Erſter Akt.
(Kleiner, blaugetünchter, flacher Küchenraum mit niedriger Decke; ein
Fenſter links; eine rohgezimmerte Thür in’s Freie führend rechts;
eine Thür mit ausgehobenem Flügel mitten in der Hinterwand. —
Links in der Ecke der Herd, darüber an der Wand Küchengeräth am
Rahmen, rechts in der Ecke Ruder und Schiffereigeräth; geſpaltenes
Holz, ſogenannte Stubben unter dem Fenſter in einem Haufen.
Eine alte Küchenbank, mehrere Schemel ꝛc. ꝛc. — Durch den leeren
Thürrahmen der Hinterwand blickt man in den zweiten Raum.
Darin ſteht ein hochgemachtes, ſauber gedecktes Bett, darüber hängen
billige Photographien in noch billigeren Rahmen, Oeldruckköpfe in
Viſitenkartenformat ꝛc. Ein Stuhl aus weichem Holz iſt mit der
Lehne gegen das Bett geſtellt. — Es iſt Winter, der Mond ſcheint.
Auf dem Herd in einem Blechleuchter ſteht ein brennendes Talglicht.
Leontine Wolff iſt auf einem Schemel am Herd, Kopf und Arme
auf der Herdplatte, eingeſchlafen. Sie iſt ein ſiebzehnjähriges,
hübſches, blondes Mädchen in der Arbeitstracht eines Dienſtmädchens.
Ueber die blaue Kattunjacke hat ſie ein dickes, wollenes Bruſttuch
gebunden. — Einige Sekunden bleibt es ſtill, dann hört man, wie
Jemand bemüht iſt, von außen die Thür aufzuſchließen, in der
jedoch von innen der Schlüſſel ſteckt. Nun pocht es).
Frau Wolff (unſichtbar, von außen). Adelheid!
Adelheid!
(Stille; dann wird von der andern Seite an’s Fenſter
gepocht). Wirſchte gleich uffmachen!
Leontine (im Schlaf). Nein, nein, ick laß mir
nich ſchinden!
Frau Wolff. Mach uff, Mädel, ſonſte komm
ich durch’s Fenſter.
(Sie trommelt ſehr ſtark an’s Fenſter).
Leontine (aufwachend). Ach, Du biſt’s, Mama!
Ick komme ja ſchon!
(Sie ſchließt innen auf).
Frau Wolff (ohne einen Sack, welchen ſie auf der
Schulter trägt, abzulegen). Was willſt’n Du hier?
Leontine (verſchlafen). ’n Abend, Mama!
Frau Wolff. Wie biſt’n Du reingekommen, hä?
Leontine. Na, über’n Ziejenſtall lag doch der
Schlüſſel.
(Kleine Pauſe).
Frau Wolff. Was willſte denn nu zu Hauſe,
Mädel?
Leontine (läppiſch maulend). Ich ſoll woll man
jar nich mehr bei Euch komm?
Frau Wolff. Na, ſei bloß ſo gutt, un thu
Dich a Biſſel. Das hab’ ich zu gerne.
(Sie läßt den
Sack von der Schulter fallen). Du weeſt woll noch gar
nich, wie ſpät daß ſchonn is? Mach bloß, daßte
fortkommſt zu Deiner Herrſchaft.
Leontine. Wenn ick da man ooch wer’ mal ’n
Bisken zu ſpät komm!
Frau Wolff. Nu nimm Dich in Obacht, haſt
De verſtanden! Und ſieh, daßte fortkommſt, ſonſt
haſte verſpielt.
Leontine (weinerlich, trotzig). Ick jeh nich mehr
bei die Leute, Mama!
Frau Wolff (erſtaunt). Du gehſt nich…
(Ironiſch).
Ach wo! Das iſt ja was ganz Neues.
Leontine. Na brauch ick mir immer laſſen ſchinden?
Frau Wolff (war bemüht ein Stück Rehwild aus dem
Sack hervorzuziehen). I, ſchinden thun ſe Dich alſo bei
Kriegers? Nee, ſo a armes Kind aber ooch! — Mit
ſowas komm mer ock uffgezogen! A Frauenzimmer
wie a Dragoner ....! Nanu faß an, dort unten a
Sack! Du kannſt Dich woll gar nich tälſcher an-
ſtellen? Bei mir haſte damit kee Glicke nich. ’s
Faullenzen lernſte bei mir erſcht recht nich!
(Beide
hängen den Rehbock am Thürpfoſten auf). Nu ſag ich der’ſch
aber zum letzten Male …
Leontine. Ick jeh nich mehr bei die Leute hin.
Denn jeh’ ick lieber in’t Waſſer, Mama!
Frau Wolff. Na, daßte ock bloß keen’n
Schnuppen krigſt.
Leontine. Ich ſpring in’t Waſſer!
Frau Wolff. Da ruff mich ock, herſchte! Ich
wer’ Der an Schupps geben, daß De ooch ja —
und fliegſt nich daneben.
Leontine (ſchreit heftig). Na, brauch ick mir das
woll jefallen zu laſſen, det ick Aben’s muß Holz
rinräumen zwee Meter?
Frau Wolff (thut erſtaunt). Nee, ’s is woll nich
meglich! Holz ſollſt De reinſchleppen! Nee, iber die
Leute aber ooch!
Leontine. … un zwanzich Daler uff’s janze
Jahr? Denn ſoll ick mir ooch noch die Poten ver-
frieren? Und nich ma ſatt Katoffel und Häring?!
Frau Wolff. Da red’ erſcht nich lange, tummes
Mädel. Da haſt ’a Schliſſel, geh, ſchneid Dr Brot
ab. Un wenn De ſatt biſt, ſcheer Dich, verſtanden!?
’s Flaummus ſteht in der oberſchten Rehre.
Leontine (nimmt aus einer Schublade ein großes Brot
und ſchneidet davon). Die Juſte von Schulzens kriejt
vierzig Daler un ....
Frau Wolff. Renn’ Du blos mit’n Kopp durch
de Wand! — — — Du wirſcht bei da Leuten nich
ewig bleiben. Du biſt ni vermit’t fir ewige Zeiten
— — Meinswegen zieh Du zum erſchten April —
So lange bleibſte an Ort und Stelle! — ’s Weih-
nachtsgeſchenk in der Taſche, gelt, nu mechtſte fort-
loofen? Das is keene Mode! — Ich geh bei da
Leuten aus und ein. Das wer’ ich woll uff mir ſitzen
laſſen!
Leontine. Det bisken Lumpe, det ick da an-
habe?
Frau Wolff. ’s baare Geld vergißte woll
ganz?
Leontine. Jawoll doch! Janze Märker ſechſe!
Frau Wolff. I Geld is Geld! Das laß Du
gutt ſein!
Leontine. Na, wenn ick aber kann mehr ver-
dien’n!?
Frau Wolff. Mit’n Maule!
Leontine. Nee, mit de Nähmaſchine. Ick jeh
nach Berlin und nähe Mäntel. Stechown’s Emilie
jeht ooch ſeit’n Neujahr!
Frau Wolff. Komm Du mer bloß mit der
Schlumpe gezogen! Die ſoll mer ock unter de
Finger loofen! Dem Balge will ich a Talglicht uff-
ſtecken! Das wär ſo a Awaſemeng fer Dich, gelt?
Mit a Kerln de Nächte verſchwiemeln. Nee, Mädel,
wenn ich bloß da dran denke: ich hau Dich, daßte
ſchonn gar nich mehr uffſtehſt. — Nu kommt Papa,
jetzt nimm Dich in Obacht!
Leontine. Wenn Papa mir verpaukt, denn loof
ick fort; denn wer’ ick ſchon ſehn, wo ick bleiben du.
Frau Wolff. Jetzt maul nich! Geh und futter
de Ziegen. Se ſind ooch noch nich gemolken den
Abend. Un gibb a Karnickeln ’ne Hamvll Heu.
Leontine (ſucht ſchnell hinauszukommen, trifft aber in der
Thür auf ihren Vater, ſagt flüchtig: „’N Abend“
und wiſcht an
ihm vorüber hinaus).
Julius Wolff (der Vater, iſt Schiffszimmermann, von
langer Figur, blöden Augen und trägen Bewegungen, etwa 43 Jahr
alt. — Er ſtellt zwei lange Ruder, die er auf der Schulter getragen,
in die Ecke und wirft ſein Schiffszimmergeräth ſchweigend ab).
Frau Wolff. Haſte a Schiffer-Emil getroffen?
Julius (brummt).
Frau Wolff. Kannſte nich reden? Ja oder
nein? Wird a rumkomm, hä?
Julius (unwirſch). Immerzu doch! Schrei Du
man noch mehr!
Frau Wolff. Du biſt ſchon a kuraſchirter Kerl.
Dabei da vergißte de Thire zuzumachen.
Julius (ſchließt die Thür). Was is ’n das wieder
mit Leontinen?
Frau Wolff. I, gar niſcht! — Was hat ’n
der Emil gelad’t?
Julius. All’ widder Klinkern. Wat ſoll er jelad’t
hebben? — Wat is det nu widder mit det Mädel?
Frau Wolff. De halbe Zille oder de ganze?
Julius (jähzornig aufwallend). Wat mit det Weibs-
ſtück all’ widder los is?
Frau Wolff (ihn überbietend). Was Emil gelad’t
hat, will ich wiſſen. A halben oder a ganzen Kahn?
Julius. I, immerzu doch, de janze Zille.
Frau Wolff. Pſt, Julian.
(Sie erſchrickt und riegelt
den Laden zu).
Julius (ſie erſchrocken anglotzend, ſchweigt. Nach einigen
Sekunden, leiſe). ’s is all ’n junger Förſter in Rixdorf.
Frau Wolff. Geh, krich unter’ſch Bette, Julian.
(Nach einer Pauſe). Wenn du bloß nich a ſo ſchrecklich
tumm wärſcht. Glei wirſchte De wie ſo a richt’ger
Bremmer. Von ſolchen Sachen verſtehſt De doch
niſcht. Laß Du mich bloß fer die Mädel ſorgen.
Das ſchlägt nich in Deine Conferenz. In meine
Conferenz gehert das. Bei Jungen wär’ das ganz
was anderſch. Da wer’ ich Dir ooch niemals niſcht
reinreden. A Jedes hat ſeine Conferenz!
Julius. Denn ſoll ſe man mir nich jrade in ’n
Weg loofen.
Frau Wolff. Du willſt ſe woll lahm ſchlagen,
Julian?! Laß Du Dir ock ja nich a ſo was ein-
fallen! Denk’ bloß nich, daß ich a ſo was zugebe!
Ich wer’ ſe mer laſſen zu Schanden ſchlagen. Das
Mädel kann unſer Glicke ſein. Wenn Du bloß fer
ſo was a Verſchtand hätt’ſt.
Julius. Denn ſoll ſe man ſehn, wo ſe bleiben dut.
Frau Wolff. Da is keene Angſt drum, Julian.
Kann meglich ſein, Du erlebſt noch was. Se wohnt
noch a Mal in der Belletage und wir ſein froh,
wenn ſe uns bloß kennt. Was hat’n der Täths-
rath zu mir geſagt? Ihre Tochter is ſo ein ſcheenes
Mädchen, die kann beim Theater Farure machen.
Julius. Denn ſoll ſe man machen, det ſe hin-
kommt.
Frau Wolff. Du haſt keene Bildung, Julian. Von
Bildung haſt Du ooch keene Spur. Wenn ich ne’ ge-
weſt wär’, Julian! Was wär’ ock aus da Mädeln ge-
worden? Ich hab’ſe gebildt erzogen, verſtehſte. De
Bildung is heutzutage de Hauptſache. Das geht nich
a ſo uff eenen Hieb. Immer Eens nach’n andern,
a pee a pee. Nu mag ſe mal erſcht a Dienſt kenn’n
lern’. Dann geht ſe meinswegen rein nach Berlin.
Die is heite noch viel zu jung ferſch Theater.
(Es
hat unter dem Vorhergehenden mehrmals an die Thür gepocht,
nun klingt)
Adelheid’s (Stimme herein). Mama! Mama! mach
doch bloß man uff!
(Frau Wolff öffnet. Adelheid kommt
herein. Sie iſt ein langaufgeſchoſſenes Schulmädchen im vierzehnten
Jahre mit hübſchem Kindergeſicht. Der Ausdruck ihrer Augen aber
verräth frühe Verderbniß). Wat machſte mir denn nich
uff, Mama? Ick hab’ mir ja Hände un Füße ver-
froren.
Frau Wolff. Red’ nich erſcht lange an Blech
zuſammen. Mach Feuer in Ofen, da wird Der ſchonn
warm wer’n. Wo ſteckſt d’n Du iberhaupt a ſo lange?
Adelheid. Ick hab doch de Stiebeln jeholt for
Vatern.
Frau Wolff. Da biſte wieder zwee Stunden
geblieben.
Adelheid. Na, wenn ick um ſieben erſcht bin
jegangen.
Frau Wolff. Um ſieben biſt De gegangen, ſo.
Jetzt is ’s halb elfe. Das weeſte woll gar nich?
Da biſte bloß viertehalbe Stunde geweſen, das
is woll ni viel? Nu her a Mal druff, uff das,
was ich ſage. Bleibſt Du mer noch ee Mal ſolange
fort, und gar bei dem lauſigen Fielitzſchuſter, — dann
paß a Mal uff, was Der da paſſirt.
Adelheid. Ick ſoll wohl bloß immer zu Hauſe
biſtern?
Frau Wolff. Jetzt biſte ſtille un red’tſt keen Ton.
Adelheid. Wenn ick ooch mal bisken zu Fielitzen
jeh .....
Frau Wolff. Ob De woll ſtille biſt, mecht
ich wiſſen. Lehr’ Du mich Fielitz’n kenn’n! Ja? Der
Audiat ſoll ſich ock nich berihmen. Deſſen ſei
Handwerk is ni bloß Schuhflicken. Wenn Eener
erſcht zweemal im Zuchthauſe ſitzt .......
Adelheid. Det is ja nich wah ..... Det is
ja bloß Alles zuſammen jelogen. Er hat et mir ja
jeſagt, Mama!
Frau Wolff. Das wees doch ’s ganze Dorf,
tumme Gans! Das is a richt’ger Kuppler, is das.
Adelheid. Er jeht ja ſojar bein Amtsvorſteher.
Frau Wolff. Na freilich doch. Fer Spionirer.
A Tenuntiat is a oben druff.
Adelheid. Wat is’n det, ’n Tenutiat?
Julius (aus dem Nebenzimmer, in welches er gegangen
war). Nu will ick all noch zwee Wörter abwarten.
(Adelheid wird bleich und geht gleich ſtumm daran, Feuer im Ofen
zu machen).
Leontine (kommt herein).
Frau Wolff (hat den Rehbock aufgebrochen, Herz, Leber etc.
herausgenommen und übergiebt es Leontine). Da ſchnell, waſch
ab! Sei bloß ganz ſtill, ſonſte ſchlägt’s noch ein.
(Leontine, ſichtlich eingeſchüchtert, begiebt ſich an die Arbeit. Beide
Mädchen flüſtern miteinander).
Frau Wolff. Hä, Julian? Was machſte da
drinne? Du haſt’s woll ſchon wieder vergeſſen, hä?
Ih hab’ Der’ſch doch heute morgen geſagt. Das
Brett, was de losgeriſſen is.
Julius. Wat ’n forn Brett?
Frau Wolff. Na, weeſte nich? Hinten am
Ziegenſtall. Der Wind hat’s doch losgemacht geſtern
Nacht — ſieh daßte nauskommſt zunageln, ver-
ſtehſte?
Julius. I, morjen früh is all ooch noch ’n Dach.
Frau Wolff. Nu nee! Da mach der ock
keene Gedanken! Mit ſo was woll’n mer bei uns
nich erſcht anfangen.
(Julius iſt brummend in’s Zimmer ge-
treten.) Dort nimm Der a Hammer! Hier haſte
Nägel! Nu ſieh, daßte fortkommſt.
Julius. Du biſt ja man dußlich.
Frau Wolff (ihm nachrufend). Wenn Wulkow
kommt, was ſoll er’n geben?
Julius. Na, Märker zwölwe doch janz jewiß!
(Ab).
Frau Wolff (wegwerfend). I, Märker zwelwe!
(Pauſe). Nu macht bloß, daß Papa ſei Eſſen kriegt.
(Kleine Pauſe).
Adelheid (auf das Reh blickend). Wat is’n det,
Mama?
Frau Wolff. A Klapperſtorch!
(Beide Mädchen
lachen).
Adelheid. ’n Klapperſtorch? Hat der ooch Hörner?
Det wees ick ſchon, ’n Rehbock is det!
Frau Wolff. Na, wenn De’s weeſt, warum
frägſtu da erſcht.
Leontine. Hat den Papa jeſchoſſ’n, Mama?
Frau Wolff. Nu rennt ock und ſchreit durch’s
ganze Dorf: Papa hat’n Rehbock geſchoſſen, ja!?
Adelheid. Ick wer’ mir ſchön hüten. Denn
kommt der Blanke.
Leontine. Vor Schandarm Schulzen fürcht ick
mir nich, der hat mir ſchon mal an’t Kinn jefaßt.
Frau Wolff. Der kann dreiſte kommn. Mir thun
niſcht Beeſes. Wenn a Reh n Schuß hat und’s is am
Verenden und’s find’ts kee Menſch, da freſſen’s de
Raben. Ob mir’ſch nu freſſen oder de Raben, gefreſſen
werd’s doch.
(Kleine Pauſe). Nu ſag a mal: Holz haſte
ſoll’n reinräumen?
Leontine. Ja, bei die Kälte! Zwee Meter
Knüppel! Un wenn man kaput is, wie ſo’n Hund!
Um halber Zehne des Abends ſpät!
Frau Wolff. Nu liegt woll das Holz noch uff
der Straße?
Leontine. Vorn’ Jachtenthor liegt et. Ick wees
weiter nich.
Frau Wolff. Na, wenn ſe nu aber — und
ſtehlen das Holz? Was ’n dann morgen frih?
Leontine. Ick jeh nich mehr hin.
Frau Wolff. Sein’s grine Knippel oder trockne?
Leontine. Det ſin ſo ſchöne trockne Knüppel —
(Gähnt ein Mal über das andere Mal). I Mama, ick bin
ſo ſchrecklich müde. Ich hab mir ſo ſchrecklich mußt
abmarachen.
(Sie ſetzt ſich mit allen Zeichen der Uebermüdung).
Frau Wolff (nach kurzem Schweigen). Meinswegen
bleib heute Nacht bei uns. Ich hab’ merſch a Biſſel
anderſch belegt. Und morgen früh woll’n mer
weiter ſehn.
Leontine. Ick bin janz abjekommen, Mama.
Det hängt bloß noch Allens ſo an mir.
Frau Wolff. Nu mach und geh ſchlafen, nauf in
de Kammer, daß Papa nich etwan doch noch ’n Krach
macht. Von ſolch’n Sachen verſteht a zu wenig.
Adelheid. Papa ſpricht immer ſo unjebildet.
Frau Wolff. A hat eben keen Bildung gelernt.
Das wer’ mit Euch ooch nich anderſch ſein, wenn ich
Euch nich hätte gebild’t erzogen.
(Auf dem Herd ein
Caſſeroll haltend, zu Leontine). Nu komm, leg’s rein.
(Leontine legt die gewaſchenen Fleiſchſtücken in’s Caſſeroll). So.
Jetzt geh ſchlafen.
Leontine (begiebt ſich ins Hinterzimmer, noch ſichtbar ſpricht
ſie). Mama. Der Motes is fort von Krüger.
Frau Wolff. Da hat a woll keene Miethe
bezahlt?
Leontine. Mit Hängen und Würjen, ſagt Herr
Krüger. Er hat ihm aber doch rausjeſchmiſſen. ’s
wär ſo’n verlogener, windiger Kerl. Und immer ſo
hochmüthig zu Herr Krüger.
Frau Wolff. Wenn ich wie Herr Krieger geweſen
wär, den hätt ich gar nich ſo lange behalten.
Leontine. Weil Herr Krüger doch Tiſchler jeweſen
is, denn is Motes man immer ſo verächtlich. Mit
Herr Doktor Fleiſcher hat er ſich ooch jezankt.
Frau Wolff. Na, wer ſich mit dem zankt …!
Das mecht ich wiſſen. Die Leut thun keener Fliege was!
Leontine. Er darf jar nich mehr bei Fleiſchers
hinkomm.
Frau Wolff. Wenn Du a Mal kennt’ſt bei den
Leuten ankommn.
Leontine. Da ſind de Mächens wie Kind im Hauſe.
Frau Wolff. Und was der Bruder is in Berlin,
der is doch Caſſirer beim Theater.
Wulkow (hat mehrmals von Außen an die Thür gepocht
und ruft nun mit heiſerer Stimme). Wollt Ihr mir woll
mal jefälligſt rin laſſen?
Frau Wolff. Na freilich, warum nich? Immer
rin in de Bude!
Wulkow (kommt herein; ein Spreeſchiffer, nahe an ſechzig
Jahre alt, gebückt gehend, mit graugelbem Bart von Ohr zu Ohr
und unter dem Kinn herum, der das verwitterte Geſicht freiläßt).
Ick wünſche ſchönen juten Abend.
Frau Wolff. Nu kommt a doch wieder an-
gezogen, die Wolffen a Biſſel iber’ſch Ohr haun.
Wulkow. J, det verſuch ick ſchon ja nich mehr!
Frau Wolff. Na, anderſcher wird’s ja doch
wieder nich wer’n.
Wulkow. Umjekehrt wird n Schuh draus!
Frau Wolff. Noch was! Gelt? — — Hier
hängt a. Na? A Kapitalſticke, was?
Wulkow. Det Julius man ooch jehörig uffpaßt.
Se ſin jetzt all böſe hinterher.
Frau Wolff. Was woll’n Se’n geben, das is
de Hauptſache. Was nutzt das lange Gequaſſele da.
Wulkow. Wat ick Ihn ſache. Ick komme von
Grünau. Da hebb’ ick et janz beſtimmt jehört. Se
hebben Fritze Webern jeſchoſſen. Se habb’n em de
Hoſen voll Schrot jeſenget.
Frau Wolff. Was woll’n Se geben, das is
de Hauptſache.
Wulkow (das Reh beſühlend). Ick hebbe man ſchon
vier Böcke zu liejen.
Frau Wolff. Derwegen da geht Eure Zille nich
unter.
Der Biberpelz. 2
Wulkow. Det ſoll ſe ooch nich. Det wär ſo’n
Feſt. Aber wat ’n dann, wenn ick nu liejen bleibe?
Ick muß mit die Dinger doch rin nach Berlin. Et
arbeet heut all ſchlecht jenug uff de Spree und wenn
et de Nacht ſo weiter backt, denn jiebt et morjen ſchon
ja keen Fortkomm. Denn ſitz ick im Eiſe mit mein
Kahn und hebbe die Dinger uff’m Halſe.
Frau Wolff (ſcheinbar ihren Entſchluß ändernd). Na
Mädel, ſpring a Mal runter zu Schulzen. Sag’n
ſchönen Gruß und a ſoll a Mal ruffkommn, de Mutter
hätte was zu verkoofen.
Wulkow. Hebb ick jeſacht, ick will et nich koofen?
Frau Wolff. Mir is das ja ganz eengal, werſch kooft.
Wulkow. Ick will et ja koofen.
Frau Wolff. J, wer de ni will, der läßt’s
halt bleiben.
Wulkow. Ick koofe det Stick! Wat ſoll et denn
bringen?
Frau Wolff (das Reh anfaſſend). Das Reh hier,
das hat ſeine dreißig Fund. Aber gutt un gerne kann
ich Ihn ſagen. Na, Adelheid! Du warſcht doch
dabei! Mir konnten’s doch kaum uff a Nagel heben.
Adelheid (welche ja nicht dabei war). Ick habe mir
richtig wat ausjerenkt.
Wulkow. Mit Märker dreizehn is et bezahlt.
Da verdien ick och noch nicht zehn Fennije bei.
Frau Wolff (thut fürchterlich erſtaunt, im nächſten Augen-
blick nimmt ſie etwas anderes vor. Als hätte ſie Wulkow’s Anweſen-
heit vergeſſen, ſpricht ſie, ihn ſcheinbar erſt wieder gewahrend). Ich
winſch’ Ihn ooch eine glickliche Reiſe!
Wulkow. Na, mehr wie dreizehn kann ick nich
jeben.
Frau Wolff. J, laſſen Se’s man!
Wulkow. Ick kann nich mehr jeben. Wat ick
Ihn ſage. Et is blos, det ick die Kundſchaft behalte.
Jott ſoll mich ſtraffen! So wah, wie ick hierſteh. Bei
det janze Jeſchäft verdien ick nich ſo viel. Un wenn
ick ooch ſachen wollte: vierzehn, denn ſetz ick zu, denn
hebb’ ick Verluſt von eene Mark. Det ſoll mir aber
nu janz ejal ſind. Det Ihr all’n juten Willen ſeht.
For Märker vierzehn …
Frau Wolff. Lußt’s gutt ſein! Lußt’s gutt ſein!
Das Reh werd’n mer los, da warten ’mer noch nich
bis morgen frih.
Wulkow. Na, wenn et man Keener hängen
ſieht. Det is nich mit Jelde abzumachen.
Frau Wolff. Das Reh hier, das hab mir
verendet gefunden.
Wulkow. Ja, in de Schlinge, det will ick jlooben!
Frau Wolff. Kummt bloß nich uff die Art!
Da habt Ihr ke Glicke! Ma ſoll Euch woll Alls
in a Rachen ſchmeißen? Ma ſchind’t ſich, bis ma
keen Oden mehr hat. Stundenlang muß ma baden
im Schnee, geſchweige was ma dabei riskiert, im
ſchtockbrandfinſtern. Das is kee Spaß.
Wulkow. Ick hebbe man ſchon Stücker viere zu
liejen. Sonſt wollt ick ja ſachen funfzehn Mark.
2*
Frau Wolff. Nee, Wulkow, heute is kee Ge-
ſchäfte mit uns. Da geht ock ruhig a Häuſel weiter,
mir hab’n uns geſchind’t hier iber a See … ee Haar,
da ſaß mer noch feſt im Eiſe. Mir konnten nich
vorwärts und nich rickwärts. A ſo was kann ma
zuletzt nich wegſchenken. — —
Wulkow. Na, hebb’ ick nu etwa jroß wat davon?
Det Schiffwerken is n jezwungenes Werk! Un Paſchen,
det is n ſchlechtet Jeſchäft. Wenn Ihr all rinfallt,
denn flieg ick ſchon längſt rin. Bei Jahre vierzig
plag ick mir nu. Wat hebb ick heute? ’t Reißen hebb’
ick. Wenn ick det Morjens früh uffſteh, denn muß
ick ſchriegen wie’n junger Hund. Ick will mir ſchon
viele Jahre ’n Pelz koofen, det hebben mir alle Dokters
jerathen, weil det ick ſo leidenſchaftlich bin. Ick hebb’
mir noch keen könn koofen, Wolffen. Bis heute
noch nich, ſo wah, wie ick hier ſteh!
Adelheid (zur Mutter). Haſte von Leontinen jehört?
Wulkow. Na, will ick man ſagen: ſechszehn Mark!
Frau Wolff. Nee, is nich! Achtzehn!
(Zu Adel-
heid). Wat red’ſt’ n da wieder?
Adelheid. Frau Krüger hat doch ’n Pelz jekauft,
der hat bei fünfhundert Mark jekoſt’t. N Biberpelz.
Wulkow. ’n Biberpelz?
Frau Wolff. Wer hat’n gekooft?
Adelheid. Nu Frau Krüger doch, für Herr
Krüger zu Weihnachten.
Wulkow. Det Mächen is woll bei Krüger in
Dienſt?
Adelheid. Ick nich. Meine Schweſter. Ick jeh
überhaupt nich bei Leute in Dienſt.
Wulkow. Ja, wenn ick nu ſo wat mal hebben
könnte. Um ſowat erwerb’ ick mir ſchon lange. Da
jeb’ ick ooch ſechzig Dahler für. Det Dokter- und
Apothekerjeld, det jeb’ ick doch lieber für Pelzwerk
aus. Da hebb’ ick ooch noch’n Verjnüjen all.
Frau Wolff. Ihr braucht ja bloß a Mal hin-
gehn, Wulkow, zu Krigern riber. Vielleicht ſchenkt
a’n weg.
Wulkow. Nee, jutwillig nich. Aber wie jeſacht:
fer ſowat verintreſſir ick mir ſehr.
Frau Wolff. J ja, ſo’n Pelz möcht’ ich ooch
mal haben.
Wulkow. Wie is et nu? Sechszehn?
Frau Wolff. Unter achtzehn is nich. Nich
unter achtzehn hat Julian geſagt. Mit ſechzehn
Mark darf ich dem nich erſcht kommen. Wenn der ſich
a ſowas in a Kopp ſetzt. —
(Julius kommt herein). Na,
Julius, Du haſt doch geſagt achtzehn Mark?
Julius. Wat hebb’ ick jeſacht?
Frau Wolff. Du hörſcht woll wieder a Mal
nich gutt! Du haſt doch geſagt, nich unter achtzehn.
Um weniger ſoll ich den Bock doch nich hergeben.
Julius. Ick hebbe jeſacht? … Ja ſo, det Stück
Wild. Ja! So! Hm! Det is ooch noch ja nich
zu ville.
Wulkow (Geld herausnehmend und aufzählend). Det’s nu
mal ’n Ende hat. Siebzehn Marcht. Na, ſtimmt et nu?
Frau Wolff. Ihr ſeid ſchon eemal a beſchiſſener
Kerl. Ich hab’s ja geſagt, wie a rein kam zer
Thire: Der braucht bloß iber de Schwelle zu
treten, da hat ma ooch ſchonn a Ding iber’ſch Ohr.
Wulkow (hat einen verſteckt gehaltenen, eingerollten Sack
aufgewickelt). Nu helft et man jleich hier rin bugſiren.
(Frau Wolff iſt behilflich, das Reh in den Sack zu ſtecken). Un
wenn Se all mal wat zu hören kriejen von ſowat —
ick meen all beiſpielsweiſe — ſo’n — beiſpielsweiſe
ſo’n Pelz zum Beiſpiel. So Stücker ſechzig — ſiebzig
Dahler, die bin ick im Stande un lege ſe an.
Frau Wolff. Ihr ſeid woll ni recht …! Wie
ſolln mir zu ſo an’ Pelze kommn?
Eine Männerſtimme (ruft von außen). Frau
Wolffen! Frau Wolffen! Sind Se noch wach?
Frau Wolff (wie die Andern erſchrocken, heftig, gepreßt).
Fix wegſtecken! wegſtecken, rein in de Stube!
(Sie
drängt alle in das Hinterzimmer und ſchließt die Thür).
Eine Männerſtimme. Frau Wolffen! Frau
Wolffen, ſchlafen Se ſchon?
Frau Wolff (löſcht das Licht).
Eine Männerſtimme. Frau Wolffen! Frau
Wolffen, ſind Se noch wach?
(Die Stimme entfernt ſich
ſingend). Morgenro — oth, Morgenro — oth, leuchteſt
mir zum frühen To—od.
Leontine. Det is ja bloß „Morjenroth“ Mama!
Frau Wolff (horcht eine Weile, öffnet dann leiſe die Thür
und horcht wieder. Dann ſchließt ſie beruhigt und zündet das Licht
an. Hierauf läßt ſie die Andern wieder herein). ’s war bloß
dr Amtsdiener Mitteldorf.
Wulkow. Wat Deibel, Ihr hebbt ja ſchöne
Bekenntſchaft!
Frau Wolff. Nu ſeht aber, daß er fortkommt,
Wulkow.
Adelheid. Mama, der Mino hat anjeſchlagen.
Frau Wolff. Macht, macht, Wulkow. Federt!
Und hinten naus durch a Gemiſegarten. Julian wird
uffmachen. Geh, Julian, mach uff.
Wulkow. Un wie jeſagt, wenn ſowat ’mal wär’,
wie ſo’n Biberpelz.
Frau Wolff. Na freilich, macht bloß!
Wulkow. Wenn die Spree all nich zu wird,
denn bin ick in Stücker drei — vier Tagen all widder
retur von Berlin. Da liege ick mit mein’ Kahn
widder unten.
Adelheid. An die jroße Brücke?
Wulkow. Wo ick immer lieje. Na, Julius,
denn wanke man immer vorauf.
(Ab).
Adelheid. Mama, der Mino hat wieder jebellt.
Frau Wolff (am Herd). J, laſſ’n bellen. —
(Ein
langgezogener Ruf aus der Ferne: „Hol über!“)
Adelheid. ’t will Jemand über die Spree, Mama.
Frau Wolff. Na, geh mal, Papa is ja unten
am Waſſer.
(„Hol über!“) Trag Papan de Rudel.
Er ſoll blos erſcht Wulkow’n a Stickel fortlaſſen.
(Adelheid ab mit den Rudern. Frau Wolff iſt eine Weile eifrig
arbeitend allein. Adelheid kommt wieder).
Adelheid. Papa, hat ’n Rudel unten im Kahn.
Frau Wolff. Wer will denn ſo ſpät noch
iberſch Waſſer?
Adelheid. Ick jloobe, Mama, ’t is der dämliche
Motes.
Frau Wolff. Was? Wer is’s, Mädel?
Adelheid. Ick jloobe, de Stimme war Moteſens
Stimme.
Frau Wolff (heftig). Geh runter, lauf! Papa ſoll
ruffkomm; der dämliche Motes kann driben bleiben.
Der braucht mer nich erſcht im Hauſe rumſchniffeln.
(Adelheid ab. Frau Wolff verſteckt und räumt Alles bei Seite, was
an die Rehbock-Epiſode etwa erinnern könnte. Ueber das Caſſeroll
deckt ſie eine Stürze. Adelheid kommt zurück).
Adelheid. Mama, ick bin ſchon zu ſpät je-
komm. Ick hör ſe ſchon reden.
Frau Wolff. Wer is’s denn nu?
Adelheid. Ick ſag et ja: Motes.
(Frau und Herr Motes erſcheinen nach einander in der Thür. Beide
mittelgroß. Sie, geweckte, junge Frau von etwa dreißig Jahren,
beſcheiden aber ordentlich gekleidet. Er hat einen grünen Jagd-
überzieher an, ſein Geſicht iſt geſund und unbedeutend, er trägt über
dem linken Auge eine ſchwarze Binde).
Frau Motes (ruft herein). Naſe blau jefroren,
Mutter Wolffen!
Frau Wolff. Warum gehn Se ſpatziren in der
Nacht. Sie habn doch am Tage Zeit genug.
Motes. Schön warm is’s hier. — Wer hat
Zeit am Tage?
Frau Wolff. Na Sie!
Motes. Ick lebe wohl etwa von meine Renten?
Frau Wolff. Das wees ich ja nich, von was
Sie leben.
Frau Motes. J, ſein Se man bloß nich ſo
glupſch, Mutter Wolffen. Wir wollten mal fragen
nach unſere Rechnung.
Frau Wolff. Da hab’n Se mich ſchon mehr
wie eenmal gefragt.
Frau Motes. Na, da frag’n wir noch Mal,
was is denn dabei? Wir müſſen doch endlich ’mal
bezahlen.
Frau Wolff (erſtaunt). Bezahlen wollen Se?
Frau Motes. Jewiß doch. Natürlich!
Motes. Die Mutter Wolffen thut ganz erſtaunt.
Sie dachten wohl, wir würden Ihn’ durchbrennen?
Frau Wolff. J, ſowas wer’ ich doch woll nich
denken. Wenn Se woll’n a ſo gutt ſein! Da machen
mer’ſch gleiche. ’s ſein alſo elf Mark un dreißig
Fennige.
Frau Motes. Ja, ja, Mutter Wolffen, wir
kriegen Geld. Die Leute werden hier Augen machen!
Motes. Das riecht ja hier ſo nach Haſenbraten.
Frau Wolff. Dachhaſe vielleicht! Das is eher
meeglich!
Motes. Woll’n gleich Mal nachſchaun!
(Er
will den Deckel vom Caſſeroll nehmen).
Frau Wolff (verhindert ihn). Toppgucken is nich!
Frau Motes (die mißtrauiſch beobachtet hat). Mutter
Wolffen, wir haben auch was gefunden.
Frau Wolff. Ich hab niſcht verloren.
Frau Motes. Da, ſehn Se mal zu.
(Sie zeigt
ihr zwei Drahtſchlingen).
Frau Wolff (ohne aus der Faſſung zu gerathen). Das
ſein woll Schlingen?
Frau Motes. Die haben wir ganz in der
Nähe gefunden. Kaum zwanzig Schritte von Ihrem
Garten.
Frau Wolff. Ihr Kinder, was hier bloß ge-
wilddiebt wird!
Frau Motes. Wenn Sie bloß aufpaſſen, Mutter
Wolffen, da könn Se den Wilddieb richtig mal faſſen.
Frau Wolff. J, ſolche Sachen gehn mich
niſcht an!
Motes. Wenn ich bloß ſo ’n Hallunken ’mal
treffe, dem geb ich zuerſt ’n Paar hinter die Ohren, —
dann bring ich ihn unbarmherzig zur Anzeige.
Frau Motes. Frau Wolffen, haben Sie ’n
Paar friſche Eier?
Frau Wolff. Jetzt mitten im Winter? Die
ſind gar rar.
Motes (zu Julius, der eben eintritt). Förſter Seidel
hat wieder ’n Wilddieb jefaßt. Wird morgen nach
Moabit jebracht. Hat Schneid, der Kerl, das muß
man ſagen. Wenn ich bloß nicht das Malheur ge-
habt hätte, da könnt ich heut Oberförſter ſein. Dann
würd ich die Hunde noch anders zwiebeln!
Frau Wolff. Das hat manch einer ſchon bißen
miſſen!
Motes. Ja, wer ſich fürchtet. Ich fürcht
mich nich! Ich hab’ auch ſchon ſo’n Paar denun-
zirt.
(Die Wolffen und ihren Mann abwechſelnd ſcharf fixirend).
Und mit ’n Paar Andern wart ich bloß noch; die
laufen mir auch noch in die Hände. Die Schlingen-
leger ſolln nur nicht denken, daß ich ſe nich kenne.
Ich kenn’ ſie genau!
Frau Motes. Haben Sie vielleicht gebacken,
Frau Wolffen? Uns iſt das Bäckerbrot ſo zuwider.
Frau Wolff. Se wollten doch, denk ich, de
Rechnung ausgleichen.
Frau Motes. Ick ſage Ihn ja, Sonnabend,
Mutter Wolffen. Mein Mann iſt doch Redacteur
geworden von den Blättern für Jachd und Forſt-
wirthſchaft.
Frau Wolff. Na ja, da weeß ich ſchonn, was
das heeſt.
Frau Motes. Na, was ich Ihn ſache, Frau
Wolffen. Wir ſind ja von Krüger ſchon wegjezogen.
Frau Wolff. Ja, weil Se mußten, ſind Se
gezogen.
Frau Motes. Wir mußten? Du, Männe, hör’
doch mal!
(Sie lacht gezwungen). Frau Wolff ſagt, wir
mußten von Krüger fortziehen!
Motes (roth vor Zorn). Weshalb ich dort fort-
gezogen bin, das werden Sie ſchon noch mal er-
fahren. Der Mann iſt’n Wucherer und Halsabſchneider.
Frau Wolff. Das wees ich nich. Dazu kann
ich niſcht ſagen.
Motes. Ich warte nur, bis ich Beweiſe habe.
Der ſoll ſich vor mir nur ja in Acht nehmen. Der
und ſein Buſenfreund Doctor Fleiſcher. Der ganz be-
ſonders. Wenn ich bloß wollte: Ein Wort genügte,
da ſäß der Mann hinter Schloß und Riegel.
(Schon
im Anfang ſeiner Rede hatte er ſich zurückgezogen, bei den letzten
Worten geht er hinaus, ab).
Frau Wolff. Die Männer ha’n ſich woll wieder
gezankt?
Frau Motes (ſcheinbar vertraulich). Mit meinem
Manne is nich zu ſpaßen. Wenn der ſich was vor-
nimmt, der läßt nicht locker. Er ſteht auch ſehr gut
mit’n Herrn Amtsvorſteher. — Wie is’s mit die
Eier und mit dem Brot?
Frau Wolff (widerwillig). Na, finfe hab’ ich grade
noch liegen. Und a Sticke Brot.
(Frau Motes packt die Eier
und das halbe Brot in ihren Handkorb). Sind Se nu zufrieden?
Frau Motes. Jewiß doch. Freilich. Jut ſind
doch die Eier?
Frau Wolff. So jut, wie ſe meine Hihner
jelegt haben.
Frau Motes (haſtig, um ihrem Mann nachzukommen).
Na jute Nacht! Nächſten Sonnabend Jeld!
Frau Wolff. Ja doch, ja doch, ’s is ja ſchonn
gutt!
(Schließt die Thür, ſpricht halblaut). Macht, daß d’er
nauskommt. Bei allen Leiten blos niſcht wie Schulden.
(Am Caſſeroll.) Was geht’s blos die an, was wir
eſſen? Die ſolln doch in ihre Teppe gucken. Geh
ſchlafen, Mädel.
Adelheid. Jute Nacht, Mama.
(Giebt ihr einen Kuß).
Frau Wolff. Na, jiebſte Papa’n keen’ Gute-
nachtkuß?
Adelheid. Jute Nacht, Papa.
(Küßt ihn, er brummt;
Adelheid ab).
Frau Wolff. Das muß ma immer erſcht extra
ſagen.
(Pauſe).
Julius. Was mußte die Leite all Eier jeben?
Frau Wolff. Ich ſoll mer den Kerl woll zum
Feinde machen? Mach Du dr ock den zum Feinde,
Julian. Ich ſag Der, das is a gefährlicher Kerl.
Der hat niſcht zu thun wie a Leuten uffpaſſen. Komm,
ſetz’ Dich! Iß! Hier haſt De ’ne Gabel. Von ſolchen
Sachen verſtehſt De zu wenig. Paß lieber uff Deine
Sachen uff! De Schlingen legſte gleich hinter a
Garten! Das waren doch Deine?
Julius (geärgert). Na, immerzu.
Frau Wolff. Daß der dämliche Motes ſe ooch
gleich find’t. Hier in der Nähe am Hauſe, verſtehſte,
da legſte mer keene Schlingen mehr. Womeglich
heeßt’s dann, mir habn ſe gelegt.
Julius. Hör’ Du blos mit det Gequaßle uff.
(Beide eſſen).
Frau Wolff. Du, ’s Holz is ooch alle, Julian.
Julius. Ich ſoll woll noch jehn bis in Hinter-
winkel?
Frau Wolff. Am Beſten wärſch, mer machten’s
gleich ab.
Julius. Ick ſpüre de Knochen ſchon jar nich
mehr. Mag jehn, wer will, det is mich eejahl!
Frau Wolff. Ihr Männer habt immer a großes
Maul und wenn’s derzu kommt, da kennt er niſcht
leiſten. Ich arbeit’ Euch dreimal in a Sack un wieder
raus, Euch alle mitnander. Wenn De heite — und
De willſt durchaus nich mehr raus, hilft Alles niſcht,
Julian, morgen mußte. Wie is ’s, ſein die Kletter-
eiſen ſcharf?
Julius. Ich hebbe ſe Machnow Karln jeborgt.
Frau Wolff (nach einer Pauſe). Wenn Du blos
nich a ſo feige wärſcht! — Da hättn mer ſchonn ſchnell
a Paar Meter Holz! — Da braucht mer uns gar
nich erſcht ſo ſchinden. — Da braucht mer ooch
gar nich erſcht weit zu gehn.
Julius. Laß mir man eſſen, ’n Happen, ja!
Frau Wolff (giebt ihm ein Kopfſtück). Nu ſei bloß
nich immer ſo miſeldräthig. Ich will a mal gutt ſein,
paß a mal uff!
(Eine Flaſche Schnaps hervorholend und
zeigend). Hier! Siehſte, das hab ich der mitgebracht.
Nu machſte ooch glei a freindlich Geſichte!
(Gießt
ihrem Manne ein Glas voll).
Julius (trinkt; nachher). Det is … bei die Kälte —
is det all — janz jut!
Frau Wolff. Na, ſiehſte woll! Sorg ich nu
etwa fer Dich?
Julius. Janz jut war det. Det war janz jut!
(Er gießt ſich auf’s Neue ein und trinkt).
Frau Wolff (nach einer Pauſe, Holz ſpaltend, dazwiſchen
hier und da einen Biſſen eſſend). Der Wulkow — das is
a rechter Hallunke. A thutt doch immer, als wenn’s
’n ſchlecht ginge.
Julius. Der ſoll man ſtill ſind — all — der
— mit ſein — — Handel. —
Frau Wolff. Du haſt doch gehert, mit dem
Biberpelz.
Julius. Ick hebb — niſcht jehört all.
Frau Wolff (gezwungen leichthin). ’s Mädel er-
zählte doch von dr Frau Kriegern, ſe hat doch ’m
Krieger an Pelz geſchenkt.
Julius. Die Leite — hebben’s ja, det …
Frau Wolff. Na ja, da meente doch Wulkow …
Du haſt’s doch gehert! Wenn a ſo an Pelz a mal
kriegen kennte, da wollt’ a gleich ſechszig Thaler
geben.
Julius. Der ſoll ſich — all ſelber de Finger
verbrenn.
Frau Wolff (nach einer Pauſe, ihrem Manne eingießend).
J, trink man noch eenen!
Julius. Denn immer … immer zu — all —
wat …
Frau Wolff (holt ein Oktavbüchelchen hervor und blättert
darin).
Julius. Wie viel hebben wir denn ſeit Juli
verdrübert?
Frau Wolff. Halt dreißig Thaler ſein abgezahlt.
Julius. Denn bleiben noch — all …?
Frau Wolff. Sein immer noch ſibzig. Ma
kommt halt uff die Art gar nich recht weiter. So
fufzig — ſechzig Thaler uff eemal, wenn ma die
uff eemal ſo hinlegn kennte. Da wär doch dr Grund
und Boden bezahlt. Da könnt ma ſo hundert bis
zwee wieder uffnehmen und vielleicht a paar hibſche
Stub’n uffbaun. An Sommergaſt kenn’ mer doch ſo
nich uffnehmen: und Sommergäſte die bringens
hauptſächlich.
Julius. Na, immer zu — all —
Frau Wolff (reſolut). Du biſt a zu langſamer
Menſch, Julian. Hättſt Du woll das Grundſtick ge-
kooft, hä? Nu? Un wenn merſch jetzt wieder wollten
verkofen, da könnt mer ſchonn’s Doppelte kriegen.
Ich hab ’ne ganz andere Temperatur. Wenn Du
bloß meine Temperatur hätt’ſt. …
Julius. Ich arbeete doch — Wat nützt denn
det Alles!
Frau Wolff. Mit dem Biſſel arbeiten wirſchte
weit komm.
Julius. Ich kann doch nich ſtehlen. Ick ſoll
woll — all rinfallen.
Frau Wolff. De biſt eben tumm und mußt ooch
tumm bleiben. Hier hat kee Menſch von Stehln
geredt. Wer halt nich wagt, der gewinnt ooch nich.
Und wenn De erſcht reich biſt, Julian, und kannſt in
der Eklipage ſitzen, da fragt Dich kee Menſch nich,
wo De’s herhaſt. Ja, wenn ma’s von armen Leiten
nähme! Aber wenn mer nu wirklich — und gingen
zu Kriegern un lad’ten de zwee Meter Holz uff a
Schlitten und ſtellten ſe drum’n bei uns in a Schuppen,
da ſein die Leite noch lange nich ärmer.
Julius. Holz? Wat ſoll det nu widder ſin —
mit det Holz?
Frau Wolff. Du bekimmerſcht Dich eben reene
um gar niſcht. Deine Tochter, die kann ma zu Tode
ſchinden. Holz hat ſe ſolln reinräumen, Abens um
zehne un deswegen is ſe davongeloofen. A ſo was
läßt Du dr ruhig gefalln. Womeglich gibbſte
dem Kinde Kallaſche und jagſt ſe noch zu da Leiten
zuricke.
Julius. Jewiß doch! — Thu ick! — Det ſollt’
mir infalln …
Frau Wolff. Bei ſowas muß immer ne Strafe
ſein. Wer mich haut, ſprech ich, den hau ich wieder —
Julius. Na, hebb’n ſe all det Mächen jehau’t?
Frau Wolff. Na wenn ſe is fortgeloofen, Julian?!
Nee, nee, mit Dir is niſcht anzufang’n. Nu liegt das
Holz uff dr Gaſſe draußen. Na, wenn ich nu ſagte,
mer wolln gehn, ſchind’ſt Du meine Kinder, da
nehm ich Dei Holz — Du wärſcht mer a ſcheenes
Geſichte ſchneiden.
Julius. Det will ick man ja nich … Wat ick
mir vor koofe! Ick kann ooch all mehr, wie Brot
eſſen. J, ick will mir — det ausjebeten hebbn, det
ſowat … det Schlagen nich mehr vorkommt.
Frau Wolff. Nu rede nich erſcht und hol Deine
Strippe. Zeig lieber a Leiten, daß De Krien haſt.
Der Biberpelz. 3
In eener Stunde is alles gemacht. Dann gehn mer
ſchlafen und damit gutt. Und morgen brauchſte nich
in a Wald, da habn mer Holz, mehr wie mer brauchen.
Julius. Na, wenn et rauskommt, mir is et
eenjal.
Frau Woff. Warum nich gar. Weck blos nich
de Mädel.
Mitteldorf (von außen). Frau Wolffen, Frau
Wolffen, ſind Se noch wach?
Frau Wolff. Na freilich, Mitteldorf, komm
Se ock rein!
(Sie öffnet die Thür).
Mitteldorf (tritt ein im abgetragenen Dienſtanzug und
Ueberzieher. Sein Geſicht hat etwas Mephiſtopheliſches. Seine
Naſe zeigt alkoholiſche Röthung. Er iſt in ſeinem Auftreten ſanft,
faſt ſchüchtern. Er ſpricht langſam und ſchleppend und ohne eine
Miene zu verziehen). Ju’n Abend, Frau Wolffn.
Frau Wolff. Gu’n Nacht, woll’n Se woll
ſagen.
Mitteldorf. Ick bin ſchon vorhin mal hier
jeweſen. Erſt war es mir ſo: ick ſähe Licht, denn
war et mit eenmal jänzlich dunkel. ’t hat mir ooch
Keener weiter jeantwort’t. Nu hab ick et aber janz
deitlich jeſehn, dat diesmal Licht wa, un da komm
ick noch ma.
Frau Wolff. Was bringen Se mir denn nu,
Mitteldorf?
Mitteldorf (hat ſich geſetzt, ſinnt eine Weile und ſpricht
dann). Deswegen bin ick ja herjekomm. Ick habe
was von de Frau Amtsvorſteher.
Frau Wolff. Ich ſoll woll waſchen kommen, hä?
Mitteldorf (zieht die Augenbrauen nachdenklich herauf,
ſpricht dann). Jawoll!
Frau Wolff. Wenn d’n da?
Mitteldorf. — Morjen. — Morjen früh. —
Frau Wolff. Das ſagen Se mer in der Nacht
um zwölwe?
Mitteldorf. Et is morjen Waſchdach bei de
Frau Vorſteher.
Frau Wolff. Das muß ma doch a Paar
Tage vorher wiſſen.
Mitteldorf. Jewiß doch. Machen Se man
keen Lärm. Ick hab et mal wieder verjeſſen jehabt.
Mir jeht ſo ville in Kopp herum, det ick eemal
ſowat zu leicht verſchwitze.
Frau Wolff. Na, Mitteldorf, da wer’ ich’s
ſchon einrichten. Mir ſtehn ja uff gutem Fuße mit-
nander. Sie hab’n a ſo ſchonn genung uff’m Puckel
mit Ihren elf Kindern zu Hauſe, gelt? Was brauchen
Sie ſich noch ſchlecht machen laſſen.
Mitteldorf. Wenn Se morjen nich komm’,
Mutter Wolffen, denn jeht et mir madich ſchlecht
morjen früh.
Frau Wolff. Ich wer’ ſchon komm’m, laſſen
Se’s gutt ſein. Da, trinken’s amal! Ma kann’s
gebrauchen.
(Sie giebt ihm Grog). Ich hatte noch grade
a Biſſel heeß Waſſer. Mir gehn nämlich heite noch
uff de Reiſe. Nach fetten Gänſen niber uff Treptow.
Am Tage hat ma doch keene Zeit. ’s is doch nu
3*
eemal nich anderſch bei uns. A Armes ſchind’t ſich
halt Tag und Nacht. A Reiches liegt derfire im
Bette.
Mitteldorf. Ich bin jekündigt, wiſſen Se ſchon?
Der Amtsvorſteher hat mir jekündigt. Ick bin nich
ſcharf jenug uff de Leute.
Frau Wolff. Da ſoll Eens woll ſein wie a
Kettenhund?
Mitteldorf. Ick jinge am Liebſten ja nich zu
Hauſe; denn wenn ick komme, denn jiebt et Zank.
Denn wees ick mir nich ze retten vor Vorwürfe.
Frau Wolff. J, halten Se ſich de Ohren zu!
Mitteldorf. Nu jeht man mal n Bisken in’t
Wirtshaus, det de Sorjen een nich janz unterkriejen:
Det ſoll man nu ooch nich. Janiſcht ſoll man! Nu
hab’ ick heute wieder jeſeſſen, ’t hat all Eener uff-
jelegt n Fäßchen —
Frau Wolff. Sie wer’n ſich doch vor an
Weibe nich ferchten. Wenn ſe halt ſchimpft, denn
ſchimpfen Se wieder und wenn ſe haut, denn haun
Se wieder. Nu komm’ Se mal her, Sie ſind länger,
wie mir. Nu lang’ Se amal das Kupſel da runter,
Du, Julian, mach Der a Schlitten zurecht.
(Julian ab).
Wie ofte ſoll ich Dr das d’n ſagn.
(Mitteldorf holt
von einem hohen Wandbrett Strippen und Zugſtricke herunter). A
großen Schlitten machſte zerechte. De Strippen geben
Se ooch gleich runter.
Julius (von außen). Ick kann nich ſehn.
Frau Wolff. Was kannſte nich?
Julius (erſcheint in der Thür). Ich kann den Schlitten
alleene nich rauskriejen. Et liejt ja drunter und
drüber allens. Un ohne Licht jeht et nu ſchon ja nich.
Frau Wolff. Du weeſt Dr nu eemal ſchonn
keen Rath.
(Sie ſchlingt ſich haſtig Bruſt- und Kopftuch um).
Na wart ock, ick wer’ Der helfen komm. Dort
die Laterne, Mitteldorf.
(Mitteldorf nimmt mühſam eine
Laterne herunter und giebt ſie Frau Wolff). So, dank ſcheen!
(Sie ſteckt das Licht in die Laterne). Das ſteck mer hier
rein und nu kenn’ mer gehn. Jetzt wer’ ich Der helfen,
a Schlitten rausziehn.
(Sie geht mit der Laterne voran.
Mitteldorf folgt. In der Thür wendet ſie ſich und übergiebt Mittel-
dorf die Laterne). Sie kenn uns a Biſſel leichten drzu!
Mitteldorf (leuchtend und vor ſich hinſingend ab).
Morgenro—oth, Morgenro—oth ....
Zweiter Akt.
(Amtszimmer beim Amtsvorſteher von Wehrhahn: großer, weißge-
tünchter, kahler Raum mit drei Fenſtern in der Hinterwand. In der
linken Wand die Eingangsthür. An der Wand rechts der lange
Amtstiſch mit Büchern, Akten etc. belegt; hinter ihm der Stuhl für
den Amtsvorſteher. Am Mittelfenſter Tiſch und Stuhl für den
Schreiber. Ein Schrank aus weichem Holz vorn rechts, dem Amts-
vorſteher, wenn er au dem Stuhle ſitzt, zur Hand, enthält die
Bücher. Aktenregale verkleiden die Linkswand. Sechs Stühle ſtehen
ganz vorn, von der Linkswand an in einer Reihe. Man ſieht die
eventuell Daraufſitzenden von rückwärts. — Es iſt ein heller Winter-
vormittag. Der Schreiber Glaſenapp ſitzt kritzelnd auf ſeinem Platz.
Er iſt eine dürftige, bebrillte Perſönlichkeit. Amtsvorſteher von
Wehrhahn, ein Aktenfascikel unterm Arm, tritt ſchnell ein. Wehr-
hahn iſt gegen vierzig Jahre alt und trägt ein Monocle. Er macht
den Eindruck eines Landjunkers. Seine Amtstracht beſteht aus einem
ſchwarzen, zugeknöpften Gehrock und hohen, über die Beinkleider ge-
zogenen Schaftſtiefeln. Er ſpricht nahezu im Fiſtelton und befleißigt
ſich militäriſcher Kürze im Ausdruck).
Wehrhahn (nebenhin, wie ein Ueberbürdeter). Mojen!
Glaſenapp (ſteht auf). Jehorſamer Diener, Herr
Amtsvorſteher.
Wehrhahn. Was vorjefall’n, Glaſenapp?
Glaſenapp (ſtehend in Papieren blätternd). Habe zu
melden, Herr Amtsvorſteher — Da war zuerſt … ja!
Der Jaſtwirth Fiebig. Er bittet um die Erlaubniß,
Herr Vorſteher, am nächſten Sonntag Tanzmuſik ab-
halten zu dürfen.
Wehrhahn. Iſt das nicht … ſagen Sie doch
’mal, „Fiebig“? hat Einer doch neulich den Saal
herjejeben …?
Glaſenapp. Für die Freiſinnigen. Zu Befehl,
Herr Baron!
Wehrhahn. Derſelbe Fiebig?
Glaſenapp. Jawohl, Herr Baron!
Wehrhahn. Dem wolln wir ’mal Bischen
Kandare anlegen!
(Amtsdiener Mitteldorf tritt ein).
Mitteldorf. Jehorſamer Diener, Herr Baron!
Wehrhahn. Hören Sie ’mal: Ein für alle
Mal — im Dienſte bin ich der Amtsvorſteher.
Mitteldorf. Jawohl. Zu Befehl, Herr Bar —
Herr Amtsvorſteher wollt’ ich ſagen.
Wehrhahn. Nun merken Sie ſich das endlich
mal, daß ich Baron bin, iſt Nebenſache. Kommt hier
wenigſtens gar nicht in Betracht.
(Zu Glaſenapp). Nun
bitte, ich möchte weiter hören. War denn der Schrift-
ſteller Motes nicht da?
Glaſenapp. Jawohl, Herr Amtsvorſteher.
Wehrhahn. So. War alſo da? Da bin ich
doch außerordentlich neugierig. Er wollte doch hoffent-
lich wieder kommen?
Glaſenapp. So gegen halb zwölwe will er
wieder hier ſein.
Wehrhahn. Hat er Ihnen vielleicht was ge-
ſagt, Glaſenapp?
Glaſenapp. Er kam in Sachen des Doktor
Fleiſcher.
Wehrhahn. Nun ſagen Sie doch mal, Glaſe-
napp, iſt Ihnen der Doktor Fleiſcher bekannt?
Glaſenapp. Ich weiß nur: er wohnt in der
Villa Krüger.
Wehrhahn. Wie lange iſt der Mann ſchon
am Ort?
Glaſenapp. Zu Michaeli bin ich gekommen.
Wehrhahn. Na ja, Sie kamen mit mir zu-
gleich, ich bin jetzt circa vier Monate hier.
Glaſenapp (mit einem Blick auf Mitteldorf). Ich
denke, der Mann muß zwei Jahre hier ſein.
Wehrhahn (zu Mitteldorf). Sie können ja wohl
keine Auskunft geben?
Mitteldorf. Zu dienen — Michaeli vorm Jahr.
Wehrhahn. Wie? Iſt der Mann da hierher
gezogen?
Mitteldorf. Zu dienen, — von Berlin, Herr …
Herr Amtsvorſteher.
Wehrhahn. Iſt Ihnen der Menſch vielleicht
näher bekannt?
Mitteldorf. Ich weiß bloß, een Bruder is
Theater-Kaſſir.
Wehrhahn. Ich habe ja nicht nach dem Bruder
gefragt. Was treibt der Mann? — Was thut er?
Was iſt er?
Mitteldorf. Da kann ich nu ooch niſcht Ge-
naues ſachen. Blos det er krank is, det ſachen de
Leute. Er leidet ja wohl an de Zuckerkrankheit.
Wehrhahn. An was der Mann leidet, is mir
egal. Der kann Syrup ſchwitzen, wenn’s ihm Spaß
macht. — Was iſt er?
Glaſenapp (zuckt die Achſeln). Er nennt ſich
Provatjelehrter.
Wehrhahn. Pri! Pri! nicht Pro — Privat-
gelehrter.
Glaſenapp. Der Buchbinder Hugk hat Bücher
von ihm. Er läßt alle Woche welche einbinden.
Wehrhahn. Ich möchte mal ſehn, was der
Mann ſo lieſt.
Glaſenapp. Der Briefträger meint, er hält
zwanzig Zeitungen. Auch demokratiſche ſind mit
drunter.
Wehrhahn. Sie können mir Hugk mal hierher
beſtellen.
Glaſenapp. Jleich?
Wehrhahn. Bei Jelegenheit. Morjen, über-
morjen. Er mag mal ſo’n paar Bücher mitbringen.
(Zu Mitteldorf). Sie ſcheinen den janzen Tach zu ſchlafen
— oder hat der Mann vielleicht gute Cigarren?
Mitteldorf. Herr Vorſteher …!
Wehrhahn. Na, das laſſen Sie man. Ich
ſehe mir meine Leute ſchon an. Das hat mein Herr
Vorgänger ſo einreißen laſſen. Allmälich wird das
ſchon anders werden. — Für eine Polizeiperſon iſt es
ſchmählich, ſich von irgend wem regaliren zu laſſen.
Ihnen ſelbſtverſtändlich böhmiſche Berge.
(Zu Glaſenapp).
Hat Motes nicht etwas Beſtimmtes jeſagt?
Glaſenapp. Beſtimmtes hat er mir nicht ge-
ſagt. Er meinte, der Herr Vorſteher wüßte ſchon…
Wehrhahn. Das heißt: ich weiß nur ganz
Allgemeines. Ich hatte den Mann ja ſchon längſt
im Auge. Ich meine natürlich den Doktor Fleiſcher.
Herr Motes hat es mir nur beſtätigt, daß ich den
Patron ganz richtig erkannt habe. — Was hat denn
Motes ſo für einen Leumund?
(Glaſenapp und Mittel-
dorf ſehen einander an. Glaſenapp zuckt die Achſeln). Pumpt
ſich wohl rum, was?
Glaſenapp. Er ſagt ja er hat ſeine Penſion.
Wehrhahn. Penſion?
Glaſenapp. Er hat doch’n Schuß ins Auge
bekommen.
Wehrhahn. Wär alſo ſo ne Art Schmerzensjeld.
Glaſenapp. Se werden verzeihen Herr Amts-
vorſteher. Ick jlobe der Mann hat mehr die
Schmerzen. Von Geld hat noch Keener bei dem was
bemerkt.
Wehrhahn (beluſtigt). Iſt ſonſt eine Sache von
Bedeutung?
Glaſenapp. Nur Kleinigkeiten, Herr Amts-
vorſteher. ’Ne Dienſtabmeldung —
Wehrhahn. Schon gut, ſchon gut. Haben
Sie vielleicht mal was läuten hören, daß Fleiſcher
die Zunge nicht recht im Zaum hält?
Glaſenapp. Nicht daß ich grade im Augen-
blick wüßte.
Wehrhahn. Man hat mir das nämlich hinter-
bracht. Er führe ungeſetzliche Reden auf alle mög-
lichen hohen Perſonen. Es wird ſich ja übrigens
alles zeigen. Nun wollen wir doch an die Arbeit
jehn. Ja, Mitteldorf, haben Sie etwa noch was?
Mitteldorf. Es ſoll heut Nacht ’n Diebſtahl
verübt ſein.
Wehrhahn. ’N Diebſtahl? Wo?
Mitteldorf. In der Villa Krüger.
Wehrhahn. Was iſt denn geſtohlen?
Mitteldorf. Knüppelholz.
Wehrhahn. In der letztvergangenen Nacht,
oder wann?
Mitteldorf. Vergangene Nacht.
Wehrhahn. Von wem haben Sie’s denn?
Mitteldorf. Ich hab’ es …
Wehrhahn. Na, alſo, von wem denn?
Mitteldorf. Ich hab’ es … ich habe es von
Herr Fleiſcher jehört.
Wehrhahn. So! Mit dem Mann unterhalten
Sie ſich …?
Mitteldorf. Herr Krüjer hat es auch ſelber erzählt.
Wehrhahn. Der Mann iſt der reine Querulant.
Der Mann ſchreibt mir wöchentlich drei Briefe. Bald
hat man ihn über’s Ohr gehauen, bald hat man ihm
ſeinen Zaun zerbrochen, bald hat man ihm ſeine
Grenze verrückt. Nur Scheerereien auf Scheerereien.
Motes (tritt ein. Er lacht im Reden faſt fortwährend
nervös). Jehorſamer Diener, Herr Amtsvorſteher.
Wehrhahn. Da ſind Sie ja. Freut mich,
daß Sie kommen. Da können Sie mir vielleicht
gleich mal ſagen: bei Krüger ſoll ja jeſtohlen ſein?
Motes. Ich wohne nicht mehr in der Villa
Krüger.
Wehrhahn. Und haben auch ſonſt nichts je-
hört, Herr Motes?
Motes. Jehört hab’ ich wohl, aber nichts
Jenaues. Als ich jetzt bei der Villa vorüber kam,
da ſuchten ſie beide die Spuren im Schnee.
Wehrhahn. So? Doktor Fleiſcher iſt ihm be-
hülflich — da ſind ſie wohl ziemlich dick befreundet?
Motes. Ein Herz und eine Seele, Herr Vor-
ſteher.
Wehrhahn. Ja, was nun den Fleiſcher an-
belangt — das intereſſirt mich vor allen Dingen.
Bitte ſetzen Sie ſich. — Ich kann Ihnen ſagen, ich
habe die halbe Nacht nicht jeſchlafen. Die Sache
hat mich nicht ſchlafen laſſen. Sie haben mir da
einen Brief geſchrieben, der mich außerordentlich auf-
geregt hat. — Das iſt nun freilich Sache der Anlage.
Meinen Vorgänger würde das nicht geſtört haben.
— Ich meinestheils habe mich feſt entſchloſſen, was
man ſo ſagt, durch und durch zu drücken. — Meine
Aufgabe hier iſt: muſtern und ſäubern. — Was hat
ſich im Schutze meines Herrn Vorgängers nicht alles
für Kehricht hier angeſammelt! Dunkle Exiſtenzen,
politiſch verfehmte, reichs- und königsfeindliche Ele-
mente. Die Leute ſollen zu ſtöhnen bekommen. —
Nun alſo, Herr Motes, Sie ſind Schriftſteller?
Motes. Für Forſt und jagdliche Sachen, jawohl.
Wehrhahn. Da ſchreiben Sie ſo in Forſt und
Jagdzeitungen? A propros: und können Sie denn
davon leben?
Motes. Wenn man eingeführt is, wie ich Herr
Baron. Ich hab Jott ſei Dank mein ſchönes Aus-
kommen.
Wehrhahn. Sie ſind ein gelernter Forſtmann, wie?
Motes. Ich war auf Akademie, Herr Vorſteher.
In Eberswalde hab’ ich ſtudirt. Kurz vor dem
Examen betraf mich das Unglück …
Wehrhahn. Ach ja, Sie tragen ja eine Binde.
Motes. Ich verlor ein Auge auf Jachd, Herr
Baron. Ich bekam ein Schrotkorn in’s rechte Auge,
von wem war leider nicht zu ermitteln. Da mußte
ich denn die Carrière aufgeben.
Wehrhahn. Alſo Penſion bekommen Sie nicht?
Motes. Nein. Ich habe mich nun auch ſo
ziemlich durchgefreſſen. Mein Name iſt doch nun ſchon
ziemlich genannt.
Wehrhahn. Hm. — Iſt Ihnen vielleicht mein
Schwager bekannt?
Motes. Herr Oberförſter von Wachsmann,
jawohl. Ich correſpondire viel mit ihm und außerdem
ſind wir Vereinsgenoſſen: Verein zur Züchtung von
Vorſtehhunden.
Wehrhahn (einigermaßen aufathmend). So! ſind
Sie alſo mit ihm bekannt?! Das iſt mir ja angenehm
zu hören. Das erleichtert die Sache ja weſentlich
und begründet das gegenſeitige Vertrauen. Da
hindert uns ja nun nichts mehr, Herr Motes. —
Sie ſchrieben mir alſo in Ihrem Briefe, Sie hätten
Gelegenheit gehabt, den Doktor Fleiſcher zu be-
obachten. Erzählen Sie doch mal, was Sie wiſſen.
Motes (räuſpert ſich). Als ich … als ich vor
einem Jahre circa die Villa Krüger bezog, Herr
Baron, da hatte ich keine Ahnung davon, mit wem
ich zuſammengerathen würde.
Wehrhahn. Sie kannten weder Krüger noch
Fleiſcher?
Motes. Nein, wie das ſo iſt — in einem
Hauſe. Ich konnte mich nicht ſo recht zurückziehen.
Wehrhahn. Was kamen denn da ſo für Leute
in’s Haus?
Motes (mit bezeichnender Handbewegung). Ach!
Wehrhahn. Ich verſtehe.
Motes. Kreti und Petri. Demokraten.
Wehrhahn. Gab es regelmäßig Zuſammen-
künfte?
Motes. All donnerstäglich ſo viel ich weiß.
Wehrhahn. Da wollen wir doch mal ein
Augenmerk drauf haben. — Verkehren Sie jetzt nicht
mehr mit den Leuten?
Motes. Es war mir zuletzt nicht mehr möglich,
Herr Vorſteher.
Wehrhahn. Es war Ihnen widerwärtig, was?
Motes. Es war mir gänzlich zuwider geworden.
Wehrhahn. Das ganze ungeſetzliche Weſen,
das freche Geſpött über hohe Perſonen, das konnten
Sie alles zuletzt nicht mehr anhören?
Motes. Ich blieb, weil ich dachte, wer weiß
wozu’s gut iſt.
Wehrhahn. Aber endlich haben Sie doch je-
kündigt?
Motes. Ich bin jezogen, jawohl, Herr Baron.
Wehrhahn. Und endlich haben Sie ſich ent-
ſchloſſen …
Motes. Ich habe es für meine Pflicht gehalten.
Wehrhahn. Die Behörde davon zu unterrichten.
— Das finde ich ſehr ehrenwerth von Ihnen. — Er hat
alſo ſo ein Wort geſagt — — wir werden ja ſpäter
protokolliren — auf eine Perſönlichkeit bezüglich, die
uns allen ehrfurchtgebietend hochſteht.
Motes. Jewiß, Herr Baron, das hat er jeſagt.
Wehrhahn. Das würden Sie eventuell beeiden?
Motes. Das würde ich eventuell beeiden.
Wehrhahn. Sie würden es auch beeiden müſſen.
Motes. Jawohl, Herr Baron.
Wehrhahn. Das Beſte wäre ja allerdings, wir
könnten noch einen Zeugen bekommen.
Motes. Ich müßte mich umſehen, Herr Baron.
Nur wirft der Mann ſo mit Geld herum, daß …
Wehrhan. Ach, warten Sie mal, da kommt
ſchon der Krüger. Ich will doch den Mann lieber
vorher abfertigen. Ich bin Ihnen jedenfalls ſehr
dankbar, daß Sie mich ſo thatkräftig unterſtützen.
Man iſt darauf geradezu angewieſen, wenn man
heutzutage was ausrichten will.
Krüger (tritt haſtig und erregt ein). Ach Chott! Ach
Chott. Chuten Tag, Herr Vorſteher.
Wehrhahn (zu Motes). Entſchuldigen Sie einen
Augenblick!
(Hochmüthig inquirirend zu Krüger). Was
wünſchen Sie denn?
(Krüger iſt ein kleiner, etwas ſchwerhöriger, faſt ſiebzigjähriger Mann.
Er geht ſchon etwas gebückt, mit der linken Schulter ein wenig
geneigt, iſt aber im Uebrigen noch ſehr rüſtig und unterſtützt ſeine
Worte mit heftigen Handbewegungen. Er trägt eine Pelzmütze, die
er im Amtslokale in der Hand behält, einen braunen Winterüber-
zieher, um den Hals einen dicken Wollſchawl).
Krüger (mit Aerger geladen, platzt heraus). Peſtohlen
bin ich, Herr Amtsvorſteher.
(Er wiſcht ſich, verſchnaufend,
mit dem Taſchentuch den Schweiß von der Stirn und ſieht dem
Vorſteher nach Art der Schwerhörigen ſtarr auf den Mund).
Wehrhahn. Beſtohlen? Hm!
Krüger (ſchon gereizt). Jawohl, beſtohlen. Ich bin
beſtohlen. Man hat mir zwei Meter Holz entwendet.
Wehrhahn (mit halbem Lächeln bei den Anweſenden um-
blickend, leichthin). Es iſt doch ſonſt in der letzten Zeit
hier nicht das Jeringſte vorjekommen.
Krüger (die Hand am Ohr). Was? Nicht das
Keringſte. Du lieber Chott! Dann ſteh ich vielleicht
zum Spaße hier?
Wehrhahn. Sie brauchen deswegen nicht aus-
fällig zu werden. Wie heißen Sie übrigens?
Krüger (ſtutzt). Wie ich heiße?
Wehrhahn. Ja, wie Sie heißen?
Krüger. Iſt Ihnen mein Name noch nicht be-
kannt? Ich denke, wir hatten ſchon das Vergnügen.
Wehrhahn. Bedaure. Ich wüßte mich kaum
zu erinnern. Das wäre ſchließlich hier auch ganz
gleichgültig.
Krüger (reſignirt). Ich heiße Krüger.
Wehrhahm. Rentier vielleicht?
Krüger (heftig, ironiſch, überſtürzt). Jawohl. Rentier
und Hausbeſitzer.
Wehrhahn. Ich bitte, legitimiren Sie ſich.
Krüger. Leg … legitimiren? Krüger heiß ich.
Da wollen wir doch nicht erſt Umſtände machen. Ich
wohne ſeit dreißig Jahren hier. Mich kennt ja ein
jedes Kind auf der Straße.
Wehrhahn. Wie lange Sie hier ſind, geht mich
nichts an. Ihre Identität will ich hier nur feſtſtellen.
Iſt Ihnen der — Herr bekannt, Herr Motes?
(Motes erhebt ſich halb mit einem böſen Geſicht).
Wehrhahn. Ach ſo, ich verſtehe. Bitte, ſetzen
Sie ſich. Nun alſo, Glaſenapp?
Glaſenapp. Ja! Zu dienen. Es iſt der Herr
Rentier Krüger von hier. — —
Wehrhahn. Gut. — Holz iſt Ihnen alſo ge-
ſtohlen?
Krüger. Ja. Holz. Zwei Meter kieferne Knüppel.
Der Biberpelz. 4
Wehrhahn. Haben Sie das Holz im Schuppen
gehabt?
Krüger (wieder heftig werdend). Das iſt wieder eine
Sache für ſich. Das iſt eine kanz beſondere Klage.
Wehrhahn (ironiſch und flüchtig zu den Andern hinüber-
lachend, leichthin). Schon wieder eine?
Krüger. Was meinen Sie?
Wehrhahn. Nichts. Reden Sie nur gefälligſt
weiter. Das Holz war alſo wohl nicht im Schuppen?
Krüger. Das Holz war im Karten. Das heißt
vor dem Karten.
Wehrhahn. Mit andern Worten: es lag auf
der Straße?
Krüger. Es lag vor dem Karten auf meinem
Grundſtück.
Wehrhahn. Daß Jeder ohne Weiteres dazu
konnte?
Krüger. Und das iſt eben die Schuld des
Tienſtmädchens. Sie ſollte das Holz am Abend herein-
räumen.
Wehrhahn. Da hat ſie’s verſchwitzt?
Krüger. Sie hat ſich keweigert. Und als ich
weiter darauf beſtand, da iſt ſie mir ſchließlich davon-
gelaufen. Nun werd ich dafür die Eltern verklagen.
Ich peanſpruche vollen Schadenerſatz.
Wehrhahn. Das halten Sie immerhin wie Sie
wollen. Aber helfen wird es wohl nicht viel. — Iſt
Ihnen nun irgend Jemand verdächtig?
Krüger. Nein. Hier iſt ja Alles verſtohlenes Pack.
Wehrhahn. Vermeiden Sie, bitte, das Verall-
gemeinern — Sie müſſen mir doch etwas an die
Hand geben.
Krüger. Ich werde doch nicht einen Menſchen
beſchuldigen auf jutes Glück.
Wehrhahn. Wer wohnt außer Ihnen in Ihrem
Hauſe?
Krüger. Herr Doktor Fleiſcher.
Wehrhahn (gleichſam nachſinnend). Doktor Fleiſcher?
Doktor Fleiſcher? Der Mann iſt? Was?
Krüger. Iſt krundgelehrt. Ein krundgelehrter
Mann, jawohl.
Wehrhahn. Sie beide ſind ſehr intim mit-
einander?
Krüger. Mit wem ich intim bin, iſt meine Sache.
Das kehört auch kar nicht hierher, wie mich dünkt.
Wehrhahn. Wie ſoll man ſchließlich da etwas
ermitteln? Sie müſſen mir doch einen Fingerzeig
geben.
Krüger. Ich muß? Du lieber Chott ja! Ich
muß? Mir werden zwei Meter Holz keſtohlen. Ich
komme den Tiebſtahl einfach anzeigen....
Wehrhahn. Sie müſſen doch eine Vermuthung
haben. Das Holz muß doch Jemand geſtohlen haben.
Krüger. Wa —? Ja — ich nicht! Ich chanz
kewiß nicht.
Wehrhahn. Aber, lieber Mann …
Krüger. Wa —? Ich heiße Herr Krüger.
4*
Wehrhahn (einlenkend, ſcheinbar gelangweilt). Ä! —
Na, Glaſenapp, protokolliren Sie alſo. — Was iſt
denn nun mit dem Mädchen, Herr Krüger? Das
Mädchen iſt Ihnen fortgelaufen?
Krüger. Ja, chanz kewiß — zu den Eltern
zurück!
Wehrhahn. Sind die Eltern am Ort?
Krüger. Was für ein Wort?
Wehrhahn. Ob die Eltern des Mädchens hier
am Ort ſind?
Glaſenapp. Es iſt die Tochter der Waſchfrau
Wolffen.
Wehrhahn. Der Wolffen, die heute bei uns
wäſcht, Glaſenapp?
Glaſenapp, Zu befehlen, Herr Vorſteher.
Wehrhahn (kopfſchüttelnd). Aeußerſt merkwürdig!
— Dieſe fleißige, ehrenhafte Perſon. —
(Zu Krüger).
Verhält es ſich ſo? Die Tochter der Wolffen?
Krüger. Es iſt die Tochter der Waſchfrau Wolff.
Wehrhahn. Und iſt das Mädchen zurück-
gekommen?
Krüger. Bis heute noch nicht zurückgekommen.
Wehrhahn. Dann wollen wir doch mal die
Wolffen rufen. He, Mitteldorf! Sie ſind wohl ſehr
müde? Na, gehen Sie mal rüber über den Hof.
Die Wolffen ſoll gleich mal zu mir kommen. Ich
bitte, ſetzen Sie ſich, Herr Krüger.
Krüger (Platz nehmend, ſeufzt). Ach Chott, ach Chott,
das iſt ſo ein Leben!
Wehrhahn (halblaut zu Motes und Glaſenapp). Ich
bin doch neugierig, was da herauskommt. Da muß
irgend etwas nicht ganz ſtimmen. Ich halte nämlich
ſehr viel von der Wolffen. Das Weibsbild arbeitet
wie vier Männer. Meine Frau ſagt, wenn die Wolffen
nicht kommt, ſo braucht ſie ſtatt ihrer zwei Frauen
zum Waſchen. — Sie hat auch gar nicht üble Anſichten.
Motes. Ihre Töchter ſollen zur Oper gehn …
Wehrhahn. Na ja, da mag wohl ’ne Schraube
los ſein. Iſt aber doch kein Charakterfehler. Was
haben Sie denn da hängen, Herr Motes?
Motes. Drahtſchlingen. Ich bring ſie dem
Förſter Seidel.
Wehrhahn. Ach, zeigen Sie doch mal her
ſo’n Ding.
(Er hält eine und betrachtet ſie nahe.) Da muß
ſo’n Stück Wild nun ſo langſam erwürgen.
(Die
Wolffen tritt ein, von Mitteldorf gefolgt. Sie trocknet ſich noch die
vom Waſchen naſſen Hände).
Frau Wolff (unbefangen, heiter, mit einem flüchtigen
Blick auf die Drahtſchlingen). Hier bin ich! Was hat’s
nu? Was gibbt’s mit der Wolffen?
Wehrhahn. Frau Wolff, iſt Ihnen der Herr
bekannt?
Frau Wolff. Na, welcher Herr d’n?
(Mit
dem Finger auf Krüger weiſend). Der hier? Das is Herr
Krieger. Den wer’ ich woll etwa kenn’, nich wahr?
Guten Morgen, Herr Krieger.
Wehrhahn. Ihre Tochter iſt bei Herrn Krüger
im Dienſt?
Frau Wolff. Wer? Meine Tochter? Jawoll!
Leontine.
(Zu Krüger). Das heeſt: ſe is Ihn ja
fortgeloofen.
Krüger (wüthend). Ja, allerdings!
Wehrhahn (unterbrechend). Ach, warten Sie mal.
Frau Wolff. Was habt er’n da eenklich mit-
nander gehabt?
Wehrhahn. Frau Wolffen, hören Sie mal
auf mich. Ihre Tochter muß gleich in den Dienſt
zurückjehen.
Frau Wolff. J nee, mer behalten ſe jetzt zu
Hauſe.
Wehrhahn. Das geht nich ſo einfach, wie Sie
denken. Herr Krüger hat nöthigenfalls das Recht,
polizeiliche Hilfe anzurufen. Dann müßten wir Ihre
Tochter zurückbringen.
Frau Wolff. Mei Mann hat ſich’s halt in a
Kopp geſetzt. Er will ſe halt eemal durchaus nich
mehr fortlaſſen. Un wenn ſich mei Mann a mal
was in a Kopp ſetzt… Ihr Männer ſeid halt zu
ſchrecklich jähzornig.
Wehrhahn. Nu laſſen Sie das mal gut ſein,
Frau Wolffen. Ihre Tochter iſt ſeit wie lange zu
Hauſe?
Frau Wolff. Seit geſtern Abend.
Wehrhahn. Schön. Seit geſtern. Sie hat
ſollen Holz in den Schuppen räumen und hat ſich
geweigert.
Frau Wolff. Wärſch doch! Geweigert! Das
Mädel weigert ihn keene Arbeit. Das hätt’ ich dem
Mädel ooch woll’n anſtreichen!
Wehrhahn. Sie haben jehört, was Frau
Wolff jeſagt hat.
Frau Wolff. Das Mädel is immer willig ge-
weſen. Wenn die mir hätt eemal ’n Handgriff ver-
weigert …
Krüger. Sie hat ſich keweigert, das Holz rein-
zutragen.
Frau Wolff. Ja, Holz reinſchleppen, de Nacht
um halb elwe, wer das von ſo an’ Kinde verlangt — —
Wehrhahn. Das Weſentliche iſt nun, Frau
Wolffen: Das Holz iſt draußen liegen geblieben und
dieſe Nacht iſt es geſtohlen worden. Nun will …
Krüger (hält ſich nicht mehr). Sie werden tas Holz
erſetzen, Frau Wolff.
Wehrhahn. Das wird ſich ja finden, warten
Sie doch.
Krüger. Sie werden’s mir Heller bei Pfennig
erſetzen.
Frau Wolff. J ja doch! Das wär ane neie
Mode! Hab ich Ihn vielleicht Ihr Holz geſtohlen?
Wehrhahn. Na, laſſen Sie ſich mal den Mann
erſt beruhigen.
Frau Wolff. I, wenn mir Herr Kriegr erſt a
ſo kommt, mit Holz bezahlen und ſolchen Sachen, da
hat a bei mir kee Glicke nich. Ich bin zu a Leiten
gewiß immer freindlich. Da kann ſich kee Menſch
iber mich beklagen. Aber wenn’s amal muß ſein,
warum denn nich? Da red ich halt ooch amal friſch
von der Leber. Ich thu meine Pflicht, und damit
is’s gutt. Da kann mir Keener im Dorfe was nach-
ſagen. Uff’m Koppe rum trampeln laſſ’ich mir nich!
Wehrhahn. Ereifern Sie ſich nur nicht, Frau
Wolff, Sie haben durchaus keinen Grund dazu.
Bleiben Sie nur immer ruhig, ganz ruhig. Sie ſind
uns ja nicht mehr unbekannt. Daß Sie fleißig ſind
und ehrenhaft, das wird Ihnen wohl kein Menſch
beſtreiten. Was haben Sie alſo dagegen zu ſagen?
Krüger. Die Frau kann kar nichts dagegen
ſagen!
Frau Wolff. Na nu, Ihr Leute, nu ſchlägt’s
aber dreiz’n. Is denn das Mädel nich meine
Tochter! Da ſoll ich niſcht derzu ſagen, hä? Da ſuchen
Se ſich ane Tumme aus, da kenn’ Se de Mutter
Wolffen ſchlecht. Ich halte vor Niemand nich hinterm
Berge, und wenn’s der Herr Vorſchteher ſelber is.
Viel weniger vor Ihn’, das kenn’ Se mer glooben.
Wehrhahn. Ich begreife ja Ihre Erregung,
Frau Wolffen. Aber wenn Sie der Sache nützen
wollen, ſo rathe ich Ihnen, ruhig zu bleiben.
Frau Wolff. Da hat ma nu bei da Leiten
gearbeit’t. Zehn Jahre hab ich de Wäſche gewaſchen.
Mer hab’n uns vertragen de ganze Zeit. Un nu uff
eenmal woll’n Se a ſo komm’. Zu Ihn komm ich
nie mehr, das kenn’ Se mer glooben.
Krüger. Das prauchen Sie kar nicht. Es
kiebt andere Frauen, die waſchen könn.
Frau Wolff. Und’s Gemiſe und’s Obſt aus
Ihrem Garten, das kann Ihn ooch ane Andre
verkoofen.
Krüger. Das werde ich los, ta iſt keine Angſt.
— Sie hätten blos prauchen ein Prügel nehmen und
Ihre Tochter zu mir zurückjagen.
Frau Wolff. Ich laſſe meine Tochter nich
ſchinden.
Krüger. Wer hat Ihre Tochter geſchunden,
frag’ ich?
Frau Wolff (zu Wehrhahn). A halbes Gerippe
is Ihn das Mädel.
Krüger. Dann ſoll ſie nicht kanze Nächte
durch tanzen.
Frau Wolff. Se ſchläft wie a Steen a
ganzen Tag.
Wehrhahn (über Frau Wolff hinweg zu Krüger). Wo
hatten Sie denn das Holz gekauft?
Frau Wolff. Na, dauert die Sache hier noch
lange?
Wehrhahn. Weshalb denn, Frau Wolffen?
Frau Wolff. J wegen der Wäſche. Wenn
ich mer hier meine Zeit verſteh’, da kann ich ooch
heite nich fertig wer’n.
Wehrhahn. Das kommt hier nicht in Betracht,
Frau Wolffen.
Frau Wolff. Und Ihre Frau? Was werd ’n
die ſagen? Da machen Se’s ock mit der aus, Herr
Vorſteher.
Wehrhahn. Es dauert ja nur noch eine
Minute. — Da ſagen Sie uns mal gleich, Frau
Wolffen, Sie ſind ja im Dorfe herum bekannt. Wem
trauen Sie ſo einen Diebſtahl zu? Wer könnte das
Holz wohl geſtohlen haben?
Frau Wolff. Da kann ich Ihn gar niſcht
ſagen, Herr Vorſchteher.
Wehrhahn. Und haben Sie gar nichts Ver-
dächtges bemerkt?
Frau Wolff. Ich war de Nacht erſcht gar
nich zu Hauſe. Ich mußte nach Treptow, Gänſe
einkoofen.
Wehrhahn. Um welche Zeit war das?
Frau Wolff. Gleich nach Zehne. Mitteldorf
war ja derbei, als mer loszogen.
Wehrhahn. Eine Holzfuhre iſt Ihnen da nicht
begegnet?
Frau Wolff. Nee, wißt ich nich.
Wehrhahn. Wie iſt’s, Mitteldorf, haben Sie
nichts bemerkt?
Mitteldorf (nach einigem Nachſinnen). Mir is nichts
Verdächtiges uffjeſtoßen.
Wehrhahn. Na ſelbſtverſtändlich, das wußt’
ich vorher.
(Zu Krüger). Wo haben Sie alſo das
Holz jekauft?
Krüger. Zu was müſſen Sie denn das wiſſen?
frag’ ich!
Wehrhahn. Sie werden das, denk’ ich, mir
überlaſſen.
Krüger. Natürlich doch bei der Forſtverwaltung.
Wehrhahn. Das iſt doch durchaus nicht ſo
natürlich. Es giebt doch zum Beiſpiel auch Holz-
jeſchäfte. Ich kaufe zum Beiſpiel mein Holz bei
Sandberg. Warum ſollten Sie nicht beim Händler
kaufen? Man kauft überdies beinahe profitabler.
Krüger (ungeduldig). Ich habe nicht länger Zeit,
Herr Vorſteher.
Wehrhahn. Was heißt das, Zeit? Sie haben
nicht Zeit? Kommen Sie zu mir, oder ich zu Ihnen?
Nehme ich Ihre Zeit in Anſpruch, oder Sie die meine?
Krüger. Das iſt Ihr Amt, dafür ſind Sie hier.
Wehrhahn. Bin ich vielleicht Ihr Schuh-
putzer, was?
Krüger. Habe ich vielleicht ſilberne Löffel ge-
ſtohlen? Ich verbitte mir dieſen Unteroffizierston!
Wehrhahn. Da hört doch aber … Schreien
Sie nicht ſo!
Krüger. Sie ſchreien, Herr!
Wehrhahn. Sie ſind halbtaub, da muß ich
ſchreien.
Krüger. Sie ſchreien immer, Sie ſchreien Jeden
an, der hierher kommt.
Wehrhahn. Ich ſchreie Niemand an, ſchweigen
Sie ſtill!
Krüger. Sie ſpielen ſich hier als wer weiß was
auf. Sie chikaniren den ganzen Ort.
Wehrhahn. Das kommt noch ganz anders,
warten Sie nur. Ich werde Ihnen noch viel un-
bequemer.
Krüger. Das macht mir nicht den keringſten
Eindruck. Ein Kernegroß ſind Sie, weiter nichts.
Sie wollen ſich aufſpielen, weiter nichts. Als ob Sie
der König ſelber wären ....
Wehrhahn. Hier bin ich auch König!
Krüger (lacht aus vollem Halſe). Ha, ha, ha, ha!
Das laſſen Sie kut ſein, in meinen Augen ſind Sie
kar nichts. Sie ſind’n kanz ſimpler Amtsvorſteher.
Sie müſſen erſt lernen, einer zu werden.
Wehrhahn. Herr, wenn Sie nicht augenblick-
lich ſchweigen ......
Krüger. Dann laſſen Sie mich wohl arretiren?
Das möchte ich Ihnen denn doch nicht rathen. Das
könnte Ihnen kefährlich werden.
Wehrhahn. Gefährlich? Sie?
(Zu Motes). Haben
Sie gehört?
(Zu Krüger). Und wenn Sie wühlen und
intriguiren mit Ihrem ganzen lieblichen Anhang. Sie
werden mich von der Stelle nicht fortbringen.
Krüger. Du lieber Chott! Ich gegen Sie
wühlen? Dazu iſt mir Ihre Perſon viel zu kleich-
giltig. Wenn Sie ſich nicht ändern, das glauben
Sie mir, da richten Sie ſoviel Unheil an, daß Sie
ſich känzlich unmöglich machen.
Wehrhahn (zu Motes). Herr Motes, man muß
das Alter berückſichtigen.
Krüger. Ich bitte mich zu Protokoll zu ver-
nehmen.
Wehrhahn (wühlt in ſeinen Sachen). Erſtatten Sie
bitte ſchriftlich Anzeige, ich habe im Augenblick keine
Zeit.
Krüger (ſieht ihn verblüfft an, wendet ſich energiſch und
geht ohne Gruß hinaus).
Wehrhahn (nach einer Verlegenheitspauſe). Da kommen
die Leute mit ſolchen Lappalien. — Aeh! —
(Zu
Frau Wolff.) Machen Sie, daß Sie zum Waſchen
kommen. — Ich ſage Ihnen, mein lieber Motes,
ſo’n Poſten wird Einem ſchwer gemacht. Wenn man
nicht wüßte, für was man hier ſteht, da könnte man
manchmal die Büchſe in’s Korn werfen. So aber
heißt es: tapfer aushalten. Was iſt es denn ſchließ-
lich, für was man kämpft? Die höchſten Güter der
Nation! —
Dritter Akt.
(Morgens gegen acht Uhr in der Wohnung der Frau Wolff. Auf
dem Heerd kocht das Kaffeewaſſer. Frau Wolff ſitzt auf einer Fuß-
bank und zählt Geld auf die Platte eines Stuhls. Julius kommt
herein, ein geſchlachtetes Kaninchen tragend.)
Julius. Stich Du all bloß det Jeld bei Seite.
Frau Wolff (im Berechnen vertieft, grob). J hab
Dich nich!
(Schweigen. Julius wirft das Kaninchen auf einen
Schemel, dann greift er ziemlich unſchlüſſig nach Dieſem und Jenem
und fängt ſchließlich an, einen Stiefel zu ſchmieren. Man hört
fern ein Jagdſignal blaſen.)
Julius (horcht, dann ängſtlich erregt). Ob Du woll
det Jeld bei Seite ſtichſt!
Frau Wolff. Du ſollſt mich in Ruh’ laſſen,
Julian. Laß Du doch den dämlichen Motes blaſen.
Der is im Walde un denkt an niſcht.
Julius. Bring Du uns man noch nach Plötzenſee!
Frau Wolff. Du ſollſt kee Blech reden, ’s
Mädel kommt!
Adelheid (kommt, eben aufgeſtanden). Juten Morjen,
Mama!
Frau Wolff. Haſte ſchön geſchlafen?
Adelheid. Ihr ſeid woll fort jeweſen die Nacht?
Frau Wolff. Du wirſcht woll geträumt haben —
nu mach! Trag Holz herzu. Feder a Biſſel!
Adelheid (mit einer Apfelſine ballend nach der Thür).
Frau Wolff. Wo haſt’n die her?
Adelheid. Von Kaufmann Schöbel.
(Ab.)
Frau Wolff. Du ſollſt von dem Kerle niſcht
geſchenkt nehmen! — — — Nu komm a Mal, Julian!
Her a Mal druff! Hier hab ich nu neununfufzig
Thaler. Das is doch nu eemal mit Wulko’n
immer. Um eenen wird ma doch immer beſchummelt,
denn ſechszig hat a doch gebn wollen. — Ich thu
ſe hier in a Beutel, verſtehſte! Nu nimm der ’ne
Hacke, Julian, geh, mach der hinten im Ziegenſtalle
a Loch, aber unter der Krippe, wo’s trocken is: da
kannſte a Beutel reinthun, herſchte! Un an flachen
Steen den deckſt De mer driber. Nu halt Dich aber
ni lange uff.
Julius. Ick denke, Du willſt all Fiſchern wat
abzahln.
Frau Wolff. Ob De woll thun kannſt, was
ich Dr ſage. Nu mähr nich erſcht lange, haſte
verſtanden?
Julius. Mach Du mir nich eklich, ſonſt kriſte
wat druff all. Ick jeb et nich zu, det det Jeld
in’t Haus bleibt.
Frau Wolff. Wo ſoll’s ’n da hinkommen?
Julius. Det nimmſt De und bringſt De bei
Fiſchern hin. Du haſt ja jeſacht all, wir wolln mit
wat abzahln.
Frau Wolff. Du biſt doch a hagelshorn-
tummer Kerl. Wenn Du mich nich hättſt, da
wärſchte verloren.
Julius. Schrei Du man noch mehr!
Frau Wolff. Da muß man ooch ſchreien, wenn
Du a ſo tumm biſt. Da red ni ſo tumm, da brauch
ich ni ſchreien. Wenn mir jetzt das Geld zu Fiſchern
bringen, da paß a Mal uff, was uns da paſſirt.
Julius. Ick ſach et ja! mit die janze Jeſchichte!
Wat hab ick davon, wenn ick ſitzen muß.
Frau Wolff. Nu haſt aber Zeit, daßte
ſtille biſt!
Julius. ’n bisken mehr ſchriegen kannſte
woll nich?
Frau Wolff. Ich wer mer deswegen kee ander
Maul koofen. Du machſt a Halloh … ich wees gar
ni wie, wegen ſo an biſſel Geſchichte da. Paß Du
bloß uff Dich uff und nich uff mich. Haſt a Schliſſel
ſchonn in de Spree geſchmiſſen?
Julius. Na, bin ick denn ſchon an’t Waſſer
jekomm?
Frau Wolff. Nu haſte Zeit, daß De Beene
machſt, ſe ſolln woll a Schliſſel bei Dir finden?
(Julius will fort.) J, wart a Mal, Julian! Gibb her
a Schliſſel!
Julius. Wat willſtn mit machen?
Frau Wolff (den Schlüſſel an ſich nehmend). Das
geht Dich niſcht an, das is meine Sache.
(Sie ſteckt
den Schlüſſel zu ſich, ſchüttet Kaffe in die Kaffemühle und fängt an
zu mahlen). Nu geh in a Stall, denn kommſte un
trinkſt.
Julius. Det hätt’ ick man ſollen früher jewußt
hebben.
(Julius ab. Adelheid kommt herein, eine große Schürze
voll Knüppelholz bringend).
Frau Wolff. Wo haſte das Holz hergenommen?
Adelheid. Na, halt von det neue Knüppelholz.
Frau Wolff. Du ſollſt von dem neuen Holze
nich nehmen.
Adelheid (läßt es vor dem Herd auf die Erde fallen).
Det ſchad’t doch niſcht, Mama, wenn et wejkommt.
Frau Wolff. Was Du bloß weeſt! Was fällt
’n Dir ein? Wer Du man erſcht trocken hinter a
Ohren!
Adelheid. Ick wees, wo et her is!
Frau Wolff. Was meenſte denn, Mädel?
Adelheid. Ick meene det Holz.
Frau Wolff. J, quaßle bloß nich. Das is
uff dr Auktion gekooft.
Adelheid (ſpielt Ball mit der Apfelſine). Ja, ja,
wenn’t man wah wär. Det is ja ſtibietzt.
Frau Wolff. Was is es?
Adelheid. Stibietzt. Det is ja det Holz von
Krüjer, Mama. Det hat mir ja Leontine jeſacht.
Frau Wolff (haut ihr ein Kopfſtück). Da haſte ’ne
Antwort. Mir ſein keene Diebe. Nu geh und mach
Deine Schularbeiten. Und mach ſe ſauber, das ſag
ich Dir. Ich komme nachher un ſeh merſch an.
Der Biberpelz. 5
Adelheid (ab ins Nebenzimmer). Ick denke, ick kann
jehn Schlittſchuhloofen.
Frau Wolff. Und a Confirmantenunterricht,
den haſte woll ganz und gar vergeſſen?
Adelheid. Der is ja erſt Dienſtach.
Frau Wolff. Morgen is a. Lern Du mer
ja Deine Bibelſpriche. Ich komme nacher un iber-
heer Dich.
Adelheid (hört man im Nebenzimmer laut gähnen, dann
ſagen). Jeſus ſprach zu ſeine Jünger, wer keen
Löffel hat, ißt mit de Finger.
(Julius kommt wieder).
Frau Wolff. Na, haſte ’s ooch richtig gemacht,
Julian?
Julian. Wenn’t Dir nich jefällt, denn mach’t
man alleene.
Frau Wolff. Weeß Gott! da thutt ma ooch
immer am beſten.
(Sie gießt ihm und ſich ſelbſt je eine Ober-
taſſe voll Kaffee und ſtellt ſie auf einen Holzſtuhl, dazu Brot und
Butter.) Da hier, trink Kaffee!
Julius (ſich ſetzend, und Brot ſchneidend). Wenn man
bloß Wulkow hat fortjekommt.
Frau Wolff. Na, bei dem Thauwetter.
Julius. Immerzu doch, Thauwetter!
Frau Wolff. Wenn’s ooch meinswegen a
Biſſel friert, deswegen wird a nich ſitzen bleiben.
Der is jetzt ſchon längſt a Stick im Canale.
Julius. Wenn er man nich noch all an de
Brücke liejt.
Frau Wolff. For mir mag a liegen, wo a will.
Julius. Det Wulkow noch Mal jehörich
rinſchliddert, das kannſte mir dreiſte jlooben, verſtehſte!
Frau Wolff. Das is ſeine Sache, nich unſre
Sache!
Julius. Denn ſtecken wir man all ooch in de
Patſche. Laß Du ſe man finden den Pels bei
Wulkown.
Frau Wolff. Was denn fer ’n Pelz?
Julius. Na, Kriejer ſein Pelz.
Frau Wolff. Red Du bloß keen Blech nich
zuſammen, verſtehſte. Verbrenn Dr Dei Maul nich
an fremden Sachen.
Julius. Det betrifft mer ooch all.
Frau Wolff. Dreck, betrifft’s Dich! Das
geht Dich niſcht an. Das ſind meine Sachen, nich
Deine Sachen. Du biſt gar kee Mann, Du biſt a alt
Weib. — Hier haſte Geld, nu mach, daß De fort-
kommſt. Geh nieber zu Fiebigen, trink an Schnaps;
meinswegen mach Der an luſt’gen Sonntag.
(Es klopft).
Herein! Immer rein, wer de rein will.
(Doktor Fleiſcher
mit ſeinem fünfjährigen Jungen tritt ein).
(Fleiſcher iſt ſiebenundzwanzig Jahr, trägt Jägerianer-Koſtüm, hat
kohlſchwarze Haare, eben ſolchen Schnurr- und Backenbart; ſeine
Augen liegen tief, ſeine Stimme iſt für gewöhnlich ſanft. Er ver-
wendet in jeder Sekunde rührende Sorgfalt auf ſein Kind).
Frau Wolff (jauchzend). Hach, kommt uns der
Philipp a Mal beſuchen. Na, das is ſchön, das
rechn ich mir aber.
(Sie bemächtigt ſich des Kindes und zieht
5*
ihm den Paletot aus). Nu komm, zieh Der aus a
Paletot. Hier hinne is warm, hier wirſchte nich
frieren.
Fleiſcher (ängſtlich). Frau Wolffen, es zieht.
Ich glaube, es zieht.
Frau Wolff. Wer werd denn ſo weech ge-
backen ſein. A Biſſel Zug ſchad’t dem Jungen niſcht.
Fleiſcher. Nein, nein, bewahre. Was denken
Sie denn. Im Augenblick hat der Junge was weg,
Bewege Dich, Philippchen. Jmmer beweg Dich.
Philipp (wehrt mit den Schultern ab und quiekt dabei).
Fleiſcher. Ja, Philippchen, ſiehſt Du, ſonſt
wirſt Du krank. Du brauchſt ja bloß langſam hin
und her gehen.
Philipp (ungezogen). Ich will aber nich.
Frau Wolff. J, laſſen Se’n man.
Fleiſcher. Guten Morgen, Frau Wolffen.
Frau Wolff. Guten Morgen, Herr Dokter,
beſuchen Sie uns ooch wieder a Mal?
Fleiſcher. Guten Morgen, Herr Wolff.
Julius. Schön juten Morjen, Herr Fleiſcher.
Frau Wolff. Na, ſein Se willkomm’n. Nehmen
Se Platz.
Fleiſcher. Wir wollen uns gar nich lange
aufhalten.
Frau Wolff. Na, wenn mer ſo an ſcheenen
Beſuch kriegen, gleich in der Frih, da wern mer heut
ooch an glicklichen Tag hab’n.
(Vor dem Jungen kniend).
Nich wahr, mei Junge, Du bringſt uns Glick?
Philipp (erregt). Ich bin im zoloſchen Darten
deweſen, da hab ich Störche deſehn, die haben ſich
mit goldnen Schnäbeln debeißt.
Frau Wolff. Nee, is woll nich meglich, Du
liegſt mer was vor.
(Den Jungen würgend und abküſſend.)
Huch, Junge, ich freß Dich, ich freß Dich reen uff.
Herr Fleiſcher, den Jungen behalt ich mer. Das is
mei Junge. Gelt, Du biſt mei Junge? Was macht
denn de Mutter, hä?
Philipp. Sie is deſund und ſie läßt ſchön
drüßen und Sie möchten doch morgen früh Wäſche
waſchen.
Frau Wolff. Na, ſieh Eener an. A ſo a
Junge. Der kann ſchonn ſolche Sachen ausrichten.
(Zu Fleiſcher.) Na, wollen Se ſich nich a Biſſel ſetzen?
Fleiſcher. Der Junge quält mich, er will
Mal Kahn fahren. Geht’s denn?
Frau Wolff. J, freilich. De Spree is frei.
Das Mädel kann Ihn ja a Stickel rausrudern.
Fleiſcher. Der Junge läßt mich nu mal nicht
locker. Er hat ſich das ſo in den Kopf geſetzt.
Adelheid (an der Thür des Nebenzimmers ſichtbar werdend,
winkt Philipp). Komm, Philipp, ick wer Der was
Schönes zeijen.
Philipp (kreiſcht ſtörriſch auf).
Fleiſcher. Philippchen, hörſt Du, nicht un-
gezogen. —
Adelheid. Da ſieh man die ſchöne Apfelſine.
Philipp (lacht übers ganze Geſicht, thut ein paar Schritte
auf Adelheid zu).
Fleiſcher, Na geh mal hin, aber ja nicht betteln.
Adelheid. Komm, komm, die eſſen wir jetzt mit
nander.
(Sie thut ein paar Schritte auf das Kind zu, faßt es
bei der Hand, hält ihm mit der freien Hand die Apfelſine vor und
Beide begeben ſich einträchtig in’s Nebenzimmer.)
Frau Wolff (dem Jungen nachſchauend). Nee, Junge,
ich muß Dich bloß immer anſehn. Ich weeß nich,
wenn ich ſo’n Jungen ſeh …
(ſie nimmt den Schürzenzipfel
und ſchneuzt ſich) da is merſch, als wenn ich glei heulen
mißte.
Fleiſcher. Haben Sie nicht mal ſo’n Jungen
gehabt?
Frau Wolff. Na freilich. Aber was nutzt denn
das Alles. Ma macht’n ja doch nich wieder lebendig.
— Ja ſehen Se — das ſind ſo — Lebensſachen —
(Pauſe.)
Fleiſcher. Man muß zu vorſichtig ſein mit den
Kindern.
Frau Wolff. Da mag ma halt noch ſo vor-
ſichtig ſein. — Was kommen ſoll, kommt.
(Pauſe — kopf-
ſchüttelnd.) Was haben Se denn mit Herr Motes gehabt?
Fleiſcher. Ich? Nichts. Was ſoll ich mit ihm
gehabt haben?
Frau Wolff. Ich meente bloß ſo. —
Fleiſcher. Wie alt iſt denn Ihre Tochter jetzt?
Frau Wolff. Zu Oſtern kommt ſe doch aus der
Schule. Wie is’s denn, wollen Se ſe haben, Herr
Fleiſcher? Zu Ihn, da geb ich ſe gerne ins Dienſt.
Fleiſcher. Warum denn nich? das wär gar
nicht übel.
Frau Wolff. Das is Ihn a ſtrammer Purſche
geworden. Wenn die ooch noch jung is, kann ich
Ihn ſagen, die arbeit’t mit Jeder um die Wette.
Und wiſſen Se was: ſe is manchmal a Strick, ſe thut
manchmal nich gut. Aber tumm is ſe nich. Die hat
Ihn Scheenie.
Fleiſcher. Das kann ja immerhin möglich ſein.
Frau Wolff. Laſſen Se die bloß a eenziges Mal
was uffſagen — a Getichte, oder was grade is. Da
kann ich Ihn aber ſagen, Herr Dokter, da komm’
Se aus der Gänſehaut gar nich raus. Se könn’ ſe
ja a Mal reinruffen laſſen, wenn Se wieder a Mal
Berliner Beſuch habn. Zu Ihn kommen doch immer
ſo allerhand Tichter. Die is Ihn treiſte, die legt
glei los. Se deklamirt Ihn zu wundernſcheene! —
(Verändert). Nu will ich Ihn aber an gutten Rath geben;
Se derfen merſch aber nich ibel nehmen. —
Fleiſcher. ’N guten Rath nehm ich niemals übel.
Frau Wolff. Uffs Erſchte: Schenken Se nich
ſo viel weg. Das dankt Ihn kee Menſch. Se
habn doch blos Undank.
Fleiſcher. Ich ſchenke ja gar nicht viel weg,
Frau Wolffen.
Frau Wolff. Na ja, ich wees ſchonn. Reden
Se erſcht nich, das macht Ihn blos de Leite ſtutzig.
Da heeſt’s gleich: das is a Temekrat. Und ſein S’
ock im Reden ja immer recht vorſichtig.
Fleiſcher. Wie ſoll ich denn das verſtehn,
Frau Wolff?
Frau Wolff. Ma kann ſich ja denken, was
ma will. Im Ausſprechen muß ma gar vorſichtig
ſein. Da ſitzt ma im Loch, ma wees gar nich wie.
Fleiſcher (wird bleich). Na, machen Sie keinen
Unſinn, Frau Wolff.
Frau Wolff. Nee, nee, das ſag’ ich in allen
Ernſt. — Und nehm Se ſich blos vor dem Menſchen
in Acht.
Fleiſcher. Vor welchem Menſchen meinen
Sie denn?
Frau Wolff. Na der, von dem mer vorhin
gered’t haben.
Fleiſcher. Vor Motes etwa?
Frau Wolff. Ich nenn keene Namen. Sie
miſſen doch was mit dem Menſchen gehabt haben?
Fleiſcher. Ich verkehre ja gar nicht mehr
mit ihm.
Frau Wolff. Na, ſehn Se, das hab’ ich mer
doch gedacht.
Fleiſcher. Das kann mir kein Menſch ver-
denken, Frau Wolffen!
Frau Wolff. Ick verdenks Ihn ooch nich.
Fleiſcher. Das wäre noch ſchöner, mit einem
Schwindler … mit einem notoriſchen Schwindler
verkehren.
Frau Wolff. Das is ooch a Schwindler, da
haben Se ſchonn recht.
Fleiſcher. Jetzt is er zur Kuchen-Dreiern ge-
zogen. Die arme Frau kann ſehn, wo ſie bleibt.
Was die etwa hat, das wird ſie ſchon los werden.
Mit ſo einem Kerl … einem förmlichen Zucht-
häusler …
Frau Wolff. A läßt halt ſo manchmal Reden
fallen …
Fleiſcher. So!? Ueber mich? Da bin ich
neugierig.
Frau Wolff. Se hätten, gloob ich, was
Schlechtes geſprochen, von eener hohen Perſon oder was.
Fleiſcher. Hm! Was genaues wiſſen Sie nicht.
Frau Wolff. A ſteckt halt viel mit’n Wehrhahn
zuſammen. Aber wiſſen Se was? Ich will Ihn
was ſagen. Gehn Sie amal hin zur Mutter Dreiern.
Die ale Hexe riecht ooch ſchonn Lunte. Erſcht ſinds’
er doch um a Mund gegangen, jetzt freſſen doch die
er de Haare vom Koppe.
Fleiſcher. Ach was, die ganze Sache iſt Unſinn!
Frau Wolff. J, gehn Se zur Dreiern, das
kann niſcht ſchaden. Die hat mer ane Geſchichte er-
zählt … A hat ſe zum Meineid verleiten wollen.
Da habn Se da ganzen Kerl in der Hand.
Fleiſcher. Ich kann ja mal hingehn, meinet-
wegen. Aber ſchließlich iſt mir die Sache egal. Das
müßte doch mit’m Deibel zugehn, wenn ſo ’n Kerl …
der ſoll doch mal ankommen. — Du, Philipp, Philipp!
Wo biſt Du denn? Wir wollen jetzt gehn.
Adelheid’s Stimme. Wir ſehn uns ſo ſchöne
Bilder an.
Fleiſcher. Was ſagen Sie übrigens zu der
Geſchichte?
Frau Wolff. Zu welcher?
Fleiſcher. Sie haben noch gar nichts gehört?
Frau Wolff (unruhig). Nee, was ich Ihn ſage. —
(Ungeduldig.) Mach, Julian, geh, daß De zeitich wieder
zu Mittage da biſt.
(Zu Fleiſcher.) Mer ham heite a
Kaninchen geſchlacht. Biſte noch nich fertig, Julian?
Julius. Na, laß mer bloß man meine Mitze
ſuchen.
Frau Wolff. Ich kann das nich ſehn, wenn
Eener ſo dämelt: ſo kommſte heite nich, kommſte
morgen. Bei mir muß Alles vom Fleck gehn.
Fleiſcher. Heut Nacht iſt bei Krüger ge …
Frau Wolff. Sein Se ſtille! Laſſen Se mich
mit dem Manne zufrieden. Uf den hab ich eene
ſolche Boſt! Der Mann hat mich Ihn zu tief gekränkt.
Wie mir beede mitnander geſtanden haben und macht
mich ſo ſchlecht vor allen Leuten.
(Zu Julius.) Na,
gehſte nu oder gehſte nich?
Julius. Ick jeh ſchon, rege Dir man nich uff.
Ick wünſch all juten Morjen, Herr Fleiſcher!
Fleiſcher. Guten Morgen, Herr Wolff.
(Julius ab).
Frau Wolff. Na, wie geſagt —
Fleiſcher. Ja, wie ihm das Holz geſtohlen
wurde, da hat er ſich wohl mal mit Ihnen gezankt?
Von damals, das hat er längſt bereut.
Frau Wolff. J der und bereuen!
Fleiſcher. Nu was ich Ihnen ſage, Mutter
Wolffen. Und überhaupt nach der letzten Geſchichte.
Sie ſtehen bei dem Manne groß angeſchrieben. ’s
Beſte wär, ſie vertrügen ſich wieder.
Frau Wolff. Mer hätten vernimft’g reden
kenn’. Aber gleich mit der Polizei — nu nee!
Fleiſcher. Die alten Leutchen ſind wirklich
ſchlimm dran: das Holz vor acht Tagen, heute der
Pelz …
Frau Wolff. Nu raus mit der großen Neuigkeit.
Fleiſcher. Sie haben halt wieder mal einge-
brochen.
Frau Wolff. Geſtohlen? Machen Se bloß
keenen Unſinn.
Fleiſcher. Und zwar einen nagelneuen Pelz.
Frau Wolff. Nee wiſſen Se, nächſtens zieh
ich fort. Das is ja eine Bande dahier! Da is ma
ja ſeines Lebens nich ſicher! Z! Z! Solche Menſchen!
Ma ſollt’s nich glooben!
Fleiſcher. Nu können Sie ſich denken, was
für ’n Halloh iſt.
Frau Wolff. Das kann man den Leiten nich
verdenken.
Fleiſcher. Und wirklich, ’s war’n recht theures
Stück, ich glaube Nerz.
Frau Wolff. Is das a ſo ähnlich, wie Biber,
Herr Fleiſcher?
Fleiſcher. Ach, ’s kann ſogar Biber geweſen
ſein. Die Leutchen waren ganz ſtolz darauf. — Das
heißt: gelacht hab’ ich doch im Stillen. Wenn ſo
was entdeckt wird, das wirkt immer komiſch.
Frau Wolff. Sie ſin aber wirklich unbarm-
herzig. — Iber ſowas kann ich nich lachen, Herr
Fleiſcher!
Fleiſcher. Na denken Sie, daß mir der Mann
nicht leid thut?
Frau Wolff. Was miſſen bloß das fer Menſchen
ſein! Das will Een doch gar nich in a Kopp. So
andere Leute um’s ihrige bringen — nee, da lieber
arbeiten, bis ma hinfällt.
Fleiſcher. Könnten Sie denn nich mal ſo’n
bischen rumhorchen? Ich glaube, der Pelz iſt im
Orte geblieben.
Frau Wolff. Nu haben Se denn uff Niemand
Verdacht?
Fleiſcher. Da hat ſo’ne Waſchfrau bei Krüger
gewaſchen …
Frau Wolff. De Millern?
Fleiſcher. Die hat ſo’ne große Familie …?
Frau Wolff. ’ne große Familie hat die Frau,
aber ſtehlen … nee. A biſſel mauſen, ja!
Fleiſcher. Natürlich hat ſie Krüger gejagt.
Frau Wolff. Das muß doch raus kommen,
Schwerenoth. Das mißte doch mit ’n Teifel zugehn.
Na, wenn ich bloß Amtsvorſteher wär. Der Mann
is Ihn aber tumm .... nee, horndumm. Ich ſeh
durch mei Hihnerooge mehr, wie der durch ſei Glas-
ooge, könn Se mer glooben.
Fleiſcher. Das glaub ich beinahe.
Frau Wolff. Das kann ich Ihn ſagen, wenn’s
druf ankommt: dem ſtehl ich a Stuhl unter’m
Hintern weg.
Fleiſcher (iſt aufgeſtanden, ruft lachend in’s Neben-
zimmer). Komm Philipp, komm, wir müſſen jetzt gehn.
Adieu, Mutter Wolffen.
Frau Wolff. Zieh Dich an, Adelheid. Du
ſollſt a Herr Fleiſcher a Stickl rudern.
Adelheid (kommt, die letzten Knöpfe am Halſe knöpfend,
führt Philipp an der Hand). Ick bin ja ſchon fertig.
(Zu
Philipp.) Komm her, Du, ick nehme Dir uf’n Arm.
Fleiſcher (beſorgt und beim Anziehen behilflich). Nur
ja gut einpacken. Er iſt zu anfällig. Und auf dem
Waſſer wird’s windig ſein.
Adelheid. Ick will man vorauf jehn, ’n Kahn
zurecht machen.
Frau Wolff. Wie geht’s Ihn denn jetzt mit
Ihrer Geſundheit?
Fleiſcher. Viel beſſer, ſeit ich hier draußen lebe.
Adelheid (in der Thür, ruft zurück). Mama, Herr
Krüger.
Frau Wolff. Wer kommt?
Adelheid. Herr Krüger.
Frau Wolff. Is woll nich meglich!
Fleiſcher. Er wollte den Morgen zu Ihnen
kommen.
Frau Wolff (wirft einen ſchnellen Blick nach dem Haufen
Knüppelholz und beginnt reſolut ihn wegzuräumen). Komm
Mädel, hilf, daß merſch Holz wegkriegen.
Adelheid. Warum denn Mama? Ach, wegen
Herr Krüger.
Frau Wolff. Weswegen denn ſonſt tumme
Gans. Gehört ſich das woll, wie das bei uns aus-
ſieht? Is das ane Art am Sonntag morgen? Was
ſoll denn Herr Krieger von uns denken?
(Krüger er-
ſcheint, echauffirt, die Wolffen ruft ihm entgegen.) Herr Krieger,
ſehn Se ſich ock nich um. Bei uns ſieht’s noch
gar ſehr ſchrecklich aus.
Krüger (ſich überhaſtend). Chuten Morgen! Chuten
Morgen! Das laſſen Sie kut ſein. Sie kehn die
kanze Woche auf Arbeit, da kann am Sonntag
nicht Alles kefegt ſein. Sie ſind eine ordentliche Frau.
Sie ſind eine ehrliche Frau, Frau Wolffen. Und
was zwiſchen uns iſt vorkefallen, das wollen wir
känzlich verkeſſen, denk ich.
Frau Wolff (gerührt, mit dem Schürzenzipfel zuweilen
die Augen trocknend). Ich hab niemals niſcht gegen Ihn
gehabt. Ich hab immer gern bei Ihn gearbeit’t.
Aber da Se halt gleich a ſo heftig wurden — da
geht halt de Boſt ooch a Mal mit Een durch, ’s hat
Een ja leed genug gethan.
Krüger. Sie kommen wieder und waſchen bei
uns. Wo iſt Ihre Tochter, die Leontine?
Frau Wolff. Sie is mit Grinkohl beim Poſt-
vorſchteher.
Krüger. Das Mädchen keben Sie wieder zu
uns. Statt zwanzig bekommt ſie dreißig Thaler.
Wir waren ſonſt immer mit ihr zufrieden. Verkeben
und verkeſſen wir Alles.
(Er reicht ihr die Hand, die
Wolffen ſchlägt ein).
Frau Wolffen. Das hätte ja Alles gar nich
ſein brauchen. Das Mädel is halt noch a tummes
Kind. Mir Alten ham uns doch immer vertragen.
Krüger. Die Sache iſt alſo abkemacht.
(Ver-
ſchnaufend). — Da bin ich doch wenigſtens ſo weit
beruhigt. — Nu ſagen Sie bloß. Was mir paſſirt
iſt. Was ſagen Sie dazu?
Frau Wolff. Ach, wiſſen Se, nee .... ich ſage
ſchonn gar niſcht.
Krüger. Da haben wir nun dieſen Herrn von
Wehrhahn. Die ehrlichen Bürger cujoniren, Chikanen
und Quälereien erdenken. In was ſteckt der Mann
ſeine Naſe nicht Alles.
Frau Wolff. Blos wo a ſe haben ſoll, hat
a ſe nich.
Krüger. Ich kehe jetzt hin und mache die An-
zeige. Ich laſſe nicht locker, die Sache muß raus
kommen.
Frau Wolff. Das laſſen Sie ja nich ſitzen,
Herr Krieger.
Krüger. Und wenn ich ſoll Alles auf den
Kopf ſtelln. Meinen Pelz werd ich wiederbekommen,
Frau Wolff.
Frau Wolff. Hier muß a Mal richtig ge-
reenigt werden, daß a Mal Ruhe wird in dem Neſt.
Die ſtehlen Een ja ſonſt’s Dach iber’m Koppe.
Krüger. Nu denken Sie ſich um Chotteswillen!
In vierzehn Tagen zwei ſolche Diebſtähle! Zwei
Meter Knüppel, wie Sie dort haben.
(Er nimmt einen
der Knüppel in die Hand.) So chutes, theures Holz,
Frau Wolff.
Frau Wolff. Nee, ärgern könnt ma ſich, daß
ma grin wird. Was hier fer ane Bande ſitzt. …
Pfui Teifel! Nee ſowas! äh! Laßt mich zufriede!
Krüger (ficht wüthend mit dem Knüppel in der Luft herum).
Und wenn’s mich tauſend Thaler koſt’, ich werde den
Tieben ſchon auf die Spur komm. Die Leute ent-
kehen dem Zuchthauſe nicht.
Frau Wolff. Das wär ooch a Segen. Wahr-
haft’gen Gott!
Vierter Akt.
(Im Amtslokal. Glaſenapp ſitzt auf ſeinem Platz. Frau Wolffen
mit Adelheid die ein in Leinwand gewickeltes Packetchen vor ſich auf
dem Schooße hat, warten auf den Amtsvorſteher).
Frau Wolff. A bleibt ja heute wieder gar
lange.
Glaſenapp (ſchreibend). Jeduld! Jeduld!
Frau Wolff. Na, wenn a heut wieder ſo
ſpät kommt, da hat a doch wieder nich Zeit fer uns.
Glaſenapp. I, Jott! Mit Euern Lappalien,
da! Wir haben janz andre Dinge zu thun.
Frau Wolff. Ihr werd’t ooch ſcheene Dinge
ze thun haben.
Glaſenapp. Det iſt ja keen Ton. Det paßt
ſich janich!
Frau Wolff. I haben Se ſich blos a Biſſl
mehr. Das Mädel hat Krieger hierher geſchickt.
Glaſenapp. Mal wieder die Pelzjeſchichte, was?
Frau Wolff. Ooch noch.
Glaſenapp. Da hat doch der alte Kerl mal
was. Da kann er ſich doch’n Bisken in’s Zeug
legen, der olle obeinige Scherulant.
Der Biberpelz. 6
Frau Wolff. Ihr mault blos, ſeht lieber,
daß Er was rauskriegt.
Mitteldorff (erſcheint in der Thür). Se ſoll’n mal
rüberkomm, Ilaſenapp, Herr Vorſteher will wat
von Sie wiſſen.
Glaſenapp. Muß ich ſchon wieder mal unter-
brechen.
(Wirft die Feder weg und geht hinaus, ab).
Frau Wolff. Gu’n Morgen, Mitteldorf.
Mitteldorf. Juten Morjen!
Frau Wolff. Wo bleibt’n der Vorſteher a ſo
lange?
Mitteldorf. Schreibt janze Bochen voll, Mutter
Wolffen. ’t ſin wichtche Sachen, det kann ich Ihn
ſachen.
(Vertraulich). Und wiſſen Se: ’t liejt wat in
de Luft. — Wat, wees ich noch nich. Aber det wat
liejt, — det wees ick ſo ſicher … Wenn Se blos man
Acht jeben, denn wer’n Se’s erleben. Et kracht, und
wenn et kracht, Mutter Wolffen, denn — hat et jekracht.
Nee, wie jeſacht, ick verſteh ja niſcht von. Det is
Allens de Neuheit. De Neuheit is allens. Und von
de Neuheit verſteh ick niſcht. Et muß wat jeſchehn,
det jeht nich ſo weiter. Der janze Ort muß jeſäubert
wer’n. Ick finde mich ja nu nich mehr ſo rin. Wat
der Vorſteher war, der jeſtorben is, det war jejen
den blos — ’n Eckenſteher. Ick könnte Ihn all noch ville
erzähln. Ick hab man nich Zeit. Der Baron ver-
mißt mir.
(Geht, in der Thür wendet er ſich noch einmal und
ſagt): Et kracht, Mutter Wolffen, det können Se mir
jlooben.
(Ab.)
Frau Wolff. Na, wenn’s ock bei dem nich
etwa geſchnappt hat.
(Pauſe).
Adelheid. Wat ſoll ick denn ſachen? Ick hab’t
verjeſſen.
Frau Wolff. Was haſte denn zum Herr
Krieger geſagt?
Adelheid. Na, det ick det Pack hier gefunden habe.
Frau Wolff. Sonſt brauchſte ooch hier niſcht
weiter zu ſagen. Bloß, daß De forſch biſt und reſolut.
Du biſt doch ſonſt nich uff’s Maul gefallen.
Wulkow (kommt herein). Ick wünſche juten Morgen.
Frau Wolff (ſtarrt ſprachlos auf Wulkow, dann). Nee,
aber Wulkow, Ihr ſeid woll gar nich mehr geſcheid?!
Was wollt Ihr dnn hier?
Wulkow. Na, meine Frau hat wat Kleenes je-
kriecht …
Frau Wolff. Was hat ſe gekriegt?
Wulkow. ’n kleenet Mä’chen. Da muß ick all
komm’ uf’t Standesamt.
Frau Wolff. Ich denke, Ihr ſeid ſchon längſt
im Canale?
Wulkow. Ick hätte all ooch niſcht dajejen,
Wolffen. Wenn’t bloß an mir läje, wär ick’t ooch.
Ick hebbe ja ooch jleich losjemacht. Un wie ick komme
bis bei de Schleußen, da jeht et nich weiter. Nu
hebb’ ick jelauert, det de Spree ſollte loslaſſen. Zwee
Tache un Nächte hebb’ ick jelejen, bis det nu mit
meine Frau noch zu kam. Denn half keen Jammern,
denn mußt ick retour.
6*
Frau Wolff. Da hab’t er a Kahn wieder an
der Bricke?
Wulkow. Na immer. Wo ſoll ick den hebben all?
Frau Wolff. Nu laßt mich zufriede.
Wulkow. I, wenn ſe man bloß niſcht je-
rochen hebben.
Frau Wolff. Geh, hol fer zehn Fennig Zwirn
beim Koofmann.
Adelheid. Det hol ick, wenn ick nach Hauſe jeh.
Frau Wolff. Du gehſt und maulſt nich.
Adelheid. Ick bin doch keen kleenes Mä’chen
mehr.
(Ab).
Frau Wolff (haſtig). Da habt Ihr dort an
der Schleuße gelegen?
Wulkow. Zwee janze Tage. Wat ick Ihn ſache.
Frau Wolff. Nu, laßt Euch verglaſen. Ihr
ſeid a Kerl — a Pelz zieht Ihr an am lichten Tage.
Wulkow. Ick? Anjezochen?
Frau Wolff. Ja angezogen, am hellen Tage.
Daß ’s der ganze Ort glei zu wiſſen kriegt, was
Ihr fer an ſcheenen Pelz anhat.
Wulkow. Det wa ja all mitten drin in de
Haide.
Frau Wolff. ’ne Viertelſtunde von unſern Hauſe.
Mei Mädel hat Euch doch ſitzen ſehn. Se mußte
a Dokter Fleiſcher rudern un der hat ooch gleich
an Verdacht gefaßt.
Wulkow. Da wees ick niſcht von, det jeht mir
niſcht an.
(Man hört Jemand kommen).
Frau Wolff. Pſt, ſein ſe bloß jetzt uff’n Poſten,
Wulkow.
Glaſenapp (kommt eilig herein, etwa in der Weiſe des
Amtsvorſtehers. Fragt Wulkow von oben herab). Was haben
Sie denn?
Wehrhahn (noch außen). Was willſt Du denn,
Mädchen? Du kommſt zu mir? Man alſo rein.
(Wehrhahn läßt Adelheid vor ſich eintreten und folgt nach). Viel
Zeit hab’ ich heute nicht. Ach ſo, Du biſt wohl die
kleine Wolff? Na ſetz Dich mal hin. Was haſt Du
denn da?
Adelheid. Ick hab das Packet …
Wehrhahn. Na wart erſt mal …
(zu Wulkow).
Was haben Sie denn?
Wulkow. Eine Jeburt möcht ick anmelden.
Wehrhahn. Alſo ſtandesamtlich. Die Bücher,
Glaſenapp. Das heißt, ich will erſt das Andere er-
ledigen.
(Zu Frau Wolff). Was giebt es denn da mit
Ihrer Tochter? Hat Krüger ſie wieder mal ge-
ohrfeigt?
Frau Wolff. Nee, ſoweit hat a’s woll doch
nich getrieben.
Wehrhahn. Was iſt denn dann los?
Frau Wolff. Halt mit den Packet …
Wehrhahn (zu Glaſenapp). Iſt Motes noch
immer nicht dageweſen?
Glaſenapp. Bis jetzt noch nicht.
Wehrhahn. Mir unbegreiflich! Na, Mädchen,
was willſt Du?
Glaſenapp. Es betrifft den geſtohlenen Pelz,
Herr Vorſteher.
Wehrhahn. Ach ſo. Das iſt mir heute nicht
möglich. Wer kann denn Alles auf einmal thun.
(Zu Frau Wolff). Siekann ſich mal morgen bei mir melden.
Frau Wolff. Se hat ſchon a paar mal woll’n
mit Ihn reden.
Wehrhahn. Dann verſucht ſie’s morgen zum
dritten Mal.
Frau Wolff. Herr Krieger läßt ſe halt gar
nich mehr locker.
Wehrhahn. Was hat Herr Krüger damit
zu thun?
Frau Wolff. ’s Mädel war bei ’m mit dem
Packetel.
Wehrhahn. Was iſt das für ’n Lappen, zeigen
Sie mal.
Frau Wolff. Das hängt mit der Pelzgeſchichte
zuſammen. Heeſt das: Herr Krieger is eben der
Meinung.
Wehrhahn. Was iſt denn drin in dem Lappen,
was?
Frau Wolff. ’ne griene Weſte is drin vom
Herr Krieger.
Wehrhahn. Das haſt Du gefunden?
Adelheid. Ick hab et jefunden, Herr Amts-
vorſteher!
Wehrhahn. Wo haſt Du’s gefunden?
Adelheid. Det war wie ick mit Mama’n zur
Bahn jing. Da jing ick ſo und da …
Wehrhahn. Laß man gut ſein.
(Zu Frau Wolff).
Das deponiren Sie doch mal zunächſt. Wir werden
morgen darauf zurückkommen.
Frau Wolff. Mir wär’s ſchonn recht. …
Wehrhahn. Und wem denn nicht?
Frau Wolff. Herr Krieger is blos zu eifrig
dahinter.
Wehrhahn. Herr Krüger, Herr Krüger, — der
iſt mir ganz gleichgiltig. Der Mann beläſtigt mich
geradezu. Man kann doch ſowas nicht über’s Knie
brechen. Er hat ja Belohnung ausgeſetzt, es iſt ja
im Amtsblatt bekannt gegeben.
Glaſenapp. Dem Mann jeſchieht immer noch
nicht jenug.
Wehrhahn. Was ſoll das heißen, geſchieht
nicht genug? Wir haben den Thatbeſtand aufge-
nommen. Seine Waſchfrau iſt ihm verdächtig ge-
weſen, wir haben Hausſuchung vorgenommen. Was
will er denn noch? Der Mann ſoll doch ſtill ſein.
Nun, wie jeſagt, morjen ſteh ich zu Dienſten.
Frau Wolff. Uns is das egal, mir kommen
ooch wieder.
Wehrhahn. Na ja, morgen früh.
Frau Wolff. Gu’n Morgen!
Adelheid (knixt). Guten Morjen!
(Frau Wolff und Adelheid ab).
Wehrhahn (in Akten wühlend, zu Glaſenapp). Ich bin
doch neugierig, was da raus kommt. Herr Motes
will nun auch Zeugen ſtellen. Er meint, die Dreiern,
die Kuchenhexe, die habe mal grade dabei geſtanden,
als Fleiſcher ſich deſpektirlich ausſprach. Wie alt iſt
denn die Dreiern, ſagen Sie mal?
Glaſenapp. So gegen ſiebzig Jahre, Herr
Vorſteher.
Wehrhahn. ’n bischen verſchupft, was?
Glaſenapp. Na, wie man’s nimmt. Sie hat
die Gedanken noch ziemlich beiſammen.
Wehrhahn. Ich kann Ihnen ſagen, Glaſenapp,
es wäre mir eine direkte Genugthuung, hier mal recht
gründlich zwiſchen zu fahren. Daß die Leute merken,
mit wem ſie’s zu thun haben. Bei Kaiſer’s Geburts-
tag, wer war nicht dabei? Natürlich, der Fleiſcher.
Dem Mann trau ich das Schlimmſte zu. Wenn der
noch ſo ſchafsdumme Jeſichter macht. Man kennt
ſie ja, dieſe Wölfe im Schafspelz. Können keiner
Fliege ein Beinchen ausreißen, aber wenn’s drauf
ankommt, ſprengen die Hunde janze jroße Ortſchaften
in die Luft. Der Boden ſoll ihnen doch hier etwas
heiß werden!
Motes (kommt). Jehorſamer Diener!
Wehrhahn. Na alſo, wie ſteht’s?
Motes. Fran Dreier will jejen elf Uhr hier ſein.
Wehrhahn. Die Sache wird einiges Aufſehen
machen. Es wird ein großes Geſchrei entſtehen. Der
Wehrhahn miſcht ſich in Alles hinein. Nun, Gott
ſei Dank, ich bin drauf gefaßt. Ich ſtehe ja hier
nicht zu meinem Vergnügen. Zum Spaß hat man
mich nicht hierher geſetzt. Da denken die Leute, ſo’n
Amtsvorſteher, das iſt weiter nichts, wie ein höherer
Büttel. Da mögen ſie Jemand anders hierher ſetzen.
Die Herren freilich, die mich ernannt haben, die wiſſen
genau, mit wem ſie’s zu thun haben. Die kennen
den ganzen Ernſt meiner Auffaſſung. Ich erfaſſe
mein Amt als heiljen Beruf.
(Pauſe). Bericht für
die Staatsanwaltſchaft hab’ ich verfaßt. Wenn ich
ihn heute Mittag abſchicke, kann übermorgen Verhafts-
befehl hier ſein.
Motes. Nun wird man aber über mich her-
fallen.
Wehrhahn. Sie wiſſen, mein Onkel iſt Kammer-
herr. Ich werde mal mit ihm über Sie ſprechen.
Potz Donnerwetter! Da kommt der Fleiſcher! Was
will denn der Menſch? Er hat doch nicht etwa
Lunte jerochen?
(Es klopft, Wehrhahn ſchreit). Herein!
Fleiſcher (tritt ein, bleich und aufgeregt). Guten
Morgen!
(Er bleibt ohne Antwort). Ich möchte eine
Anzeige machen, die ſich auf den neuligen Diebſtahl
bezieht.
Wehrhahn (mit durchdringendem Polizeiblick). Sie
ſind der Doktor Joſeph Fleiſcher?
Fleiſcher. Ganz recht. Joſeph Fleiſcher iſt
mein Name.
Wehrhahn. Sie wollen mir eine Anzeige machen?
Fleiſcher. Wenn Sie geſtatten, ſo möcht ich
das thun. Ich habe nämlich etwas beobachtet, was
möglicherweiſe dazu führt, dem Pelzdiebe auf die
Spur zu kommen.
Wehrhahn (trommelt auf den Tiſch und ſieht ſich mit einem
Ausdruck gemachten Befremdens bei den Anweſenden um, dieſe zum
Lächeln herausfordernd. Antheillos). Was haben Sie nun
alſo ſo Wichtiges beobachtet?
Fleiſcher. Das heißt, wenn Sie etwa von
vorn herein auf meine Mittheilung keinen Werth legen,
dann würde ich vorziehen ....
Wehrhahn (ſchnell, hochmüthig). Was würden
Sie vorziehn?
Fleiſcher. Ich würde vorziehn, darüber zu
ſchweigen.
Wehrhahn (wendet ſich ſchweigend und gleichſam nicht
begreifend an Motes, dann verändert, beiläufig). Meine Zeit
iſt etwas in Anſpruch genommen. Ich möchte Sie
bitten, ſich kurz zu faſſen.
Fleiſcher. Meine Zeit iſt ebenfalls eingetheilt.
Indeſſen hielt ich mich für verpflichtet. ....
Wehrhahn (hineinredend). Sie hielten ſich für
verpflichtet. Gut. Nun ſagen Sie alſo, was Sie
wiſſen.
Fleiſcher (mit Ueberwindung). Ich bin alſo geſtern
Kahn gefahren. Ich hatte den Kahn von der Wolffen
genommen. Und ihre Tochter ſaß vorn am Ruder.
Wehrhahn. Gehört das denn unbedingt zur
Sache?
Fleiſcher. Ja, allerdings — nach meiner
Meinung.
Wehrhahn (ungeduldig trommelnd). Schon gut,
ſchon gut, daß wir weiter kommen.
Fleiſcher. Wir fuhren bis in die Nähe der
Schleußen. Da hatte ein Spreekahn angelegt. Das
Eis, wie wir ſahen, war dort aufgeſtaut. Wahr-
ſcheinlich war er dort feſtgefahren.
Wehrhahn. Hm. So. Das intereſſirt uns
nun weniger. Was iſt denn der Kern von der ganzen
Sache?
Fleiſcher (mit Gewalt an ſich haltend). Ich muß ge-
ſtehen, das dieſe Art… Ich komme hierher durchaus
freiwillig, einen freiwilligen Dienſt der Behörde
zu leiſten....
Glaſenapp (frech). Der Herr Amtsvorſteher hat
nicht Zeit. Sie ſollen nur weniger Worte machen.
Sie ſollen es kurz und bündig ſagen.
Wehrhahn (heftig). Die Sache. Die Sache. Was
wollen Sie denn?
Fleiſcher (mit Ueberwindung). Es liegt mir daran,
daß die Sache entdeckt wird. Und im Intereſſe des
alten Herrn Krüger werd’ ich …
Wehrhahn (gähnend, unintereſſirt). Es blendet
mich, ſchließen Sie mal die Rouleaux.
Fleiſcher. Auf dem Kahne befand ſich ein
alter Schiffer — wahrſcheinlich der Eigenthümer des
Schiffes.
Wehrhahn (wie vorher, gähnend). Ja. Höchſt
wahrſcheinlich.
Fleiſcher. Dieſer Mann ſaß auf dem Deck
in einem Pelze, den ich aus der Ferne für Biber hielt.
Wehrhahn (wie vorher). Ich hätt’ ihn vielleicht
für Marder gehalten.
Fleiſcher. Ich fuhr heran, ſo weit es möglich
war und konnte ſo ziemlich gut beobachten. Es war
ein dürftiger, ſchmudlicher Schiffer und der Pelz ſchien
durchaus nicht für ihn gemacht. Es war auch ein
nagelneues Stück...
Wehrhahn (ſcheinbar zu ſich kommend). Ich höre,
ich höre, — nun? Und? was weiter?
Fleiſcher. Was weiter? Nichts!
Wehrhahn (ſcheinbar auflebend). Sie wollten mir
doch eine Anzeige machen. Von etwas Wichtigem
ſprachen Sie doch.
Fleiſcher. Ich habe geſagt, was ich ſagen
wollte.
Wehrhahn. Sie haben uns hier eine Geſchichte
erzählt von einem Schiffer, der einen Pelz trägt.
Nun, Schiffer tragen mitunter Pelze. Das iſt keine
große Neuigkeit.
Fleiſcher. Darüber denken Sie ſo oder ſo.
Unter dieſen Verhältniſſen bin ich am Ende.
(Er
geht ab).
Wehrhahn. Iſt Ihnen wohl ſo was mal
vorgekommen? Der Mann iſt ja bodenlos dumm
außerdem. Ein Schiffer hat einen Pelz angehabt.
Iſt der Mann wohl plötzlich verrückt geworden? Ich
beſitze ja ſelbſt einen Biberpelz. Ich bin doch deshalb
noch lange kein Dieb. — Schockſchwerenoth! was iſt
denn das wieder? Es ſoll wohl heut gar keine Ruhe
werden. (Zu Mitteldorf, der an der Thür ſteht). Sie laſſen
jetzt Niemand weiter herein. Herr Motes, thun Sie
mir den Gefallen, gehen Sie, bitte, rüber in meine
Privatwohnung. Wir können dort ungeſtörter ver-
handeln. — Zum ſo und ſo vielſten Mal dieſer
Krüger. Der iſt ja wie von Taranteln geſtochen.
Wenn der alte Eſel fortfährt, mich zu plagen, da
fliegt er noch mal zur Thüre raus.
(Krüger wird in Begleitung von Fleiſcher und Frau Wolff in der
offnen Thür ſichtbar).
Mitteldorf (zu Krüger). Herr Vorſteher iſt nicht
zu ſprechen, Herr Krüger.
Krüger. Ach was! Nicht zu ſprechen! Das
iſt mir kanz kleichgiltig.
(Zu den Uebrigen). Immer
vorwärts, vorwärts. Das will ich mal ſehen.
(Alle, Krüger voran, treten ein).
Wehrhahn. Ich möchte um etwas mehr Ruhe
bitten. Wie Sie ſehen, habe ich hier noch zu verhandeln.
Krüger. Verhandeln Sie ruhig, wir können
warten. Dann werden Sie wohl auch mit uns ver-
handeln.
Wehrhahn (zu Motes). Alſo bitte, drüben in
meiner Privatwohnung — und wenn Sie Frau Dreier
etwa ſehen, ich möchte ſie auch lieber drüben ver-
hören. Sie ſehen ja ſelbſt: hier iſt es unmöglich.
Krüger (auf Fleiſcher zeigend). Der Herr hier weiß
auch etwas von der Frau Treier. Kann Ihnen ſokar
etwas Schriftliches keben.
Motes. Gehorſamer Diener, empfehle mich
beſtens!
(Ab).
Krüger. Der Mann hat’s nöthig, ſich zu
empfehlen.
Wehrhahn. Ich bitte, enthalten Sie ſich Ihrer
Bemerkungen.
Krüger. Das ſage ich nochmal: der Mann iſt
ein Schwindler!
Wehrhahn (als ob er es nicht gehört, zu Wulkow).
Nun alſo, was giebt’s? Erſt werde ich Sie abfertigen.
Die Bücher, Glaſenapp! — Laſſen Sie mal. Ich
will mir erſt das mal vom Halſe ſchaffen.
(Zu Krüger).
Ich werde erſt Ihre Sache erledigen.
Krüger. Ja, darum wollt ich auch tringend
bitten.
Wehrhahn. Wir wollen mal von dem „dringend“
ganz abſehen. Was hätten Sie alſo für ein Anliegen.
Krüger. Kein Anliegen. Kar kein Anliegen
hab’ ich. Ich komme, mein kutes Recht zu beanſpruchen.
Wehrhahn. Was wäre das für ein gutes Recht?
Krüger. Mein kutes Recht, Herr Amtsvorſteher.
Das Recht, das ich habe, als ein Beſtohlener, daß
die Ortsbehörde mir Beiſtand leiſtet, mein geſtohlenes
Gut zurück zu erhalten.
Wehrhahn. Iſt Ihnen der Beiſtand verweigert
worden?
Krüger. Nein, Kar nicht. Das kann ja auch
kar nicht ſein. Aber dennoch ſehe ich, daß nichts ke-
ſchieht. Die kanze Sache nimmt keinen Fortgang.
Wehrhahn. Sie glauben, das geht ſo im
Handumdrehen.
Krüger. Ich klaube kar nichts, Herr Amtsvor-
ſteher. Ich wäre dann wohl nicht hergekommen. Ich
habe vielmehr beſtimmte Beweiſe. Sie nehmen ſich
meiner Sache nicht an.
Wehrhahn. Ich könnte Sie jetzt ſchon unter-
brechen. Etwas weiteres der Art anzuhören, läge
ganz außer meiner Amtspflicht. Einſtweilen reden
Sie aber nur weiter.
Krüger. Sie könnten mich kar nicht unter-
brechen. Als preußiſcher Staatsbürger habe ich
Rechte. Und wenn Sie mich hier auch unterbrechen, dann
kiebt es andere Orte zum Reden. Sie nehmen ſich
meiner Sache nicht an.
Wehrhahn (ſcheinbar gelaſſen). Nun bitte, wollen
Sie das begründen.
Krüger (auf die Wolffen und ihre Tochter weiſend). Hier,
dieſe Frau iſt zu Ihnen gekommen. Ihre Tochter
hat einen Fund kemacht. Sie hat den Weg nicht
keſcheut, Herr Vorſteher, obkleich ſie doch eine arme
Frau iſt. Sie haben ſie einmal abkewieſen und heute
iſt ſie wieder gekommen ...
Frau Wolff. Er hatte halt doch keine Zeit,
der Herr Vorſteher.
Wehrhahn. Ach bitte, weiter ...
Krüger. Ich bin auch durchaus noch lange
nicht fertig. Was haben Sie zu der Frau keſagt?
Sie haben der Frau kanz einfach keſagt: Sie hätten
jetzt keine Zeit für die Sache. Sie haben nicht einmal
die Tochter verhört. Sie wiſſen auch nicht den
keringſten Umſtand; von dem kanzen Vorfall wiſſen
Sie kar nichts.
Wehrhahn. Jetzt möcht’ ich Sie bitten, ſich
etwas zu mäßigen.
Krüger. Ich bin kemäßigt, ich bin ſehr kemäßigt.
Ich bin viel zu kemäßigt, Herr Amtsvorſteher. Ich
bin noch ein viel zu kemäßigter Menſch. Was ſollte
ich ſonſt zu ſo etwas ſagen? Was iſt das für eine
Art Unterſuchung? Dieſer Herr hier, Herr Fleiſcher,
iſt bei Ihnen keweſen, mit einer Beobachtung, die er
kemacht hat. Ein Schiffer trägt einen Biberpelz ...
Wehrhahn (die Hand erhebend). Pſt, warten Sie
mal!
(Zu Wulkow). Sie ſind doch Schiffer?
Wulkow. Seit dreißig Jahren hebb’ ick je-
ſchiffwerkt.
Wehrhahn. Sie ſind wohl ſchreckhaft? Sie
zucken ja ſo.
Wulkow. Ick hebbe mir richtig ’n bisken ver-
ſchrocken.
Wehrhahn. Tragen nun die Spreeſchiffer öfter
Pelze?
Wulkow. Manch Eener hat ſeinen Pelz, immerzu.
Wehrhahn. Der Herr dort hat einen Schiffer
geſehn, der hat im Pelz auf dem Deck geſtanden.
Wulkow. Da is niſcht Verdächtijes bei, Herr
Vorſteher. Da ſin ville, die ſchöne Pelze habn. Ick
hebbe ſojar all ooch ſelber eenen.
Wehrhahn. Na ſehn Sie, der Mann hat
ſelbſt einen Pelz.
Fleiſcher. Aber ſchließlich doch keinen Biberpelz.
Wehrhahn. Das haben Sie ja nicht genau
geſehen.
Krüger. Wa? hat der Mann einen Biberpelz?
Wulkow. Da jiebt et ville, kann ick Ihn ſachen,
die hebben de ſchönſten Biberpelze. Warum ooch nich?
’s Jeld langt ja all zu.
Wehrhahn (im Vollgefühle des Triumphes mit gemachter
Gleichgültigkeit). So.
(Leichthin). Bitte fahren Sie fort,
Herr Krüger. Das war nur ſo ein kleiner Abſtecher.
Ich wollte Ihnen nur mal vor Augen führen, was es
auf ſich hat mit dieſer „Beobachtung“. — Sie ſehen,
der Mann hat ſelbſt einen Pelz.
(Wieder heftig). Es wird
uns doch deshalb im Traume nicht einfallen, zu ſagen:
er hätte den Pelz geſtohlen. Das wäre ja eine Ab-
ſurdität.
Krüger. Wa? Ich verſtehe kein Wort davon.
Wehrhahn. Da muß ich noch etwas lauter
reden. Und da ich mal gerade im Reden bin, da
Der Biberpelz. 7
möchte ich Ihnen auch gleich mal was ſagen. Nicht
in meiner Eigenſchaft als Beamter, ſondern einfach
als Menſch wie Sie, Herr Krüger. Ein immerhin
ehrenwerther Bürger, der ſollte mit ſeinem Vertrauen
mehr haushalten, — ſich nicht auf das Zeugniß von
Leuten berufen ....
Krüger. Mein Umkang, mein Umkang ...?
Wehrhahn. Jawohl, Ihr Umgang.
Krüger. Da geben Sie nur auf ſich ſelber
Acht. Solche Leute, wie Motes, mit dem Sie um-
kehen, die ſind bei mir aus dem Hauſe keflogen.
Fleiſcher. Dem Mann, der in Ihrer Privat-
wohnung wartet, dem hab ich bei mir die Thür ge-
wieſen.
Krüger. Er hat mich um meine Miethe be-
ſchwindelt.
Frau Wolff. Da ſein er nich viele hier am
Orte, die der nich hat hinten un vorne beſchwindelt,
um Böhms, um Märker, um Thaler, um Goldſticke.
Krüger. Der Mann hat das richtige Steuer-
ſyſtem.
Fleiſcher (zieht aus ſeiner Taſche ein Papier). Der
Mann iſt auch reif für den Staatsanwalt.
(Er legt das
Papier auf den Tiſch). Ich bitte gefälligſt, das durch-
zuleſen.
Krüger. Das Blatt hat Frau Dreier ſelbſt unter-
ſchrieben. Er hat ſie zum Meineid verleiten wollen.
Fleiſcher. Sie hat ſollen ausſagen gegen mich.
Krüger (Fleiſcher anfaßend). Das iſt ein unpe-
ſcholtner Mann und den will dieſer Schuft in’s Elend
bringen. Und Sie reichen dem Menſchen dazu die Hand.
(Sprechen gleichzeitig.)
Wehrhahn. Ich bin nun am Ende mit meiner
Geduld. Was Sie mit dem Manne zu verhandeln
haben, das geht mich nichts an und iſt mir auch
gleichgiltig.
(Zu Fleiſcher). Entfernen Sie mal den
Wiſch da gefälligſt.
Krüger (abwechſelnd zur Wolffen und zu Glaſenapp).
Das iſt der Freund des Herrn Amtsvorſtehers. Das
iſt der Kewährsmann. Ein ſchöner Kewährsmann.
Ein Revolvermann wolln wir mal lieber ſagen.
Fleiſcher (zu Mitteldorf). Ich bin keinem Menſchen
Rechenſchaft ſchuldig. Was ich thu und laſſe iſt meine
Sache. Mit wem ich umgehe iſt meine Sache. Was
ich denke und ſchreibe iſt meine Sache.
Glaſenapp. Man kann ja ſein eigenes Wort
nicht verſtehen, Herr Vorſteher, ſoll ich vielleicht den
Gendarm holen? Ich ſpringe ſchnell rüber, Mittel-
dorf! ...
Wehrhahn. Ich bitte um Ruhe.
(Ruhe tritt ein.
Zu Fleiſcher). Entfernen Sie mal den Wiſch da gefälligſt.
Fleiſcher (thut es). Der Wiſch da kommt vor
den Staatsanwalt.
Wehrhahn. Das mögen Sie halten, wie Sie
wollen.
(Er ſteht auf und nimmt aus dem Schrank das Packet
der Frau Wolff). Damit dieſe Sache nun aus der Welt
kommt.
(Zu Frau Wolff). Wo haben Sie alſo das
Ding gefunden?
7*
Frau Wolff. Ich hab’s doch gar nich gefunden,
Herr Vorſteher.
Wehrhahn. Na wer denn ſonſt?
Frau Wolff. Meine jingſte Tochter.
Wehrhahn. Warum haben Sie die nicht mit-
gebracht?
Frau Wolff. Sie war ja doch da, Herr Amts-
vorſteher. Ich kann ſe ja auch ſchnell rieberholen.
Wehrhahn. Das verzögert doch aber die Sache
bedeutend. Hat Ihnen das Mädel denn nichts erzählt?
Krüger. Sie ſagten doch, auf dem Wege zum
Pahnhof.
Wehrhahn. Der Dieb iſt alſo wohl nach Berlin.
Da werden wir ſchlechtes Suchen haben.
Krüger. Ich klaube das kar nicht, Herr Amts-
vorſteher. Herr Fleiſcher hat eine kanz richtike An-
ſicht. Die kanze Sache mit dem Packet iſt angelegt,
um uns irre zu führen.
Frau Wolff. Doch noch! Das kann ganz gutt
meglich ſein.
Wehrhahn. Na, Wolffen, Sie ſind doch
ſonſt nich ſo dumm. Was hier geſtohlen wird, geht
nach Berlin. Der Pelz war längſt in Berlin verkauft,
noch eh’ wir hier wußten, daß er geſtohlen war.
Frau Wolff. Herr Vorſteher, nee, ich kann
mer nich helfen. Da bin ich doch nich ganz Ihrer
Meenung. Wenn der Dieb in Berlin is, da mecht
ich wiſſen: was braucht der a ſo a Packet zu verlieren.
Wehrhahn. Man verliert doch ſowas nicht
immer abſichtlich.
Frau Wolff. I ſehn Se ſich bloß das Packet
a Mal an, da is alles ſo ſcheene zuſamm’ gepackt,
de Weſte, der Schliſſel, das Stickel Papier ...
Krüger. Ich klaube, der Dieb iſt hier am Ort.
Frau Wolff (Krüger beſtärkend). Na ſehn Se,
Herr Krieger.
Krüger (beſtärkt). Das klaub ich beſtimmt.
Wehrhahn. Bedaure, ich neige nicht zu der
Anſicht. Ich hab’ eine viel zu lange Erfahrung...
Krüger. Was? Eine lange Erfahrung? Hm!
Wehrhahn. Gewiß. Auf Grund dieſer langen
Erfahrung weiß ich, daß dieſe Möglichkeit kaum in
Betracht kommt.
Frau Wolff. Na, na, ma ſoll niſcht verreden,
Herr Vorſchteher.
Krüger (mit Bezug auf Fleiſcher). Er hat aber doch
einen Fiſcher geſehen...
Wehrhahn. Ach, kommen Sie doch nicht mit
dieſer Geſchichte. Da müßt’ ich ja alle Tage Haus-
ſuchung halten, mit zwanzig Gendarmen und Poliziſten.
Da müßt’ ich bei jedem Einzelnen hausſuchen.
Frau Wolff. Da fangen Se ock gleich bei
mir an, Herr Vorſcheher.
Wehrhahn. Na, iſt denn ſowas nicht lächerlich.
Nein, nein, meine Herren, ſo geht das nicht. So
kommen wir nun und nimmer zu etwas. Sie müſſen
mir gänzlich freie Hand laſſen. Ich habe ſchon
meine Verdachte gefaßt und will einſtweilen nur noch
beobachten. Es giebt hier ſo einige dunkle Geſtalten,
die hab’ ich ſchon lange auf’s Korn genommen.
Frühzeitig fahren ſie rein nach Berlin mit ſchweren
Hucken auf dem Rücken und Abends kommen ſie leer
zurück.
Krüger. Die Chemüſefrauen gehen wohl ſo
mit ihrem Chemüſe auf dem Rücken.
Wehrhahn. Nicht nur die Gemüſefrauen, Herr
Krüger. Ihr Pelz iſt wahrſcheinlich auch ſo gereiſt.
Frau Wolff. Das kann halt eben ooch meeglich
ſein. Unmeeglich is halt niſcht uff der Welt.
Wehrhahn. Na alſo. Nun? Sie wollen an-
melden.
Wulkow. ’N kleenet Mä’chen, Herr Amts-
vorſteher.
Wehrhahn. Ich werde alſo mein Möglichſtes
thun.
Krüger. Ich laſſe nicht eher Ruhe, Herr Vor-
ſteher, als bis ich zu meinem Pelze komme.
Wehrhahn. Nun, was gemacht werden kann,
wird gemacht. Die Wolffen kann ja mal ’n bischen
rumhören.
Frau Wolff. Uff ſowas verſteh’ ich mich
eemal zu ſchlecht. Aber wenn a ſowas nich raus-
kommt, nee, nee, wo bleibt da ock alle Sicherheet.
Krüger. Sie haben kanz recht, Frau Wolffen,
kanz recht.
(Zu Wehrhahn). Ich bitte das Päckchen
kenau zu beſichtigen. Es iſt eine Handſchrift auf
dem Zettel, die zu einer Entdeckung führen kann.
Und übermorgen früh, Herr Vorſteher, werd’ ich
wieder ſo frei ſein, nachzufragen. Kuten Morgen!
(Ab).
Fleiſcher. Guten Morgen.
(Ab).
Wehrhahn (zu Wulkow). Sie ſind wie viel Jahr
alt? Guten Morgen, guten Morgen! — — — Bei
den beiden Kerls iſt was los da oben.
(Zu Wulkow).
Wie heißen Sie!
Wulkow. Auguſt Philipp Wulkow.
Wehrhahn (zu Mitteldorf). Gehen Sie mal rüber
in meine Wohnung. Da ſitzt der Schriftſteller Motes
und wartet. Sagen Sie ihm, es thät mir leid, ich
hätte heut morgen anderes zu thun.
Mitteldorf. Da ſoll er nich warten?
Wehrhahn (barſch). Nicht warten! Nein!
(Mitteldorf ab).
Wehrhahn (zu Frau Wolff). Iſt Ihnen der Schrift-
ſteller Motes bekannt?
Frau Wolff. Bei ſowas, wiſſen ſe, da ſchweig
ich lieber. Da könnt ich Ihn nich viel Guttes erzählen.
Wehrhahn (ironiſch). Von Fleiſcher dagegen um
ſo mehr.
Frau Wolff. Das is Ihn ooch wirklich kee
ibler Mann.
Wehrhahn. Sie wollen wohl’n bischen vor-
ſichtig ſein?
Frau Wolff. Nee, wiſſen Se, dazu taug’ ich
niſcht. Ich bin immer geradezu, Herr Vorſchſteher.
Wenn ich mit’m Maule nich immer ſo vorneweg wär’,
da hätt’ ich könn’ ſchonn viel weiter ſein.
Wehrhahn. Bei mir hat Ihnen das noch nich
geſchadet.
Frau Wolff. Bei Ihn nich, nee, Herr Amtsvor-
ſteher. Sie kenn’ ooch a offnes Wort vertragen. Vor
Ihn da braucht ma ſich nich zu verſtecken.
Wehrhahn. Kurz: Fleiſcher, das iſt ein
Ehrenmann.
Frau Wolff. Das is a ooch, ja das is a ooch.
Wehrhahn. Na, denken Sie mal an Ihr
heutiges Wort.
Frau Wolff. Und Sie an meins.
Wehrhahn. Gut, wollen mal ſeh’n.
(Er dehnt
ſich, ſteht auf und vertritt ſich die Beine. Zu Wulkow). Das iſt
nämlich hier unſre fleißige Waſchfrau. Die denkt,
alle Menſchen ſind ſo wie ſie.
(Zu Frau Wolff). So
iſt’s aber leider nicht in der Welt. Sie ſehen die
Menſchen von außen an. Unſereins blickt nun ſchon
etwas tiefer.
(Er geht einige Schritte, bleibt dann vor ihr ſtehen
und legt ihr die Hand auf die Schultern). Und ſo wahr es
iſt, wenn ich hier ſage: die Wolffen iſt eine ehrliche
Haut, ſo ſage ich Ihnen mit gleicher Beſtimmtheit:
Ihr Doktor Fleiſcher, von dem wir da ſprachen, das
iſt ein lebensgefährlicher Kerl!
Frau Wolff (reſignirt den Kopf ſchüttelnd). Da wees
ich nu nich ...