1. Schichtung der Gebirgsarten am südlichen Abfall
der Küstenkette von Venezuela gegen das grosse Becken
der Ebenen (Llanos).
Aus einem Briefe des Herrn Alexander v. Humboldt an
Herrn Ewald.
(Hierzu Taf. II.)
Es wird mir angenehm sein, wenn Sie es übernehmen
wollten, unserer Societät ein Blatt vorzulegen, das vor mehr
als dreiundfunfzig Jahren gezeichnet ist. Die verdienstvollen
Bemühungen von Hermann Karsten und der combinirende
Scharfsinn unseres grossen dahingeschiedenen Geognosten,
des theuern Leopold v. Buch, haben ganz neuerlichst die
Aufmerksamkeit auf die Sedimentformationen, besonders auf
die Kreideformation von Venezuela und Neu-Granada geleitet.
Vielleicht hat es einiges Interesse, die periodisch wechseln-
den älteren Formationen von grünen Schiefern, Serpentin und
Grünstein, wie die plutonischen Eruptivmassen (Mandelstein
und Porphyrschiefer) ins Auge zu fassen, die das ehemalige
Ufer des neptunischen grossen Seebodens (der Llanos de
Caracas) bilden. Die Ränder solcher Becken konnten leichter
zu Ausbrüchen Anlass geben. Diese Verhältnisse sind von
mir sehr sorgfältig im Voyage aux régions équinoxiales(kleine
Ausgabe Vol. VI. p. 30 bis 38, Vol. X. p. 261 bis 275 und
305) beschrieben, aber in Deutschland wenig beachtet, wahr-
scheinlich wegen der Schlechtigkeit der deutschen Ueber-
setzung, die mir übrigens ganz unbekannt geblieben ist. Es
wäre sehr zu wünschen, dass das Alter des Kalksteins der
Morros von San Juan, die ich nicht habe besuchen können,
genauer bestimmt würde. Nach meinen astronomischen Orts-
bestimmungen und barometrischen Höhenmessungen liegen
die Küste bei dem Hafen Puerto Cabello Breite 10° 28′ 22″,
Länge 70° 37′ 3″ Nueva Valencia in den Valles de Ara-
gua Breite 10° 9′ 56″, Höhe 234 Toisen; Villa de Cura
Breite 10° 2′ 47″, Höhe 266 Toisen; das Dorf San Juan
Breite 9° 55′ 4″, Höhe 194 Toisen.
In Betreff der vorliegenden, im Jahre 1800 ausgeführten, jedoch hier
zum ersten Male publicirten Profilzeichnung, in welcher die erste geo-
gnostische Kunde der Küstengebirge von Venezuela und die schon da-
mals vollkommen erkannte Struktur derselben sich vergegenwärtigt, mö-
gen aus den im obigen Briefe des Herrn v. Humboldt citirten Stellen
des Voyage aux régions équinoxiales folgende Daten, die sich auf die
Gesteine sowie auf die horizontalen und vertikalen Dimensionen jenes
Gebirges beziehen, angeführt werden:
Die Gneiss- und Glimmerschieferzone, welche den nördlichen Theil
des Küstengebirges von Venezuela einnimmt, hat vom Meere bis zu der
Villa de Cura eine Breite von zehn Stunden. Sie besteht da, wo das
Profil hindurchgelegt ist, nämlich unter 70° 5′ westlicher Länge von
Paris, aus zwei Parallelketten, von denen die südliche ausschliesslich
von Gneiss und Glimmerschiefer gebildet wird, während in der nördli-
chen ausserdem auch noch Granit zu Tage tritt. Zwischen beiden Ket-
ten bilden die Hochebenen von Aragua ein Längenthal, in welchem
Nueva Valencia 234 und der See von Tacarigua 222 Toisen über dem
Meere liegen.
Der südliche Abfall des Küstengebirges, vom Plateau von Cura
(266 Toisen über dem Meere) bis zu den Llanos, hat noch eine Breite
von acht Stunden.
In diesem Theile des Profils ist es, wo jener Wechsel von grünen
Schiefern, Grünsteinen und Serpentinen eintritt, der immer bestimmter
sich als eine an den entferntesten Punkten der Erde wiederkehrende
Gesteins-Association zu erkennen giebt. Schwärzlichgrüne, kleinkörnige,
quarzfreie Grünsteine bilden in diesem Theile des Profils die Hauptmasse
der Gesteine; dunkelolivengrüne Serpentine von unebenem Bruche treten
untergeordnet dazwischen auf; die grünen Schiefer sind stellenweise aus-
gezeichnet talkig und enthalten Hornblende, jedoch weder Glimmer noch
Quarz. Südlich von Malpasso, wo der grüne Schiefer seine Hornblende
verliert, geht er in die blauschwarzen Schiefer von Piedras azules über.
Mitten aus diesem Wechsel von Gesteinen erheben sich wie Schloss-
ruinen die Kalkfelsen, welche die Morros von S. Juan bilden. Der Kalk
der Morros ist krystallinisch, theils sehr dicht, theils löcherig und von
grünlichgrauer Farbe; einzelne Glimmerblättchen sind darin eingemengt;
enthält Bänke eines dunkeln schiefrigen Gesteins, worin man eine
Annäherung an Uebergangsthonschiefer oder Kieselschiefer erkennt; er
bildet vielleicht ein untergeordnetes Lager innerhalb der aus grünen
Schiefern, Grünsteinen und Serpentinen bestehenden Gesteinsreihe und
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gehört ohne Zweifel einer der alten paläozoischen Formationen an. Alle
diese Gesteine haben ein ziemlich regelmässiges Einfallen gegen die
Küste hin. An den Kalk der Morros sind andere versteinerungsführende
Kalke von offenbar jüngerem Ursprunge angelehnt.
Wenn man südlich gegen die Llanos fortschreitet, so ist es zwischen
Parapara, Ortiz und dem Cerro de Flores, wo man auf augithaltige
Mandelsteine und auf Phonolithe gelangt. Letztere stimmen genau mit
den bekannten des böhmischen Mittelgebirges überein und sind durch
eingestreute Krystalle von glasigem Feldspath porphyrartig. Sie liefern
den sichersten Beweis, dass es Gesteine von evident eruptiver Natur und
verhältnissmässig neuer Entstehung sind, welche am Rande der Llanos,
an der Grenze zwischen diesen und dem Küstengebirge hervortreten.
Die Mandelsteine haben eine bläulichgraue Farbe, sind blasig, enthalten
geborstene Augitkrystalle und Mesotyp, und sondern sich zu concentrisch
schaligen Kugeln ab. Sie schliessen sich eng an die Phonolithe an und
greifen zwischen die Grünsteine so hindurch, dass sie mit denselben in
Wechsellagerung angetroffen werden.
Diese Phonolithe und Mandelsteine bilden kegelförmige Berge, die
sich nur 30 bis 40 Toisen über die Llanos erheben. Die Llanos selbst
liegen hier in der Regel nur 40 bis 90 Toisen über dem Meere, in ihrer
Mitte die kleine Stadt Calabozo (Breite 8° 56′ 8″, Länge 70° 10′ 40″)
in einer Höhe von 94 Toisen.
Ewald.