ALEXANDER VON HUMBOLDT.
Die deutsche Original-Inschrift.
Wenn der Mensch mit empfänglichem Gemüthe, in jugendlich vermessener
Hoffnung, den Sinn der Natur zu errathen, Gottes erhabenes Reich forschend
und ahndungsvoll durchwandert; so fühlt er sich angeregt in jeglicher Zone zu
einem geistigen Genuſs höherer Art: sei es daſs er aufrichtet den Blick zu den
ewigen Lichtern der Himmelsräume, oder daſs er ihn niedersenkt auf das stille
Treiben der Kräfte in den Zellen organischer Pflanzengewebe. Diese Eindrücke,
eben weil sie so mächtig sind, wirken vereinzelt. Wird nun nach einem langen
und vielbewegten Leben durch Alter und Abnahme physischer Kräfte Ruhe gebo-
ten; so vermehrt und bereichert den Gehalt des Eingesammelten die Aneinan-
derreihung der selbstgewonnenen Resultate, wie ihre mühevolle Vergleichung mit
dem, was frühere Forscher in ihren Schriften niedergelegt haben. Es bemäch-
tigt sich der Geist des Stoffes, und strebt die angehäufte Masse empirischer Er-
fahrung wenigstens theilweise einer Vernunfterkenntniſs zu unterwerfen. Das
nächste Ziel ist dann, in dem Naturganzen das Gesetzliche aufzufinden. Vor dem
wissenschaftlichen Bemühen nach dem Verstehen der Natur schwinden allmälig,
doch meist erst spät, die langgepflegten Träume symbolisirender Mythen.
Berlin, im November 1856. Alexander v. Humboldt.
Alexander von Humboldt
in seiner Bibliothek
nach einem Aquarell von Ed. Hildebrandt.
Der Künstler, Professor Eduard Hildebrandt, königlicher Hofmaler, hat den ihm seit vielen
Jahren befreundeten Reisenden arbeitend in seiner Bibliothek dargestellt. Da Gegenstände, welche
in der gewohnten Häuslichkeit den Dargestellten täglich umgeben, durch ihre charakteristische
Individualität das Interesse mit Lebendigkeit zu erhöhen pflegen, so nennen wir hier als erkennbar:
die bronzene Büste des Königs von unserem groſsen Meister Christian Rauch; die Statuette
Ihrer Majestät der Königinn, sitzend, in classischem Style; die sehr seltene Büste des berühmten
Seefahrers und Entdeckers Dom Henrique, Herzogs von Viseo, dargestellt nach einem Miniaturbilde
des Infanten in einem spanischen, zu Paris aufbewahrten Manuscripte des 15. Jahrhunderts von Ferdinand
DenisJean-Ferdinand Denis (13.8.1798–1.8.1890), französischer Forschungsreisender und Historiker. 1837 aufgefunden; das Modell des Obelisks von Luxor, gegenwärtig zu Paris, von dem talent-
vollen Bildhauer L. SuſsmannLouis Sussmann-Hellborn (20.3.1828–15.8.1908), Bildhauer, Maler, Kunstsammler und Unternehmer. nach einer Zeichnung des scharfsinnigen ägyptologischen Forschers
Heinrich Brugsch. Unter den Ölbildern zeichnen wir aus: nach der Natur mit glücklicher Treue gemalt
von Ferdinand BellermannFerdinand Konrad Bellermann (14.3.1814–11.8.1889), von Humboldt geförderter Landschaftsmaler. Das Bild gilt als verschollen.; den pittoresken Eingang der Höhle von Caripe (Cueva del Guacharo) in
Südamerika in den Missionen der Chaymas-Indianer, westlich von der Mündung des Orinoco, von Hum-
boldt zuerst beschrieben; die Skizze zu der groſsen historischen Composition: der Tod von Leonardo
da Vinci, ein Geschenk des berühmten Dominique IngresJean-Auguste-Dominique Ingres (29.8.1780–14.1.1867), französischer Maler.; das anmuthige Bild der Sgra. Emma
Gaggiotti Richards, von ihr selbst gemalt in Ancona, Geschenk der geistreichen Künstlerin;
die talentvolle Skizze von Gustav WegenerCarl Gustav Wegener (um 1812–18.2.1887), Landschafts- und Marinemaler; ab 1855 Königlich Preußischer Hofmaler. zu seinem historischen Landschaftsbilde, die Einsiedelei
des heil. Basilius darstellend, am armenischen Flusse IrisHeute: Yeşilırmak (wörtlich „Grüner Fluss“), Fluss im Norden der Türkei., (das groſse Bild ist im Besitz des Königs).
Der Durchblick auf das geöffnete kleine Gemach vor der Bibliothek, dessen Hinterwand mit dem
groſsen Panorama von Rom (Kupferstich von Giuseppe VasiGiuseppe Vasi (27.8.1710–16.4.1782), italienischer Grafiker und Vedutenstecher.) geziert ist, läſst einen Theil der
Vögelsammlung sehen, in der die Nachtvögel (los Guacharos, Humboldt’s Steatornis CaripensisDer Fettschwalm (Steatornis caripensis), auch Guácharo: die einzige rezente Art der Vogelfamilie der Fettschwalme (Steatornithidae).),
welche zu vielen Tausenden die oben genannte Höhle bei Caripe bewohnen, durch ihre groſse
Seltenheit in den zoologischen Sammlungen sich auszeichnen. Dasselbe Gemach, ein Vorzimmer,
enthält 83 Foliobände der Chalcographie du Musée Royal, ein Prachtgeschenk des Königs
der Franzosen Louis Philippe. Ein Theil derselben magnetischen, astronomischen und meteo-
rologischen Apparate, welche die treuen Begleiter des Reisenden im Fluſsnetze des Orinoco und
und Amazonenstroms, in den Cordilleren, im mexicanischen Hochlande und im nördlichen Asien
waren, erinnern an die lange Thätigkeit eines vielbewegten Lebens. Es ist der merkwürdigste
Beweis eines genialen Kunstsinnes, da, wo so viele Gegenstände die Hauptperson in einer
Bibliothek umgeben und durch Vereinzelung den Eindruck zu stören trachten, das Ganze beherrscht
zu haben, und im OriginalDas Original ist in der Wohnung von Alexander von Humboldt zu Berlin (Oranienburger Straſse
No. 67, Haus des Geh. Commerzienraths Alexander Mendelssohn) seit dem 14. September 1856 aufgestellt,
und als ein freundliches Geschenk des Künstlers im Besitz von Johann Seifert, welcher den Reisenden auf
der sibirischen Expedition unter der Regierung des Kaisers Nicolaus begleitet hat. Das Vervielfältigungsrecht
ist mit dem Eigenthum zugleich übertragen worden. durch meisterhafte, schwer in der Nachbildung erreichbare
Abstufung der Farbtöne Ruhe und Harmonie hervorzurufen.
English Translation of the original autograph Inscription.
In youth, man wanders through God’s sublime world open to all impressions,
buoyed up by a hope – strong beyond its resources – of unriddling the secrets
of Nature, and lost in the delights of research and imagination. In every clime
he feels his mind roused to a sense of higher intellectual enjoyment, whether he
casts a look upwards to the everlasting lights of the firmament, or downwards to
the silent powers at work in the finely woven cells of the vegetable kingdom.
These impressions, by very reason of their strength, remain isolated in their
operation. But when, after a long and active life, old age and the decline of
physical power imperatively command repose, the substance of what has been
collected is increased and enriched by stringing together the conclusions which
the inquirer has formed for himself, as well as by laboriously comparing them
with the recorded results of those who have preceded him in the same field.
The mind by this process vindicates its dominion over matter, and endeavours
to reduce the accumulated mass of empirical experience, partially at least, within
the province of rational knowledge. His next object is to trace, through the
whole extent of Nature, the principle of Law. This philosophic effort to attain
an understanding of Nature, gradually, though mostly not until late in life,
dispels the longcherished dreams of symbolizing mythes.
Berlin, November 1857.Alexander von Humboldt.
Alexander von Humboldt
in his Library,
from a watercolerwatercolor drawing by E. Hildebrandt.
Professor Edward Hildebrandt, Painter in Ordinary to His Majesty the King, has represented
the Traveller, his friend of many years standing, at work in his Library. The familiar objects,
which daily surround the person represented in his wonted haunts, are so apt to heighten the
interest of his picture by their characteristic individuality, that we are induced to mention a few
of the most easily recognized among them: – the Bust in bronze of the King, by our great
master Christian Rauch; – the Statuette of Her Majesty the Queen, in classical style, seated; –
the very rare Bust of the renowned navigator and discoverer Dom Henrique, Duke of Viseo,
after a miniature painting of the Infante, discovered in a spanish MS of the XVth Century at Paris
by M. Ferdínand DenisJean-Ferdinand Denis (13.8.1798-1.8.1890), französischer Forschungsreisender und Historiker.; – a Model of the Obelisk of Luxor, now at Paris, executed by the
able Sculptor L. SussmannLouis Sussmann-Hellborn (20.3.1828-15.8.1908), Bildhauer, Maler, Kunstsammler und Unternehmer. after a drawing by Dr. Brugsch the ingenious Aegyptologist.
Among the oil-paintings we would notice: – a very faithful representation from nature, by Pro-
fessor BellermannFerdinand Konrad Bellermann (14.3.1814-11.8.1889), von Humboldt geförderter Landschaftsmaler. Das Bild gilt als verschollen., of the picturesque entrance to the Cave of Caripe (Cueva del Guacharo)
in South America, in the Missions of the Chaymas Indians, westward of the mouth of the Orinoco,
first described by Humboldt; – the design for the grand historical composition, the Death of
Leonardo da Vinci, a gift of the celebrated Dominique IngresJean-Auguste-Dominique Ingres (29.8.1780-14.1.1867), französischer Maler.; – an excellent design for
Gustav Wegener’sCarl Gustav Wegener (um 1812-18.2.1887), Landschafts- und Marinemaler; ab 1855 Königlich Preußischer Hofmaler. great historical landscape (in His Majesty’s Collection), the hermitage of
St Basilius on the Armenian river Iris Heute: Yeşilırmak (wörtlich „Grüner Fluss“), Fluss im Norden der Türkei.; – and the attractive likeness of the accomplished artist Signora
Emma Gaggiotti-Richards, painted at Ancona and presented by herself. In the small apart-
ment in front of the Library, the further wall of which is ornamented by the grand Panorama of Rome
(an engraving by Giuseppe VasiGiuseppe Vasi (27.8.1710-16.4.1782), italienischer Grafiker und Vedutenstecher.), we observe a portion of the Collection of Birds, and among
them the Nightbirds (los Guacharos, Humboldt’s Steatornis CaripensisDer Fettschwalm (Steatornis caripensis), auch Guácharo: die einzige rezente Art der Vogelfamilie der Fettschwalme (Steatornithidae).) found by thousands
in the above-mentioned Cave near Caripe, remarkable on account of their extreme scarcity in
zoological Collections. The same apartment, which serves as anteroom, contains 83 Folio Volumes
of the Chalcographie du Musée Royal, the splendid gift of His late Majesty King Louis
Philippe. A portion of the magnetic, astronomical and meteorological instruments, the Traveller’s
faithful companions in the basin of the Orinoco and Amazon Rivers, in the Cordilleras, in the
Mexican Tableland and in Northern Asia, remind us of long years of varied travel and research.
It gives us a high idea of artistic genius to see how well the unity of effect is preserved not-
withstanding the multiplicity of objects surrounding the principal figure, which naturally tend by
their detail to disturb the general impression, – and how, in the originalThe original has been exhibited since the 14th of September 1856 in Baron Humboldt’s apartments
at Berlin, (at the house, Nr. 67 Oranienburger-Strasse, belonging to Mr. Alexander Mendelssohn, one of
H.His M.Majesty’s Privy Councillors of Commerce). It is the friendly gift of the Artist to Mr. John Seifert, who
accompanied the Traveller on his Siberian Expedition under the Government of the Emperor Nicholas.
Together with the property Mr. John Seifert has received the right of publication., repose and harmony
are spread over the whole by means of a masterly gradation of color, to which even the best
reproduction can not without difficulty attain.
Traduction française.
Si l’homme, à cet âge où le cœur est ouvert à toute les émotions, conçoit
l’espoir téméraire de deviner le sens de la nature, et porte à travers le sublime
royaume de Dieu une curiosité pleine d’investigations et de pressentiments,
chaque zone qu’il parcourt lui révèle des jouissances intellectuelles plus hautes,
soit qu’il élève son regard vers les éternels flambeaux des espaces célestes,
soit qu’il l’abaisse sur le jeu des forces qui s’exercent en silence dans les
cellules du tissu végétal. Ces impressions, en raison même de leur puissance,
agissent isolément; mais qu’après une vie longue et semée d’agitations, l’âge
et l’affaiblissement du corps amènent le repos, le trésor lentement amassé
s’accroit et s’enrichit par la classification des résultats obtenus et par une com-
paraison attentive avec les notions que les observateurs de la nature avaient
déjà consignées dans leur écrits. L’esprit entre alors en possession de la ma-
tière, et s’efforce de soumettre partiellement du moins à la réflexion la masse
des phénomènes que lui fournit l’expérience. Le but dernier est de déter-
miner les lois qui gouvernent l’ensemble du monde. Devant cet effort scien-
tifique, fait en vue d’arriver à l’intelligence de la nature, s’évanouissent peu à
peu, quoique tard le plus souvent, les rêves longtemps caressés des mythes
symboliques.
Berlin, en Novembre 1857.Alexandre de Humboldt.
(Traduit par Mr. Ch. Galusky.)
Alexandre de Humboldt
dans sa Bibliothèque,
d’après une aquarelle d’Édouard Hildebrandt.
L’artiste, Mr. Édouard Hildebrandt, Peintre de la Cour, Professeur à l’Académie des Beaux
Arts, a représenté le voyageur, dont l’affection lui est assurée depuis de longues années, travail-
lant dans sa Bibliothèque. Comme les objets qui habituellement entourant un personnage dans
son intérieur, offrent quelque intérêt d’individualité caractéristique, nous signalons ici la préfé-
rence: le buste du Roi en bronze par notre grand maître Chrétien Rauch; une statuette de Sa Maj.Majesté la
Reine, représentée assise, en style classique; un autre buste peut-être unique de l’illustre navigateur,
l’Infant Dom Henrique, Duc de Viseo, travaillé d’après une miniature, découverte à Paris 1839
dans une manuscrit espagnol du 15. siècle par Mr. Ferdinand Denis Jean-Ferdinand Denis (13.8.1798-1.8.1890), französischer Forschungsreisender und Historiker.; le modèle de l’Obélisque de Lu-
xor, placé aujourd’hui à Paris, de la main habile de Mr. L. SuſsmannLouis Sussmann-Hellborn (20.3.1828-15.8.1908), Bildhauer, Maler, Kunstsammler und Unternehmer., d’après les dessins hiéro-
glyphiques du célèbre voyageur égyptologue, Mr. Henri Brugsch. Parmi les peintures à l’huile nous
nommons ici l’entrée très pittoresque de la Caverne de Caripe (Cueva del Guacharo), à l’ouest
des bouches de l’Orénoque, dans les missions des Indiens Chaymas, fidèlement tracée d’après na-
ture par Mr. Ferdinand BellermannFerdinand Konrad Bellermann (14.3.1814-11.8.1889), von Humboldt geförderter Landschaftsmaler. Das Bild gilt als verschollen.; l’esquisse de la grande composition historique de Mr. Do-
minique Ingres Jean-Auguste-Dominique Ingres (29.8.1780-14.1.1867), französischer Maler. représentant la mort de Leonardo da VinciDas Bild von 1818 befindet sich im Petit Palais in Paris., souvenir affectueux du grand
artiste; le portrait gracieux et spirituel à la fois de Mme.Madame Emma Gaggiotti Richards, peint
par elle-même et envoyé d’Ancone à Mr. de Humboldt; l’ébauche très avancée de Mr. Gustave
WegenerCarl Gustav Wegener (um 1812-18.2.1887), Landschafts- und Marinemaler; ab 1855 Königlich Preußischer Hofmaler. pour son grand paysage historique de l’ermitage de St. Basile, situé dans le vallon
du fleuve IrisHeute: Yeşilırmak (wörtlich „Grüner Fluss“), Fluss im Norden der Türkei. en Arménie et décrit dans sa lettre adressée à St. Grégoire de NazianzeGregor von Nazianz (um 329-25.1.390), Bischof von Sasima in Kappadokien, dem heutigen Çavdarlı; mit Basilius dem Großen und dessen Bruder Gregor von Nyssa einer der drei kappadokischen Väter.. La vue
pénètre par l’ouverture de la Bibliothèque dans le petit appartement d’entrée, qui laisse voir,
dans une partie de la collection ornithologique, les oiseaux nocturnes (los Guacharos) qui habi-
tent par milliers la Caverne de Caripe et dont le genre et l’espèce ont été décrits sous
le nom de Steatornis caripensisDer Fettschwalm (Steatornis caripensis), auch Guácharo: die einzige rezente Art der Vogelfamilie der Fettschwalme (Steatornithidae).. Le mur opposé est couvert par le Panorama topographique
de Rome, la grande gravure de Giuseppe VasiGiuseppe Vasi (27.8.1710-16.4.1782), italienischer Grafiker und Vedutenstecher.. Cette même pièce renferme les 83 volumes
in-folio de la Chalcographie du Musée Royal, témoignage de la munificence de Louis-
Philippe, Roi des Français. Une partie des appareils magnétiques, astronomiques, et météorolo-
giques qui ont été les fidèles compagnons du Voyageur dans le réseau hydraulique entre l’Oré-
noque et la rivière des Amazones, dans les Cordillères de Quito, les Volcans mexicains et les
montagnes du nord de l’Asie, rappelle la longue activité d’une vie agitée.
Ce qui semble caractériser de la manière la plus avantageuse le génie artistique du peintre,
c’est d’avoir pu obtenir dans l’originalL’original se trouve placé dans la demeure de Mr. Alexandre de Humboldt à Berlin (Oranienburger
Straſse No. 67, maison de Mr. Alexandre Mendelssohn, Conseiller intime de commerce) depuis le 14.
Sept.Septembre 1856. C’est, comme un don affectueux de l’artiste, la propriété de Mr. Jean Seifert, qui a accom-
pagné le Voyageur pendant son expédition de Sibérie sous l’Empereur Nicolas. Le droit de publication a
été transféré avec ceux de la propriété. du tableau par la distribution et l’intelligente dégra-
dation des tons de couleur l’harmonie et le repos, là où la multiplicité des objets qui entourent
le Voyageur menacent de les troubler.