Bemerkungen des Herrn von Humboldt.
„Die Beiſpiele von Eis und Kälte, welche in dem inter-
eſſanten Memoire des Hrn. Jomard angeführt ſind, gehören
Regionen an, welche außerhalb der Wendekreiſe und nicht
unter 14° Breite liegen; dann iſt auch ein ſehr großer Un-
terſchied zwiſchen dem Klima der, den Tropen benachbarten
Landſchaften unter 22° und 29° der Breite, und dem Klima
der Landſchaften, welche zwiſchen dem Aequator und 15° Br.
ihre Lage haben. Seit langer Zeit iſt es bekannt, daß ſelbſt
in der Havanna (23° 9′ Breite) das Thermometer faſt auf
Null herabſinkt, während in Makao (22° 12′ Breite) an den
Die Reiſen und Entdeckungen
Oſtküſten Aſia's, folglich da, wo das Klima am kälteſten iſt,
das hunderttheilige Thermometer nur bis auf +5° fällt.
Schnee wird daſelbſt nie bemerkt und nur ein einziges Mal in-
nerhalb fünfzig Jahren hat man dort eine Eisdecke von einer
Linie Dicke geſehen, durch die Wirkung des Zurückſtralens auf
eine Terraſſe gebildet.
„Die Klimate, welche den geographiſchen Breiten des
14ten, 27ſten und 30ſten Parallels entſprechen, ſind unter
einander ſehr verſchieden, nach dem zu urtheilen, was wir bis
jetzt darüber wiſſen. Jn Amerika, zwiſchen dem Gleicher
und dem 10ten Parallelkreiſe, bemerkt man Eis, erſt in einer
Höhe von 1350 oder 1500 Toiſen; die Kälte würde das
Waſſer in den Schläuchen nicht gefrieren, ſie bringt nur dünne
Eisflitter hervor.
„Der Thau verurſacht keinen Froſt, er wird durch eine
Abkühlung der Luft bewirkt. Während ſeiner Bildung bringt
der Thau im Gegentheil Wärme hervor. Nach den Erfahrungen des Hrn. Wells, der die Urſache des
Thaues erklärt hat, erzeugt ſich allerdings Wärme in dem Mo-
mente, wo ſich der Thau bildet. Kommt er dann zur Verdun-
ſtung, ſo muß er den Körpern, welchen er benetzt, eine neue
Quantität Wärme entziehen. Nun aber muß dieſer Effekt,
wenn er wirklich exiſtirt, in den Gegenden von Afrika, um die
es ſich hier handelt, weit größer ſein, als in andern Gegenden,
weil der Thau dort viel reichlicher iſt. Jedes Mal, wenn ich
durch die Wieſen in der Nachbarſchaft von Aegypten reiſte,
empfand ich beim Einbruche der Nacht und bei ruhigem Wet-
ter eine heftige Kälte; ich ſchrieb ſie zum größten Theile dem
Thaue zu, der meine Kleider durchnäßte. Dieſe Abkühlung
war mit einem Luftzuge und nach Maaßgabe der Stärke des
Windes viel heftiger. —
Jomard. Die Zurück-
ſtralung erzeugt, unter beſondern Umſtänden, wenn die Kör-
per viele ſtralende Punkte zeigen, eine Kälte von 10° bis
12° Centigr. Es handelt ſich um eine Maſſe. Hr. Arago glaubt, daß der Es fehlt indeſſen viel, daß man dort
der Briten im Sudan.
überall, wo das Thermometer auf 12° ſinkt, Eis erblickte.
Die erſte Decke könnte bei +2° erkalten, aber die Stärke
der innern Wärme würde die völlige Erkaltung verhindern.
Jn Caracas, in einer Höhe von 916 Mètres, iſt das Thermo-
meter nie unter 12° C. geſehen worden. Wenn Dr. Oudney,
unter 14° Breite, in einer Ebene, neben gefrornen Waſſer-
Schläuchen, geſtorben iſt, ſo iſt dies ein Fall, der, weit ent-
fernt, ſich an bekannte Analogien anzuſchließen, Urſachen an-
deutet, die uns völlig unbekannt ſind. Alles dieſes beweiſt, daß das Klima der verſchiedenen Tropen-
Landſchaften Afrika's von demjenigen durchaus abweicht, was
man in andern Kontinenten erblickt, und daß die wechſelſeitigen
Verhältniſſe zwiſchen der Breite, der mittlern Temperatur und
Höhe der Orte ganz beſondern Bedingungen unterworfen ſind,
welche bei dem gegenwärtigen Zuſtand unſerer Kenntniſſe, die
Ableitung des einen Elementes aus dem andern nicht ge-
ſtattet. —
Jomard.
„Aus der Unterſuchung meines meteorologiſchen Tage-
buchs, in Betreff der Minima der Temperatur, welche ich in
den Ebenen zwiſchen 0° und 17° der Breite beobachtet habe,
ergiebt ſich folgendes: Jm Allgemeinen ſcheint in dieſer Region, in den Ebenen und
auf den Plateau's unter 200 Toiſen Höhe (in Amerika) das
Thermometer nicht unter 17° oder 18 C. zu fallen. —
Humboldt. Jn Acapulco (an der Weſtküſte
von Mexiko, 16° 51′ Breite) fiel das hunderttheilige Thermo-
meter (nach dieſer Skala ſind alle meine Angaben) im Monat
März, bei Sonnenaufgang auf 16°,6, am Tage ſtand es auf
28° bis 29°, in der Nacht auf 21°. Jn Mazatlan (651
Effekt der Zurückſtralung eine Fläche um 15 und ſelbſt um
18hunderttheilige Grade abzukühlen vermöge. —
Jomard.
Die Reiſen und Entdeckungen
Toiſen hoch) war das Minimum bei Sonnenaufgang auch
nur 15°,4 und niemals geringer. Jn Lima (12° 2′ Breite)
und in der Wüſte von Santa fällt das Thermometer, höch-
ſtens für einige Stunden, auf 13°,8; aber dies findet nur
während der Zeit der Garua Statt, d. i. wenn die Sonne
lange von Dünſten umhüllt und ihre Scheibe den Küſtenbe-
wohnern faſt unſichtbar iſt. Ein Strom mit kaltem Waſſer,
der aus Süden kommt, und deſſen Gewäſſer 16° Temperatur
haben, kühlt gewöhnlich die niedrigen Regionen von Peru ab.
Weder in Caracas (Breite 10° 31′, Höhe 470 Toiſen) noch
in Popayan (Breite 2° 26′, Höhe 911 Toiſen) kennt man Eis
oder Reif. Jn den Aequinoktial-Gegenden Amerika's zwiſchen
dem Aequator und 15° Breite ſieht man Eisflitter, durch den
Effekt der Zurückſtralung erzeugt, zuerſt auf dem Plateau von
Santa-Fe de Bogota, in einer Höhe von 1365 Toiſen, wenn
das Thermometer in freier Luft auf +4° oder 5° herabge-
ſunken iſt. Jn Quito, in einem engen Thale und unter einem,
ſelten heitern Himmel, friert es noch nicht in einer Höhe von
1490 Toiſen.
„Aus dieſen Thatſachen geht hervor, daß die Kälte, welche
den Tod des Dr. Oudney und das Gefrieren des Waſſers auf
Schüſſeln (Dishes) veranlaßte, ſich auf keine Weiſe durch
die uns bis jetzt bekannten Phänomene der tropiſchen Meteo-
rologie erklären laſſen. Dr. Brewſter ſoll, wie man verſichert, die heftige Kälte, wel-
cher Dr. Oudney's Tod zugeſchrieben worden, gegenwärtig in
Zweifel ziehen. Wenn auch in den Umgebungen der Reiſenden
Waſſer gefror, ſo iſt das keine Kälte, die den Tod mit ſich
führt. Es iſt daher klar, daß ſowohl die Wirkungen dieſer
Kälte, als auch die Höhe der Stelle, wo ſie Statt fand, über-
trieben worden ſind. —
Jomard. Jch läugne zwar nicht die Mög-
lichkeit dieſer afrikaniſchen Kälte, aber ich meine, daß man
bei ihr eine Vereinigung von außerordentlichen Umſtänden,
herab-
der Briten im Sudan.
herabſtrömende Gewäſſer, nördliche Winde und Effekte einer
noch nicht beobachteten Zurückſtralung Auf den Antillen, auf Jamaika und Martinique betrachtet
man eine Temperatur von 18° oder 19° C., wenn ſie in den
Ebenen Statt findet, für außerordentlich niedrig. —
Humboldt. vorausſehen müſſe.
Jn Bengalen bildet ſich Eis, wenn die Luft eine Temperatur
von 6° oder 7° hat. Hr. Wells hat es in England nur bei
4°,7 hervorgebracht; aber ſetzt man auch mit Wilſon, den Effekt
der Zurückſtralung =10°, ſo würde dieſe Zurückſtralung,
nach der Analogie der in Süd-Amerika beobachteten Fälle,
nur in Gegenden von 2800 Fuß abſoluter Höhe Eis hervor-
bringen; Jn Süd-Amerika, vom Aequator bis 10° Breite beginnt der
Froſt im Allgemeinen bei 1000 Toiſen und der Schnee bei
500 Toiſen unter der Gränze des ewigen Schnees. —
Humboldt. denn bei dieſer Höhe und 0° bis 10° Breite
habe ich das Thermometer noch nicht unter 11° oder 12° C.
herabfallen ſehen. Wir müſſen hoffen, daß dieſe merkwürdi-
gen Phänomene der Temperatur-Abnahme unter den Tropen
durch neue Beobachtungen aufgehellt werden. Die Gegend,
wo dieſe Erſcheinung von den engländiſchen Reiſenden beobach-
tet wurde, war eine wellenförmige Ebene. So unmerklich
man auch ein Plateau von 2000 Fuß Höhe erſtiegen hätte,
ſo läßt ſich hierin noch nicht die Urſache jener Kälte ſuchen.
Plateau's von großer Breitenerſtreckung haben einen geringen
Einfluß auf das Klima; in dem Thale von Neiva, (270 Toi-
ſen), an den Ufern der Magdalena, in Honda und Melgar
(170 und 180 Toiſen) iſt es außerordentlich heiß, weil dieſe
Thäler und Hochebenen eine ſehr große Breite haben.
v. Humboldt.