136. – Bei Gide fils zu Paris, rue St. Marc-Feydeau, Nr. 20,
wird von der Reiſe der Herrn von Humboldt und A. Bonpland
erſcheinen: die Geographie der Pflanzen nach der Vergleichung
der Erſcheinungen, welche die Vegetation der beiden Feſtlande darbietet,
von den Herrn Alexander von Humboldt und Karl Kunth. Ein Fo-
lioband auf geglaͤttetem Jeſus-Velin, mit (meiſt kolorirten) Kupferplatten.
Davor ein phyſikaliſches Gemaͤlde der Aequinoktialgegenden von A. von
Humboldt und Aimé Bonpland. -
Folgender Proſpektus iſt ausgegeben worden:
Neben die eigentliche Botanik, welche die Karaktere, die organiſche
Beſchaffenheit und die Verwandtſchaft der Gewaͤchſe unterſucht, tritt eine
andre, noch kein halbes Jahrhundert alte, Wiſſenſchaft. Unter dem etwas
unbeſtimmten Namen Geographie der Pflanzen knuͤpft ſie die be-
ſchreibende Botanik an die Klimatenkunde; ſie giebt die Zahl, das Aus-
ſehen und die Vertheilung der Gewaͤchſe unter den verſchiedenen Zonen
an, vom Aequator bis zum Polarkreis, von den Tiefen des Ozeans und
der Gruben mit den Keimen kryptogamiſcher Pflanzen bis zu der nach
der Breite und nach der Beſchaffenheit der umliegenden Laͤnder verſchiede-
nen Schneelinie. Unvollſtaͤndig wie die Geologie, aber juͤnger als dieſer
Theil unſrer phyſikaliſchen Kenntniſſe, war ſie von Anfang an weniger
jenem Trug der Sinne, jenen ſyſtematiſchen Traumbildern ausgeſetzt, durch
welche des Menſchen Einbildungskraft ſo gern in Ermangelung wirklicher
Kenntniß aushilft. Der Gang der Wiſſenſchaften folgt immer dem Geiſte
des Jahrhunderts, in welches ihre Entwicklung faͤllt, und die Geogra-
phie der Pflanzen wurde am eifrigſten zu der Zeit betrieben, wo der
Geſchmack an Beobachtung vorherrſchend geworden und alle Zweige der
Naturerkenntniß ſtrengere Methoden angenommen haben.
Die Reiſenden, welche einen großen Strich Landes durcheilten, an
fernen Kuͤſten landeten oder Bergketten erklimmten, auf deren Abhang ſich
die Verſchiedenheit von gleichſam in Stockwerken uͤbereinander liegenden
Klimaten zeigt, fielen jeden Augenblick die merkwuͤrdigen Erſcheinungen
der geographiſchen Gewaͤchſevertheilung auf: man moͤchte ſagen, ſie ſam-
melten Materialien fuͤr eine Wiſſenſchaft, deren Name kaum ausgeſprochen
war. Eben die Gewaͤchſe-Zonen, deren Ausdehnung und Aufeinanderfolge
auf den Seiten des Aetna Kardinal Bembo im ſechszehnten Jahrhundert
mit allem Reize lateiniſcher Beredſamkeit beſchrieb, fand der unermuͤdliche
und ſcharfſinnige Tournefort, als er auf den Gipfel des Ararat ſtieg. Er
verglich die Floren der Berge mit denen in den Ebenen unter verſchiede-
ner Breite, und erkannte zuerſt, daß die Hoͤhe uͤber dem Meeresſpiegel
auf die Vertheilung der Pflanzen wirkt, wie die Entfernung vom Pol
oder die Verſchiedenheit der Breite.
Der Geiſt Linné's befruchtete die Keime einer entſtehenden Wiſſen-
ſchaft; weil er aber in der Ungeduld ſeines Eifers die Gegenwart und
Vergangenheit, die Geographie der Pflanzen und ihre Geſchichte um-
faßte, ſo gab er ſich in ſeiner Abhandlung De telluris habitabilis incre-
mento und in den Coloniae plantarum kuͤhnen Vermuthungen hin. Er
wollte zum Urſprung der durch zufaͤlliges Abarten des Urtypus vermehr-
ten Gattungen zuruͤckkehren, die Veraͤnderungen der beſtehend gewordnen
Varietaͤten verfolgen, den alten nackten Zuſtand der SteinkruſtSteinkruſte unſers
Planeten malen, wie ſie nach und nach von einem gemeinſchaftlichen Mit-
telpunkte und nach langen Wanderungen die Gewaͤchſe erhielt. Haller,
Gmelin, Pallas, und beſonders Reinhold und Georg Forſter ſtudirten mit
unablaͤſſiger Aufmerkſamkeit die geographiſche Vertheilung einiger Gattun-
gen: da ſie aber die ſtrenge Pruͤfung der von ihnen eingeſammelten Pflan-
zen vernachlaͤſſigten, ſo geriethen bei ihnen oft die Alpen-Erzeugniſſe des
gemaͤßigten Europa's unter die der Ebenen von Lappland. Voreilig nahm
man Jdentitaͤt dieſer letztern mit, den magellaniſchen Laͤndern und andern
Theilen der ſuͤdlichen Halbkugel eigenthuͤmlichen, Gattungen an. Schon
Adanſon hatte die außerordentliche Seltenheit der doldenartigen Gewaͤchſe
unter der heißen Zone geahndet und ſomit auf die Bekanntſchaft mit ei-
ner Reihe heut zu Tage allgemein erkannter Phaͤnomene vorbereitet. Die
Beſchreibung der Gewaͤchſe nach den Eintheilungen eines kuͤnſtlichen Sy-
ſtems hat lange Zeit das Studium ihres Verhaͤltniſſes zu den Klimaten
in Stocken gebracht. Seitdem die Gattungen in natuͤrliche Fami-
lien geſondert wurden, hat man die Zu- und Abnahme der Formen vom
Aequator nach dem Polarkreis nachweiſen koͤnnen.
Menzel, der Verfaſſer einer nicht herausgegebenen Flora von Japan,
hatte das Wort Geographie der Pflanzen ausgeſprochen. Es giebt
Wiſſenſchaften, deren Name, ſo zu ſagen, vor der Wiſſenſchaft ſelbſt vor-
handen war. So vor 50 Jahren die Meteorologie, das Studium der
Phyſiognomie und Pathologie der Pflanzen, faſt moͤchte man auch die Geo-
logie dazufuͤgen. Der von Menzel ausgeſprochene Name ward gegen 1783
faſt zu gleicher Zeit von Giraud Soulavie gebraucht und vom Verfaſſer
der Etudes de la nature, welches Werk neben bedeutenden Jrrthuͤmern
uͤber die Naturkunde der Erdkugel die geiſtreichſten Anſichten uͤber Form,
geographiſches Verhaͤltniß und Beſchaffenheit der Pflanzen enthaͤlt. Dieſe
beiden Schriftſteller von ſo ungleichem Talent und Verdienſt uͤberließen
ſich zu oft den Eingebungen der Einbildung. Mangel an poſitiven Kennt-
niſſen hinderte ſie auf einer Laufbahn, deren Ausdehnung ſie nicht ermeſ-
ſen konnten, vorzuſchreiten. Giraud Soulavie wollte die in ſeiner Géo-
graphie de la nature auseinandergeſetzten Grundſaͤtze auf die Géographie
physique des végétaux de la France méridionale anwenden; aber der
Jnhalt des Buches entſprach kaum einem ſo ſelbſtgefaͤlligen Titel. Man
ſucht in dieſem Werke, das ſich fuͤr eine Geographie der Pflanzen aus-
giebt, vergebens die Namen der wild wachſenden Gattungen oder die An-
gabe der Hoͤhe ihres Wachsthums. Der Verfaſſer beſchraͤnkt ſich auf ei-
nige Bemerkungen uͤber die angebauten Pflanzen, welche Bemerkungen
ſpaͤter Arthur-Young mit groͤßerem Scharfſinn und mehr Sachkenntniß
entwickelt hat. Er unterſcheidet in einem Scheitelprofil des Berges Me-
zin, wobei ſich ein Maßſtab, nicht nach Toiſen, ſondern nach der Queckſil-
berhoͤhe im Barometer findet, die drei uͤbereinander befindlichen Zonen der
Oelbaͤume, Weinſtoͤcke und Kaſtanienbaͤume.
Gegen Ende des vorigen Jahrhunderts hat die genauere Beſtimmung
der mittleren Temperatur und die Vervollkommnung der Barometermeſ-
ſungen Mittel an die Hand gegeben, den Einfluß der Erhebung auf Ver-
theilung der Gewaͤchſe in den Alpen und Pyrenaͤen ſtrenger zu unterſu-
chen. Was Sauſſure nur hie und da in Bemerkungen hinwerfen konnte,
fuͤhrte Ramond mit dem uͤberlegnen Talente, wovon ſeine Werke das Ge-
praͤge tragen, aus. Zugleich Botaniker, Phyſiker und Geologe gab er in
den Observations faites dans les Pyrénées, in ſeinem Voyage à la cime du
Mont-Perdu und in ſeinem Mémoire sur la végétation alpine koſtbare
Aufſchluͤſſe uͤber die Geographie der Pflanzen von Europa zwiſchen 42°½
und 45° BrBreite. Vervielfacht wurden dieſe Aufſchluͤſſe durch Lavy, Kielmann
und beſonders durch Hrn. Decandolle in ſeiner Einleitung zur dritten
Ausgabe der Flore française. Gelehrte und unerſchrockne Reiſende, Ba-
billardièreLa-
billardière, Desfontaines und Du Petit-Thouars befragten die Natur,
faſt zu gleicher Zeit, in der Suͤdſee, auf dem Ruͤcken des Atlas und auf
den afrikaniſchen Jnſeln. Allgemeine Fragen der Pflanzengeographie wur-
den von zwei ausgezeichneten deutſchen Gelehrten behandelt. Jn einer
akademiſchen Abhandlung (Historiae vegetabilium geographicae speci-
men) verſuchte Herr Stromeyer den Plan der ganzen Wiſſenſchaft durch
buͤndige Aufzaͤhlung deſſen, was ihm darunter begriffen werden zu muͤſſen
ſchien, zu zeichnen; waͤhrend Herr Treviranus in ſeinen biologiſchen Un-
terſuchungen auf eine ſehr geiſtreiche Weiſe einige Vermuthungen uͤber die
klimatiſche Vertheilung nicht der Spezies, ſondern der Genera und Fami-
lien entwickelte.
Dies waren alle in den Reiſeberichten und Abhandlungen einiger
franzoͤſiſchen, deutſchen und englaͤndiſchen Naturforſcher zerſtreut liegenden
Materialien, als H. von Humboldt mit Huͤlfe der wichtigen Arbeiten des
H. Bonpland nach ſeiner Ruͤckkunft in Europa den Essai sur la Géogra-
phie des plantes, fondée sur des mesures qui ont été exécutées depuis
les 10° de latitude boréale jusqu'aux 10° de latitude australe herausgab.
Es war das erſte ſpezielle Werk zur Betrachtung der Vegetation in ihrem
Verhaͤltniß zur mittleren Temperatur der Stellen ſammt Druck, Feuch-
tigkeit, Durchſichtigkeit und elektriſcher Spannung der umgebenden Atmos-
ſphaͤre; zur Beſtimmung dieſes Verhaͤltniſſes nach unmittelbaren Meſſun-
gen und zum Entwerfen des Gemaͤldes der Aequinoktialpflan-
zen von der Meeresflaͤche bis zu einer Hoͤhe von 5000 Mètres. Um die
karakteriſtiſchen Zuͤge dieſes Gemaͤldes mehr hervortreten zu laſſen, uͤber-
nahm es der Verfaſſer, die Erſcheinungen in der Vegetation der Tropen-
laͤnder mit denen in der kalten und gemaͤßigten Region zu vergleichen.
Eine Arbeit dieſer Art mußte ſehr unvollſtaͤndig bleiben; dennoch iſt das
Werk des H. von Humboldt, vielleicht durch die impoſante Groͤße der
Gegenſtaͤnde und durch die Verkettung der Erſcheinungen, welche es der
Einbildungskraft vorlegt, mit ehrenvollem Beifall aufgenommen worden
und hat dazu beigetragen, die Luſt zum Studium der Pflanzengeographie
anzuregen. Jn den letzten 15 Jahren haben Robert Brown, Leopold von
Buch, Kriſtian Smith, Decandolle, Wahlenberg, Ramond, Wildenow,
Schouw, Hornemann, Delile, Kasthofer, Link, Lichtenſtein, Schrader, Gie-
ſecke, Chamiſſo, Winch, Boſſi, Lambert, Wallich, Govan, Walker Arnott,
HornschuhHornschuch, Hooker, Lamouroux, Leſchenault, Bory de Saint-Vincent, Pol-
lini, Caldas, ClaveLlave, Buſtamante, Auguſte de Saint-Hilaire, Martius,
Mirbel, Nees von Eſenbek, Moreau de Jonnès, Bartling, Boué, Steven,
Bieberſtein, Parrot, James, Sabine, Edwards, Fiſcher, Gaudichaud, d'Ur-
ville, Leſſon, Richardſon, Steinwardt, Horsfield, Burchell, Nuttal, Schuͤb-
ler, Ringier und Viviani entweder Fragen, welche jene Wiſſenſchaft betref-
fen, behandelt oder Materialien zur weiteren Ausdehnung derſelben gelie-
fert. Robert Brown, deſſen Name mit dem herrlichſten Glanze in der
Geſchichte der Botanik ſteht, hat durch vier beruͤhmte Abhandlungen uͤber
die Proteaceen der ſuͤdlichen Halbkugel und uͤber die geographiſche Verthei-
lung der Pflanzen von Neuholland, der Weſtkuͤſte von Afrika und der
Nordpolarlaͤnder mehr als irgend einer dazu beigetragen. Er unterſuchte
zuerſt ſtrenge die Arten, welche in den beiden Hemisſphaͤren gleich ſind;
er iſt der erſte, welcher durch in Zahlen gefaßte Schaͤtzung das wahre
Verhaͤltniß der großen Abtheilungen des Pflanzenreichs, der Akotyledoneen,
Monokotyledoneen und Dikotyledoneen kennen lehrte. Hr. von Humboldt
iſt dieſer Forſchungsart gefolgt, indem er ſie (in ſeinem Werke De distri-
butione geographica plantarum secundum coeli temperiem et altitudinem
montium und in mehren nach einander herausgegebenen Abhandlungen)
auf die natuͤrlichen Familien und ihr Uebergewicht unter verſchiedenen
Zonen ausdehnte. Zunahme vom Aequator gegen den Pol hin zeigt ſich
bei den Ericineen und Amentaceen, Abnahme vom Pol gegen den Aequa-
tor zu bei den huͤlſenartigen Gewaͤchſen, den Rubiaceen, Euphorbiaceen
und Malvaceen. Vergleicht man die beiden Feſtlande, ſo findet man im
Allgemeinen unter der gemaͤßigten Zone der neuen Welt weniger Lippen-
blumen und Crucifers, mehr Kompoſiten, Ericineen und Amentaceen als
in den gleichen Zonen der alten Welt. Von der Vertheilung der Ge-
waͤchſe-Formen, von jenem Ueberwiegen gewiſſer Familien haͤngt die Ei-
genthuͤmlichkeit der Landſchaft, das Anſehen einer ernſten oder lachenden
Natur ab. Reichthum an Gramineen, geſelligen Pflanzen, welche
weite SawanenSavannen bilden, an Palm- und Zapfenbaͤumen haben jederzeit auf
den geſelligen Zuſtand der Voͤlker, auf ihre Sitten und die mehr oder
weniger langſame Entwicklung der Ziviliſation Einfluß gehabt. Ja noch
mehr: die Einheit in der Natur iſt dergeſtalt, daß ſich die Formen einan-
der nach den beſtehenden, unwandelbaren, noch nicht durch die menſchliche
Einſicht ergruͤndeten Geſetzen ausgeſchloſſen haben. Kennt man auf irgend
einem Punkte der Erdkugel die Zahl der Arten einer großen Familie, z.
B. der Glumaceen, Kompoſiten oder huͤlſenartigen Gewaͤchſe, ſo kann man
mit einiger Wahrſcheinlichkeit ſowohl die Totalmenge der phanerogamiſchen
Pflanzen, als auch die Anzahl der Arten, woraus die andern Gewaͤchſe-
Staͤmme beſtehen, ſchaͤtzen.
Mit unermuͤdlicher Ausdauer hat Wahlenberg die Floren von Lapp-
land, den Karpaten und Schweizer-Alpen umfaßt. Auf genaue barome-
riſche Meſſungen gegruͤndet, angeknuͤpft an Decandolles Arbeiten uͤber
Frankreich und an die von Parrot und Engelhardt uͤber den Kaukaſus,
haben uns die Werke Wahlenbergs die untern und obern Graͤnzen der
Gewaͤchſe in der gemaͤßigten und kalten Zone kennen gelehrt. Es fehlte
ein Mittelglied zwiſchen den Beobachtungen in Europa und der heißen
Zone. Dieſe Luͤcke wurde von einem beruͤhmten Geologen, Hrn. Leopold
von Buch, ausgefuͤllt. Nachdem dieſer Gelehrte die Hoͤhe des ewigen
Schnee's jenſeit des Polarkreiſes gemeſſen, entwarf er vereint mit dem
ungluͤcklichen norwegiſchen Botaniker Smith das Gemaͤlde der Pflanzen-
geographie im kanariſchen Archipel. Englaͤndiſche Reiſende haben durch
unternehmenden Muth mit der Vegetation des Himalaya bekannt gemacht,
deſſen noͤrdlicher Abfall durch das Zuruͤckwerfen der Hitze in den umlie-
genden Hochebenen ſchneelos und bis zu einer außerordentlichen Hoͤhe pha-
nerogamiſchen Arten zugaͤnglich iſt. Seefahrten bereicherten den Schatz
dieſer Kenntniſſe. Die von Kruſenſtern, Kotzebue, Freycinet, Scoresby,
Roß, Parry, King und Duperrey haben die Beobachtungen fuͤr botaniſche
Geographie von den Maluinen und Marianen bis nach Unalaska und der
Barrowſtraße vervielfacht, Gegenden, welche ſchon durch die Arbeiten von
Commerſon, Banks, Solander, Georg Forſter und Gieſecke beruͤhmt gewor-
den waren.
So viele Materialien in Abhandlungen, die in verſchiedenen Sprachen
geſchrieben ſind, verdienten ohne Zweifel ſorgfaͤltig zuſammengeleſen, unter
einander verglichen und zur Bereicherung einereines der ſchoͤnſten Theile der
Naturwiſſenſchaft benutzt zu werden. Die erſte Ausgabe des Essai sur
la Géographie des Plantes, welche vornan im Werke der Hrn. von Hum-
boldt und Bonpland ſteht, iſt ſeit mehren Jahren vergriffen. Man hatte
vor, ſie mit einigen Zuſaͤtzen wiederaufzulegen; aber H. von Humboldt
zieht vor, ſie durch ein ganz anderes Werk, eine Geographie der Pflanzen
zu erſetzen, welche beide Hemisſphaͤren umfaßt und wofuͤr er ſeit mehren
Jahren Materialien geſammelt hat. Das alte Werk beſchaͤftigte ſich ſpe-
ziell bloß mit der Aequinoktial-Vegetation der neuen Welt. So zu ſagen
im Angeſicht der Gegenſtaͤnde, am Fuße der Kordilleren, verfaßt, erſchien
es lange vor der großen Arbeit Nova Genera et Species plantarum aequi-
noctialium Orbis Novi, worin Herr Kunth 4500 Spezies von den Hrn.
von Humboldt und Bonpland eingeſammelter Tropenpflanzen beſchrie-
ben hat. Dieſe Arbeit (ſieben Baͤnde in Folio mit 725 Kupferplatten)
wird nicht bloß dazu dienen, die Angabe der Spezies in dem 1805 entwor-
fenen Gemaͤlde der Aequinoktialregionen zu berichtigen und zu
vervollſtaͤndigen, ſondern auch nach der Eroͤrterung der barometriſchen
Meſſungen und der gewiſſenhaften Unterſuchung einer groͤßeren Menge
von Spezies, als man je zu gleichem Zwecke hatte gebrauchen koͤnnen, be-
ſtimmte Data und Zahlen-Koeffizienten geben uͤber die Vertheilung der
Aequinoktialpflanzen in den Ebenen und auf den Bergen, letztre in, 500
Mètres breite, Zonen getheilt. Schon hat H. Kunth im letzten Bande
der Nova Genera die ſpeziellen Floren von Venezuela, Kundinamarka,
Quito und Mexiko gegeben. Das Werk, welches wir ankuͤndigen, wird
nicht nur eine zweckgemaͤße Zuſammenſtellung deſſen ſein, was bis jetzt in
den in Europa und Amerika herausgegebenen Abhandlungen zerſtreut liegt,
es wird auch durch inedirte Materialien bereichert werden, welche der
Verfaſſer der Freundſchaft mehrer Botaniker und Reiſenden, die das Ge-
biet unſrer Kenntniſſe vergroͤßert haben, verdankt.
Die Geographie der Pflanzen iſt eine gemengte Wiſſenſchaft, die auf
keiner feſten Grundlage ſtehen kann, wenn ſie nicht zugleich von der be-
ſchreibenden Botanik, der Meteorologie und der eigentlichen Geographie
Huͤlfe entlehnt. Wie will man die intereſſante Aufgabe, welche kryptoga-
miſche Pflanzen, welche Gramineen, welche Dikotyledoneen in der alten und
neuen Welt, unter der ſuͤdl.ſuͤdlichen und noͤrdl.noͤrdlichen gemaͤßigten Zone voͤllig identiſch
ſind, aufloͤſen, ohne in den Herbarien die benachbarten Spezies nachzuſe-
hen, ohne die genauſte Kenntniß vom Bau und den weſentlichen Karakte-
ren der Spezies zu beſitzen? Wie will man uͤber den Einfluß, den von
außen die Natur und Erhebung des Bodens, die Atmosſphaͤre, ihre Tem-
peratur, ihr Druck, ihre Feuchtigkeit, Elektrizitaͤt, das Verloͤſchen der Licht-
ſtralen, die durch die oberen Luftlagen ſtreichen, auf die Pflanzenwelt aͤu-
ßert, ohne den gegenwaͤrtigen Zuſtand der Meteorologie und der Phyſik
uͤberhaupt zu kennen? Wie die Naturgeſetze erkennen, nach welchen die
Gewaͤchsgruppen uͤber Feſtlande und im Meeresſchooße unter verſchiedener
Breite und in verſchiedener Hoͤhe verbreitet ſind, ohne mit Jnſtrumenten
zum Meſſen der Alpenſtationen, der Hitzabnahme auf den Bergabhaͤngen
und in den Waſſerlagen des Ozeans, der Einbeugung der Linien gleicher
Waͤrme und der ungleichen Temperaturvertheilung in den verſchiedenen
Jahreszeiten auf der Kuͤſte und im innern Feſtlande, verſehen zu ſein?
Hat die Geographie der Pflanzen bis jetzt nicht die ſchnellen Fortſchritte
gemacht, welche man nach einer ſolchen Menge wiſſenſchaftlicher Reiſen
haͤtte erwarten ſollen, ſo liegt der Grund einerſeits darin, daß den Bota-
nikern oft die Mittel zur Unterſuchung der Hoͤhe und Atmosſphaͤre fehlen,
andrerſeits die Phyſiker entweder nicht die zur Beſtimmung der Spezies
unentbehrlichen botaniſchen Kenntniſſe beſitzen oder an den Punkten, deren
abſolute Hoͤhe ſie durch gute hypſometriſche Methoden beſtimmt haben,
Herbarien anzulegen vernachlaͤſſigen.
Hr. von Humboldt, der 5 Jahre lang bald allein, bald vereint mit
Hr. Bonpland in den Aequinoktialregionen Pflanzen geſammelt hat, wur-
de, ſeit ſeiner Ruͤckkunft in Europa, durch andre Beſchaͤftigung vom Stu-
dium der beſchreibenden Botanik abgehalten. Da ſein beſtaͤndiger Wunſch
iſt, in ſeinem Werke die Unvollkommenheiten ſo viel als moͤglich zu he-
ben, ſo hat er ſich mit Hr. Kunth verbunden, welcher durch ſeine Ta-
lente und durch die Wichtigkeit ſeiner zahlreichen Arbeiten eine der erſten
Stellen unter den Botanikern unſerer Zeit einnimmt. Der Text des Wer-
kes wird von Hrn. von Humboldt ſein; die von Hrn. Kunth hinzugefuͤg-
ten Abhandlungen oder erklaͤrenden Noten werden mit dem Namen dieſes
Gelehrten unterzeichnet ſein. Die Géographie des plantes, rédigée d'après
la comparaison des phénomènes que présente la végétation dans les
deux continens wird einen Folioband von ungefaͤhr 100 Blatt ausmachen.
Kein allgemeines Werk dieſer Art iſt noch in Frankreich erſchienen. Der
Essai élémentaire de Géographie botanique von Hrn. Decandolle enthaͤlt
viele neue und geiſtreiche Anſichten, aber der Verfaſſer mußte ſich auf eine
geringe Anzahl Seiten beſchraͤnken, da ſeine Abhandlung fuͤr den von den
Profeſſoren des Jardin du Roi herausgegebenen Dictionnaire des scien-
ces naturelles beſtimmt war. Nur Daͤnemark und Deutſchland beſitzen
ein Werk von groͤßerer Ausdehnung, die vortreffliche Schrift des Hrn.
Schouw Elemente einer Univerſalgeographie der Gewaͤchſe.
Der ſchon durch eine Abhandlung De sedibus originariis plantarum vor-
theilhaft bekannte Verfaſſer hat die Maſſe des vorher bekannten vermehrt.
Er gehoͤrt zu jener kleinen Anzahl von Reiſenden, welche zugleich Bota-
niker und Phyſiker, wie Ramond, Wahlenberg, Decandolle, Parrot, Leopold
von Buch, Ch. Smith und Pollini, zu gleicher Zeit die Spezies, die
Hoͤhe des Standpunkts und die mittlere Temperatur des Orts beſtimmt
haben. H. Schouw hat mit einem edlen wiſſenſchaftlichen Eifer die Vege-
tation von Europa von der ſkandinaviſchen Halbinſel bis zum Gipfel des
Aetna ſtudirt. Seine vor 3 Jahren herausgegebenen Elemente wuͤrden
noch verdienen, ins Franzoͤſiſche uͤberſetzt zu werden. Es iſt ein botaniſcher
Atlas dabei, und das Werk traͤgt das Gepraͤge eines hoͤchſt genauen und
ſcharfſinnigen Geiſtes. Jn dem daͤniſchen Werke finden ſich ſorgfaͤltig die
Bemerkungen uͤber botaniſche Geographie, die Hr. v. Humboldt nach ein-
ander bekannt machte, zuſammengeſtellt. Seinerſeits wird dieſer nun in
den Elementen des Hrn. Schouw alles Neue und Wichtige, was ſie
enthalten, ſchoͤpfen; aber die beiden Werke werden nichts mit einander
gemein haben, außer in wiefern dies bei der Eroͤrterung eines Theils der
naͤmlichen Fragen nothwendig iſt.
Zur Geographie der Pflanzen der Hrn. von Humboldt und Kunth
werden wenigſtens 26 Kupferplatten gehoͤren, worunter einige auf das
Ausſehen der Vegetation oder die Phyſiognomie der Pflanzen Bezug haben.
Die Kupfer werden nach den Zeichnungen ausgefuͤhrt werden, die Hr.
Rugendas unlaͤngſt in den Waͤldern Braſiliens verfertigte. Dieſer junge
verdienſtvolle Kuͤnſtler hat 5 Jahre lang mitten im Reichthume der tropi-
ſchen Pflanzenwelt gelebt. Er wurde durchdrungen vom Gefuͤhl, daß in
der wilden Fuͤlle einer ſo wunderbaren Natur, der maleriſche Effekt in der
Zeichnung immer durch die Wahrheit und treue Nachahmung der Formen
entſteht. Das neue Werk gehoͤrt weſentlich zum Voyage aux régions
équinoxiales der Hrn. von Humboldt und Bonpland; es iſt eine Art
Fortſetzung der von Hr. Kunth herausgegebenen Nova Genera. Da es
uͤber die groͤßten Probleme der Natur handelt, ſo hat es nicht bloß wiſſen-
ſchaftliches Jntereſſe fuͤr Botaniker und Phyſiker, es empfiehlt ſich auch
denen, welche gerne Gebirge beſuchen oder den Reiſenden in der Erzaͤhlung
uͤber die weite Ferne folgen. Die botaniſche Geographie ſpricht zugleich
zum Geiſte und zur Einbildungskraft; wie die Geſchichte jener antiken
Pflanzenwelt, die im Schooße der Erde vergraben liegt, wird ſie zum hoͤchſt
anziehenden Studium. Sind die einzelnen Erſcheinungen dargeſtellt und
die beſonderen Beobachtungen beſchrieben, ſo iſt es erlaubt, ſich zu allge-
meinen Jdeen zu erheben; auf eine unfruchtbare Anhaͤufung von Erfah-
rungen den Fortſchritt der Wiſſenſchaften beſchraͤnken wollen, das hieße
die Beſtimmung des menſchlichen Geiſtes verkennen.
Es werden nur 140 Exemplare gedruckt werden, 125 auf Jeſuspapier,
15 auf großem Colombier. Das Werk wird in 4 Lieferungen erſcheinen.
Jede Lieferung koſtet fuͤr den Subſkribenten ebenſoviel als die von Nova
Genera et Species plantarum, naͤmlich 180 Franken auf Jeſuspapier, 200
Franken auf groß Colombier. Bei Gide fils, rue St. Marc-Feydeau,
Nr. 20., zu Paris.