Deutsche Lyrik von gestern.
Parodien von Hanns von Gumppenberg.
„Man soll auch den anderen Teil hören!“ mahnt ein altehrwürdiges lateinisches Sprüchwort. Jn gläubigem Hinblick auf diesen aus der Antike warnend herübergeschwungenen Zeigefinger können wir es — bei unserer alten Liebe zum Altertum — natürlich nicht unterlassen, den verehrten Anwesenden auch die deutsche Lyrik von Gestern charakteristisch vorzuführen. Da freilich einerseits, wie bekannt, die geistige Genußfähigkeit der modernen Welt kein allzu großes Quantum auf einmal verträgt, andererseits diese Lyrik von Gestern, wie nicht minder bekannt, eine solche Ueberfülle von Abwechslung und Geistesfrische aufweist, daß eine umfassende Darstellung derselben geradezu erschöpfend wirken müßte, so beschränken wir uns bescheiden auf eine kleine Reihe von Beispielen. Wir beginnen mit einem Gedichte unseres mildhinschmelzenden Emanuel Geibel, welcher sich unmittelbar der Lyrik von Vorgestern, das heißt unserer klassischen Lyrik anschließt. Das Gedicht ist betitelt:
Der Frühlingsabend.
Du weicher Frühlingsabend,
Wie hab' ich dich so gern!
Nur hier eine warme Wolke,
Und dort ein weicher Stern.
Wie warmer Himmelsodem
Wehet so weich die Luft:
Es steigt aus weichen Thalen
Ein warmer Veilchenduft.
Jch möcht' ein Lied ersinnen,
Das dieser Weiche gleich:
Und kann den Klang nicht finden
So wunderbutterweich!
Eine ähnliche Natur war Theodor Storm: nur daß bei ihm das Weiche sich mehr nach der Seite des Sinnig-Träumerischen äußerte, wie zum Beispiel in seinem Gedichte:
Die Waldesfee.
Hoch ruht die Bergeshalde,
Darunter ruht der Wind:
Die Zweige hangen herunter —
Darunter ruht ein Kind.
Sie sitzt im Thymiane,
Sie sitzt in lauter Duft:
Sie sitzt im Fliegenschwarme,
Und schaut nur in die Luft.
Die Spatzen lachen von ferne —
Wer hätt' es nur geglaubt?
Sie hat die grünen Augen
Der Waldesfee geraubt.
Träumerisch war auch Adolf Bekk, dabei voll Anmut und Zierlichkeit des Geistes. Er wurde zwar nicht in weitesten Kreisen bekannt, ist aber wohl geeignet, als Repräsentant einer ganzen Reihe gestriger Lyriker von Sinnigkeit, Anmut und Zierlichkeit zu figuriren. Wir recitiren das Gedicht:
Glück.
Schlich im Feld, und Aehren ließ ich
Glitschern, zwitschern durch die Hand:
Ach, ein blaues, liebes blaues
Blümlein da mein eigen fand!
Schlich am Weg: ein Falter hüpfte
Holdig goldig von dem Sand,
Schwankte, schwebte, strebte, bebte,
Wo ein zartes Kleeblatt stand!
Schlich im Wald: zu lesen dacht' ich,
Ach! zu lesen mit Verstand. .
Und ein winziges, süßes, winziges
Liedchen schrieb ich an den Rand!
Ebenso allgemein charakteristisch, namentlich für den so ausgeprägten Ordnungssinn der Lyriker von Gestern, ist sein Gedicht:
Schatten.
Unter den Bäumen
Mußt du träumen!
Unter den Fichten
Mußt du dichten!
Unter den Rosen
Mußt du kosen!
Unter den Linden
Wirst du sie finden!
Unter den Buchen
Mußt du fluchen!
Unter den Palmen
Singe Psalmen!
Unter der Haselnuß
Gib deiner Bas' 'n Kuß!
Unter den Feigen
Mußt du schweigen.
Freilich gab es gestern auch Barden, welche unter allen Bäumen Psalmen sangen: in erster Linie Oskar Redwitz. Hören wir zwei Proben aus „Amaranths Waldliedern“:
Am Plauderquell.
Du Quell mit deinem Plaudermund
Am trauten Waldespförtchen:
Wie tauschest mit der Rose du
So leise Liebeswörtchen!
Was sollt' ich sagen, käm' ein Mann
Zu mir an's stille Oertchen?
Nicht wahr? hab' ich 'mal auch ein Lieb,
Lehrst du mich solche Wörtchen!
Waldvögelein.
Waldvögelein! Wie singst du heut'
So herzigfromm, wie nie zuvor —
Möcht' fliegen wie ein Weihrauchduft
Vor lauter Freud' zu Gott empor!
Hast du denn auch, Waldvögelein,
Heut Nacht dein Lieb im Traum geseh'n?
O herzigfrommes Vöglein du —
Mit dir und mir wird 'was gescheh'n!
Neben diesen Lyrikern von mehr persönlicher Färbung standen solche, die sich mit ganzer Jnnigkeit in den Abgrund der volkstümlichen Empfindung versenkten, wie zum Beispiel Julius Mosen in seinem schönen Gedichte „Ziehende Schwalben“,
welches sich außerdem noch durch seltene Sangbarkeit auszeichnet: Die Schwalben, ja, die Schwalben,
Beim Hirten sind sie gern,
Und wenn die Blättlein falben,
Zieh'n sie wohl in die Fern' —
Gern — gern —
Fern — fern!
Zu jedem Lämmlein plaudern
Sie noch ein heimlich Wort:
Wir dürfen nicht mehr zaudern,
„Wir müssen fort, ja fort —“
Wort — Wort —
Fort — fort!
Der munt're Hirte singet:
„Seht ihr nach meinem Sinn
Ein Mägdelein, so bringet
Jhm meine Grüße hin!“
Sinn — Sinn —
Hin — hin!
Die Schwalben ziehen munter
Zum grauen Nebelstreif:
Der Hirte zieht hinunter
Durch grauen Winterreif.
Streif — Streif —
Reif — Reif!
Die Schwalben kehren wieder —
Des Hirten froher Sinn,
Des Hirten frohe Lieder:
Wo sind sie hin — wohin?
Wieder — Lieder?
Hin . . . hin!
Eminentes Verständnis speziell für die außerordentliche Gedankentiefe der Volkslyrik bekundet zum Beispiel Otto Roquette in seinem stimmungsvollen Liede:
Das machen die Läublein und Blättlein.
Das machen die Läublein und Blättlein all',
Daß der Wald nicht so sonnig ist:
Das macht die herztausigste Maienzeit,
Daß das Röslein so wonnig ist!
Mein's Schätzeleins Lieb' war das Röslein rot,
Das duftet' am Waldesrain:
Und die Läublein grün und die Blättlein grün,
Das waren Gedanken mein!
Nun zog die herztausigste Maienzeit,
Die herztausigste Liebe zur Ruh' . . .
Nun fallen die Läublein und Blättlein herab,
Und decken das Röselein zu.
„Ein schlampiges Hütlein auf goldenem Haar, ein schwankendes Federlein d'rauf, im Arme die Fiedel, im Herzen das Liedel, so kommt er daher, der Spielmann Jungfriedel — genannt August Becker. Was er singt, könnte zwar ebensogut ein anderer goldhaariger Spielmann von Gestern singen: aber andererseits muß man zugestehn, daß er selbst ebensogut die Sangesarbeit eines jener Anderen verrichten könnte. Es herrschte nämlich gestern gerade unter den edelsten Sängern eine Selbstlosigkeit und Gütergemeinschaft, von deren idealer Höhe wir uns jetzt kaum mehr einen Begriff machen können. Hören wir ein Lied Jungfriedels. Erschrecken Sie nicht, daß es zufällig ein trauriges ist: man braucht es nämlich trotzdem
nicht allzu ernst zu nehmen. Das Gedicht trägt keine Ueberschrift; hätte es aber eine, so hieße dieselbe wohl:
Bescheidenheit.
Es steht eine Lind' auf grünem Rain,
Da fliegen hundert Vögelein
Wohl aus und ein:
Die wollen nichts als singen.
Sie singen, wenn der Tag erwacht,
Sie singen in der finstern Nacht:
Jch hört es lustig klingen,
Ja klingen!
Und unter der Lind' auf grünem Rain,
Da saß ein blutjungs Mädel fein
So ganz allein:
Die wollte nichts als weinen.
Ach! Vöglein hat wohl seinen Schatz —
Doch auf des Kirchhofs grünstem Platz
Begrub man heut' den meinen,
Ja meinen!
Und von der Lind' auf grünem Rain
Zum Kirchhof ging das Mädel fein
Jm Abendschein:
Sie wollte nichts als sterben.
Sie legte sich ins grüne Gras,
Bis sie vom Leben ganz genas.
So geht das Glück in Scherben,
Ja Scherben!
Von ähnlich weicher Empfindung ist ein Gedicht des geistesverwandten Rattenfängers, wilden Jägers und Lurleierers Julius Wolff, betitelt:
Das Minnerlein.
Es war ein ärmstes Minnerlein
Jm Herzen sterbekrank:
Jhm bot die Allerliebste sein
Nicht Gruß noch Habedank.
Sie war so hart wie Kieselstein,
Ach! woll't ihn nicht versteh'n —
O weh! du ärmstes Minnerlein —
Jetzt ist's um dich gescheh'n!
Er schlich so trüb von Haus zu Haus —
„Gott Herre, dich erbarm!
Kommt denn kein Mägdlein, ach! heraus
Und schließt mich in den Arm?“
Horch, horch! da pocht's ans Fensterlein,
Wink, wink! mit weißer Hand —
Schau, schau, du kluges Minnerlein:
Mägdlein gibt's mehr im Land!
Die Zweite lieben Kuß ihm bot,
Das schuf der ersten Gram:
Drum weint sie sich die Aeuglein rot,
Bis daß er wiederkam.
Nun wußt' er nicht mehr aus und ein,
Welch' Mägdlein süßer sein . .
Juchhe! du kühnes Minnerlein —
Jetzt hast du ihrer zwei!
Julius Wolff weiß übrigens auch drängend leidenschaftliche Töne anzustimmen, wie zum Beispiel in seinem:
Mailied.
Boten sendet uns der Mai,
Ob wir's nicht vergaßen —
Tandaradei! zum Ringelrei!
Ruft's in allen Straßen.
Spielmann, wirf die Geig' an's Kinn!
Horch' doch, liebes Magedin!
Din din din
Din din!
Leg' dich doch an meine Brust —
Will dich dort schon halten:
An der Jungen Koselust
Letzen sich die Alten!
Hüpfefuß hat Hüpfesinn —
Hupf' doch, liebes Magedin!
Din din din
Din din!
Halt! den Kuß noch, Mündel rot,
Darfst du nicht versagen:
Wirst die kleine Schmatzenot
Nicht der Mutter klagen!
Schmatze her und schmatze hin —
Lach' doch, liebes Magedin!
Din din din
Din din!
Die schon erwähnte Gütergemeinschaft herrschte gestern auch ganz besonders in der fast allgemeinen idealen Ausbildung des äußeren Ausdrucks. So wurde zum Beispiel, was vorgestern Heinrich Heine sang, gestern von Hunderten deutscher Sänger formell noch viel besser exekutirt. Die Lyrik von Gestern wimmelt von Heine abgeguckt nachgespuckten sarkastischen Schlüssen und zierlich formellen Schlangenwindungen. Diese Schlüsse sind bekannt; eine <heineranische> Schlangenwindung führen wir vor in dem Gedichte:
Verlassen.
Der Wind durchfährt die Gassen,
Die Wolken durchfährt der Blitz —
Jch sitze hier verlassen,
Verlassen hier ich sitz'.
Der Wind durchfährt die Gassen,
Der Blitz das Wolkenrevier —
Jch sitze hier verlassen,
Verlassen sitz' ich hier.
O Wind, Blitz, Wolken, Gassen —
Jch hab' euch auf dem Strich! —
Jch sitze hier verlassen —
Hier — sitz' — verlassen — ich.
Wem wäre der liebenswürdige Rudolf Baumbach unbekannt? Auf allen deutschen Salontischen liegen seine Büchlein in Goldschnitt — und mit Recht: denn in entzückend glatter Form weiß er halb scherzend die artigsten Weisheiten so hübsch vorzubringen, daß man dieselben in jeder Gesellschaft anhören kann, ohne sich zu ermüden: ja manchmal so hübsch, daß — o höchster Triumph des schaffenden Poeten! — die Weisheit gänzlich daraus zu verschwinden scheint. Hören wir seine didaktisch-allegorische Träumerei:
Rosen, Disteln und Hänschen.
Röschen aus der Hecke blickt.
„Ei, das muß ich brechen!“
Hänschen doch ist ungeschickt,
Und die Dörnlein stechen.
Aus der Hand des jungen Manns
Kommt das Blut geronnen:
Seinen Finger taucht der Hans
Seufzend in den Bronnen.
Saß ein Seherweib am Born,
Sprach mit weiser Zunge:
„Keine Rose ohne Dorn —
Merk' dir das, mein Junge!“
Hänschen glättet sein Gesicht,
Dreht dem Strauch den Rücken:
Weil die dumme Rose sticht,
Disteln sich zu pflücken.
[Zwar es fordert Phantasie,
Diese Logik zu glauben:
Doch die Hänschenallegorie
Kann sich das erlauben.]
Disteln haben gleichen Stolz —
Unbescheid'ne Dinger!
Ach! schon sitzt der Stichebolz
Tief in Hänschens Finger.
Hänschen, laß' den Distelstrauch —
Willst du dich erbosen?
Sieh', die Disteln stechen auch:
Brich du lieber Rosen!
[Daß man and're Blumen bricht,
Die da gar nicht stechen,
Will ich, lieber Baumbach, nicht
öffentlich besprechen.]
Eine ganz andere Poetennatur von Gestern ist Martin Greif. Bei ihm liegt das Hauptgewicht auf der Einfachheit und Wärme des Gefühls. Dabei hat er eine starke Hinneigung zum Mystischen, nur halb Angedeuteten, weshalb seine Gedichte auch meist nur zwei Strophen haben, in welchen sich dann eine ganze Welt lakonisch und scheinbar einfältig zusammendrängt. Hören wir zwei seiner Erzeugnisse.
Der Eierkuchen.
Am heiligen Charfreitag
Grub ich ein Kräutlein fruh:
Jn einem Eierkuchen
Schickt' ich's dem Liebsten zu.
Es wird ihm gar nichts schaden,
Jhr blonden Schwestern, wißt!
Er ißt es mit dem Fladen —
Und meiner nie vergißt.
oder:
Die Frage.
Jch stand auf grüner Halde
Jch stand so still . .
Was wohl im grünen Walde
Die Tanne will?
Da haucht aus grünem Walde
Der Wind mir zu:
„Du Mann auf grüner Halde —
Was willst denn du?“
Gährende Leidenschaft, originelle Bilder und schalkhaft neckische Wendungen zeichnen die Liebeslyrik Paul Heyse's aus. Wir erinnern nur an sein Gedicht: „Unter den Zweigen in schwüler Nacht“, welches er übrigens richtiger überschrieben hätte:
Wassertopf und Deckel.
Unter den Zweigen in schwüler Nacht
Dacht' ich an scherzende Küsse:
Siedete mir im Kopf mit Macht
Brodelnde, brennende Süße.
Siedet im Topfe ein Wässerlein fein,
Bleibt der Deckel nicht liegen —
O wie flott in die Lüfte hinein
Ließ ich mein Strohhütlein fliegen!
Ob sich der Deckel zum Topfe erkor
Anderen Kopf — kann ich's wissen ?
Da ich lange den Kopf verlor,
Kann ich das Deckelchen missen!
Wenn hier die erotische Lyrik leichtfüßig dahertanzt, so schreitet sie bei Felix Dahn im langfaltigen altdeutschen Gewande — ja manchmal schreitet sie so langsam, daß es aussieht, als bliebe sie stehen — als würden die langen Falten zu steifem, gothischem Holz: als erstarrte
selbst ihre Miene, die moderne Nase zu mittelalterlichem Schnitzwerk verlängernd. Hören wir, wie Felix Dahn zum Beispiel seine Liebe als „Rosa von Awein“ besingt:
Die hehrste Dame in dem Land ist Rosa von Awein,
Und mein ist sie mit Herz und Hand, und soll es ewig sein!
Am Lindenbaum im Abendgold fand ich die süße Maid,
Sie selbst so sanft und mild und hold wie gold'ne Abendzeit:
O Maid — so sprach ich — auf dem Kahn in blauer See Euch wiegt:
Wie lieblich, wenn auf leiser Bahn Jhr durch die Wellen fliegt!
„Will mich nicht wiegen in blauer See, noch auf der Wellen Schaum:
Es bannt mich in der Linde Näh' weiß nicht, welch' tiefer Traum.“
O Maid, kommt auf die Hünengruft, wo die wilde Rose steht:
Wie lieblich, wenn ihr milder Duft im Abendwinde weht.
„Nicht zieht mich von der Linde fort der Hünenrose Flor:
Mit ist, ich find' an diesem Ort ein Kleinod, das ich verlor.“
Weil hier zuerst du mich erkorst, d'rum ist das Geh'n dir leid:
Das Kleinod, das du hier verlorst — ist's nicht dein Herz, o Maid?
Da ward sie still, da ward sie rot, und senkte die Wimpern fein,
Und lächelnd sie die Hand mir bot: „So mag es, Ritter sein.“
Die hehrste Dam' im ganzen Land ist Rosa von Awein
Am Lindenbaum mit Herz und Hand im gold'nen Abendschein!
Ebenso ernsthaft, aber düsterer als Felix Dahn ist Hermann Lingg angelegt, welcher sich namentlich um die phantasievolle Dekoration der Weltgeschichte große Verdienste erworben hat: z.B. in seinem Gedichte
Letztes Schlachtlied der Vandalen in Afrika.
Erspäht ihr durch die Nacht
Karthago's Mondenglanz?
Dort triumphirt die Pracht
Der Griechen von Byzanz.
O stolze Stadt des Ruhms,
Daß wir dich lassen mußten,
Stern des Vandalentums,
Perle der Wüstenpußten!
O Schmerz, laß' heut' den Pfeil
Auf schwarzem Bogen rosten,
Daß nicht mit Wehgeheul
Wir seinen Giftdorn kosten!
Hoch stand auf hohem Turm
Der König Geiserich,
Und blitzte durch den Sturm —
Doch all' sein Blitz erblich.
Nur Leichen schwemmt die Flut,
Wrackvoll sind alle Riffe:
Das Meer ist rot von Blut —
O ihr Vandalenschiffe!
Auf, König Gelimer —
Jetzt schmettr' uns in die Schlacht!
Du flackerst vor uns her
Wie Feuerwerk zur Nacht!
Wir aber thun dir's gleich
An Flammenmut und Wundern —
Es soll dein Königreich
Noch lange fortjahrhundern!
Schon saust der Feinde Schaar
Empor vom blut'gen Meer —
Zerstich den Belisar,
O König Gelimer!
Ob auch der Göttersinn
Jn ew'gem Tod sich büßte:
Denk' du an Glycerin,
Den Heldenstaub der Wüste!
Wirf ihn, den Belisar,
Und tritt ihm auf die Zähne —
Es ströme tausend Jahr'
Des Griechenweibes Thräne!
Zum Schlusse, verehrte Anwesende, genießen Sie noch ein lyrisches Gedicht des krampfhaften Nibelungenstabreimers Wilhelm Jordan: eines der berühmtesten und tiefsinnigsten Poeten von Gestern. Beobachten Sie daran besonders den bis in's Originellste durchtriebenen Ausdruck. Das Gedicht ist veröffentlicht im Cotta'schen Musenalmanach auf 1891 und betitelt sich:
Nachtlied.
Lieg' ich weltbemäkelt
Unlustabgeekelt
Nachts im Grübelrausche,
Bis ich, überrege
Meiner Blutkopfschläge
Ticketon erlausche:
Müde dann der Pfühle
Such ich Schnatterkühle
Auf dem Windaltane,
Wo aus Erdwehstreite
Jn die Milchstraßweite
Jch hinaus mich ahne.
Tausend Silberschaaren
Zitterflitt'rer fahren
Beß're Bundesbahnen:
Klammernd klein dagegen
Sorgen, Singen, Segen,
Menschenplapperplanen!
Doch sogleich dem Kleinmut
Folgt zu stolzem Nein Mut.
Allrat ließ ja reifen
Auf dem Staubgestirne
Denkerdämmerhirne,
Selbst sich zu begreifen!