Verehrter Freund,
Ihnen und den Ihrigen möge das kom̃ende Jahr ein gutes, ein
frohes und gesegnetes werden! Das wünsche ich so recht von Herzens
Grund und ein solcher Herzenswunsch wird wohl auch nicht ohne Erfüllung
bleiben. Fühle ich das doch schon bestätigt durch den Schluß Ihres Briefs,
welcher mich in der That erfrischt und gestärkt hat. „Die Menschen,
die es gut und treu meinen, sollen einander erfrischen und stärken,
so lang es tagt. So wollen wir’s halten.“
Ja, so wollen wir’s hal-
ten! und lassen Sie mich mit meinem Lieblingswort aus un-
serm Goethe fortfahren: „Schenken Sie mir ein kleines Vertrauen und
lassen Sie uns auch in der Ferne verbunden bleiben. Die Welt
ist so leer, weñ man nur Berge, Flüsse und Städte darin denkt; aber
hie und da Jemand zu wissen, der mit uns übereinstim̃t,
mit dem wir auch stillschweigend fortleben, das macht uns
dieses Erdenrund recht zu einem bewohnten Garten.“
Dies Jahr hat in dem Garten für mich freilich schlim̃
gehaust. Von den Mäñern, mit denen ich im Januar in Berlin
zur orthographischen Konferenz zusam̃en war, sind bereits zwei dahin
gegangen, die ich mir trotz entgegenstehender Ansichten in
unserer Berathung doch freundschaftlich geneigt wusste: Bertram
u.und Raumer. Dañ starb mir am 18. März (auch das Datum
ist bedeutsam!) unser Freiligrath, dem, als es noch in der
Verbañung weilte, ich mein Wörterb. gewidmet hatte; dañ
am 25. Sept.September Glaßbreñer, mit dem ich hier der Jahre 48 und 49
durchgemacht, die dem Freunde die Verweisung aus MeklenburgMecklenburg eingetragen und mir ei-
ne amtliche Stellung gekostet. Freilich waren wir seit jener Zeit, ob auch räum-
lich getrennt, doch im̃er treu verbunden geblieben und des Freundes plötzliches
Dahinscheiden hat mich tief erschüttert. Und nun am Schluß des Jahres noch der Tod
unseres Lehfeldt, dessen Freundschaft mir gleichsam als ein Erbvermächtnis von
seinem Vater her überkom̃en war. Wie viel ich diesem seinem Vater verdanke, wie
er als mein Jugendbilde auf mein ganzes Sein bestim̃end eingewirkt, kañ ich
in Kurzem gar nicht sagen; aber das muß ich wenigstens aussprechen, daß es
für mich im̃er etwas unredlich Ruhendes hatte, zu sehen und zu fühlen,
wie unseres trefflichen, wacken Bernhard Freundschaft für reich ihrer
festesten Wurzeln in seiner Liebe für seinen herrlichen Vater hatte.
Sie köñen Sich denken, wie sehr auch mich der Tod des Trefflichen erschüt-
tert hat, zumal ich von seiner Krankheit und seinem Leide ohne Ah-
nung war. So gehen sie dahin, unsere Freunde und Lieben, einer nach
dem anderen und es bleibt uns nur das Eine, daß wir um die Lücke
möglichst weniger fühlbar zu machen, enger zusam̃enrücken
und fest zusam̃enhalten, „einander erfrischend und stärkend, so lange
es tagt.“
So wollen wir’s halten, um mit dem Wort zu schließen,
von dem ich abgegangen.
Sie, wie ich, Jbeide werden wir unsere so jung dahin gegangengegangenen
Freunde im̃er ein freundliches, liebevolles Gedächtnis bewahren.
Wer wird nun die Redaktion des „Magazins“ übernehmen,
das sein Schwiegervater begründet und so lange Jahre hindurch
geführt? Wenn dafür nicht schon Jemand in Aussicht genom̃en ist und
die Angelegenheit sich von hier aus besorgen ließe, so wär das viel-
leicht eine Thätigkeit, für die ich nicht ungeeignet wäre und die
ich im Siñ und Geist der Dahingegangenen übernehmen würde.
Doch ich muß schließen; ich bemerke nur noch, daß ich Ihre Anfrage
an H.Hermann Kindt gleich bestellt habe, ich werde ihn vielleicht bald sprechen
und die Frage mündlich wiederholen.
Und nun zum Schluß noch einmal ein
Prosit Neujahr!
Ihnen und den Ihrigen von Ihrem
treu ergebenen
Dan.Daniel Sanders.
Altstrelitz, d.den 30. Dec.December 76.