Der vierte Weg zur Universität .
„ D ie Frau “ hat sich bereits in drei Artikeln Juli- , September- und Oktoberheft 1909 . mit dem
Erlaß des preußischen Kultusministeriums vom 3. April
d. J. beschäftigt , der den seminaristisch gebildeten Lehrerinnen
nach zweijähriger Praxis an höheren Schulen die Universität
öffnet . Eine Hauptfrage dabei war , ob ihnen nur mit der
kleinen Matrikel eine Spalte zum Durchschlüpfen gegeben , ob
– über Bitten und Verstehen – das Recht voller Jmmatri-
kulation gewährt werden sollte .
Jn dem Artikel von Fräulein Martha Strinz ( Oktober-
heft ) ist auf Grund der Schlüsse , die man aus dem Erlaß selbst
und nach analogen Verhältnissen ziehen mußte , die Auffassung
vertreten , daß die Lehrerinnen „ auf die kleine Matrikel und
darüber hinaus auf den Besuch der Universitäten als Gast-
hörerinnen angewiesen “ seien . Dieser Auffassung waren in
der Tat die meisten Beteiligten , ja zuerst selbst Universitäts-
behörden . Stand doch nur in dem Erlaß , daß die betreffenden
Lehrerinnen sechs Halbjahre , „ sei es als immatrikulierte
Studentin , sei es als Gasthörerin “ , studiert haben mußten .
Und kann doch die kleine Matrikel , die für ähnliche Fälle sonst
fast ausschließlich in Betracht kommt Der betreffende Paragraph der Universitätsvorschriften lautet :
Mit besonderer Erlaubnis der Jmmatrikulationskommission
können Angehörige des Deutschen Reiches , welche ein nach § 2
Abs. 1 oder 2 genügendes Reifezeugnis nicht erworben , jedoch
wenigstens dasjenige Maß der Schulbildung erreicht haben ,
welches für die Erlangung der Berechtigung zum einjährig-
ohne Schwierigkeiten
von 4 auf 6 Halbjahre ausgedehnt werden .
Aber da spielten sich zu Beginn des Sommersemesters
einige überraschende Vorgänge ab . Seminaristisch vorgebildete
Lehrerinnen verlangten an verschiedenen preußischen Universitäten
unter Berufung auf das Kultusministerium die volle Jmmatri-
kulation . Jn einigen Fällen wurde diesem Verlangen auf den
Hinweis , daß es nur eines Telegramms an das Ministerium
bedürfe , um die Sache zu regeln , sofort nachgegeben , in andren
wurde , wie erzählt wird , die direkte Weisung abgewartet , und
ihr mußten dann die Universitätsbehörden sich fügen .
Und wo ist der Erlaß , der ausdrücklich diese volle Jmmatri-
kulation seminaristisch vorgebildeter Lehrerinnen verfügt , über
die der Erlaß vom 3. April so verschämt schweigt ?
Sehr aufmerksame Leser , die das Zentralblatt für die ge-
samte Unterrichtsverwaltung in Preußen Zeile für Zeile durch-
studieren , finden auf S. 401 von Heft 5 ( in dem auch der
Erlaß vom 3. April 1903 veröffentlicht ist ) einen Erlaß vom
11. April folgenden Wortlauts :
Der zweite Absatz des § 2 der Vorschriften für die Studierenden
der Landesuniversitäten usw. vom 1. Oktober 1879 / 6. Januar 1905 erhält folgenden
Zusatz :
Das gleiche gilt von dem in der Verfügung des Ministers
der geistlichen , Unterrichts- und Medizinalangelegenheiten vom
3. April 1909 zugelassenen Vorbildungsnachweis für das Studium ,
welches zum Berufe der Oberlehrerin führt .
Auch dieser Satz gibt in seiner rein formalen Fassung
noch keinerlei Aufschluß . Erst wenn man Einsicht in den § 2
der Vorschriften für die Studierenden der Landesuniversitäten
nimmt , gehen einem die Augen auf . Dieser Paragraph lautet :
Zum Nachweise der wissenschaftlichen Vorbildung für das
akademische Studium haben Angehörige des Deutschen Reiches
freiwilligen Dienst vorgeschrieben ist , auf vier Semester im-
matrikuliert und bei der philosophischen Fakultät eingetragen
werden .
Die Jmmatrikulationskommission ist ermächtigt , nach Ablauf
dieser vier Semester die Verlängerung des Studiums um zwei
Semester aus besonderen Gründen zu gestatten . Eine weitere
Verlängerung ist nur mit Genehmigung des Ministers zulässig .
außerdem dasjenige Reifezeugnis einer deutschen neunstufigen
höheren Lehranstalt beizubringen , welches für die Zulassung zu
den ihrem Studienfach entsprechenden Berufsprüfungen in ihrem
Heimatsstaate vorgeschrieben ist ; auf Grund ausländischer Reife-
zeugnisse dürfen Reichsangehörige nur dann immatrikuliert werden ,
wenn daraufhin ihre Zulassung zu den ihrem Studienfach ent-
sprechenden Berufsprüfungen in ihrem Heimatsstaate gesichert
erscheint .
Genügt nach den bestehenden Bestimmungen für ein Berufs-
studium der Nachweis der Reife für die Prima einer neun-
stufigen höheren Lehranstalt , Das war bekanntlich früher bei Tierärzten , Zahnärzten und Apo-
thekern der Fall . Seit 1903 sind aber auch die Tierärzte und seit dem
15. März 1909 auch die Zahnärzte zur Beibringung eines vollen Reife-
zeugnisses verpflichtet . Diese Berufskategorien sind übrigens überhaupt
nicht zum Vergleich für die Kandidatinnen des höheren Lehrfachs heran-
zuziehen , sondern einzig und allein die männlichen Kandidaten für das
Examen pro fac. doc. Solange nicht Primaner zu diesem Examen zu-
gelassen werden , solange dürften es auch Lehrerinnen nicht , von denen
es überdies noch sehr fraglich ist , ob sie aus ihrem Seminar auch nur
die Primareife mitbringen . Fehlen ihnen doch wichtige Fächer ganz oder
fast ganz . so reicht das auch für die Jm-
matrikulation aus .
Dem zweiten Absatz dieses Paragraphen wird also von jetzt
ab der im Erlaß vom 11. April veröffentlichte Zusatz angefügt .
Das heißt also : Da für die Zulassung von Lehrerinnen zum
Examen pro fac. doc. der Nachweis genügt , „ daß sie nach
erfolgreichem Besuche einer anerkannten Höheren Mädchenschule
und eines anerkannten Höheren Lehrerinnenseminars die volle
Lehrbefähigung für Mittlere und Höhere Mädchenschulen er-
langt haben “ und zwei Jahre lang an Höheren Mädchen-
schulen vollbeschäftigt waren , so genügt dieser Nachweis auch
für die Jmmatrikulation .
Diesen Schluß , der nur auf der Verallgemeinerung beruhen
kann : eine Vorbildung , die zu den Prüfungen berechtigt , be-
rechtigt auch zur Jmmatrikulation , hat das preußische Kultus-
ministerium , so nahe er früher gelegen hätte , seinerzeit nicht
gezogen . Vergeblich haben die rite vorgebildeten und staatlich
geprüften Studentinnen über ein Jahrzehnt um das wohl-
erworbene Recht zur Jmmatrikulation gerungen . Sie haben sich
damals gewiß nicht träumen lassen , daß das preußische Kultus-
ministerium , das sich ihren berechtigten Gesuchen so hartnäckig
verschloß , auch Kränze zu vergeben hat , die man „ im Spazieren-
gehn bequem erreicht “ .
Es ergibt sich nun aus dieser Sachlage , daß die Hinzu-
fügung : „ sei es als Gasthörerin “ , die in dem Erlaß vom
3. April so irreführend wirkt , für preußische Universitäten nur
insofern einen Sinn hat , als es sich etwa um beurlaubte
Lehrerinnen öffentlicher Schulen handelt , die als solche nicht der
Universitätsbehörde unterstellt werden können . Jm übrigen
kann sich die „ Gasthörerin “ nur auf andere deutsche Universitäten
beziehen , die etwa kurzsichtig genug sein sollten , die Voll-
gültigkeit der preußischen Seminarbildung als Vorbereitung
für das Studium nicht einzusehen .
Der beschränkte Untertanenverstand grübelt nun vergeblich
darüber , warum in dem Erlaß vom 3. April nicht klipp und
klar gesagt ist , daß den Lehrerinnen unter den dort genannten
Voraussetzungen die volle Jmmatrikulation in Preußen gewährt
werden würde . Dann hätte man doch von vornherein gewußt ,
wie die Dinge liegen ; das Staunen allerdings , das weite Kreise
über dieses unbegreifliche und ungewünschte Frauenvorrecht
erfüllt , würde noch lebhafter gewesen sein .
Man fragt sich nun : was beabsichtigt die Regierung mit
dieser Bevorzugung der Frauen vor den Männern , an die man
in Preußen wahrlich nicht eben gewöhnt ist ? Beabsichtigt sie
etwa das Frauenstudium zu diskreditieren ?
Daß das – ob gewollt oder nicht – als Nebeneffekt
dabei herauskommen wird , liegt auf der Hand . Die Beweg-
gründe sind aber wohl anderswo zu suchen .
Es ist klar , daß das Seminar , dieses Lieblingskind der
preußischen Verwaltung , im neuen Frauenbildungswesen nur
eine untergeordnete Rolle spielen würde , wenn man nicht
künstlich nachhilft . Für ein höheres Lehrerinnenseminar ist
eigentlich überhaupt kein Platz . Wir brauchen für die höhere
Mädchenschule der Zukunft ebenso wie für die höhere Knaben-
schule einerseits akademisch gebildete und andrerseits Elementar-
lehrerinnen . Das höhere Lehrerinnenseminar würde also von
vornherein auf ein totes Geleise gesetzt . Da muß vorgesorgt ,
da müssen Vorrechte geschaffen , da muß der Besuch künstlich
erhöht werden – denn daß man mit großem Mißbehagen der
Gründung zahlreicher Studienanstalten gegenübersteht , ist ja
schon durch die Verklausulierungen in den Bestimmungen ge-
nügend erhärtet . Darum der Erlaß vom 3. April . Daß die
Ministerialabteilungen für Universitäten und höheres Schul-
wesen dem Druck von U III hier nachgegeben haben , gehört zu
den Rätseln , die einem das preußische Kultusministerium ja
manchmal zu raten aufgibt .
L' appétit vient en mangeant . Hat das Ministerium da
nachgegeben , so kann man auch weiteres verlangen . So denken
die preußischen Mädchenschuldirektoren , unter denen viele ein
Seminar aufgebaut haben oder aufzubauen gedenken . Und so
haben sie glattweg in der Versammlung zu Stettin am 3. und
4. Oktober erklärt :
„ Der Direktorenverein hält es für wünschenswert , daß
die Lehrerinnen , die 1913 oder später das Höhere
Lehrerinnenseminar absolvieren , in bezug auf Studium
und Zulassung zu den Prüfungen den Abiturientinnen
der Studienanstalten gleichgestellt werden . “
Das heißt nicht mehr und nicht weniger , als daß die
seminaristisch gebildeten Lehrerinnen des Zukunftsseminars auf
Grund ihrer Ausbildung auch für fähig erklärt werden sollen ,
Medizin , Jura und Theologie zu studieren und daß sie auch
für diese Fakultäten das Recht der vollen Jmmatrikulation
erhalten sollen .
Wie wird sich die Regierung zu diesem Verlangen stellen ?
Es ist durchaus nicht einzusehen , wie sie logischerweise den
Seminardirektoren , denen sie schon so viel Liebes und Gutes
erwiesen hat , diesen neuen Liebesdienst abschlagen will . Sie
kann auch nicht etwa sagen : wir wollen abwarten , ob eure
Seminare wirklich die Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit
geben werden – woran doch einstweilen ein starker Zweifel
berechtigt sein dürfte – denn sie hat das im Erlaß vom
3. April ja auch nicht gesagt . Was nun der einen Fakultät
recht ist , ist den andren billig . Warum soll nur auf die
philosophische Fakultät die Fülle ungenügend vorgebildeter
Studentinnen losgelassen werden , die bald den Seminaren ent-
strömen wird ? Warum sollen die anderen Fakultäten nicht
auch ihr Teil bekommen ? Oder meint man etwa , daß die zwei
Jahre Lehrerinnenpraxis für die philosophische Fakultät etwas
zu bedeuten hätten ? Sie werden übrigens durch das Ver-
langen der Direktoren nach voller Gleichstellung der Seminare
mit den Studienanstalten so nebenbei einfach hinweggewischt ;
wohl kaum mit Unrecht . Denn ob die junge Lehrerin zwei
Jahre Schreiblesen , Rechnen , Stricken , Geschichtserzählungen
und was der Anfängerin sonst etwa zufällt , unterrichtet hat , ist
für das Examen pro fac. doc. , das ein wissenschaftliches ,
kein pädagogisch-didaktisches ist , tatsächlich belanglos . Also fort
damit , und nun für sämtliche Studien den Weg geöffnet , den
von vielen deutschen Schulmännern so heiß erstrebten vierten
Weg , den Weg für die Frauen .
Einen vierten Weg – warum nicht ? Wenn es einen
solchen gibt ? Hat doch das Anwachsen der mathematisch-
naturwissenschaftlichen Disziplinen , das Entstehen der technischen
Berufe auch einen dritten , den der Oberrealschule möglich
und notwendig gemacht .
Eben dieser Gedankengang zeigt uns die Unmöglichkeit
eines vierten Weges . Die Universität ist bei uns nicht wie
in England Vermittlerin einer gewissen allgemeinen Bildung
auf wissenschaftlicher Grundlage , sondern in erster Linie Über-
mittlerin einer wissenschaftlichen Fachbildung , man studiert
auf einen Beruf hin . Die dafür notwendigen Voraussetzungen
sind in den Reifeprüfungen der drei höheren Knabenschul-
gattungen , die schon auf diese Berufe hinzielen , gegeben . Diese
Prüfungen stellen mit den obligaten Ergänzungsprüfungen alle
zurzeit möglichen Voraussetzungen erschöpfend dar . Was man
von den Wegen , die zu diesen Prüfungen führen , was man
von dem ganzen Stand unsrer pädagogischen Traditionen , was
man endlich von unsrem Universitätswesen selbst denken mag ,
das steht auf einem anderen Blatt . Hier fragt es sich nicht :
was für eine ideale Bildung wäre möglich ? sondern nur : welche
Voraussetzungen muß ich für das so und so beschaffene Uni-
versitätsstudium erfüllen ? Die Antwort ist durch die drei Reife-
prüfungen gegeben . Ein vierter Weg , der etwa allgemeine
größere Reife bei geringerem positiven Wissensstand anstrebt ,
kann zweifellos schöne Bildungsresultate erzielen , kann auf Höhen
und zu Fernsichten führen , die dem Abiturienten fehlen . Diese
Reife kann aber nie einen Mangel an den Kenntnissen ersetzen ,
mit denen ein altphilologisches , ein mathematisch-naturwissen-
schaftliches , ein medizinisches Kolleg rechnet . Will man die
Frauen etwa so vorbilden , so setzt man sie gegen den jüngsten
Studenten in Nachteil .
Zieht man das alles in Betracht , so wird man sich sagen
müssen : einen vierten Weg zur Universität gibt es zurzeit
nicht . Sollte aber ein solcher gefunden werden , so muß er für
beide Geschlechter gelten , denn nicht das Geschlecht , sondern das
Ziel gibt den Ausschlag . Und so wenig es einen Königsweg
zur Wissenschaft gibt , so wenig gibt es einen besonderen
Frauenweg .
Eine bekannte Anekdote läßt eine ländliche Behörde das
Überwegen eines fiskalischen Grundstücks durch die Warnungs-
tafel verbieten : „ Dieser Weg ist kein Weg , wer es aber dennoch
tut , hat es sich selbst zuzuschreiben . “ Diese Warnungstafel
sollte man weithin sichtbar an dem vierten Wege aufstellen .
Auf der Regierungstafel freilich lesen wir : „ Dieser Weg ist
ein Weg , aber nur für das schwache Geschlecht . “ Und wenn
das schwache Geschlecht vergnügt unter der hochgehaltenen
Schranke den anfangs so bequemen und ebenen Weg betritt ,
da ahnt es wenig , daß ihm Gestrüpp und Gestein bald den
Weg versperren , daß es ermüdende Umwege zu machen hat ,
denen seine ungeschulte Kraft schwer gewachsen ist , während
das starke Geschlecht mit erprobten Gliedern auf geradem Wege
dem Ziel entgegengeht . Und die Frauen , die erschöpft unter-
wegs liegen bleiben oder am Ziel zurückgewiesen werden müssen ,
die werden dermaleinst der Regierung das Beweismaterial
dafür liefern , daß es mit dem Studium der Frauen nichts
ist , auch wenn man es ihnen noch so sehr erleichtert .
Der Satz ist richtig , nur die Betonung ist zu ändern : es
wird nichts mit dem Studium der Frauen , gerade wenn
man es ihnen erleichtert .
Wir sind schon einmal in ähnlicher Lage gewesen : als es
sich seinerzeit um das preußische Oberlehrerinnenexamen handelte .
Die Regierung erklärte damals zwei Jahre Studium für das
Normale , nicht unbeeinflußt durch weibliche Sentimentalität ,
die da bat , es den armen Mädchen doch möglichst leicht zu
machen . Wir haben es nur dem tüchtigen Streben der Mehr-
zahl unsrer Oberlehrerinnen zu danken , daß schließlich drei
Jahre Studium zur Norm wurden , und daß man in den
Leistungen weit über das hinausging , was die Regierung
forderte , so daß das Examen in der Mehrzahl der Fälle
wirklich das geworden ist , was wir wünschten : ein wissen-
schaftliches Examen .
Es steht schon ziemlich fest , daß wir etwas Ähnliches heute
nicht zu erwarten haben . Handelt es sich doch nicht mehr , wie
damals , um einzelne charakterfeste und intellektuell hervor-
ragende Persönlichkeiten , die ihren Weg mit vollem Bewußtsein
der ihnen auferlegten Verantwortung suchen , handelt es sich
doch um die Masse , den Durchschnitt , sind doch auch die Ver-
lockungen gar zu groß . Es ist bekannt genug , daß die Frauen ,
die den strengen Studienweg zum Examen pro fac. doc. gingen ,
als „ Männerkopistinnen “ , wie sich einer der maßgebenden
Herren einmal geschmackvoll ausdrückte , ( nach der logisch recht
billigen Definition : alles , worauf die Männer einmal ein
Privileg besaßen , ist männlich ) sich keines besonderen Wohl-
wollens erfreuen . Existierten sie doch für die ganzen Be-
stimmungen für das höhere Mädchenschulwesen überhaupt nicht .
Dazu kommt noch , daß die ganze Last des Abiturientenexamens
einfach abgeworfen werden kann . Und so ziehen denn Lehrerinnen ,
die das Schulwissen für Mathematik nicht beibringen konnten ,
vergnügt in die mathematischen Kollegs , und die im Cäsar stecken
blieben , in die altphilologischen ein . Das weitere wird sich ja
finden .
Ja , es wird sich finden . Zum Schaden für die Kandidatinnen
und zum unermeßlichen Schaden für das ganze Frauenstudium .
Wahrlich , nicht die meinen es gut mit den Lehrerinnen , die
ihnen zureden , den mit so unerhörter und unerwünschter
Liberalität geöffneten Weg zu gehen , sondern die ihnen aus
allen Kräften abreden und sie auf den Weg der regulären
Vorbereitung für das Studium verweisen . Selbstverständlich beziehen sich diese Ausführungen in erster Linie
auf solche , die noch vor der Wahl ihrer Vorbereitung stehen , nicht auf einzelne
Opfer der Übergangszeit . Lehrerinnen , die vielleicht mitten in der Vor-
bereitung auf das Oberlehrerinnenexamen alten Stils durch die neuen
Bestimmungen überrascht sind , wird es niemand verdenken , wenn sie bei
der sicher bevorstehenden Entwertung dieses Examens nun das Examen
pro fac. doc. , ablegen möchten . Es ist durchaus verständlich , daß sie ,
vielleicht nur auf wenige Jahre aus festen Stellungen beurlaubt , nicht den
Umweg über das Abiturium mehr machen wollen , ja daß sie vielfach
gezwungen sind , die Fährlichkeiten des neuen Weges auf sich zu nehmen .
Hätte sich der Erlaß nur auf diese so wie so in Nachteil gesetzten Lehrerinnen
bezogen , so würde man ihn begreiflich gefunden haben . Um ihre Vor-
bildung hinreichend auszugleichen , sind Ergänzungskurse , wie sie in Bonn
bestehen , das einzige Auskunftsmittel . Aber solche Kurse dürfen nur eine
vorübergehende Erscheinung sein und sollten sich streng auf die Ergänzung
der Vorbildung beschränken , sonst hieße das die Krücke in Permanenz
erklären .
Und wie stellen sich nun die Universitäten zu dem
vierten Weg ?
Dem Vernehmen nach haben sowohl der Senat als auch
die philosophische Fakultät der Universitäten Berlin , Bonn und
Göttingen gegen den Erlaß vom 11. bezw. 3. April protestiert ;
der Minister soll es aber abgelehnt haben , Gründe für den
Erlaß vom 3. April anzugeben , mit dem Bemerken , es sei dies
nicht eine Angelegenheit der Universitäten , sondern der höheren
Mädchenschule !
Man kann nicht eben behaupten , daß diese Wendung zu
den glücklichsten Eingebungen des preußischen Kultusministeriums
gehört . Nach diesem Schema könnte Krethi und Plethi auf die
Universitäten losgelassen werden , mit der schönen Begründung ,
es sei das nicht eine Sache der Universitäten , sondern die Sache
von Krethi und Plethi .
Es ist dringend zu wünschen , daß sich die nächste Rektoren-
konferenz auf das eingehendste mit dieser Frage beschäftigt .
Geht sie doch , wie das unverfrorene Verlangen der preußischen
Mädchenschuldirektoren zeigt , alle Fakultäten an . Liegt doch
die dringende Gefahr vor , daß die Überschwemmung aller
Fakultäten mit ungenügend vorgebildeten , aber doch voll
immatrikulierten Studentinnen auch für eine „ Sache der
höheren Mädchenschule “ , nicht der Universitäten erklärt wird .
Und wenn auch der Protest der Universitäten nichts hilft
und den Professoren als einzige Schutzmaßregel nur die Aus-
schließung der ungeeignet vorgebildeten Lehrerinnen aus ihren
seminaristischen Übungen und ein gründliches Zufassen bei den
Prüfungen bleibt , wer wird den Schaden zu tragen haben ?
Die von der Regierung mit so „ wohlwollender “ Hand geschützten
Lehrerinnen . Und so können wir nur immer wieder an dem
von der neuesten deutschen „ Männerpädagogik für Frauen “ so
eifrig empfohlenen vierten Weg die Warnungstafel auf-
pflanzen : „ Dieser Weg ist kein Weg ; wer ihn geht ,
schädigt sich und das Frauenstudium . “