London, 11. Sept. Eine für den Geist, wel-
cher in den arbeitenden Klassen Englands lebt,
höchst bezeichnende Versammlung, wurde gestern
Abend von den s. g. Nationaldemokraten in der
Farringdonhall mit empörender Schamlosigkeit ge-
halten, um für die Haltung der in der Brauerei
von Barclay und Perkins angestellten Arbeiter in
Betreff ihres Verfahrens gegen Haynan ihre An-
erkennung auszusprechen. Der Saal war über-
füllt; auch einige Frauenzimmer bemerkte man.
Ein gewisser Hr. J. Pettie nahm den Präsiden-
tenstuhl ein und schlug vor, daß ein Ungar die
Sitzung mit einem Gesang beginnen möge. Der
Ungar sang mit einer Stentorstimme die italie-
nische Marseillaise, die mit großem Beifall auf-
genommen wurde. Hierauf schlug Ruffy, ein be-
kannter, schon wegen politischen Vergehens verur-
theilt gewesener Chartist, folgenden Beschluß vor:
„Alle Völker auf Erden sind Brüder; Jtaliener
und Ungarn haben Anspruch auf die wärmsten
Sympathieen, und ihre österr. Unterdrücker auf
den Haß der Bevölkerung des vereinigten König-
reichs. Obenan unter den österr. Tyrannen in
Jtalien und unter den Häuptlingen der österr.
Kannibalen in Ungarn steht Marschall Haynau,
der Mörder, Henker und Weiberpeitscher ( Groans ) .
Vorbesagter Haynau ist der Feind des mensch-
lichen Geschlechts und von der Stimme des Vol-
kes ausgestoßen. Die erniedrigende Bestrafung,
die diesem Frevler bei dem Besuche der Brauerei
von Barclay und Parkins zu Theil wurde, ge-
reicht den Verwaltern der Brauerei selbst zur
Ehre und zum Ruhme. Und diese Versammlung
erklärt: daß die Arbeiter der Brauerei und die
wohlgesinnten Männer und Weiber die ihnen bei
der Züchtigung des österr. Mörders beistanden,
sich um ihr Vaterland wohl verdient gemacht ha-
ben und berechtigt sind zum Danke der Freunde
der Freiheit aller Welt. ( Beifall. ) Wir sind nicht
zusammengekommen, blos um unsern Landsleuten,
die bei Barclay und Parkins angestellt sind, Glück
zu wünschen, sondern auch um unsere Verabscheu-
ung auszusprechen wegen der Grausamkeiten, die
von dem unmenschlichen Ungeheuer General Hay-
nau an den Söhnen und Töchtern Ungarns ver-
übt worden sind. Was muß man von einer Re-
gierung denken, welche wußte, daß solch' ein Un-
geheuer beabsichtige, den englischen Boden zu be-
schmutzen, und nichts dagegen that? Die Verthei-
diger der chartistischen Sache sind nicht umsonst
eingekerkert worden, und obschon diejenigen, welche
die arbeitenden Klassen wie Blutegel aussaugen,
meinen mögen, daß die Grundsätze der Demo-
kratie in diesem Lande keinen Boden gewonnen
haben, so fühle ich mich doch stolz sie zu beleh-
ren, daß diejenigen, welche man den Abschaum
der Erde, die Canaille nennt, solche Männer,
wie die tapferen Männer in der Barclay=Par-
kins 'schen Brauerei ( Beifall ) doch wissen, wie sie
ein Ungeheuer zu behandeln haben, welches holde
Weiber bis zum Tode mißhandelte. Dieses Un-
geheuer hat Männer und Weiber hängen und
peitschen lassen, bis das Fleisch in Lappen von
ihrem nackten Rücken fiel; und es hat Grausam-
keiten verübt, welche selbst die Teufel der Hölle
nicht verüben würden. ( Ruf: das Ungeheuer! )
Wäre Haynau ein tapferer Mann gewesen, so
würde er gesagt haben: Jch werde für mein Le-
ben fechten, so lange ich lebe:
Kommt heran, Jhr sollt mich nicht fliehen sehen,
Eher mag das Brauhaus in Trümmern gehen.
Aber dieser Feigling flüchtete vor seinen Züch-
tigern und schrie wie ein kleines Kind um Mit-
leid. Rothschild, sagt man, habe ihn als ein
Freund empfohlen. ( Oh! ) Was denkt man von
diesem Mitglied der City? ( Weg mit ihm! ) Und
was kann man von Cobden denken, der beim Frie-
denscongreß war, als dieses Ungeheuer vor ihm
saß? Was für ein Friedensfreund muß ein Mann
sein, der, wie Cobden, diesen blutbefleckten Oester-
reicher anredete, welcher statt General Haynau,
General Hyäne genannt werden sollte? ( Lauter
Beifall ) Gegen solch ein Ungeheuer wie Haynau
muß das Volk der Erde sich erheben und ihn
hetzen durch alle Welt. Es gibt nur eine Stelle
wohin es gehört: die Tiefe der Hölle!“ -- Nach
Ruffy nahm Julian Hayney, einer der beliebte-
sten Redner der Chartisten das Wort, der sich
selbst als den Redakteur des „Red. Republican“
ankündigte und seine „Brüder Proletarier“ anre-
dete. Er sagte unter Anderm: „Die Demokra-
ten, die rothen Republikaner, Männer, immer
bereit, ihr Blut für eine heilige Sache zu ver-
gießen, beschränken sich nicht auf Worte, sondern
wie Jsmael erheben sie ihre Arme gegen jeden
Tyrannen in Europa. ( Beifall. ) Als die Nach-
richt kam von der Vernichtung der englischen Ar-
mee in Afghanistan, jubelten Tausende von Eng-
ländern über die Vernichtung dieser Armee, weil
diese Truppen dort als Plünderer und Meuchel-
mörder erschienen waren. Die Demokraten füh-
len, daß alle Menschen Brüder sind, trotz des
Nikolaus von Rußland, trotz der Hyäne Haynau!
-- Die Brauer verdienen Dank von Haynau für
ihre außerordentliche Menschlichkeit. Wenn sie
ihn in die Kufe gestürzt hätten, so würden sie
sich von neun Zehnteln ihrer Mitbürger Dank
verdient haben.“ ( Ruf: „Sie stießen ihn in den
Kehrichtwinkel!“ -- Lachen. ) Nachdem hierauf
die französische Marseillaise gesungen war, trat
Bürger Engels auf, der Versammlung als einer
von denen empfohlen, welcher für die Freiheit in
vielen Ländern gefochten hätten. Er trug einen
langen Bart und drückte als ein Deutscher seinen
Dank für das aus, was man an seinem Lands-
manne verübt hatte. Er meinte, daß „nach dem
glänzenden Beispiele, welches in London gegeben
worden, hoffentlich Jedermann auf den Werften
oder Eisenbahnstationen in derselben Weise mit
ihm verfahren werde.“ Jhm folgte Herr Brown,
aus dessen Rede wir noch folgende charakteristische
Stellen anführen: „Wenn Haynau in eine Kufe
geworfen worden wäre, wer würde wohl das
Bier noch haben trinken wollen? Wenn er in die
Themse geworfen worden wäre, wurden dann nicht
alle Fische vergiftet worden sein? Er hat die Ge-
stalt von einem Menschen, aber alle Feinde der
Hölle wohnen in seinem Herzen! Haynau fragte
den Gastgeber nach etwas Branntwein, und der
Gastgeber antwortete zu seiner Ehre: Jch will
verflucht sein, wenn ich Branntwein habe! Jch
habe den Kehrichtwinkel gesehen; er st..k schau-
derhaft! Jch habe den abgeschabten Hut gesehen,
den der Gastgeber Haynau lieh: er ist für einen
Souvereign verkauft worden. Der alte Armstuhl,
worauf Haynau gesessen, wurde folgenden Tags
einem meiner Freunde gezeigt, er mochte sich aber
nicht darauf setzen. ( Gelächter. ) Ein Weib warf
eine Scheere aus dem Fenster, damit man
den Bart des Marschalls abschneide. ( Gelächter. )
Als der Gastgeber folgenden Tags seine Bezah-
lung haben wollte, wurde ihm gesagt, der Mar-
schall sei nicht zu Hause. So schmutzig sind diese
Leute. Er ging nun zu Rothschild. ( Gelächter. )
Laßt uns von ganzem Herzen und ganzer Seele
dazu mitwirken, zu verhindern, daß dieser Mann
seinen Sitz für die City einnehme, laßt uns ihn
zu einem „wandernden Juden“ machen. ( Geläch-
ter. ) Hr. Brown schloß mit der Ankündigung,
daß im „Georg“ ein Conzert gegeben werden
solle zum Benefiz für die Männer und Frauen,
die von Haynau aus ihrem Vaterland vertrieben
worden. Hr. Osborne ( nicht mit dem beredten
Parlamentsmitglied zu verwechseln ) meinte, wenn
die Bräuerknechte und Kärner Haynau in die
Ewigkeit gesandt hätten, so würden sie der Mensch-
heit einen grosien Dienst geleistet haben, in der
Hölle würde er dann für seinen königlichen Herrn
einen Platz haben bereit halten können ec. Hierauf
wurde ein englische Uebersetzung des „ mourir
pour la patrie “ gesungen, dann drei Groans
für Haynau, drei Groans für die Times und
Morning Chronicle, drei Cheers für Kossuth und
Ungarn, drei Cheers für die „glorreichen“ fran-
zösischen Republikaner, drei Cheers für die deut-
schen, italienischen und polnischen Patrioten, und
endlich, unter großem Beifall, drei Cheers für
die Arbeiter in der Barclay= und Parkins'schen
Brauerei ausgebracht.
( D. Z. )