München, 10. Mai. ( CIX. Sitzung der
Kammer der Abgeordneten. ) Die Gallerien
sind dicht besetzt. Am Ministertische v. d. Pford-
ten, Ringelmann, Aschenbrenner, v. Lüder und meh-
rere Ministerialräthe. Der 1ste Präsident eröff-
net um halb 10 Uhr die Sitzung. Nach Be-
kanntgabe des letzten Sitzungsprotokolls verliest
derselbe ein allerhöchstes Rescript, welches die
Verlängerung des Landtags bis 10. Juni ent-
hält. -- Fillweber erhielt einen Urlaub auf
drei Wochen. -- Referent Heigl verliest den
Beschluß über die Rückäußerung der Kammer
der Reichsräthe, bezüglich des Gesetzes=Entwurfs:
„die Competenz=Conflicte betr.“ -- Ehe zur Be-
rathung des Gesetzes=Entwurfs, einen Kredit für
die Bedürfnisse der Armee betr., geschritten wurde,
legt Schnitzlein folgenden Antrag auf den
Tisch des Hauses nieder: die hohe Kammer möge
von der Berathung dieses Gesetzes=Entwurfs so
lange abgehen, bis derselben die Revision des
Umlage= und Gemeinde=Edicts des Landraths, der
Umgestaltung der Kammer der Reichsräthe, vor-
gelegt sei. -- Der heutige Tag, an dem die
Beschäftigung des Landtags 8 Monate in An-
spruch genommen, sei für den Antragsteller am
Geeignetsten erschienen, einen solchen Antrag zu
stellen, um damit an die Hauptaufgabe des Land-
tags, an die Revision der Verfassung zu erinnern.
-- Staatsminister v. d. Pfordten: Bekannt sei,
wie viele Gesetzes=Entwürfe die Regierung bisher
eingebracht; nichts destoweniger sei die Berathung
der Verfassungsvorlagen keinen Augenblick ausge-
setzt worden. -- Jm Staatsrath durchberathen
und bereits der letzten Redaktion unterworfen,
seien die Gesetzes=Entwürfe über das Fideicom-
miß=Edict, über die Umgestaltung der Kammer
der Reichsräthe; diese Entwürfe wurden längstens
bis nächste Woche eingebracht. Jhrer Vollendung
entgegen gehen die Vorlagen über Gemeindever-
fassung, über Umlagewesen und die Landrathsre-
vision. -- Ehe diese Vorlagen nicht alle gemacht
seien, denke die Regierung nicht an eine Verta-
gung der Kammer. -- Wallerstein hätte es
lieber gehört, wenn Hr. Staatsminister die Kam-
mer versichert hätte, daß dieselbe nicht vor der
Berathung dieser genannten Gesetze vertagt würde.
-- Ruland glaubt die Berathung des Creditge-
setzes als höchst nothwendig anempfehlen zu müssen.
-- Dr. v. Lassaulx bemerkt, daß Bayern im
Moraste der größten Barbarei der Regierung von
Buben ( Gemurmel ) erstickt wäre, wenn das Mi-
litär nicht gewesen; daher müsse dieses Gesetz auch
gleich berathen werden. -- Nachdem Frhr. v. Ler-
chenfeld sich noch anerkennend für die Motive
des Antrags ausgesprochen, glaubt derselbe doch
recht zur Berathung rathen zu müssen, da doch
keine Budgetberathung vorgenommen werde, wo-
durch das Ministerium immer angehalten werden
könne, die obengenannten Vorlagen zu machen. --
II. Präsident Weis spricht sich entschieden für
den Antrag Schnitzleins aus, da derselbe eine
reine Budgetforderung sei, ebendeßwegen müsse
man diese Berathung liegen lassen, damit die Vor-
lagen der Regierung etwas beeilt würden. --
Heine bemerkt, daß die Vorlagen ja doch nichts
bedeuten, wenn nicht eine Verathung dieser Vor-
lagen zugleich mit in die Vertagung des Credit-
gesetzes eingeschlossen wäre, und dadurch würde
dieses Gesetz aber auf 2--3 Monate hinausge-
schoben; ob dieß rathsam wäre, gäbe er im Hin-
blick auf Frankreich wohl zu bedenken. -- v. Las-
saulx: Als Preußen von seiner Kammer einen
Militärcredit von 20 Millionen verlangte, besaßen
die Abg. Vaterlandsliebe genug, diesen Credit zu
bewilligen. -- Nachdem Referent Förg sich noch
gegen den präjudiciellen Antrag Schnitzleins aus-
gesprochen, ergreift Staatsmin. v. d. Pfordten
das Wort und bemerkt, daß für die, die diesen
Credit nicht bewilligen wollen, es doch gleich sei,
ob sie heute oder später dagegen stimmen. -- Die,
welche die Vorlagen wünschen und dadurch von
der Regierung zu erzwingen suchen, würde die
Vorlage nichts helfen. -- Sie müßten daher die
Berathung und Sanktion dieser Entwürfe abwar-
ten und wenn diese Geldbewilligung bis dahin
verschoben würde, dann würde es praktisch wenig-
stens ganz gleich sein, ob dieser Credit bewilligt
oder abgeschlagen würde. -- Soviel Glaubens-
würdigkeit glaubt übrigens die jetzige Verwaltung
zu verdienen, daß sie es redlich mit dem Wohle
des Landes meint; durch Geldbewilligung oder
Geldverweigerung wird sich dieselbe nie bewegen,
etwas gegen ihre Ueberzeugung auszusprechen und
zu genehmigen. -- Der Antrag wird hierauf ver-
worfen. -- Ohngefähr 50 Abg. stimmten für den
Antrag. -- Die Kammer geht hierauf zur Be-
rathung des Creditgesetzes über. -- Der I. Prä-
sident eröffnet die allgemeine Diskussion. --
Reinhart spricht sich gegen den Entwurf aus,
da derselbe eine Militärvergrößerung nicht einsehen
könne. Eroberungen, glaube Redner nicht, daß
gemacht zu werden die Absicht der Regierung sei.
-- Eine Kriegserklärung gegen Preußen, glaubt
Redner, liege auch nicht im Sinne der Regierung,
wenn auch gleich der preuß. Minister in Erfurt
den Münchner Vertrag eine Mißgeburt genannt.
-- Ruhe und Sicherheit sei im diesseitigen Bay-
ern wieder nicht gefährdet worden, daher brauche
man auch kein Militär zur Aufrechterhaltung der
gestörten Ordnung und Gesetzmäßigkeit. -- Als
Redner sich über politische Ansichten und Einker-
kerung von politischen Verbrechern und Amnestie
verbreitet, wird derselbe vom Präsidenten auf das
Thema verwiesen. Jn seiner fernern Motivirung
erregt derselbe durch seine barocken Ansichten und
Bemerkungen mehrmals Heiterkeit, mehrmals Miß-
vergnügen. Als derselbe aber der Regierung eine
Eskamotirung von Staatsgeldern vorwarf, wur-
den die verschiedensten Unwillensäußerungen von
allen Seiten vernehmbar. -- Frhr. v. Lerchen-
feld stellte den Antrag, Reinhart das Wort zu
entziehen, um der Kammer nicht in den Augen
des Landes in ihrer Achtung durch solche unwür-
dige Haltung zu schaden. Diesem Antrag wird
gewillfahrt. -- Cremer spricht gleichfalls gegen
das Gesetz. -- Bis jetzt sei eine Erleichterung
des Volkes noch nicht eingetreten. Man stelle
immer den Satz auf: „Revolutionen seien theuer,
-- nein, die Reaction ist theuer,“ die kostete schon
viele tausend Gulden und wird noch manche Hun-
derttausende verschlingen. -- Durch dieses Ein-
greifen in den Säckel des Staatsbürgers werde
nicht die Ruhe der Gemüther bewerkstelligt. --
Wenn dann ein Angriff von außen erfolge, ge-
nieße die Regierung kein Vertrauen mehr. ( Meh-
rere äußern Unwillen. ) Der Redner schließt mit
den Worten: „Jch bewillige diesmal keinen Kreu-
zer und werde keinen Kreuzer mehr bewilligen. --
Dr. Schmidt a. W. eifert gleichfalls gegen die-
sen Credit, findet es selbst gegen seinen Eid, einen
Credit in diesem Betr. zu gestatten. -- Ruland:
Abermals sei ein neues Anlehen zu machen, es
sei dies aber, wie das erste, Folge der traurigen
Nothwendigkeit und deßwegen werde Redner für
dasselbe stimmen. -- Forndran spricht in glei-
chem Sinne wie Vorredner. -- Lassaulx: Nicht
die rechte Frage wurde bisher ins Auge gefaßt.
Man frug blos, ist es an der Zeit Schulden zu
machen? Nicht dies solle man betrachten, sondern
die Frage sich beantworten: Jst es nun einmal
an der Zeit, die seit 25 Jahren fortgeführten
Vernachlässigungen der Armee einzustellen und
besser dafür zu sorgen? -- Hr. Cremer habe
den Satz aufgestellt, die Reaktion sei theuer nicht
die Revolution. Hr. Cremer möge auf Frank-
reich hinsehen, denn Redner könne nicht eine wohl-
feilere Verwaltung dortselbst finden. -- Um der
socialistischen Jdee zu helfen, müsse ein europäi-
scher Krieg ausbrechen; bisher feien die Kriege
durch künstliche Maßregeln fern gehalten worden;
allein für die Zukunft habe dieß keinen Bestand.
Mißgeschick der Zeit sei das rathlose Hinhalten
der Regierungen; allgemein das Ueberlassen des
Ausgangs der göttlichen Providenz der Zukunft.
-- Kolb gegen den Gesetzentwurf. Man ver
suche immer aus Bayern eine Großmacht zu ma-
chen, Bayern sei und werde keine. -- Seit 1815
seien auf das Militär 300,000,000 fl. verwendet
worden. Wie man hiebei noch sagen könne, daß
für das Militär nichts geschehen, dies könne Red-
ner nicht einsehen. Wäre auf das materielle Wohl
des Vaterlandes auch nur die Hälfte verwendet
worden, würde es besser um das Vaterland stehen.
-- Ministerialrath v. Habel widerlegt die von
Kolb angeführten Militärrechnungen. -- Dr. Hei-
ne: Nicht aus Enthusiasmus für das politische
Deutschland, von dem er übrigens gar nicht glaube,
daß es ein großes politisches Volk werde, bewillige
er diesen Credit. -- Die große Unentschlossenheit,
die im großen deutschen Volke bestehe, bestimme
ihn hiezu, denn durch Verweigerung dieses Cre-
dits gebe man der Regierung den Rath, sich selbst
aufzugeben. -- Zink und Rebenack sprechen
gegen den Entwurf. -- Lerchenfeld: So lange
noch in Europa und noch anderswo der ewige
Friede nicht decretirt sei, müsse man Militär ha-
ben. Redner bedaure, daß man Geld brauche,
aber es sei nun einmal nothwendig. Derselbe rech-
net dann mit einer Unzahl von Millionen der
Kammer vor, wie viel Geld Preußen und Frank-
reich auf ihre Armeen verwendeten. -- Ferner
sucht derselbe die Nothwendigkeit einer geübten
Armee zu beweisen, die Schlacht bei Hanau habe
am besten gezeigt, was es heiße, Rekruten ins
Feld zu führen. -- Dr. Jäger: Nicht den po-
litischen Stand Deutschlands ins Auge fassend,
stimmte er gegen den Entwurf, sondern, er wolle
dadurch nur Verwahrung einlegen, künftig wie-
der Gelder auszugeben und Schulden zu contra-
hiren, hernach die Kammer um Bewilligung der
Zahlungen anzugeben. -- Staatsminister Aschen-
brenner sieht sich veranlaßt, jenem letztern Vor-
wurfe, welcher der Regierung schon mehreremal
gemacht wurde, kräftig zu entgegnen. Das Kriegs-
ministerium habe von der Finanzverwaltung keine
unbewilligten Gelder erhalten, das Finanzministe-
rium habe also den constitutionellen Boden nicht
verlassen. Ferner habe die Regierung den Gese-
tzes=Entwurf Mitte März eingebracht, und erst
mit dem 1. Juni sei die Zeit abgelaufen. --
Nach kurzen widerlegenden Aeußerungen des Mi-
nisterialraths v. Habel ergreift Wallerstein
das Wort gegen den Entwurf, spricht von der
Politik Bayerns, die natürlich eine andere sein
müßte, als die Preußens, da es aus verschiedenen
Stämmen bestehe. Redner könne durchaus keinen
Krieg in der Zukunft sehen; weder im Jnnern,
noch nach Außen sei ein solcher zu befürchten, daß
man solche ungeheure Armeebedürfnisse habe. Auch
vom Elsaß ( Straßburg ) werden wir hören, daß
der Mai wohl regnerisch, aber nicht blutig
verfloß. Redner werde nie für den Entwurf stim-
men, da er ihn vergeblich im Princip und noch
verderblicher in seinen Folgen halte. -- Nach
den letzten Aeußerungen des Referenten Förg
ergreift Staatsminister v. d. Pfordten das
Wort. Um gründlich in die verschiedenen An-
sichten eingehen zu können, fehle jetzt sowohl Zeit,
als auch würde nur Wiederholung von schon oft
Gesagtem eintreten. Es würde auch nichts hel-
fen, denn die Parteien hätten sich durch die acht-
monatliche Berathung so gestellt, daß eine Stunde
daran nichts zu andern vermöge. -- Nicht eine
bestimmte Zukunft, nicht Krieg oder Frieden könne
ausgesprochen werden, allein vorsehend will die
bayerische Regierung sein. Was das Gesetz selbst
betreffe, so habe man demselben oft vorgeworfen,
daß es zu spat sei, jetzt erst berathen zu werden.
Daran habe übrigens nicht die Regierung Schuld,
denn letztere habe den Entwurf schon vor zwei
Monaten vorgelegt. Vom national=öconomischen
Standpunkte aus werde dieser geforderte Kredit
als gefährlich bezeichnet. Dies könne Redner nicht
einsehen, denn in einem Lande, in dem auf der
Bank Geld unverzinslich aufgelegt, ja sogar auf
dem Lande werden Gelder zum Aufbewahren ge-
geben und noch Aufbewahrungs=Gebühren bezahlt
werden, in einem Lande, in dem der Schuldherr
dem Gläubiger Zinsen zahlt, bringe ein solcher
Kredit keine Gefahren; dabei sei noch zu bemer-
ken, daß ja durch diesen Kredit der Arbeiter Ver-
dienst und Arbeit erhalte und jedes Gewerbe daraus
Nutzen zieht. Redner spricht sich hierauf über die
Nothwendigkeit der Militärverstärkung aus. --
Auf die Bemerkung eines Redners, diese Kredit-
bewilligung sei ein Vertrauensvotum, das dem
Ministerium gegeben werde, könne er nur entgeg-
nen, daß ein Vertrauensvotum von dieser Seite,
von der die Aeußerung ausging, der Regierung
gar nicht angenehm wäre, denn die Ansichten die-
ser Partei seien den Ansichten des Ministeriums
schnurstracks entgegen. Bayern könne nie eine
Großmacht werden und wolle es auch nicht, allein
als einen gerüsteten Bundesgenossen, der bei dem,
zu dem er tritt, eine gewichtige Stimme habe, soll
ihn Freund und Feind finden. -- Hierauf wurde
die allgemeine Debatte geschlossen. Schluß der
Sitzung um 3 Uhr. Das Hauptresultat dersel-
ben war: die Annahme des Kredits für die Be-
dürfnisse der Armee mit 73 gegen 62 Stimmen.