Heidelberg, den 25 Mai.
Geſtern, Abends um 10 Uhr, iſt von Karlsruhe
eine Stafette an die Kreisregierung nach Mann-
heim gekommen, deren Jnhalt authentiſch folgender
ſeyn ſoll: Die K. baieriſche Regierung hat das
Miniſterial-Reſcript vom 19 d. zurückgenommen —
aus der Urſache — wie es heißt, weil Lord Grey’s Re-
inſtallirung erſt ſpäter in München bekannt gewor-
den; künftig ſoll es daher Niemandem mehr ver-
wehrt ſeyn, auf das Hambacher Feſt zu reiſen, oder
demſelben beizuwohnen. Alsbald nachdem dieſe Ver-
fügung kund geworden, entſtand allgemeine Bewe-
gung, und eine Maſſe von Leuten machte ſich nach
Neuſtadt, Türkheim und Homburg auf den Weg.
Es erklärt ſich jetzt nach allem Vorhandenen immer
mehr, daß das Feſt auf Hambach zu einem wahren
Nationalfeſte eingerichtet und nichts unterlaſſen
worden iſt, um das Jntereſſe aller ſüd- und mittel-
deutſchen Bevölkerungen für daſſelbe zu gewinnen.
Aus Kurheſſen, aus Naſſau, Rheinpreußen und Heſ-
ſen ſtrömen die Bürger in Schaaren dahin. Aus
Mainz allein, der Bundesfeſtung, erſchien ein Zug
von 400 vereinigten Bürgern. Die Zahl der aus
Frankfurt, Baden und Würtemberg Abgegangenen
und Abgehenden kann mit Beſtimmtheit noch nicht
angegeben werden. Aus Nürnberg und Baireuth
ſollen beſonders viele Menſchen hingezogen ſeyn;
auch Franzoſen und Polen, namentlich aus Straß-
burg und dem übrigen Elſaß, erwartet man als
Gäſte zu Hambach. Ueber die Namen der franzö-
ſiſchen Deputirten, welche ebenfalls erſcheinen ſollen,
iſt noch nichts beſtimmt. Jm Augenblicke erfährt
man, daß mehrere Wagen voll Studirender aus
Freiburg in Mannheim eingetroffen ſind, um ſich
den 300 Heidelberger Brüdern, welche bereits dahin
abgegangen, zum allgemeinen deutſchen Volks- und
Einheitsfeſte anzuſchließen. Es ſoll ein großer ge-
regelter Zug von Mannheim aus nach Hambach ver-
anſtaltet ſeyn. Jm Ganzen iſt es ein feltſames
Spiel, welches die Parteien unter und mit ſich trei-
ben; der Himmel weiß, was aus dem wunderlichen
Chaos werden ſoll. Alle Geſchäfte ſtocken, und Nie-
mand denkt an die Arbeit. Die Politik verſchlingt
Alles.
Neuſtadt an der Hardt (Rheinbaiern),
den 26 Mai.
Die Feier des deutſchen Maifeſtes hat ſchon heute,
am Vorabende, ihren Anfang gehabt. Es war über-
raſchend, auf den nach allen Seiten hin zuführenden
Chauſſeen große Züge von Männerſchaaren auf un-
zähligen Wagen und Chaiſen unſrer Stadt ſich nä-
hern zu ſehen. Jeder ankommende Zug wurde mit
freudigem Jubel begrüßt. Die Wagen waren mit
friſchem Laub bedeckt. Dreifarbige Fahnen flatter-
ten an der Spitze der Züge. Heute um 3 Uhr war
ſchon keine Unterkunft mehr in den Gaſthäuſern
zu finden. Es war jedoch die ſchöne Vorkehrung
getroffen, daß die Fremden mit der größten Bereit-
willigkeit in Privatwohnungen aufgenommen werden
konnten. Das Schloß Hambach war heute ſchon
über und über mit Menſchen bedeckt. Alles iſt auf
das Trefflichſte daſelbſt angeordnet. Ringsum iſt
die herrliche, einen ungeheuren Umfang bildende
Ruine des alten Schloſſes mit friſchen Laubkränzen
umhangen. Der ganze Berg iſt mit Zelten und
Trinkgelagen beſtellt, und auf der höchſten Spitze
des alten Schloßthurmes weht die dreifarbige Na-
tionalfahne (Schwarz, Roth und Gold). So eben
brennt ein großes Freudenfeuer auf dem Schloſſe;
es iſt ſchon ſpät in der Nacht. Morgen um 9 Uhr
geht die ungeheure Volksmaſſe in feierlichem Zuge
auf das Schloß.
Neuſtadt an der Hardt, den 28 Mai.
Am 27 d. feierte man, ſowohl in Alt- als in
Neubaiern, in vielen Städten den Tag, wo Baiern
von ſeinem verſtorbenen Könige Max eine Conſtitu-
tion erhielt. Damit aber an dieſer ſchönen, lobens-
werthen Feier auch jeder Deutſche, ſo wie auch
jeder Ausländer Antheil nehmen konnte, ließen die
würdigen, ihre Freiheit, ihre Geſetze liebenden
Rheinbaiern eine ganz beſondere Einladung an jene
ergehen, und es wurde ſomit ein deutſches Volks-
feſt. Dieſes wurde heute, am 27 d., auf dem
eine kleine Stunde von Neuſtadt entfernt gelegenen
Schloſſe Hambach, bei einem Zuſammenfluſſe von
etwa 30,000 Menſchen jeden Standes, beſonders aber
der gebildeten, abgehalten. Schon am Vorabende
des Feſttages wurde die folgewichtige Feier deſſel-
ben mit dem Anſtecken eines Freudenfeuers auf der
Höhe des Schloßberges, dem Abfeuern von Böllern,
mit froher Muſik und dem Jubelgeſchrei der Volks-
menge eröffnet. Theilweiſe zogen am Sonnabend
Mittag aus den benachbarten Städten Zweibrücken,
Speyer, Worms, Landau, Kaiſerslautern, Türk-
heim, Mainz, Heidelberg, Straßburg, Weiſenburg,
Mannheim, zum Theil klingenden Spiels und unter
dem Zujauchzen der Menge, geordnete Züge von
allen Seiten in die engen Straßen Neuſtadts ein.
Große ſechsſpännige Leiterwagen waren mit friſchem,
in Reife gebildetem Laubwerke bedeckt, und jedem
Zuge wehete ſeine Standarte voran. Bis ſpät in
die Nacht ertönten in den Straßen Nationalgeſänge.
Die Stunde der Zuſammenkunft an dem andern
Morgen wurde auf 8 Uhr feſtgeſetzt. Um dieſe Zeit,
und ſchon viel früher, verſammelte man ſich auf dem
Marktplatze, und bald darauf ſetzte ſich der mächtige
Zug in Bewegung nach der Höhe des Schloßberges.
Jetzt wurde von den Akademikern der verſchiedenen
benachbarten Univerſitäten, die in großer Anzahl
gegenwärtig waren, ein allgemeines deutſches Na-
tionallied angeſtimmt, in das die geſammte Menge
des Zuges einfiel. Türkiſche Muſik ging dem Zuge
klingenden Spiels vorauf, und etwa 16 Fahnen
flatterten aus dem Zuge hervor, dem von der Höhe
des Schloſſes herab das Feuer der Böller entgegen-
donnerte. Der ungeheure Umfang des Berges war
bei der Ankunft des Zuges ſchon ringsum mit Men-
ſchen bedeckt, und nur mit großer Mühe konnte ſich
letzterer Bahn brechen. — Eben, als die ungeheure
Menge, Kopf an Kopf, hin und her wogte, hätte
beinahe ein großes Unglück auf eine traurige
Weiſe das Feſt geſtört. Ein, jede Gefahr nicht
ſcheuender Wagehals war auf die äußerſte Höhe
eines morſchen Mauerwerks geſtiegen, und ſtehe!
ein Theil deſſelben, aus großen Quaderſteinen
zuſammengeſetzt, löste ſich durch einen bedeuten-
den Sprung los; zum größten Glücke aber hielt ſich
der große abgelöſete Theil der Mauer noch feſt, ſo
daß nur ein kleiner Theil von abgelöſeten Steinen
herabfiel, aber leider doch 8 — 9 Perſonen ſehr ſtark
verwundete. Die große Angſt der unter der Mauer
noch Stehenden darüber, der übrige größere Theil
der Mauer möchte auch noch herabfallen, führte, da
ſie ſich flüchteten, eine kleine Unordnung herbei, die
aber bald wieder aufhörte, und auf der Stelle ſam-
melte man für die ſo eben Verunglückten milde Ga-
ben ein, die außerordentlich zahlreich ausfielen. —
Etwa 16 lange Tafeln, an welchen ungefähr 1300
Perſonen Platz fanden, und die mit köſtlichen Spei-
ſen und guten Weinen beſtellt und auf das Schönſte
geordnet waren, zogen ſich auf der Weſt- und Nord-
ſeite an den Mauern längs des Schloſſes hin, und
auf einem etwas erhabenen Punkte vor denſelben war
die einfache Rednerbühne angebracht. Die Schloß-
mauern waren ringsum mit Laubkränzen umhangen.
Jetzt ertönte das Zeichen, durch welches die verſchie-
denen Volksredner auf die Tribüne berufen wurden,
und Dr. Hepp aus Neuſtadt hielt die Eröffnungs-
rede, dem eigentlichen Zwecke des Feſtes angemeſſen,
kraftvoll und würdig. Jm folgten Dr. Sieben-
pfeiffer und Dr. Wirth. Hierauf folgte die lange
kraftvolle Rede des Abgeſandten aus dem überrhei-
niſchen Fürſtenthume Lichtenberg, des Advokaten
Hallauer aus St. Wendel. Dieſer Redner machte
den Schluß vor dem Anfange des Mittagsmahles.
Nach Beendigung deſſelben, das durch einen kurzen
Regen um etwas geſtört wurde, trat Hr. Barth
aus Zweibrücken auf die Rednerbühne. Jhm folgte
der Redacteur des “Wächters am Rhein”, Hr.
Strohmeyer, und dieſem H. Brückmann, vormali-
ger Redacteur der “Zeit.” Alsdann betraten die
HH. Piſtor und Hochdörfer, Pfarrer, beide zu-
gleich an verſchiedenen Stellen die Rednerbüh-
nen. Der Redacteur des “Hochwächters”, Hr. Loh-
bauer aus Stuttgart, brachte, als der Pfarrer Hoch-
dörfer ſeine lange Rede geendigt hatte, aus Wür-
temberg einen freundlichen, herzlichen Gruß mit,
welchen man mit freudigem Rufe bewillkommte. So
folgte ein Redner auf den andern. Einen ganz be-
ſonderen Anklang fand die Rede des Hrn. Corne-
lius; ſie war natürlich, offen und frei, ganz unvor-
bereitet geſprochen, und dauerte gewiß unausgeſetzt
eine ganze Stunde. Jhm wurde aber auch der größte
Beifall gezollt. Zu derſelben Zeit, als Hr. Corne-
lius ſprach, redete auch unter großem Applaus des
Volkes Dr. Große zu demſelben. Auch zwei Polen
und ein Abgeordneter aus dem Elſaß nahmen das
Wort, und auch ihre Reden, in unſrer Mutterſprache
gehalten, wurden mit Beifall aufgenommen. —
Fortwährend donnerten inzwiſchen die Böller von
der Höhe des Berges herab, und ſchon, als die Nacht
hereinbrach, war an ein Ende des Volksjubels nicht
zu denken. Man ſang und lärmte, und brachte feier-
liche Toaſte aus, bis man ſich endlich anſchickte,
nach der Stadt zurückzukehren. Da wogte die
Volksmenge in den Straßen umher. Der Feſt-
tag endigte ſich ſpät mit mehreren Bällen. Anwe-
ſend waren an dieſem Tage, ſo viel man hörte, meh-
rere naſſauiſche und badiſche Deputirte, unter letz-
teren Hr. v. Jtzſtein aus Mannheim; auch Börne,
der Sohn des Generals Lamarque, und noch andere
bemerkenswerthe Männer. Von den würtembergiſchen
HH. Landtagsdeputirten aber war keiner gegenwär-
tig, ſo viel man erfahren konnte; auch Hr. v. Rot-
teck war abgehalten, dieſem Feſte beizuwohnen, wel-
ches alle Anweſenden bedauerten, da man ihm einen
ſilbernen Eyrenbecher überreichen wollte. — Bei dem
ganzen Feſte fiel auch nicht die geringſte Störung
vor, und die Ordnung des Feſtes hielten lediglich
etwa 80 Mann Reuſtädter Bürgergarden aufrecht.
Beſonders aber auch dem Stadtrathe von Neuſtadt
gebührt wegen ſeinen einſichtsvollen Vorkehrungen
und Anordnungen ehrenvolle Anerkenntniß. — Auch
heute Morgen war eine abermalige Verſammlung
auf dem der Stadt näher belegenen Schießhaus an-
geſagt, bei welcher ſich gleichfalls viele, und zwar
die bedeutendſten Männer, einfanden.
Oppenheim, den 29 Mai.
Geſtern früh wurde noch eine höchſt merkwürdige
Verſammlung in einem Saale zu Neuſtadt gehalten,
worin man Ausſchüſſe oder Repräſentanten aus allen
Theilen Deutſchlands zu bilden ſuchte. Auch Harro-
Harring ſprach in dieſer Verſammlung. Börne be-
kam von den deutſchen Studenten eine Nachtmuſik.
Es waren zwar viele ausgezeichnete Männer aus
allen deutſchen Ländern zugegen, darunter viele durch
parlamentariſche Acten und Reden bekannte Männer,
aus Baden, Churheſſen, Großherzogthum Heſſen,
Naſſau, Sachſen ꝛc., wenige davon traten aber als
öffentliche Sprecher auf.
Frankfurt, den 23 Mai.
Die Unterſuchung der bekannten “Proteſtation
deutſcher Bürger für Preßfreiheit” dauert bei dem
hieſigen Polizei-Amte fort. Zwei Profeſſoren des
hieſigen Gymnaſiums (mit Frau und Kindern) ha-
ben, durch die Drohung eingeſchüchtert, ſie würden
ihre Stellen verlieren, widerrufen. Sämmtliche
Lehrer der Muſterſchule hingegen, an der Spitze
Director Bagge, haben eine ſchriftliche Erklärung
abgegeben, daß ſie ſich nie zu dieſem Schritte be-
quemen würden. Das Polizei-Amt, unterm Vor-
ſitze des jüngeren Bürgermeiſters, hält nun täglich
Verhör, wobei die Ausſagen jedes Einzelnen zu Pro-
tokoll genommen werden; ein ſolches Verhör dauert
oft zwei Stunden; 270 Bürger ſind zu verhören.
(Han. Ztg.)
München, den 27 Mai.
Seit der Abweſenheit des Königs circuliren hier
die verſchiedenartigſten Gerüchte; in höheren Cir-
keln erzählt man ſich, der König habe kurz vor ſei-
ner Abreiſe geäußert, er werde bald energiſche Maaß-
regeln gebrauchen müſſen, welche aber zur Erhal-
tung der Ruhe unerläßlich wären. Schwachköpfe
folgern daraus, es gelte die Zurücknahme der Ver-
faſſung und bringen damit die Sendung des Ge-
neral-Feldmarſchalls Fürſten v. Wrede in Verbin-
dung! Wer den Charakter unſres Königs kennt
und wer die beſtimmten Erklärungen der Staats-
zeitung je geleſen hat, wird ein ſolches, von Bös-
willigen ausgeſprengtes Gerede nur verachten.
Privatbriefe melden, daß ſich gegen Braunau und
Tyrol zu große öſterreichiſche Truppenmaſſen con-
centriren. Die Zeitungen ſchweigen hierüber.
Seit einigen Tagen ſind die Conferenzen des fran-
zöſiſchen Geſandten mit dem Miniſter der auswär-
tigen Angelegenheiten ſehr häufig und nehmen einen
großen Theil der Nächte weg. Der Courierwechſel
mit Wien und Berlin iſt ebenfalls außerordentlich
ſtark und ſchnell.
Jn Augsburg, Nürnberg und Würzburg wird der
heutige Tag mit öffentlichen Aufzügen der Bürgerſchaft,
Feſtmuſiken ꝛc. gefeiert werden. Jn der Handelsſtadt
Augsburg zeigt ſich, dem Vernehmen nach, ein ge-
wiſſer Oppoſitionsgeiſt, wenigſtens iſt dort der Sitz
mehrerer Oppoſitions-Journale. Die Redacteure
Oeſterreicher und Kurz ſind von der Regierung aus
Augsburg verwieſen worden, haben aber dagegen
den Recurs an das Miniſterium eingelegt. Der
Letztere iſt vorgeſtern verhaftet und in die Frohn-
Veſte abgeführt worden. — Die Zeitungen bezeich-
nen als Redacteur der Zeitſchrift “Altbaiern” den
Profeſſor Görres; es iſt aber Freiherr v. Lich-
tenſtein, ein durch Geiſt und Kenntniſſe ausgezeich-
neter Mann.
Die Königin geht mit dem 1 k. M. nach Dob-
beran in die Seebäder. JJ. KK. HH. Herzog und
Herzogin Max reiſen nach Wien, wohin in Kurzem
auch die Königin Wittwe nachfolgt. Die Herzogin
v. Leuchtenberg geht auf ihre Güter. So trifft es
durch einen ſonderbaren Zufall, daß hier in Mün-
chen kein einziges von den hohen Häuptern auf
einige Zeit ſeyn wird.
Jn Regensburg iſt am 20 d. der Biſchof v. Sai-
ler, Großkreuz des Civil-Verdienſt-Ordens der baier-
ſchen Krone, im 81ſten Jahre ſeiner ruhmvollen
Laufbahn geſtorben; er hatte ſich durch ſeine Her-
zensgüte und Gelehrſamkeit viel Verehrer erworben.
Muͤnſter, der 28 Mai.
Heute iſt hier die Nachricht eingegangen, daß das
ſeit mehreren Monaten aus den Rheinprovinzen in
die hieſige Provin g z dislocirte 4te Armee-Corps Be-
fehl erhalten, am 5 Juni den Rückmarſch nach ſeinen
früheren gewöhnlichen Standquartieren, im Magde-
burgiſchen, anzutreten. Wie es heißt, wird die zu
obigem Armee-Corps gehörende, ſeit einer Reihe
von Jahren hier ſtationirte 4te Artillerie-Brigade
demſelben folgen. Dieſe allerhöchſten Anordnungen
ſind uns eine neue Bürgſchaft, daß der allgemeine
Friede nicht geſtört werden wird, wie drohend ſich
auch die Verhältniſſe zwiſchen Holland und Belgien
in der letzten Zeit geſtalten.
Hannover, den 1 Juni.
Vorgeſtern Nachmittags waren ſämmtliche Mit-
glieder der Stände-Verſammlung, nebſt den höchſten
Landesbehörden und dem diplomatiſchen Corps, bei
dem Vicekönige zur Tafel vereinigt. Als die Ge-
ſundheiten ausgebracht wurden, ſprachen Se. K. H.
folgende Worte: “Jch ſchlage eine Geſundheit vor,
wovon Jch weiß, daß kein Mitglied in dieſer gan-
zen Verſammlung iſt, welches ſie nicht gern mit-
trinken wird: die Geſundheit des Landesvaters; und
Jch thue dieſes um ſo lieber, als Niemand in die-
ſer Verſammlung es ſo gut wiſſen kann, als Jch
es weiß, daß der König ſelbſt in der letzten,
durch die bekannten Verhältniſſe in England für
ihn ſo ſchweren Zeit, ſich mit der größten Auf-
merkſamkeit und Anſtrengung der Bedürfniſſe ſeiner
Hannoveraner angenommen, und Alles, was ihm
deshalb vorgelegt werden mußte, ſelbſt geleſen und
ſorgfältig ſelbſt erwogen hat. Laſſen Sie uns auf
die Geſundheit unſres Landesvaters trinken.”
Schreiben aus Wien, vom 26 Mai.
Geſtern iſt in dem Beſinden Sr. D. des Herzogs
v. Reichſtadt wieder eine bedenkliche Kriſis einge-
treten.
Jn unſrer Armee werden gegenwärtig viele durch
hohes Alter zum Felddienſte nicht mehr geeignete
Generale in den Ruheſtand verſetzt; ihre Zahl be-
trägt einige dreißig. Bei Gelegenheit des dadurch
veranlaßten Avancements haben Se. Mai. der Kai-
ſer zu befehlen geruht, daß jetzt und in Zukunft nie
mehr ein Oberſt zum General-Major vorgeſchlagen
werden ſolle, deſſen körperliche Beſchaffenheit der
Art iſt, daß er den Beſchwerden des Kriegsdienſtes
nicht mehr gewachſen wäre.
Schreiben aus Krakau, vom 15 Mai.
(Eingeſandt.)
Der Continent von Europa war immer gewohnt,
das Parlament Großbrittanniens als den einſamen
Ort anzuſehen, wo ernſthafte und hohe Dinge auch
mit Ernſt und Hoheit beſprochen würden. Ver-
nimmt man anderwärtsher die ſtürmiſche Beredſam-
keit der Leidenſchaften oder den langweilig pedanti-
ſchen Vortrag unpraktiſcher Gelehrſamkeit — beides
gleich unerträglich — ſo thut ein Blick auf jenes
Felſen-Eiland wohl, wo man Alt-Englands Roth
und die Händel der Welt mit Wärme und doch mit
männlicher Ruhe, mit Ehrfurcht vor dem Gegen-
ſtande und mit Kenntniß deſſelben, mit rechtſchaffe-
nem Jntereſſe an der Sache und mit frommer Scheu
vor dem hiſtoriſchen Rechte berathen ſteht. Der müde
Geiſt des politiſchen Beobachters darf hier ausru-
hen, er hat ſichern Boden, Ankergrund. Vergeſſen
auch zu Zeiten einige Redner die der Würde jenes
Orts angemeſſene Sprache der Wahrheit, der Un-
parteilichkeit, des Rechts und des höchſten Anſtan-
des, das Parlament von England geht ſchuldlos
durch die Reihen der Schuldigen. Denn nur Per-
ſonen gilt der Ruf zur Ordnung. Ob dieſen Ruf
Hr. Cutlar Ferguſſon in ſeiner Rede gegen die
“furchtſame” Politik Englands (am 18 April) ver-
dient, laſſen wir gern dahingeſtellt. Da er ſich aber
auch in das Politiſiren über die polniſchen Rechts-
verhältniſſe eingelaſſen hat, ſo ſind wir ihm hier mit
lebhaftem Jntereſſe gefolgt. Jedoch überraſcht wur-
den wir, zu bemerken, daß dem ehrenwerthen Par-
lamentsredner ſo oft der rechte Thatbeſtand und in-
nere Zuſammenhang der Begebenheiten, auf welche
er ſeine Raiſonnements gebaut, entgangen war.
Natürlich mußte er aus irrigen Prämiſſen irrige
Schlüſſe ziehen; aber Schade iſt es um den Enthu-
ſiasmus, mit welchem er ſeinen Jrrgarten illuminirt
hat. Ein kleiner Nachtrag zu jener Rede iſt daher
zeit- und zweckgemäß. Denn zunächſt kommt es ja
bei Beurtheilung geſchichtlicher Ereigniſſe auf die
einfache Wahrheit der geſchichtlichen Notizen, auf
das, was geſchehen iſt, an. Zum Ueberfluß bemer-
ken wir, daß auch unſer Vaterland weder Rußland
noch Polen iſt, und es uns um kein parlamentari-
ſches Ueberreden zu thun iſt. Denn nicht die Per-
ſon, ſondern die Thatſache ſoll reden und uͤberzeu-
gen. — Als Verbündeter Napoleons war das Her-
zogthum Warſchau 1812 mit Rußland im Kriege
begriffen. Es wurde vom Kaiſer Alexander erobert
und ſeit dem Januar 1813 bis zum endlichen Frie-
dens-Abſchluß auf ruſſiſche Koſten verwaltet, weswe-
gen Preußen von Rußland eine Entſchädigung von
beinahe 5 Mill. Gulden erhielt. Auf dem zuſam-
mengetretenen Wiener Congreſſe war es Kaiſer Alexan-
der, und dieſer Monarch allein, welcher bei den ver-
ſammelten Mächten auf eine Wiederherſtellung des
Königreichs Polen, ſo weit ſich dieſelbe realiſiren
ließ, antrug. England und Frankreich forderten
eine völlige Wiederherſtellung Polens vom J. 1772
oder eine gänzliche Unterdrückung dieſes Staats.
Oeſterreich und Preußen proteſtirten gegen jede Her-
ſtellung eines Königreichs Polen, gemäß den gehei-
men Zuſatz-Artikeln des letzten Theilungs-Vertrags,
welche ſich die theilenden Mächte gegenſeitig garan-
tirt hätten. Man ſtritt ſich darüber, als Napoleon
bei Cannes landete und dieſe Landung die Zuſtim-
mung ſämmtlicher Mächte zur theilweiſen Wieder-
herſtellung Polens, als ein Rußland vereinigtes Kö-
nigreich, zur Folge hatte. Damals erkannte auch
England, wie Hr. Hume in der Debatte des 18
Aprils ſehr richtig bemerkte, die Theilung Polens
zum erſten Male ſörmlich als ein völkerrechtlich ge-
wordenes Factum an. Nach dieſer feierlichen Ein-
willigung und Anerkennung aller europäiſchen Staa-
ten wurde in der Acte finale vom 9 Juni 1815 das
Herzogthum Warſchau, mit Ausnahme einiger
Provinzen, zu dem Königreiche Polen erhoben, und
dieſes ſollte als ſolches fortan unabaͤnderlich (inva-
riablement, nach dem preußiſchen Original irré-
vocablement) mit Rußland vereinigt ſeyn und be-
ſtehen, nur aber eine beſondere Adminiſtration (une
administration distincte) erhalten. Außer dieſen
Beſtimmungen wurde allen Bewohnern des Polens
vom J. 1772 von den drei Regierungen eine Reprä-
ſentation und ſolche National-Jnſtitutionen ver-
heißen, wie ſie ihnen jedes Gouvernement für nütz-
lich und angemeſſen erachten würde. Das iſt es,
was der Wiener Congreß über Polen, mit Aus-
nahme der Republik Krakau, ordnete, niederſchrieb
und garantirte, und nichts weiter. Solcherweiſe
wurde das durch den Congreß neugeſchaffene König-
reich Polen kein état mi-souverain, ſondern ein in-
dividuell unabhängiger, nur mit Rußland unter einer
gemeinſchaftlichen Oberherrſchaft vereinigter Staat.
(Beſchluß folgt.)
Warſchau, den 27 Mai.
Der Fürſt-Statthalter, General-Feldmarſchall
Paskewitſch, hat unterm 1 d. M. folgende Verord-
nung in Bezug auf die gaͤnzliche Aufloͤſung des
Beſtandes der ehemaligen polniſchen Armee er-
laſſen: “Auf Allerhöchſten Befehl Sr. Kaiſ. Kö-
nigl. Maj. und in Gemäßheit der Beſtimmungen
im 20ſten Artikel des von Sr. Maj. unterm 14
Febr. dem Königreiche Polen huldreichſt verliehe-
nen organiſchen Statuts hinſichtlich der für immer
beſchloſſenen Vereinigung der Kaiſerlichen und König-
lichen Armee in ein einziges Ganzes, mache ich hie-
mit kund: 1) Der Beſtand der ehemaligen polni-
ſchen Armee wird gänzlich aufgelöſt. 2) Die Mili-
tärs niedriger Grade, welche bis zum 29 Nov. 1830
in dieſer Armee dienten, ſo wie diejenigen, welche
im Verlaufe der Jnſurrection von der Regierung
der Aufrührer zum Militärdienſte gezogen wurden,
ſollen, in Folge des in einer zugleich mit gegenwär-
tiger Verfügung erlaſſenen beſonderen Verordnung
kundgethanen Allerhöchſten Willens, in die Regimen-
ter der Armee Sr. Maj. eintreten. 3) Die Offi-
ciere aller Grade, welche in den Reihen der Jnſur-
genten dienten, ſowohl diejenigen, welche mit den
Waffen in der Hand gefangen genommen wurden
oder dieſelben nach der Einnahme von Warſchau im
Königreiche Polen niederlegten, als auch diejeni-
gen, welchen Se. Maj. der Kaiſer und König in
Seiner Huld Allergnädigſt die Rückkehr aus den be-
nachbarten Reichen in ihr Vaterland zu erlauben
geruhte, ferner die Beamten der ehemaligen polni-
ſchen Armee und der Kriegs-Commiſſion, welche an
dem Aufſtande Theil nahmen, erhalten Dienſt-Ent-
laſſungs-Zeugniſſe; bis dahin jedoch, wo ihnen die-
ſelben ausgeſtellt werden, verbleiben ſie unter der
Aufſicht des Generalſtabes der activen Armee und
genießen den Schutz der ruſſiſchen Militär-Geſetze,
ſo wie ſie im Falle eines Vergehens eben dieſen Ge-
ſetzen unterworfen ſind. 4) Die erwähnte Entlaſ-
ſung der Officiere und Beamten der ehemaligen pol-
niſchen Armee geſtattet ihnen nicht länger, die Uni-
form zu tragen oder eine Penſion nach den in dieſer
Hinſicht im Königreiche Polen beſtehenden Geſetzen
zu beziehen; jedoch mit Rückſicht auf ihre traurige
Lage iſt ſowohl für ſie als für ihre hinterbliebenen
Wittwen und Waiſen, nach den von Sr. Kaiſerl.
Königl. Maj. beſtätigten Grundſätzen, welche ich
in der Verordnung vom 27 Dec. 1831 zur öffentli-
chen Kenntniß gebracht habe, von Seiten der Re-
gierung eine dreijährige Geldunterſtützung beſtimmt
worden. 5) Gegenwärtige Verordnung bezieht ſich
auch auf alle diejenigen Officiere und Beamten der
ehemaligen polniſchen Armee, welche im Königreiche
Polen geboren ſind und während der Kriegs-Opera-
tionen gefangen genommen und in das Jnnere von
Rußland abgeführt wurden; jedoch nicht eher, als
bis ihre Rückkehr in das Königreich beſtimmt ent-
ſchieden iſt und ſie wirklich in dieſes Königreich ſich
znrückbegeben. Was die von der Wohlthat der dem
Königreiche Polen huldreichſt verliehenen Amneſtie
ausgeſchloſſenen Perſonen anbetrifft, ſo verſteht es
ſich von ſelbſt, daß die Vorſchriften gegenwärtiger
Verordnung auf dieſelben keine Anwendung finden
können. 6) Den Generalen, Officieren und Mili-
tär-Beamten, welche keinen thätigen Antheil an
dem Aufſtande nahmen und ſich gegenwätig in Dien-
ſten befinden, wird die Erlaubniß gegeben, ſich in
desfallſigen Geſuchen um ihre Aufnahme in ruſſiſche
Militär- oder in Civildienſte im Königreiche Po-
len, wie derſelbe den jetzt von ihnen bekleideten
Stellen entſpricht, zu bewerben. Diejenigen unter
ihnen aber, welche nicht den Wunſch zu erkennen
geben, in ruſſiſchen Militär- oder in Civildienſt im
Königreiche Polen einzutreten, oder auch aus irgend
einem Grunde nicht zu einem ſolchen Dienſte zuge-
laſſen werden, erhalten ihre Dienſt-Entlaſſungs-
Zeugniſſe, ſobald die ihnen gegenwärtig proviſoriſch
übertragenen Geſchäfte ihr Ende erreicht haben. 7)
Die Generale, Officiere und Militär-Beamten,
welche während der Jnſurrection ſich freiwillig ein-
ſtellten, ſo wie die Generale und Officiere, welche
ſich auf Remonte-Aushebung oder auf Urlaub in
Rußland befanden, können ebenfalls, wenn ſie ſolches
wünſchen, um Aufnahme in ruſſiſche Dienſte nach-
ſuchen, und zwar die Militärs in ruſſiſche Kriegs-
dienſte, die Militär-Beamten aber in den Dienſt
der ruſſiſchen Armee-Verwaltung. Alle Andre wer-
den aus dem Dienſte entlaſſen, und zwar diejenigen,
welche ſich während des Aufſtandes freiwillig einſtell-
ten, nach Jnhalt von Art. 3 und 4 gegenwärtiger
Verordnung, diejenigen aber, welche ſich auf Re-
monte-Aushebung oder auf Urlaub in Rußland be-
fanden, mit Belaſſung in den kraft der im König-
reiche Polen beſtehenden Verordnungen ihnen zu-
kommenden Rechten und Privilegien, mit Ausnahme
des Rechts, eine Uniform zu tragen. 8) Die Gene-
rale und Officiere der ehemaligen polniſchen Armee,
welche ihrem Eide treu geblieben ſind und den
Wunſch zu erkennen geben, daß ſie in ruſſiſche Mi-
litärdienſte eintreten möchten, ſollen in denjenigen
Corps und Regimentern, die Garden ausgenommen,
angeſtellt werden, welche ſie ſelbſt ſich auswählen;
was die Sr. Kaiſ. Königl. Maj. zur Seite befind-
lichen Perſonen anbetrifft, ſo haben Se. Maj. ge-
ruht, ſich die weitere Beſtimmung hinſichtlich ihrer
vorzubehalten. 9) Zur Ausfertigung der Zeugniſſe
für die aus dem Dienſte entlaſſenen Generale, Offi-
ciere und Militär-Beamten und zur Prüfung und
Unterſuchung der Petitionen um Aufnahme in den
ruſſiſchen Militär- und Civildienſt im Königreiche
Polen wird eine beſondre Commiſſion unter der Prä-
ſidentur des General-Lieutenants Sulima niederge-
ſetzt; zu Mitgliedern derſelben werden die General-
Majors Darewski und Plautin ernannt. 10) Dieſe
Commiſſion ſoll den Namen: “Commiſſion für die
Beſtimmungen hinſichtlich der Officiere und Beam-
ten der ehemaligen polniſchen Armee” führen, und
ihre Obliegenheiten ſollen durch eine beſondre Ver-
fügung beſtimmt werden.”
Paris, den 27 Mai.
Der heutige Moniteur enthält Folgendes über
die carliſtiſchen Bewegungen im Weſten: “Die
Regierung hat aus neuerdings eingegangenen Be-
richten erfahren, daß Unruheſtifter eine Bewegung
im Bocage (Vendee) vorbereiten, und dem nach
Maaßregeln getroffen, jeden Verſuch der Art zu un-
terdrücken. Wirklich zeigten ſich am 23 d. Aufrüh-
rerhaufen auf mehreren Punkten im Bocage und
wurden zerſtreut. Mehr oder minder namhafte
Perſonen wurden mit den Waffen in der Hand er-
griffen, worunter Hr. v. Chièvre, vormaliger Esca-
drons-Chef im Generalſtabe, die HH. Desmenard
und v. Saintes, vier Officiere von der vormaligen
K. Garde, ſo wie zwei oder drei junge Leute aus
Breſſuire und Parthenay. Die ſchnelle Unterdrückung
dieſes Verſuchs wird den Unruheſtiftern beweiſen,
daß die Behörde mit Macht und mit Nachdruck zu
handeln weiß. Zur Vereitelung der von den An-
hängern der geſtürzten Dynaſtie angezettelten Com-
plotte wird die Regierung alle ihr geſetzlich zuſte-
henden Mittel erſchöpfen.”
Marſchall Gérard iſt bereits in Cambrai einge-
troffen und der Herzog v. Choiſeul geſtern von hier
abgereiſt, um den König Leopold an der Gränze zu
empfangen. Die Abreiſe des Erſteren darf um ſo
weniger auf eine Wiedereröffnung der Feindſeligkei-
ten gedeutet werden, als der Chef ſeines General-
ſtabes, General Nugues St. Cyr, Urlaub auf einen
Monat erhalten hat, um ſich nach dem Süden zu
begeben.
Der Carlo Alberto hat 20 Perſonen nach Mar-
ſeille gebracht, die in das Fort St. Nicalas ge-
ſperrt und von aller Communication abgeſchnitten
ſind. Die Patrioten zu Marſeille, Toulon, Aix
organiſiren ſich täglich enger, und laſſen es an
öffentlichen Aufzügen nicht fehlen, um die Carliſten
niederzuhalten. Jn der Gegend von Aix iſt ein
Freiheitsbaum unter großem Jubel gepflanzt wor-
den. Zu Toulon haben die Bäcker eine dreifarbige
Fahne in großer Prozeſſion unter Abſingung patrio-
tiſcher Lieder durch die Straßen getragen. Bei der
Strophe: Liberté, liberté chérie, ſetzte alles ein
Knie zur Erde.
Der Wechſelagent Loubers hat eine der falſchen
Banknoten an der Börſe herum gezeigt, und die erfah-
renſten Geſchäftsmänner geſtanden ein, daß es kaum
möglich ſey, dieſelbe für nachgemacht zu erklären.
Es wird verſichert, daß bereits gegen 50,000 Fr.
in ſolchen Papieren ſich in den Händen der Juſtiz
befinden.
Jm Gegenſatze mit den republikaniſchen Vereinen
bildet ſich hier eine Geſellſchaft von Ordnungs- und
Wahrheits-Freunden, worunter die HH. v. Rambu-
teau, Jaubert, v. Harcourt und der Freiherr v.
Rothſchild.
Briefen aus Rom vom 14 d. f z ufolge, hat unſer
Botſchafter, Hr. v. St. Aulaire, von dem heil.
Collegium die gewünſchte Genugthuung erlangt.
Der Cardinal-Decan hat ihm nämlich ein amtliches
Schreiben zuſtellen laſſen, in Gemäßheit deſſen der
Namenstag des Königs der Franzoſen hinführo zu
Rom auf die übliche Weiſe begangen werden ſoll, wäh-
rend die Unterlaſſung des herkömmlichen Ceremo-
niells am 1 d. durch ein Mißverſtändniß entſchuldigt
wird. Außerdem hat der päpſtliche Hof die Abhal-
tung einer 40ſtündigen Andacht (tri-duo) wegen baldi-
gen Aufhörens der Cholera in Frankreich in der Kirche
des heil. Ludwig geſtattet. Oſſenbar iſt der römiſche
Hof ſo nachgiebig geworden, ſeit die Verſuche der
Herzogin v. Berri fehlgeſchlagen ſind.
Von vorgeſtern bis geſtern Mittag ſind hier wie-
der 19 Perſonen an der Cholera geſtorben.
Schreiben aus Paris, vom 27 Mai.
Die Anzahl der ſeit einiger Zeit weggenommenen
falſchen Banknoten iſt ſo anſehnlich, daß man nicht
umhin kann, dem Verdachte Glauben beizumeſſen,
der eine verhaßte Faction als Urheberin dieſer
Schändlichkeit nennt. Einige verſichern, Anhänger
Carl des X. haben vor ſeiner Abreiſe aus Frank-
reich Mittel geſunden, ſich Matrizen von der Bank
zu verſchaffen, wodurch die Emiſſion ſo ähnlicher
Banknoten erklärt wird. Dieß iſt indeſſen bei der
Eile, mit welcher jene Abreiſe vorgenommen wurde,
kaum glaublich, um ſo mehr, da alle Angeſtellten
bei der Bank ſehr zuverläſſig ſind.
Wenn auch die Reiſe des Kronprinzen aus ein-
heimiſchen Gründen erklärt wird, ſo hat man doch
Anlaß zu glauben, daß ſie mit Zuſammenziehung
von ſpaniſchen Truppen an der Gränze in Verbin-
dung ſtehe, die man wieder mit der Abſendung eines brit-
tiſchen Geſchwaders nach dem Tajo zuſammen ſtellt. Ob
eine Diverſion beabſichtigt wird, falls König Ferdinand
in den portugieſiſchen Angelegenheiten intervenirte,
muß noch dahingeſtellt bleiben; einſtweilen bemerkt
man, daß der Annäherung ſpaniſcher Flüchtlinge
an die Gränzen ihres Vaterlandes jetzt bei Weitem
weniger Hinderniſſe in den Weg geſtellt werden, als
ſonſt. Seit acht Tagen haben die meiſten von ihnen
ihre Depots verlaſſen: Mina befindet ſich indeſſen
noch immer in Pa ꝛ r is. Von D. Pedro ſind geſtern
Briefe an ſeine Familie und Depeſchen an das Mi-
niſterium der auswärtigen Angelegenheiten eingegan-
gen. Der Tag des Abgangs der Flotte iſt nun-
mehr beſtimmt, wird aber ſehr geheim gehalten.
Der Herzog Decazes hat ſeine Abreiſe von hier,
die bereits von den Blättern gemeldet worden, in
dem Augenblicke aufgeſchoben, als ſein Wagen be-
reits angeſpannt war. Geſtern war Verein bei ihm,
wo man den Herzog v. Baſſano und den Baron
Pasquier bemerkte. Dieſer Auſſchub wird natürlich
mit neuen Combinationen in den Tuilerieen zuſam-
mengeſtellt. Von den jetzigen Cabinets-Miniſtern
möchte jeder Conſeils-Präſident ſeyn, und niemand,
beſonders der Graf Montalivet, möchte unter Hrn.
Dupin ſtehen.
Aus den Departements Vaucluſe und Oſt-Pyre-
näen ſind beunruhigende Berichte im Miniſterium
des Jnnern eingegangen.
Hamburg, den 3 Juni.
Heute Mittag erhalten wir eine engliſche Poſt,
die im Weſentlichen Folgendes meldet:
London, den 29 Mai.
Geſtern wurde der Königliche Namenstag bei Hofe
ſehr feſtlich begangen. Die geſammte Geiſtlichkeit
ſtattete dem Könige einen Beſuch ab und überreichte
ihm eine Glückwünſchungs-Addreſſe: auch die Kö-
nigin gab ein großes Drawing-Room. Die bei
dieſen Feſten entfaltete Pracht war überaus glän-
zend, und unſre miniſteriellen Blätter füllen ihre
Spalten, wie gewöhnlich, mit Beſchreibungen der
Damen-Anzüge. Die Staats- und Hof-Beamten
gaben große Diners. Bloß im Weſtende der Stadt
bemerkte man Jlluminationen, nämlich an den öf-
fentlichen Gebäuden und bei den Hof-Lieferanten.
Jn Piccadilly war nur Ein Haus beleuchtet. Jn den
Londoner Docks, wo mehr als 500 Schiffe vor Anker
liegen, flaggten deren nur zwölf, und in den weſt-
indiſchen Docks, die einen Wald von Maſten dar-
bieten, höchſtens 20.
Von der Peers-Creation iſt jetzt nicht mehr die
Rede, auch ſcheint es für die Reformbill keiner mehr
zu bedürfen. Der Sprecher des Unterhauſes, Sir
Charles Manners Sutton, dürfte indeſſen zum Peer
erhoben werden, und ſtatt deſſen der General-Anwald,
Sir Thomas Denmar, den Vorſitz erhalten.
Jn der Grafſchaft Devonſhire ſowohl, als in Not-
tinghamſhire haben wieder ſehr ſtark beſuchte Re-
form-Verſammlungen ſtattgefunden.
Fürſt Talleyrand wird auf viermonatlichen Ur-
laub von hier abreiſen, man bezweifelt aber noch,
daß er Paris beſuchen wird.
Geſtern Morgen ſind, dem Vernehmen nach, Jn-
ſtructionen an den holländiſchen Botſchafter hieſelbſt
eingegangen, die ſich auf die Wieder-Eröffnung der
Unterhandlungen mit Belgien beziehen. Die Ver-
handlungen der Londoner Conferenz werden daher
unverzüglich wieder beginnen.
Lord John Ponſonby, bisher Miniſter bei den
Vereinigten Staaten des Plataſtroms, iſt zum Ge-
ſandten in Neapel ernannt.
Von den gegenwärtigen Cabinetsminiſtern beziehen,
dem Vernehmen nach, der Herzog v. Richmond, der
Marquis v. Lansdowne und Lord Durham keinen
Gehalt.
Das Parlament iſt bis zu morgen Abend ver-
tagt. Durch die Annahme der 27ſten Clauſel der
Reform-Bill im Oberhauſe, worin die vielbe-
ſprochene 10 £ Qualiſtcation aufgeſtellt wird, ſcheint
das Schickſal der großen Maaßregel geſichert. Lord
Wharncliffe eiferte zwar gegen dieſelbe, als faſt
gleichbedeutend mit dem allgemeinen Stimmrechte,
allein ſeine Einwendungen wurden ohne Abſtimmung
beſeitigt, und die Bill wurde bis zur 79ſten Clauſel
genehmigt.
Lord William Ruſſell, der mit einem wichtigen
Auftrage nach Portugal abgeht, iſt der zweite Sohn
des Herzogs von Bedford, ein Bruder des hochge-
ſchätzten Patrioten, dem England die Reformbill
verdankt. Er iſt Oberſt und Adjutant des Königs,
und hat ſich in der Halbinſel unter dem Herzog v.
Wellington ſehr ausgezeichnet. Jm vorigen Jahre
war er bekanntlich mit einer diplomatiſchen Sen-
dung nach Belgien beauftragt, um den dortigen
Feindſeligkeiten ein Ende zu machen. Jn ſeiner Be-
gleitung befinden ſich noch zwei angeſehene Militär-
perſonen. Unſer geſammtes Geſchwader im Tajo wird
aus 6 Linienſchiffen und 4 Fregatten beſtehen. 1000
Marineſoldaten und viel Geſchütz werden zu Ply-
mouth eingeſchifft. Einige behaupten, man gedenke Ma-
deira zu beſetzen; inzwiſchen iſt D. Pedros Abgeſand-
ter noch nicht anerkannt. Man glaubt hier allgemein,
wenn ſich Spanien ernſtlich zu Gunſten D. Miguels
erklären ſollte, ſo würde unſre Flotte unter Admiral
Parker ſogleich für Don Pedro einſchreiten. Die
ſpaniſche Armee an der portugieſiſchen Gränze ſoll
22,000 Mann zu Fuß und 5000 zu Pferde betragen.
Uebrigens ſoll zwiſchen England und Frankreich ein
Vertrag beſtehen, daß Letzteres im Jnterventions-
falle keine thätliche Maaßregeln gegen Spanien er-
greifen ſolle, als wenn es von Erſterem dazu auf-
gefordert wird. Die franzöſiſchen Truppen ſind ſo
aufgeſtellt, daß binnen drei Wochen ein anſehnliches
Truppen-Corps bereit wäre, in Spanien einzu-
rücken.
Jm ſüdlichen Jrland iſt es wieder ſehr unruhig:
die ganze Grafſchaft Cork iſt wie Ein Mann ent-
ſchloſſen, keine Zehnten zu bezahlen. Am 23 d. er-
eigneten ſich ſehr tumultuariſche Auftritte; der pro-
teſtantiſche Rector von Argeagehy, Hr. Freeman,
hatte nämlich 15 Kühe von dem Landgute eines ka-
tholiſchen Pächters, Namens Cotter, wegtreiben
laſſen, und wollte ſie öffentlich feilbieten, zu welchem
Ende eine große Militär-Macht aufgeboten wurde.
Ungeheure Maſſen Landvolk hatten ſich verſammelt,
doch war Alles ſo einmüthig, daß Niemand für ſämmt-
liche Kühe auch nur 20 Schillinge bieten wollte.
Das Vieh wurde demnach unverkauft nach Cork ge-
trieben, wo die Bevölkerung ſich ebenfalls in
dumpfem Stillſchweigen verſammelt hatte. Hier
ſollte der Verkauf am 26 d. ſtattfinden. An
dieſem Tage zogen mehr als 10,000 Menſchen
mit Muſik und fliegenden Fahnen, alle mit Shille-
laghs (grünen Baumzweigen), in die Stadt ein,
wo die unteren Klaſſen ſich ihnen ſämmtlich an-
ſchloſſen. General Bingham bot die geſammte Gar-
niſon auf, um die Ruhe zu erhalten. Die Auction
währte über eine Stunde, und es fand ſich kein Käu-
ſer, bis endlich beſchloſſen wurde, das Vieh dem
Landvolke zu überlaſſen. Nun brach die ungeheure
Menſchenmaſſe in ein wildes Jubelgeſchrei aus;
indeſſen iſt Cork noch immer ſehr aufgeregt und alle
Läden ſind geſchloſſen. — Jn der Grafſchaft Wick-
low hat die Polizei eine Menge Erdhaufen geebnet,
die das Landvolk aufgeworfen hatte, um mit den be-
nachbarten Grafſchaften telegraphiſch zu communici-
ren. Die Landleute verſuchten Widerſtand, wurden
aber durch hinzubeorderte Dragoner auseinander ge-
ſprengt und 15 Rädelsführer gefangen genommen.
Das Court-Journal verſichert, die Ehe des Kö-
nigs Leopold und der Tochter des Königs der Fran-
zoſen werde binnen einem Monate ſtattfinden, und
Ludwig Philipp eine ſehr anſehnliche Mitgift her-
geben. Das junge königliche Paar gedenkt nach
Beendigung der belgiſchen Angelegenheiten Paris
und vielleicht auch Claremont zu beſuchen. Frank-
reich und Belgien werden ein Schutz- und Trutz-
Bündniß abſchließen.
General Goblet, der mit einer außerordentlichen
Sendung des Königs Leopold hieher beauftragt iſt,
wurde ſchon geſtern Abend hier erwartet, und wird
ſich nur wenige Tage hier aufhalten, nach deren
Verlauf Hr. van de Weyer wieder hier eintreffen
ſoll, um ſeinen Poſten wieder anzutreten.
Sir James Mackintoſh liegt gefährlich krank dar-
nieder.
Aus Bogota ſind Nachrichten bis zum 12 März
angelangt. Am 29 Febr. hatte der National-Con-
vent von Neugranada den Conſtitutions-Act vollen-
det und unterzeichnet, der ſogleich in Kraft treten
ſollte. Am 9 März wurde General Francisco de
Paula Santander zum Praͤſidenten und Don Joſe
Jgnacio Marquez zum Vice-Präſidenten erwählt.
Der neue Staat hat die Republik Equador aner-
kannt, die aus den Departements dieſes Namens,
ſo wie den Provinzen Aſuai und Guayaquil be-
ſteht. Ein Bericht des Staatsſecretairs der auswär-
tigen Angelegenheiten beſagt, daß die Verhältniſſe
Neugranadas mit England auf dem freundſchaftlich-
ſten Fuße fortbeſtehen, obwohl der Poſten eines Mi-
niſters am Londoner Hofe durch den Tod des Hrn.
Madrid erledigt iſt, und der Geſchäftsträger unter
der uſurpatoriſchen Regierung des Generals Urdaneta,
Hr. Palacios, ſein Beglaubigungsſchreiben nicht
überreicht hat.
Herausgegeben von Runkel.