazu gegeben haben . ’ Sie dachte aber ‘ das ist anzuschaffen ganz unmöglich , und dann muß mein Vater von seinen Gedanken ablassen .’ Der König aber ließ nicht ab , und die geschicktesten Jungfrauen in seinem Reiche mußten die drei Kleider weben , eins so golden als die Sonne , eins so silbern als der Mond , und eins so glänzend als die Sterne ; und seine Jäger mußten alle Thiere in seinem Reiche auffangen , und ihnen ein Stück von ihrer Haut abziehen , daraus ward ein Mantel von tausenderlei Rauhwerk gemacht . Und wie alles fertig war , ließ es der König zu ihr bringen , und sprach ‘morgen soll die Hochzeit sein .’
Als nun die Königstochter sah daß keine Hoffnung mehr war ihres Vaters Herz umzuwenden , so stand sie in der Nacht , wie alles schlief , auf , nahm von ihren Kostbarkeiten dreierlei , einen goldenen Ring , ein goldenes Spinnrädchen und ein goldenes Haspelchen ; die drei Kleider von Sonne , Mond und Sternen , that sie in eine Nußschale , zog den Mantel von allerlei Rauhwerk an , und machte sich Gesicht und Hände mit Ruß schwarz . Dann befahl sie sich Gott , und gieng fort , und gieng die ganze Nacht , bis sie in einen großen Wald kam . Und weil sie so müde war , setzte sie sich in einen hohlen Baum , und schlief ein .
Sie schlief aber noch immer , als es schon hoher Tag war . Da trug es sich zu , daß der König , dem dieser Wald gehörte , darin jagte , und seine Hunde zu dem Baum kamen , die schnupperten und liefen daran herum und bellten . Sprach der König zu den Jägern ‘ seht doch was dort für ein Wild sich versteckt hat . ’ Die Jäger giengen hin , und kamen wieder , und sprachen ‘ in dem hohlen Baum liegt ein wunderliches Thier , das wir nicht kennen und noch nicht gesehen haben ; an seiner Haut ist tausenderlei Pelz ; es liegt aber und schläft . ’ Sprach der König ‘ seht zu ob ihrs lebendig fangen könnt , dann bindets auf den Wagen , und nehmts mit . ’ Als die Jäger das Mädchen packten , erwachte es , erschrack , und rief ihnen zu ‘ ich bin ein armes Kind , das Vater und Mutter verlassen haben , erbarmt euch mein , und nehmt mich mit . ’ Da sprachen sie Allerleirauh , du bist gut für die Küche , komm nur mit , da kannst du die Asche zusammenkehren . ’ Also setzten sie es auf den Wagen , und fuhren
heim in das königliche Schloß . Dort wiesen sie ihm ein Ställchen an unter der Treppe , wo kein Tageslicht hinkam , und sagten ‘Rauhthierchen , da kannst du wohnen und schlafen .’ Dann wurde es in die Küche geschickt , da trug es Holz und Wasser , schürte das Feuer , rupfte das Federvieh , belas das Gemüs , kehrte die Asche , und that alle schlechte Arbeit .
Da lebte Allerleirauh lange Zeit recht armselig . Ach , du schöne Königstochter , wie solls mit dir noch werden ! Es geschah aber einmal , daß ein Fest im Schloß gefeiert wurde , da sprach sie zum Koch ‘ darf ich ein wenig hinauf gehen und zusehen ? ich will mich außen vor die Thüre stellen . ’ Antwortete der Koch ‘ ja geh nur hin , aber in einer halben Stunde mußt du wieder hier sein , und die Asche zusammentragen . ’ Da nahm sie ihr Oehllämpchen , gieng in ihr Ställchen , und zog den Pelzrock aus , und wusch sich den Ruß von dem Gesicht und den Händen ab , daß ihre Schönheit hervorkam , nicht anders als wie der helle Tag aus schwarzen Wolken hervor kommt . Dann machte sie die Nuß auf , und holte ihr Kleid hervor , das wie die Sonne glänzte . Und wie das geschehen war , gieng sie hinauf zum Fest , und alle traten ihr aus dem Weg , denn niemand kannte sie , und meinten nicht anders als daß es eine Königstochter wäre . Der König aber kam ihr entgegen , und reichte ihr die Hand , und tanzte mit ihr , und dachte in seinem Herzen ‘ so schön haben meine Augen noch keine gesehen . ’ Als der Tanz zu Ende war , verneigte sie sich , und wie sich der König umsah , war sie verschwunden , und niemand wußte wohin . Die
Wächter wurden gerufen , die vor dem Schlosse standen , aber sie hatten niemand erblickt .
Sie war aber in ihr Ställchen gelaufen , hatte geschwind ihr Kleid ansgezogen , Gesicht und Hände schwarz gemacht , und den Pelzmantel umgethan , und war wieder Allerleirauh . Als sie nun in die Küche kam , und an ihre Arbeit gehen und die Asche zusammenkehren wollte , sprach der Koch ‘ laß das gut sein bis morgen , und koche mir da die Suppe für den König , ich will auch einmal ein bischen oben zu gucken : aber laß mir kein Haar hineinfallen , sonst kriegst du in Zukunft nichts mehr zu essen . ’ Da gieng der Koch fort , und Allerleirauh kochte die Suppe für den König , und kochte eine Brotsuppe so gut es konnte , und wie sie fertig war , holte es in dem Ställchen seinen goldenen Ring , und legte ihn in die Schüssel , in welche die Suppe angerichtet ward . Als der Tanz zu Ende war , ließ sich der König die Suppe bringen , und aß sie , und sie schmeckte ihm so gut , daß er meinte niemals eine bessere Suppe gegessen zu haben . Wie er aber auf den Grund kam , sah er da einen goldenen Ring liegen , und konnte nicht begreifen wie er dahin gerathen war . Da befahl er der Koch sollte vor ihn kommen ; der Koch erschrack , wie er den Befehl hörte , und sprach zu Allerleirauh ‘gewiß hast du ein Haar in die Suppe fallen lassen ; wenns wahr ist , so kriegst du Schläge . ’ Als er vor den König kam , fragte dieser wer die Suppe gekocht hätte ? Antwortete der Koch ‘ ich habe sie gekocht . ’ Der König aber sprach ‘ das ist nicht wahr , denn sie war anders und besser gekocht als sonst . ’
Antwortete er ‘ ich muß es gestehen daß ich sie nicht gekocht habe , sondern das Rauhthierchen . ’ Sprach der König ‘geh und laß es herauf kommen . ’ Als Allerleirauh kam , fragte der König ‘ wer bist du ? ’ ‘Jch bin ein armes Kind , daß keinen Vater und Mutter mehr hat’ antwortete es . Fragte er weiter ‘ wozu bist du in meinem Schloß ? ’ Antwortete es ‘ ich bin zu nichts gut als daß mir die Stiefeln um den Kopf geworfen werden . ’ Fragte er weiter ‘ wo hast du den Ring her , der in der Suppe war ? ’ Antwortete es ‘ von dem Ring weiß ich nichts . ’ Also konnte der König nichts erfahren , und mußte es wieder fortschicken .
Ueber eine Zeit war wieder ein Fest , da bat Allerleirauh den Koch wie vorigesmal um Erlaubnis zusehen zu dürfen . Antwortete er ‘ ja , aber komm in einer halben Stunde wieder , und koch dem König die Brotsuppe , die er so gerne ißt . ’ Da lief es in sein Ställchen , wusch sich geschwind , und nahm aus der Nuß das Kleid , das so silbern war als der Mond , und that es an . Da gieng sie wie eine Königstochter hinauf , und der König trat ihr entgegen , und freute sich daß er sie wiedersah , und weil eben der Tanz anhub , so tanzten sie zusammen . Wie aber der Tanz zu Ende war , verschwand sie wieder so schnell daß der König nicht bemerken konnte wo sie hingieng . Sie sprang aber in ihr Ställchen , und machte sich wieder zum Rauhthierchen , und gieng in die Küche , die Brotsuppe zu kochen . Als der Koch oben war , holte es das goldene Spinnrad , und that es in die Schüssel , so daß die Suppe darüber angerichtet wurde . Darnach ward sie dem König gebracht , der aß sie , und
sie schmeckte ihm so gut , wie das vorigemal , und ließ den Koch kommen , der mußte wieder gestehen daß Allerleirauh die Suppe gekocht habe . Allerleirauh kam da wieder vor den König , aber sie antwortete daß sie nur dazu da sey , daß ihr die Stiefeln an den Kopf geworfen würden , und daß sie von den goldenen Spinnrädchen gar nichts wisse .
Als der König zum drittenmal ein Fest anstellte , da gieng es nicht anders als die vorigemale . Der Koch sprach zwar ‘ du bist eine Hexe , Rauthierchen , und thust immer etwas in die Suppe , davon sie so gut wird , und dem König besser schmeckt als was ich koche ;’ doch weil es so bat , so ließ er es auf die bestimmte Zeit hingehen . Nun zog es ein Kleid an , das wie die Sterne glänzte , und trat damit in den Saal . Der König tanzte wieder mit der schönen Jungfrau , und meinte daß sie noch niemals so schön gewesen wäre . Und während er tanzte , steckte er ihr , ohne daß sie es merkte , einen goldenen Ring an den Finger , und hatte befohlen daß der Tanz recht lang währen sollte . Wie er zu Ende war , wollte er sie an den Händen fest halten , aber sie riß sich los , und sprang so geschwind unter die Leute , daß sie vor seinen Augen verschwand . Sie lief , was sie konnte , in ihr Ställchen unter der Treppe , weil sie aber zu lange und über eine halbe Stunde geblieben war , so konnte sie das schöne Kleid nicht ausziehen , sondern warf nur den Mantel von Pelz darüber , und in der Eile machte sie sich auch nicht ganz rußig , sondern ein Finger blieb weiß . Allerleirauh lief nun in die Küche , und kochte dem König die Brotsuppe , und legte ,
wie der Koch fort war , den goldenen Haspel hinein . Der König , als er den Haspel auf dem Grunde fand , ließ Allerleirauh wieder rufen , da erblickte er den weißen Finger , und sah den Ring , den er im Tanze ihr angesteckt hatte . Da ergriff er sie an der Hand und hielt sie fest , und als sie sich losmachen und fortspringen wollte , that sich der Pelzmantel ein wenig auf , und das Sternenkleid schimmerte hervor . Da faßte der König den Mantel und riß ihn ab , und die goldenen Haare und der ganze herrliche Anzug kam hervor , und sie konnte sich nicht mehr verbergen , und wischte Ruß und Asche aus ihrem Gesicht , da war sie die schönste Königstochter , die je auf Erden gesehen war . Der König aber sprach ‘ du bist meine liebe Braut , und wir scheiden nimmermehr von einander . ’ Darauf ward die Hochzeit gefeiert , und sie lebten vergnügt bis an ihren Tod .
66.
Häsichenbraut .
E t was ein Frou mit ener Toachter in änen schöhnen Goarten mit Koal ; dahin kam än Häsichen , und froaß zo Wenterszit allen Koal . Do seit de Frou zur Toachter ‘ gäh in den Goarten , und jags Häsichen . ’ Seits Mäken zum Häsichen ‘schu ! schu ! du Häsichen , frißt noch allen Koal . ’ Seits Häsichen ‘kumm , Mäken , und sett dich uf min Haosenschwänzeken , und kumm mit in min Haosenhüttchen .’ Mäken well nech . Am annern Tog kummts Häsichen weder , und frißt den Koal , do seit de Frou zur Toachter ‘ gäh in den Goarten , und jags Häsichen . ’ Seits Mäken zum Häsichen ‘schu ! schu ! du Häsichen , frißt noch allen Koal . ’ Seits Häsichen ‘kumm , Mäken , sett dich uf min Haosenschwänzeken , und kumm mit mer in min Haosenhüttchen .’ Mäken well nech . Am dretten Tog kummts Häsichen weder , und frißt den Koal . Do seit de Frou zur Toachter ‘ gäh in den Goarten , und jags Häsichen . ’ Seits Mäken ‘schu ! schu ! du Häsichen , frißt noch allen Koal . ’ Seits Häsichen ‘kumm , Mäken , sett dich uf min Haosenschwänzeken , und kumm mit mer in min Haosenhüttchen . ’ Mäken sätzt sich uf den Haosenschwänzeken , do brachts Häsichen weit raus in sin Hüttchen , und seit ‘ nu koach Grinkoal
und Hersche ( Hirse ) , ick well de Hochtidlüt beten . ’ Do kamen alle Hochtidlüt zosam’m . ( Wer waren dann die Hochzeitsleute ? das kann ich dir sagen , wie mirs ein anderer erzählt hat : das waren alle Hasen , und die Krähe war als Pfarrer dabei , die Brautleute zu trauen , und der Fuchs als Küster , und der Altar war unterm Regenbogen ) .
Mäken aober was trurig , do se so alleene was . Kummts Häsichen und seit ‘thu uf , thu uf , de Hochtidlüt senn fresch ( frisch , lustig ) .’ De Braut seit nischt , und wint . Häsichen gäht fort , Häsichen kummt weder , und seit ‘thu uf , thu uf , de Hochtidlüt senn hongrig . ’ De Braut seit weder nischt , und wint . Häsichen gäht fort , Häsichen kummt , und seit ‘thu uf , thu uf , de Hochtidlüt waorten .’ Do seit de Braut nischt , und Häsichen gäht fort , aober se macht ene Puppen von Stroah met eren Kleedern , und gibt er eenen Röhrleppel , und set se an den Kessel med Hersche , und gäht zor Motter . Häsichen kummt noch ämahl , und seit ‘thu uf , thu uf , ’ und macht uf , und smet die Puppe an Kopp , daß er de Hube abfällt .
Do set Häsichen daß sine Braut nech es , und gäht fort , und es trurig .
67.
Die zwölf Jäger .
E s war einmal ein Königssohn , der hatte eine Braut , und hatte sie sehr lieb . Als er nun bei ihr saß , und ganz vergnügt war , da kam die Nachricht daß sein Vater todt krank läge , und ihn noch vor seinem Ende zu sehen verlangte . Da sprach er zu seiner Liebsten ‘ ich muß nun fort , und muß dich verlassen , da geb ich dir einen Ring zu meinem Andenken . Wann ich König bin , komm ich wieder , und hol dich heim . ’ Da ritt er fort , und als er bei seinem Vater anlangte , so war dieser sterbenskrank , und dem Tode nah . Er sprach zu ihm ‘ liebster Sohn , ich habe dich vor meinem Ende noch einmal sehen wollen , versprich mir nach meinem Willen dich zu verheirathen ,’ und nannte ihm eine gewisse Königstochter , die sollte seine Gemahlin werden . Der Sohn war so betrübt , daß er sich gar nicht bedachte , sondern sprach ‘ ja lieber Vater , was euer Wille ist , soll geschehen ,’ und darauf schloß der König die Augen , und starb .
Als nun der Sohn zum König ausgerufen und die Trauerzeit verflossen war , mußte er das Versprechen halten , das er seinem Vater gegeben hatte , und ließ um die Königstochter werben , und sie wurde ihm auch zugesagt . Das hörte seine erste Braut ,
und grämte sich über die Untreue so sehr , daß sie fast vergieng . Da sprach ihr Vater zu ihr ‘ liebstes Kind , warum bist du so traurig ? was du wünschest , das soll doch geschehen . ’ Sie bedachte sich einen Augenblick , dann sprach sie ‘ lieber Vater , ich wünsche mir elf Mädchen , von Angesicht , Gestalt und Wuchs mir völlig gleich . ’ Sprach der König ‘ wenns möglich ist , soll dein Wunsch erfüllt werden , und ließ in seinem ganzen Reich so lange suchen , bis elf Jungfrauen gefunden waren , seiner Tochter von Angesicht , Gestalt und Wuchs völlig gleich .
Als sie zu der Königstochter kamen , ließ diese zwölf Jägerkleider machen , eins wie das andere , und die elf Jungfrauen mußten die Jägerkleider anziehen , und sie selber zog das zwölfte an . Darauf nahm sie Abschied von ihrem Vater , und ritt mit ihnen fort , und ritt an den Hof ihres ehemaligen Bräutigams , den sie so sehr liebte . Da fragte sie an ob er Jäger brauchte , und ob er sie nicht alle zusammen in seinen Dienst nehmen wollte . Der König sah sie an , und erkannte sie nicht ; weil es aber so schöne Leute waren , sprach er ja , er wollte sie gerne nehmen ; und da waren sie die zwölf Jäger des Königs .
Der König aber hatte einen Löwen , das war ein wunderliches Thier , denn er wußte alles Verborgene und Heimliche . Es trug sich zu , daß er eines Abends zum König sprach ‘ du meinst du hättest da zwölf Jäger ? ’ ‘ Ja ,’ sagte der König , ‘ zwölf Jäger sinds . ’ Sprach der Löwe weiter ‘ du irrst dich , das sind zwölf Mädchen . ’ Antwortete der König , ‘ das ist nimmermehr wahr , wie willst du mir das beweisen ? ’ ‘ O , laß nur Erbsen
in dein Vorzimmer streuen ,’ antwortete der Löwe , ‘ da wirst dus gleich sehen . Männer haben einen festen Tritt , wenn die über Erbsen hingehen , regt sich keine , aber Mädchen , die trippeln und trappeln und schlurfeln , und die Erbsen rollen .’ Dem König gefiel der Rath wohl , und er ließ die Erbsen streuen .
Es war aber ein Diener des Königs , der war den Jägern gut , und wie er hörte daß sie sollten auf die Probe gestellt werden , gieng er hin , und erzählte ihnen alles wieder , und sprach ‘ der Löwe will dem König weis machen ihr wärt Mädchen .’ Da dankte ihm die Königstochter , und sprach hernach zu ihren Jungfrauen ‘ thut euch Gewalt an , und tretet fest auf die Erbsen . ’ Als nun der König am andern Morgen die zwölf Jäger zu sich rufen ließ , und sie ins Vorzimmer kamen , wo die Erbsen lagen , so traten sie so fest darauf , und hatten einen so sichern starken Gang , daß auch nicht eine rollte , oder sich bewegte . Da giengen sie wieder fort , und der König sprach zum Löwen ‘ du hast mich belogen , sie gehen ja wie Männer . ’ Antwortete der Löwe ‘ sie habens gewußt , daß sie sollten auf die Probe gestellt werden , und haben sich Gewalt angethan . Laß nur einmal zwölf Spinnräder ins Vorzimmer bringen , so werden sie herzukommen , und werden sich daran freuen , und das thut kein Mann .’ Dem König gefiel der Rath , und er ließ die Spinnräder ins Vorzimmer stellen .
Der Diener aber , ders redlich mit den Jägern meinte , gieng hin , und entdeckte ihnen den Anschlag . Da sprach die Königstochter , als sie allein waren , zu ihren elf Mädchen ‘ thut euch Gewalt an , und blickt euch nicht um nach den Spinnrädern . ’ Wie
nun der König am andern Morgen seine zwölf Jäger rufen ließ , so kamen sie durch das Vorzimmer , und sahen die Spinnräder gar nicht an . Da sprach der König wiederum zum Löwen ‘ du hast mich belogen , es sind Männer , denn sie haben die Spinnräder nicht angesehen . ’ Der Löwe antwortete ‘ sie habens gewußt , daß sie sollten auf die Probe gestellt werden , und haben sich Gewalt angethan .’ Der König aber wollte dem Löwen nicht mehr glauben .
Die zwölf Jäger folgten dem König beständig zur Jagd , und er hatte sie je länger je lieber . Nun geschah es , daß , als sie einmal auf der Jagd waren , Nachricht kam , die Braut des Königs wäre im Anzug . Wie die rechte Braut das hörte , thats ihr so weh , daß es ihr fast das Herz abstieß , und sie ohnmächtig auf die Erde fiel . Der König meinte seinem lieben Jäger sei etwas begegnet , lief herzu , und wollte ihm helfen , und zog ihm den Handschuh aus . Da erblickte er den Ring , den er seiner ersten Braut gegeben , und als er ihr recht in das Gesicht sah , erkannte er sie . Da ward sein Herz so gerührt , daß er sie küßte , und als sie die Augen aufschlug , sprach er ‘ du bist mein und ich bin dein , und kein Mensch auf der Welt kann das ändern . ’ Zu der andern Braut aber schickte er einen Boten , und ließ sie bitten in ihr Reich zurückzukehren , denn er habe schon eine Gemahlin , und wer einen alten Schlüssel wiedergefunden habe , branche den neuen nicht . Darauf ward die Hochzeit gefeiert , und der Löwe kam wieder in Gnade , weil er doch die Wahrheit gesagt hatte .
68.
De Gaudeif un sien Meester .
J an wull sien Sohn en Handwerk lehren loeten , do gonk Jan in de Kerke , un beddet to ussen Herrgott wat üm wull selig ( zuträglich ) wöre : do steit de Köster achter dat Altar , un seg ‘ dat Gaudeifen , dat Gaudeifen ( gaudieben ) .’ Do geit Jan wier to sien Sohn , he möst dat Gaudeifen lehren , dat hedde em usse Herrgott segt . Geit he met sienen Sohn , un sögt sick enen Mann , de dat Gaudeifen kann . Do goht se ene ganze Tied , kummt in so ’n graut Wold , do steit so ’n klein Hüsken met so’ ne olle Frau derin ; seg Jan ‘ wiet ji nig enen Mann , de dat Gaudeifen kann ? ’ ‘ Dat känn ji hier wull lehren ,’ seg de Frau , ‘ mien Sohn is en Meester dervon . ’ Do kührt ( spricht ) he met den Sohn , of he dat Gaudeifen auk recht könne ? De Gaudeifsmeester seg ‘ ick willt juen Sohn wull lehren , dann kummt övern Johr wier , wann ji dann juen Sohn noch kennt , dann will ick gar kien Lehrgeld hebben , un kenne ji em nig , dann müge ji mi twe hunnert Dahler giewen .’
De Vader geit wier noh Hues , un de Sohn lehret gut hexen un gaudeifen . Asse dat Johr um is , geit de Vader alle un grient wu he dat anfangen will , dat he sienen Sohn kennt . Asse he der
so geit un grient , do kümmt em so ’n klein Männken in de Möte ( entgegen ) , dat seg ‘Mann , wat grien ji ? ji sind je so bedröft . ’ ‘ O , seg Jan , ick hebbe meinen Sohn vör en Johr bie en Gaudeifs-Mester vermet , do sede de mig , ick soll övert Johr wier kummen , un wann ick dann mienen Sohn nig kennde , dann söll ick em twe hunnert Dahler giewen , un wann ick em kennde , dann höf ick nix to giewen ; nu sin ick so bange dat ick em nig kenne , un ick weet nig , wo ick dat Geld her kriegen sall . ’ Do seg dat Männken , he söll en Körsken Braut met niemen , un gohen unner den Kamin stohen : ‘ do up den Hahlbaum steit en Körfken , do kiekt en Vügelken uht , dat is jue Sohn .’
Do geit Jan hen , un schmit en Körsken Schwatbraut vör den Korf , do kümmt dat Vügelken daruht , un blickt der up . ‘Holla , mien Sohn , bist du hier ? ’ seg de Vader . Do freude sick de Sohn dat he sienen Vader sog ; awerst de Lehrmeester seg ‘ dat het ju de Düvel in giewen , wu könn ji süs juen Sohn kennen ? ’ ‘Vader , loet us gohn’ sede de Junge .
Do will de Vader met sienen Sohn nach Hues hengohn , unnerweges kümmt der ne Kutske an föhren , do segd de Sohn to sienen Vader , ‘ ick will mie in enen grauten Windhund maken , dann kann ji viel Geld met mie verdienen .’ Do röpt de Heer uht de Kutske ‘Mann , will ji den Hund verkaupen ? ’ ‘ Jau ,’ sede de Vader . ‘ Wu viel Geld will ji den vör hebben ? ’ ‘Dertig Dahler . ’ ‘ Je , Mann , dat is je viel , men wegen dat et so ’n eislicke rohren Ruen ( gewaltig schöner Rüde ) is , so will ick en behollen . ’ De Heer nimmt en in siene Kutske , asse de en lück
( wenig ) wegföhrt is , do sprinkt de Hund uht den Wagen dör de Glase , un do was he kien Windhund mehr , un was wier bie sienen Vader .
Do goht se tosamen noh Hues . Den annern Dag is in dat neigste Dorp Markt , do seg de Junge to sienen Vader ‘ ick will mie nu in en schön Perd maken , dann verkaupet mie ; awerst wann ji mie verkaupet , da möt ji mi den Taum uttrecken , süs kann ick kien Mensk wier weren . ’ Do treckt de Vader met dat Perd noh’t Markt , do kümmt de Gaudeifsmeester un köft dat Perd för hunnert Dahler , un de Vader verget , un treckt em den Taum nig uht . Do treckt de Mann met dat Perd noh Hues , un doet et in en Stall . Asse de Magd öwer de Dehle geit , do segd dat Perd ‘ tüh mie den Taum uht , tüh mie den Taum uht . ’ Do steiht de Magd un lustert , ‘je , kannst du kühren ? ’ Geit hen , un tüht em den Taum uht , do werd dat Perd en Lüning ( Sperling ) , un stügt öwer de Döhre , un de Hexenmeester auk en Lüning , un flügt em noh . Do kümmt se bie ene ( zusammen ) , un bietet sick , awerst de Meester verspielt , un mäk sick in’t Water , un is en Fisk . Do werd de Junge auk en Fisk , un se bietet sick wier , dat de Meester verspielen mot . Do mäk sick de Meester in en Hohn , un de Junge werd en Voß , un bitt den Meester den Kopp af ; do is he storwen , un ligt daut bes up düssen Dag .
69.
Jorinde und Joringel .
E s war einmal ein altes Schloß mitten in einem großen dicken Wald , darinnen wohnte eine alte Frau ganz allein , das war eine Erzzauberin . Am Tage machte sie sich zur Katze oder zur Nachteule , des Abends aber wurde sie wieder ordentlich wie ein Mensch gestaltet . Sie konnte das Wild und die Vögel herbeilocken , und dann schlachtete sies , kochte und bratete es . Wenn jemand auf hundert Schritte dem Schloß nahe kam , so mußte er stille stehen , und konnte sich nicht von der Stelle bewegen , bis sie ihn lossprach : wenn aber eine keusche Jungfrau in diesen Kreis kam , so verwandelte sie dieselbe in einen Vogel , und sperrte sie dann in einen Korb ein , und trug den Korb in eine Kammer des Schlosses . Sie hatte wohl sieben tausend solcher Körbe mit so raren Vögeln im Schlosse .
Nun war einmal eine Jungfrau , die hieß Jorinde ; sie war schöner als alle andere Mädchen , die , und dann ein gar schöner Jüngling , Namens Joringel , hatten sich zusammen versprochen . Sie waren in den Brauttagen , und sie hatten ihr größtes Vergnügen eins am andern . Damit sie nun einsmalen vertraut zusammen reden könnten , giengen sie in den Wald spazieren .
‘Hüte dich ,’ sagte Joringel , ‘ daß du nicht so nahe ans Schloß kommst . ’ Es war ein schöner Abend , die Sonne schien zwischen den Stämmen der Bäume hell ins dunkle Grün des Waldes , und die Turteltaube sang kläglich auf den alten Maibuchen .
Jorinde weinte zuweilen , setzte sich hin im Sonnenschein und klagte . Joringel klagte auch : sie waren so bestürzt , als wenn sie hätten sterben sollen : sie sahen sich um , waren irre , und wußten nicht wohin sie nach Hause gehen sollten . Noch halb stand die Sonne über dem Berg , und halb war sie unter . Joringel sah durchs Gebüsch , und sah die alte Mauer des Schlosses nah bei sich ; er erschrack und wurde todtbang . Jorinde sang
‘ mein Vöglein mit dem Ringlein roth
singt Leide , Leide , Leide :
es singt dem Täubelein seinen Tod ,
singt Leide , Lei — zucküth , zicküth , zicküth .’
Joringel sah nach Jorinde . Jorinde war in eine Nachtigall verwandelt , die sang zicküth , zicküth . Eine Nachteule mit glühenden Augen flog dreimal um sie herum , und schrie dreimal schu , hu , hu , hu . Joringel konnte sich nicht regen : er stand da wie ein Stein , konnte nicht weinen , nicht reden , nicht Hand noch Fuß regen . Nun war die Sonne unter : die Eule flog in einen Strauch , und gleich darauf kam eine alte krumme Frau aus diesem hervor , gelb und mager , große rothe Augen , krumme Nase , die mit der Spitze ans Kinn reichte . Sie murmelte , fieng die Nachtigall , und trug sie auf der Hand fort . Joringel konnte
nichts sagen , nicht von der Stelle kommen ; die Nachtigall war fort . Endlich kam das Weib wieder , und sagte mit dumpfer Stimme ‘ grüß dich , Zachiel , wenns Mödel ins Körbel scheint , bind los , Zachiel , zu guter Stund . ’ Da wurde Joringel los : er fiel vor dem Weib auf die Knie , und bat sie möchte ihm seine Jorinde wieder geben , aber sie sagte er sollte sie nie wieder haben , und gieng fort . Er rief , er weinte , er jammerte , aber alles umsonst . ‘ Uu , was soll mir geschehen ? ’ Joringel gieng fort , und kam endlich in ein fremdes Dorf : da hütete er die Schafe lange Zeit . Oft gieng er rund um das Schloß herum , aber nicht zu nahe dabei : endlich träumte er einmal des Nachts er fänd eine blutrothe Blume , in deren Mitte eine schöne große Perle war : die Blume brach er ab , gieng damit zum Schlosse : alles , was er mit der Blume berührte , ward von der Zauberei frei : auch träumte er , er hätte seine Jorinde dadurch wieder bekommen . Des Morgens , als er erwachte , fieng er an durch Berg und Thal zu suchen ob er eine solche Blume fände : er suchte bis an den neunten Tag , da fand er die blutrothe Blume am Morgen früh . Jn der Mitte war ein großer Thautropfe , so groß wie die schönste Perle . Diese Blume trug er Tag und Nacht bis zum Schloß . Wie er auf hundert Schritt nahe zum Schloß kam , da ward er nicht fest , sondern gieng fort bis ans Thor . Joringel freute sich hoch , berührte die Pforte mit der Blume , und sie sprang auf . Er gieng hinein , durch den Hof , horchte wo er die vielen Vögel vernähme ; endlich hörte ers . Er gieng und fand den Saal , darauf war die Zauberin , und
fütterte die Vögel in den sieben tausend Körben . Wie sie den Joringel sah , ward sie bös , sehr bös , schalt , spie Gift und Galle gegen ihn aus , aber sie konnte auf zwei Schritte nicht an ihn kommen . Er kehrte sich nicht an sie , und gieng , besah die Körbe mit den Vögeln ; da waren aber viele hundert Nachtigallen , wie sollte er nun seine Jorinde wieder finden ? Jndem er so zusah , merkte er daß die Alte heimlich ein Körbchen mit einem Vogel nimmt , und damit nach der Thüre geht . Flugs sprang er hinzu , berührte das Körbchen mit der Blume und auch das alte Weib : nun konnte sie nichts mehr zaubern , und Jorinde stand da , hatte ihn um den Hals gefaßt , so schön wie sie ehemals war . Da machte er auch alle die andern Vögel wieder zu Jungfrauen , und da gieng er mit seiner Jorinde nach Hause , und sie lebten lange vergnügt zusammen .
70.
Die drei Glückskinder .
E in Vater ließ einmal seine drei Söhne vor sich kommen , und schenkte dem ersten einen Hahn , dem zweiten eine Sense , dem dritten eine Katze . ‘ Jch bin schon alt ,’ sagte er , ‘ und mein Tod ist nah , da wollte ich euch vor meinem Ende noch versorgen . Geld hab ich nicht , und was ich euch jetzt gebe , scheint wenig werth , es kommt aber bloß darauf an , daß ihr es verständig anwendet ; sucht euch nur ein Land , wo dergleichen Dinge noch unbekannt sind , so ist euer Glück gemacht . ’ Nach dem Tode des Vaters gieng der älteste mit seinem Hahn aus , wo er aber hinkam , war der Hahn schon bekannt : in den Städten sah er ihn schon von weitem auf den Thürmen sitzen , und sich mit dem Wind umdrehen , in den Dörfern hörte er mehr als einen krähen , und niemand wollte sich über das Thier wundern , so daß es nicht das Ansehen hatte , als würde er sein Glück damit machen . Endlich aber gerieths ihm doch , daß er auf eine Jnsel kam , wo die Leute nichts von einem Hahn wußten , sogar ihre Zeit nicht einzutheilen verstanden . Sie wußten wohl wenns Morgen oder Abend war , aber Nachts , wenn sies nicht verschliefen , wußte sich keiner aus der Zeit herauszufinden . ‘Seht ,’
sprach er , ‘ was für ein stolzes Thier , es trägt eine rubinrothe Krone auf dem Kopf , und hat Sporn an , wie ein Ritter : es ruft euch des Nachts dreimal zu bestimmter Zeit an , und wenns das letztemal ruft , so geht die Sonne bald auf . Wenns aber bei hellem Tag ruft , so richtet euch darauf ein , dann giebts gewiß anderes Wetter .’ Den Leuten gefiel das wohl , sie schliefen eine ganze Nacht nicht , und hörten mit großer Freude wie der Hahn um zwei , vier und sechs Uhr laut und vernehmlich die Zeit abrief . Sie fragten ihn ob das Thier nicht feil wäre , und wieviel er dafür verlangte . ‘Etwa so viel , als ein Esel Gold trägt ,’ antwortete er . ‘ Ein Spottgeld für ein so kostbares Thier ’ riefen sie insgesammt , und gaben ihm gerne was er gefordert hatte .
Als er mit dem Reichthum heim kam , verwunderten sich seine Brüder , und der zweite sprach ‘ so will ich mich doch aufmachen , und sehen ob ich meine Sense auch so gut losschlagen kann . ’ Es hatte aber nicht das Ansehen danach , denn überall begegneten ihm Bauern , und hatten so gut eine Sense auf der Schulter , als er . Doch zuletzt glückte es ihm auch mit einer Jnsel , wo die Leute nichts von einer Sense wußten . Wenn dort das Korn reif war , so fuhren sie Kanonen vor den Feldern auf und schossens herunter . Das war nun ein ungewisses Ding , mancher schoß drüber hinaus , ein anderer traf statt des Halms die Aehren , und schoß sie fort , dabei kam viel um , und obendrein gabs einen lästerlichen Lärmen . Da stellte sich der Mann hin , und mähte es so still und so geschwind nieder , daß die
Leute Maul und Nase vor Verwunderung aufsperrten . Sie waren willig ihm dafür zu geben was er verlangte , und er bekam ein Pferd , dem war Gold aufgeladen , so viel es tragen konnte .
Nun wollte der dritte Bruder seine Katze auch an den rechten Mann bringen . Es gieng ihm wie den andern , so lange er auf dem festen Lande blieb , war nichts auszurichten , es gab aller Orten Katzen , und so viel , daß die neugebornen Jungen meist im Wasser ersäuft wurden . Endlich ließ er sich auf eine Jnsel überschiffen , und es traf sich glücklicherweise , daß dort noch niemals eine gesehen war , und doch die Mäuse so überhand genommen hatten , daß sie auf den Tischen und Bänken tanzten , der Hausherr mochte daheim sein oder nicht . Die Leute jammerten gewaltig über die Plage , der König selbst wußte sich in seinem Schlosse nicht dagegen zu retten : in allen Ecken pfiffen Mäuse , und zernagten was sie mit ihren Zähnen nur packen konnten . Da fieng nun die Katze ihre Jagd an , und hatte bald ein paar Säle gereinigt , und die Leute baten den König das Wunderthier für das Reich zu kaufen . Der König gab gerne was gefordert wurde , das war ein mit Gold beladener Maulesel , und der dritte Bruder kam mit den allergrößten Schätzen heim .
Die Katze machte sich in dem königlichen Schlosse mit den Mäusen eine rechte Lust , und biß so viele todt daß sie nicht mehr zu zählen waren . Endlich ward ihr von der Arbeit heiß , und sie bekam Durst : da blieb sie stehen , drehte den Kopf in die Höhe und schrie ‘ miau , miau . ’ Der König sammt allen seinen Leuten ,
als sie das seltsame Geschrei vernahmen , erschracken , und liefen in ihrer Angst sämmtlich zum Schloß hinaus . Unten hielt der König Rath , was zu thun das beste wäre ; zuletzt ward beschlossen einen Herold an die Katze abzuschicken , und sie aufzufordern das Schloß zu verlassen oder zu gewärtigen , daß Gewalt gegen sie gebraucht würde . Die Räthe sagten ‘lieber wollen wir uns von den Mäusen plagen lassen , an das Uebel sind wir gewöhnt , als unser Leben einem solchen Unthier Preis geben . ’ Ein Edelknabe mußte hinauf gehen , und die Katze fragen ‘ ob sie das Schloß gutwillig räumen wollte ? ’ Die Katze aber , deren Durst nur noch größer geworden war , antwortete bloß ‘ miau , miau . ’ Der Edelknabe verstand ‘durchaus , durchaus nicht ,’ und überbrachte dem König die Antwort . ‘ Nun ,’ sprachen die Räthe , ‘ soll sie der Gewalt weichen . ’ Es wurden Kanonen aufgeführt , und das Haus in Brand geschossen . Als das Feuer in den Saal kam , wo die Katze saß , sprang sie glücklich zum Fenster hinaus ; die Belagerer hörten aber nicht eher auf , als bis das ganze Schloß in Grund und Boden geschossen war .
71.
Sechse kommen durch die ganze Welt .
E s war einmal ein Mann , der verstand allerlei Künste ; er diente im Krieg , und hielt sich brav und tapfer , aber als der Krieg zu Ende war , bekam er den Abschied , und drei Heller Zehrgeld auf den Weg . ‘Wart ,’ sprach er , ‘ mit mir geht man nicht so um ! finde ich die rechten Leute , so soll mir der König noch die Schätze des ganzen Landes herausgeben . ’ Da gieng er voll Zorn in den Wald , und sah einen darin stehen , der hatte sechs Bäume ausgerupft , als wärens Kornhalme . Sprach er zu ihm ‘ willst du mein Diener sein , und mit mir ziehn ? ’ ‘ Ja ,’ antwortete er , ‘ aber erst will ich meiner Mutter das Wellchen Holz heimbringen , ’ und nahm einen von den Bäumen , und wickelte ihn um die fünf andern , hob die Welle auf die Schulter , und trug sie fort . Dann kam er wieder , und gieng mit seinem Herrn , der sprach ‘ wir zwei sollten wohl durch die ganze Welt kommen . ’ Und als sie ein Weilchen gegangen waren , fanden sie einen Jäger , der lag auf den Knien , hatte die Büchse angelegt , und zielte . Sprach der Herr zu ihm ‘Jäger , was willst du schießen ? ’ Er antwortete ‘ zwei Meilen von hier sitzt eine Fliege auf dem Ast eines Eichbaums , der will ich das linke Auge herausschießen . ’
‘ O , geh mit mir ,’ sprach der Mann , ‘ wenn wir drei zusammen sind , sollten wir wohl durch die ganze Welt kommen .’ Der Jäger war bereit , und gieng mit ihm , und sie kamen zu sieben Windmühlen , deren Flügel trieben ganz hastig herum , und gieng doch links und rechts kein Wind , und bewegte sich kein Blättchen . Da sprach der Mann ‘ ich weiß nicht , was die Windmühlen treibt , es regt sich ja kein Lüftchen , ’ und gieng mit seinen Dienern weiter , und als sie zwei Meilen fortgegangen waren , sahen sie einen auf einem Banm sitzen , der hielt das eine Nasenloch zu , und blies aus dem andern . ‘ Mein , was treibst du da oben ? ’ fragte der Mann . Er antwortete ‘ zwei Meilen von hier stehen sieben Windmühlen , seht , die blase ich an , daß sie laufen . ’ ‘ O , geh mit mir ,’ sprach der Mann , ‘ wenn wir vier zusammen sind , sollten wir wohl durch die ganze Welt kommen . ’ Da stieg der Bläser herab , und gieng mit , und über eine Zeit sahen sie einen , der stand da auf einem Bein , und hatte das andere abgeschnallt , und neben sich gelegt . Da sprach der Herr ‘ du hast dirs ja bequem gemacht zum Ausruhen . ’ ‘Jch bin ein Laufer ,’ antwortete er , ‘ und damit ich nicht gar zu schnell springe , habe ich mir das eine Bein abgeschnallt ; wenn ich mit zwei Beinen laufe , so gehts geschwinder als ein Vogel fliegt . ’ ‘ O , geh mit mir , wenn wir fünf zusammen sind , sollten wir wohl durch die ganze Welt kommen . ’ Da gieng er mit , und gar nicht lang , so begegneten sie einem , der hatte ein Hütchen auf , hatte es aber ganz auf dem einen Ohr sitzen . Da sprach der Herr zu ihm ‘ manierlich ! manierlich ! setz deinen Hut doch
ein bischen gerad , du siehst ja aus wie ein Hans Narr . ’ ‘Jch darfs nicht thun ,’ sprach der andere , ‘ denn setz ich meinen Hut gerad , so kommt ein gewaltiger , entsetzlicher Frost , und die Vögel unter dem Himmel erfrieren und fallen todt zur Erde . ’ ‘ O , geh mit mir ,’ sprach der Herr , ‘ wenn wir sechs zusammen sind , sollten wir wohl durch die ganze Welt kommen .’
Nun giengen die sechse in die Stadt , wo der König hatte bekannt machen lassen , wer mit seiner Tochter in die Wette laufe , und den Sieg davon trage , der solle ihr Gemahl werden ; wer aber verliere , müsse auch seinen Kopf hergeben . Da meldete sich der Mann und sprach ‘ ich will aber meinen Diener für mich laufen lassen .’ Der König antwortete ‘ dann mußt du auch noch dessen Leben zum Pfand setzen , also daß sein und dein Kopf für den Sieg haften . ’ Nun ward das verabredet und fest gemacht , da schnallte der Mann dem Laufer das andere Bein an , und sprach zu ihm ‘ nun sei hurtig , und hilf daß wir siegen . ’ Es war aber bestimmt , daß wer am ersten Wasser aus einem weit abgelegenen Brunnen brächte Sieger sein sollte . Nun bekam der Laufer einen Krug , und die Königstochter auch einen , und sie fiengen zu gleicher Zeit zu laufen an ; aber in einem Augenblick , als die Königstochter erst eine kleine Strecke fort war , konnte den Laufer schon kein Zuschauer mehr sehen , und es war nicht anders , als wäre der Wind vorbei gesaust . Jn kurzer Zeit langte er bei dem Brunnen an , schöpfte den Krug voll Wasser , und kehrte wieder um . Mitten aber auf dem Heimweg überkam ihn eine Müdigkeit , da setzte er den Krug hin , legte sich nieder
und schlief ein . Er legte aber den Kopf auf einen Pferdeschädel , damit er hart liege , und bald wieder erwache . Jndessen war die Königstochter , die auch gut laufen konnte , so gut als ein gewöhnlicher Mensch vermag , zu dem Brunnen gekommen , und lief mit ihrem Krug voll Wasser zurück , und als sie den Laufer da liegen und schlafen sah , war sie froh , und sprach ‘ der Feind ist in meine Hände gegeben ,’ leerte seinen Krug aus , und sprang weiter . Nun wär alles verloren gewesen , wenn nicht zu gutem Glück der Jäger mit seinen scharfen Augen oben auf dem Schloß gestanden und alles mit angesehen hätte . Da sprach er ‘ die Königstochter soll dennoch gegen uns nicht aufkommen ,’ lud seine Büchse , und schoß so geschickt , daß er dem Laufer den Pferdeschädel unter dem Kopf wegschoß ohne ihm weh zu thun . Da erwachte der Laufer , sprang in die Höhe , und sah daß sein Krug leer und die Königstochter schon weit vor ihm war . Aber er verlor den Muth nicht , faßte den Krug , lief wieder zum Brunnen zurück , schöpfte aufs neue Wasser , und war noch zehn Minuten eher als die Königstochter daheim , und gewann sie also seinem Herrn . ‘Seht ihr ,’ sprach er , ‘ jetzt hab ich erst die Beine aufgehoben , vorher wars gar kein Laufen zu nennen .’
Den König aber kränkte es , und seine Tochter noch mehr , daß sie so ein gemeiner , abgedankter Soldat davon tragen sollte , und sie rathschlagten mit einander wie sie ihn sammt seinen Gesellen los würden . Da sprach der König zu ihr ‘ ich habe ein Mittel gefunden , laß dir nicht bang sein , sie sollen nicht wieder heim kommen . ’ Und sprach zu ihnen ‘ ihr sollt euch nun zusammen
lustig machen , essen und trinken’ und führte sie zu einer Stube , die hatte einen Boden von Eisen , und die Thüren waren auch von Eisen , und die Fenster waren mit eisernen Stäben verwahrt . Jn der Stube war eine Tafel mit köstlichen Speisen besetzt , da sprach der König zu ihnen ‘ geht hinein , und laßts euch wohl sein . ’ Und wie sie darinnen waren , ließ er die Thüre verschließen und verriegeln . Dann ließ er den Koch kommen , und befahl ihm ein Feuer so lang unter die Stube zu machen , bis das Eisen glühend würde . Das that der Koch , und es fieng an und ward den sechsen in der Stube , während sie an der Tafel saßen , ganz warm , und sie meinten das käme vom Essen ; als aber die Hitze immer größer ward , und sie hinaus wollten , Thüre und Fenster aber verschlossen fanden , da merkten sie daß der König Böses im Sinne gehabt hatte , und sie ersticken wollte . ‘ Es soll ihm aber nicht gelingen ,’ sprach der mit dem Hütchen , ‘ ich will einen Frost kommen lassen , vor dem sich das Feuer schämen und verkriechen soll . ’ Da setzte er sein Hütchen gerade , und alsobald fiel ein Frost daß alle Hitze verschwand , und die Speisen auf den Schüsseln zusammenfroren . Als nun ein paar Stunden herum waren , und der König glaubte sie wären in der Hitze verschmachtet , ließ er die Thüre öffnen , und wollte selbst nach ihnen sehen . Aber wie die Thüre aufgieng , standen sie alle sechse da , frisch und gesund , und sagten es wäre ihnen lieb daß sie heraus könnten , sich zu wärmen , denn bei der großen Kälte in der Stube frören die Speisen an den Schüsseln fest . Da gieng der König voll Zorn hinab zu dem
Koch , schalt ihn , und fragte warum er nicht besser gethan hätte was ihm wäre befohlen worden . Der Koch aber antwortete ‘ es ist Glut genug da , seht nur selbst . ’ Da sah der König daß ein gewaltiges Feuer unter der Eisenstube brannte , und merkte daß er den sechsen auf diese Weise nichts anhaben könnte .
Nun sann der König aufs neue wie er der bösen Gäste los würde , ließ den Meister kommen und sprach ‘willst du Gold nehmen , und dein Recht auf meine Tochter aufgeben , so sollst du haben so viel du willst . ’ Da antwortete er ‘ ja , Herr König , gebt mir so viel als mein Diener tragen kann , so verlange ich eure Tochter nicht . ’ Das war der König zufrieden , und jener sprach weiter ‘ so will ich in vierzehn Tagen kommen und es holen . ’ Darauf ließ er alle Schneider aus dem ganzen Reich zusammenkommen , die mußten vierzehn Tage lang sitzen und einen Sack nähen . Und als er fertig war , mußte der Starke , welcher Bäume ausrupfen konnte , den Sack auf die Schulter nehmen , und mit ihm zu dem König gehen . Da sprach der König ‘ was ist das für ein gewaltiger Kerl , der den hausgroßen Ballen Leinewand auf der Schulter trägt ? ’ erschrack und dachte ‘ was wird der für Gold wegschleppen ! ’ Da hieß er eine Tonne Gold herbringen , die mußten sechszehn der stärksten Männer tragen , aber der Starke packte sie mit einer Hand , steckte sie in den Sack , und sprach ‘ warum bringt ihr nicht gleich mehr , das deckt ja kaum den Boden . ’ Da ließ der König nach und nach seinen ganzen Schatz herbeitragen , den schob der Starke in den
Sack hinein , und der Sack ward davon noch nicht zur Hälfte voll . ‘Schafft mehr herbei ,’ rief er , ‘ die Brocken füllen nicht . ’ Da mußten noch siebentausend Wagen mit Gold in dem ganzen Reich zusammen gefahren werden , die schob der Starke sammt den vorgespannten Ochsen in seinen Sack . ‘Jch wills nicht lang besehen ,’ sprach er , ‘ und nehmen was kommt , damit der Sack nur voll wird . ’ Wie alles darin stack , gieng doch noch viel hinein , da sprach er ‘ ich will dem Ding nur ein Ende machen , man bindet wohl einmal einen Sack zu , wenn er auch noch nicht voll ist . ’ Dann huckte er ihn auf den Rücken , und gieng mit seinen Gesellen fort .
Als der König nun sah wie der einzige Mann des ganzen Landes Reichthum forttrug , ward er zornig , und ließ seine Reiterei aufsitzen , die sollten den sechsen nachjagen , und hatten Befehl dem Starken den Sack wieder abzunehmen . Zwei Regimenter holten sie bald ein , und riefen ihnen zu ‘ ihr seid Gefangene , legt den Sack mit dem Gold nieder , oder ihr werdet zusammengehauen . ’ ‘ Was sagt ihr ? ’ sprach der Bläser , ‘ wir wären Gefangene ? eher sollt ihr sämmtlich in der Luft herumtanzen ,’ hielt das eine Nasenloch zu , und blies mit dem andern die beiden Regimenter an , da fuhren sie aus einander , und in die Luft über alle Berge fort , der eine hierhin , der andere dorthin . Ein Feldwebel rief um Gnade , ‘er hätte neun Wunden , und wäre ein braver Kerl , der den Schimpf nicht verdiente . ’ Da ließ der Bläser ein wenig nach , so daß er ohne Schaden wieder herab kam , dann sprach er zu ihm ‘ nun geh heim zum
König , und sag ihm er sollte nur noch mehr Reiterei schicken , ich wollte sie alle in die Luft hineinblasen .’ Der König , als er den Bescheid vernahm , sprach ‘ laßt sie gehen , die haben etwas an sich . ’ Da brachten die sechs den Reichthum heim , theilten ihn unter sich , und lebten vergnügt bis an ihr Ende .
72.
Der Wolf und der Mensch .
D er Fuchs erzählte einmal dem Wolf von der Stärke des Menschen , kein Thier könnte ihm widerstehen , und sie müßten List gebrauchen , um sich vor ihm zu erhalten . Da antwortete der Wolf ‘ wenn ich nur einmal einen Menschen zu sehen bekäme , ich wollte doch auf ihn losgehen . ’ ‘ Dazu kann ich dir helfen ,’ sprach der Fuchs , ‘ komm nur morgen früh zu mir , so will ich dir einen zeigen . ’ Der Wolf stellte sich frühzeitig ein , und der Fuchs brachte ihn hinaus auf den Weg , den der Jäger alle Tage gieng . Zuerst kam ein alter abgedankter Soldat . ‘Jst das ein Mensch ? ’ fragte der Wolf . ‘Nein ,’ antwortete der Fuchs , ‘ das ist einer gewesen . ’ Danach kam ein kleiner Knabe , der zur Schule wollte . ‘Jst das ein Mensch ? ’ ‘Nein , das will erst einer werden . ’ Endlich kam der Jäger , die Doppelflinte auf dem Rücken , und den Hirschfänger an der Seite . Sprach der Fuchs zum Wolf ‘siehst du , dort kommt ein Mensch , auf den mußt du losgehen , ich aber will mich fort in meine Höhle machen . ’ Der Wolf gieng nun auf den Menschen los , der Jäger , als er ihn erblickte , sprach ‘ es ist Schade , daß ich keine Kugel geladen habe ,’ legte an , und schoß dem Wolf das Schrot ins Gesicht .
Der Wolf verzog das Gesicht gewaltig , doch ließ er sich nicht schrecken , und gieng vorwärts , da gab ihm der Jäger die zweite Ladung . Der Wolf verbiß den Schmerz , und rückte dem Jäger zu Leibe ; da zog dieser seinen blanken Hirschfänger , und gab ihm links und rechts ein paar Hiebe , daß er , über und über blutend , mit Geheul zu dem Fuchs zurück lief . ‘ Nun , Bruder Wolf ,’ sprach der Fuchs , ‘ wie bist du mit dem Menschen fertig worden ? ’ ‘ Ach ,’ antwortete der Wolf , ‘ so hab ich mir die Stärke des Menschen nicht vorgestellt ; erst nahm er einen Stock von der Schulter , und blies hinein , da flog mir etwas ins Gesicht , das hat mich ganz entsetzlich gekitzelt : danach pustete er noch einmal in den Stock , da flog mirs um die Nase , wie Blitz und Hagelwetter , und wie ich ganz nah war , da zog er eine blanke Rippe aus dem Leib , damit hat er so auf mich losgeschlagen , daß ich beinah todt wäre liegen geblieben . ’ ‘Siehst du ,’ sprach der Fuchs , ‘ was du für ein Prahlhans bist : du wirfst das Beil so weit , daß dus nicht wieder holen kannst .’
73.
Der Wolf und der Fuchs .
D er Wolf hatte den Fuchs bei sich , und was der Wolf wollte , das mußte der Fuchs thun , weil er der schwächste war , und der Fuchs wär gerne des Herrn los gewesen . Es trug sich zu , daß sie beide durch den Wald giengen , da sprach der Wolf ‘Rothfuchs , schaff mir was zu fressen , oder ich fresse dich . ’ Da antwortete der Fuchs ‘ ich weiß einen Bauernhof , wo ein paar junge Lämmlein sind , hast du Lust , so wollen wir eins holen . ’ Der Wolf wars zufrieden , und sie giengen hin , und der Fuchs stahl das Lämmlein , brachte es dem Wolf , und machte sich fort . Da fraß es der Wolf auf , war aber damit noch nicht zufrieden , sondern wollte das andere dazu haben , und gieng es zu holen . Weil er es aber so ungeschickt machte , ward es die Mutter vom Lämmlein gewahr , und fieng an entsetzlich zu schreien und zu bläen , daß die Bauern herbeigelaufen kamen . Da fanden sie den Wolf , und schlugen ihn so erbärmlich , daß er hinkend und heulend bei dem Fuchs ankam . ‘ Du hast mich schön angeführt ,’ sprach er , ‘ ich wollte das andere Lamm holen , da haben mich die Bauern erwischt , und haben mich weich geschlagen . ’ Der Fuchs antwortete ‘ warum bist du so ein Nimmersatt .’
Am andern Tag giengen sie wieder im Feld , sprach der unersättliche Wolf abermals ‘Rothfuchs , schaff mir was zu fressen , oder ich fresse dich . ’ Da antwortete der Fuchs ‘ ich weiß ein Bauernhaus , da backt die Frau heut Abend Pfannkuchen , wir wollen uns davon holen . ’ Sie giengen hin , und der Fuchs schlich ums Haus herum , guckte und schnupperte so lange , bis er ausfindig machte wo die Schüssel stand , zog dann sechs Pfannkuchen herab , und brachte sie dem Wolf . ‘ Da hast du zu fressen ,’ sprach er zu ihm , und gieng seiner Wege . Der Wolf hatte die Pfannkuchen in einem Augenblick hinunter geschluckt , und sprach ‘ sie schmecken nach mehr ,’ gieng hin , und riß geradezu die ganze Schüssel herunter , daß sie in Stücke zersprang . Da gabs einen gewaltigen Lärm , daß die Frau herauskam , und als sie den Wolf sah , rief sie ihre Leute , die eilten herbei , und schlugen ihn was Zeug wollte halten , daß er mit zwei lahmen Beinen laut heulend zum Fuchs in den Wald hinaus kam . ‘ Was hast du mich garstig angeführt ! ’ rief er , ‘ die Bauern haben mich erwischt , und mir die Haut gegerbt . ’ Der Fuchs aber antwortete ‘ warum bist du so ein Nimmersatt .’
Am dritten Tag , als sie beisammen draußen waren , und der Wolf mit Mühe nur forthinkte , sprach er doch wieder ‘Rothfuchs , schaff mir was zu fressen , oder ich fresse dich . ’ Der Fuchs antwortete ‘ ich weiß einen Mann , der hat geschlachtet , und das gesalzene Fleisch liegt in einem Faß im Keller , das wollen wir holen . ’ Sprach der Wolf ‘ aber ich will gleich mitgehen , damit du mir hilfst , wenn ich nicht fort kann . ’ ‘ Meinetwegen ’ sagte
der Fuchs , und zeigte ihm die Schliche und Wege , auf welchen sie endlich in den Keller gelangten . Da war nun Fleisch im Ueberfluß , und der Wolf machte sich gleich daran , und dachte ‘ bis ich aufhöre , hats Zeit . ’ Der Fuchs ließ sichs auch gut schmecken , blickte überall herum , lief aber oft zu dem Loch , durch welches sie gekommen waren , und versuchte , ob sein Leib noch schmal genug wäre durchzuschlüpfen . Sprach der Wolf ‘ lieber Fuchs , sag mir warum rennst du so hin und her , und springst hinaus und herein ? ’ ‘Jch muß doch sehen , ob niemand kommt ,’ antwortete der listige , ‘ friß nur nicht zu viel . ’ Da sagte der Wolf ‘ ich gehe nicht eher fort , als bis das Faß leer ist . ’ Jndem kam der Bauer , der den Lärm von des Fuchses Sprüngen gehört hatte , in den Keller . Der Fuchs , wie er ihn sah , war mit einem Satz zum Loch draußen ; der Wolf wollte nach , aber er hatte sich so dick gefressen , daß er nicht mehr durch konnte , sondern stecken blieb . Da kam der Bauer mit einem Knüppel , und schlug ihn todt . Der Fuchs aber sprang in den Wald , und war froh daß er den alten Nimmersatt los war .
74.
Der Fuchs und die Frau Gevatterin .
D ie Wölfin brachte ein Junges zur Welt , und ließ den Fuchs zu Gevatter einladen . ‘ Er ist doch nahe mit uns verwandt ,’ sprach sie , ‘ hat einen guten Verstand und viel Geschicklichkeit , er kann mein Söhnlein unterrichten , und ihm in der Welt forthelfen . ’ Der Fuchs erschien auch ganz ehrbar , und sprach ‘liebwerthe Frau Gevatterin , ich danke euch für die Ehre , die ihr mir erzeigt , ich will mich aber auch so halten , daß ihr eure Freude daran haben sollt . ’ Bei dem Fest ließ er sichs schmecken , und machte sich ganz lustig , hernach sagte er ‘ liebe Frau Gevatterin , es ist unsere Pflicht , für das Kindlein zu sorgen , ihr müßt gute Nahrung haben , damit es auch zu Kräften kommt . Jch weiß einen Schafstall , woraus wir leicht ein gutes Stück holen können . ’ Der Wölfin gefiel das Liedlein , und sie gieng mit dem Fuchs hinaus nach dem Bauernhof . Er zeigte ihr den Stall aus der Ferne , und sprach ‘ dort werdet ihr ungesehen hineinkriechen können , ich will mich derweil auf der andern Seite umsehen , ob ich etwa ein Hühnlein erwische .’ Er gieng aber nicht hin , sondern ließ sich am Eingang des Waldes nieder , streckte die Beine , und ruhte sich . Die Wölfin kroch in den Stall , da lag ein
Hund und machte Lärm , so daß die Bauern gelaufen kamen , die Frau Gevatterin ertappten , und eine scharfe Lauge von ungebrannter Asche über ihr Fell gossen . Endlich entkam sie doch , und schleppte sich hinaus ; da lag der Fuchs , that ganz kläglich , und sprach ‘ ach , liebe Frau Gevatterin , wie ists mirs schlimm ergangen ! die Bauern haben mich überfallen , und mir alle Glieder zerschlagen , wenn ihr nicht wollt daß ich auf dem Platz liegen bleiben und verschmachten soll , so müßt ihr mich forttragen . ’ Die Wölfin konnte selbst nur langsam fort , doch hatte sie so große Sorge für den Fuchs , daß sie ihn auf ihren Rücken nahm , und den ganz gesunden und heilen Gevatter mühsam bis zu ihrem Haus trug . Da rief er ihr zu ‘ lebt wohl , liebe Frau Gevatterin , und laßt euch den Braten wohl bekommen ,’ lachte sie ganz gewaltig aus , und sprang fort .
75.
Der Fuchs und die Katze .
E s trug sich zu , daß die Katze in einem Walde dem Herrn Fuchs begegnete , und weil sie dachte ‘er ist gescheidt und wohl erfahren , und gilt viel in der Welt ,’ so sprach sie ihm freundlich zu . ‘Guten Tag , lieber Herr Fuchs , wie gehts ? wie stehts ? wie schlagt ihr euch durch in dieser theuren Zeit ? ’ Der Fuchs , alles Hochmuthes voll , sah sie an von Kopf bis zu Füßen , und wußte lange nicht ob er ihr eine Antwort geben sollte . Endlich sprach er ‘o du armseliger Wicht , du buntscheckiger Narr , du Hungerleider und Mäusejäger , was kommt dir in den Sinn ? du unterstehst dich zu fragen wie mirs gehe ? was hast du gelernt ? wie viel Künste verstehst du ? ’ ‘ Jch verstehe nur eine einzige ’ antwortete bescheidentlich die Katze . ‘ Was ist das für eine Kunst ? ’ fragte der Fuchs . ‘ Wenn die Hunde hinter mir her sind , so kann ich auf einen Baum springen , und mich retten . ’ ‘ Jst das alles ? ’ sagte der Fuchs , ‘ ich bin Herr über hundert Künste , und habe überdies noch einen ganzen Sack voll Liste . Du jammerst mich , komm mit mir , ich will dich lehren wie man den Hunden entgeht . ’ Jndem kam ein Jäger mit vier Hunden daher . Die Katze sprang behend auf einen Baum , und setzte sich in den Gipfel ,
wo Aeste und Laubwerk sie völlig verbargen . ‘Bindet den Sack auf , Herr Fuchs , bindet den Sack auf ,’ rief ihm die Katze zu , aber die Hunde hatten ihn schon gepackt , und hielten ihn fest . ‘ Ei , Herr Fuchs ,’ rief die Katze , ‘ ihr bleibt mit euern hundert Künsten stecken . Hättet ihr heraufkriechen können , wie ich , so wärs nicht um euer Leben geschehen .’
76.
Die Nelke .
E s war eine Königin , die hatte unser Herr Gott verschlossen , daß sie keine Kinder gebar . Da gieng sie alle Morgen in den Garten , und bat zu Gott im Himmel er möchte ihr einen Sohn oder eine Tochter bescheren . Da kam ein Engel vom Himmel und sprach ‘gib dich zufrieden , du sollst einen Sohn haben mit wünschlichen Gedanken , denn was er sich wünscht auf der Welt , das wird er erhalten . ’ Sie gieng zum König , und sagte ihm die fröhliche Botschaft , und als die Zeit herum war , gebar sie einen Sohn , und der König war in großer Frende .
Nun gieng sie alle Morgen mit dem Kind in den Thiergarten , und wusch sich da ; und es geschah einstmals , als das Kind schon ein wenig älter war , daß es ihr auf dem Schooß lag , und sie entschlief . Da kam der alte Koch , der wußte daß das Kind wünschliche Gedanken hatte , und raubte es , und nahm ein Huhn und zerriß es , und tropfte ihr das Blut auf die Schürze und das Kleid . Dann trug er das Kind fort an einen verborgenen Ort , wo es eine Amme tränken mußte , und lief zum König und klagte die Königin an , sie habe ihr Kind von den wilden Thieren rauben lassen . Und als der König das Blut an der
Schürze sah , glaubte er es , und gerieth in einen solchen Zorn , daß er einen tiefen Thurm bauen ließ , in den weder Sonne noch Mond schien , und ließ seine Gemahlin hinein setzen , und vermauern ; da sollte sie sieben Jahre sitzen , ohne Essen und Trinken , und sollte verschmachten . Aber Gott schickte zwei Engel vom Himmel in Gestalt von weißen Tauben , die mußten täglich zweimal zu ihr fliegen , und ihr das Essen bringen , bis die sieben Jahre herum waren .
Der Koch aber dachte bei sich ‘ hat das Kind wünschliche Gedanken , und ich bin hier , so könnte es mich leicht ins Unglück bringen . ’ Da machte er sich vom Schloß weg , und gieng zu dem Knaben , der war schon so groß , daß er sprechen konnte . Sprach der Koch zu ihm ‘ wünsche dir ein schönes Schloß mit einem Garten und was dazu gehört . ’ Und wie es der Königssohn ausgesprochen hatte , so stand all das Gewünschte da . Ueber eine Zeit sprach der Koch zu ihm ‘ es ist nicht gut , daß du so allein bist , wünsche dir eine schöne Jungfrau zur Gesellschaft . ’ Da wünschte sie der Königssohn herbei , und sie war gleich da , und war so schön , wie sie kein Maler malen konnte . Nun spielten die beide zusammen , und hatten sich von Herzen lieb , und der alte Koch gieng auf die Jagd , wie ein vornehmer Mann . Es kam ihm aber der Gedanke , der Königssohn könnte einmal wünschen bei seinem Vater zu sein , und könnte ihn in große Noth bringen . Da gieng er heim , nahm das Mädchen beiseit , und sprach ‘ diese Nacht , wenn der Knabe schläft , so geh an sein Bett , und stoß ihm das Messer ins Herz , und bring mir Zunge
und Leber von ihm , und wenn du das nicht thust , so sollst du dein Leben verlieren . ’ Darauf gieng er fort , und als er am andern Tag wieder kam , so hatte sie es nicht gethan , und sprach ‘ was soll ich ein unschuldiges Blut ums Leben bringen , das noch niemand beleidigt hat ? ’ Sprach der Koch wieder ‘ wo du es nicht thust , so kostet dichs selbst dein Leben . ’ Da ließ sie sich eine kleine Hirschkuh herbei holen , und ließ sie schlachten , und nahm Herz und Zunge , und legte sie auf einen Teller , und als sie den Alten kommen sah , sprach sie zu dem Knaben ‘leg dich ins Bett , und zieh die Decke über dich .’
Da trat der Bösewicht herein , und sprach ‘ wo ist Herz und Zunge von dem Knaben ? ’ das Mädchen reichte ihm den Teller , aber der Königssohn warf die Decke ab , und sprach ‘ du alter Sünder , warum hast du mich tödten wollen ? nun will ich dir dein Urtheil sprechen . Du sollst ein Pudelhund werden , und eine goldene Kette um den Hals haben , und sollst glühende Kohlen fressen , daß dir die Lohe zum Hals heraus schlägt . ’ Und wie er die Worte ausgesprochen hatte , so war der Alte in einen Pudelhund verwandelt , und hatte eine goldene Kette um den Hals , und die Köche mußten lebendige Kohlen herauf bringen , die fraß er , daß ihm die Lohe aus dem Hals heraus schlug . Nun blieb der Königssohn noch eine kleine Zeit da , und dachte an seine Mutter , und ob sie noch am Leben wäre . Endlich sprach er zu dem Mädchen ‘ ich will heim in mein Vaterland , willst du mit mir gehen , so will ich dich ernähren . ’ ‘ Ach ,’ antwortete sie , ‘ der Weg ist so weit , und was soll ich in einem fremden Lande
machen , wo ich unbekannt bin . ’ Weil es also ihr Wille nicht recht war , und sie doch von einander nicht lassen wollten , wünschte er sie zu einer schönen Nelke , und steckte sie bei sich .
Da zog er fort , und der Pudelhund mußte mit laufen , und er zog in sein Vaterland . Nun gieng er zu dem Thurm , wo seine Mutter darin saß , und weil der Thurm so hoch war , wünschte er eine Leiter , die bis oben hin reichte . Da stieg er hinauf , und sah hinein , und rief ‘ herzliebste Mutter , Frau Königin , seid ihr noch am Leben , oder seid ihr todt ? ’ Sie antwortete ‘ ich habe ja eben gegessen , und bin noch satt ,’ und meinte die Engel wären da . Sprach er ‘ ich bin euer lieber Sohn , den die wilden Thiere euch sollen vom Schooß geraubt haben ; aber ich bin noch am Leben , und will euch bald erretten . ’ Nun stieg er herab , und gieng zu seinem Herrn Vater , und ließ sich anmelden als ein fremder Jäger , ob der könnte Dienste bei ihm haben . Antwortete der König ja , wenn er gelernt wäre , und ihm Wildprett schaffen könnte , sollte er herkommen ; es hatte sich aber auf der ganzen Gränze und Gegend niemals Wild aufgehalten . Da versprach der Jäger er wollte ihm so viel schaffen , als er nur auf der königlichen Tafel brauchen könnte . Dann hieß er die Jägerei zusammen kommen , sie sollten alle mit ihm hinaus in den Wald gehen . Da giengen sie mit , und draußen hieß er sie einen großen Kreiß schließen , der an einem Ende offen blieb , und dann stellte er sich hinein , und fieng an zu wünschen . Alsbald kamen zweihundert und etliche Stück Wildprett in den Kreiß gelaufen , und die Jäger mußten es schießen . Da ward es auf
sechszig Bauerwagen geladen , und dem König heimgefahren ; da konnte er einmal seine Tafel mit Wildprett zieren , nachdem er lange Jahre keins gehabt hatte .
Nun empfand der König große Freude darüber , und bestellte , es sollte des andern Tags seine ganze Hofhaltung bei ihm speisen , und machte ein großes Gastmal . Wie sie alle beisammen waren , sprach er zu dem Jäger ‘ weil du so geschickt bist , so sollst du neben mir sitzen . ’ Er antwortete ‘ Herr König , Ew. Majestät halte zu Gnaden , ich bin ein schlechter Jägerbursch . ’ Der König aber bestand darauf , und sagte ‘ du sollst dich neben mich setzen ,’ bis er es that . Wie er da saß , dachte er an seine liebste Frau Mutter , und wünschte daß nur einer von des Königs ersten Dienern von ihr anfienge , und fragte wie es wohl der Frau Königin im Thurm gienge , ob sie wohl noch am Leben wäre oder verschmachtet . Kaum hatte er es gewünscht , so fieng auch schon der Marschall an , und sprach ‘königliche Majestät , wir leben hier in Freuden , wie geht es wohl der Frau Königin im Thurm , ob sie wohl noch am Leben oder verschmachtet ist ? Aber der König antwortete ‘ sie hat mir meinen lieben Sohn von den wilden Thieren zerreißen lassen , davon will ich nichts hören . ’ Da stand der Jäger auf , und sprach ‘gnädigster Herr Vater , sie ist noch am Leben , und ich bin ihr Sohn , und die wilden Thiere haben ihn nicht geraubt , sondern der Bösewicht , der alte Koch , hat mich , als sie eingeschlafen war , von ihrem Schooß geraubt , und ihre Schürze mit dem Blut eines Huhns betropft . ’ Und da nahm er den Hund mit dem goldenen Halsband ,
und sprach ‘ das ist der Bösewicht , ’ und ließ glühende Kohlen bringen , die mußte er Angesichts aller fressen , daß ihm die Lohe aus dem Hals schlug . Darauf fragte er den König ob er ihn in seiner wahren Gestalt sehen wollte , und wünschte ihn wieder zum Koch , da stand er alsbald mit der weißen Schürze und dem Messer an der Seite . Der König , wie er ihn sah , ward zornig , und befahl daß er in den tiefsten Kerker sollte geworfen werden . Darauf sprach der Jäger weiter ‘Herr Vater , wollt ihr auch das Mädchen sehen , das mich so zärtlich aufgezogen hat , das mich ums Leben bringen sollte , aber es nicht that ? ’ Antwortete der König ‘ja , ich will sie gerne sehen . ’ Sprach der Sohn ‘gnädigster Herr Vater , ich will sie euch zeigen in Gestalt einer schönen Blume . ’ Und griff in die Tasche , und holte die Nelke , und stellte sie auf die königliche Tafel , und sie war so schön , als der König nie eine gesehen hatte . Darauf sprach der Sohn ‘ nun will ich sie auch in ihrer wahren Gestalt zeigen ,’ und wünschte sie zu einer Jungfrau ; da stand sie da , und war so schön , daß kein Maler sie schöner malen konnte .
Der König aber schickte zwei Kammerfrauen und zwei Diener hinab in den Thurm , die sollten die Frau Königin holen , und an die königliche Tafel bringen . Wie sie sie aber dahin brachten , aß sie nichts mehr , und sagte ‘ der gnädige barmherzige Gott , der mich im Thurm erhalten hat , wird mich bald erlösen . ’ Da lebte sie noch drei Tage , und starb dann selig ; und als sie begraben ward , da folgten ihr die zwei weißen Tauben nach , die ihr das Essen in den Thurm gebracht hatten , und Engel
vom Himmel waren , und setzten sich auf ihr Grab . Der alte König ließ den Koch in vier Stücke zerreißen ; aber danach lebte er nicht lange mehr vor Gram . Der Sohn aber heirathete die schöne Jungfrau , die er als Blume in der Tasche mitgebracht hatte , und ob sie noch leben , das steht bei Gott .
77.
Das kluge Grethel .
E s war eine Köchin , die hieß Grethel , die trug Schuhe mit rothen Absätzen , und wenn sie damit ausgieng , so drehte sie sich hin und her , war ganz fröhlich , und dachte ‘ du bist doch ein schönes Mädel . ’ Und wenn sie nach Haus kam , so trank sie aus Fröhlichkeit einen Schluck Wein , und weil der Wein auch Lust zum Essen macht , so versuchte sie das beste , was sie kochte , so lang , bis sie satt war , und sprach ‘ die Köchin muß wissen wies Essen schmeckt .’
Es trug sich zu , daß der Herr einmal zu ihr sagte ‘Grethel , heut Abend kommt ein Gast , richte mir zwei Hühner fein wohl zu . ’ ‘Wills schon machen , Herr ,’ antwortete das Grethel . Nun stachs die Hühner ab , brühte sie , rupfte sie , steckte sie an den Spieß , und brachte sie , wies gegen den Abend gieng , zum Feuer , damit sie braten sollten . Die Hühner fiengen an braun und gahr zu werden , aber der Gast war noch nicht gekommen . Da rief Grethel dem Herrn ‘ kommt der Gast nicht , so muß ich die Hühner vom Feuer thun , ist aber Jammer und Schade wenn sie nicht bald gegessen werden , wo sie am besten in Saft sind . ’ Sprach der Herr ‘ so will ich nur selbst laufen , und den
Gast holen . ’ Als der Herr den Rücken gekehrt hatte , legte das Grethel den Spieß mit den Hühnern beiseits , und dachte ‘ so lange da beim Feuer stehen , macht schwitzen und durstig , wer weiß wann die kommen ! derweil spring ich in den Keller , und thue einen Schluck . ’ Lief hinab , setzte einen Krug an , sprach ‘Gott gesegnes dir , Grethel , ’ und that einen guten Zug . ‘ Der Wein hängt an einander ,’ sprachs weiter , ‘ und ist nicht gut abbrechen , ’ und that noch einen ernsthaften Zug . Nun gieng es , und stellte die Hühner wieder übers Feuer , strich sie mit Butter , und trieb den Spieß lustig herum . Weil aber der Braten so gut roch , dachte Grethel ‘ es könnte etwas fehlen , versucht muß er werden ! ’ schleckte mit dem Finger , und sprach ‘ei , was sind die Hühner so gut ! ist ja Sünd und Schand , daß man sie nicht gleich ißt ! ’ Lief zum Fenster , ob der Herr mit dem Gast noch nicht käm , aber es sah niemand , stellte sich wieder zu den Hühnern , dachte ‘ der eine Flügel verbrennt , besser ists , ich eß ihn weg . ’ Also schnitt es ihn ab , und aß ihn auf , und er schmeckte ihm , und wie es fertig war , dachte es ‘ der andere muß auch herab , sonst merkt der Herr daß etwas fehlt . ’ Wie die zwei Flügel verzehrt waren , gieng es wieder , und schaute nach dem Herrn , und sah ihn nicht . ‘ Wer weiß ,’ fiel ihm ein , ‘ sie kommen wohl gar nicht , und sind wo eingekehrt . ’ Da sprachs ‘ hei , Grethel , sei guter Dinge , das eine ist doch angegriffen , thu noch einen frischen Trunk , und iß es vollends auf , wenns all ist , hast du Ruhe : warum soll die gute Gottesgabe umkommen ? ’ Also lief es noch einmal in den Keller , that einen ehrbaren Trunk , und
aß das eine Huhn in aller Freudigkeit auf . Wie das eine Huhn hinunter war , und der Herr noch immer nicht kam , sah Grethel das andere an , und sprach ‘ wo das eine ist muß das andere auch sein , die zwei gehören zusammen : was dem einen Recht ist , das ist dem andern billig ; ich glaube wenn ich noch einen Trunk thue , so sollte mirs nicht schaden . ’ Also that es noch einen herzhaften Trunk , und ließ das zweite Huhn wieder zum andern laufen .
Wie es so im besten essen war , kam der Herr daher gegangen , und rief ‘ eil dich , Grethel , der Gast kommt gleich nach . ’ ‘ Ja , Herr , wills schon zurichten ,’ antwortete Grethel . Der Herr sah indessen ob der Tisch wohl gedeckt war , nahm das große Messer , womit er die Hühner zerschneiden wollte , und wetzte es auf dem Gang . Jndem kam der Gast , klopfte sittig und höflich an der Hausthüre . Grethel lief , und schaute wer da war , und als es den Gast sah , hielt es den Finger an den Mund , und sprach ‘still ! still ! macht geschwind daß ihr wieder fort kommt , wenn euch mein Herr erwischt , so seid ihr unglücklich ; er hat euch zwar zum Nachtessen eingeladen , aber er hat nichts anders im Sinn , als euch die beiden Ohren abzuschneiden . Hört nur wie er das Messer dazu wetzt . ’ Der Gast hörte das Wetzen , und eilte was er konnte die Stiegen wieder hinab . Grethel war nicht faul , lief schreiend zu dem Herrn , und rief ‘ da habt ihr einen schönen Gast eingeladen ! ’ ‘ Ei , warum , Grethel ? was meinst du damit ? ’ ‘ Ja ,’ sagte es , ‘ der hat mir beide Hühner , die ich eben auftragen wollte , von der Schüssel
genommen , und ist damit fortgelaufen . ’ ‘ Das ist feine Weise ! ’ sprach der Herr , und war ihm leid um die schönen Hühner , ‘ wann er mir dann wenigstens das eine gelassen hätte , damit mir was zu essen geblieben wäre .’ Er rief ihm nach er sollte bleiben , aber der Gast that als hörte er es nicht ; da lief er hinter ihm her , das Messer noch immer in der Hand , und schrie ‘ nur eins ! nur eins ! ’ und meinte , der Gast sollte ihm nur ein Huhn lassen , und nicht alle beide nehmen , der Gast aber meinte nicht anders , als er sollte eins von seinen Ohren hergeben , und lief als wenn Feuer unter ihm brennte , damit er sie beide heimbrächte .
78.
Der alte Großvater und der Enkel .
E s war einmal ein steinalter Mann , dem waren die Augen trüb geworden , die Ohren taub , und die Knie zitterten ihm . Wenn er nun bei Tische saß , und den Löffel kaum halten konnte , schüttete er Suppe auf das Tischtuch , und es floß ihm auch etwas wieder aus dem Mund . Sein Sohn und dessen Frau eckelten sich davor , und deswegen mußte sich der alte Großvater endlich hinter den Ofen in die Ecke setzen , und sie gaben ihm sein Essen in ein irdenes Schüsselchen , und noch dazu nicht einmal satt ; da sah er betrübt nach dem Tisch , und die Augen wurden ihm naß . Einmal auch konnten seine zitterigen Hände das Schüsselchen nicht fest halten , es fiel zur Erde , und zerbrach . Die junge Frau schalt , er aber sagte nichts , und seufzte nur . Da kauften sie ihm ein hölzernes Schüsselchen für ein paar Heller , daraus mußte er nun essen . Wie sie da so sitzen , so trägt der kleine Enkel von vier Jahren auf der Erde kleine Brettlein zusammen . ‘ Was machst du da ? ’ fragte der Vater . ‘ Jch mache ein Tröglein ,’ antwortete das Kind , ‘ daraus sollen
Vater und Mutter essen , wenn ich groß bin . ’ Da sahen sich Mann und Frau eine Weile an , fiengen endlich an zu weinen , holten alsofort den alten Großvater an den Tisch , und ließen ihn von nun an immer mit essen , sagten auch nichts , wenn er ein wenig verschüttete .
79.
Die Wassernix .
E in Brüderchen und ein Schwesterchen spielten an einem Brunnen , und wie sie so spielten , plumpten sie beide hinein . Da war unten eine Wassernix , die sprach ‘ jetzt hab ich euch , jetzt sollt ihr mir brav arbeiten ,’ und führte sie mit sich fort . Dem Mädchen gab sie verwirrten garstigen Flachs zu spinnen , und Wasser mußte es in ein hohles Faß schleppen , der Junge aber sollte einen Baum mit einer stumpfen Axt hauen ; und nichts zu essen bekamen sie , als steinharte Klöße . Da wurden zuletzt die Kinder so ungeduldig , daß sie warteten , bis eines Sonntags die Nixe in der Kirche war , da entflohen sie . Und als die Kirche vorbei war , sah die Nixe daß die Vögel ausgeflogen waren , und setzte ihnen mit großen Sprüngen nach . Die Kinder erblickten sie aber von weitem , und das Mädchen warf eine Bürste hinter sich , das gab einen großen Bürstenberg , mit tausend und tausend Stacheln , über den die Nixe mit großer Müh klettern mußte , endlich aber kam sie doch hinüber . Wie das die Kinder sahen , warf der Knabe einen Kamm hinter sich , das gab einen großen Kammberg , mit tausendmal tausend Zinken , aber die Nixe wußte sich daran festzuhalten , und kam zuletzt doch drüber . Da warf
das Mädchen einen Spiegel hinterwärts , welches einen Spiegelberg gab , der war so glatt , so glatt , daß sie unmöglich drüber konnte . Da dachte sie ‘ ich will geschwind nach Haus gehen und meine Axt holen , und den Spiegelberg entzwei hauen . ’ Bis sie aber wieder kam , und das Glas aufgehauen hatte , waren die Kinder längst weit entflohen , und die Wassernixe mußte sich wieder in ihren Brunnen trollen .
80.
Von dem Tode des Hühnchens .
A uf eine Zeit gieng das Hühnchen mit dem Hähnchen in den Nußberg , und sie machten mit einander aus wer einen Nußkern fände , sollte ihn mit den andern theilen . Nun fand das Hühnchen eine große große Nuß , sagte aber nichts davon , und wollte den Kern allein essen . Der Kern war aber so dick , daß es ihn nicht hinunter schlucken konnte , und er ihm im Hals stecken blieb , daß ihm angst wurde es müßte ersticken . Da schrie das Hühnchen ‘Hähnchen , ich bitte dich lauf , was du kannst , und hol mir Wasser , sonst erstick ich . ’ Das Hähnchen lief , was es konnte , zum Brunnen , und sprach ‘Born , du sollst mir Wasser geben ; das Hühnchen liegt auf dem Nußberg , hat einen großen Nußkern geschluckt , und will ersticken . ’ Der Brunnen antwortete ‘ lauf erst hin zur Braut , und laß dir rothe Seide geben . ’ Das Hähnchen lief zur Braut , ‘Braut , du sollst mir rothe Seide geben ; rothe Seide will ich dem Brunnen geben , der Brunnen soll mir Wasser geben , das Wasser will ich dem Hühnchen bringen , das liegt auf dem Nußberg , hat einen großen Nußkern geschluckt , und will daran ersticken . ’ ‘ Die Braut antwortete ‘ lauf erst , und hol mir mein Kränzlein , das blieb an einer Weide hängen . ’ Da lief das
Hähnchen zur Weide , und zog das Kränzlein von dem Ast , und brachte es der Braut , und die Braut gab ihm rothe Seide dafür , die brachte es dem Brunnen , der gab ihm Wasser dafür . Da brachte das Hähnchen das Wasser zum Hühnchen , wie es aber hinkam , war dieweil das Hühnchen erstickt , und lag da todt , und regte sich nicht . Da war das Hähnchen so traurig , daß es laut schrie , und kamen alle Thiere , und beklagten das Hühnchen ; und sechs Mäuse bauten einen kleinen Wagen , das Hühnchen darin zum Grabe zu fahren ; und als der Wagen fertig war , spannten sie sich davor , und das Hähnchen fuhr . Auf dem Wege aber kam der Fuchs , ‘ wo willst du hin , Hähnchen ? ’ ‘ Jch will mein Hühnchen begraben . ’ ‘Darf ich mitfahren ?’
‘ Ja , aber setz dich hinten auf den Wagen ,
vorn könnens meine Pferdchen nicht vertragen .’
Da setzte sich der Fuchs hinten auf , dann der Wolf , der Bär , der Hirsch , der Löwe , und alle Thiere in dem Wald . So gieng die Fahrt fort , da kamen sie an einen Bach . ‘ Wie sollen wir nun hinüber ? ’ sagte das Hähnchen . Da war ein Strohhalm , der sagte ‘ ich will mich queer drüber legen , so könnt ihr über mich fahren . ’ Wie aber die sechs Mäuse auf die Brücke kamen , rutschte der Strohhalm , und fiel ins Wasser , und die sechs Mäuse fielen alle hinein , und ertranken . Da gieng die Noth von neuem an , und kam eine Kohle , und sagte ‘ ich bin groß genug , ich will mich darüber legen , und ihr sollt über mich fahren . ’ Die Kohle legte sich auch an das Wasser , aber sie berührte es unglücklicher Weise ein wenig , da zischte sie , verlöschte , und war todt . Wie
das ein Stein sah , erbarmte er sich und wollte dem Hähnchen helfen , und legte sich über das Wasser . Da zog nun das Hähnchen den Wagen selber , wie es ihn aber bald drüben hatte , und war mit dem todten Hühnchen auf dem Land , und wollte die andern , die hinten auf saßen , auch heran ziehen , da waren ihrer zu viel geworden , und der Wagen fiel zurück , und alles fiel mit einander in das Wasser , und ertrank . Da war das Hähnchen noch allein mit dem todten Hühnchen , und grub ihm ein Grab , und legte es hinein , und machte einen Hügel darüber , auf den setzte es sich , und grämte sich so lang bis es auch starb ; und da war alles todt .
81.
Bruder Lustig .
E s war einmal ein großer Krieg , und als der Krieg zu Ende war , bekamen viele Soldaten ihren Abschied . Nun bekam der Bruder Lustig auch seinen Abschied und sonst nichts als ein kleines Laibchen Commißbrot und vier Kreuzer an Geld ; damit zog er fort . Der heilige Petrus aber hatte sich als ein armer Bettler an den Weg gesetzt , und wie der Bruder Lustig daher kam , bat er ihn um ein Almosen , da sprach dieser ‘ lieber Bettelmann , was soll ich dir geben ? ich bin Soldat gewesen , und habe meinen Abschied bekommen , und habe sonst nichts als das kleine Commißbrot und vier Kreuzer Geld , und wenn das all ist , muß ich betteln , so gut wie du . Doch geben will ich dir was . ’ Darauf theilte er den Laib in vier Theile , und gab davon dem Apostel einen und auch einen Kreuzer . Der heilige Petrus bedankte sich , und gieng weiter , und setzte sich in einer andern Gestalt wieder als Bettelmann dem Soldaten an den Weg , und als er zu ihm kam , bat er ihn , wie das vorigemal , um eine Gabe . Der Bruder Lustig sprach wie vorher , und gab ihm wieder ein Viertel von dem Brot , und einen Kreuzer . Der heil . Petrus bedankte sich , und gieng weiter , setzte sich aber zum drittenmal in einer
andern Gestalt als ein Bettler an den Weg , und sprach den Bruder Lustig an . Der Bruder Lustig gab ihm auch das dritte Viertel Brot und den dritten Kreuzer . Der heil . Petrus bedankte sich , und der Bruder Lustig gieng weiter , und hatte nicht mehr als ein Viertel Brot und einen Kreuzer . Damit gieng er in ein Wirthshaus , aß das Brot , und ließ sich für den Kreuzer Bier dazu geben . Als er fertig war , zog er weiter , und da gieng ihm der heil . Petrus gleichfalls in der Gestalt eines verabschiedeten Soldaten entgegen , und redete ihn an , ‘ guten Tag , Cammerad , kannst du mir nicht ein Stück Brot geben , und einen Kreuzer zu einem Trunk ? ’ ‘ Wo soll ichs hernehmen ,’ antwortete der Bruder Lustig , ‘ ich habe meinen Abschied und sonst nichts als einen Laib Commißbrot und vier Kreuzer an Geld bekommen . Drei Bettler sind mir auf der Landstraße begegnet , davon hab ich jedem ein Viertel von meinem Brot und einen Kreuzer Geld gegeben . Das letzte Viertel hab ich im Wirthshaus gegessen , und für den letzten Kreuzer dazu getrunken . Jetzt bin ich leer , und wenn du auch nichts mehr hast , so können wir mit einander betteln gehen . ’ ‘Nein , das wird just nicht nöthig sein ,’ antwortete der heil. Petrus , ‘ ich verstehe mich ein wenig auf die Doctorei , und damit will ich mir schon so viel verdienen als ich brauche . ’ ‘ Ja ,’ sagte der Bruder Lustig , ‘ davon verstehe ich nichts , also muß ich allein betteln gehen . ’ ‘ Nun , komm nur mit ,’ sprach der heil. Petrus , ‘ wenn ich was verdiene , sollst du die Hälfte davon haben . ’ ‘ Das ist mir wohl recht’ sagte der Bruder Lustig . Also zogen sie mit einander fort .
Nun kamen sie an ein Bauernhaus , und hörten darin gewaltig jammern und schreien , da giengen sie hinein , so lag der Mann darin auf den Tod krank , und war nah am Verscheiden , und die Frau heulte und weinte so laut . ‘Laßt euer Heulen und Weinen ,’ sprach der heil. Petrus , ‘ ich will den Mann wieder gesund machen , ’ und nahm eine Salbe aus der Tasche , und heilte den Kranken augenblicklich , so daß er aufstehen konnte , und ganz gesund war . Sprachen Mann und Frau in großer Freude ‘ wie können wir euch lohnen ? was sollen wir euch geben ? ’ Der heil. Petrus aber wollte nichts nehmen ; und jemehr ihn die Bauersleute baten , desto mehr weigerte er sich . Der Bruder Lustig aber stieß den heil. Petrus an , und sagte ‘ so nimm doch was , wir brauchens ja . ’ Endlich brachte die Bäuerin ein Lamm , und sprach zu dem heil. Petrus das müßte er annehmen ; aber er wollte es nicht . Da stieß ihn der Bruder Lustig in die Seite , und sprach ‘nimms doch , dummer Teufel , wir brauchens ja . ’ Da sagte der heil. Petrus endlich ‘ja , das Lamm will ich nehmen , aber ich trags nicht ; wenn dus willst , so mußt du es tragen . ’ ‘ Das hat keine Noth ,’ sprach der Bruder Lustig , ‘ das will ich schon tragen , ’ und nahms auf die Schulter . Nun giengen sie fort , und kamen in einen Wald , da war das Lamm dem Bruder Lustig schwer geworden , er aber war hungrig ; also sprach er zu dem heil. Petrus ‘ schau , da ist ein schöner Platz , da könnten wir das Lamm kochen und verzehren . ’ ‘ Mir ists recht ,’ antwortete der heil. Petrus , ‘ doch kann ich mit der Kocherei nicht umgehen ; willst du kochen , so hast du da einen Kessel , ich will
derweil herumgehen , bis es gahr ist ; du mußt aber nicht eher zu essen anfangen , als bis ich wieder zurück bin ; ich will schon zu rechter Zeit kommen . ’ ‘ Geh nur ,’ sagte Bruder Lustig , ‘ ich verstehe mich aufs Kochen , ich wills schon machen . ’ Da gieng der heil. Petrus fort , und der Bruder Lustig schlachtete das Lamm , machte Feuer an , warf das Fleisch in den Kessel , und kochte . Das Lamm war aber schon gahr , und der Apostel noch immer nicht zurück , da nahm es der Bruder Lustig aus dem Kessel , zerschnitt es , und fand das Herz . ‘ Das soll das Beste sein ,’ sprach er , und versuchte es , zuletzt aber aß er es ganz auf . Endlich kam der heil. Petrus zurück , und sprach ‘ du kannst das ganze Lamm allein essen , ich will nur das Herz davon , das gib mir . ’ Da nahm Bruder Lustig Messer und Gabel , that als suchte er eifrig in dem Lammfleisch herum , könnte aber das Herz nicht finden ; endlich sagte er kurz weg ‘ es ist keins da . ’ ‘ Nun , wo solls denn sein ? ’ sagte der Apostel . ‘ Das weiß ich nicht ,’ antwortete der Bruder Lustig , ‘ aber schau , was sind wir alle beide für Narren , suchen das Herz vom Lamm , und fällt keinem von uns ein , ein Lamm hat ja kein Herz . ’ ‘ Ei ,’ sprach der heil. Petrus , ‘ das ist was ganz Neues , jedes Thier hat ja ein Herz , warum sollt ein Lamm kein Herz haben ? ’ ‘Nein , gewißlich , Bruder , ein Lamm hat kein Herz , denk nur recht nach , so wird dirs einfallen , es hat im Ernst keins . ’ ‘ Nun , es ist schon gut ,’ sagte der heil. Petrus , ‘ ist kein Herz da , so brauch ich auch nichts vom Lamm , du kannsts allein essen . ’ ‘ Was ich halt nicht aufessen kann , das nehm ich mit in meinem Ranzen ’ sprach der Bruder
Lustig , aß das halbe Lamm , und steckte das übrige in seinen Ranzen .
Sie giengen weiter , da machte der heil. Petrus daß ein großes Wasser queer über den Weg floß , und sie hindurch mußten . Sprach der heil. Petrus ‘geh du nur voran . ’ ‘Nein ,’ antwortete der Bruder Lustig , ‘geh du voran ,’ und dachte ‘ wenn dem das Wasser zu tief ist , so bleib ich zurück . ’ Da schritt der heil. Petrus hindurch , und das Wasser gieng ihm nur bis ans Knie ; nun wollte Bruder Lustig auch hindurch , aber das Wasser wurde größer , und stieg ihm an den Hals . Da rief er ‘Bruder , hilf mir . ’ Sagte der heil. Petrus ‘ willst du auch gestehen daß du das Herz von dem Lamm gegessen hast ? ’ ‘Nein ,’ antwortete er , ‘ ich hab es nicht gegessen . ’ Da ward das Wasser noch größer , und stieg ihm bis an den Mund : ‘hilf mir , Bruder ,’ rief der Soldat . Sprach der heil. Pertus noch einmal ‘ willst du auch gestehen daß du das Herz vom Lamm gegessen hast ? ’ ‘Nein ,’ antwortete er , ‘ ich hab es nicht gegessen . ’ Der heil . Petrus wollte ihn doch nicht ertrinken lassen , ließ das Wasser wieder fallen , und half ihm hinüber .
Nun zogen sie weiter , und kamen in ein Reich , da hörten sie daß die Königstochter todtkrank liege . ‘Holla , Bruder ,’ sprach der Soldat zum heil. Petrus , ‘ da ist ein Fang für uns , wenn wir die gesund machen , so ist uns auf ewige Zeiten geholfen . ’ Da war ihm der heil. Petrus nicht geschwind genug : ‘ nun , heb die Beine auf , Bruderherz , sprach er zu ihm , daß wir noch zu rechter Zeit hin kommen . ’ Der heil . Petrus gieng aber immer
langsamer , wie auch der Bruder Lustig ihn trieb und schob , bis sie endlich hörten die Königstochter wäre gestorben . ‘ Da haben wirs ,’ sprach der Bruder Lustig , ‘ das kommt von deinem schläfrigen Gang . ’ ‘ Sei nur still ,’ antwortete der heil. Petrus , ‘ ich kann noch mehr als Kranke gesund machen , ich kann auch Todte wieder ins Leben erwecken . ’ ‘ Nun , wenn das ist ,’ sagte der Bruder Lustig , ‘ so laß ich mirs gefallen , das halbe Königreich mußt du uns aber zum wenigsten damit verdienen . ’ Darauf giengen sie in das königliche Schloß , wo alles in großer Trauer war ; der heil. Petrus aber sagte zu dem König er wollte die Tochter wieder lebendig machen . Da ward er zu ihr geführt , und dann sprach er ‘ bringt mir einen Kessel mit Wasser ,’ und wie er den bekommen hatte , hieß er jedermann hinausgehen , und nur der Bruder Lustig durfte bei ihm bleiben . Darauf schnitt er alle Glieder der Todten los , und warf sie ins Wasser , und machte Feuer unter den Kessel , und ließ sie kochen . Und wie alles Fleisch von den Knochen herabgefallen war , nahm er das schöne weiße Gebein heraus , und legte es auf eine Tafel , und reihte und legte es nach seiner natürlichen Ordnung zusammen . Als das geschehen war , trat er davor und sprach dreimal ‘ im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit , Todte , steh auf . ’ Und beim drittenmal erhob sich die Königstochter lebendig , gesund und schön . Nun war der König darüber in großer Freude , und sprach zum heil. Petrus ‘ begehre deinen Lohn , und wenns mein halbes Königreich wäre , so will ich dirs geben . ’ Der heil. Petrus aber antwortete ‘ ich verlange nichts dafür . ’ ‘ O , du Hans
Narr ! ’ dachte der Bruder Lustig bei sich , und stieß seinen Cameraden in die Seite , und sprach , ‘ sei doch nicht so dumm , wenn du nichts willst , so brauch ich doch was . ’ Der heil. Petrus aber wollte nichts ; doch weil der König sah daß der andere gerne was wollte , ließ er ihm vom Schatzmeister seinen Ranzen mit Gold anfüllen .
Sie zogen darauf weiter , und wie sie in einen Wald kamen , sprach der heil. Petrus zum Bruder Lustig ‘ jetzt wollen wir das Gold theilen . ’ ‘ Ja ,’ antwortete er , ‘ das wollen wir thun . ’ Da theilte der heil. Petrus das Gold , und theilte es in drei Theile . Dachte der Bruder Lustig ‘ was er wieder für einen Sparren im Kopf hat ! macht drei Theile , und unser sind zwei ! ’ Der heil. Petrus aber sprach ‘ nun habe ich genau getheilt , ein Theil für mich , ein Theil für dich , und ein Theil für den , der das Herz vom Lamm gegessen hat . ’ ‘ O , das hab ich gegessen ,’ antwortete der Bruder Lustig , und strich geschwind das Gold ein , ‘ das kannst du mir glauben . ’ ‘ Wie kann das wahr sein ,’ sprach der heil. Petrus , ‘ ein Lamm hat ja kein Herz . ’ ‘ Ei was , Bruder , wo denkst du hin ! ein Lamm hat ja ein Herz , so gut wie jedes Thier , warum sollte das allein keins haben ? ’ ‘ Nun , es ist schon gut ,’ sagte der heil. Petrus , ‘ behalt das Gold allein , aber ich bleibe nicht mehr bei dir , und will meinen Weg allein gehen . ’ ‘ Wie du willst , Bruderherz ,’ antwortete der Soldat , ‘ leb wohl .’
Da gieng der heil. Petrus eine andere Straße , Bruder Lustig aber dachte ‘ es ist gut , daß er abtrabt , es ist doch ein wunderlicher Heiliger . ’ Nun hatte er zwar Geld genug , wußte
aber nicht mit umzugehen , verthats , verschenkts , und wie eine Zeit herum war , hatte er wieder nichts . Da kam er in ein Land , wo er hörte daß die Königstochter gestorben wäre . ‘Holla ,’ dachte er , ‘ das kann gut werden , die will ich wieder lebendig machen , und mirs bezahlen lassen , daß es eine Art hat . ’ Gieng also zum König , und bot ihm an die Todte wieder zu erwecken . Nun hatte der König gehört daß ein abgedankter Soldat herumziehe , und die Gestorbenen wieder lebendig mache , und dachte der Bruder Lustig wäre dieser Mann , doch , weil er kein Vertrauen zu ihm hatte , fragte er erst seine Räthe , die sagten aber er könnte es wagen , da seine Tochter doch todt wäre . Nun ließ sich der Bruder Lustig Wasser im Kessel bringen , hieß jedermann hinausgehen , schnitt die Glieder ab , und warf sie ins Wasser und machte Feuer darunter , gerade wie er es beim heil . Petrus gesehen hatte . Das Wasser fieng an zu kochen , und das Fleisch fiel herab , da nahm er das Gebein heraus , und that es auf die Tafel , er wußte aber nicht in welcher Ordnung es liegen mußte , und legte alles verkehrt durch einander . Dann stellte er sich davor und sprach ‘ im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit , Todte , steh auf ,’ und sprachs dreimal , aber die Königstochter rührte sich nicht . Da sprach er es noch dreimal , aber gleichfalls umsonst . ‘ Du Blitzmädel , steh auf ,’ rief er , ‘steh auf , oder es geht dir nicht gut . ’ Wie er das gesprochen , kam der heil. Petrus auf einmal in seiner vorigen Gestalt , als verabschiedeter Soldat , durchs Fenster herein gegangen , und sprach ‘ du gottloser Mensch , was treibst du da , wie kann die Todte
auferstehen , da du ihr Gebein so unter einander geworfen hast ? ’ ‘Bruderherz , ich habs gemacht so gut ich konnte ’ antwortete er . ‘Diesmal will ich dir aus der Noth helfen , aber das sag ich dir , wo du noch einmal so etwas unternimmst , so bist du unglücklich , auch darfst du von dem König nicht das Geringste dafür begehren oder annehmen . ’ Darauf legte der heil. Petrus die Gebeine in ihre rechte Ordnung , sprach dreimal zu ihr ‘ im Namen der allerheiligsten Dreifaltigkeit , Todte , steh auf ,’ und die Königstochter stand auf , war gesund und schön wie vorher . Nun gieng der heil . Petrus wieder durchs Fenster hinaus ; der Bruder Lustig war froh daß es so gut abgelaufen war , ärgerte sich aber doch daß er nichts dafür nehmen sollte . ‘ Jch möchte nur wissen ,’ dachte er , ‘ was der für Mucken im Kopf hat , denn was er mit der einen Hand gibt , das nimmt er mit der andern , da ist kein Verstand drin . ’ Nun bot der König dem Bruder Lustig an was er haben wollte , er durfte aber nichts nehmen , doch brachte er es durch Anspielung und Listigkeit dahin , daß ihm der König seinen Ranzen mit Gold füllen ließ , und damit zog er ab . Als er hinaus kam , stand vor dem Thor der heil. Petrus , und sprach ‘ schau , was du für ein Mensch bist , habe ich dir nicht verboten etwas zu nehmen , und nun hast du den Ranzen doch voll Gold . ’ ‘ Was kann ich dafür ,’ antwortete Bruder Lustig , ‘ wenn mirs hinein gesteckt wird . ’ ‘ Das sag ich dir , daß du nicht zum zweitenmal solche Dinge unternimmst , sonst soll es dir schlimm ergehen . ’ ‘ Ei , Bruder , sorg doch nicht , jetzt hab ich Gold , was soll ich mich da mit dem Knochenwaschen abgeben . ’ ‘ Ja ,’ sprach
der heil. Petrus , ‘ das wird lang dauern , damit du aber hernach nicht wieder auf unerlaubten Wegen gehst , so will ich deinem Ranzen die Kraft geben , daß alles , was du dir hinein wünschest , auch darin sein soll . Leb wohl , du siehst mich nun nicht wieder . ’ ‘Gott befohlen ,’ sprach der Bruder Lustig , und dachte ‘ ich bin froh , daß du fortgehst , du wunderlicher Kerl , ich will dir wohl nicht nachgehen . ’ An die Wunderkraft aber , die er seinem Ranzen verliehen , dachte er nicht weiter .
Bruder Lustig zog mit seinem Gold umher , und verthats und verfumfeits wie das erstemal . Als er nun nichts mehr als vier Kreuzer hatte , kam er an einem Wirthshaus vorbei , und dachte ‘ das Geld muß fort , ’ und ließ sich für drei Kreuzer Wein und einen Kreuzer Brot geben . Wie er da saß und trank , kam ihm der Geruch von gebratenen Gänsen in die Nase . Bruder Lustig schaute und guckte , und sah daß der Wirth zwei Gänse in der Ofenröhre stehen hatte . Da fiel ihm ein daß ihm sein Camerad gesagt hatte was er sich in seinen Ranzen wünschte , das sollte darin sein . ‘Holla , das mußt du mit den Gänsen versuchen .’ Also gieng er hinaus , und vor der Thüre sprach er ‘ so wünsch ich die zwei gebratenen Gänse aus der Ofenröhre in meinen Ranzen . ’ Wie er das gesagt hatte , machte er ihn auf , und schaute hinein , da lagen sie beide darin . ‘ Ach , so ists recht ,’ sprach er , ‘ nun bin ich ein gemachter Kerl ,’ gieng fort auf eine Wiese , und holte den Braten hervor . Wie er so im besten Essen war , kamen zwei Handwerksbursche daher , und sahen die eine Gans , die noch nicht angerührt war , mit hungrigen Augen an . Dachte
der Bruder Lustig ‘ mit einer hast du genug ,’ rief die zwei Bursche herbei , und sprach ‘ da nehmt die Gans , und verzehrt sie auf meine Gesundheit . ’ Sie bedankten sich , giengen damit ins Wirthshaus , ließen sich eine Halbe Wein und ein Brot geben , packten die geschenkte Gans aus , und fiengen an zu essen . Die Wirthin sah zu , und sprach zu ihrem Mann ‘ die zwei essen eine Gans , sieh doch nach obs nicht eine von unsern aus der Ofenröhre ist . ’ Der Wirth lief hin , da war die Ofenröhre leer : ‘ was , ihr Diebsgesindel , auf die Art wollt ihr Gänse essen ! gleich bezahlt , oder ich will euch mit grünem Hasselsaft waschen . ’ Die zwei sprachen ‘ wir sind keine Diebe , ein abgedankter Soldat hat uns die Gans draußen auf der Wiese geschenkt . ’ ‘ Jhr sollt mir keine Nase drehen , der Soldat ist hier gewesen , aber als ein ehrlicher Kerl zur Thür hinaus gegangen , auf den hab ich Acht gehabt : ihr seid die Diebe , und sollt bezahlen . ’ Da sie aber nicht bezahlen konnten , nahm er den Stock , und prügelte sie zur Thüre hinaus .
Bruder Lustig aber gieng seiner Wege , und kam an einen Ort , da stand ein prächtiges Schloß und nicht weit davon ein schlechtes Wirthshaus . Er gieng in das Wirthshaus , und bat um ein Nachtlager , aber der Wirth wies ihn ab , und sprach ‘ es ist kein Platz mehr da , das Haus ist voll vornehmer Gäste . ’ ‘ Das nimmt mich Wunder ,’ sprach der Bruder Lustig , ‘ daß sie zu euch kommen , und nicht in das prächtige Schloß gehen . ’ ‘ Ja ,’ antwortete der Wirth , ‘ es hat was an sich , dort eine Nacht zu liegen , wers noch versucht hat , ist nicht lebendig wieder heraus
gekommen . ’ ‘ Wenns andere versucht haben ,’ sagte der Bruder Lustig , ‘ will ichs auch versuchen . ’ ‘ Das laßt nur bleiben ,’ sprach der Wirth , ‘ es geht euch an den Hals . ’ ‘ Es wird nicht gleich an den Hals gehen ,’ sagte der Bruder Lustig , ‘ gebt mir nur die Schlüssel und brav Essen und Trinken mit . ’ Nun gab ihm der Wirth die Schlüssel und Essen und Trinken , und damit gieng der Bruder Lustig ins Schloß , ließ sichs gut schmecken , und als er endlich schläfrig wurde , legte er sich auf die Erde , denn es war kein Bett da . Er schlief auch bald ein , in der Nacht aber wurde er von einem großen Lärm aufgeweckt , und wie er sich ermunterte , sah er neun häßliche Teufel in dem Zimmer , die hatten einen Kreis um ihn gemacht , und tanzten um ihn herum . Sprach der Bruder Lustig , ‘ nun tanzt , so lang ihr wollt , aber komm mir keiner zu nah . ’ Die Teufel aber kamen immer näher und näher , und traten ihm mit ihren garstigen Füßen fast ins Gesicht . ‘Habt Ruh , ihr Teufelsgespenster ’ sprach er , aber sie triebens immer ärger . Da ward der Bruder Lustig bös , und rief ‘ holla , ich will bald Ruhe stiften ! ’ kriegte ein Stuhlbein , und schlug mitten hinein . Aber neun Teufel gegen einen Soldaten war doch zu viel , und wenn er auf den vordern zuschlug , so packten ihn die andern hinten bei den Haaren , und rissen ihn erbärmlich . ‘ Ei , ihr Teufelspack ,’ sprach er , ‘ jetzt wird mirs zu arg , wartet aber ! ’ und darauf rief er ‘ ich wünsche alle neun Teufel in meinen Ranzen hinein . ’ Husch , waren alle neun Teufel darin , und nun schnallte er ihn zu , und warf ihn in eine Ecke . Da wars auf einmal still , und Bruder Lustig legte sich
wieder hin , und schlief bis an den hellen Morgen . Nun kamen der Wirth und der Edelmann , dem das Schloß gehörte , und wollten sehen wie es ihm ergangen wäre ; als sie ihn gesund und munter erblickten , erstaunten sie , und fragten ‘ haben euch denn die Geister nichts gethan ? ’ ‘Warum nicht gar ,’ antwortete Bruder Lustig , ‘ ich habe sie alle neune in meinen Ranzen . Jhr könnt euer Schloß wieder ganz ruhig bewohnen , es wird von nun an keiner mehr darin umgehen . ’ Da dankte ihm der Edelmann , und beschenkte ihn reichlich , und bat ihn in seinen Diensten zu bleiben , er wollte ihn auf sein Lebtag versorgen . ‘Nein ,’ antwortete er , ‘ ich bin an das herumwandern gewöhnt , ich will weiter ziehen . ’ Da gieng der Bruder Lustig fort , und gieng in eine Schmiede , und legte den Ranzen , worin die neun Teufel waren , auf den Ambos , und bat den Schmied und seine Gesellen zuzuschlagen . Die schlugen mit ihren großen Hämmern aus allen Kräften zu , daß die Teufel ein erbärmliches Gekreisch erhoben . Wie er danach den Ranzen aufmachte , waren achte todt , einer aber , der in einer Falte gesessen hatte , war noch lebendig , schlüpfte heraus , und fuhr wieder in die Hölle .
Darauf zog der Bruder Lustig noch lang in der Welt herum , und wers wüßte könnte viel davon erzählen . Endlich aber wurde er alt , und dachte an sein Ende , da gieng er zu einem Einsiedler , der als ein frommer Mann bekannt war , und sprach zu ihm ‘ ich bin das Wandern müde , und will nun trachten in das Himmelreich zu kommen . ’ Der Einsiedler antwortete ‘ es gibt zwei Wege , der eine ist breit und angenehm , und führt zur
Hölle , der andere ist eng und rauh , und führt zum Himmel . ’ ‘ Da müßt ich ein Narr sein ,’ dachte der Bruder Lustig , ‘ wenn ich den engen und rauhen Weg gehen sollte . ’ Machte sich auf , und gieng den breiten und angenehmen Weg , und kam endlich zu einem großen schwarzen Thor , und das war das Thor zur Hölle . Bruder Lustig klopfte an , und der Thorwächter guckte wer da wäre . Wie er aber den Bruder Lustig sah , erschrack er , denn er war gerade der neunte Teufel , der mit in dem Ranzen gesteckt hatte , und mit einem blauen Auge davon gekommen war . Darum schob er den Riegel geschwind wieder vor , und lief zum Obersten der Teufel , und sprach ‘draußen ist ein Kerl mit einem Ranzen , und will herein , aber laßt ihn bei Leibe nicht herein , er wünscht sonst die ganze Hölle in seinen Ranzen . Er hat mich einmal garstig darin hämmern lassen .’ Also ward dem Bruder Lustig hinaus gerufen er sollte wieder abgehen , er käme nicht herein . ‘ Wenn sie mich da nicht wollen ,’ dachte er , ‘ will ich sehen ob im Himmel ein Unterkommen ist , irgendwo muß ich doch bleiben . ’ Kehrte also um , und zog weiter , bis er vor das Himmelsthor kam , wo er auch anklopfte . Der heil . Petrus saß gerade dabei , und mußte es hüten ; der Bruder Lustig erkannte ihn , und dachte ‘ hier findest du Bekanntschaft , da wirds besser gehen . ’ Aber der heil. Petrus sprach ‘ ich glaube gar , du willst in den Himmel ? ’ ‘Laß mich doch ein , Bruder , ich muß doch wo einkehren ; hätten sie mich in der Hölle aufgenommen , so wär ich nicht hierher gegangen . ’ ‘Nein ,’ sagte der heil. Petrus , ‘ du kommst nicht herein . ’ ‘ Nun , willst du mich nicht einlassen , so
nimm auch deinen Ranzen wieder , dann will ich gar nichts von dir haben ,’ sprach der Bruder Liederlich . ‘ So gib ihn her’ sagte der heil. Petrus . Da reichte er ihn durchs Gitter in den Himmel hinein , und der heil . Petrus nahm ihn , und hing ihn neben seinen Sessel auf . Da sprach der Bruder Lustig ‘ nun wünsch ich mich selbst in meinen Ranzen hinein . ’ Husch , war er darin , und saß nun im Himmel , und der heil . Petrus mußte ihn darin lassen .
82.
De Spielhansl .
J s is emohl e Mon gewön ( gewesen ) , der hot ninx us ( als ) g’spielt , und do hobend ’n d’ Leut nur in Spielhansl g’hoaßen , und wall ( weil ) e gor nit afg’ hört zen spieln , se hot e san ( sein ) Haus und ullss ( alles ) vespielt . Hietzt ( jetzt ) , nette ( eben ) in lötzten Tog , eh ’s iahm ( ihm ) d’ Schuldne schon s’ Haus hobend wögnehme willn , is unse Herrgout un de halli Pedrus kemme , und hobend g’sogt , er sull ’s übe d’ Nacht g’holte ( bei sich behalten ) . Oft ( da ) hot de Spielhansl g’sogt ‘ wögn meine kints do bleibn döi Nocht ; ober i kong eng koan Bött und ninx z’össn ( zu essen ) gebn . ’ Oft hot unse Herrgout g’sogt er sulls ne ( nur ) g’holten , und söi willetn ian ( ihnen ) selbe wos z’össn kaffen ; dos is in Spielhansl recht g’wön . Oft hot iahm de halli Pedrus drei Grouschn gebn , und er sull zen Böcke ( Becker ) gehn , und e Brod huhln . Hietzt is hullt ( halt ) de Spielhansl gonge , wie er aber ze den Haus kemme is , wou die onnen Spiellumpn drin g’wön sand , döi iahm ullss ogwunge hobnd , do hobn ’s n g’ruefft , und hobnd g’schrien ‘Hansl , geh ahne ( herein ) .’ ‘ Jo ,’ hot e g’sogt , ‘willt’s me die drei Grouschn a non ogwinge . ’ Döi hobnd ’n obe ( aber ) nit ausg’lossn . Hietzt
is e hullt anhi ( hinein ) , und oft hot e die drei Grouschn a non vespielt . De halli Pedrus und unse Herrgout hobnd ollewall ( immer ) g’wort’t , und wie er ian z’long nit kemme is , sand ’s iahm intgögn gonge . De Spielhansl obe , wie e kemme is , hot thon us wenn iahm’s Geld in ne Locken ( Lacken ) g’folln war , und hot ollewall drin herumkrobbelt : obe unse Herrgout hots schon g’wißt , daß e’s vespielt hot . Oft hot iahm de halli Pedrus non mohl drei Grouschn gebn . Hietzt hot e sie obe nimme veführn losse , und hot ian s’ Brod brocht . Oft hot ’n unse Herrgout g’frogt wou e koan’n Wein nit hot , do hot e g’sogt ‘u , Herr , d’ Fasse sand alli laar . ’ Oft hot unse Herrgout g’sogt er sull ner in Költe ( Keller ) ohi ( hinab ) gehn , ‘ is is non de böst Wein int .’ Er hots long nit glaubn willn , obe af d’löst hot e g’sogt ‘i will ohi gehn , ober i woaß ’s daß koane int is . ’ Wie er obe ’s Fassl onzapft hot , se is de böst Wein ausse g’runne . Hietzt hot er ian in Wein brocht , und döi zwoa sand übe d’ Nocht do blieb’n . Jn onnen Tog , in de Früe , hot unse Herrgout zen Spielhansl g’sogt , er sull si ( sich ) drei Gnodn ausbittn . Es hot g’moant , er wird si ’n Himmel ausbittn , obe de Spielhansl hot bettn um e Kortn , mit der er ullss g’wingt ; um Würfl , mit den er a ulls g’wingt , und um en Bam ( Baum ) , wou ullss Oubst draf wochst , und wonn oane ( einer ) affi steigt , daß e nimme ohe kon ( herab kann ) , bis er iahm’s schofft ( befiehlt ) . Hietzt hot iahm unse Herrgout ullss gebn , wos e velangt hot , und is mit ’n hallin Pedrus wiede fuert ( fort ) .
Hietzt hot hult de Spielhansl erst recht zen spieln ongfongt ,
und hätt bold d’ halbeti Welt zomg’wunge . Oft hot de halli Pedrus ze ’n unse Herrgoutn g’sogt ‘Herr , dos Ding thuet koan guet , er g’winget af d’löst non ( noch ) d’gonzi Welt ; me müssn iahm in ( den ) Toid schickn . ’ Hietzt habend’s iahm in Toid g’schickt . Wie de Toid kemme is , is de Spielhansl nette be’n Spieltisch g’sössn ; oft hot de Toid g’sogt ‘Hansl , kimm e Bissl ausse . ’ De Spielhansl obe hot g’sogt ‘ wort nur e Bissl bis dos G’spiel aus is , und steig dewall e weng af ’n Bam do affi , und brouck uns e wengerl wos o , daß me afn Wög wos z’noschn hobn .’ Hietzt is hullt de Toid affi g’stiegn , und wie e wiede hot ohi wille , hot e nit kinne , und de Spielhansl hot ’n siebn Johr droubn lossn , und dewall is koan Mensch nit g’storbn .
Oft hot de halli Pedrus zen unsen Herrgoutn g’sagt ‘Herr , dos Ding thuet koan guet , is sterbet jo koan Mensch mehr ; mir müessn schon selbe kemme . ’ Hietzt sand ’s hullt selbe kemme , und do hot iahm unse Herrgout g’schofft daß er in Toid ohe lossn sull . Oft is er obe glei gonge , und hot zen Toid g’sogt ‘ geh ohe ,’ und der hot ’n glei g’numme , und hot’n okragelt ( erwürgt ) . Oft sands mit enonne fuert , und sand in d’ onneri Welt kemme , do is hullt man ( mein ) Spielhansl zen Himmelthoir gonge , und hot onkloupft . ‘ Wer is daußt ? ’ ‘ De Spielhansl . ’ ‘ Ach , den brauche me nit , geh ne wiede fuert . ’ Oft is e zen Fegfuirthoir gonge , und hot wiede kloupft . ‘ Wer is daußt ? ’ ‘ De Spielhansl . ’ ‘ Ach is is e so ( ohne das ) Jomme und Noith g’nue be’n uns , mir willn nit spieln ; geh ne wiede fuert . ’ Oft is e zen Hüllnthoir gonge , und do hobn ’s n anhi lossn , is is obe niamd
dehoambt g’wön , us de olti Luzifar und krumpn Tuifln ( die g’rodn hobnd af de Welt z’ thoan g’hot ) , und oft hot e si glei ine ( nieder ) g’sötzt , und hot wiede zen spieln ong’fongt . Hietzt hot obe de Luzifar ninx g’hot , us sani krumpn Tuifln : döi hot iahm de Spielhansl ogwunge , wall e mit sann Kortn ulls hot g’winge müeßn . Hietzt is e mit sann krumpn Tuifln fuert , und oft sand ’s af Hoihefuert ( nach Hohenfurt ) , und hobnd d’ Houpfnstange ausg’rissn , und san demit zen Himml affi , und hobnd zen wägn ong’ fongt ; und hietzt hot de Himml schon krocht ( gekracht ) . Oft hot de halli Pedrus wiede g’sogt ‘Herr , dos Ding thuet koan guet , mir müeßn ne anhe ( herein ) lossn , sunst werfet er uns in Himml ohi ( hinab ) .’ Hietzt hobnd ’s ’n hult anhi lossn . Obe de Spielhansl hot glei wiede zen spieln ong’fongt , und do is glei e Lärm und e Getös won ( worden ) , daß me san oagns Wort nit vestondn hot . Oft hot de halli Pedrus wiede g’sogt ‘Herr , dos Ding thuet koan guet , wir müßn ne ohi werfn , er machet uns sonst in gonzn Himml rewellisch . ’ Hietzt sands hullt her , und hobnd ’n ohe g’worfn , und da hot sie san Seell z’thoalt ( hat sich seine Seele zertheilt ) , und is in d’onnen Spiellumpen g’fohrn , döi non ( noch ) bis date lebnd .
83.
Hans im Glück .
H ans hatte sieben Jahre bei seinem Herrn gedient , da sprach er zu ihm ‘Herr , meine Zeit ist herum , nun wollte ich gerne wieder heim zu meiner Mutter , gebt mir meinen Lohn . ’ Der Herr antwortete ‘ du hast mir treu und ehrlich gedient , wie der Dienst so soll der Lohn sein ,’ und gab ihm ein Stück Gold , das so groß als Hansens Kopf war . Hans zog sein Tüchlein , wickelte den Klumpen hinein , setzt ihn auf die Schulter , und machte sich auf den Weg nach Haus . Wie er so dahin gieng , und immer ein Bein vor das andere setzte , kam ihm ein Reiter in die Augen , der frisch und fröhlich auf einem muntern Pferd vorbei trabte . ‘ Ach ,’ sprach Hans ganz laut , ‘ was das Reiten ein schönes Ding ist ! da sitzt einer wie auf einem Stuhl , stößt sich an keinen Stein , spart die Schuh , und kommt fort , er weiß nicht wie . ’ Der Reiter , der das gehört hatte , rief ihm zu ‘ ei , Hans , warum laufst du auch zu Fuß ? ’ ‘ Ach , da muß ich den Klumpen heim tragen , es ist zwar Gold , aber ich kann den Kopf dabei nicht gerad halten , auch drückt mirs auf die Schulter . ’ ‘Weißt du was ,’ sagte der Reiter und hielt an , ‘ wir wollen tauschen : ich gebe dir mein Pferd , und du giebst mir
deinen Klumpen . ’ ‘ Von Herzen gern ,’ sprach Hans , ‘ aber ich sage euch ihr müßt euch damit schleppen . ’ Der Reiter stieg ab , nahm das Gold , und half dem Hans hinauf , gab ihm die Zügel fest in die Hände , und sprach ‘ wenns nun recht geschwind soll gehen , so mußt du mit der Zunge schnalzen , und hopp hopp rufen .’
Hans war seelenfroh , als er auf dem Pferde saß , und so frank und frei dahin ritt . Ueber ein Weilchen fiels ihm ein , es sollte noch schneller gehen , und er fieng an mit der Zunge zu schnalzen , und hopp hopp zu rufen . Das Pferd setzte sich in starken Trab , und ehe sichs Hans versah , war er abgeworfen , und lag in einem Graben , der die Aecker von der Landstraße trennte . Das Pferd wäre auch durchgegangen , wenn es nicht ein Bauer aufgehalten hätte , der des Weges kam , und eine Kuh vor sich trieb . Hans suchte seine Glieder zusammen , und machte sich wieder auf die Beine . Er war aber verdrießlich , und sprach zu dem Bauer ‘ es ist ein schlechter Spaß , das Reiten , zumal , wenn man auf so eine Mähre geräth wie diese , die stößt , und einen herabwirft daß man den Hals brechen kann ; ich setze mich nun und nimmermehr wieder auf . Da lob ich mir eure Kuh , da kann einer mit Gemächlichkeit hinter her gehen , und hat obendrein seine Milch , Butter und Käse jeden Tag gewiß . Was gäb ich darum , wenn ich so eine Kuh hätte ! ’ ‘ Nun ,’ sprach der Bauer , ‘ geschieht euch so ein großer Gefallen , so will ich euch wohl die Kuh für das Pferd vertauschen . ’ Hans willigte mit tausend
Freuden ein ; der Bauer schwang sich aufs Pferd , und ritt eilig davon .
Hans trieb seine Kuh ruhig vor sich her , und bedachte den glücklichen Handel . ‘ Hab ich nur ein Stück Brot , und daran wird mirs doch nicht fehlen , so kann ich , so oft mirs beliebt , Butter und Käse dazu essen ; hab ich Durst , so melk ich meine Kuh , und trinke Milch . Herz , was verlangst du mehr ? ’ Als er zu einem Wirthshaus kam , machte er Halt , aß in der großen Freude alles , was er bei sich hatte , sein Mittags- und Abendbrot , rein auf , und ließ sich für seine letzten paar Heller ein halbes Glas Bier einschenken . Dann trieb er seine Kuh weiter , immer nach dem Dorfe seiner Mutter zu . Die Hitze wurde aber drückender , je näher der Mittag kam , und Hans befand sich in einer Heide , die wohl noch eine Stunde dauerte . Da ward es ihm ganz heiß , so daß ihm vor Durst die Zunge am Gaumen klebte . ‘ Dem Ding ist zu helfen ,’ dachte Hans , ‘ jetzt will ich meine Kuh melken , und mich an der Milch laben .’ Er band sie an einen dürren Baum , und stellte seine Ledermütze unter , aber , so sehr er sich auch bemühte , es kam kein Tropfen Milch zum Vorschein . Weil er sich aber ungeschickt dabei anstellte , so gab ihm das ungeduldige Thier endlich mit einem der Hinterfüße einen solchen Schlag vor den Kopf , daß er zu Boden taumelte , und eine Zeitlang sich gar nicht besinnen konnte wo er war . Glücklicherweise kam gerade ein Metzger des Weges , der auf einem Schubkarren ein junges Schwein liegen hatte . ‘ Was sind das für Streiche ! ’ rief er , und half
dem guten Hans auf . Hans erzählte was vorgefallen war . Der Metzger reichte ihm seine Flasche , und sprach ‘ da trinkt einmal , und erholt euch . Die Kuh will wohl keine Milch geben , das ist ein altes Thier , das höchstens noch zum Ziehen taugt oder zum Schlachten . ’ ‘ Ei , ei ,’ sprach Hans , und strich sich die Haare über den Kopf , ‘ wer hätte das gadacht gedacht ! es ist freilich gut , wenn man so ein Thier ins Haus abschlachten kann , was giebts für Fleisch ! aber ich mache mir aus dem Kuhfleisch nicht viel , es ist mir nicht saftig genug . Ja , wer so ein junges Schwein hätte ! das schmeckt anders , dabei noch die Würste . ’ ‘Hört , Hans ,’ sprach da der Metzger , ‘ euch zu Liebe will ich tauschen , und will euch das Schwein für die Kuh lassen . ’ ‘Gott lohn euch eure Freundschaft ’ sprach Hans , übergab ihm die Kuh , und ließ sich das Schweinchen vom Karren losmachen , und den Strick , woran es gebunden war , in die Hand geben .
Hans zog weiter , und überdachte wie ihm doch alles nach Wunsch gienge , begegnete ihm ja eine Verdrießlichkeit , so würde sie doch gleich wieder gut gemacht . Es gesellte sich danach ein Bursch zu ihm , der trug eine schöne weiße Gans unter dem Arm . Sie boten einander die Zeit , und Hans fieng an ihm von seinem Glück zu erzählen , und wie er immer so vortheilhaft getauscht hätte . Der Bursch erzählte ihm daß er die Gans zu einem Kindtaufschmaus brächte . ‘Hebt einmal ,’ fuhr er fort , und packte sie bei den Flügeln , ‘ wie schwer sie ist , sie ist aber auch acht Wochen lang genudelt worden . Wer in den Braten beißt ,
muß sich das Fett von beiden Seiten abwischen . ’ ‘ Ja ,’ sprach Hans , und wog sie mit der einen Hand , ‘ die hat ihr Gewicht , aber mein Schwein ist auch keine Sau . ’ Jndessen sah sich der Bursch nach allen Seiten ganz bedenklich um , schüttelte auch wohl mit dem Kopf . ‘Hört ,’ fieng er darauf an , ‘ mit eurem Schweine mags nicht ganz richtig sein . Jn dem Dorfe , durch das ich gekommen bin , ist eben dem Schulzen eins aus dem Stall gestohlen worden . Jch fürchte , ich fürchte , ihr habts da in der Hand ; es wäre ein schlimmer Handel , wenn sie euch damit fängen , das geringste ist , daß ihr ins finstere Loch gesteckt werdet .’ Dem guten Hans ward bang , ‘ach Gott ,’ sprach er , ‘ helft mir aus der Noth , ihr wißt hier herum bessern Bescheid , nehmt mein Schwein da , und laßt mir eure Gans . ’ ‘ Jch muß schon etwas aufs Spiel setzen ,’ antwortete der Bursche , ‘ aber ich will doch nicht Schuld sein daß ihr ins Unglück gerathet .’ Er nahm also das Seil in die Hand , und trieb das Schwein schnell auf einem Seitenweg fort : der gute Hans aber gieng , seiner Sorgen entledigt , mit der Gans unter dem Arme seiner Heimath zu . ‘ Wenn ichs recht überlege ,’ sprach er mit sich selbst , ‘ habe ich noch Vortheil bei dem Tausch ; erstlich den guten Braten , hernach die Menge von Fett , die herausträufeln wird , das giebt Gänsefettbrot auf ein Vierteljahr ; und endlich die schönen weißen Federn , die laß ich mir in mein Kopfkissen stopfen , und darauf will ich wohl ungewiegt einschlafen . Was wird meine Mutter eine Freude haben ! ’
Als er durch das letzte Dorf gekommen war , stand da ein
Scherenschleifer mit seinem Karren , sein Rad schnurrte , und er sang dazu
‘ ich schleife die Scheere , und drehe geschwind ,
und hänge mein Mäntelchen nach dem Wind .’
Hans blieb stehen , und sah ihm zu ; endlich redete er ihn an , und sprach ‘ euch gehts wohl , weil ihr so lustig bei eurem Schleifen seid . ’ ‘ Ja ,’ antwortete der Scheerenschleifer , ‘ das Handwerk hat einen güldenen Boden . Ein rechter Schleifer ist ein Mann , der , so oft er in die Tasche greift , auch Geld darin findet . Aber wo habt ihr die schöne Gans gekauft ? ’ ‘ Die hab ich nicht gekauft , sondern für mein Schwein eingetauscht . ‘’ ‘ Und das Schwein ? ’ ‘ Das hab ich für eine Kuh gekriegt . ’ ‘ Und die Kuh ? ’ ‘ Die hab ich für ein Pferd bekommen . ’ ‘ Und das Pferd ? ’ ‘Dafür hab ich einen Klumpen Gold , so groß als mein Kopf , gegeben . ’ ‘ Und das Gold ? ’ ‘ Ei , das war mein Lohn für sieben Jahre Dienst . ’ ‘Jhr habt euch jederzeit zu helfen gewußt ,’ sprach der Schleifer , ‘könnt ihrs nun dahin bringen , daß ihr das Geld in der Tasche springen hört , wenn ihr aufsteht , so habt ihr euer Glück gemacht . ’ ‘ Wie soll ich das anfangen ? ’ sprach Hans . ‘ Jhr müßt ein Schleifer werden , wie ich ; dazu gehört eigentlich nichts , als ein Wetzstein , das andere findet sich schon von selbst . Da hab ich einen , der ist zwar ein wenig schadhaft , dafür sollt ihr mir aber auch weiter nichts als eure Gans geben ; wollt ihr das ? ‘’ ‘ Wie könnt ihr noch fragen ,’ antwortete Hans , ‘ ich werde ja zum glücklichsten Menschen auf Erden ; habe ich Geld , so oft ich in die
Tasche greife , was brauche ich da länger zu sorgen ? ’ reichte ihm die Gans hin , und nahm den Wetzstein in Empfang . ‘ Nun ,’ sprach der Schleifer , und hob einen gewöhnlichen schweren Feldstein , der neben ihm lag , auf , ‘ da habt ihr noch einen tüchtigen Stein dazu , auf dem sichs gut schlagen läßt , und ihr eure alten Nägel gerade klopfen könnt . Nehmt ihn , und hebt ihn ordentlich auf .’
Hans lud den Stein auf , und gieng mit vergnügtem Herzen weiter ; seine Augen leuchteten vor Freude , ‘ ich muß in einer Glückshaut geboren sein ,’ rief er aus , ‘ alles was ich wünsche trifft mir ein , wie einem Sonntagskind . ’ Jndessen , weil er seit Tagesanbruch auf den Beinen gewesen war , begann er müde zu werden ; auch plagte ihn der Hunger , da er allen Vorrath auf einmal in der Freude über die erhandelte Kuh aufgezehrt hatte . Er konnte endlich nur mit Mühe weiter gehen , und mußte jeden Augenblick Halt machen ; dabei drückten ihn die Steine ganz erbärmlich . Da konnte er sich des Gedankens nicht erwehren , wie gut es wäre , wenn er sie gerade jetzt nicht zu tragen brauchte . Wie eine Schnecke kam er zu einem Feldbrunnen geschlichen , da wollte er ruhen , und sich mit einem frischen Trunk laben ; damit er aber die Steine im Niedersitzen nicht beschädigte , legte er sie bedächtig neben sich auf den Rand des Brunnens . Darauf setzte er sich , und wollte sich zum Trinken bücken , da versah ers , stieß ein klein wenig an , und beide Steine plumpten hinab . Hans , als er sie mit seinen Augen in die Tiefe hatte versinken sehen , sprang vor Freuden auf , kniete
dann nieder , und dankte Gott mit Thränen in den Augen daß er ihm auch diese Gnade erwiesen , und ihm auf eine so gute Art , und ohne daß er sich einen Vorwurf zu machen brauchte , von den schweren Steinen befreit hätte : das sei das einzige , was ihm noch hinderlich gewesen wäre . ‘ So glücklich wie ich ,’ rief er aus , ‘ giebt es keinen Menschen unter der Sonne . ’ Mit leichtem Herzen und frei von aller Last sprang er nun , bis er daheim bei seiner Mutter war .
84.
Hans heirathet .
E s war einmal ein junger Bauer , der hieß Hans , dem wollte sein Vetter gern eine reiche Frau werben . Da setzte er den Hans hinter den Ofen , und ließ gut einheizen . Dann holte er einen Topf Milch , und eine gute Menge Weißbrot , gab ihm einen neugemünzten glänzenden Heller in die Hand , und sprach ‘Hans , den Heller da halt fest , und das Weißbrot , das brocke in die Milch , und bleib da sitzen , und geh mir nicht von der Stelle , bis ich wiederkomme . ’ ‘ Ja ,’ sprach der Hans , ‘ das will ich alles ausrichten . ’ Nun zog der Werber ein paar alte verplackte Hosen an , gieng ins andere Dorf zu einer reichen Bauerntochter , und sprach ‘ wollt ihr nicht meinen Vetter Hans heirathen ? ihr kriegt einen wackern und gescheidten Mann , der euch gefallen wird . ’ Fragte der geizige Vater ‘ wie siehts aus mit seinem Vermögen ? hat er auch was einzubrocken ? ’ ‘Lieber Freund ,’ antwortete der Werber , ‘ mein junger Vetter sitzt warm , hat einen guten schönen Pfennig in der Hand , und hat wohl einzubrocken . Er sollte auch nicht weniger Placken ( wie man die Güter nannte ) zählen , als ich ,’ und schlug sich dabei auf seine geplackte Hose . ‘Wollt ihr euch die Mühe nehmen mit mir
hinzugehen , soll euch zur Stunde gezeigt werden daß alles so ist , wie ich sage . ’ Da wollte der Geizhals die gute Gelegenheit nicht fahren lassen , und sprach ‘ wenn dem so ist , habe ich weiter nichts gegen die Heirath .’
Nun ward die Hochzeit an dem bestimmten Tag gefeiert , und als die junge Frau ins Feld gehen und die Güter des Bräutigams sehen wollte , zog Hans erst sein sonntägliches Kleid aus , und seinen verplackten Kittel an , und sprach ‘ ich könnte mir das gute Kleid verunehren . ’ Da giengen sie zusammen ins Feld , und wo sich auf dem Weg der Weinstock abzeichnete , oder Aecker und Wiesen abgetheilt waren , deutete Hans mit dem Finger , und schlug dann an einen großen oder kleinen Placken seines Kittels , und sprach ‘ der Placken ist mein und jener auch , mein Schatz , schauet nur danach ,’ und wollte damit sagen , die Frau sollte nicht in das weite Feld gaffen , sondern auf sein Kleid schauen , das wäre sein eigen .
‘ Bist du auch auf der Hochzeit gewesen ? ’ ‘ Ja wohl bin ich darauf gewesen . Mein Kopfputz war von Schnee , da kam die Sonne , und er ist mir abgeschmolzen ; mein Kleid war von Spinneweb , da kam ich durch Dornen , die rissen mir es ab ; meine Pantoffel waren von Glas , da stieß ich an einen Stein , da sagten sie klink ! und sprangen entzwei .’
85.
Die Goldkinder .
E s war ein armer Mann und eine arme Frau , die hatten nichts als eine kleine Hütte , und nährten sich vom Fischfang , und es gieng bei ihnen von Hand zu Mund . Es geschah aber , daß der Mann , als er einmal beim Wasser saß , und sein Netz answarf , einen Fisch herauszog , der ganz golden war . Und als er den Fisch voll Verwunderung betrachtete , hub dieser an zu reden und sprach ‘hör , Fischer , wirfst du mich wieder hinab ins Wasser , so mach ich deine kleine Hütte zu einem prächtigen Schloß . ’ Da antwortete der Fischer ‘ was hilft mir ein Schloß , wenn ich nichts zu essen habe ? ’ Sprach der Goldfisch weiter ‘ dafür soll auch gesorgt sein , es wird ein Schrank im Schloß sein , wenn du den aufschließest , so stehen Schüsseln darin mit Gesottenem und Gebratenem , so viel du dir wünschest . ’ ‘ Wenn das ist ,’ sprach der Mann , ‘ so kann ich dir wohl den Gefallen thun . ’ ‘ Ja ,’ sagte der Fisch , ‘ es ist aber die Bedingung dabei , daß du keinem Menschen auf der Welt , wer es auch immer sein mag , entdeckst , woher dein Glück gekommen ist ; sprichst du ein einziges Wort , so ist alles vorbei .’
Nun warf der Mann den wunderbaren Fisch wieder ins
Wasser , und gieng heim . Wo aber sonst seine Hütte gestanden , da stand jetzt ein großes Schloß . Da machte er ein paar Angen , trat hinein , und sah seine Frau , mit schönen Kleidern geputzt , in einer prächtigen Stube sitzen . Sie war ganz vergnügt , und sprach ‘ Mann , wie ist das auf einmal gekommen ? das gefällt mir wohl . ’ ‘ Ja ,’ sagte der Mann , ‘ es gefällt mir auch , aber es hungert mich auch gewaltig , gib mir erst etwas zu essen . ’ Sprach die Frau ‘ ich habe nichts , und weiß in dem neuen Haus nichts zu finden . ’ ‘ O ,’ sagte der Mann , ‘ dort sehe ich einen großen Schrank , den schließ einmal auf .’ Wie sie den Schrank aufschloß , stand da Kuchen , Fleisch , Obst , Wein , und lachte einen ordentlich an . Da rief die Frau voll Freude ‘Herz , was begehrst du nun ? ’ und sie aßen und tranken zusammen . Wie sie satt waren , fragte die Frau ‘ aber Mann , wo kommt all dieser Reichthum her ? ’ ‘ Ach ,’ antwortete er , ‘ frage mich nicht darum , ich darf dirs doch nicht sagen , wenn ichs jemand entdecke , so ist unser Glück wieder dahin . ’ ‘ Nun ,’ sprach sie , ‘ wenn ichs nicht wissen soll , so begehr ichs auch nicht zu wissen . ’ Das war aber ihr Ernst nicht , sondern es ließ ihr keine Ruhe Tag und Nacht , und sie quälte und stachelte den Mann so lang , bis ers heraus sagte , es käme alles von einem wunderbaren goldenen Fisch , den er gefangen und dafür wieder in Freiheit gelassen hätte . Und wies heraus war , da verschwand alsbald das schöne Schloß mit dem Schrank , und sie saßen wieder in der alten Fischerhütte .
Der Mann mußte von vornen anfangen , seinem Gewerbe
nachgehen und fischen . Das Glück wollte es aber , daß er den goldenen Fisch noch einmal herauszog . ‘Hör ,’ sprach der Fisch , ‘ wenn du mich wieder ins Wasser wirfst , so will ich dir noch einmal das Schloß mit dem Schrank voll Gesottenem und Gebratenem zurückgeben ; nur halt dich fest , und verrath bei Leibe nicht von wem dus hast , sonst gehts wieder verloren . ’ ‘ Jch will mich schon hüten ’ antwortete der Fischer , und warf den Fisch in sein Wasser hinab . Daheim war nun alles wieder in voriger Herrlichkeit , und die Frau war in einer Freude über das Glück ; aber die Neugierde ließ ihr doch keine Ruhe , daß sie nach ein paar Tagen wieder zu fragen anhub wie es zugegangen wäre , und wie er es angefangen habe . Der Mann schwieg eine Zeitlang still dazu , endlich aber machte sie ihn so ungeduldig , daß er herausplatzte , und das Geheimniß verrieth . Jn dem Augenblick verschwand das Schloß , und sie saßen wieder in der alten Hütte . ‘ Nun hast dus ,’ sagte der Mann , ‘ jetzt können wir wieder am Hungertuch nagen . ’ ‘ Ach ,’ sprach die Frau , ‘ ich will den Reichthum lieber nicht , wenn ich nicht weiß von wem er kommt , sonst habe ich doch keine Ruhe .’
Der Mann gieng wieder fischen , und über eine Zeit so wars nicht anders , er holte den Goldfisch zum drittenmal heraus . ‘Hör ,’ sprach der Fisch , ‘ ich sehe wohl , ich soll in deine Hände fallen , nimm mich mit nach Haus , und zerschneid mich in sechs Stücke , zwei davon gib deiner Frau zu essen , zwei deinem Pferd , und zwei leg in die Erde , so wirst du Segen davon haben . ’ Der Mann nahm den Fisch mit nach Haus , und
that wie er ihm gesagt hatte . Es geschah aber , daß aus den zwei Stücken , die in die Erde gelegt waren , zwei goldene Lilien aufwuchsen , und daß das Pferd zwei goldene Füllen bekam , und des Fischers Frau zwei Kinder gebar , die ganz golden waren .
Die Kinder wuchsen heran , und wurden groß und schön , und die Lilien und die Pferde wuchsen mit ihnen . Nun sprachen sie ‘ Vater , wir wollen uns auf unsere goldenen Rosse setzen , und in die Welt ausziehen . ’ Da antwortete er betrübt ‘ wie will ichs aushalten , wenn ihr fortzieht , und ich nicht weiß wies euch geht ? ’ Da sagten sie ‘ die zwei goldenen Lilien bleiben hier , daran könnt ihr sehen , wies uns geht : sind sie frisch , so sind wir gesund ; sind sie welk , so sind wir krank ; fallen sie um , so sind wir todt . ’ Sie ritten fort , und kamen in ein Wirthshaus , darin war viel Volk , und als das die zwei Goldkinder sah , fieng es an zu lachen und zu spotten . Wie der eine das Gespött hörte , so schämte er sich , wollte nicht in die Welt , kehrte um , und kam wieder heim zu seinem Vater . Der andere aber ritt fort , und gelangte zu einem großen Wald . Und als er hinein reiten wollte , sprachen die Leute ‘ es geht nicht , daß ihr durchreitet , der Wald ist voll Räuber , die werden übel mit euch umgehen , und gar , wenn sie sehen daß ihr und euer Pferd golden seid , werden sie euch todt schlagen . ’ Er aber ließ sich nicht schrecken , und sprach ‘ ich muß und soll hindurch . ’ Da nahm er Bärenfelle , und überzog sich und sein Pferd damit , daß nichts mehr vom Gold zu sehen war , und ritt getrost in den Wald hinein . Und als er ein wenig fortgeritten war , so hörte er es
in den Gebüschen rauschen , und vernahm Stimmen , die miteinander sprachen . Von der einen Seite riefs ‘ da ist einer ,’ von der anderen aber ‘ laß ihn laufen , das ist ein Bärenhäuter , und arm und kahl , wie eine Kirchenmaus , was sollen wir mit ihm anfangen ! ’ So ritt das Goldkind glücklich durch den Wald , und geschah ihm kein Leid .
Es trug sich zu , daß er in ein Dorf kam , darin sah er ein Mädchen , das war so schön , daß er nicht glaubte es könnte ein schöneres auf der Welt sein . Und weil er eine so große Liebe zu ihm empfand , so gieng er zu ihm , und sagte ‘ ich habe dich von ganzem Herzen lieb , willst du meine Frau werden . ’ Er gefiel aber auch dem Mädchen so sehr , daß es einwilligte und sprach ‘ja , ich will deine Frau werden , und dir treu sein mein Lebelang . ’ Nun hielten sie Hochzeit zusammen , und als sie eben in der größten Freude waren , kam der Vater der Braut heim , und als er sah daß seine Tochter Hochzeit machte , verwunderte er sich , und sprach ‘ wo ist der Bräutigam ? ’ Sie zeigten ihm das Goldkind , das hatte aber noch seine Bärenfelle um . Da sprach der Vater zornig ‘nimmermehr soll ein Bärenhäuter meine Tochter haben ,’ und wollte ihn ermorden . Da bat ihn die Braut , was sie konnte , und sprach ‘er ist einmal mein Mann , und ich habe ihn von Herzen lieb ,’ bis er sich endlich besänftigen ließ . Doch aber kams ihm nicht aus den Gedanken , so daß er am andern Morgen früh aufstand , und seiner Tochter Mann sehen wollte , ob er ein gemeiner und verlumpter Bettler wäre . Wie er aber hinblickte , sah er einen herrlichen , goldenen
Mann im Bette , und die abgeworfenen Bärenfelle lagen auf der Erde . Da gieng er zurück und dachte ‘ wie gut ists , daß ich meinen Zorn bändigte , ich hätte eine große Missethat begangen .’
Dem Goldkind aber hatte geträumt er zöge hinaus auf die Jagd nach einem prächtigen Hirsch , und als er am Morgen erwachte , sprach er zu seiner Braut ‘ nun will ich auf die Jagd . ’ Jhr aber war Angst , und sie bat ihn da zubleiben , und sagte ‘ leicht kann dir ein großes Unglück begegnen ,’ aber er antwortete ‘ ich soll und muß fort . ’ Da stand er auf , und zog hinaus in den Wald , und gar nicht lange , so hielt auch ein stolzer Hirsch vor ihm , ganz nach seinem Traume . Er legte an , und wollte ihn schießen , aber der Hirsch sprang fort . Da jagte er ihm nach , über Graben und durch Gebüsche , und ward nicht müde den ganzen Tag ; am Abend aber verschwand der Hirsch vor seinen Augen . Und als das Goldkind sich umsah , so stand er vor einem kleinen Haus , darin saß eine Hexe . Er klopfte an , und ein Mütterchen kam heraus , und fragte ‘ was wollt ihr so spät noch mitten in dem großen Wald ? ’ Er sprach ‘ habt ihr keinen Hirsch gesehen ? ’ ‘ Ja ,’ antwortete sie , ‘ den Hirsch kenne ich wohl ,’ und ein Hündlein , das mit ihr aus dem Haus gekommen war , bellte dabei den Mann so heftig an . ‘Willst du schweigen , du böse Kröte ,’ sprach er , ‘ sonst schieß ich dich todt . ’ Da rief die Hexe zornig ‘ was , mein Hündlein willst du tödten’ und verwandelte ihn alsbald , daß er da lag wie ein Stein , und seine Braut erwartete ihn umsonst , und dachte ‘ es ist gewiß eingetroffen , was mir so Angst machte , und so schwer auf dem Herzen lag .’
Daheim aber stand der andere Bruder bei den Goldlilien , als plötzlich eine davon umfiel . ‘ Ach Gott ,’ sprach er , ‘ meinem Bruder ist ein großes Unglück zugestoßen , ich muß fort , ob ich ihn vielleicht errette . ’ Da sagte der Vater ‘bleib hier , wenn ich auch dich verliere , was soll ich anfangen ? ’ Er aber antwortete ‘ ich soll und muß fort . ’ Da setzte er sich auf sein goldenes Pferd , und ritt fort , und kam in den großen Wald , wo sein Bruder lag , und Stein war . Die alte Hexe kam aus ihrem Haus , rief ihn an , und wollte ihn auch berücken , aber er näherte sich nicht , sondern sprach ‘ ich schieße dich nieder , wenn du meinem Bruder das Leben nicht wieder giebst . ’ Da mußte sie , so ungerne sies auch that , den Stein wieder anrühren , und ihm sein menschliches Leben wieder geben . Die beiden Goldkinder aber freuten sich , als sie sich wiedersahen , küßten und herzten sich , und ritten zusammen fort aus dem Wald , der eine zu seiner Braut , der andere heim zu seinem Vater . Da sprach der Vater ‘ ich wußte wohl , daß du deinen Bruder erlöst hattest , denn die goldene Lilie ist auf einmal wieder aufgestanden , und hat fortgeblüht . ’ Nun lebten sie vergnügt , und es gieng ihnen wohl bis an ihr Ende .
86.
Der Fuchs und die Gänse .
D er Fuchs kam einmal auf eine Wiese , wo eine Herde schöner fetter Gänse saß , da lachte er und sprach ‘ ich komme ja wie gerufen , ihr sitzt hübsch beisammen , so kann ich eine nach der andern auffressen . ’ Die Gänse gackerten vor Schrecken , sprangen auf , fiengen an zu jammern und kläglich um ihr Leben zu bitten . Der Fuchs aber wollte auf nichts hören , und sprach ‘ da ist keine Gnade , ihr müßt sterben . ’ Endlich nahm sich eine das Herz , und sagte ‘ sollen wir armen Gänse doch einmal unser jung frisch Leben lassen , so erzeige uns die einzige Gnade , und erlaub uns noch ein Gebet , damit wir nicht in unsern Sünden sterben ; hernach wollen wir uns auch in eine Reihe stellen , damit du dir immer die fetteste anssuchen kannst . ’ ‘ Ja ,’ sagte der Fuchs , ‘ das ist billig und ist eine fromme Bitte : betet , ich will so lange warten .’ Also fieng die erste ein recht langes Gebet an , immer ‘ ga ! ga ! ’ und weil sie gar nicht aufhören wollte , wartete die zweite nicht , bis die Reihe an sie kam , sondern fieng auch an ‘ ga ! ga ! ’ Die dritte und vierte folgte ihr , und bald gackerten sie alle zusammen . ( Und wenn sie ausgebetet haben , soll das Märchen weiter erzählt werden , sie beten aber alleweile noch immer fort ) .