Krieg in Sicht.
Krieg iſt in Sicht, und zwar nicht etwa zwiſchen den
Deutſchen und Franzoſen, ſondern bei uns |in St. Galliſchen
Landen. Letzten Herbſt wurde dem katholiſchen St. Galler Volk
eine Organiſation, nach welcher ſeine eigenen konfeſſionellen An-
gelegenheiten geordnet werden ſollen, zur Abſtimmung vorgelegt
und von demſelben angenommen. Die Regierung hatte dieſe
Organiſation auch geprüft und dem Großen Rate einſtimmig
Genehmigung beantragt. Dieſer aber fand für gut, ſie an
eine Kommiſſion zu weiſen, damit ſie ihr Herz und Nieren
durchforſche. War ſchon dieſer Alt, als eine Mißachtung des
klar ausgeſprochenen Volkswillens, ein wenig toleranter Streich,
ſo war er doch nur die Einleitung zu noch ärgeren Dingen.
Die Mehrheit dieſer großrätlichen Kommiſſion, nämlich die HH.
alt Ständerat Hoffmann in St. Gallen, Ständerat Karl Good,
Advokat in Mels, alt Kantonsrichter Huber in Wallenſtadt,
Großrats-Vizepräſident Gaudy in Rapperswil und Oberſt Hunger-
bühler in Straubenzell, alles Radikale reinſten Waſſers und, wie
es ſich herausſtellt, Katholikenfeinde ſchlimmſter Sorte, dieſe fünf
Kulturkampfhelden wagen es, nachdem das kathol. Kollegium die
Organiſation angenommen, nachdem das kath. St. Gallervolk ſie
angenommen, nachdem die Regierung einſtimmig Genehmigung bean-
tragt, ſie wagen es, dem Großen Rate Nichtgenehmigung der Organi-
ſation zu beantragen. Alle Welt frägt erſtaunt: Warum denn
das? Haben ſie vielleicht in dieſer Organiſation etwas Staats-
gefährliches und Verfaſſungswidriges gefunden? Nein, durchaus
nicht, obſchon ſie dieſelbe gründlich durchforſcht. Alſo aus welcher
Urſache denn? „Hat man keine, macht man eine“ dachten die
Advokoten, denn ſo was verſtehen ſie ja meiſterlich. Mit dieſem
guten Vorſatz gingen ſie ans Werk und machten ſchon mit
Art. 1 einen guten Anfang. Dort heißt es, die katholiſche Kirche
des Kantons St. Gallen ſei ein Glied der römiſch-katholiſchen
Kirche. Dieſe Beſtimmung iſt nun ſelbſtverſtändlich für alle
Welt mit Ausnahme der Kommiſſionsmehrheit. Dieſe möchte
uns Katholiken mit allen Irr- und Ungläubigen in einen Tigel
werfen und ihnen das Recht zugeſtehen, in unſere religiöſen
Angelegenheiten hineinzureden. Als ſaubere Vögel entpuppen ſich
in dieſer Frage Advokat Good und Kantonsrichter Huber. Erſterer
hatte ſich ſeiner Zeit im Großen Rate öffentlich als guter
Katholik und treuer Sohn des Landesbiſchofs gerühmt, und jetzt
nennt er ſich mit ſeinem Oberländer Genoſſen einen Katholiken,
der die Autorität des Papſtes und der Biſchöfe nicht ganz
anerkennt und romfrei ſei. Wie reimt ſich das zuſammen?
Man weiß nicht, ſoll man über die Unwiſſenheit dieſer Herren
mehr ſtaunen oder über die Frechheit, mit der ſie das kathol.
Volk täuſchen wollen. Ein ſogenannter „romfreier“ Katholik iſt
kein Katholik, darüber mögen ſich die Herren von den Schul-
kindern belehren laſſen. Wir aber möchten ſie an Bismarcks Wort
erinnern: „Es blamiert ſich jeder ſo gut er kann.“ In ähnlicher
Weiſe haben dieſe Herren noch andere Artikel der Organiſation
beanſtandet, freilich ohne etwas Stichhaltiges dagegen vorbringen
zu können, und brachten es ſo glücklich dazu, die Verwerfung
der Organiſation zu beantragen und ſo dem kath. St. Galler
Volk rundweg den Krieg zu erklären. Es iſt gut, daß das
Volk dieſe Herren einmal kennen gelernt hat. Es wird ſich nun
zeigen, ob die Mehrheit des Großen Rates und im beſondern
die gemäßigten liberalen Mitglieder desſelben bereit ſind, dieſem
leidenſchaftlichen Kriegsrufe Heerfolge zu leiſten und ebenfalls
den Maßſtab der Parteileidenſchaft und ausgeſprochenen Kirchen-
feindlichkeit an die Organiſation anzulegen, oder ob ſie mit jener
ruhigen Ueberlegung und gerechten Würdigung der ganzen Trag-
weite der Angelegenheit, wie ſie der höchſten geſetzgebenden Be-
hörde eines Landes würdig iſt, in Uebereinſtimmung mit dem
Souverän, dem kath. St. Galler Volk die in allen Teilen ver-
faſſungsmäßige Organiſation genehmigen will. „Noch hoffen wir“,
ſchreibt die „Oſtſchweiz“, „daß der Große Rat zu einem Vor-
gehen, das den Kanton in die heftigſten konfeſſionellen Kämpfe
werfen müßte, nicht Hand bieten werde, nicht Hand bieten zu
einer unerhörten Bevormundung und Vergewaltigung der kath.
Mitbürger, ſondern die Bahn einſchlagen werde, welche die Re-
gierung mit ihrem einſtimmigen Antrag weiſt. Was die Kom-
miſſionsmehrheit will, das iſt brutale Macht an Stelle des
Rechtes, der Zank an Stelle des Friedens, der Zwang an Stelle
der gewährleiſteten Freiheit, die Ungleichheit ſtatt der Gleich-
berechtigung, Schroffheit und Unbilligkeit ſtatt der Loyalität.
Daß ſolche Bahnen den Kanton St. Gallen der Wohlfahrt, einer
fortſchreitenden Entwicklung und Blüte im Guten und Nützlichen
unmöglich entgegenführen könnten, deſſen wird ſich jeder ſt. gall.
Bürger bewußt ſein. Wir legen an dieſer Stelle den ſchärfſten
Proteſt ein gegen den Antrag der großrätlichen Kommiſſions-
mehrheit. Ein gleicher Proteſt dürfte von einer maßgebenderen
Seite erfolgen, und ihm wird ſich anſchließen, was katholiſch
heißt und iſt in ſt. galliſchen Landen von der Jungmannſchaft
weg bis zum Greiſe, unſere Kinder, unſere Töchter, unſere
Frauen, unſere Mütter, von der Steinach weg bis zum Zürich-
ſee hinab, von der Thur bis zum Rhein. Bevogten, vergewaltigen
in ſeinen heiligſten Gefühlen, in ſeinen teuerſten Rechten läßt
ſich das katholiſche St. Gallervolk nicht. Es hat die Rechte der
anderen Konfeſſionen hochgehalten; und wenn es ſein mußte,
auch geſchützt; ſeine Vertreter haben erſt unlängſt noch der
neuen Organiſation des proteſtantiſchen Konfeſſionsteils mit der
größten Delikateſſe die Sanktion ohne jegliche Diskuſſion, Be-
merkung und Vorbehalt, als einer Angelegenheit, welche aus-
ſchließlich jene unſerer ev. Mitbürger ſei, erteilt. Will man ihm
gegenüber eine rechts- und verfaſſungswidrige gegenteilige Stell-
ung einnehmen, ſo würde es auch dieſe Prüfung zu beſtehen
wiſſen, und ſtärker und geeinter aus ihr hervorgehen als je.
Wir ſagen auch heute: Nun tue die Großratsmehrheit, was ſie
nicht laſſen kann; die Kommiſſionsmehrheit hat ſie vor den
Scheideweg geſtellt, deſſen eine Straße die des Friedens und der
Wohlfahrt, und die andere jene des Unfriedens und des Rück-
ſchrittes in unſerem öffentlichen Leben iſt.“
Korreſpondenz.
Wenn man nicht weiß, wo man die Sache anpacken ſoll,
überſchreibt man ſeine Korreſpondenz mit Umſchau. Eine
ſolche iſt auch am Jahresanfang ganz am Platze.
„Friede auf Erden den Menſchen, die eines guten Willens
ſind.“ Dieſe bei der Geburt des göttlichen Friedenskönigs ge-
ſprochenen Worte erklären mit aller Deutlichkeit, warum jetzt
gewaltige Kämpfe toben von Pol zu Pol, von einem Weltende
zum andern. Es fehlt ſo vielen am guten Willen und es fehlt
ihnen daran, weil ſie Chriſtus, wie die zu Bethlehem, nicht ein-
laſſen, d. h. ſich um ihn nichts kümmern, oder wie Herodes ihm
nach dem Leben ſtreben, d. h. ihn in ſeiner Kirche verfolgen.
Da ſteht obenan Rußland. Es macht einem das Blut er-
ſtarren bei der Leſung der letzten Nummer dieſes Blattes über
die Ereigniſſe in Kroze. Dagegen iſt der Herodes mit dem
bethlehemitiſchen Kindermord nur ein Narr geweſen. Solch’
himmelſchreiende Barbarei im Jahrhundert der Gewiſſensfreiheit
läßt tief blicken und deutet auf einen bodenloſen Abgrund von
Korruption, von Gemeinheit und Schlechtigkeit in den büro-
kratiſchen Kreiſen dieſes Reiches. Und das ſind die intimſten
Freunde der Franzoſen! Was Europa von einer ſolchen Freund-
ſchaft zu erwarten hat, liegt auf der Hand, — jedenfalls nicht
den Frieden. Hat doch gerade im letzten Jahre Rußland ſeine
Streitkräfte in den Garniſonen an der deutſchen und öſterreich-
iſchen Grenze bedeutend vermehrt.
Die Kirche Ungarns hat gegenwärtig einen ſchweren
Kampf zu beſtehen, für welchen ſie Troſt und Hilfe von Seite
der ganzen katholiſchen Welt bedarf. Auch da geht wieder der
Kampf des katholiſchen Volkes um ſeine verbürgten Rechte gegen
die Regierung, die ihm dieſelben gewaltſam entreißen will. Das
iſt die Verblendung der Großen, daß ſie die mächtigſte Schutz-
wehr, das feſteſte Bollwerk gegen Umſturz und Revolution, die
katholiſche Kirche bekämpfen, in den Aſt ſägen, auf dem ſie
ſitzen; erfreulich iſt die Einmut, mit der das Volk, der katholiſche
Adel, Kardinäle, Erzbiſchöfe und Biſchöfe ſich zur Gegenwehr rüſten.
Sonſt iſt in dieſem Oeſterreich der alte Hader der Nationalitäten
in üppigſter Blüte und der Friede von Bethlehem in weiter
Ferne, der Kaiſer ein alter, ſchwacher Mann, der der Situation
gar nicht mehr gewachſen iſt und von Zeit zu Zeit in ſeiner
eigenen Familie Erfahrungen machen muß, die ihm deutlich
ſagen könnten, wo’s fehlt.
Ein nicht minder trauriges Schauſpiel bietet Italien.
Wie glücklich könnte dieſes von der Natur ſo geſegnete Land
ſein, wenn nicht ſeit Jahren Pilatus mit Herodes die Herrſchaft
und dem Kinde von Bethlehem offen oder geheim nachſtellten.
In ſeinen raſch aufeinanderfolgenden Miniſterwechſeln tauſcht es
jeweilen den Schelm an den Dieb. Jetzt iſt der alte Sünder
Criſpi wieder am Ruder. Der Fluch des Kirchenraubes wälzt
ſich über das Land, das jetzt ſeine Soldaten aufbieten muß,
um ſeine eigenen halbverhungerten und durch die Not zur Ver-
zweiflung getriebenen Kinder zu erſchießen. O, wie weit iſt da
der Friede von Bethlehem!
Und in der Schweiz? Wir ſagen nichts von den Mili-
tärſchuhen, vom Bundesweizen, von der Gotthardbefeſtigung.
Es iſt nur ſchade, daß in Bern kein Kantonsrat Hager ſitzt,
der — wie einſt im Großratsſaal in St. Gallen — den Herren
zuruft: „Sind au gſchid, ihr Herre!“ Man weiß in der Tat
nicht, wo die Herren den Kopf haben. Im Vordergrund ſtehen
die ſozialen Reformbeſtrebungen. Wir ſagen abermals: Fort
mit der unentgeltlichen Krankenpflege in dieſer Form, dagegen
friſch an’s Werk mit der Initiative für die Verabfolgung von
Zolleinnahmen an die Kantone von Seite des Bundes. Dieſem
vollblütigen Bund, der die unerträgliche Geldverſchleuderung ins
aſchgraue treibt, muß man zu Ader laſſen. 11 Franken per
Kopf der Bevölkerung nur Militärlaſt, 100 Millionen Schulden
— wo ſoll das noch hinaus: auf die Lumpentafel mit der Eid-
genoſſenſchaft!
Preßſtimmen zum Beſchluſſe der Großrats-Kommiſſion betr.
Nichtgenehmigung der katholiſchen Organiſation.
„Rheinth. Allgemeiner Anzeiger“: „Wir hoffen,
der ſt. galliſche Große Rat werde in Sachen der katholiſchen
Organiſation ſich auf einen würdigeren Standpunkt ſtellen
als die Mehrheit der betreffenden großrätlichen Kommiſſion,
welche Nichtgenehmigung der Organiſation zu beantragen beſchloß.
Wahrlich, uns St. Gallern tut etwas ganz anderes not als er-
neuter Kulturkampf, und unſer Große Rat hat den Eid nicht
geleiſtet auf die Verpflichtung, die katholiſche Kirche im Lande
des heiligen Gallus in unwürdige Feſſeln zu ſchlagen! Auf
politiſchem und wirtſchaftlichem Gebiete harren ſo viele und ſo
wichtige Fragen der Löſung, daß nur vereintes Raten und
Taten der Bürger beider Konfeſſionen einen glücklichen Ent-
ſcheid zum Wohle des Kantons möglich macht.“
— Der „Stadtanzeiger“ ſchreibt: „Einen kleinen
Kulturkampf will die Mehrheit der großrätlichen Kommiſſion
betr. die ſtaatliche Genehmigung der neuen katholiſchen Organi-
ſation in der am 15. ds. beginnenden außerordentlichen Seſſion
des Großen Rates aufführen, indem ſie den Antrag ſtellt, einige
Artikel derſelben nicht zu genehmigen. Wie wir hören, ſind das
dieſelben Artikel, in Bezug auf welche die Regierung ihre Vor-
behalte gemacht hat. Daß ſich die liberale Mehrheit der Groß-
ratskommiſſion mit dieſen Vorbehalten nicht begnügte, ſondern
„päpſtlicher als der Papſt“ über das hinausgehen zu müſſen
glaubte, was die freiſinnige Mehrheit des Regierungsrates be-
ſchloſſen hat, begreifen wir, offen geſtanden nicht. Wir haben
doch wahrhaft Wichtigeres und Dringenderes mehr als genug
zu tun im St. Gallerlande. Daß die ganze Geſchichte zu nichts
führt, als zu einer mehr oder weniger „großen“ Debatte, das
können ſich die Herren von der großrätlichen Kommiſſionsmehr-
heit ſelbſt nicht verhehlen.“
Ferner ſchreibt der „Stadtanzeiger“: „Ein nörgeliges Kul-
turkämpflein hat ein Demokrat im Kreiſe einiger Geſinnungs-
genoſſen mit Recht den Streit um die neue katholiſche
Organiſation genannt, welchen die liberale Mehrheit der
großrätlichen Kommiſſion unbegreiflicherweiſe provoziert hat. Wir
ſagen „unbegreiflicherweiſe“; denn es war die freiſinnige,
liberal-demokratiſche Mehrheit des Regierungsrates,
welche den bezüglichen Beſchluß gefaßt hat. Warum nun die
liberale Kommiſſionsmehrheit des Großen Rates ihre Par-
teigenoſſen im Regierungsrate desavouieren will, ſehen
wir wirklich nicht ein.“
„Fürſtenländer“: „Der Antrag auf Nichtſanktionierung
der Organiſation iſt ein Fauſtſchlag ins Geſicht des katholiſchen
Volkes. Dasſelbe wird auch im Falle, daß dieſer Antrag die
großrätliche Mehrheit erhält, ſich ſeiner Rechte nicht ruhig be-
geben, ſondern um dieſelben den Kampf aufnehmen.“
„Toggenburger Zeitung“: „Nun, mögen wir auch
im Großen Rate unterliegen, wir werden kein geſetzliches Kampf-
mittel unbenutzt laſſen; wir nehmen den Kampf mutig auf,
und das iſt ſicher, daß unſere Gegner ein einiges katholiſches
St. Galler Volk finden werden.“
Katholizismus und Altkatholizismus.
Die katholiſche Kirche iſt über alle Teile der Welt ver-
breitet und breitet ſich immer noch aus. Dieſer Satz ſteht nicht
bloß im Katechismus; was er behauptet, iſt auch handgreiflich
wahr. In den 16 Jahren ſeiner Regierung hat Papſt Leo
XIII. errichtet: 1 Patriarchat, 27 Erzbistümer, 77 Bistümer,
1 apoſtoliſche Delegation, 47 apoſtoliſche Vikariate, 18 apoſtoliſche
Präfekturen. Dieſe meiſten hierarchiſchen Stellen ſind in Miſ-
ſionsländern entſtanden.
Wie nimmt ſich dem gegenüber der Fortſchritt der neueſten
Sekte aus? Der Altkatholizismus fühlt den Boden unter ſeinen
Füßen immer mehr wanken, darum ſucht er an fremden Kirchen-
gemeinſchaften, beſonders an der engliſchen und ruſſiſchen, eine
Stütze. Dieſe nehmen ihn natürlich nur dann unter ihres Flügel,
wenn er ſich ihnen völlig gleichförmig macht. Die proteſtantiſche
„Kreuzzeitung“ in Berlin giebt den Altkatholiken den Rat,
wenigſtens nicht einen ſo ſchmachvollen Selbſtmord zu begehen,
wenn ſie doch nicht mehr die Kraft hätten, weiter zu exiſtieren.
Erfreuliche Berichte für die katholiſche Kirche kommen aus
dem hohen Norden Europas. Am 20. Oktober iſt der erſte
Biſchof ſeit den Tagen der Reformation, der neugeweihte hchwſt.
Herr Bitter in ſeine Hauptkirche zu Stockholm eingezogen.
Die ſchwediſche Miſſion zählt bereits fünf Stationen, die
aber den mehr oder minder feindſeligen Geſetzen gegenüber noch
immer eine ſchwierige Stellung haben.
Beſſer gehts in Norwegen und ganz gut in Dänemarck,
wo es ſchon 5100 Katholiken giebt und alljährlich zahlreiche
Konverſionen vorkommen. Nur in Kopenhagen traten letztes
Jahr 150 Lutheraner zur katholiſchen Kirche zurück.
Eidgenöſſiſches.
— Etwas Unerfreuliches. Im Jahre 1892 wurden in
der Schweiz 1036 Eheſcheidungen erledigt, 10 weniger
als im Vorjahre. In 83 Fällen erfolgte Abweiſung der Klagen,
in 72 Fällen wurde zeitweiſe Trennung ausgeſprochen, gänzlich
geſchieden wurden 881 Ehen. Auf je 1000 beſtehende Ehen
kommen zwei Scheidungen (genau 1,83). 229 Urteile wurden
gefällt, wo im Prozeſſe der Mann, 483 wo die Frau, 314 wo
beide Ehegatten als klagende Partei auftraten. Im Kanton
Zürich beträgt die Zahl der gänzlichen Scheidungen 185. Im
Kanton Bern beträgt die Geſamtzahl der dauernden Scheidungen
187, in Luzern 12, in Uri 0, in Schwyz 0, in Obwalden 1,
Nidwalden 0, Glarus 16, Zug 3, Freiburg 8, Solothurn 30,
Baſelſtadt 23, Baſellandſchaft 13, Schaffhauſen 13, Appenzell
A.-Rh. 28, Appenzell I. Rh. 3, St. Gallen 63, Grau-
bünden 18, Aargau 35, Thurgau 46, Teſſin 6, Waadt 77,
Wallis 4, Neuenburg 51, Genf 59.
— Unentgeltliche Krankenpflege und Tabakmonopol. Das
Durcheinander ſpielt ſich „glücklich“ weiter. In Freiburg
ſprach ſich der Piusverein auf die Vorträge der Herren Prof.
Beck und Chorherr Eſſeiva für die Initiative aus, in Malters
(Kanton Luzern) eine Volksverſammlung auf die Auseinander-
ſetzungen des konſervativen Hrn. Nationalrat Hochſtraßer ebenſo
einmütig dagegen. Auch in Wald (Zürich) behandelte eine
Arbeiterverſammlung daſelbe Thema nnd votierte nach dem An-
trag des Herrn Mettier, Redaktor des „Grütlianer“ für das
Initiativbegehren, entgegen den Voten des Hrn. alt Nationalrat
Keller und des katholiſchen Pfarrers Herger von Wald.
— Die Züricher-Initiative vor dem Bundesrat. Bern,
9. Januar. Der Bundesrat werde in Mehrheit den eidgen.
Räten beantragen, die Züricher Initiative als verfaſſungswidrig
abzuweiſen, weil die Verfaſſung die Verquickung zweier Materien
des Beſtimmteſten ausſchließe. Dies würde eine Unterdrückung
der Volksrechte bedeuten!
— Wir fragen: Wie lange noch ſoll das Schweizervolk
ſein pures Geld hergeben für die Experimente unſerer Herren
Oberſten? Wie lange noch ſoll eine kopfloſe Wirtſchaft in Bern
weiter hantieren? Wie lange noch ſoll das Geld, das aus den
Zöllen der großen Maſſe unſeres Volkes abgezapft wird, auf
ſolche liederliche Art und Weiſe vergeudet werden? Wahrlich,
es iſt hohe Zeit, daß das Schweizervolk einmal aufwacht und
mit den Herren in Bern ein ernſtes Wort rede! Nicht noch
mehr Monopole, nicht noch mehr Geld nach Bern — nein!
Finanzausgleich zwiſchen Bund und Kantonen!
— Gut erinnert. Anläßlich der jüngſten Medaillen-Ge-
ſchichte erinnert das „Luzerner Volksbl.“ an die ſchönen Worte,
die Landammann Munzinger, der nachmalige Bundesrat, am
eidgenöſſiſchen Schützenfeſt in Chur geſprochen. Als man ihn
da ſtürmiſch begrüßte und zum Reden zwang, rief er in hoch-
herzigem Unwillen von der Rednerbühne herab:
Eidgenoſſen! Ich will euch ſagen, was mir an euch nicht
gefällt; es iſt, daß ihr die Männer, die ihr liebt, ungemeſſen
hoch erhebt, und dieſe Bildniſſe, die ihr von ihnen macht, kom-
men mir vor wie kleine Statuen, mit denen ihr Götzendienſt
treibt. Eidgenoſſen! Das iſt unrepublikaniſch; dadurch verderbt
ihr eure Männer, daß ihnen auf ihrer Höhe ſchwindelt, daß ſie
vergeſſen, daß ſie eure und des Vaterlandes Diener ſind, und
ſie tief, ich möchte ſagen, bis unter den Boden herunterfallen.
Nicht ſie, ihr ſeid daran ſchuld, denn ihr verderbt ſie durch
euren Götzendienſt. Eidgenoſſen! Laßt das in Zukunft.
St. Galliſches.
— Regierungsratsverhandlungen vom 5. Januar 1894.
Herr Regierungsrat Keel erhält zum Zwecke der Wiederherſtellung
ſeiner angegriffenen Geſundheit und zum Kurgebrauch einen Urlaub von
vier Wochen.
Mit Bezug auf die vom Großen Rat in ſeiner letzten November-
ſeſſion erheblich erklärte Motion betreff. Einräumung des Rechtes an
die politiſchen Gemeinden zur Einführung der obligatoriſchen Arbeitsloſen-
verſicherung, ſowie auf eine bezügliche Eingabe der ſt. galliſchen Arbeiter-
union, wird dem nächſte Woche zu einer außerordentlichen Seſſion zu-
ſammentretenden Großen Rate der Antrag auf Niederſetzung einer
vorberatenden Kommiſſion unterbreitet, in dem Sinne, daß von der
letztern in der ordentlichen Maiſeſſion über die Angelegenheit Bericht und
Antrag erſtattet werde.
Den von der kant. Straßenverwaltung aufgeſtellten Bedingungen für
die Benützung der Staatsſtraße zum Zwecke der Röhrenlegung für die
Waſſerverſorgung der Stadt St. Gallen wird die Genehmigung erteilt,
dagegen die Feſtſetzung der Konzeſſionsbedingungen für den Waſſerbezug
aus dem Bodenſee bis nach erfolgter öffentlicher Auflegung des Kon-
zeſſionsgeſuches verſchoben.
Nachdem der ſchweizeriſche Bundesrat das von den Regierungen der
Kantone Glarus und St. Gallen gemeinſchaftlich eingereichte Geſuch um
finanzielle Mitbeteiligung des Bundes für das Projekt der Fortſetzung
der Wallenſeeſtraße von Mühlehorn bis Weeſen abſchlägig beſchieden hat,
und damit das fragliche Projekt vorausſichtlich für eine längere Reihe
von Jahren außer Betracht fällt, wird dem Regierungsrat des Kantons
Glarus die Anregung unterbreitet, gleichzeitig mit der Angelegenheit der
Korrektion des Rötigrenzbaches auch die Frage der Korrektion und Ver-
breiterung des bereits beſtandenen Fußweges der gemeinſchaftlichen Be-
ratung zu unterſtellen.
Der vom Juſtizdepartement ausgearbeitete Geſetzesentwurfo über die
Zivilrechtspflege im Kanton St. Gallen wird Linerinleungliedrigen Experteu-
kommiſſion zur Vorberating überwieſen und dieſelbe beſtellt aus den
Herren Kantonsgerichtspräſident A. Bärlocher in St. Gallen, Staats-
anwalt I. Geel in St. Gallen, Kantonsrichter H. Hartmann in St. Gallen,
Dr. A. Hoffmann, Advokat in St. Gallen, A. Reichel, Prof. der Rechte
in Bern, B. Rickenmann, Bez.-Gerichtspräſ. in Rapperswil, H. Scherrer,
Advokat in St. Gallen, S. Wädenſchwyler, Bezirksgerichtspräſident in
Rorſchach, und G. Wolf, alt Oberrichter in Zürich.
Die durch den Hinſchied des langjährigen Regiſtrators der Staats-
kanzlei, Herrn I. Jöhl, vakant gewordene Stelle mit Anmeldungstermin
bis zum 23. d. Mts. wird zur freien Bewerbung ausgeſchrieben.
Zur Vorlage gelangt der Kommunalbericht über die Gemeinde
Straubenzell.
An Vergabungen zu Gunſten der Freibetten des Kantonsſpitals ſind
eingegangen: durch Hrn. Armbruſter-Baumann in St. Gallen vom Cercle
français de bienfaisance Fr. 20 und durch Herrn Dr. Sonderegger in
St. Gallen von 2 Ungenannt Fr. 100 und Fr. 20.
— St. Gallen. Es ſcheint mit dem Abſtinenten-
Verein in unſerm Kanton ernſt werden zu wollen. Der
Hauptförderer dieſer Bewegung iſt der hochwſt. Biſchof Augu-
ſtinus. Es iſt aus ſeiner Feder ſoeben ein Flugblatt erſchienen,
das ſich über dieſen Gegenſtand: gänzliche Enthaltung von be-
rauſchenden Getränken, verbreitet, zum Beitritt einladet und be-
reits Statuten vorlegt. Der Hauptzweck iſt, dem Trinkunheil
entgegenzuwirken.
Mitglied kann jeder nach erfülltem 14. Jahre werden, der
wenigſtens einen Monat lang vom Genuſſe jeden geiſtigen Ge-
tränkes ſich enthalten hat und durch eigenhändige Unterſchrift
den feſten Vorſatz kundgiebt, ſich wenigſtens drei Monate lang
zu enthalten. Wenn auch nicht alle Leſer und Leſerinnen des
„Volksblattes“ eintreten werden, ſo werden doch alle gern oder
ungern bekennen müſſen, dieſe Bewegung könne viel Gutes
ſtiften und viel Böſes verhindern.
— Maul- und Klauenſeuche. Laut „Toggenburger
Bote“ iſt in Dicken, Mogelsberg, Wald, St. Peterzell und
Bächle-Hemberg bis zum 6. Januar die verderbliche Viehkrank-
heit konſtatiert worden.
— St. Gallen. Das Kriegsgericht der ſiebenten
Diviſion verurteilte in ſeiner Sitzung vom 8. ds. den Sol-
daten Emil Harzenmoſer von St. Gallen, der vom 24.
Oktober bis 21. November v. Is. ſich widerrechtlich mit den
Gradabzeichen eines Offiziers-Aſpiranten im In- und Auslande
herumgetrieben hatte und ſich dabei wiederholter Betrügereien
im Werte von ca. 200 Fr. und einer Veruntreuung von 6
Fr. 90 Cts. ſchuldig gemacht hatte, wegen ſchwerer Dienſtver-
letzung, Betrug und Veruntreuung zu einer Zuchthausſtrafe von
zwei Jahren und ſechs Monaten und erklärte denſelben für alle
Zeiten zum Dienſte eines ſchweizeriſchen Wehrmannes unwürdig.
— Rorſchach. In der Seminargärtnerei werden auf 1.
März wieder drei Lehrlinge aufgenommen. Der Lehrkurs dauert
2½ Jahre und iſt unentgeltlich. Die Anmeldungen ſind bis
zum 22. Februar an Seminardirektor Heinzelmann zu richten.
Die Bewerber müſſen ein Alter von 16 Jahren haben.
— Sargans. Als Feſtort für das Bezirksgeſang-
feſt wurde Sargans beſtimmt.
Der Wirteverein des Bezirks Sargans hat lt. „Sarganſer-
länder“ beſchloſſen, ſich mit einer Eingabe an die Regierung zu
wenden, welche die Erhöhung der Abgaben der Kleinverkäufer
auf 50 ‒ 100 Fr. fordern ſoll.
— Kirchberg, 10. Jan. Heute wurde hier unter zahl-
reichem Geleite Herr alt Inſtruktor Hauptmann I. B. Holenſtein
beerdigt. Derſelbe ſtarb nach ganz kurzer Krankheit im Alter
von 82 Jahren und 5 Monaten.
— Berneck. Im Alter von 84 Jahren ſtarb hier am
letzten Montag der langjährige hieſige Lehrer Frei, ſeit 15 Jah-
ren penſioniert.
— Bazenheid. Eine hieſige Familie hat innert weni-
gen Tagen drei Kinder an der Diphteritis verloren.
— Degersheim. Am Sonntag iſt hier der älteſte
Bürger, Joſeph Trunz im Ifang, im Alter von 92 Jahren
geſtorben.
— Schänis. (Eingeſ.) Eingeleitet und abgeſchloſſen mit einem hübſch
vorgetragenen Männerquartettlied hielt Herr Pfarrer A. Fräfel dahier
letzten Sonntag ſeinen zweiten Vortrag über die Geſchichte Schänis.
Die beinahe 300jährige Herrſchaft der Grafen von Lenzburg bildete
den Gegenſtand des ebenſo gediegenen, als hochintereſſanten Referates.
Erſtlich die Zuhörer wertvollen Aufſchluß über die damals noch beſtehende
Leibeigenſchaft, über ihren Unterſchied von der Sklaverei, ſowie über
manche Licht und Schattenſeiten derſelben. Hierauf zeigte der Referent,
ſtreng an den Tatſachen und Schriftquellen der Geſchichte ſich haltend,
wie durch Heirat des letzten weiblichen Sprößlings der Grafen von Chur-
rhätien mit einem Lenzburger Abkömmling das Gotteshaus Schänis mit
allen rhätiſchen Beſitzungen im Gaſter an letzteres Gravenhaus überging.
Ein Jahrhundert ſpäter dann, ſoll Luitgard, aus dem Geſchlechte der
Grafen von Alt-Rapperswil, ihrem Gemahl Konrad von Lenzburg den
ausgedehnten Hof zu Benken (Bebinkoven) mit der Wandelburg daſelbſt
in die Ehe gebracht haben. Von da an war Wandelburg — ſtatt früher
Schännis — die Reſidenz der Lenzburger, ſo oft ſie im Lande weilten,
und auch der Sitz ihrer Gerichtsbarkeit im Gaſter. Da in der Folge
die Grafen von Lenzburg viele Beſitztümer an das Gotteshaus Schännis
vergabten, zum Erſatze für anderweitige, in unruhigen Kriegszeiten dem
letzteren zugefügten Beſchädigungen, ſo war inzwiſchen der Complex der
Stiftsgüter zu einem ſo bedeutenden herangewachſen, daß im Jahre 1097
dem Stifte von den lenzburgiſchen Grafen, welche die Caſtvogtei desſelben
inne hatten, ein beſonderer Gerichtsbezirk im Gaſter ausgeſchieden wurde.
Die epiſodiſch in den Vortrag eingeflochtenen Fakten und Einzelheiten
über Strafexecution, Schadenerſatzleiſtungen ꝛc. waren nicht ungeeignet,
die geſpannte Aufmerkſamkeit der Zuhörerſchaft bisweilen in abſpannende,
gemütliche Heiterkeit umzuwandeln.
Man ſah und fühlte, daß es dem Referenten nicht darum zu tun
war, durch buntfarbig ausgemalte Schilderungen der Sitten, Gebräuche
und Zuſtände jener Zeit, ſowie durch romanhafte Charakterzeichnung ihrer
Helden, das Wohlgefallen und den Applaus des Publikums zu erwirken,
ſondern einzig und allein durch wahrheits- und ſachgetreue Darſtellung
der geſchichtlichen Ereigniſſe und Hauptbegebenheiten die Zuhörer zu be-
lehren und zu unterhalten und darin liegt ein nicht geringer Vorzug
dieſer Vorträge vor ſo vieler anderer modernen Bombaſt- und Schön-
rednerei. Fürwahr, wer nur ein klein bischen Intereſſe an der Geſchichte
ſeines Landes und ſeiner Ahnen und Vorväter beſitzt und wer nur ein
Fünkchen Patriotismus im Leibe trägt, der wird mit Freuden die Fort-
ſetzung dieſer Geſchichts-Vorträge als eine Geiſt und Herz bildende, höchſt
willkommene Gabe begrüßen. Darum auf baldiges Wederſehen im
vollen Hauſe!
— Maſeltrangen, 11. Januar. Bei einer größern
hieſigen Futterverſteigerung galten heute bei Anweſenheit eines
zahlreichen Gantpublikums die meiſten Abteilungen gutes Heu
und Emd je 5 Fr. 50 Rp. per 50 Kilo.
— Amden.
(Eingeſ.) Die Gemeinde Amden hat Bürger:
Da ſich Gemeindebürger von Amden auch im Ausland in aller
Herren Länder befinden, ſo darf dieſe Anzahl wohl auf 500 taxiert werden,
und es ergiebt ſich ſomit ein Ergebniß von rund 3500 Bürgern.
Zivilſtandsnachrichten pro. 1893.
Geburten, in der Gemeinde 44, außer der Gemeinde 67.
Todesfälle „ „ „ 30, „ „ „ 45.
Ehen „ „ „ 7, „ „ „ 37.
— Weeſen.
(Korreſp.) Aus allen Teilen des Landes
fliegen an die öffentlichen Blätter Bulletins über die Influenza,
dieſe heimtückiſche Modekrankheit. Zur Kompletierung ihres
Sündenregiſters ſei vermerkt, daß auch Weeſen, das ſt. galliſche
Nizza, von ihr nicht verſchont geblieben iſt. Ohne um Gaſt-
freundſchaft zu bitten, drang ſie vor einigen Tagen ein, nahm
faſt jedes Haus in Beſitz und geberdet ſich darin gleich einem
ruſſiſchen Gouverneur in den polniſchen Provinzen, rückſichtslos
und ohne Erbarmen, hält alle der ſtrengſten Polizei-
aufſicht und manche ſpediert ſie auf einem adminiſtrativen Wege
über den Styx. Dieſer unheimliche Gaſt ſcheint eine beſondere
Vorliebe zu den an Jahren vorgerückten Perſonen zu haben.
Ein über die rebelliſchen Provinzen verhängter Belagerungszuſtand
würde weniger von dieſem Gaſte die Gemüter der Bewohner
drücken und beängſtigen. Der hochwürdige Seelſorger ſteht in
dieſen (doch nicht nach Falbs Konjekturen) kritiſchen Tagen wie
auf dem Piket, ſtets zum Ausmarſche parat, ſobald ein Hülfe-
ruf ertönet. Wir wollen hoffen, und darum beten wir inſtän-
dig, der liebe Gott möge uns von der verdienten und unſern
Seelen ſo heilſamen Prüfung bald möglichſt befreien. Doch
ſein heiliger Wille geſchehe, und blicken wir darum mutig und
getroſt der Zukunft entgegen!
— * Gaſter. Vermittleramtstabelle vom Jahre 1893.
Die Zahl der Vermittlungsvorſtände zeigt demnach von 1863—1893
die rapide Abnahme von 387 auf 121; es haben daher auch die Herren
Vermittler eine Geſchäftskriſis zu beſtehen, und wenn es ſo vorwärts, oder
beſſer geſagt, rückwärts geht, beſtehen dieſe Beamtungen mit der Zeit nur
noch dem Namen nach oder kommen gar auf den Ausſterbeetat.
Wie viele Streitfälle außer den obgenannten ohne vermittleramtlichen
Vorſtand noch vorgekommen und entweder von den Parteien ſelbſt ge-
ſchlichtet worden oder auf ſich beruhen blieben, kann hier nicht geſagt
werden. Die große Abnahme der vor Vermittleramt und Gericht gelangen-
den Streitfälle mag in verſchiedenen Faktoren, namentlich in dem
allenthalben vorrätigen Leder am Geldbeutel und meiſtens unrentablen
Geſchäfte des Prozeſſierens zu ſuchen und zu finden ſein. Sodann ſucht
ſich auch immer mehr jeder Gläubiger gegen das ſchwache Gedächtnis
ſeiner Schuldner durch „ein paar Buchſtaben“ zu ſchützen. Immerhin iſt
es beſſer, die Bauern melken ihre Kühe ſelber, als daß ſie dieſelben im
Streite darum von Andern melken laſſen.
— Gommiswald. Civilſtandsnachrichten:
— Uznach. Laut Jahresbericht des hieſigen katholiſchen
Geſellenvereins herrſchte im verfloſſenen Jahre eine rege Tätigkeit
in demſelben. Neben belehrenden Vorträgen wurde Unterricht
erteilt im Schreiben, Rechnen und in der Buchführung, und
ſoeben ſoll auf Wunſch einzelner Mitglieder ein Kurs im
Franzöſiſchen eröffnet werden. In die im Verein beſtehende
Sparkaſſe wurden von den Mitgliedern Einlagen gemacht im
Geſamtbetrag von 2344 Franken, welche Summe, nach Abzug
einzelner Rückzahlungen, auf der hieſigen Sparkaſſe angelegt
wurde. Der Verein unterhält auch eine eigene Herberge für
ſeine durchreiſenden Mitglieder, damit dieſelben nicht gezwungen
ſind, auf der allgemeinen Herberge Unterkunft zu ſuchen, wo
mitunter bekanntlich nicht die beſte Geſellſchaft anzutreffen iſt.
Dann beſteht auch eine eigene Krankenkaſſe im Verein. Aus
all’ dem geht deutlich hervor, daß der Verein für die junge
Arbeiterwelt eine große Wohltat iſt und die Sympathie jedes
wahren Arbeiterfreundes verdient.
— Theater in Uznach. Die „Glarner Nochrichten“
ſchreiben: „Der hieſigen Theatergeſellſchaft wird für ihre Auf-
führung: „Joſeph und ſeine Brüder“ (Muſik v. Mehul)
großes Lob geſpendet. Die erſte Aufführung, die am letzten
Sonntag ſtattfand, wird als ſehr gelungen bezeichnet. Die Ko-
ſtüme ſeien hiſtoriſch treu, die Szenerien entſprechen den ägyp-
tiſchen Verhältniſſen. Muſik und Geſang ſeien vortrefflich und
würden einer großen Bühne Ehre machen. Die zweite Auffüh-
rung findet nächſten Sonntag ſtatt, und wird die Bevölkerung
der Umgegend und ſpeziell auch des Glarnerlandes auf dieſen
Kunſtgenuß aufmerkſam gemacht.“
— Dem „St. Gall. Tagbl.“ berichtet man aus Rappers-
wil: „In unſerm Rivalenſtädtchen Uznach hatten wir ſoeben
das Vergnügen, der erſten Aufführung von „Joſeph und
ſeine Brüder“ beizuwohnen. In der Tat, Uznach hat ſeinen
alten Ruf bewährt und zu ſeinen frühern Lorbeeren neue ge-
fügt. Schon das Theater an ſich iſt ein muſterhaftes zu nennen,
ebenſo das Orcheſter und das Spiel, Koſtüme und Dekorationen.
Doch, man muß eben ſelbſt hingehen, um ſich dann zu ſagen:
„Uznach iſt mit Nichten die geringſte unter den Städten
Judas.“
— Jona.
(Eingeſ.) Unſer Kirchenchor wird auch dieſes
Jahr wieder eine Abendunterhaltung zum Beſten geben. Wie
wir aus dem reichhaltigen Programm entnehmen, iſt für gehörige
Abwechslung geſorgt, indem ernſte, heitere und humoriſtiſche
Vorträge geboten werden, ſodaß uns ein ſehr gemütlicher Abend
in Ausſicht ſteht, und iſt dem ſtrebſamen Vereine eine zahlreiche
Beteiligung zu wünſchen.
Volkswirthſchaftliches.
Bauer und Jaß.
(Korr. von einem Bauer.)
Ein alter Spruch lautet: „Thoma kehrt de Tag ume.“
Aber Thoma hat nicht nur den Tag, ſondern auch das Wetter
gekehrt. Der rauhe Biswind hat in alle Winkel von Haus und
Stall eine biſſige Kälte gebracht, und der Bauer zieht nach
Neujahr gerne über ſein Futterhemdli den Zwilchkittel an, wenn
er aus ſeinem warmen Stübli geht. Zum Schlittnen, zum
Düngerausführen und zum Holzſpalten iſt es dem Kaſpar zu
kalt, und fleißiger vielleicht als das nächſte Jahr raucht er auf
der Ofenbank ſein Pfifli. Im Stall macht der Bauer ſeine
Sache kurz und gut, guckt eher zum gefrorenen Stallfenſter als
zur Stalltüre hinaus, wenn der Weibel vorbeigeht, der einen
Steuerzeddel bereit hält. Kaſpar will den Stall, reſpektive die
lieben Lobä möglichſt warm halten; denn er weiß, ein kalter
Stall iſt ein Futterverſchwender, und güden kann man dieſen
Winter mit Heu und Emd nicht. Die wollene Geſichtskappe
über Ohren und Bart gezogen, die „Böße“ über die Hoſen ge-
knüpft, die Hände in den Hoſentaſchen, eilt man, die mit Milch
gefüllte Tanſe ſorgfältig tragend, der Sennhütte zu. Hier iſt
ein Sprechſaal für uns Bauern. Wenn die Sennküche ordentlich
warm iſt, wartet der erſte, bis der letzte ſein Täusli geleert hat.
Unterdeſſen erzählt der eine, wie wacker die friſch gekalberte
„Bruni“ einſchenke, der andere ſpricht von dem ausgezeichnet
guten und billigen Futtermehl; der dritte prahlt, wie ſein Heu-
ſtock ergiebig ſei, und wie er noch Futter verkaufen könne. Dieſer
Maulheld wird aber gehörig heimgezahlt, denn männiglich iſt
bekannt, daß dieſer Monsieur jeden Frühling Ueberfluß an
Futtermangel hat. Es iſt halb 8 Uhr. Der Biswind trägt
unſere Bauern links und rechts auseinander, heim zu einer
geſchwallenen Haberſuppe. Und dann? — Dann ſitzen wir
fröhlich beiſammen und haben einander uf em Strich; nämlich
beim Jaſſen. O du lieber Himmel, wie viel tauſendmal wird
über Winter in den Bauernſtuben der „Bur“ uſegworfe, nicht
gerade zum Fenſter hinaus, aber auf den Tiſch. Selbſt Kaiſer,
König und Oberſt ſind dem ſchmächtigen „Bur“ in ſeiner Zipfel-
kappe untergeordnet. Das Jaſſen iſt für uns Bauern ein häufiges,
doch ſinnreiches Spiel. Da heißt es: Lernen, aufpaſſen, auf ſich
ſelbſt acht geben, rechnen und nachdenken, damit man mit dem
„Bur“ keine Dummheiten macht. Der „Bur“ muß erhalten, was
rit und goht. Es iſt lächerlich, wenn ein Spieler mit dem „Bur“
in den Sack fällt. Für Herren hat ein ſolches Ereignis nicht viel
zu bedeuten; aber mit dem „Vur“ „abeghäe“ iſt für uns
Bauern zum mindeſten höchſt unanſtändig, — Nun — lernen,
nachdenken, rechnen, auf den lieben Gott und ſich ſelbſt ver-
trauen muß der Bauer das ganze Jahr, wenn er nicht an die
Spielkarten denkt, und wenn er noch mehr als einen „Nidel“
gewinnen will. Man würde mit Fingern auf uns Landwirte
zeigen und hell auflachen, wenn wir in des Großvaters kurzen
Hoſen zur Kirche gehen würden. Man wird auch keinen Land-
wirt begreifen und rechtfertigen, wenn er nach des Großvaters
Manier auf ſeinem Gute wirtſchaftet.
Mit Freuden erinnere ich mich an „Kleinjogg“, von dem
ich vor dreißig Jahren im alten ſt. galliſchen Schulbuche geleſen
habe. Kletnjogg war als Landwirt ein Muſter für ſeiner Ge-
meinde und die ganze Umgebung. Er achtete nicht auf das
Lächeln und das Geſpötte ſeiner dummen Nachbarn, ſondern
führte unentwegt aus, was er mit ſeinem denkenden und forſchen-
den Verſtande für gut fand. Aber Kleinjogg iſt nicht als
Gelehrter vom Himmel gefallen, ſondern er iſt durch Studium
zu einem der tüchtigſten Oekonomen ſeiner Zeit geworden. Die
Preſſe war vor hundert Jahren, alſo in der Zeit, in welcher
Kleinjogg lebte, nicht ſo ſtark verbreitet, wie heute. Er wußte
von landwirtſchaftlichen Neuerungen und Verbeſſerungen nur
wenig. Man mag mir einwenden, beim leſen lerne man nicht
melken und nicht füttern; aber richtig iſt doch: durch leſen lernt
man nachdenken und beobachten. Ein anderer ſagt mir: „Er-
fahrung iſt die beſte Lehrmeiſterin“ und ich füge hinzu: „auch
die teuerſte“, und ſage zudem: „Die Erfahrung iſt eine Schule,
in welcher auch Toren etwas lernen können.“ — Die meiſten
Berufsarten in unſerer Zeit haben Fachſchriften, der Senn hält
die Milchzeitung, der Bäcker die Bäckerzeitung, der Sticker die
Stickerzeitung und ſo weiters. Auch dem Landwirt ſtehen gute
landwirtſchaftliche Schriften zur Verfügung; aber ſie ſind noch
zu wenig verbreitet. Wer etwas gelernt hat, weiß mit Verſtand
zu reden. Der Bauer hört es gerne, wenn der Nachbar, der
ſeine freien Winterabendſtunden mit leſen anſtatt mit zu viel
jaſſen zubringt, ihm Aufklärung über richtige Anwendung von
Kraftfuttermitteln geben kann. Man machts allweg und gits
allweg. Die Köchin, die etwas gelernt hat und verſteht, kann
gewiß aus den gleichen Beſtandteilen beſſere Speiſen bereiten,
als eine dumme Babe, die ſich um alles mögliche bekümmert,
nur nicht ums Kochen. Ich meine alſo hier, wir Bauern könnten
an Winterabenden durch Leſen von Schriften, die jeder land-
wirtſchatfliche Verein gerne vermittelt, viele nützliche Kenntniſſe
erwerben. Aber, aber Schriften koſten Geld. Wie bald ſind aber
im Wirtshaus beim Kartenſpiel zwei, drei Franken verklöpft.
Aus dieſem Gelde könnte eine paſſende Schrift fürs ganze Jahr
bezahlt werden. Ich bin höchlich erfreut, wenn ich in einer
Wirtſchaft auf dem Lande landwirtſchaftliche Schriften auf dem
Wirtstiſch aufgelegt finde. Mehr als in unſerer Gegend trifft
man im Toggenburg und Züribiet echte Bauerntypen an, die
ſchwatzen und prächten ob Eiweißſtoffen, Fetten und Kohlehydraten
am Wirtstiſche, als ob ſie von der Univerſität herkämen. Ein
gemütlicher Jaß bringt aber doch Abwechslung ins Alltagsleben
und verkürzt manche Stunde, daheim wie im Wirtshauſe. Es
iſt aber auch ein geiſtiges Armutszeugnis für einen Wirt, der
dem Gaſte keine beſſere Unterhaltung zu bieten weiß als nur
jaſſen und immer jaſſen.
Doch kurz und gut. Ich möchte das Jaſſen nicht aus der
Welt ſchaffen; i cha nämli au e bitzeli kärtle, aber ich meine,
wir Bauern ſollten das eine tun und das andere nicht unter-
laſſen. Die heutige Zeit verlangt nicht nur vom Geſchäftsmanne,
ſondern auch vom Bauer, einen ganzen, geſchulten, ſelbſtändigen
Mann. Es iſt nüme wie albigs. Der Bauernſtand muß ſich
durch eigene Kraft zu heben und zu fördern ſuchen. Vor fünfzig
Jahren bildete unſer Stand die Hauptmaſſe des Schweizervolkes.
Durch das Aufblühen der Induſtrie iſt es anders geworden. Im
Bauernſtand liegt aber immer noch ein ſolides Fundament im
Volke; deshalb wollen wir arbeiten und wirken, daß wir unſere
Zeitverhältniſſe richtig verſtehen und für unſer Wohl und das
Wohl des Landes nach Kräften einſtehen können.
R.
— Düngung der Obſtbäume. Wenngleich im All-
gemeinen, wie wir wiederholt hervorgehoben haben, durch die
Düngung die Lebensdauer der Bäume verlängert und dadurch
ihre Rentabilität vergrößert wird, iſt doch unter Umſtänden eine
Düngung nicht gerade notwendig. So verlangen, wie Oekonomie-
rat Göthe kürzlich ausführte, manche Böden keine mineraliſche
Düngung. Stickſtoff aber muß überall hin gebracht werden.
Die weſentlichſten Stoffe der Düngung ſind Stickſtoff, Kali und
Phosphorſäure. Dazu kommt der Kalk, der beſonders für Stein-
obſt notwendig iſt. Auch die Birnen wollen Kalk, während die
Aepfel mehr Kali als Kalk verlangen. Die Anwendung von
feſten Stoffen für alte Bäume iſt unzureichend; es müſſen hier
reiche flüſſige Düngungsmittel dem Boden zugeführt werden und
zwar darum reich, weil ein Prozentſatz des Düngwertes vom
Boden feſtgehalten wird. Geringe Mengen flüſſigen Düngers
werden nicht bis zu den Wurzeln hinunterdringen. Gute Bundes-
genoſſen für den Obſtzüchter ſind die Regenwürmer und Maul-
würfe. Durch die von dieſen Tieren hergeſtellten Röhren wird
der ganze Untergrund durchlüftet und der flüſſige Dünger kann
tief eindringen. Vor dem Antreiben im Frühjahr muß dem
Obſtbaum eine ſtarke Düngung gegeben werden und im Laufe
des Sommers ſoll wieder gedüngt werden. Zuletzt ſoll im
Auguſt oder Anfang September gedüngt werden, weil dann der
Baum ſeine Früchte zur Reife bringen muß. Bei dieſer Dün-
gung darf aber kein Stickſtoff gegeben werden, weil der Baum
dadurch zum Treiben veranlaßt und froſtempfindlich gemacht wird.