Eintracht macht stark.
Die Demokratie weiß was sie will, und will
was sie weiß. Der Hauptfarbe ordnet sich jede
Schattirung unter. Jhr Hauptmanöver ist eine
geschlossene Bewegung in Masse gerade auf das
Ziel los. Die äußerste Richtung derselben, die
rothe Partei, bildet den leitenden Hauptkern; die
Nebenfarben, gehen gehorsam mit. Etwaigen in-
nern Zwiespalt läßt sie nach Außen hin nicht
merken.
Wie taktlos und zerfahren ist dagegen das
zerrissene und planlose Streben der sogenannten
Gemäßigten! Die ganze Gesellschaft sieht aus,
wie ein Gespann von Pferden, rings um den Wa-
gen gespannt. Jeder zieht seinen Strang nach ei-
ner andern Seite hin, und wenn nicht der soli-
deste Staatswagen dabei in Trümmer geht, so
ist es nur seiner Güte und Festigkeit, nicht den
ziehenden Kräften zu danken. --
Der gleichgültige, abwartende, feige Philister
weiß nicht, was er will und was er wollen muß,
um ungeschoren zu bleiben; der gute Mann meint,
es müsse sich alles von selbst machen, es werde
auch ohne ihn gehen. Ruhig hält er seinen Kopf
hin und läßt Alles über sich ergehen. Wenn ihm
das Wasser über den Kopf gegangen ist und er
herhalten muß, um die Zeche zu bezahlen, dann
schreit er: „Wer hätte das gedacht! Das hätte
ich wissen sollen!“
Schlimmer, ja der Schlimmste ist, wer das
Bessere wohl weiß, aber es nicht thut; wer die
Eitelkeit des Einen und die Schwachköpfigkeit des
Andern, so wie den Streit und die Verwirrung
auf allen Seiten benutzt, um für seine Person
Nutzen zu ziehen.
Wer aber weiß was er will, und will was
er weiß; wer es treu und redlich mit der guten
Sache meint; wer alles, ja sich selbst für dieselbe
einsetzen kann; wer mit seiner Ueberzeugung und
für seine Ueberzeugung muthig und offen stehen
und streiten kann, der ist der Feind aller jener
herz= und kopflosen Halbmänner, die Alles gedan-
kenlos geschehen lassen, anstatt daß sie in ihm ih-
ren Vorkämpfer und Führer sehen sollten.
Jeder, der die Revolutionen und die Träu-
mereien der kommunistischen Republik nicht will,
der ist, wie er auch sonst noch denken möge, ein
Angehöriger der konservativen Partei, und als
solcher sollte er denken und handeln. Seine be-
sonderen Gedanken und Pläne sollte er klüglich
aus dem Spiele lassen und sich ehrlich und thätig
dem Haupt= und Gesammtzwecke unterordnen, da-
mit von der Gesammtheit das Gesammtziel er-
reicht werde.
Eintracht macht stark; aber bei der schmach-
vollen Zerrissenheit und planmäßigen Zerreißung
der verschiedenen konservativen Kräfte muß jedes
redliche Streben der festgeschlossenen Demokratie
gegenüber zweifelhaft werden. Die Entschiedenen
müssen natürlich, wie überall, voran gehen und
die Halben und Schwachen müssen mitgehen, denn
ihre besonderen Zwecke werden ja nur mit dem
Hauptzwecke erreicht, wenn sie überhaupt werth
sind, erreicht zu werden. --
Ein ganzes, einiges, starkes konservatives Heer
muß sich gestalten, ohne kleinliche Wortklauberei
und ohne Zwiespalt, sonst ist kein Erfolg im
Kampfe mit der Demokratie möglich. Wehe De-
nen, die das wissen und wissen können und doch
nicht thun! -- Nur Entschiedenheit bringt Ent-
scheidung!
( N. A. Z. Die Ereignisse in Kurhessen.
Kassel, 10. November. Es ist, als hätte
man es darauf abgesehen, unsere Neuhessen
beständig irre zu sühren. Kaum haben sie
sich von den Gastmälern und Wirthshausbänken,
wo sie sich aus Freude über die Rüstungen Preu-
ßens gütlich thaten, erhoben, so werden sie schon
wieder durch die Nachrichten, daß die Preußen
sich nicht nur auf ihre Etappenstraße, sondern wie
vielseitig behauptet wird, sogar nach Eisenach zu-
rückgezogen haben, daß bayerische Vorposten be-
reits in Hersfeld angekommen seien, daß Preußen
sich mit Oesterreich geeinigt habe ec. niederge-
schmettert. Die renitenden Beamten berechnen sich
schon, wie viel Mann Bayern ihnen ins Quar-
tier gelegt werden dürften, wenn es auf einen
Obergerichtsrath in Fulda 50 Mann beträgt.
Nach diesem Verhältnisse würde die Redaktion der
Neuhessischen Zeitung ein ganzes Bataillon be-
kommen. -- Die hiesigen preußischen Truppen
sollen Befehl erhalten haben, stets zum Abmarsch
fertig zu sein.
( K. Z. )
Fulda, 11. Nov. Jn den Operationen ist für
einige Tage Stillstand eingetreten. Das Heer soll
sich von seinen Strapatzen etwas erholen; mehrere
Tage und Nächte hintereinander auf freiem Felde
zu campiren, ohne hinlängliche Nahrung, wie sie
in dem armen Landstriche kaum beizuschaffen war,
hat der Mannschaft etwas zugesetzt. Kranke ha-
ben wir indeß noch keine, auch ist der fröhliche
Muth noch immer der alte. Die Truppen lie-
gen in und um Fulda einquartirt, und zwar in
größeren Abtheilungen bei den bekannten Anstiftern
des Widerstandes, wie es recht und billig ist;
denn warum die unschuldige Menge entgelten las-
sen, was verhältnißmäßig von nur wenigen Auf-
wieglern ausgegangen ist? Die Preußen sind
wirklich bis Hersfeld zurückgegangen, ob sie dort
aber nicht weiteren Widerstand versuchen werden,
bleibt ungewiß; eine Convention, daß die Straße
nach Kassel von ihnen freigegeben sei, liegt nicht
vor.
( K. Z. )
Fulda, 11. Nov. Wer heute nach Fulda
kam, der mußte eher glauben, in einer freund-
lichen Garnisonsstadt, als in einem Feldlager sich
zu befinden. Der Himmel hatte sich endlich ein
wenig wieder gelichtet. Die Parade zog mit Mu-
sik auf und diese spielte noch geraume Zeit auf
dem schönen Platze vor dem kurfürstlichen Schlosse,
wo auch die Hauptwache ist und die schöne Statue
des hl. Bonifacius, eine Zierde, der Stadt, sich
erhebt. Gleich daneben ist das Hotel zum „ Kur-
fürsten “, wo der commandirende General Fürst
von Thurn und Taris und der Bundescommissär
Graf Rechberg wohnen. Das Hauptquartier des
preußischen Generals Grafen v. d. Gröben ist
wieder in Vacha; seine Truppen halten aber noch
Hersfeld besetzt, durch welches bekanntlich eine
preußische Etappenstraße führt. Die Vorhut der
Bundestruppen steht1 1 / 2 Stunden von hier vor-
wärts gegen Hersfeld. Die verwundeten öster-
reichischen Jäger ( nur 4, nicht 5, wie Anfangs
irrig angeführt ) geben sämmtlich Hoffnung der
Genesung, falls kein ungünstiger Umstand ihre
Lage verschlimmert.
( F. O.=Z. )
Fulda, 11. Nov. Von Hünfeld aus theilt
sich das k. preußische Armeekorps und marschirt
einerseits nach Hersfeld, anderseits über Buttlar
nach Vach, zurück. Gestern Vormittags um 11
Uhr war Hünfeld von demselben vollständig ge-
räumt. Diese Nachrichten haben jene Liferanten,
welche von den Preußen nach Hünfeld bestellt
waren, um ihre Zahlungen in Empfang zu neh-
men und solche auch bekommen haben, mit hieher
gebracht. -- Die kurfürstlichen Steuererheber ge-
ben heute schon die Steuerzettel aus, um die
Steuern einzufordern. -- Vor Bronzell sieht man
an der Spitze eines etwas höher als die Chaussee
gelegenen Ackers fünf spannhohe Pfähle eingeschla-
gen; hinter diesen Pfählen ist eine Abgrabung,
wodurch eine Art Brustwehr gebildet wird. Auf
diesem verhängnißvollen Plätzchen sind die preußi-
schen Füsiliere mit Zündnadelgewehren aufgestellt
gewesen, welche die österreichischen Jäger verwun-
det haben. Der Eigenthümer der benachbarten,
kaum fünfzehn Schritte von diesem Platze entfern-
ten Hütte will zum Gedächtniß dieses Ereignisses
das Plätzchen unversehrt erhalten und gibt mit
größter Bestimmtheit an, daß die Preußen zuerst
geschossen, dann erst hätte man die österreichischen
Jäger ihre Stutzen laden sehen und hätten sie
das Pferd eines preußischen Offiziers verwundet,
während sich die Preußen aus dem Dorfe zurück-
gezogen. Ersteren Vorfall will der Augenzeuge
in seiner Hütte mit angesehen haben; dann hätte
er sich ins zweite Haus geflüchtet, und als er
dort wahrgenommen, wie bayerische Artillerie auf-
gefahren worden sei und die österreichischen Jäger
das Dorf im Sturm angegriffen, habe er sich
nach dem Walde zurückgezogen. Wie viele Schüsse
beiläufig gewechselt worden, wußte der Mann
nicht. Jm allgemeinen gab er an, es sei eben
nicht vielmal geschossen worden. Warum unter
den gegebenen Verhältnissen überhaupt geschossen
worden ist, bleibt räthselhaft. Das Plätzchen
aber selbst mit seiner Einrichtung, den Pfählen
zum Auflegen der Gewehre wie zum Büchsen-
stande, wird uns ewig denkwürdig bleiben.
( F. O.=Z. )
Hanau, 11. Nov. Gestern wäre es hier
beinahe zwischen bayrischen Soldaten und hiesigen
Civilpersonen zum Conflikte gekommen. Jn der
Koch'schen Bierwirthschaft zum Deutschen Hause
am Steinheimer Thore, dem Hauptsitze der De-
mokraten, hatten sich nämlich gestern Abend viele
bayerische Soldaten eingefunden, welche ihren
König hoch leben ließen, während die Civilperso-
nen, größtentheils Turner, Heckerlieder sangen und
es an sonstigen Neckereien nicht fehlen ließen. Jn
Folge dessen hat der Jnhaber der Bierwirthschaft
Jakob Koch, sein Lokal unter dem Vorwande des
Mangels an Bier geschlossen. Zweck dieses Ma-
növers ist indessen, die Bayern aus der Wirth-
schaft fern zu halten, indem die Turner nach wie
vor ihre Besuche und Zusammenkünfte darin zu
halten fortfahren.
Herr Kittsteiner, der Redakteur der Hanauer
Zeitung, ist aus dem Hauptquartier der Bundes-
truppen unverrichteter Sache wieder anher zurück-
gelangt, und hat sich gestern nach Wilhelmsbad
begeben, um bei Herrn Hassenpflug wegen Wie-
dererscheinens seiner Zeitung einen nochmaligen
Versuch zu machen.
( K. Z. ) Deutschland.
Frankfurt, 11. Nov. Die preuß. Politik bleibt
sich immer gleich; es ist ihr einmal unmöglich,
eine aufrichtige Sprache zu führen, selbst wenn
sie mit Gewißheit vorhersehen kann, daß ihre Wi-
dersprüche auf der Hand liegen und auf der
Stelle aufgedeckt werden können. Der General
v. d. Gröben versichert in seinem Schreiben an
die kurfürstliche Regierung, daß die Preußen sich
durchaus nicht in die inneren Angelegenheiten Kur-
hessens mischen würden. Da nun aber die Bun-
desarmee ausschließlich den Zweck hat, die kur-
fürstliche Regierung bei Durchführung der inneren
Angelegenheiten des Landes zu unterstützen, so
darf sie daran auch von den Preußen nicht ver-
hindert werden, wenn jene Versicherung nicht aber-
mals eine Unwahrheit sein soll. Wenn die preuß.
Truppen sich dem Einmarsch der Bayern in Ober-
und Niederhessen und namentlich in Kassel wider-
setzen, so widersetzen sie sich dadurch denjenigen
innern Anordnungen, welche die kurfürstliche Re-
gierung fur diese Landestheile getroffen hat und
noch treffen will. Die Entwaffnung der Bürger-
wehr, die Dürchführung des Kriegszustandes, die
Absetzung renitenter Beamten und die Einsetzung
von deren Nachfolgern, die Eintreibung von Steuern
u. s. w. -- das alles sind ohne Zweifel Dinge,
die zu den inneren Angelegenheiten Hessens ge-
hören, und wenn die Preußen, die zur Unterstütz-
ung dieser Maßregeln herbeigerufenen Truppen
von dem größeren Theile des Landes abwehren,
mischen sie sich also sehr direkt in die inneren An-
gelegenheiten, ja sie heben gerade die Regierung
des Kurfürsten für diese Landestheile auf. Es
müßte denn sein, daß sie sich selbst wider den
Willen des Kurfürsten zur Durchführung aller in-
neren Maßregeln ausdrängen wollten, welche die
kurfürstliche Regierung verfügt. Dann wäre aber
wieder eine Einmischung anderer Art vorhanden.
Wollen denn die preuß. Staatsmänner nie ein-
sehen, daß durch solche aus der Luft gegriffenen
Vorwänden und Ausflüchte Niemand getäuscht
wird, daß sie damit gar Nichts erreichen, als ein
tägliches Wachsen des Mißtrauens gegen den
Verkehr mit ihnen und gegen ihren Charakter?
Wir werden zwar nie eine Politik rechtfertigen,
welche die Verträge verletzt; will man sie aber
doch einmal einschlagen, so ist es immer noch
ehrenvoller und würdiger, wenn man offen mit
der Sprache herausgeht, als wenn man Thatsa-
chen, die sich ja doch nicht verdecken lassen, durch
leere Redensarten zu vertuschen sucht. Wahr-
lich, wer zwei Drittheile des ganzen Landes be-
setzt, und dadurch die Ausführung jeder Verord-
nung der inneren Regierung unmöglich macht, der
sollte nicht die Stirne haben zu der Betheuerung,
sich in die inneren Angelegenheiten des Landes
nicht mischen zu wollen.
Stuttgart, 10. Nv. Dem heutigen „ Beo-
bachter “ ist ein fliegendes Blatt beigegeben, wel-
ches die Adresse des Pseudo=Ausschusses der auf-
gelösten Landesversammlung an Se. Maj. den
König enthält.
Leipzig, 9. Nov. Heute Mittag reiste Oberst
v. d. Tann, aus Holstein kommend, hier durch.
Wie er selbst erzählt, hat er nicht blos Urlaub
von der schleswig = holsteinischen Armee, sondern
seinen vollständigen Abschied aus derselben genom-
men, und ist gesonnen, sich zu dem bayerischen
Armeecorps zu begeben, welches gegen Hessen ope-
rirt; er glaubt, daß er bei dem Generalstab an-
gestellt werden wird.
( D. A. Z. )
Wien, 8. Nov. Durch achtzehn Monate sind
wir den Jrrgängen der preußischen Verhandlungs-
kunst unverdrossen nachgetreten, um die gegenwär-
tige Krisis zu vermeiden. Noch vor einem Mo-
nate hätte die leiseste Bereitwilligkeit Preußens
vielleicht uns entwaffnet. Preußen hat mit un-
glaublicher Verblendung auf einer Bahn verharrt,
von der es erkennen mußte, daß sie zum Kriege
führt. Preußen ließ alle Fragen bis auf jenen
Punkt gelangen, wo sie gelöst oder zerhauen wer-
den müssen. Preußen hat Oesterreich und den
deutschen Bund bis dahin gebracht, sich zu bewaff-
nen. Mit 600,000 Mann auf den Beinen, kann
man nicht warten und die Kräfte des Landes auf-
zehren, um zuzusehen, wie eine berechnende Diplo-
matie die Sache auf die lange Bank zieht. Die
Truppen stehen sich mit gespanntem Hahne gegen-
über; die Sache ist dringend, sie duldet keinen
Aufschub. Jede Stunde kann den Zusammenstoß
herbeiführen; das Schicksal Deutschlands darf
nicht der Entscheidung des Zufalls anheimgestellt
werden. Wir fragen: Will Preußen die Union
aufgeben, will es sich auf den Standpunkt der
Bundesakte stellen? Ja oder Nein? Nicht wir,
die Verhältnisse stellen die Frage so kategorisch
hin. Und man zögere nicht mit der Antwort. Die
Heersäulen bewegen sich und können auf einander
treffen, ehe dies Ja oder Nein ausgesprochen ist.
( O. C. )
Wien, 8. Nov. Wir haben seit acht Tagen
an die Möglichkeit des Krieges geglaubt, heute
glauben wir fast nicht mehr an die Möglichkeit
des Friedens. Diese ernsten Worte sprechen wir
nicht ohne Betrübniß aus. Es mag auch Denen
geziemen, welche, wie wir, das Bewußtsein ha-
ben, daß Oesterreichs Sache eine gerechte und
billige ist, die eine freudige Zuversicht in die ge-
prüfte Kraft seines Heeres und in das bewährte
Genie seiner Feldherren setzen, darüber Schmerz
zu fühlen, daß ein Kampf zwischen Stammesge-
nossen entbrennen muß. Wir leihen demselben
wahrscheinlich heute zum letzten Male Worte. So
wie der erste Schuß fällt, wird kein Oesterreicher
Zeit und Lust haben, den Gefühlen des Bedau-
erns Raum zu geben. Er wird dann keinen an-
deren Wunsch hegen, als den, die erklärten Feinde
seines Landes niederzuwerfen und sie unschädlich
zu machen. -- Es bleibt Oesterreich jetzt wenig
mehr übrig, als der Welt die Gerechtigkeit seiner
Sache darzulegen. Seit fast zwei Jahren hat
Preußen sich bestrebt, Oesterreich aus der Stel-
lung, welche es kraft historischer Rechte, kraft allgemei-
ner europäischer Verträge in Deutschland einnahm,
zu verdrängen. Diesem Angriffe auf sein gutes Recht
hat dieses Land bisher nur defensive Maßregeln
entgegengesetzt. Die meisten der deutschen Mächte,
welche Preußen bei seinem Vornehmen unterstütz-
ten, haben sich bereits von demselben abgewandt.
Das Gebäude seiner Größe, welches Preußen auf
einem Boden, der ihm nicht gehörte, aufführte, ist
schnell zusammengebröckelt Die Ueberreste der-
selben sind werthlos, und die Erhaltung derselben
unmöglich geworden. Oesterreich hatte sich mit
Geduld und Mäßigung gewappnet. Er hatte das
Recht, schon vor langer Zeit gewaffnet gegen die
ungerechtfertigten Uebergriffe Preußens aufzutreten.
Es hat nicht Gebrauch von demselben gemacht,
weil es glaubte, daß selbst ohne Anwendung äu-
ßerer Gewalt die widerrechtliche Schöpfung Preu-
ßens einstürzen müßte. Preußen, das nicht länger
vermag, die Union zu erhalten, hatte den Plan
gefaßt, die Union uns zu verhandeln. Oesterreich
sollte ihm Rechte dafür bewilligen, daß es sein Un-
recht aufgab. Wir sollen Preußens Macht auf recht-
mäßige Weise vergrößern, blos, weil es versprechen
wollte, sich künftighin nicht auf unrechtmäßige
Weise zu vergrößern. Man wollte die Union
aufgeben, da sie weder rechtlich, noch factisch
haltbar war -- gegen eine gute Bezahlung. Das
Aufgeben eines unrechtmäßigen und verunglückten
Eroberungsplanes sollte als eine Concession gel-
ten, für welche man von unserer Seite Gegen-
Concessionen erwarten wollte. Wenn es die „Ehre“
Preußens verlangte, durch die Gründung einer
deutschen Union Oesterreich aus Deutschland zu
drängen, so mag seine „Ehre“ es vielleicht ver-
langen, mit gewaffneter Hand die Union aufrecht
zu halten. Ein Unrecht mag das andere als
Consequenz nach sich ziehen. Die Union an uns
zu verhandeln, kann aber keine „Ehre,“ welcher
Sorte sie auch sei, gebieten. Die „Ehre Preu-
ßens “ hat leider diesem Staat auch geboten, ge-
gen den Willen des Kurfürsten von Hessen und
gegen den Protest von dessen Bundesgenossen in
sein Land einen Einfall zu machen. Die Gründe,
welche von preußischer Seite zur Rechtfertigung
dieses Schrittes angeführt worden sind, würden auch
einen Einfall in Hannover, in das Großherzogthum
Hessen und in andere deutsche Staaten rechtfertigen kön-
nen. Es würden somit die deutschen Staaten, welche
sich Preußen nicht anschließen wollen, noch ab-
hängiger von dem Willen jenes Staates sein, als
selbst die Staaten, welchen sich ihm angeschlossen
haben Wenn Preußens „Ehre“ es verlangt, ge-
gen den Willen der Landesherren seine Heere in
solche deutsche Staaten einmarschiren zu lassen,
welche mit Oesterreich verbündet sind, was würde
in solchem Falle aus Oesterreichs Ehre werden?
Wenn ein Staat seine Ehre darein setzt, ehren-
haft und ehrlich zu handeln, so kann, darf und
wird Oesterreich dieselbe unangetaftet lassen. Wenn
es aber das seine Ehre nennt, zu erobern, Ver-
trage zu brechen und seine Willkühr zum Gesetze
für andere zu erheben, so muß diese „Ehre“ zu-
vor unserem Schwerte Rechenschaft geben, bevor
ihr eine Gasse geöffnet werden kann. Ohne den
Wunsch größer zu werden, als es ist, mehr Macht
zu erringen, als es bereits besitzt, steht Oesterreich
jetzt gewaffnet da, zur Abwehr gegen diejenigen,
welche ihm das Seine rauben wollen. Wenn
Preußen Willens ist, zu erklären, was Oesterreich
erklärt, daß es bestehende Verträge achten, und
keine Vergrößerung auf unerlaubtem Wege an-
streben will, so wird der Frieden in Deutschland
dauernd hergestellt werden. Wo nicht, nicht.
Oesterreich fordert nicht mehr, als es geben will.
Es fordert nicht mehr, als das Recht fordert.
Was das Recht aber fordert, das auch zu fordern,
ist Oesterreich zur Stunde bereit. Seine Heere
haben ihre Schwerter aus der Scheide gezogen,
aber sie noch nicht zum Schlage gehoben. Sie
müssen aber auf diejenigen niederfallen, welche
Willkühr und Gewalt ihr Recht und ihre Ehre
nennen.
( Ll. )
Wien, 8. Nov. Der vielgenannte türkische
Heerführer Omer Pascha war früher Kadet=Feld-
webel bei Erzherzog Stephan Jnfanterie und an
der Tour zum Fähndrich. Sein Name als Christ
war Latas. Damals verwundete ( wir glauben zu
Klagenfurt ) einer der Kadeten des Regiments, ein
Jtaliener, mehrere seiner Kameraden, und Latas
selbst bekam zwei Messerstiche in die Hand; denn
Latas vertheitigte jenen deutschen Kadeten, den
der Jtaliener wegen eines Liebeshandels ermorden
wollte und am Ende auch erstach. Latas wurde
deshalb von der Liste der zu Avancirenden gestri-
chen. Dazu verlor sein Vater, ein Grenzoffizier,
seinen Posten. Diese zwei Umstände verleideten
dem jungen Latas seine Stellung so sehr, daß er
nach Bosnien desertirte und Türke wurde.
Berlin, 8 Nov. Die heutige Sitzung des
Königlichen Obertribunals brachte die endgültige
Entscheidung in der Untersuchungssache wider den
ehemaligen Bürgermeister Zimmermann aus Span-
dau, welcher Mitglied der Nationalversammlung
zu Frankfurt a. M. gewesen und demnächst in
dem Rumpfparlamente zu Stuttgart mitgetagt
hatte. Auf Grund dieser Vorgänge ward er un-
ter die Anklage des versuchten Hochverraths ec.
gestellt. Die Geschwornen sprachen den Angeklag-
ten schuldig und der Gerichtshof verurtheilte ihn
zu zwölfjähriger Freiheitsstrafe. Der Angeklagte
legte hiergegen die Nichtigkeitsbeschwerde ein. Der
Spruch des Obertribunals fiel dahin aus, die
Nichtigkeitsbeschwerde zu verwerfen.
( D. R. )
Berlin, 9. Nov. Unter den deutschen politi-
schen Flüchtlingen an der französischen Grenze
zeigt sich seit kurzem eine auffallende Bewegung.
Viele Flüchtlinge, die in das Jnnere von Frank-
reich gebracht waren, sind in das Elsaß zurückge-
kehrt; andere halten sich in Straßburg und der
Umgegend heimlich auf und suchen auf jede Weise
die Wachsamkeit der französischen Behörden zu
täuschen. Gleiche Wahrnehmungen wurden im
Kanton Basel gemacht. Es ist nicht unwahr-
scheinlich, daß die Flüchtlinge die jetzigen Ver-
hältnisse in Kurhessen zu einer neuen Schilderhe-
bung zu benutzen versuchen möchten.
( C. C. )
Berlin, 9. Nov. Das C.=B. schreibt: „Der
russische Gesandte, Baron von Budberg, hat an
Hrn. v. Manteuffel als den jetzigen interimisti-
schen Minister des Auswärtigen die Anfrage ge-
richtet: welche Bedeutung die Mobilmachung der
gesammten Armee unterzulegen sei? -- Hr. v.
Manteuffel hat hierauf eine sehr entschiedene Ant-
wort gegeben und insbesondere hervorgehoben, daß
Preußen, angelangt an diesem entscheidenden Punkte,
sich nicht durch auswärtige Einflüsse behindern
lassen könne und seine Wehrkraft gegen die pro-
vocirenden Anmaßungen ins Feld führen werde;
er wünsche, daß das russische Cabinet hiervon
Kenntniß erhalte.“
Berlin, 10. Nov. Unsere auswärtigen Be-
ziehungen stellen sich, namentlich was die Allianz
mit England betrifft, immer günstiger. Frank-
reich, oder doch die französische Regierung, scheint
sich immer mehr der österreich. russischen Politik
zuzuneigen. So meldet eine Privatdepesche, daß
die französische Regierung damit umgehe, offiziell
sich für das Recht Oesterreichs und des Bundes-
tags in der kurhessischen Frage zu erklären. --
Herr v. Radowitz hat erklärt, daß er in Rück-
sicht auf die Zeitverhältnisse sein mehrerwähntes
Memoire nicht veröffentlichen werde.
Berlin, 10. Nov. Das C. B. sucht die Flucht
Kinkel's durch folgende Phrase in politisches Dun-
kel zu hüllen: „Nach Allem, was man über die
näheren Umstände seiner Entweichung erfährt, ge-
winnt es den Anschein, als sei dieselbe von einer
Seite her begünstigt worden, auf welcher das Mit-
gefühl mit den Kerkerleiden des unglücklichen Dich-
ters nicht schwächer empfunden wurde, als das
Gebot der strengen Pflichterfüllung gegen den mit
den Waffen in der Hand ergriffenen Revolutionär.
Es gibt wohl Wenige, die nicht eben so gern dem
Entflohenen das Gelingen seiner Flucht, als den
Behörden die Befreiung von der traurigen Last
der Bewachung gönnen.“ -- Ueber die Art und
Weise, in welcher die Flucht ermöglicht worden,
hört man noch immer nichts Directes. Man er-
zählt, daß es von außenher gelungen sei, eine
vollständige Offiziers = Uniform mit Helm und
Schärpe in Kinkel's Zelle zu schaffen. Mit die-
ser bekleidet, soll der Gefangene unter dem An-
schein eines Offiziers der Ronde unangefochten
das Zuchthaus verlassen und das Fuhrwerk, das
für ihn bereit stand, erreicht haben. Zur Zelle
existirten zwei Schlüssel, von denen der eine in
einem Schrank aufbewahrt wurde. Dieser soll
erbrochen und mancherlei Anstalt getroffen worden
sein, um auf falsche Spur der Art der Flucht zu
leiten. Nach der „Voss. Z.“ soll ein Wärter be-
reits arretirt sein. -- Bekanntlich wurden schon
früher bedeutende Geldsummen von der Demokra-
tie zusammengebracht, um bei Gelegenheit des
Transports Kinkel's nach und von Köln dessen
gewaltsame Befreiung zu versuchen, was die Ein-
schlagung eines andern Weges durch die Eskorte
zur Folge hatte. Man will wissen, daß für die
jetzige Flucht eine sehr bedeutende Geldsumme,
man sagt ca. 30,000 Thlr., beschafft worden sei.
So viel steht fest, daß die Ermöglichung der Flucht
ein neuer Beweis für das Zusammenhalten der
Revolutionspartei und für das Fortbestehen der
geheimen und ausgedehnten Verbindungen dersel-
ben ist.