Landtagsverhandlungen.
München, 10. April. ( XCIII. Sitzung d.
Kammer der Abgeordneten. ) Die heutige
Sitzung der Abgeordnetenkammer dauerte noch
bis 3 Uhr. Es würde jedoch wohl dem größten
Theile unserer Leser nur geringes Jnteresse ge-
währen, wenn wir auf die Debatten über das
Bergwesen, welchen dieselbe gewidmet war,
eingehen wollten. Wir beschränken uns deshalb
darauf, die Schlußäußerungen des Regierungs-
kommissärs Burkart und die sodann gefaßten Be-
schlüsse mitzutheilen. Jener erklärte: Die Re-
gierung sei vollkommen damit einverstanden, daß
Ersparungen möglich seien, und er könne mit Be-
stimmtheit versichern, daß sie den ernstlichen Wil-
len habe, die möglichste Sparsamkeit einzuführen;
aber eine so verwickelte Sache lasse sich nicht auf
einmal ordnen. Was insbesondere die Porzellan-
manufaktur betreffe, welche die meisten Angriffe
gehabt habe, so erkenne die Regierung gleichfalls
an, daß hier Vielem abzuhelfen sei; auch habe
sie im vergangenen Jahre eine Reorganisation
vornehmen lassen und durch Verminderung des
Personals bereits an 3000 fl. erspart, so daß
es in dem letztem Jahre gelungen sei, den Zuschuß
auf 8868 fl. herabzubringen. Anlangend d. Berg-
wesen, habe die Regierung die Erfahrung gemacht,
daß Bergwerke, die bisher mit Zuschuß gearbeitet,
die nächste Zeit Erübrigungen abwerfen würden;
namentlich ist Dieß bei Sonthofen der Fall, wo
dermalen ein sehr tüchtiger Beamter sei. Es
werde eine Conferenz mit tüchtigen Bergbau= und
Hüttenbeamten abgehalten werden, um einen ge-
diegenen Wirthschaftsplan zu berathen. Der An-
trag, daß auf geognostischer Untersuchungen 10,000
fl. verwendet werden sollen, sei wegen der großen
Summe etwas bedenklich, da keine Zuschüsse mehr
vorhanden seien. Die Sache werde indeß jeden-
falls soweit in Angriff genommen werden, als
das Geld reiche. Bei der Abstimmung wurden
die Anträge des Ausschusses sub 1, 2, 3, 4,
dann die Lerchenfeld'schen Vorschläge mit Verwer-
fung des Ausschußgutachtens sub 5, 6, 7, ange-
nommen; pos. 8 des Ausschusses und der Kolb' -
sche Antrag wurden gleichfalls genehmigt; dann
pos. 9, 10, 11 des Ausschusses angenommen.
Die Anträge der Abgeordneten Lanzer und Rein-
hart wurden verworfen, der Antrag Fillweber's in
seinem ersten Abschnitt genommen und der zweite
Antrag Kolb's gleichfalls genehmigt. Das Re-
sultat der Sitzung waren demnach folgende Be-
schlüsse: 1 ) Die vorliegenden Uebersichten der
Geldeinnahmen und Ausgaben bei der königl.
Generalbergwerks= und Salinenadministration für
das Bergwesen in den Jahren 1845/46 und
1846/47 seien zwar in rechnerischer Beziehung
nicht zu beanstanden, jedoch 2 ) in Zukunft die
Einnahme unter Abth. II. Kap. IV. §. 1 unter
der Ueberschrift: „Reinertrag der eigenen Wal-
dungen der Berg= und Hüttenwerke“ aufzuführen;
3 ) forthin die Etatspositionen auf den Bedarf
der Berg= und Hüttenämter, auf Unterstützungen,
dann auf Wasser=, Brücken= und Straßenbau ge-
nauer einzuhalten; 4 ) zu Abth. II. B. Kap. V.
§. 2 der Ausgaben die wirklich aus den Ein-
nahmsüberschüssen bestrittenen Verbesserungen der
Werke speziell vorzumerken ( Anträge des Ausschus-
ses ) . 5 ) Die bis zum Schlusse des Jahres
1848/49 einschlüssig zur Deckung der Passivreste
der Bergwerkskasse aus den Salinengefällen ent-
nommenen Vorschüsse werden definitiv in jenem
Betrag an den Salinengefällen abgeschrieben und
der Centralkasse als Aktivausstand zugewiesen, in
welchem dieselben am Schlusse der V. Finanz-
periode sich berechnet haben und rechnungsmäßig
festgestellt werden; von dem Beginn der VI. Fi-
nanzperiode an ist das Rechnungs= und Kassewe-
sen der Salinen=, Berg= und Hüttenwerke auf
das Strengste gesondert zu halten u. kein Zuschuß
aus dem erstern an die letztere unter irgend einer
Form mehr zu leisten. 6 ) Der Passivrest der Berg-
u. Hüttenwerke ist von jenem der Porzellänmann-
faktur u. der Glasmalerei auszuscheiden und der-
jenige dieser Anstalten gesondert in den Rechnun-
gen der Central=Staatskasse vorzutragen. 7 ) Die
sämmtlichen Ausstände, Vorräthe an Fabrikaten
und Rohmaterialien sind den Berg= und Hütten-
werken der Porzellänmanufactur und bezüglich der
Glasmalerei=Anstalt als Betriebskapital zuzuwei-
sen, und es darf denselben aus andern Fonds kein
Zuschuß geleistet werden; im nächsten Budget sol-
len die Beträge festgesetzt werden, welche dieselben
alljährlich zur Deckung ihres Passivrestes an die
Central = Staatskasse abzutragen haben. 8 ) Es
sei der Antrag an Se. Maj. den König zu stel-
len, die Porcellänmanufactur und die Glasmale-
rei=Anstalt in Zukunft von der Berg= und Hüt-
tenwerks=Verwaltung vollständig zu trennen und
unter die Leitung des Ministeriums des Handels
und der öffentlichen Arbeiten zu stellen. ( Anträge
von Lerchenfeld. ) 9 ) Die Generalbergwerks=Ad-
ministration habe nach Trennung dieser Anstalten
mit den ihr vertrauten Fonds ohne weitere Zu-
schüsse auszureichen, zu welchem Ende dieselbe in
der Führung der Bergwerke, namentlich aber der
Hüttenwerke überall auf größte Sparsamkeit, ins-
besondere auf häusigere Anwendung der Holzsur-
rogate, hinzuweisen sei. ( Antrag des Ausschusses. )
10 ) Die königl. Staatsregierung wolle diejenigen
Werke, welche eine fortwährende Zubuße erheischen
und deren Fortbetrieb auf Rechnung des Aerars
nicht durch überwiegende volkswirthschaftliche Rück-
sichten vollkommen gerechtfertigt wird, wo möglich
vermittelst Verkaufs der Privatindustrie überlassen,
in keinem Falle aber in der bisherigen Weise fort-
betreiben. ( Antrag von Kolb. ) 11 ) Die Reduc-
tion der äußern Aemter auf die nothwendige Zahl
sei dem k. Staatsministerium dringend zu empfeh-
len. 12 ) Für die geognostische Untersuchung des
Königreichs sei die Verwendung einer Summe von
10,000 fl. des Jahrs aus der Bergwerks= und
Salinenkasse vom Jahre 1849--50 an festzustel-
len, und diese Untersuchung mit solchen Mitteln
sofort angemessen in das Werk zu setzen. 13 ) Der
Wunsch auf Vorlegung des Entwurfs eines Berg-
gesetzes für die Kreise diesseits des Rheins, ins-
besondere zur Abänderung der Bestimmungen über
die Berggefälle, namentlich den Bergzehnten, so
wie zur besseren Regelung der Feldesgröße und
der Belegung der Gruben mit Arbeitern, sei dem
königl. Staatsministerium zu erkennen zu geben.
( Anträge des Ausschusses. ) 14 ) Es möge die
königl. Staatsregierung bald veranlassen, daß zum
Betrieb der königl. Eisenbahnen nur bayerische
Steinkohlen oder bayer. Coaks verwendet wer-
den. ( Antrag von Fillweber; den zweiten Theil
seines Antrags, die Straße von Kronach nach Lud-
wigsstadt betr., hatte der Antragsteller zurückgezo-
gen, nachdem im Laufe der Debatte der Abg.
Henne erklärt hatte, daß die Regierung bereits
eine Position für diese Straße in das Budget
aufgenommen habe. ) 15 ) Der zweite Ausschuß
sei zu ersuchen, über das ärarialische Bergwesen
in der Pfalz die nöthigen Notitzen von der Staats-
regierung zu verlangen und der Kammer darüber
Bericht zu erstatten. ( Antrag von Kolb. )
München, 11. April. ( XCIV. Sitzung
der Kammer der Abgeordneten. ) Auf der
Tagesordnung ist die Fortsetzung der Berathungen
über die Rechnungsnachweisungen, in spe-
cie das Hauptreferat über die Gesammtstaatsein-
nahmen in den Jahren 1845/47. Nach einigen
einleitenden Worten des Referenten Rebenack,
der seine in dem allgemeinen Ausschußantrage er-
wähnten Bemerkungen heute zu bestimmten Wün-
schen ( betreffend die Verfügbarmachung des Ver-
lagskapitals, baldige Beitreibung der Einnahms-
rückstände, Revision des Gewerbsteuergesetzes, bes-
sere Verwaltung, beziehungsweise Verpachtung der
Oekonomien und Gewerbe, beschleunigte Ablösung
der grundherrlichen Gefälle des Staats ) formulirt
hat, ergreift das Wort der Ministerialkommissär
v. Wanner, um darzuthun, daß die Regierung zur
Abhilfe der beregten Anträge bereits die Jnitiative
ergriffen. Degenhard bringt einen umfangrei-
chen Antrag, wonach bei Berathung des Budgets
eine dem neuesten Stande entnommene Bilanz
der gesammten Staatseinnahmen und Ausgaben,
eine Nachweisung über Zu= und Abgang des Staats-
vermögens, eine Nachweisung über den Stand des
Staatsschatzes sowie der Jmmobilien, Mobilien
und Rechte der Civilliste u. A. vorgelegt werden
sollen. Der Abgeordnete Degenhard wird in der
weitläufigen Motifirung dieses Antrags von dem
Präsidenten unter Hinweisung auf die Geschäfts-
ordnung unterbrochen, die Kammer gestattet ihm
jedoch die Vollendung seines Vortrags. Hirsch-
berger beantragt, daß der Kammer noch Nach-
weisung gegeben werde über die Dividende, welche
die Regierung von der München = Achener Feuer-
versicherungs = Gesellschaft bezieht. Dr. Schmidt
bevorwortet die Anträge Hirschberger's und De-
genhard 's, und nachdem noch v. Lerchenfeld und
der Referent gesprochen, ferner Neuffer be-
antragt hat, daß in Regensburg eine Filiale der
Nürnberger Bank errichtet werden solle, wird nach
einer ausführlichen Würdigung der einzelnen An-
träge durch den Ministerialkommissär v. Wanner
abgestimmt. Der Antrag Degenhard's wird fast
einstimmig verworfen. Sämmtliche Anträge des
Ausschusses sammt den Anträgen der Abg. Hirsch-
berger und Neuffer werden dagegen angenommen.
Nach der Tagesordnung soll sich an die hiemit
beendeten Berathungen über die einzelnen Einnahme-
Nachweisungen die früher ausgesetzte allgemeine
Diskussion über die sämmtlichen Nachweisungen
knüpfen. Der Präsident schlägt vor, diese,
nach den höchst speziellen Debatten und der ge-
nauen Prüfung der einzelnen Nachweisungen, fal-
len zu lassen; indeß ergreift Dr. Chr. Schmidt
das Wort, um die Regierung aufzufordern, bei
Anstellungen im Staatsdienst das unselige Pro-
tektionswesen und die Parteirücksichten aufzugeben
und hauptsächlich die Fähigkeit der Bewerber im
Auge zu behalten; er spricht ferner die Hoffnung
aus, daß in den Budgetvorlagen bereits Schmä-
lerungen der hohen Gehalte und der Diäten in
allen Branchen eingetreten sein werden, wünscht
dringende Abhilfe der gedrückten Lage der Schul-
lehrer, wobei er der aus politischen Gründen ver-
folgten Lehrer Unterfrankens Erwähnung thut, rügt
die Mißstände der Universitäten, die Wühlerei von
Professoren in anderm Sinne und die Vernach-
lässigung ihrer Pflichten darüber, und will Unter-
handlungen mit dem Papste eingeleitet wissen, um
die Zahlungen an die Domkapitel beschränken zu
können. Ruland sucht nachzuweisen, daß die Sus-
pendirung einiger unterfränkischen Lehrer wegen ih-
rer politischen Wühlereien ganz am Platze gewe-
sen. Domprobst Allioli bekämpft die von Dr.
Schmidt über die Gehalte und Bezüge der Dom-
kapitel gemachten Aeußerungen. Bei Postabgang
spricht Kolb mit Rücksichtnahme auf die Civilliste
und die geringe Position für die Unterrichtsan-
stalten.
München, 12. April ( XCV. öffentl. Sitzung
der Kammer der Abgeordneten. ) Die Gallerien
sind leer. Am Ministertische: v. Kleinschrod und
Ministerialrath v. Molitor. Der erste Präsident
eröffnete um halb 10 Uhr die Sitzung. Nach
Verlesung des letzten Sitzungrprotokolls theilte
derselbe mit, daß der Herr Abg. Oetl, Rent-
beamter in Landau a. d. J., in Folge eines
Schlagflusses gestorben sei. Derselbe sprach ei-
nige Worte des Andenkens über des Verlebten
33jähriges Wirken als Rentbeamter in Landau.
Es wurde hierauf über die vorgelegten Rechnun-
gen und Nachweise pro 1845/47 namentlich ab-
gestimmt und dieselben mit 125 gegen 6 St.
( Rabel, Schmidt a. W., Reinhard, Köhl, Kölb,
Kronberger ) angenommen. Der Präsident
theilt sodann die Austrittserklärung „des Abg. Dr.
Rauch aus Bamberg wegen körperlichen Leidens
mit, dieselbe wird angenommen und die Einbe-
rufung des Ersatzmannes beschlossen. -- Die
Kammer geht hierauf zur Berathung des Gesetz-
entwurfs, die Kompetenzkonflikte betr., über. Jn
der allgemeinen Diskussion sprach Dr. Morgen-
stern zwar gegen den Entwurf der Regierung;
obwohl derselbe die Nothwendigkeit des Gesetzes
erkennt, glaubt derselbe jedoch die Selbstständig-
keit und Unabhängigkeit der Gerichte nicht genü-
gend gewahrt. Jn gleichem Sinne sprach sich
Kirchgeßner aus, der auch in dieser Beziehung
Modifikationen einzubringen verspricht. Nach eini-
gen wenigen Aeußerungen wird die allgemeine
Diskussion hierauf geschlossen und die spezielle
Debatte begann. Das vorliegende Gesetz über
Kompetenzkonflikte beschränkt sich lediglich auf die
Zuständigkeits = Jrrungen zwischen Gerichts= und
Verwaltungsbehörden, dann zwischen den Gerichten
unter sich setbst. Jn der heutigen Sitzung wur-
den die ersten beiden Artikel des Gesetzes durch-
berathen und mit geringer Veränderung ange-
nommen. Hierauf wird die Sitzung um halb
2 Uhr geschlossen. Morgen Sitzung.
München, 13. April. Die Kammer der Reichs-
räthe berieth heute den Gesetzesentwurf über den
Geschäftsgang des Landtags, und ertheilte demsel-
ben in der von der Abgeordneten=Kammer beschlos-
senen Fassung mit wenigen Modificationen ihre
Zustimmung. -- Die Kammer der Abgeordneten
hat mit 106 gegen 11 Stimmen den Gesetzes-
Entwurf, die Competenzconflicte betreffend, ange-
nommen.
( N. M. Z. )
München, 12. April. Für den freiwillig zu-
rückgetretenen Abg. Dr. Rauch wird der erste
Ersatzmann des Wahlbezirks Bamberg, Handels-
mann und Vorsteher Bauer in Waischenfeld,
und für den mit Tod abgegangenen Abg. Oettl
der dritte Ersatzmann des Wahlbezirks Hengers-
berg, Baron v. Hafenbrädl, einberufen.
( Augsb. Abd.=Z. ) Deutschland.
g München, 11. April. Nachdem Deutsch-
land alle Phasen der politischen Begeisterung, dann
des Rausches und endlich des Katzenjammers durch-
gemacht, fängt es an, in sich zu gehen und nach-
zudenken, wie es denn eigentlich zugegangen sei,
daß es so weit mit ihm gekommen? Wo es
denn eigentlich gefehlt habe, daß ihm von der
ganzen Geschichte beinahe nichts geblieben, als
das Bewußtsein seiner Ohnmacht, während es
vorher allerdings noch etwas ohnmächtiger gewe-
sen, das doch wenigstens -- wie es bei gewöhn-
lichen Ohnmachten der Fall ist -- nichts davon
gewußt hatte. Der Freiheitsschwindel ist so ziem-
lich in Mißkredit gekommen, eben weil auf ihn
die Ohnmacht folgte, und aus all' den Mißgrif-
fen hat man wenigstens soviel gelernt, daß man --
um sich künftighin vor ähnlichen zu sichern -- ihre
hauptsächlichste Ursache, die Kleinstaaterei vermei-
den müsse. Das Allerrealste, was Deutschland in
den letzten zwei Jahren gewonnen hat, ist das
unerschütterte Streben nach Einheit. Aber auch
diese droht jetzt wieder an einem Grundfehler der
Deutschen zu scheitern, an dem Doctrinärismus.
Die Demokraten sind radikale Doctrinärs; die
Gothaer Partei, soweit sie sich nicht ganz mit den
Stockpreußen identificirt hat, sind constitutionelle
Doctrinärs. Doctrinärismus ist überall, wo man
um eines theoretischen Lieblingsgedankens, mag er
auch noch so schön und gutgemeint sein, den Bo-
den der Wirklichkeit mißachtet, und die Folge da-
von ist überall, daß man zu viel wollend, am
Ende gar nichts erreicht. So sehen wir es jetzt
in Erfurt. Man hat von Seiten der kleindeut-
schen Partei die Münchener Uebereinkunft stets
verhöhnt, weil sie zu wenig biete. Was bietet
jetzt das Erfurter Parlament und seine Unia?
Die kleinen Stäätchen um Preußen herum assi-
miliren sich mehr oder weniger mit Preußen. Für
Deutschland im Großen ist nichts gethan. Die
Königreiche konnten sich nicht an Preußen an-
schließen. Sie sahen es allerdings etwas spät ein,
aber doch nicht zu spät. Die Münchener Ueberein-
kunft bietet für Deutschland im Großen und Gan-
zen viel Ausführbareres dar, weil sie bescheidener
auftritt, weil sie die alten Verträge ehrt und in
liberal=conservativer Weise aus dem historisch Ge-
gebenen und noch zu Recht Bestehenden das Neue
und von der Gegenwart Geforderte sich heraus-
entwickeln läßt. Was Oestreich mit den Mün-
chener Verbündeten Preußen anträgt, kann Preußen
sehr leicht eingehen, ohne im Mindesten etwas da-
bei zu verlieren, sondern im Gegentheil nur zu
gewinnen. Preußen hat gewiß sehr tüchtige Staats-
männer; aber man wird doch nicht läugnen kön-
nen, daß sie in jüngster Zeit so bedeutende Feh-
ler begangen haben, daß das Vertrauen Derjeni-
gen, welche vertrauensvoll ihnen in die Hände
gearbeitet und sogar Opfer für ihre Bestrebungen
gebracht haben, erschüttert ist. Preußens Geschichte
seit 1848 ist weder für die Demokraten, noch für
die Constitutionellen, noch für die Absolutisten eine
erhebende, eine vertrauenerregende. Oesterreich hat
das fast Unmögliche geleistet; man mag einer Par-
tei angehören, welcher man will, so wird man
Oesterreichs jüngster Vergangenheit und seiner Ge-
genwart doch das Großartige nicht absprechen kön-
nen. Aber es ist nicht nur großartig gewesen in
der Besiegung der Revolution, sondern noch viel
großartiger in seiner Selbstüberwindung. Dieser
Metternich'sche Staat hat die Winke des Jahres
1848 nicht nur verstanden, er hat sie auch be-
folgt. Jn keinem Staat Deutschlands finden wir
so umfassende und durchgreifende Reformen, wie
hier. Keine politischen Steuermänner hatten ge-
fährlichere Klippen zu durchschiffen, und keine ha-
ben das Staatsschiff so schnell und zu einem so
schönen Ziele zu lenken gewußt, wie die österrei-
chischen. Wir wollen mit diesem Niemand zu nahe
treten; aber wenn es sich darum handelt, zu wem
das arme, zersplitterte und geschwächte Deutsch-
land mehr Vertrauen haben soll, ob zu Preußens
oder zu Oesterreichs Politik, so dünkt uns die
Frage bald entschieden. Oesterreich will auf den
bestehenden Verträgen fortbauen. Das nehmen
ihm die politischen Doctrinärs freilich sehr übel,
weil sie gewöhnt sind, in die Luft zu bauen.
Preußen hingegen verletzt diese Verträge in dem-
selben Augenblicke, in welchem es sie als seinen
Schild vor sich herträgt. Oesterreich zeigt an sei-
ner erstaunlich schnellen und sichern Reorganisation,
daß es -- ohne Kleinstaaterei zu treiben -- doch
die Nationalität zu schonen weiß, wo es in deren
wirklichem Jnteresse ist. Oesterreich ist in seinen
Plänen viel großartiger, als Preußen. Preußen
ist kleinlich; Oesterreich ist practisch, Preußen ist
wesentlich doctrinär, seine Politik trägt das Ge-
präge des „jebildeten“ Berlinerthums. Die Mün-
chener Uebereinkunft ist einer weiteren Entwicke-
lung fähig. Ex parvis initiis magnae res
crescent. Und das neugeborne Kindlein wird
an Oesterreich einen sichern, einen geistig und ma-
teriell stärkeren Beschützer finden, als an Preußen.
Gerade die große Selbstständigkeit, die die von
Oesterreich unterstützte Münchener Uebereinkunft
den einzelnen Staaten beläßt, rechtfertigt ersteres
am Deutlichsten gegen den Vorwurf, als wolle es
sich auf Kosten der Andern vergrößern -- ein Vor-
wurf, den Preußen sich jetzt sogar von seinen bis-
her eifrigsten Freunden muß machen lassen!
München, 11. April. Ein glaubwürdiger
Reisender, der gestern aus Tirol hier eintraf, er-
zählt, daß das in und um Reute stehende öster-
reichische Armeecorps Marschordre erhalten
habe und der Aufbruch desselben gegen die würt-
tembergische Grenze nächster Tage zu erwarten
stehe. -- Die Zusammenstellung des Armeebe-
fehls, mit der bereits begonnen ward, wird
nunmehr bis nach der Berathung des Budgets
ausgesetzt.
München, 13. April. Der k. Kassationshof,
welcher heute über die Nichtigkeitsbeschwerde von
Stopfer und Dantinger verhandelte, hat nach ei-
ner ausgezeichneten Rede des Staatsanwalts Dr.
d'Allarmi selbige zurückgewiesen und das Todesur-
theil bestätigt. Stopfer's Vertheidiger, Dr. Schnei-
der, hat aus dem Grunde keine auf das Kassa-
tionsgesuch bezügliche Denkschrift eingereicht, weil
er aus eigener Anschauung keinen Nichtigkeitsgrund
in der Verhandlung gefunden hat. Er machte je-
doch darauf aufmerksam, daß die Oeffentlichkeit
auf ungesetzliche Weise durch Ertheilung von Bil-
leten beschränkt worden sei. Concipient Maier
hingegen erklärte: Dantinger habe die Nichtig-
keitsbeschwerde deshalb nicht ergriffen, weil er
sich schuldig fühle, sondern weil er nicht mehr
leben wolle. Bei der öffentlichen Anklage seien
beide Angeklagte gegen das Gesetz gefesselt ein-
geführt worden; im Zeugenzimmer habe ein leb-
hafter Verkehr unbefugter Personen stattgefunden.
Der Wahrspruch der Geschworenen sei widerspre-
chend; den Stopfer erklärten sie schuldig des qua-
lificirten Mordes in verabredeter Verbindung mit
einem Andern, -- den Dantinger schuldig einer
solchen Beihilfe, jedoch ohne verabredete Verbin-
dung. Das fordere einen Dritten, von dem we-
der in der Anklageschrift, noch in den Fragen an
die Geschworenen etwas vorgekommen sei. Er be-
anstandet die ganze Fragestellung in Bezug auf
Dantinger, und beantragt, die Sache zur Abur-
theilung an das nächste Schwurgericht zu verwei-
sen. Nach der von dem Kassationshof bestätigten
Todesurtheil läßt sich nicht zweifeln, daß dieses
auch vom König bestätigt wird.
( Augsb. A.=Z. )
Speyer, 9. April. Die Speyerer Zeitung
vom 9. April hat aus einer Münchener Corre-
spondenz entnommen, daß der Commandirende in
der Pfalz die Fortdauer seiner Thätigkeit als
unverträglich mit der Ernennung des Hrn. Prä-
sidenten von Hohe bezeichnet und für den Fall
der Abberufung des Herrn von Zenetti auch die
seinige nachgesucht habe. Wir sind ermächtigt,
diese Nachricht als gänzlich unbegründet zu er-
klären.
( N. M. Z.)
Frankfurt, 12. April. Für morgen oder
übermorgen ist der Herzog von Genna hier an-
gesagt, der auf seiner Reise durch's südliche Frank-
reich über Kehl hier eintrifft, um sich hier durch
zu seiner sächsischen Braut, nach Dresden, zu
begeben.
Aus dem Badischen, 11. April. Unter den
neuesten Verurtheilungen politischer Flüchtlinge be-
merken wir wieder einige bekanntere Namen. So
wurde von dem Hofgericht des Mittelrheinkreises
Apotheker Rehmann von Offenburg zu 9, Bürger-
meister Burkhardt von Adelsheim zu 9, A. Murr-
mann von Philppsburg zu 6 Jahren Zuchthaus
verurtheilt.
Stuttgart, 11. April. Der heutige Staats-
anzeiger widerspricht dem von einigen Blättern
verbreiteten Gerüchte, daß der König von Würt-
temberg wegen seines Verhältnisses zu Preußen
ein Memorandum an alle Regierungen Europa's
gerichtet habe.
Leipzig, 10. April. Heute ist die „allgemeine
deutsche Jndustrie=Ausstellung“ eröffnet; viele Ge-
werbsgegenden Deutschlands haben sich indeß gar
nicht betheiligt. Bezeichnend möchte es in mehr
als einer Beziehung sein, daß die Einsendungen
aus Oesterreich sehr in den Vordergrund treten
und daß die preuß. Jndustrie verhältnißmäßig am
Wenigsten eingesendet hat. Es sind aber auch
nicht einmal alle Zweige der sächs. Jndustrie ver-
treten.
( Dtsch. Ztg. )
Hannover, 10. April. Der Mittheilung an
die Stände entsprechend, ist folgende amtliche Be-
kanntmachung erschienen: „Nachdem die Beziehun-
gen des Königreichs Hannover zu dem -- am
26. Mai v. J. zunächst mit den Königreichen
Preußen und Sachsen abgeschlossenen -- Bünd-
nisse, und damit auch zu dem, laut Unserer Be-
kanntmachung vom 4. Juli v. J. zu Erfurt nie-
dergesetzten provisor. Bundesschiedsgericht aufge-
hört haben, so nehmen Wir nunmehr auch Unsere,
in Unserer Bekanntmachung vom 19. Sept. v. J.
( Gesetzsammlung Nro. 40 ) enthaltene Anweisung
für die Behörden des Königreichs, den Requisi-
tionen des gedachten Bundesschiedsgerichts Folge
zu geben, hiermit wieder zurück. Hannover, den
8. April 1850. -- Königl. Gesammtministerium.
v. Bennigsen.“
Oldenburg, 8. April. Der Landtag hat heute
beschlossen, den Heerbestand von 2 auf1 1 / 2 pCt.
herabzusetzen und die Präsenszeit auf die Dauer
von 6--8 Monaten zu beschränken.
Kiel, 19. April. Jn der gestrigen geheimen
Sitzung der Landesversammlung, welche von
3 1 / 2 bis 8 Uhr währte, ist die Hauptschlacht ge-
schlagen und es sind über die Richtung der näch-
sten politischen Schritte, so wie über die darnach
sich richtende Finanzbewilligung Beschlüsse gefaßt
worden, welche, bis auf geringe Modifikationen,
mit der Vorlage und Genehmigung der Statt-
halterschaft sich emverstanden erklären und die vor
etwa 8 Tagen gefaßten Beschlüsse in Betreff des
Einrückens der Truppen in Schleswig fast gänz-
lich aufheben. Sind wir recht berichtet, so wurde
sogar der Antrag der Statthalterschaft auf An-
knüpfung direkter Unterhandlungen mit dem Her-
zog in Kopenhagen, welchen die Ritterschaft ent-
schieden unterstützt hatte, unter einer Form, die
ein Vertrauensvotum dieserhalb der Statthalter-
schaft ertheilt, genehmigt, wenn gleich kein direkt
darauf bezüglicher Antrag angenommen wurde.
Die Majorität, mit welcher diese Anträge ange-
nommen wurden, wird verschieden, theils auf 16,
theils auf 11 angegeben. Es werden nun wohl
noch einige geheime Sitzungen zur Feststellung von
Nebenanträgen, Finanzbewilligungen und definiti-
ver Feststellung des Kriegsbudgets folgen, so daß
mit spätestens Ende dieser Woche die Versamm-
lung nach Hause gehen wird.
( D. Ref. )
Berlin, 7. April Jn akademischen und ver-
wandten Gelehrtenkreisen rüstet man sich zur
Feier eines Dortorjubiläums Der Jubilar ist
der berühmte Jurist und frühere Staatsminister
v. Savigny. Er erlangte im Jahre 1800 zu
Marburg die Doctorwürde durch seine jetzt noch
in Ansehen stehende Dissertation, die er in einer
so eben bei Veit und Komp. hier erschienenen
Sammlung seiner „Vermischten Schriften“ wie-
der einverleibt hat.
Berlin, 9. April. Vor einigen Tagen ist
von Seiten des Fürsten Schwarzenberg dem
preußischen Cabinet ein Memoire überreicht wor-
den, welches den Beweis versucht, daß der däni-
sche Agent v. Bülvw bei der Bundeskommission
beglaubigt werden wüsse. Wahrscheinlich werden
den österr. Bundeskommissarien demgemäße Ver-
haltungsregeln zugekommen sein.
Berlin, 11. April. Dem Vernehmen nach
sind diesseits neuerdings Schritte gethan worden,
um die sächsische Regierung zu einer bestimm-
ten Erklärung über ihre Stellung zum preußischen
Bündniß zu veranlassen.
Erfurt, 7. April. Die von Hrn. v. Rado-
witz im Verfassungsausschuß des Volkshauses ab-
gegebene Erklärung: „daß die Lage der Dinge
eine höchst gefährliche sei, indem jetzt fast alle
größeren Mächte protestirend gegen die Constitui-
rung des engern Bundes auftreten, nicht allein
Oesterreich und Rußland, sondern auch England
und Frankreich“ -- findet ihre Bestätigung in
der als Organ der Diplomatie wohlbekannten pa-
riser „Assemblee nationale“, welche vor Kurzem
folgenden Artikel enthielt: „Es ist wichtig, genau
den Stand der Beziehungen der großen Mächte zu
Deutschland und die möglicher Weise daraus her-
vorgehenden Verwicklungen ins Auge zu fassen. --
„Rußland und Oesterreich scheinen vollständig
einig über alle Punkte. Die Oesterreicher sam-
meln sich in Böhmen, die Russen dehnen sich von
Kalisch bis zum Großherzogthum Posen aus.
Wenn der Krieg gegen Preußen ausbricht, hat
Oesterreich die Sympathien des ganzen katholi-
schen Schlesiens, das ihm erst im 18. Jahrhun-
dert entrissen ist, für sich. Rußland kann den
Polen das Großherzogthum Posen wiedergeben. --
„Der König von Sachsen, dem Preußen 1815
den besten Theil seiner Staaten wegen seiner
edeln Treue gegen Frankreich weggenommen hat,
nimmt mit Hilfe Oesterreichs und Rußlands sein
Gebiet wieder. -- „Weil das philosophische und
ehrsüchtige Preußen Deutschland in Unordnung
stürzt und sich kläglich lächerlich macht durch sei-
nen berüchtigten Erfurter Reichstag, so muß man
endlich seinem System ein Ende machen. -- „Das
Benehmen des Berliner Cabinets gegen Däne-
mark ist so unwürdig, so gegen alles Völkerrecht,
daß die ganze Diplomatie darüber empört ist.
Die Note des Hrn. v. Nesselrode ist der Aus-
druck dieses Gefühls. -- „Bayern geht in innig-
ster Uebereinstimmung mit Oesterreich; die öster-
reichischen Streitkräften werden beim ersten Sig-
nal des Krieges zu seiner Verfügung sein. --
„Württemberg hat innige Verbindung mit Ruß-
land und auf die erste Weisung von Petersburg
erklärt es sich für den Krieg; die Thronrede des
Königs drückt diesen Gedanken aus. -- „ Deutsch-
land geht einer Krisis entgegen, entweder muß
Preußen zum europäischen System zurückkehren,
oder es muß zahm gemacht werden; es ist das
Piemont Deutschlands. -- „Es sind also, wie
man voraussehen kann, in der nächsten Zeit ernste
Entscheidungen zu gewärtigen. -- „Man kann
übrigens hoffen, daß das Cabinet von Berlin,
sich von den übergreifenden Philosophen trennend,
in den Kreis des praktischen deutschen Rechtszu-
standes zurückkehre.“
Jn Erfurt hielt am 9. April das Volkshaus
seine 8. Sitzung, in welcher sich dasselbe nur mit
Wahlprüfungen beschäftigte. Eine Anzahl hess.
Abgeordneter war neu eingetreten. 190 Wahlen
sind bis jetzt für giltig erklärt.
( N. M. Z.
Wien, 8. April. Es heißt, die Bankkommis-
sion habe sich in dem Antrage zu einem allge-
meinen Zwangsanleihen im Betrage von 100
Millionen vereinigt, in so fern sich keine Chancen
zur freiwilligen Aufbringung darbieten sollten,
was von der Entwickelung der politischen Ver-
hältnisse abhängt. Nachdem was bisher verlautete,
dürfte es jedoch wohl schwerlich zu einer definiti-
ven Maßregel vor Zusammenberufung des Reichs-
tages kommen. Die italienischen Deputirten sind
nun ebenfalls eingetroffen und haben an den Ver-
handlungen Theil genommen. Man glaubt, daß
letztere sich bis zum Mai ausdehnen werden, un-
geachtet sie unausgesetzt stattfinden, wie denn sol-
ches auch gestern ( Sonntag ) von 11 bis2 1 / 2
der Fall war. -- Die Angelegenheit der Zollei-
nigung mit Deutschland findet täglich mehr An-
klang unter den Jndustriellen, selbst unter solchen,
die sich früher derselben abgeneigt zeigten. Sogar
aus den Eisen erzeugenden Ländern, die man bis-
her am meisten bedroht erachtete, sind zustimmende
Berichte eingelaufen. -- Jn Folge der jüngsten
kriegsrechtlichen Untersuchungen in Ungarn soll
es gelungen sein, zu erfahren, wo sich die ungar.
Krone befindet. Das magyarische Volk erzählt
sich hingegen, die Krone sei von Engeln in Ar-
pad 's Grab gelegt worden, welches nur mit Ki-
nisi 's Schwert geöffnet werden könne, doch weiß
man nicht, wo dieses Schwert, noch wo jenes
Grab zu finden ist. -- Der Linzer Katholiken-
Verein hat nach Abänderung seiner Statuten das
ausnahmsweise Recht freier Versammlung erhal-
ten. Demgemäß ist die vierte Generalver-
sammmlung der kath. Vereine Deutschlands nach
Linz ausgeschrieben.
( F. J. ) Jtalien.
Turin, 6. April. Der Zudrang des Publi-
kums zu den Tribünen und Gallerien des Se-
nats war gestern noch größer als am vorherge-
henden Tage; namentlich hatte sich eine so große
Zahl von Mitgliedern der andern Kammer ein-
gefunden, daß diese keine Sitzung halten konnte.
Es wurde zuerst nach Beeidigung des neuen Se-
nators Hrn. Profumo das dem Senate gemachte
Geschenk einer Gegenschrift gegen die gestern
erwähnte, Verunglimpfungen gegen das Episcopat
enthaltene des Hrn. Flency angezeigt, worauf die
mit Spannung erwartete allgemeine Debatte über
die Gesetze, die Abschaffung der geistlichen Jm-
munitäten anlangend, begann. Nicht weniger als
11 Senatoren traten in dieser Sitzung als Red-
ner auf. Nur 3 erklärten sich zu Gunsten der
Gesetze Siccardi. Unter den Rednern gegen sind
der Bischof Billet, dann die HH. Colli de Car-
denas und Graf di Castagnetto zu erwähnen.
Achtung der bestehenden Concordate mit dem hl.
Stuhl und des langen Besitzstandes der Geistlich-
keit waren ihre Hauptargumente. Graf Castag-
netto aber äußerte mit Hinweisung auf die Pro-
testationen des Papstes und der sämmtlichen Bi-
schöfe des Landes noch namentlich die Besorgniß
vor einem möglichen Schisma, erblickte in den
vorliegenden Gesetzen eine ernstliche Gefahr für
den Glauben, für die bedrohte Einheit der Kirche,
dentete auf die Kluft hin, welche diese Gesetze
zwischen Piemont und dem Kirchenoberhaupte er-
öffne, dessen Stütze so dem Lande entzogen werde.
Der Siegelbewahrer, Graf Siccardi suchte diese
Bedenken zu entkräften durch eine Darlegung der
mit dem heiligen Stuhle in diesem Betreff an-
geknüpft gewesenen Unterhandlungen. Er suchte
zu zeigen, daß die Regierung nichts unterlassen
habe, um eine Verständigung mit dem heiligen
Stuhle zu erzielen. Schon unter dem Ministe-
rium des Grafen Avet, vor Verkündigung des
Statuts, seien die ersten Schritte in der Sache
geschehen, und bis zum Eintritte des gegenwärti-
gen Ministeriums sei mehrmals der Versuch ge-
macht worden, ein Concordat mit dem päpstlichen
Hofe zu Stande zu bringen. Dieser aber habe
einen Gegenentwurf vorgebracht, dessen Zusagen
unzureichend, dessen Ansprüche unannehmhar er-
schienen. Die Kardinäle hätten Ersatz für die
von der Kirche zu gewährenden Zugeständnisse
gemacht, die Aufopferung anderer Rechte von
Seite der Civilautorität verlangt, und erst als
alle Hoffnung auf Erzielung eines Concordats,
das man dem Parlament hätte vorlegen können,
verschwunden war, habe die Krone von dem
ihr zustehenden Rechte Gebrauch gemacht,
indem sie die Sache der Entscheidung der bestehen-
den Staatsgewalt anheimstellte. Hr. de Car-
denas war mit diesen Erklärungen nicht befriedigt,
will gegen das Gesetz stimmen und eine Tages-
ordnung auf Wiederaufnahme der Unterhandlungen
mit dem heiligen Stuhle beantragen. Graf La-
tour führte aus, der Papst habe den vom Mini-
ster Siccardi vor dem Parlament zur Unterstützung
des Gesetzes vorgebrachten Gründen nicht weichen
können, und das Statut könne unmöglich einen
zwischen dem Kirchenoberhaupte und dem König
frei abgeschlossenen Vertrag vernichten. Graf Ca-
stagnetto und der Bischof Villet erklären, die Ci-
vilgewalt dürfe nicht einseitig vorschreiten, dürfe
sich nicht von der Kirche trennen, die Sache sei
durchaus nicht so dringend, die diplomatischen Ver-
handlungen müssen wieder aufgenommen werden,
wenn nicht dem Lande die schwersten Folgen er-
wachsen sollen. Auch gegen die Frechheit, mit
welcher einzelne Organe der Presse selbst das Hei-
ligste in den Staub ziehen, ließen mehrere Red-
ner scharfe Worte vernehmen. Die souveränen
Gallerien ließen sich einigemal beigehen, einzelnen
Rednern Zeichen des Misfallens durch Murren
und Poltern zu geben, während sie dagegen dem
Minister Grafen Siccardi lebhaft Beifall klatsch-
ten; sie wurden jedoch vom Präsidenten Manno
streng dafür zurechtgewiesen. Für den Gesetzent-
wurf sprachen die HH. d'Azeglio und Cristiani,
welch' letzterer der Ansicht ist, daß mit Aufhebung
der geistlichen Privilegien aller Zwist zwischen
Staat und Kirche aufhöre, indem jedem Theil die
Grenze seiner Zuständigkeit genau gezogen werde.
Heute Fortsetzung der allgemeinen Verhandlung.
Als Redner gegen die Gesetzentwürfe sind ein-
geschrieben die HH. Luigi di Collegno, Monsignor
d'Angennes, d'Arvillars und Moreno; als Redner
für die HH. Musio, Petitti und Plezza. Noch
immer laufen Petitionen für und gegen diese Ge-
setze beim Senate ein. Man hat bemerkt, daß
das Bildniß Karl Alberts aus dem Sitzungssaale
des Senats entfernt und das des gegenwärtigen
Königs Viktor Emanuel an dessen Stelle ge-
treten ist.
( N. M. Z.