Eidgenöſſiſches.
— Vorboten des Ungewitters; Unſere Neutralität;
Franzöſiſche Feſtungswerke an der Schweizergrenze;
Kirchliche Freiheit in Deutſchland und in der Schweiz;
Der Bundesrath und der Teſſiner Bisthumskonflikt;
Radikaler Wahlſieg im Unterwallis; Induſtrieller
Ultramontanismus; Simplonbahn.
Der Horizont verdüſtert ſich zuſehends im Oſten
(Balkanhalbinſel) wie im Weſten. Selbſt der Natur-
philoſoph Nazi im Eichtobel, bisher ein ſchlau lächelnder
Optimiſt, traut dem Wetter nicht mehr und ſeine Friedens-
zuverſicht iſt erſchüttert, ſeitdem — das Brod auf-
geſchlagen. Bis in die letzten Tage klammerte er
ſich an das Hauptargument: Brod und Fleiſch haben
nicht aufgeſchlagen, der Verkehr zwiſchen den Völkern iſt
alſo nicht gehemmt, folglich ſteht der Friedensbarometer
gut. — Jetzt aber wird’s unheimlicher in unſerer Nachbar-
ſchaft im Elſaß-Lothringen: die Deutſchen wie die Franzoſen
ſchleppen immer mehr Dinge an die Grenze, die keines-
wegs wie harmloſes Spielzeug für einen Faſtnachtsſcherz
ausſehen; die Feſtungen werden auf’s Furchtbarſte montirt
und ſelbſt verproviantirt, als ob’s nächſtens ſchon voller
Ernſt gälte. Auch machen ſich die Franzoſen eben daran,
in bedrohlicher Grenznähe Barraken für 80,000 Mann
zu errichten. Wegen dem Brodaufſchlag iſt vielleicht ein
einziger „Bäcker“ in Frankreich ſchuld, der zufällig —
Kriegsminiſter iſt; das Fleiſch aber wird wohl eher der
Hr. Bismarck vertheuern, zunächſt das Roßfleiſch, ſintemal
das Pferdeausfuhrverbot in Deutſchland ſchon eingetreten
„gemäß kaiſerlicher Verordnung“. Mit der Vieheinfuhr
aus dem deutſchen Reich wird es wohl auch bald nachher
„alle“ ſein. — Alle dieſe direkten Laſten und mehr noch
die ſich ſelbſt auferlegten indirekten Verkehrsſchädigungen
wachſen in wenigen Wochen zu gewaltigen Einbußen des
Nationalvermögens an, ein Zuſtand, der von ſelbſt zur Ent-
ſcheidung des ſtrittigen Punktes drängt. Wenn zwei prozeß-
luſtige Nachbaren nach gefälltem Urtheil, jeder auf ſeiner
Seite dem Grenzzaun immer näher rücken, den Knüttel
auf der Kehrſeite krampfhaft mit der rechten Hand zurück-
haltend, ſo braucht es ſchließlich beim Zuſammentreffen
nur noch des Zuſatzes einiger „Marchenrücker“, „Falſch-
eider“, „Zeugenſchmierer“ ꝛc. und die argumenta ad
hominem fallen hageldicht auf die blutigen Köpfe; ſo
räſonnirt jetzt Nazi, der Naturphiloſoph im Eichtobel.
Sollten ſich die Beſürchtungen erwahren, ſo wird auch
die Schweiz ihre Neutralität mit den Waffen in
der Hand ſchirmen müſſen:
„Fort zum Heere, fort zum Heere,
Zu des Bundes Aufgebot!
Mit dem Schwert und dem Gewehre,
Schlagen wir die Feinde todt“ — das heißt erſt
wenn ſie kommen, eine Eventualität, deren Eintritt wir
vorderhand noch ſehr in Zweifel zu ziehen wagen. Ver-
träge und Völkerrecht ſind allerdings kein ſicherer Verlaß
mehr für die Schwachen, ſeitdem unter der Herrſchaft des
Liberalismus, die Mächtigen das Recht des Stärkern als
höchſtes Sittengeſetz anerkennen und praktiziren. Dennoch
trauen wir den Franzoſen — und gegen dieſe iſt ja offen-
bar der Verdacht am ſtärkſten — das abenteuerliche Wag-
niß nicht zu, ſich durch ein wohlvertheidigtes, zur äußerſten
Abwehr entſchloſſenes Land durchſchlagen zu wollen und
ſich dadurch eine freundnachbarliche Nation dauernd zu
entfremden. — Sage man übrigens von den jetzigen
Nachbarn im Weſten was man will — wir fürchten die
Vergewaltigung mehr von der deutſchen Seite her. Den
ſchweizeriſch-preußiſchen Stiefelknechten werden die Augen
vielleicht zu ſpät aufgehen.
Zu den Kriegsvorbereitungen und ſchlimmen Abſichten
Frankreichs gegen die Schweiz gehören auch die angeblichen
Befeſtigungen, welche Frankreich auf dem Mont
Saleve, in der Nähe von Genf, errichten laſſe. Der
kleine Saleve (3000’ hoch), ſoll nach den Ausſagen
franzöſiſcher Blättchen, zu einem „zweiten Gibralter“ um-
geſchaffen werden, das unter den Geſchützen ſeiner Artillerie
das ganze Seegeſtade beherrſcht. Die größeren Blätter
Frankreichs ſtellen derlei Gerüchte in Abrede. Ein Lyoner
Blatt ſagt, die Militärbehörde habe nie daran gedacht,
Kaſematten (Kanonengewölbe) und Baſtionen (Bollwerke)
auf dem kleinen oder großen Saleve (4000’) zu errichten.
Abgeſehen davon, daß ſolche Feſtungswerke den Einmarſch
eines feindlichen Heeres, das in Oberſavoyen einfällt,
nicht zu hindern vermöchten, beſteht ein Abkommen mit
der Schweiz kraft Annexionsvertrages von 1860. Dieſes
Uebereinkommen wird durchaus nicht in Frage geſtellt und
die Neutralität des Genevois, Chablais und Faucigny
(ſavoiſche Grenzgebiete) könnte von der franzöſiſchen
Regierung nicht als nicht beſtehend betrachtet werden,
ſelbſt wenn der Krieg nächſtens auszubrechen drohte. —
Frankreich will der Schweiz keine militäriſchen und diplo-
matiſchen Schwierigkeiten bereiten. — So das „Salut
publik“ von Lyon.
Erſt neulich vernahm man aus der liberal-demokratiſchen
„Frankfurter Ztg.“, daß die preußiſche Regierung,
kürzer geſagt Hr. Bismarck, im Laufe der jüngſten Unter-
handlungen mit dem hl. Stuhl die bedingungsloſe
Rückkehr aller geiſtlichen Orden, mit Ausnahme
der Jeſuiten, zugeſtanden habe; das Zugeſtändniß auch
für Rückkehr der letztern konnte nur deßhalb nicht gemacht
werden, weil dieſe Frage der Reichstag zu entſcheiden hat,
da ſie durch Reichsgeſetz ausgewieſen worden. — Wenn
Lettern und Papier erröthen könnten, ſo müßte doch ge-
wiß die ſchweizeriſche Bundesverfaſſung um
die Art. 51 und 52 herum bei jeder derartigen Mit-
theilung ſchamroth werden als ſtehen gebliebene Denkmäler
einer längſt überholten Kulturkampfperiode, als Schand-
ſäulen der Intoleranz und der Engherzigkeit mitten in einer
Zeit der allgemeinen Freiheit, umweht von der Freiheits-
luft der Alpenwelt. Wie ſchäbig und kalviniſch-intolerant
nehmen ſich doch dieſe lächerlich-feigen Paragraphen der
Verbannungs- und Mundtodtmachung des Jeſuitenordens,
dieſer beſtändige Schwertesſchwang über das tonſurirte
Haupt „anderer geiſtlichen Orden“ aus, als wären ſie
ſchlimmer als Freimaurer, Landesverräther und Anar-
chiſten! Die preußiſche Regierung ließ ſich durch die
Heulmeierei des nationalmiſerablen und des ſtökeriſch-
orthodoxen Katholikenhaſſes ſo wenig irre machen, daß
ſie jetzt ihre Kulturkampfgeſetze und -Maßregeln als rein
politiſche Gelegenheitstrümpfe wieder in die
Ecke zu werfen entſchloſſen iſt. Dem ſchweizeriſchen Prote-
ſtantismus und Liberalismus will ſcheints die Ehre der
zäheſten Unduldſamkeit gegen die katholiſche
Kirche kein anderer Staat ſtreitig machen.
Der Konflikt des Bundesrathes mit dem Teſſin
über die künftige Bisthumsverwaltung ſei zwar, heißt es,
dem Ausgleich nahe; immerhin hat der mit den teſſiner
Radikalen liebäugelnde ſchweizeriſche Exekutivrath in Bern
manch’ bittere Wahrheit aus Freundesmund hören müſſen.
Es iſt dem Bundesrath in dieſem diplomatiſchen Feldzug
mit den Teſſinern auch die koſtbare Belehrung zu Theil
geworden, daß das Bewußtſein der Zentralgewalt und
das Pochen darauf gegen eine ihres guten Rechtes be-
wußte, entſchloſſene Kantonsregierung, welche gleichzeitig
das Volk hinter ſich hat, nicht aufzukommen vermag.
Eine ganze Reihe proteſtantiſcher und liberaler Schweizer-
blätter, wie „Lauſanner Zeitung“, „Nouvelliſte“, „Suiſſe
liberale“, „Genfer Tagblatt“, „Freie Rätier“ ꝛc. haben
dem Bundesrath abgewunken.
Dum Roma dehberat, Saguntum perit — während
man in Rom mit Reden die Zeit verliert, fällt Sagunt
dem Feind in die Hände, ſagte einſt Cicero, und die
Konſervativen im Rhonethal können jetzt die Klage auf
ſich anwenden. Der eidgen. Wahlkreis Unterwallis
hatte für den verſtorbenen Hrn. Joris ein Mitglied in
den Nationalrath zu wählen. Der Sieg konnte für die
Konſervativen nicht zweifelhaft ſein, wenn ſie nur einig
ſind und nicht zu Hauſe bleiben. Seit bald zehn Jahren
hat dieſer Kreis ſtets konſervativ gewählt. Aber der
Oertligeiſt, der Egoismus und das Sonderintereſſe Ein-
zelner verſchafften diesmal den Radikalen die Oberhand.
Der radikale Kandidat Gaillard ſiegte mit 80 Stimmen
Mehrheit über den konſervativen Hrn. Bioley. Mangels
feſter Organiſation der konſervativen Partei war etwelche
Spaltung in ihren Reihen eingetreten. Ueber 200 konſer-
vative Wähler des Bezirks Entremont, dem der radikale
Kandidat angehört, ſtellten die Lokalfrage über die Prinzipien-
frage und ſtimmten ihrem radikalen Mitbürger. Sie
haben eine ſchwere Verantwortlichkeit auf ſich geladen;
ihr Verrath an der konſervativen Sache deckt den Abgrund
auf, zu welchem der Mangel feſter, energiſcher Ueber-
zeugung und das Irrlicht falſcher Mäßigung führt. Das
bisherige Band der Einigkeit unter den konſervativen
Landestheilen iſt vielleicht durch die Schwäche und Charakter-
loſigkeit Einzelner für Jahre hinaus zerriſſen. — Die
radikale Preſſe iſt natürlich in gerechtem Jubel über das
Reſultat. Hoffentlich iſt indeß der gewählte „Gaillard“,
Notar in Sembrancher, beſſer als ſein Name.
Induſtriellen „Ultramontismus“ treiben ſelbſt
die freiſinnigſten Liberalen. Die Weſtſchweizer haben
einem „Großen“ des Landes den Krieg erklärt. Der
Simplon ſoll durchſtochen werden. Das Kriegen aber
koſtet Geld, heidenmäßig viel Geld. Nun, da es Ernſt
gilt mit der „Mobilmachung“ ſind die HH. Direktor
Colomb von Neuenburg und Verwaltungsrath Veſſaz von
Genf über die Berge (ultra montes) gereist, um in
Oberitalien Bundesgenoſſen zu ſuchen. — Und den Katho-
liken macht man es ſo oft zum Vorwurf, wenn ſie um viel
höherer Güter willen, und bloß in Gedanken, und
ohne irgendwelchen andern Intereſſen zu nahe zu treten,
und ohne eidgenöſſiſche Subventionen zu provoziren —
ultra montes reiſen. — Die Abgeordneten der Simplon-
geſellſchaft ſeien übrigens in Mailand vom Komite gut
aufgenonmen worden; auch die Unterhandlungen mit den
andern am Simplon-Unternehmen intereſſirten Städte
ſeien mit vollem Erfolge begleitet geweſen. Man werde
in Oberitalien alles daran ſetzen, um den hohen Tarifen
der mächtigen Gotthardbahn eine ernſtliche Konkurrenz zu
machen. — In Frankreich iſt man der Gotthardbahn
noch weniger grün als im Piemonteſiſchen. Der „Figaro“
ſchreibt diesfalls: „.... Die Schweizer betrachten einen
zweiten Alpendurchſtich für ihre Intereſſen ebenſo vor-
theilhaft als für die unſrigen, ſo zwar, daß er auf ihrem
eigenen Boden Deutſchland Konkurrenz ſchaffen würde.
Aber die Wohlthat des Unternehmens iſt für uns (Frank-
reich) unberechenbar. Ein Simplon-Tunnel verſchafft uns
wieder den Vorrang in den Handelsbeziehungen mit
Italien; er bietet unſeren Induſtrien des Nordens einen
unvergleichlichen Abflußkanal und macht durch eine große
fortlaufende Linie von Calais (Nordfrankreich) bis Brin-
diſi (Unteritalien) — auf dieſer Straße nach Indien, um
welche ſich alle Völker ſtreiten, — den engliſchen Tranſit-
handel Frankreich völlig zinspflichtig. Das wäre unſere
erſte Rache (Revanche).“
Für die Zentral- und Oſtſchweiz ſchaut allerdings
nicht ſo viel heraus, wenn der Durchſtich zu Stande
kömmt (was immerhin noch fraglich iſt), denn einmal müßte
der Bund, gemäß Art. 5 des Bundesgeſetzes betr. Ge-
währung von Subſidien für Alpenbahnen vom 22. Aug.
1878, eine Averſale von 4½ Millionen (wie für die
Gotthardbahn) daran leiſten und anderſeits müßte die
Gotthardbahn wie eine künftige Splügenbahn die Kon-
kurrenz eines weſtlichen Alpenüberganges ſchwer zu fühlen
bekommen.
— Simplon. Gemäß den jüngſten Mittheilungen
der ſchweizeriſchen Unterhändler ſeien auch der Stadtrath
und die Handelskammer von Genua grundſätzlich bereit,
den Simplondurchſtich gegen vortheilhafte Tarifanſätze zu
ſubventioniren.
— Ein wackerer Patriot. Ein Auszüger-Soldat
aus der Baſel-Landſchaft hat dem Militärdepartement
drei Franken als Beitrag an die Landesbefeſti-
gung übermacht. Zwar wiſſe er, ſagt er, daß dies
eigentlich nichts ſei, aber er ſei ein bloßer Knecht, und
wolle durch ſein Beiſpiel Andere, namentlich Millionärs,
anſpornen, von ihrem Ueberfluß ebenfalls etwas an die
Befeſtigung des Vaterlandes beizutragen.
— Schweizeriſche landwirthſchaftliche Ausſtellung
in Neuenburg. Auf das Geſuch der Graubündner Re-
gierung, an genannter Ausſtellung eine eigene Abtheilung
für das Gebirgsvieh vorzuſehen, hat das eidg. Landwirth-
ſchaftsdepartement folgende Beſchlüſſe gefaßt: 1. Die-
jenigen Ausſteller der Gebirgskantone, welche Vieh aus-
ſtellen wollen, das ſich ihrer Auffaſſung nach als ſog.
Gebirgsvieh qualifizirt, haben dies bei Anmeldung des-
ſelben anzugeben. 2. Für im Maximum hundert Stück
dieſer Thiere wird eine beſondere Abtheilung: „Gebirgs-
vieh aller Raſſen und Schläge“ gebildet und für dieſelbe
eine Prämienſumme von im Maximum 5000 Fr. be-
ſtimmt. 3. Werden weniger als hundert Thiere ange-
meldet, ſo wird die erwähnte Prämienſumme entſprechend
reduzirt; werden aber mehr als hundert Thiere ange-
meldet, ſo haben die betreffenden Kantone von ſich aus
eine entſprechende Reduktion der Anmeldungen vorzu-
nehmen. 4. Es wird auf Vorſchlag der betheiligten
Kantone durch das ſchweiz. Landwirthſchaftsdepartement
eine Jury von drei Fachmännern ernannt, welche über
die Zutheilung der Preiſe zu beſchließen und dem ge-
nannten Departement Bericht zu erſtatten hat.
— Schweizeriſcher Lehrertag in St. Gallen. Die
einſeitige Zuſammenſetzung des Komite für denſelben
wirft auch anderwärts Staub auf. So ſchreiben die
„Nachrichten vom Züricherſee“:
„Es muß allgemein auffallen, daß die ſonſt ſo
tolerante Stadt St. Gallen bei Beſtellung des Komites
ſo überaus ausſchließlich vorging und gläubig prote-
ſtantiſche und katholiſche Lehrer konſequent von den Wahlen
in’s Komite ausſchloß und nur Altkatholiken und Reformer
hineinwählte. Wenn man ſich ſo ſehr des Freiſinns
rühmt, wie die Stadt St. Gallen, ſollte man auch ein
wenig duldſamer ſein. Solche Ausſchließlichkeit iſt be-
ſonders übel angebracht an einem Lehrerfeſte und ſpeziell
an einem ſchweizeriſchen. Wenn die Lehrer, welche die
Träger der Duldſamkeit in der Schule ſein ſollen, außer
derſelben ſich in blinde Parteibüffelei verrennen, wirft
das kein ſehr günſtiges Licht auf ihre Ernſthäftigkeit.“
Aehnlich äußern ſich die „Appenzeller Nachrichten.“
Der „Fürſtenländer“ gibt dagegen in ironiſcher Weiſe
ſeine Zufriedenheit kund, indem er ſchreibt:
„Wir halten dieſe Zuſammenſetzung des Komite für
durchaus richtig! Der „ſchweizeriſche Lehrertag“ iſt ein
Jahresfeſt des radikalen Lehrervereins und es iſt nur
ein übelgewählter — andere ſagen ein anmaßender —
Ausdruck, der Name „ſchweizeriſcher Lehrertag.“ Be-
kanntlich geſtaltete ſich dieſer Anlaß ja ſtets noch zur
reinſten Parteipoukerei. Oder iſt es Schweizerbrüder-
lichkeit, wenn man die Katholiken, die an dieſen Ver-
ſammlungen etwa — vielleicht zufällig — theilgenommen,
kränkte, durch Angriffe auf das Dogma der Unfehlbarkeit,
wie es von höchſter Seite ſ. Z. in Frauenfeld vorge-
kommen iſt?
— Die Vundesbeiträge an die freiwilligen
Schießvereine ſind folgendermaßen feſtgeſetzt worden:
Zürich 1886: 28,275. 60 (1885: 25,785), Bern
31,873.80 (36,712. 20), Luzern 5,786. 40 (7336),
Uri 839. 40 (1525. 80), Schwyz 4278. (4929. 60),
Obwalden 855 (1370. 40), Nidwalden 1575 (2089. 80),
Glarus 3729. 60 (4482), Zug 1273. 80 (1750. 20),
Freiburg 4714. 80 (6621. 60), Solothurn 9721. 20
(9664. 80), Baſelſtadt 1348. 20 (1268. 40), Baſelland
6134. 40 (6144. 60), Schaffhauſen 3479.40 (3393. 60),
Appenzell A.-Rh. 3515. 40 (3220. 20), Appenzell I.-Rh.
1585. 80 (1368), St. Gallen 18,226. 80 (16,950),
Graubünden 6483 (7254. 60), Aargau 17,623. 80
(17,256. 60), Thurgau 8627. 80 (8609. 60), Teſſin
8850. 60 (8362. 20), Waadt 30,359. 40 (31,879. 20),
Wallis 3335. 40 (5395. 80), Neuenburg 6879 (7678. 20),
Genf 2811 (3874. 20) Fr.
— Straßenpflanzungen. Im „Freien Berner“
widmet Hr. Wanderlehrer Anderegg dem Beſchluß des
Großen Rathes betreffend Bepflanzung der Straßenränder
mit Obſtbäumen einen beachtenswerthen Leitartikel, worin
er den Vorſchlag macht, es ſollte ſowohl der Anbau als
die Beſorgung der Straßenpflanzungen Sache der
Gemeinden ſein, denen der Staat das Straßenland
gratis verabfolgen würde. Ferner wünſcht Hr. Anderegg,
auch die Burgergemeinden ſollten mehr für An-
pflanzung der Burgerfelder mit Obſtbäumen thun, um
zum bisherigen Burgerknebel auch einen guten Burger-
moſt zu erhalten.
— Alkohol-Referendum. In einem Inſerat des
„Zürcher-Tagblattes“ wird die Frage aufgeworfen, ob
es wahr ſei, daß auf dem Platze Zürich von einigen
Schnapsproduzenten und Weinpantſchern Fr. 100,000 zu-
ſammengelegt ſeien zur erfolgreichen Agitation gegen das
Alkoholgeſetz. Man wolle damit in erſter Linie die
Redaktionen von Zeitungen für die Sache gewinnen, und
wenn man dieſes Ziel nicht erreiche, Stimmen für das
Referendum kaufen. Das Inſerat ſchließt mit den Worten:
„Eidgenoſſen, ſeid auf der Hut! Der Schnapsteufel geht
herum wie ein brüllender Löwe und ſucht, wen er ver-
ſchlingen könne.“
— Heinrich Zſchokke über die Trunkſucht. Es iſt
äußerſt intereſſant zu leſen, was der Schriftſteller Heinrich
Zſchokke in ſeinem Roman „Lyonel Harlington oder ein
Mann aus der neuen Welt in der alten“ denſelben einem
Miniſter ſagen läßt. Sie kommen im Geſpräch auf die
Civiliſation. Der Miniſter neckt Lyonel mit den Chero-
keſen. Lyonel bemerkt hierauf:
„Die Cherokeſen haben nicht nur Buchdruckereien,
Zeitungen, ſtattliche Dörfer, ſondern ſchon in ſämmtlichen
Gemeinden ihres Landes gute Schulen, was ja noch
lange nicht in allen Staaten Europas der Fall iſt. Noch
eins! voriges Jahr gab der große Volksrath eben dieſen
Cherokeſen ſogar das Geſetz, alle geiſtigen Getränke,
welche künftig im Gebiet der Nation gefunden werden,
ſollen ſofort auf die Erde geſchüttet werden, als Seel
und Leib verderbendes Gift. Wirklich ward es voll-
zogen und die Vereinsſtaaten haben ſeitdem auch dahin
die Ausfuhr des Branntweins verboten. Im civiliſirten
Europa iſt, meines Wiſſens, noch kein Staat zu ſolcher
Sorge für Geſundheit und Sittenverbeſſerung der Unter-
thanen gelangt. Menſchenfreunde verſuchen hier zwar
Mäßigkeitsvereine; die Regierungen aber vereiteln es aus
finanziellen Gründen; patentiren vielmehr, und begünſtigen,
vermehren Branntweinbrennereien, Brantweinſchenken,
Liquerfabriken; ſtellen hier wieder für die Vergifteten,
Erkrankten und Geſchwächten, ein Heer von Medizinal-
räthen, Aerzten und Apotheker an, oder erweitern und
verbeſſern für Verbrechen, die häufig durch Verauſchung
veranlaßt werden, Zuchthäuſer, Strafhäuſer und Feſtungs-
kerker.“
So ſchreibt Zſchokke. Er hat es genugſam geſehen
und erfahren, daß, wenn der Staat etwas unternimmt,
es nur auf Geldmacherei, auf Kräftigung des Fiskus
herausläuft. Dieſer wird dann für die Bureaukratie zur
Milchkuh.
(„B. V.“)
— Folgen des Wirthshauslebens. Der kürzlich in
Aarau verurtheilte berüchtigte Dieb Ehrismann war früher
ein geachteter Mann und ſpielte namentlich beim Militär
eine angeſehene Rolle. Die Frage nun, wie er auf die
abſchüſſige Bahn des Verbrechens gelangte, beantwortete
er mit folgenden Worten: Das verfluchte Wirthshaus-
leben habe ihn vorerſt ſeiner Familie entfremdet und
ſittlich heruntergebracht; die Luſt zur Arbeit habe er ver-
loren, aber immer mehr Geld gebraucht. Nachdem er
den erſten Schritt auf der Bahn des Verbrechens gethan,
habe er nicht mehr zurückgekonnt und der Erfolg habe
ihn zu immer weitern ſträflichen Unternehmungen er-
muntert. Alles dies ſehe er heute deutlich ein, bis zu
ſeiner Verhaftung ſei er aber wie verblendet geweſen.
Uznach. (Eingeſandt.) Die zwei erſten Aufführungen des
„Verſchwender“ haben mit beſtem Erfolge ſtattgefunden.
Dieſes höchſt effektvolle Stück vereinigt Alles in ſich, was das
Theaterpublikum erfreut: Brillante Szenerien mit überraſchen-
den Verwandlungen, reiche Koſtüme, ſchöne gemüthliche Muſik,
ſcharf markirte Charakterzeichnung, lebhafte und abwechslungs-
volle Handlung und ſehr viel Humor Es erforderte gewaltige
Anſtrengungen, das ſehr ſchwierige Werk in allen dieſen Punkten
würdig durchzuführen. Das einſtimmige Urtheil geht dahin,
daß dies in vortrefflicher Weiſe gelungen iſt, ſo weit man es
von einer Dilettantenbühne verlangen kann und daß die Theater-
Geſellſchaft Uznach dieſes Jahr den Höhepunkt aller ihrer bis-
herigen Leiſtungen erreicht hat.
Der Zweck dieſer Zeilen iſt übrigens nicht, Lob zu ſpenden,
ſondern etwas zum Verſtändniſſe des eigenthümlichen Stückes
beizutragen.
Der „Verſchwender“ iſt das letzte und beſte Werk des Bühnen-
dichters und Schauſpielers Ferd. Raimund in Wien. Es
wurde im Jahre 1833 geſchrieben und iſt ſeither ein Lieblings-
ſtück des Publikums geblieben. Dasſelbe birgt einen guten
moraliſchen Kern. Es wird darin gezeigt, daß Reichthum allein
nicht glücklich macht, weder den leichtſinnigen Verſchwender, der
in Geſellſchaft luſtiger Kumpane praßt, noch den habſüchtigen
Intriganten, der ſich ſein Glück „erlächelt“ und durch Lug und
Trug zum reichen Mann wird; — daß Glück und Zufrieden-
heit weit eher bei ehrlichen, einfachen Leuten zu finden ſind, und
daß Freigebigkeit und Treue ſchließlich doch noch zu Sieg nnd
Lohn gelangen.
Der Dichter verſetzt uns in eine zauberhafte Märchenwelt.
Die Fee Cheriſtane war auf die Erde geſandt worden, um den
Menſchen Gutes zu thun. Dazu hatte ſie eine Krone von
Perlen erhalten, von denen jede einen Zauber enthielt. Ihre
ganze Zaubermacht hatte ſie zum vermeintlichen Wohle ihres
Lieblings Flottwell verwendet. Dieſer ſpendete in ſeiner Gut-
herzigkeit viele Wohlthaten, wurde jedoch zum leichtſinnigen Ver-
ſchwenoer. Cheriſtane ſieht das unvermeidliche Ende ſeiner Ver-
ſchwenderbahn voraus und opfert die letzte Perle zu ſeinem Wohle,
indem ſie daraus den Geiſt Azur entſtehen läßt und ihn zu
Flottwells Schutzgeiſt beſtimmt. Letzterer erfüllt ſeine Sendung
dadurch, daß er den Verſchwender, nur dieſem allein ſichtbar,
überall in der Geſtalt eines Bettlers begleitet, ſich ihm als „Bild
der Warnung“ darſtellt und von ihm ſo viel als möglich erbettelt.
Als der Verſchwender nach 20 Jahren ſelbſt zum Bettler ge-
worden und nach vielen Irrfahrten verzweifelnd auf den Ruinen
ſeines väterlichen Schloſſes ſteht, erſcheint nochmals ſein Schutz-
geiſt, um ihm die im Felſen verborgenen Schätze zu übergeben,
die er ihm abgebettelt hatte. „Was du dem Armen gabſt, haſt
zu dir ſelbſt gegeben.“
In dieſes naive Zaubermärchen ſind ernſte und heitere Szenen
aus des Lebens Wirklichkeit in bunteſter Abwechslung verflochten.
Es würde zu weit führen, alle dieſe originellen und draſtiſchen
Bilder auch nur anzudeuten. Gehet und ſehet ſelbſt!
— Auf einem Kommers der Leipziger Studentenſchaft zeigte
der Superintendent Dr. Pnak, unter lautem Beifall einen Blei-
ſtift, den er von der Frau Fürſtin Bismarck erhalten hat, und
mit welchem Fürſt Bismarck eine Staatsdepeſche unterſchrieben.
Serviler konnten die Byzantiner zur Zeit der größten Verkomm-
niß gewiß nicht ſein.
— Bei einem Freimaurer-Bankett in London hatte ein Mit-
glied, der Beamte Brett, mit ſeinem Gemüſe einen Gegenſtand
verſchluckt, vor dem er nach langer, drei Operationen erheiſchender
Krankheit befreit wurde. Es war eine Nähnadel mit einem zwei
Zoll langen Faden. Nun verlangt er 2000 Pfund Entſchädigung.
Der Prozeß dürfte ſehr intereſſant werden.
Ediktalvorladungen.
Johann Robert Schoch, Buchbinder, von Appenzell, an der
Engelgaſſe in St. Gallen. Eingaben bis 5. Febr., Vormittags
11 Uhr, auf dem Rathhaus in St. Gallen.
Franz Joſef Lendi, Milchler, von Mols, Gemeinde Quarten,
an der Bitziſtraße in St. Gallen. Eingaben bis 5. Febr., Vor-
mitlags 11 Uhr, auf dem Rathhaus in St. Gallen.
Joh. Jakob Zurburg, Hafner und Sticker, in Ländern, Ge-
meinde Balgach. Eingaben bis 5. Febr., Vormittags hlllb 11
Uhr, im Rößle zu Balgach.
Joſeph Thum, Gemüſehändler, von Benken, in Gießen. Ein-
gaben bis 5. Febr., Vormittags 11 Uhr, zur Krone in Benken.
Ulrich Troxler, Sticker, von Stein, Kts. St. Gallen, in
Halten bei Bernhardzell, Gemeinde Waldkirch. Eingaben bis
7. Febr., Vormittags 10 Uhr, zum Ochſen in Goßau.
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