Erſter Abſchnitt.
Die deutſche Literatur
in ihrem Verhaͤltniß
zum deutſchen Buchhandel.
§. 1.
Jedes, aus Roheit und Barbarey herausgetretene
Volk liebt und ehrt ſeine Mutter-Sprache; es gab
weder in alter noch in neuer Zeit eine Nation, die
nicht mit Freude und Stolz geachtet haͤtte auf die in
ihrer Mitte nach eigenthuͤmlicher Art aufbluͤhenden
und gedeihenden Wiſſenſchaften und Kuͤnſte.
Nur mit dem Verfall des Anſehens der Reli¬
gion, der Sitten, der Verfaſſung, nur mit dem Auf¬
hoͤren der National-Selbſtſtaͤndigkeit vergehet auch
die Achtung fuͤr eigne Sprache und Literatur.
Bey den Deutſchen war von jeher lebhafter Ei¬
fer fuͤr die Wiſſenſchaften — und wenn die Bearbei¬
tung derſelben in deutſcher Sprache waͤhrend man¬
cher Zeitraͤume verabſaͤumt worden, ſo lebte doch ſtets
in der Gelehrſamkeit vaterlaͤndiſcher Sinn fort und
die Macht der eigenen Sprache brach, wie unter an¬
dern die Schriften des Taulerus beweiſen, immer von
neuem hindurch.
Seit Luther beſonders, wurde Kraft und Reich¬
thum deutſcher Sprache allgemeiner erkannt und von
der Mitte des vorigen Jahrhunderts an, erhielt ſie ihre
hoͤhere, feinere, gewandtere Ausbildung. So bald die
Sprache die ihr zukommenden Rechte durch die ganze
Nation gewonnen, trat die Literatur in's Leben ein und
verbreitete ſich wirkſam nach allen Richtungen.
Es kann als ein Zeichen nicht zu zerſtoͤrender
Nationalitaͤt der Deutſchen gelten, daß das wachſende
Intereſſe an vaterlaͤndiſcher Sprache und Literatur
zur naͤmlichen Zeit ſichtbar wurde, als der Verfall bis¬
heriger Verfaſſung ſich offenbahrte. Mit dem Ungluͤck
des Vaterlandes wurde die Liebe fuͤr deutſche Art
und Kunſt immer reger, ja, man darf ſagen, ſie
ſtieg zur Begeiſterung, als das deutſche Reich durch
franzoͤſiſche Uebermacht aufhoͤren mußte.
Von der Zeit an betrachtete man unſere Litera¬
tur als den Geſammt-Ausdruck des geiſtigen Lebens
deutſcher Voͤlker und die gemeinſame Sprache als
das unverletzliche Bindungsmittel deutſcher Staͤmme
— heilig zu halten fuͤr beſſere Zeiten.
Dieſe beſſeren Zeiten, die wir den Nachkommen
beſchieden glaubten, noch ſelbſt zu erleben, hat Gott
uns gewaͤhrt!
Ein neuer aͤußerer Bund iſt beſchloſſen und
durch denſelben ſprach ſich zu Wien der National-
Wille aus, daß das ſo herrlich bewaͤhrte, ſo ſtark be¬
fundene innere Bindungsmittel:
Deutſche Sprache und Literatur
fuͤr die Folge geſchirmt und geſchuͤtzt werden ſolle!
Dies wollen Fuͤrſten und Staͤnde; es will dies
Adel und Volk.
§. 2.
Deutſche Literatur iſt alles in Schrift Ver¬
faßte und durch den Druck Verbreitete, was in unſe¬
rer Nation durch Nachdenken und Forſchen zur Wiſſen¬
ſchaft gebracht worden iſt; Alles was der Geiſt durch
Anſchauung und Phantaſie entdeckt, bildet und auf¬
ſtellt, durch Witz und Scharfſinn erfindet, vergleichet,
erhellet, durch Beredſamkeit klar und lichtvoll dar¬
ſtellet.
§. 3.
Um eine Literatur zu beſitzen, bedarf es, insbe¬
ſondere nach Lage und Verhaͤltniß der Deutſchen, fol¬
gende aͤußere Bedingungen:
1) Aufbringen der Koſten zum Druck der
Schriften.
2) Entſchaͤdigung der Autoren fuͤr Bekanntma¬
chung und Herausgabe ihrer Schriften.
3) einer Anſtalt um uͤber alle Laͤnder, wo das
Deutsche Muttersprache iſt, die Druck¬
ſchriften ſo zu verbreiten, daß allent¬
halben moͤglichſt gleichartig lebhafter
Antheil an Sprache, Wiſſenſchaft und
Literatur erregt und erhalten werde.
§. 4.
Erfuͤllung dieſer aͤußern Bedingungen einer Lite¬
ratur gewaͤhrt:
Der deutſche Buchhandel,
ein auf ſich ſelbſt beruhendes, aus dem Eigenſten deut¬
ſcher Geſchichte und Verfaſſung hervorgegangenes In¬
ſtitut.
§. 5.
Der deutſche Buchhandel erfuͤllt die erſte Be¬
dingung:
Aufbringen der Koſten zum Druck der
Schriften.
Zur Deckung dieſer Koſten iſt ein Abſatz von
Exemplaren erforderlich, wie beygefuͤgte Anlage (Siehe
erſte Anmerkung) durch Beyſpiele zeigt. Solcher Abſatz
eines wiſſenſchaftlichen Buchs oder eines Werks von
einigen Umfang wird weder in einer deutſchen Haupt¬
ſtadt, noch in einer einzelnen Provinz bewirkt; nicht
Nord-, Suͤd-, Oſt- oder Weſt-, ſondern nur Ganz-
Deutſchland macht ihn moͤglich.
Die Koſten zum Druck der Werke traͤgt in
Deutſchland
keine Regierung,
kein Goͤnner,
keine Academie, kein Inſtitut.
Die Moͤglichkeit, daß Werke des Geiſtes erſcheinen,
bewirkt allein der deutſche Buchhandel, der, von einem
Punkte, dem Stapel-Ort Leipzig, ausgehend, nach den
verſteckteſten Winkeln hin reicht und von da aus, auf
jenen einen Punct ruͤckwirkend, das Geſammt-Publi¬
kum zu Erlangung literariſcher Zwecke in Anſpruch
nimmt.
Die zweyte Bedingung:
Entſchaͤdigung der Autoren fuͤr Be¬
kanntmachung und Herausgabe
ihrer Schriften.
An der Gerechtigkeit und Billigkeit einer Ent¬
ſchaͤdigung der Autoren iſt wohl ſelten gezweifelt wor¬
den und es laͤßt ſich geſchichtlich und an Beyſpielen
anderer Laͤnder erweiſen, daß es ohne dieſelbe um die
geiſtige Wuͤrde und Freyheit der Autoren gethan waͤre.
Ehre und Unſterblichkeit iſt Lohn fuͤr Geiſt,
Talent und Anſtrengung der daraus entſpringenden
Kraͤfte; aber die gelieferten Entdeckungen und Er¬
findungen, die gegebenen Aufklaͤrungen, Darſtellungen,
Erbauungen, Erhebungen, Erheiterungen ſind die Zeit¬
genoſſen zu vergelten ſchuldig, denn der Autor opfert
die Zeit, welche er zu ſeinem und ſeiner Familie
Nutzen in Staats-Dienſten, auf Handelswegen, oder
zur Handarbeit hatte verwenden koͤnnen, der Foͤrde¬
rung von Wiſſenſchaften und Kuͤnſten.
Dieſe Verpflichtung des Publikums uͤbernimmt
der deutſche Buchhandel durch Zahlung des ſogenann¬
ten Honorars, obwohl grade durch daſſelbe das eigent¬
liche Riſico entſpringt, wie die Anlage (Siehe erſte
Anmerkung) zeigt.
Die dritte Bedingung:
Ueber alle Laͤnder, wo das Deutſche Mut¬
terſprache iſt, die Druckſchriften ſo zu
verbreiten, daß allenthalben moͤglichſt
gleichartig lebhafter Antheil an Spra¬
che, Wiſſenſchaft und Literatur erregt
und erhalten werde
kann allein der Buchhandel, ſo wie er in Deutſchland
ſich geſtellt und eingerichtet hat, erfuͤllen.
Da die Koſten des Druckes und die Honorare
der Autoren fuͤr bedeutende Werke aus keiner beſon¬
dern deutſchen Provinz oder keinem einzelnen deutſchen
Staat gezogen werden koͤnnen; da Wien, Berlin, Ham¬
burg ꝛc. allenfalls nur entſchaͤdigen fuͤr Tages- und
Wochen-Pamphlets, die meiſt weder der Obrigkeit
noch den Unterthanen nutz und heilſam ſind, ſo lehrt
die Noth dem deutſchen Buchhandel von ſelbſt, keinen
Ort und keinen Stand, beym Vertrieb der Schriften
unbeachtet zu laſſen.
Dadurch iſt entſtanden, daß wir eine allge¬
meine deutſche Literatur haben, waͤhrend Frankreich
und auch England nur noch eine Pariſer und Londner
haben. So geſchieht, daß waͤhrend in jenen Laͤndern
außer den Hauptſtaͤdten kein großer Schriftſteller mehr
gedeiht, in Deutſchland in Hunderten von Staͤdten
und Oertern die herrlichſten Geiſtesbluͤthen und tief¬
ſten Erforſchungen entſpringen; daß, waͤhrend man
in London nur ſchwer Buͤcher aus Oxford, Cam¬
bridge und Edinburg findet, vergebens in Paris nach
Buͤchern aus Bourdeaux, Lyon und Montpellier
fragt und ſucht, in Deutſchland an vielen Orten und
nicht allein in Haupt- und Reſidenzſtaͤdten Buchhand¬
lungen getroffen werden, in welchen und durch welche
man ſich die Literatur der ganzen gebildeten Welt
zu eigen machen kann.
§. 6.
Hieraus entſpringen folgerecht nachſtehende An¬
ſpruͤche an den deutſchen Buchhandel;
anſtaͤndige Geſtalt und correcter Druck der er¬
ſcheinenden Schriften und Werke;
gerechte und ehrenhafte Behandlung und Ent¬
ſchaͤdigung der Autoren zur Bewahrung ihrer
geiſtigen Wuͤrde und Freyheit;
Aufbietung der Kraͤfte ſowohl einzelner als ver¬
einigter Buchhaͤndler, damit kein wiſſenſchaft¬
liches Unternehmen, welchen Umfang es auch
habe, aus Mangel an Unterſtuͤtzung unausge¬
gefuͤhrt bleibe;
billige Preiſe der Verlagswerke und gleichmaͤßige
Haltung der Fabrik- (Verlags-) Preiſe von
Seiten der Verkaͤufer (Sortimentshaͤndler)
durch alle deutſche Laͤnder, nur mit maͤßiger,
von dem Verleger zu beſtimmender, Erhoͤhung
fuͤr die Gegenden, wo zu weite Entfernung
oder der Muͤnzfuß es erfordern.
§. 7.
Der eigentlichſte Beruf des deutſchen Buchhan¬
dels aber iſt:
Einheit der deutſchen Literatur
zu erhalten und zu befoͤrdern, und Alles zu beſeitigen,
was dieſe ſtoͤren und gefaͤhrden koͤnnte.
Geeignet zu ſolchem Beruf iſt unſer Buchhandel
dadurch, daß er
einen Stapel-Ort hat, wo eine jaͤhrliche
Zuſammenkunft aller Buchhaͤndler gehalten
wird;
daß ein halbjaͤhriges, allgemeines Verzeichniß
der neu erſcheinenden Buͤcher herauskommt;
daß allgemeine, gute und richtige Buͤcher¬
cataloge, nebſt andern literariſchen Huͤlfs¬
mitteln, ſo wie endlich mehrere
allgemeine, die ganze Literatur umfaſſende
critiſche Inſtitute vorhanden ſind.
§. 8.
Dieſe in ihrer Art einzigen Vorzuͤge und Eigen¬
thuͤmlichkeiten des deutſchen Buchhandels ſind von
ſelbſt, wie durch einen nationellen Naturſinn, entſtan¬
den. Sie weiter auszubilden und die ſtattfindenden ein¬
geriſſenen Mißbraͤuche, wodurch die Literatur gehemmt
und das Publikum benachtheiligt werden moͤchte, zu
heben und zu beſeitigen, dies waͤre die jetzt zu loſende
Aufgabe, wovon im dritten Abſchnitt weiter die Rede
ſeyn ſoll.
§. 9.
Wollen die Deutſchen an ihren Buchhandel ſolche
Anſpruͤche machen, ſo muß derſelbe als ein National-
Gut und -Inſtitut geachtet und ſo weit der deutſche
Bund ſich erſtreckt, gehegt, geſchirmt und beſchuͤtzt
werden.
§. 10.
Der Buchhandel an ſich bedarf, ſo wie jeder
Handel, keiner weiteren Beguͤnſtigung, als Frey¬
heit, wohl aber zur Aufrechthaltung derſelben und
Auseinanderſetzung der dabey in Beruͤhrung kommen¬
den Intreſſen:
eines poſitiven Geſetzes uͤber das Eigenthumsrecht
der Autoren und Verleger, mit feſter Beſtim¬
mung des Umfangs und der Dauer dieſer
Rechte an den Schriften,
ſo wie:
einer Behoͤrde, durch welche dieſe Rechte geltend
zu machen und aufrecht zu erhalten ſind.
§. 11.
Welchen Inhalt die Weisheit der Geſetzgeber
dieſem Geſetze auch geben mag, ſo muß doch durch¬
aus darin beſtimmt werden,
daß auf eine gewiſſe Zeit der Autor und
Verleger ein ausſchließendes Eigenthumsrecht
habe,
wodurch von ſelbſt aller weitere Streit uͤber den Nach¬
druck wegfaͤllt, da nach Ablauf der durchs Geſetz be¬
ſtimmten Zeit die Schrift zum Nationalgut wird und
jede neue Auflage dann ein Ab- oder Wiederdruck
iſt, aber kein Nachdruck.
§. 12.
Wenn poſitive Geſetze vorhanden ſind, moͤchte es
wohl uͤberfluͤſſig ſeyn, noch weiter zu eroͤrtern, ob der
Nachdruck an ſich unrechtlich ſey. Das Unmoraliſche
deſſelben iſt kaum beſtritten worden und die Verthei¬
digungen deſſelben beſchraͤnken ſich, mit Ausnahme
einiger metaphyſiſcher Verſuche an naturrechtlichen
Verhaͤltniſſen, faſt allein darauf, daß ſie den Nach¬
druck als vortheilhaft fuͤr die Ausbreitung der Litera¬
tur ſchildern und ihn aufſtellen als eine Straf- und
Zucht-Anſtalt gegen eigennuͤtzige Autoren und betruͤ¬
geriſche Buchhaͤndler. Unter den neuern Vertheidigern
iſt wenigſtens keiner, der den Nachdruck in einem
geſchloſſenen Staat als ordnungs-, recht- und geſetz¬
maͤßig angaͤbe und es ſtatthaft faͤnde, daß ein Unter¬
than oder Buͤrger ein und deſſelben Staates dem an¬
derem nachdrucke. Nur in ſo fern an dem Eigenthum
eines Auslaͤnders oder Fremden (Barbaren) der Nach¬
druck veruͤbt wird, findet er Vertheidiger und doch iſt
keinem derſelben zuzutrauen, daß er einen Fall, wie
das Luſt-Exempel (Siehe zweyte Anmerkung) auffuͤhrt,
in Schutz nehmen ſollte.
§. 13.
Es iſt wohl geſchichtlich anzunehmen, daß bis
jetzt noch in keinem geſchloſſenen Staat, deſſen Geſetz¬
gebung zu einiger Ausbildung gekommen war, der
Nachdruck geſtattet wurde. Es geſchieht weder in Eng¬
land, noch in Frankreich, noch in Holland, noch in den
vereinigten amerikaniſchen Staaten, noch in den in
eine Monarchie verbundenen oͤſterreichiſchen Laͤndern.
Auch in Deutſchland war er nicht geſtattet, ſo lange
wir Kaiſer und Reich hatten und wurde erſt ein
Gewerbe, nachdem ſchon laͤngere Zeit Haupt und
Glieder einander fremd geworden waren.
§. 14.
Sobald die Glieder des Reichs ſich wieder ge¬
ſammelt hatten, wurde ſogleich in dem zu Wien ge¬
ſchloſſenen Bunde verheißen, daß das Eigen¬
thumsrecht der Autoren und Verleger innerhalb des
Bundes geſchuͤtzt werden ſolle und nachdem die hohen
Bevollmaͤchtigten dieſen Gegenſtand einmal ihrer Auf¬
merkſamkeit gewuͤrdigt, mußte es ihnen auch klar wer¬
den, daß, wenn uͤberhaupt eine deutſche Literatur beſte¬
hen ſollte, die Einheit derſelben innerhalb des Bundes
geſchuͤtzt werden muͤßte, und daß ohne dieſen Schutz,
welcher verhindert, daß die Schriften der Autoren fuͤr
vogelfrey erklaͤrt werden, ein Zuſtand der Anarchie ein¬
treten muͤßte, der Wiſſenſchaften und Kuͤnſte verdirbt
und zur Anarchie fuͤhrt. (Siehe dritte Anmerk.)
§. 15.
Nachdem durch die Bundes-Acte zu Wien fuͤr
die deutſche Literatur ſich ſo Gluͤckliches ereignet hat,
deſſen Ausfuͤhrung auf den Bundestag zu Frankfurt
verwieſen iſt, waͤre nur noch zu erwaͤgen, was auf
dieſe Ausfuͤhrung Bezug hat.
§. 16.
Der Nachdruck als oͤffentliches Gewerbe
wurde bis jetzt innerhalb des deutſchen Staaten-Bun¬
des ausgeuͤbt in Oeſterreich, Baiern, Baden, Darm¬
ſtadt, Wuͤrtemberg und den Laͤndern, welche die jetzige
preußiſche Rhein-Mark ausmachen.
In der letztern muß er, zufolge des preußiſchen
Landrechts, kuͤnftig aufhoͤren; in Baden und Darm¬
ſtadt wird er fortdauernd betrieben; in Wuͤrtemberg
wurde der Nachdruck, laut Decret vom 15ten Fe¬
bruar 1815, geſetzlich erlaubt, indem man in letzte¬
rem alle nicht innerhalb der Wuͤrtembergiſchen Graͤn¬
zen erſchienene Buͤcher fuͤr auslaͤndiſche erklaͤrte.
§. 17.
Die Verhaͤltniſſe des Nachdrucker-Gewerbes in
Oeſterreich ſind hauptſaͤchlich in Erwaͤgung zu ziehen.
Da in der Bundes-Acte zu Wien ſo Guͤnſtiges
fuͤr deutſche Literatur erfolgte, welches ſicheres Zeug¬
niß giebt, wie Oeſterreichs Kaiſer, das Vorbild deut¬
ſcher Biederkeit und Wohlgeſinntheit, kein Opfer zu
groß achtet, wenn Ehre und Nutzen der deutſchen
Nation es erfordert, ſo darf man nur verſchaͤmt der
Hinderniſſe erwaͤhnen, die dort der Unterdruͤckung des
Nachdruckes ſich entgegen ſetzen moͤchten, beſonders
auch, wenn man weiß, wie die Miniſter und Staats¬
maͤnner dieſer Monarchie erlauchte und hohe Goͤnner
deutſcher Art und Kunſt ſind. So weit ein Nicht-
Oeſterreicher daruͤber Thatſachen auffuͤhren darf, moͤchte
es Folgendes ſeyn.
Als in der Mitte des vorigen Jahrhunderts im
noͤrdlichen proteſtantiſchen Deutſchland geiſtreiche Buͤcher,
mit Geſchmack geſchrieben, erſchienen, war in Oeſter¬
reich die Ausbildung deutſcher Sprache noch zu ſehr
vernachlaͤßigt, als daß man in Bearbeitung der ſchoͤ¬
nen Literatur haͤtte wetteifern koͤnnen, wohl aber er¬
wachte im alten Kaiſerſtaat Sehnſucht und Liebe zu
dieſen vaterlaͤndiſchen Fruͤchten. Da man dafuͤr nichts
im Tauſch zu geben hatte, ſo mußten dieſe Werke
mit ſchwerem Gelde theuer erkauft werden und um
dem begierigen Publikum dieſe ausbildenden Genuͤſſe
nicht entbehren zu laſſen, geſtattete man den Nach¬
druck der, wie man's nannte, auslaͤndiſchen Buͤcher.
Es entſtand hierdurch Abtrennung vom deutſchen
allgemeinen Buchhandel, da Nachdrucker mit ihren
Waaren die jaͤhrlichen Zuſammenkuͤnfte der Buchhaͤnd¬
ler nicht beſuchen duͤrfen; doch war dieſe Trennung
nicht durchgaͤngig, da die Wiener Verleger großer
und wiſſenſchaftlicher Werke, z. B. von Jacquin,
Born, Sonnenfels, Plenk, Quarin, van Swieten,
Vega ꝛc. bey Aufwendung der dazu noͤthigen Koſten
das Nicht-Oeſterreichiſche Deutſchland nicht entbehren
konnten, alſo gar nicht, oder nur ſehr heimlich, ſich
mit Nachdrucken abgeben durften.
Seit einem Jahrzehend, alſo eben in den Zeiten
hoͤchſter Bedraͤngniß, haben dieſe Verhaͤltniße ſich gaͤnz¬
lich geaͤndert, und wenn die Balanz der Ein- und
Ausfuhr literariſcher Producte nicht ſchon jetzt ganz
zu Gunſten Oeſterreichs iſt, ſo wird ſie es doch ge¬
wiß in wenig Jahren ſeyn.
Die hohen Erzherzoͤge ſind Befoͤrderer vaterlaͤn¬
diſcher Literatur; unter Ihrer Hoͤchſteignen Leitung
werden prachtvolle naturhiſtoriſche und militairiſche
Werke ausgearbeitet und herausgegeben und Maͤnner
vom hoͤchſten Rang treten als Schriftſteller auf. In
den wiſſenſchaftlichen Faͤchern hat das mediciniſche bey¬
nahe den Vorrang; in der hiſtoriſchen und ſchoͤnen
Literatur glaͤnzen die Namen: Hormayer, Kurz,
Riedel, Alxinger, Bruͤder Collin, Hammer, Pichler ꝛc.
Oeſterreich hat ſich deutſche Gelehrte und Schrift¬
ſteller erſten Ranges wie Genz, Fr. Schlegel, Adam
Muͤller, Werner angeeignet und in Wien erſcheint
eine allgemeine deutſche Literatur-Zeitung, die
wenigſtens keiner andern nachſtehet. Alle Kuͤnſte,
die der Literatur dienen, als Kupferſtechery, Landchar¬
ten-Fabrikation, Muſikſtich, ſtreiten mit denen anderer
Laͤnder um den Vorrang.
Zu welchem Reſultate wird dieſe ſo raſche Aus¬
bildung in kurzem fuͤhren? — Gewiß zu wahrer Ein¬
heit der geſammten deutſchen Literatur!
§. 18.
Auch bey der deutſchen Literatur und dem Buch¬
handel hat ſich die Erfahrung beſtaͤtigt, daß Abtren¬
nen und eignen Vortheil ſuchen kein Heil, jede Ver¬
einigung dagegen Segen bringt.
2
Die Schweitz bedurfte ſeit dem Erbluͤhen der
neuern deutſchen Literatur viel Buͤcher aus Deutſch¬
land, man druckte aber in dieſem, als Staat, Deutſch¬
land fremden Lande nicht nach; ſondern brachte dafuͤr
Bodmers, Hallers, Gesners, Hirzels, Iſelins, Sul¬
zers, Lavaters, I. G. Muͤllers ꝛc. Werke auf dem
Leipziger Markt.
Man druckte nicht im Elſaß nach; aber von
Straßburg kamen, auſſer andern, vortreffliche philolo¬
giſche Werke, wie die von Brunk. Man druckte
nicht in Liev- und Curland nach; aber in Riga waren
bey dem ganz deutſchen Buchhaͤndler Hartknoch Kants,
Herders, Klingers ꝛc. Werke verlegt.
§. 19.
Wenn Oeſterreich, in commercieller und finan¬
zieller Hinſicht am meiſten in dieſe Angelegenheit ver¬
wickelt,
fuͤr Einheit deutſcher Literatur
ſich erklaͤrt, woran man ſeit Erſcheinen der Bundes-
Acte kaum zweifeln darf, ſo wird alles Andere leicht
beſeitigt werden koͤnnen, und ſo darf man mit getro¬
ſter Hoffnung zu dem Geſetzes-Entwurf ſelbſt uͤber¬
gehen.
Erſte Anmerkung.
Ueber die Beſchuldigung von unrechtmaͤ¬
ßigen und unbilligen Gewinn der
Autoren und Verleger.
Auf Erfahrung begruͤndete Beyſpiele mit erfor¬
derlichen Belegen fuͤhren jeder Zeit am ſicherſten zu
Verſtaͤndniß.
Die Vertheidiger des Nachdrucks, welche haupt¬
ſaͤchlich den großen Gewinn der Verleger in Anſpruch
nehmen, fuͤhren zwar auch Beyſpiele an, aber immer
nur ein oder das andere, aus dem Zuſammenhange
geriſſene Verlags-Unternehmen, ohne zu bedenken,
oder bedenken zu wollen, wie viel Mißgriffe und fehl¬
geſchlagene Unternehmungen eine Verlagshandlung
machen muß, ehe ſie nun wirklich zu einem Werke
gelangt, welches ſolchen Gewinn liefert, daß dadurch
die fruͤhern Verluſte gedeckt werden.
Wer die deutſche Literatur kennt, wird ſich er¬
innern:
Wie viele Abhandlungen, Diſſertationen und Ver¬
ſuche gemacht werden, bevor eine Entdeckung, Er¬
findung, oder ein Meiſter- und Kunſt-Werk her¬
vortritt und daß dieſe nicht entſtehen wuͤrden, wenn
jene Bemuͤhungen nicht vorhergegangen waͤren.
Wie lange und viel oft ein ſpaͤterhin viel geleſener
Schriftſteller, z. B. Kant, Jean Paul ꝛc. ſchrieb,
ehe ſich derſelbe, vielleicht blos durch Zufall, die
Gunſt deß Publicums erwarb und die bis dahin
auf Koſten des Buchhandels durchlebten Lehrjahre
uͤberſtanden hatte.
Wie viele Buͤcher und Abhandlungen gedruckt wer¬
den, deren Koſtendeckung den Abſatz von zwey
bis vierhundert Exemplaren erfordert, die aber
nur 50 bis 100 Perſonen intereſſiren, grade dieſen
aber vom hoͤchſten Nutzen ſind und ſie veranlaßen
und begeiſtern neues Leben und Streben in den
Wiſſenſchaften zu verbreiten.
Und wenn nun auch ein Buch erworben iſt,
welches beym Publikum durchdringt, wie lange bleibt
es, bey dem lebendigen Aufſtreben deutſcher Literatur,
in dem Werth, daß es reichlichen Gewinn abwerfen
kann. Iſt's ein Kunſtwerk, wie aͤndert ſich nicht
der Geſchmack durch weitere Ausbildung der Sprache?
Iſt's ein wiſſenſchaftliches Buch, ein Hand-, Lehr- oder
Schulbuch, in wie kurzer Zeit wird es nicht durch ein
beſſeres uͤberboten? Wo ſind jetzt die Buͤcher, die
gleich denen von Cellarius, Huͤbner, Hederich, oder von
Wolf, Baumgarten, Heymann, ehemals ein Jahrhun¬
dert hindurch gebraucht wurden?
Um ſo viel moͤglich Maͤnnern, die das Innere
der Buchhaͤndler-Geſchaͤfte nicht kennen, verſtaͤndlich
zu werden, ſey angenommen, daß folgende Werke
ſaͤmmtlich auf Koſten einer Buchhandlung gedruckt
waͤren:
Anmerkung fuͤr Buchhaͤndler.
Wenn die Verlags-Handlungen der hier aufgefuͤhrten Werke
die angegebenen Verhaͤltniſſe hier oder da nicht richtig finden
ſollten, ſo werden ſie doch, wenn ſie aͤhnliche Tabellen mit
Werken ihres Verlags aufſtellen, dieſelben Reſultate finden.
Obwohl hier alles willkuͤhrlich angenommen iſt,
ſo werden die Druckkoſten doch wenig von der Wirk¬
lichkeit abweichen; das Honorar mag bey einigen nur
2 Ld'ors geweſen ſeyn, bey anderen war es 4, 5, auch
6 Ld'ors, und bey keinem dieſer Werke wird man ſagen,
daß es unverdient oder die angegebene Auflage
zu ſtark gemacht ſey.
Die Buchhandlung, die dieſe Unternehmungen
ſaͤmmtlich gemacht haͤtte, wuͤrde man ehren wegen die¬
ſes vortrefflichen wiſſenſchaftlichen Verlags, man wuͤrde
ſie gluͤcklich preiſen wegen des daraus entſpringenden
Gewinne und dadurch erworbenen Eigenthums.
Dennoch wuͤrden — angenommen dieſe Werke
waͤren ſaͤmmtlich in einem Jahre gedruckt — (auch
ohne Nachdruck) 5 bis 10 Jahr erforderlich ſeyn, bevor
die Kapitalien herausgezogen waͤren und Gewinn ſich
ergeben konnte.
Es ſind bey dieſen Beyſpielen nur ſolche Werke
gewaͤhlt, an welchen die ganze gebildete Welt Theil
nimmt und abſichtlich Schul- und Lehr-Buͤcher und
Local-Piecen weggelaſſen.
Vorſaͤtzlich ſind keine Unternehmungen aufgenom¬
men, die auf fuͤnfzig und hundert Jahre, ja fuͤr im¬
mer berechnet ſind. Handlungen, die in dieſer Art un¬
ternehmen, muͤſſen wiſſen, warum ſie lieber Kapita¬
lien, um ſicherer Intereſſen willen, auf lange Zeit feſt¬
legen, als kaufmaͤnniſch umwenden.
Abſichtlich ſind unter den angefuͤhrten Werken
ſolche Schriften ausgelaſſen, die uͤber einen, an der
Tages-Ordnung ſtehenden Gegenſtand, grade den rech¬
ten Zeitpunkt treffend, einen ungewoͤhnlich großen Ge¬
winn geben. Dieſer Gewinn geht faſt ohne Aus¬
nahme (wenigſtens im Ganzen des Buchhandels) da¬
durch verloren, daß uͤber dieſen Gegenſtand fortgeſchrie¬
ben und gedruckt wird, wenn er laͤngſt abgeſtorben
iſt, ja, oft dann erſt die gruͤndlichſten Schriften
erſcheinen, wenn Niemand mehr daran denkt, z. B. uͤber
Illuminaten, Luftballons, Runkelruͤben, geheime poli¬
tiſche Verbindungen, Hamburgs Schickſale ꝛc.
Man darf ſicher annehmen, daß in den letzten
30 Jahren von 1785 bis 1815 (ein laͤngerer Zeit¬
raum, als dem Menſchen in der Regel an Geſchaͤfts¬
leben zugetheilt iſt) in dem deutſchen Buchhandel
keine Kapitalien gewonnen, ſondern vielmehr große
verloren gegangen ſind. Wer es weiß, welches bedeu¬
tende Grundvermoͤgen an beſtehenden Verlagswerken
im Jahr 1785 ſich vorfand, das jaͤhrlich Aus¬
beute gab; wer unterſuchen will, welche Kapita¬
lien durch neue Etabliſſements dem Buchhandel zu¬
floſſen, wird ſchwerlich dieſe Anfuͤhrung beſtreiten
moͤgen.
Die Beſchuldigung, daß Autoren und Buch¬
haͤndler auf Koſten des Publicums unverhaͤltnißmaͤßig
hohen und unbilligen Gewinn machten, laͤßt ſich noch
von andern Seiten aus Erfahrung und durch Bey¬
ſpiele widerlegen.
Wo ſind die Autoren, die ſeit funfzig Jahren
durch ihre Schriften Vermoͤgen erwarben?
Wahr iſt's, es haben in dieſem Zeitraum Auto¬
ren durch Honorare anſtaͤndig gelebt, die ohne daſſelbe
Hunger gelitten oder nicht geſchrieben haͤtten; mehr
aber iſt nicht zu erweiſen. Blicken wir unter Ver¬
ſtorbenen auf ſolche, die ſich nicht allein der Achtung
der Nation, ſondern auch einer beſondern Gunſt des
Publikums viele Jahre hindurch zu erfreuen hatten,
auf die Klopſtock, Wieland, Herder, Claudius, Schil¬
ler — ſtarben ſie reich? Und doch lebte keiner von ihnen
allein von der Schriftſtellerei.
Ueber die Verhaͤltniſſe Lebender hier oͤffentlich
zu ſprechen, waͤre unſchicklich; eine Anfuͤhrung indeſſen
ſey hier erlaubt.
Kaum ein Schriftſteller moͤchte von ſeinen Schrif¬
ten als Autor und Selbſtverleger ſo viel Gewinn ge¬
zogen haben, als Hr. Rath Campe zu Braunſchweig.
Hat er aber nicht, als deutſcher Gelehrter, dies Er¬
worbene bey Herausgabe ſeines deutſchen Woͤrterbuchs
groͤßtentheils wieder aufgeopfert? Und wenn Kritiker
daſſelbe noch nicht als ein Vollendetes anſehen, wird
das Opfer nicht um ſo groͤßer, da es einem Verſuch
gebracht wurde, wodurch das Ideal nicht erreicht, nur
naͤher geruͤckt iſt? Und warum drucken diejenigen,
die zum allgemeinen Beſten Campe's Kinderſchriften
ſo oft nachdruckten, nicht auch deſſen Woͤrterbuch nach,
da fuͤr wohlfeilen Preis gewiß mancher Gelehrte in
Wuͤrtemberg, Baden, Darmſtadt und Oeſterreich, zur
Foͤrderung der Wiſſenſchaften, ſich's ankaufen wuͤrde?
Ferner mag das Publikum nicht vergeſſen, daß
Gelehrte, die jetzt in den bedeutendſten, einflußreichſten
Staats-Aemtern ſtehen, ſich Jahrzehende durch, bis
zu hoͤherer Reife, durch Erwerb von ihren Schriften
auf freyem, meiſt unabhaͤngigen, jugendlichen Stand¬
punkt erhielten.
Gehen wir uͤber zu den Verlegern! Man
frage, wie viele Buchhandlungen, die vor 30 Jah¬
ren reich waren, es noch ſind; man erwaͤge die Zahl
derer, die ſeit jener Zeit verarmten; man ſuche die
Buchhandlungen auf, die in den letzten 30 Jahren
reich, oder nur wohlhabend wurden; man laſſe ſich
erzaͤhlen, wie viele Jahre redliche Buchhaͤndler in
Angſt, Kummer und Sorge hinbrachten, um nur
ehrlich beſtehen zu koͤnnen! — — — Die Billig¬
keit wird dann auch die haͤrteſten Vertheidiger des
Nachdrucks zum Schweigen bringen.
Fuͤr dieſe Anfuͤhrungen wird Niemand Beweiſe
verlangen, weil ſie zu ſehr in den Vermoͤgensſtand
noch exiſtirender Handlungen eingreifen. Da aber beym
deutſchen Buchhandel Rechtlichkeit, Thaͤtigkeit und
guter Wille mehr gelten als Reichthum, wie ich im
Lauf meines Schickſals dankbar erkennend ſelbſt erfah¬
ren habe, ſo darf auch hier geſagt werden, was
unwiderleglich wahr iſt, und guten Eindruck machen
kann.
Sollte dem Verleger von Wielands, Klopſtocks
und Schillers Schriften und ſo vielen gangbaren
Prachtwerken, ſollte Goͤſchen — dem geſegneten Fami¬
lienvater — nach vierzigjaͤhriger angeſtrengter, ver¬
ſtaͤndiger Thaͤtigkeit die Wohlhabenheit, die er haben
mag, nicht zu goͤnnen ſeyn? Sollte man ſie einem
Mann, wie Hartknoch beneiden, der, eine große Hand¬
lung vom Vater erbend, Verleger von Herders, Kants,
und Klingers Schriften war? Man ſehe zu, ob die
Wohlhabenheit dieſer Maͤnner eine andere iſt, als die,
wozu jeder Menſch, der ein halbes Jahrhundert redlich
arbeitete, berechtigt iſt?
Betrachten wir die alten Handlungen, die in
Leipzig laͤnger als ein Jahrhundert exiſtirten; die un¬
tergegangenen nicht erwaͤhnend. Voriges Jahr ſtarb
Fritſch, ein unverheyratheter Mann von hoͤchſt ein¬
fachen Sitten. Er ererbte vom Vater einen ſoli¬
den Verlag, war Mitverleger von Gellerts Schriften;
die Zeune-, Schneider-, Heyniſchen Ausgaben claſſiſcher
Autoren, die Schellerſchen Woͤrterbuͤcher waren ſein
Eigenthum — und welchen Reichthum hinterließ die¬
ſer wackere Mann?
Man erforſche, wie vermoͤgend die Familien, de¬
nen die Weidmannſche Handlung gehoͤrt, ſeit einem
Jahrhundert waren, wie groß die Kapitalien ſind, die
in dieſe Handlung verwendet wurden und welche Aus¬
beute ſie ſeit 30 Jahren gab? Wenn dabey beachtet
wird, daß hier der groͤßte Verlag von claſſiſchen Au¬
toren, von Gellerts, Wielands, Schroͤckhs Schriften
ſich befindet, ſo wird auch hier das Publikum ſich
nicht zu beſchweren haben.
Man durchblaͤttere den Verlags-Catalog von
Cruſius und man wird erſtaunen, welche Maſſe gelehr¬
ter und gemeinnuͤtziger Werke bey ihm erſchienen ſind,
und zu welchen niedrigen Preiſen. Dieſer Verleger,
der nun ſeine hoͤhern Jahre in Ruhe verlebt, brachte ein
Vermoͤgen von mehreren hundert tauſend Thalern zum
Buchhandel; er druckte was ihm, einem ſehr unterrich¬
teten Manne, fuͤr die Wiſſenſchaften und Kuͤnſte foͤr¬
derlich ſchien, ohne Ruͤckſicht auf Gewinn. Einem
ſolchen Mann ſind wohl einige Verlagsartikel, wie
Weiſſens Kinderfreund und Schillers Gedichte, deren
Verfaſſer und ihre Erben gewiß mit ihrem Verleger
jederzeit zufrieden geweſen ſind, zu goͤnnen?
Man frage, von welchen Zeiten das Vermoͤgen
der großen Frankfurter Buchhandlungen Broͤnner und
Varrentrapp u. Wenner herruͤhrt!
Man erkundige ſich, welche alte und reiche Buch¬
handlungen noch in Berlin beſtehen! Oder ſoll ein
Mann wie Nicolai, der eine ſchon ererbte Handlung
nach 50jaͤhriger gluͤcklicher Thaͤtigkeit hinterlaͤßt, dieſe
noch etwa unſicher hinterlaſſen? Man frage nach
den alten großen Hamburger Buchhandlungen, wo
ſind ſie?
Man befrage Herrn Bertuch in Weimar, welche
Reſultate dieſer vor allen andern thaͤtige Mann in
einer langen Reihe von Jahren gefunden hat! Man
frage Herrn Frommann, den Beſitzer eines treff¬
lichen Schul-Verlags, ob es ihm leicht geworden iſt,
bis hierher zu kommen. Man frage Herrn Kummer,
der nun Greis iſt, ob er nach 50jaͤhriger unermuͤde¬
ter Thaͤtigkeit ruhen darf, — er, der gluͤckliche Ver¬
leger des vielgeleſenen Kotzebue!
Man frage weiter das ganze liebe Deutſchland
durch! Viel arbeitſame, ſich abmuͤhende Buchhaͤnd¬
ler wird man finden, aber reiche trifft man nir¬
gends.
Oder ſoll hier, ſtatt aller Beyſpiele die Cottaſche
Buchhandlung gelten? Kennt man auch die Kapita¬
lien, die ſeit 20 Jahren in dieſer Handlung umgewendet
wurden und bedenkt man in welchen Zeitlaͤuften es ge¬
ſchah? Nehmen wir an, daß dieſe Handlung in
den letzten 20 Jahren nicht exiſtirt haͤtte, welche Un¬
ternehmungen wuͤrde unſere Literatur dann entbehrt
haben, wie viele gelehrte und Kunſt-Betriebe wuͤrden
unterblieben ſeyn? Doch, der Beſitzer dieſer Hand¬
lung bedarf der Vertheidigung Anderer nicht, er mag
ſich ſelbſt vertreten gegen Vorwuͤrfe!
Ueberhaupt bin ich ſehr entfernt, Vertheidiger
oder Lobredner der Buchhaͤndler zu ſeyn. Ich kenne
die obwaltenden Uebel recht gut; aber des deutſchen
Buchhandels, wie er ſeit 30 Jahren gefuͤhrt wurde
und noch gefuͤhrt wird, kann man ſich vor Gott
und ſeinem Gewiſſen annehmen, man fuͤhrt eine ge¬
rechte Sache.
Zweyte Anmerkung.
Ein unbenanntes und ein benanntes Luſt-
Exempel uͤber den Nachdruck.
Wenn A. (der Autor) etwas fuͤr den Druck nie¬
dergeſchrieben, ſo geht er, um das zu bewirken, wozu
er ſelbſt weder Zeit noch Geld hat, B. (den Buch¬
haͤndler) an. Haͤlt dieſer das Dargebotene fuͤr gut
und glaubt (wiſſen kann er es nicht) daß das Pub¬
likum eben ſo urtheilen werde, ſo giebt er A. Hono¬
rar fuͤr das Manuſcript und bezahlt Druck und Pa¬
pier fuͤr ſo viele Exemplare, als er abſetzen zu koͤnnen
meint. B. irrt ſich, mit oder ohne Schuld, und be¬
haͤlt mehrere hundert Exemplare uͤbrig, wodurch ihm
nicht allein der gehoffte Gewinn, ſondern auch ein
Theil des Kapitals entgeht. Dieſelbe Erfahrung macht
B. mehre Male und vielleicht erſt im ſechſten Fall
gluͤckt ein Unternehmen, wobey durch Abſatz von ein¬
tauſend Exemplaren Gewinn und Erſatz fuͤr den vor¬
her erlittenen Verluſt erworben werden koͤnnte. Da
findet ſich N. (der Nachdrucker) welcher die fehlge¬
ſchlagenen Unternehmungen von B. nicht beachtete,
wohl aber die gegluͤckte ſogleich bemerkt und von dem
Buch eine neue Auflage zu wohlfeilerem Preiſe macht,
welches er um ſo leichter kann, da er den fruͤhern
Verluſt nicht zu decken und A. kein Honorar zu geben
braucht. Durch ſolches Verfahren bleibt bey B. die
Haͤlfte der Auflage liegen und er wird abgeſchreckt
ferner etwas zu unternehmen; A. findet folglich kuͤnf¬
tig keinen Abnehmer ſeiner Arbeit; N. aber, der Lau¬
rer, hat ſeinen ſichern Gewinn. Das Publikum hat
allerdings durch den wohlfeilern Preis bey dieſem ei¬
nen Falle ſcheinbaren Vortheil; iſt aber der ein guter
Haushalter, der ſein Saat-Korn aufzehrt?
Nachfolgendes benannte Exempel, obwohl nur
Hypotheſe, wird ein ſolches Verhaͤltniß klaͤrer machen!
Angenommen, Prof. Ebeling zu Hamburg giebt
von ſeiner durch die Zeitlaͤufte unterbrochenen Erdbe¬
ſchreibung Amerika's einen neuen Band (Virginien)
heraus. Der Autor hat fuͤr Buͤcher, Landcharten, Cor¬
respondenz und Beytraͤge an 800 Thaler Unkoſten,
eigene Arbeit und Zeitverluſt nicht gerechnet. Der
Buchhaͤndler‚ der dies Werk uͤbernimmt‚ muß an
1000 Exemplare abſetzen‚ um die Koſten des Hono¬
rars‚ Drucks und Papiers zu decken; da hierzu nun
keine Wahrſcheinlichkeit iſt‚ ſo macht er einen hohen
Preis‚ um mit 750 Exempl. Erſatz zu haben. Das
Buch wird nach ſeiner Erſcheinung geprieſen und fin¬
det Kaͤufer; ein Hamburger Buchdrucker-Herr‚ z.B.
Herr Neſtler‚ der Nachdrucker von Schillers Gedich¬
ten‚ findet es dem Intereſſe ſeiner Officin gemaͤß‚
dieſen Band der Erdbeſchreibung nachzudrucken und weil
er am Druck verdient‚ keine fruͤhern Verluſte im Buch¬
handel zu decken hat und kein Honorar bezahlt‚ kann
er das Buch um die Haͤlfte wohlfeiler geben‚ als der
rechtmaͤßige Verleger‚ dem dadurch die Haͤlfte ſeiner
Auflage Maculatur wird. Wenn nun kuͤnftig ein neuer
Band dieſes Werkes erſcheinen ſollte‚ wird der vorige
Verleger ihn gewiß nicht drucken und der Nachdrucker‚
welcher wartet, bis er etwas ohne Riſiko und Unko¬
ſten unternehmen kann‚ auch nicht; das Publikum
aber entbehrt dadurch ein ſchaͤtzenswerthes‚ die Wiſſen¬
ſchaften forderndes Werk. Der angenommene Fall
kann zwar nicht eintreten, da innerhalb Hamburgs
Mauern kein Buͤrger den andern ſo benachtheili¬
gen duͤrfte, allein es fragt ſich‚ ob‚ wenn dies von
Altona‚ Haarburg‚ Emden oder Leipzig aus geſchaͤhe‚
fuͤr Deutſchlands Literatur dies Verhaͤltniß anders
und beſſer waͤre?
Nach dem Sinn der Vertheidiger des Nach¬
drucks waͤre letzteres ein durchaus erlaubtes Ver¬
fahren.
Dritte Anmerkung.
Folgen fuͤr die deutſche Literatur, wenn der
geſetzloſe Zuſtand der Autoren und
Buchhaͤndler fortdauert.
Deutſche Schriftſteller ſchreiben fuͤr alle Laͤnder,
ſo weit die deutſche Sprache reicht und der deutſche
Buchhandel verbreitet die Druck-Schriften nach allen
von Deutſchen bewohnten Gegenden.
Je ſicherer der Buchhaͤndler unternimmt, je groͤ¬
ßer er die Auflagen machen kann, deſto wohlfeiler
kann er die Buͤcher geben.
Man fand die von den Verlegern beſtimmten
Preiſe zu hoch; wollte fuͤr Buͤcher kein Geld aus
dem Lande gehen laſſen oder gar fuͤr nachgedruckte
welches hereinziehen; deshalb erlaubte man in Oeſter¬
reich und in dem ſonſt ſogenannten Reiche den Nach¬
druck und vollendete ſo die Trennung des deutſchen
literariſchen Vereins. Fruͤher ſchon hatten die
allgemeinen Buͤcher-Verzeichniſſe, welche anfaͤnglich
in Augsburg, dann in Frankfurt am Mayn heraus¬
kamen, ſo wie die Buchhaͤndler-Zuſammenkuͤnfte ſich
nach Leipzig gezogen.
Jetzt wird nachgedruckt in Oeſterreich, Baden,
Wuͤrtemberg, Darmſtadt und in der preußiſchen Rhein-
Mark; in allen dieſen Staaten bluͤht die deutſche
Geſammt-Literatur und in allen leben ſehr große und
bedeutende Verlags-Eigenthuͤmer, z. B. in Stutt¬
gardt, Cotta; in Heidelberg, Mohr und Winter; in
Darmſtadt, Heyer und Leske. Wenn nun in Wuͤr¬
temberg der Bayerſche Verlag z. B. des Kanzelred¬
ners Reinhard Werke, Sulzbach bey Seidel, nach¬
gedruckt werden, warum nicht in Bayern Cotta's
Verlag, Goethe's, Herder's, J. Muͤller's, Schiller's
Werke? Wenn in Wien Hamburger Verlag z. B.
Buͤſch, Claudius ꝛc. Schriften, warum nicht in Ham¬
burg Fr. Schlegels Vorleſungen, ſo wie die Werke
der Pichler und Collins? Wenn in Carlsruhe der
Berliner Verlag, z. B. A. W. Schlegel's Ueber¬
ſetzung des Shakespeare, warum nicht in Berlin deſſel¬
ben Autors dramatiſche Vorleſungen, Heidelberg bey
Mohr und Winter?
Gegen die Berechtigung der Staaten, wie der
Privatperſonen zu ſolchem gegenſeitigen Verfahren
moͤchte wohl nichts einzuwenden ſeyn, aber wenn man
nur einigermaßen im erfahrungsmaͤßigen Nachdenken
geuͤbt iſt, wird man zugeben, daß bey ſolchem Gegen¬
einanderwirken der Buchhaͤndler, die Kraͤfte in we¬
3
nig Jahren ſich dergeſtalt aufreiben muͤſſen, daß kein
neues Buch verlegt, kein altes wieder gedruckt wer¬
den kann. Der Buchhandel wird aufhoͤren und mit
ihm das Leben der deutſchen Literatur; der Nach¬
druck wird ein gleiches Schickſal haben, und nur
ſpaͤt, nach koſtbaren, bittern Erfahrungen wird man
ein neues, einigeres Leben beginnen.
Vielleicht aber glaubt man, daß die Ausbildung
in den deutſchen Staaten ſo gedeihen werde, daß Au¬
toren wie Spittler, Storr, Plouquet ꝛc. nur fuͤr
Wuͤrtemberg, Thibaut, Martin, Hebel ꝛc. nur fuͤr
Baden zu ſchreiben brauchen, und dieſe ſouverainen
Staaten auch die Koſten ſolcher Schriften und Werke
allein und gaͤnzlich werden tragen koͤnnen? Das waͤre
freylich vortrefflich! Dann haͤtten wir eine Koͤnigl.
Wuͤrtembergiſche, eine Großherzogl. Badenſche u. ſ. w.
Literatur, jede fuͤr ſich feſt und geſchloſſen; allein dies
Ziel ſcheint nicht ſo nahe zu liegen.
Oder man ſieht auch Privilegien, die ja immer
gnaͤdigſt ertheilt werden, als Sicherungsmittel des
Verlags-Eigenthums an? Aber, ſelbſt wenn es zu
erlangen waͤre, daß dieſe Privilegien unentgeldlich ge¬
geben wuͤrden, ſo koͤnnte es doch auf keinen Fall ſpor¬
telfrey geſchehen und dieſe Sporteln allein wuͤrden
mehr betragen, als Honorar und Druck zuſammen,
da der Privilegien nicht etwan nur 17 (ſo viel als
Stimmen auf dem Bundestage ſind) ſondern 36
(ſo viel als es Bundes-Glieder giebt) genommen
werden muͤßten, und fuͤr deutſche Sprache, Literatur
und Wiſſenſchaft Anhalt mit Schwarzburg, Reuß mit
Waldeck, oder Hamburg mit Frankfurt nicht den min¬
deſten Zuſammenhang haben. Waͤre ein Verleger ſo
gluͤcklich und erwuͤrbe ſich 35 Privilegien, haͤtte aber
keines von der 36ſten deutſchen Monarchie oder Repu¬
blik, ſo wuͤrde hier nachgedruckt und jene 35 koͤnnten
nichts helfen.
Doch auch dies iſt nur ein Luſt-Exempel! Der
Trieb der Einigung unter den Deutſchen wurzelt tiefer
und es kann dahin nicht kommen. Unſer moraliſches
Gefuͤhl haͤlt den Grundſatz aufrecht: „Was du nicht
willſt, daß dir die Leute thun ſollen, das thue ihnen
auch nicht!”
Die Darſtellung der Verhaͤltniſſe des deutſchen
Buchhandels ſollte in drey folgenden Abſchnitten
weiter ausgefuͤhrt werden, es ſcheint aber raͤthlicher,
dieß ſo lange zu verſchieben, bis auf dem Bundestag
die Verhandlungen uͤber dieſen Gegenſtand begonnen
haben und daruͤber Gutachten und Berichte gefordert
werden. Vor der Hand mag es hinreichend ſeyn,
kurz anzugeben, was den Inhalt der letzten drey
Abſchnitte bilden ſollte.
Zweyter Abſchnitt.
Das Eigenthums-Recht der Autoren an ihren
Schriften und ihr Recht daſſelbe zu uͤbertra¬
gen in verſchiedenen Laͤndern und bey verſchie¬
denen Voͤlkern.
Dritter Abſchnitt.
Geſetzes-Vorſchlag uͤber das Eigenthums-Recht
der Autoren in der deutſchen Literatur.
Vierter Abſchnitt.
Ausbildung der Organiſation des deutſchen Buch¬
handels, wodurch ohne die Freyheit des Han¬
dels zu beſchraͤnken, Garantie geleiſtet wird
gegen Beeintraͤchtigungen des Publikums und
der Literatur durch eigennuͤtzige Autoren und
betruͤgeriſche Buchhaͤndler.