Phaëthon.
Zweiter Theil.
What a piece of work is a man! How
noble in reason! how infinite in facultëes!
in form and moving, how express and ad-
mirable! in action, how like a angel l in
apprehension, how like a god! the beauty
of theworld! the paragon of animale! And
yel, what is this quintessence of
dust?
Shakespeare.
1
Phaethon an Theodor.
O Theodor! meine Wonne iſt aus! Verklungen
wie Harfenlaute, iſt meine Seligkeit. Jch bin aus
dem Himmel geſtoſſen, und auf der Erde ſoll ich
mich nun finden?
Ach! jetzt fuͤhl ich, mein Gluͤck war einſt kein
Traum, denn auch mein Ungluͤck iſt keiner.
Mein Leben iſt wie ein reiſſend wilder Strohm,
der unter’m Wirbeldrang des Sturmes brauſend die
Wogen an die Felſenufer ſchlaͤgt, und ſchaͤumend ſie
zu uͤberſpringen drohet.
Jch bin wie das Reh, das, verwundet vom gieri-
gen Jaͤger, durch Wald und Felsgekluͤfte ſich draͤngt,
und immer und immer ſchwaͤcher ſich fuͤhlt, und
athemlos zulezt ſich verblutet.
1 *
Jch bin angegriffen in dem Tief — Jnnerſten.
Das Heiligſte, was ich hatte, das Geliebteſte, iſt
mir entheiligt und geraubt.
Jetzt erſt ſeh’ ich ein, wie graͤnzenlos ich liebe.
O ich Armer! …
War das dein Schmerz, Caton, den auf der
Bruſt du trugeſt? Und nun iſt er weg? So iſt es denn
alſo gewiß, kein Menſch traͤgt ewig einen Schmerz.
Du Guter, Treuer! wenn du mich liebeſt, ſo
weine mit mir. Jch ſchlage krampfhaft meine Haͤnde
auf die Bruſt und wende wie verzweifelt meine Augen
umher. Aber das iſt kein Troſt fuͤr mein verwundet
Gemuͤth! Weine! Weine! mit Thraͤnen will ich aus-
waſchen die blutende Wunde. Jch bin ja ungluͤcklich.
Hoͤre. Schon einige Tage iſt’s, als waͤre zwi-
ſchen mich und Atalanta ein neidiſcher Daͤmon getreten.
Es lag ſchwer auf mir: ich konnte nicht ruhen des
Nachts.
Da wandelt’ ich geſtern Abend durch den Garten,
von meinem Schmerz gequaͤlt. Der Himmel war
umhuͤllt von naͤchtlichen Regenwolken, finſter, wie
meine Seele.
Jch dachte bey mir ſelbſt: welche Verwegenheit
macht dich ſo ungluͤcklich? Ein Abbild der hoͤchſten
Schoͤnheit haſt du erkannt in ihr und du denkſt an
irdiſchen Beſitz?
Da erinnert’ ich mich an alle jene Stunden, wo
ihr Herz ſich mir geoͤffnet, wo ſie mein war, ganz
ſich mir gab, in mich verſchwamm, mich kuͤſſte.
Und dieſes heiſſe Herz in meinem Buſen …
dieſes Verlangen, und doch diß Verſagen ....
dieſe Sehnſucht und doch dieſe Treue ....
o alles, alles webte zuſammen; ein unendlich tiefes
Selbſtvertrauen ſtaͤrkte meine Seele!
Jetzt hoͤrt’ ich ferne den Klang einer Laute, und
leiſe verhallende Stimmen klangen durch die Wellen
der Luͤfte.
Auf die drey Saͤulen gieng ich zu: ſtille ſchob ich
die Roſengebuͤſche von einander und … Atalanta
ſaß auf einem Truͤmmer, die Laute in der Hand,
ihr gegenuͤber Caton, die Arme ſtuͤtzend auf das Knie.
Der Saͤulen eine barg mich ihrem Auge. Es
herrſchte eine fuͤrchterliche Stille. Da liefen ihre
Finger wieder durch die Saiten: ſie ſang:
Wo weilſt du, Vater?
Badet mein weinend Auge
Voll Sehnſucht ſich im Purpurlicht
Der gluͤhenden Abendroͤthe,
So denk’ ich dein: ach! ſchwimmeſt du
Druͤben in den warmen Wellen?
Schau’ ich himmelan,
Wann im naͤchtlichen Aether
Die gold’nen Sterne ſchweben,
Wie im dunkeln Laube
Die ſchwellende Zitrone,
So wein’ ich hinauf und rufe:
Biſt du dort, Vater,
Vater, den noch nie mein Auge ſah?
O ſchau’ auf deine Tochter,
Die um dich weinet,
Schau nieder auf die Liebende!
Naheſt du?
Jſt das leiſe warme Wehen,
Das die Wangen mir kuͤſſet,
Jſt es dein Geiſt,
Jſt es Vaterkuß?
Kommſt du zu loͤſen diß Herz,
Zu ſtillen diß Sehnen,
Das mich draͤngt hinuͤber,
Hinuͤber zu dir?
Und ich verlaße die Blumen,
Meiner Jugend Geſpielen,
Um zu pfluͤcken in Unſchuld
Die Blume der Wahrheit,
Und ſeliger, trunkener Liebe,
Wo ſie bluͤhen um den Quell,
Die aus der Gottheit Fuͤlle quillt,
Wie Milch aus der Bruſt der Mutter?
Oder ſind es Thraͤnen deines Auges,
Die Thautropfen auf den Blaͤttern,
Die du geweint,
Weil dein Kind du nicht bey dir haſt?
Trockne ſie, liebender Vater!
Ach! trockne ſie!
Dein Kind wird zu dir kommen,
Weil rein es iſt, wie das Licht;
Jn deſſen Fuͤlle du wohneſt;
Dein Kind wird dich ſehen!
Sie ſchwiegen. Caton zitterte. Zittern ſah ich
ihn noch nie. Er hob die Arme zum Himmel, und
rief: o Vaterland und Liebe! Dann ſchlang er bruͤnſtig
ſeine Arme um Atalanta, und preſſte das bebende
Maͤdchen an ſeine Bruſt und kuͤſſte ihre Lippen.
Jch kann nicht mehr, war das einzige, was er noch
ausrief. Nun ſtand er auf und ſagte mit einer Stim-
me, die nie noch klang aus ſeinem Munde: Atalan-
ta … komm! Sie gab ihm die Hand, und beide
verſchwanden im Dunkel.
Caton! Caton! das haͤtt’ ich nicht gedacht!
War diß das fuͤrchterliche Geheimniß, das du
ausgebruͤtet im Gewoͤlbe bey’m magiſch geiſterhaften
Schein der Candelaber? Finſterer Sohn der raͤthſelhaf-
ten Nacht, du ewiges Geheimniß! ich waͤhnte, du
denkeſt am alten ſchwarzen Sarkophag an die abge-
ſchied’nen Bruͤder, und nicht an eine unverbluͤhte Ju-
gend: ich waͤhnte, in deiner Bruſt wehen die Schauer des
Todes und ſie gluͤhet fuͤr zarte Maͤdchenwangen; der
Sarkophag ſey beſtimmt fuͤr die Verſtorb’nen, und
nicht fuͤr die Lebendigen … fuͤr mich! … O
Theodor! mir graus’t!
Lange ſtand ich unbeweglich an der Saͤule.
Dann ſank ich auf die Truͤmmer, wo die Beyden ſich
umarmt, und kuͤhlte meine brennenden Lippen an
dem kalten Stein und benettzt’ ihn mit meinen Thraͤ-
nen. Dann rannt’ ich davon.
Jch haͤtte ſollen ſchlafen? Theodor … ſchlafen?
Jch lief durch die finſtern Wieſen. Mein Jnne-
res war naͤchtlich wie Nebelhaiden Oſſians, wann
durch die Wolken wehet der Geiſt des ſchaudrigen
Loda und der Nachtſohn daher faͤhrt auf Orkanen,
den grauenvollen Wolkenſchild ſchuͤttelnd.
Auf einem Berge legt’ ich mich nieder. Die
Winde rauſchten durch die Eichen und ſchuͤttelten die
Aeſte, wie Nachtgedanken meine arme Bruſt. Allein
ſaß ich auf dem Berge: ich fuͤhlte nimmer die Mut-
terliebe der allbeſeelten Natur, nicht mehr das hei-
lige, lebendige Gluͤhen um mich her. Es ſtanden
die Eichen vor mir wie erſtarrte Rieſen, und das
finſtere Thal am Fuß des Berges wie ſchaurig-
oͤde Reſte einer zertruͤmmerten Welt voll Licht und
Leben. Todt, todt war’s auſſer mir, wie in mei-
nem Jnnern.
O da fand ich’s, wer den Frieden nicht im Bu-
ſen traͤgt, der findet ihn nirgends.
Ach! ein einziger Stern am Himmel haͤtte mich
noch gluͤcklich gemacht. Jch haͤtte ja Licht geſehen.
Jch lief wieder hinab dem Schloße zu. Keine
Seele begegnete mir unterwegs. Alles, alles ſchwieg
und ruhte, Menſchen und Thiere, Baͤume, Blumen
und Graͤſer; ich allein ruhte nicht. Am Ufer des
See’s ſetzt’ ich mich nieder. Seine Wellen klangen
durch die Stille. Das Einzige Bewegliche in der
entſchlummerten Welt! aber ach! mir ſchien’s, als
klaͤngen die Wellen nur, die Minuten des Todes zu
zaͤhlen. Gegen Morgen gieng ich nach Hauſe.
Phaethon an Theodor.
Die Sonne ſtieg blutroth am Oſten empor und
erhellte die Welt, die ſo fuͤrchterlich mir war in die-
ſer Nacht. Die ſchwarzen Berge gluͤhen in Morgen-
roth, aber durch meine Seele iſt noch kein Licht
gebrochen.
Mein Buſen brennt, wie die glutrothe Feuerlilie.
Wo ſollt’ ich Troſt finden? O dieſer Schmerz,
es iſt eine Wolluſt, dieſer Schmerz! Eure ſtoiſche
Apathie iſt der Graͤuel hoͤchſter. Bruder! wenige war-
en gluͤcklich wie ich, warum ſollt’ ich nicht auch un-
gluͤcklicher ſeyn als and’re. Aber warum mußt’ ich
gluͤcklich ſeyn, eh’ ich ungluͤcklich wurde?
Was hilft mir nun all’ mein Wiſſen? Meinſt
du, es lind’re dieſe kaͤmpfende Bruſt?
Die Sonne laͤchelt wieder freundlich drauffen,
aber ich mag nicht in die Natur. Glaubſt du, ich
wolle allein durch Wies’ und Aue ſtreifen, wie eine
gewitterſchwang’re Wolke durch die heit’re Luft, und
allein mich ungluͤcklich fuͤhlen unter den Kindern der
Natur?
Jch hatte uͤberlegt. Mir iſt das Leben wie ein
Schlaf ohne ſie. Der Schlaf iſt des Todes Bruder.
Schlafen und Geſtorben — ſeyn unterſcheidet ſich ja
nur durch’s bloße Traͤumen, und ob ich vollends ent-
ſchlummere und nicht mehr traͤume .. gilt mir gleich.
Lebe wohl!
Phaethon an Theodor.
Deinen Brief hab’ ich erhalten. Aber ich konnte
dir nicht antworten. Lieber Bruder! dießmal konnt’
ich dir nicht antworten: Es war weit mit mir.
Hoͤre.
Die Welt war mir verhaßt an jedem Morgen.
Zertruͤmmert war mein Alles, geloͤst die ganze Spann-
kraft meines Geiſtes. Jch dachte nicht an ſie, nur
Caton ſtand vor meiner Seele. Um Mittag klopft’
es an meiner Thuͤre. Sie war geſchloſſen; ich oͤff-
nete, blieb ſtehen, wie erſtarrt. Atalanta ſtand
vor mir.
Jhr Auge war ruhig und voll Frieden. Sie
ahnte ja nicht, wie mir war. O Gott! warum war
das ſo?
Jn meinem Jnnern regte ſich’s, wie in der Erde,
wann ſie die tiefgeheimen Kraͤfte allzerſtoͤrend zum
furchtbar’n Ausbruch ruͤſtet, und wild, in gaͤhrenden
Wirbeln die empoͤrten Elemente gegen einander
toben.
Lange ſaß ſie mir gegenuͤber. Endlich ſagte ſie
aͤngſtlich: Phaethon! deine Augen ſind verſtoͤrt, und
gluͤhen matt, wie halberloſch’ne Flammen. War
dein Schlummer nicht ſanft dieſe Nacht?
Schlummer? .... murmelt’ ich finſter. Werd’
ich ſchlummern, wenn meine Welt mir in Truͤmmer
ſinkt? Jch konnte faſt nimmer! ſeufzte: ach ſie ſank
ſo bald.
Was iſt dir, Phaethon? rief Atalanta weinend.
Nicht wohl, war meine Antwort. Jch ſtand
auf und wandelte mit raſchen großen Schritten in
meinem Zimmer auf und ab. Mein Jnneres ward
duͤſterer und immer duͤſterer.
Jch blieb ſtehen vor ihr, ſah ſie ſtarr und be-
wegungslos an. Sie ſpielte mit Blumen in ihrem
Schooße und fragte mich endlich mit einem unaus-
ſprechlich traurigen Blicke: Phaethon! was iſt dir?
Du biſt ſchrecklich.
Umſonſt. Es ward nur immer naͤchtlicher in
mir. Wer haͤlt den Strom in ſeinem Laufe, wenn
er von himmelhohen Felſenklippen die Fluth laut-
donnernd in die Tiefe ſtuͤrzt?
Jch ſchritt wieder durch’s Zimmer. Ein wei-
nend Ach! vernahm ich noch von ihren Lippen, dann
ſah’ ich nichts mehr, hoͤrte nichts mehr.
Auf einem Tiſche lag ein Meſſer. Jch ergriff’s
und dreht’ es in den Haͤnden. Phaethon! was haſt
du? rief ſie erſchrocken. Jch ſprach kein Wort, ſon-
dern ſtieß das Meſſer gegen meine Bruſt.
Das Blut floß. Mir ward ſchwindlich. Jch
mußte mich niederſetzen.
Gott! rief Atalanta, mit einem entſetzlichen
Schrey, und rannte durch die Thuͤre.
Die Beſinnung ſchwand mir. Wie ich erwachte,
lag ich auf dem Bette. Der Arzt ſtand neben mir
und verband mich.
Das Fieber ruͤttelte mich fuͤrchterlich. Caͤcilie
war um mich geſchaͤftig. Sie weinte.
Jch war allein mit Atalanta. Jch ſah ſie an
mit brechendem Auge, ergriff ihre Hand, ſtammelte:
Atalanta! einen Kuß! O Phaethon ..... rief
ſie weinend, mit einem namenloſen Ausdruck, und
ſank uͤber mich her. Jhr Mund gluͤhte flammend
an dem meinen; ihre Haare loͤsten ſich auf und wall-
ten uͤber mich hinunter. Jch kuͤßte die Thraͤnen
von ihrem Auge.
Jedes Wort war Schmerz. Geſtern Abend …
Caton ..... war das Einzige, was ich konnte
lispeln.
Sie verſtand mich. Jch bin nicht ſchuldig, rief
ſie, heftiger weinend, immer noch matt an meiner
Bruſt liegend.
Wo iſt Caton, ſagt’ ich. Sie wußte, was ich
wollte, riß ſich los und flog durch die Thuͤre.
Einen Augenblick war ich allein … Jch ſchau-
derte vor dem Grabe.
Atalanta kam wieder und ſagte. Caton will
nicht kommen.
Weiß er’s?
Er weiß es, ſchluchzte ſie.
Das graͤmte mich. Fuͤrchterliche Bilder umgau-
kelten mich den Abend. Das Wundfieber verließ
mich die ganze Nacht nicht. Gegen Morgen ent-
ſchlummert’ ich: wie ich erwachte, ſtand .... Ca-
ton und Atalanta vor meinem Bette.
Wir ſahen uns lange ſtarr an. Dann ſagt’ er
dumpf: Du biſt ein ſchlechter Freund! Ein Blick
von Atalanta milderte ſeinen Ernſt. Er gieng fort,
und ließ uns allein.
Aber zuͤrn’ ihm nicht!
Theodor! du wirſt ſtaunen. Caton hat den
Schleyer abgeworfen und ſeine Seele ſteht in ihrer
ganzen Groͤße vor mir da.
Gegen Abend trat Caͤcilie mit Atalanta in
mein Zimmer. Caton folgte. Er war wie ein an-
derer Menſch, wie verjuͤngt. Sein Bart war ge-
ſchoren, ſeine Miene geheimnißvoll-freundlich. Er
trat zwiſchen mich und Atalanta und ſagte: Jch
hab’ euch entzweyt, ich will euch wieder einen.
Atalanta … o dieß ſprach er mit einem unbeſchreib-
lichen Schmerze … Atalanta! ich bin dein Vater,
Caͤcilie iſt nicht deine Mutter!
Die Welt verſchwamm vor meinen Augen.
Erwarte nicht, daß ich die Scene dir beſchreibe.
2
Jn ſolchen Augenblicken handelt der Menſch, ohne
es zu wiſſen. Caͤcilie verhuͤllt’ ihr Angeſicht. Ata-
lanta lag vor Caton und ſtammelte weinend:
Vater!
O wie der ſchoͤne hohe Mann, vom Abendlicht
der Sonne verklaͤrt, da ſtand, und zu ſeinen Fuͤ-
ßen die Jungfrau, meine Geliebte, wie er die Arme
nach ihr ausſtreckte und ſie an’s Herz druͤckte, wie
ſie nun ſich losriß und vor Caͤcilie kniete und rief:
O Mutter, Mutter! und es wieder ſtille ward und
ſie endlich wieder ſchluchzte: warum mußt’ ich den
Vater bekommen, da ich die Mutter verloren ....?
Es ward wieder ruhig. Vater und Tochter
blickten ſich an, wie freundliche Sterne. Auch Ca-
ton weinte.
Jch ergriff ſeine Hand, ſah ihn an mit thraͤ-
nendem Auge: er laͤchelte, und erwiederte: ein an-
dermal!
Dann faßt’ er Atalanta’s Hand und ſagte:
Noch etwas meine Tochter! Du biſt eine Griechin.
Griechin .... rief ich außer mir. Jhr Auge
war, als wollt’ es zerfließen in Waſſer. So ſanft,
ſo ſchmerzlich-mild, ſo ganz Gefuͤhl und Seele! ..
O? und nur ich verſtand ſie!
Caton war unbeweglich ſtehen geblieben. Dann
ſetzt’ er noch hinzu: Doch fragt mich nicht mehr,
bis ich ſelbſt euch das Geheimniß loͤſe; und gieng
dann fort.
Die halbe Nacht wiegt’ ich mich in der Be-
trachtung der wunderbaren Entſchleyerung, aber
noch konnt’ ich das unterirdiſche Gewoͤlbe nicht ent-
raͤthſeln, und weiter fragen duͤrfen wir ihn ja nicht.
Man verband mich taͤglich. Die Wunde war
nicht gefaͤhrlich. Jch ward ruhiger.
Oft las mir meine Griechinn vor. Sie ſaß
dann neben meinem Bette.
Wenn ich ſie ſo anſah, wie ſie da ſaß in ihrer
unbegreiflichen Schoͤnheit, und die großen ſeelenvoll-
en Augen auf dem Buche gluͤhten, und dann mich
wieder unendlich liebend anſah’n, wenn die holden Lip-
pen ſo melodiſch die Worte ſprachen, und ſie mir er-
ſchien, dem Kranken, Verletzten, wie die ewige Jugend,
wie die unverwelkliche Geſundheit, wie ich endlich
ihre Hand ergriff, und ſie ſchwieg, ihr Haupt uͤber
2 *
mich herein ſenkte und einen gluͤhendheißen Kuß
auf meine Wangen druͤckte … Da fuͤhlt’ ich, daß
wieder Geſundheit ſchwelle durch mein Jnnerſtes,
wie der Lebensſaft durch die getraͤnkte Blume: mein
kalter Buſen erwaͤrmte ſich an dem ihrigen, und
ſog Leben und Fuͤlle aus ihrem Munde, wie Ho-
nig die Biene aus der Roſe.
Jeden Abend kam Caton und Caͤcilie zu mir.
Aber er ſchwieg immer. Nur einmal ſagt’ er beym
Hinweggeh’n: Bald wird ſich’s loͤſen!
Meine Wunde hoͤrte auf, mich zu ſchmerzen.
Der Schlaf erquickte mich wieder und ich fuͤhlte
mich geſtaͤrkt genug, an Atalantas Arm an einem
warmen Nachmittag durch den Garten zu wandeln.
Jch gruͤßte jede Blume. jede Quelle, jeden Berg:
ich fuͤhlte mich ganz wieder als den Liebling der
Mutter Natur.
O ſo muͤßt’ es dem ſeyn, der aus dem Reich
der Todten wieder ans Licht der allerwaͤrmenden
Sonne traͤte!
Phaethon an Theodor.
Nun, lieber Theodor, iſt alles anders. Caton hat
ſich uns entdeckt. Atalanta iſt mein. Aber nur
dir darf ich das Geheimniß vertrauen.
Geſtern Abend trat Caton zu uns herein, und
hatte die geliebte Tochter an der Hand. Er gab
mir ſeine andere: ich folgte ſchweigend. Jch ahnte,
was er wollte. Er gieng mit uns auf ſein Mau-
ſolcum zu. Wir ſchluͤpften durch die Noſenhecken
und ſtanden vor der Sphinx. Er ſchloß die Thuͤre
auf. Atalanta bebte und ſchmiegte ſich furchtſam
an den Vater. Die Nacht umgab uns: wir ſtiegen
eine enge Wendeltreppe hinab und gelangten auf
den ebenen Boden. Lichter brannten wieder auf
den drey Candelabern. Der ſchwarze Sarkophag
war mit weißen Roſen umkraͤnzt. Mir ſchlug das
Herz: doch wagt’ ich nicht, es zu geſtehen, daß
ich ſchon einmal hier war.
Mein Schickſal will ich euch enthuͤllen, Kinder,
ſagte Caton freundlich-ernſt und ſetzte ſich oben an
das Haupt des Sarkophages: zu beyden Seiten ſaß-
en wir auf ſchwarzen blumenuͤberhang’nen Stuͤh-
len. Hoͤrt, ſprach er endlich, aber unterbrecht mich
nie.
Darauf begann er:
Jch bin ein Nachkomme der alten Spartaner,
und ward geboren in einem der Thaͤler des Tayge-
tos. Mein Vater war ein wilder Maniate. Die
Freyheit liebt’ er, wie die andern rauhen Maͤnner
in den Schluchten des Gebirges, und vertheidigte
ſie kuͤhn im Kampfe mit dem Paſſa.
Von Jugend auf ward ich gewoͤhnt, die Waf-
fen zu fuͤhren. Schon als ein Knabe kniet’ ich
mit den großen Hunden an den lohen Feuern,
wann ſie brannten durch die ſchwarze Nacht, den
Muſelmann von unſerm Dorf zu ſchrecken. Meine
Mutter war mir fruͤh geſtorben, und bald fiel auch
mein Vater im Gefecht. So war ich fruͤh allein
auf der Welt.
Jch kam nach Miſitra. Hier ward mein Geiſt
genaͤhrt mit den Rieſenbildern des alten Sparta.
Die Vorwelt ſtieg, wie ein Schatten, aus den
Graͤbern: ich ward mit ihr befreundet, und fuͤhlte
meinen Buſen auſchwellen von großen erhabenen
Entwuͤrfen.
Mein Mauſoleum iſt ein Bild des Hauſes,
worin ich wohnte. Es hob ſich dunkel aus Plata-
nen und Orangen, wie ein alter, ſchauriger Geiſt
aus der jungen blumenvollen Erde. Doch mir war
es immer zu eng’ im Hauſe; hinaus trieb’s mich
mit ungeſtuͤmmer Kraft, wo ich die große Natur in
ihrer Fuͤlle ſah und die muͤtterliche Erde, und wei-
nend dankt’ ich oft meinem Gott, daß er mich wer-
den ließ in Griechenland.
Die Spiele meiner Kindheit waren die Spiele
der alten griechiſchen Jugend. Um die Zeit, als
der erſte Flaum noch um mein Kinn bluͤhte, war
ich immer Sieger im Wettlauf und beneidete die
Aeltern, die ſchon den Diſkus werfen oder den Geg-
ner im Ringen zu Boden werfen konnten. Auf
meinen wilden Sinn wirkte bey den Taͤnzen wenig
die Hymne, wann die Leyer erklang am Feſt und
die baskiſche Trommel, aber da gluͤhte meine Bruſt,
wann im Pyrrichiſchen Tanz die Maͤnner, wie
ſtarke Loͤwen, mit den Waffen ſich entgegenſchritten.
Oft ſaß ich bey Nacht, wann der Mond am
Himmel ſchwebte, allein unter den Truͤmmern der
perſiſchen Saͤule, oder an dem dunkeln Gemaͤuer
des alten Tempels der Venus Armata, oder auf
den ſteinernen Sitzen des Dromos, und dachte an
die Zeit, wo die Vaͤter noch wandelten in dieſen
Raͤumen und der ernſte eiſerne Sinn ſich bildete,
der mich in duͤſtern Schauern anwehte aus den fin-
ſtern naͤchtlichen Geſtalten.
Die Gegenwart verſchwand vor’m Heldenglan-
ze der Vergangenheit. Jch wiegte mich in Traͤu-
men, wie die Biene in Blumenkelchen, und war
geſund an Geiſt und Koͤrper.
Da ſprach aus meinem Jnnern eine Stimme.
Sie hieß mich mein Vaterland durchwandeln. Al-
lein mußt’ ich gehen: meine Geliebten waren ja
todt. Jch nahm Abſchied von meinen angebeteten
Truͤmmern, von den Lorbeerufern des Vaſilipota-
mo und wandelte nach Miſitra. Damals war ich
ſiebzehn Jahre alt.
Jch kannte den Menſchen noch nicht. Jch
liebte bloß den. Griechen, und haßte den Tuͤrken.
Meinen Weg wandt’ ich auf Arkadien zu.
Bald umfiengen mich die Thaͤler des ſchoͤnen Hir-
tenlandes. Jch ſtreifte Tagelang durch die rauhen
waldbewachſenen Gebirge, wo ungeheure Felſen-
kluͤfte wechſeln mit wild emporſtarrendem Geklippe,
und um die kahlen Rieſenſtirnen nur einſam Moos
und Farrenkraut ſich ranket. Dann ſtieg ich wieder
hinab in die gruͤnen, lachenden Thale.
Da ſetzt’ ich mich dann auf ein altes Saͤulen-
ſtuͤck am Abend, wann zarte volle Woͤlkchen im gluͤ-
hendreinen Gold des Himmels ſich badeten, und
ſah, wie die Bienen um duftende Blumen, um
Lorbeer und Myrthe ſchwebten, und die raſchen,
muthigen Roſſe an den lachenden Ufern des klaren
Fluſſes ſprangen: dann flog mein trunkener Blick
hinweg uͤber die fetten Gruͤnde mit ihren Platanen
und Maulbeerbaͤumen, und irrte um dunkelgruͤne
Huͤgel, wo die weißen Schaafe huͤpften und ihren
Quendel und Thymian ſuchten. Und weiter hinaus
ſchweifte mein Auge, wo auf den breiten Hoͤhen
Tannen, Fichten und Therebinthen ihre unermeßli-
chen Waͤlder bilden, und uͤber hundertjaͤhr’ge Eichen-
ſtaͤmme die Felſen ihre grauen Haͤupter thuͤrmen,
und blieb endlich ſtehen auf dem hohen Pholoë,
der uͤber den gruͤnen Thaͤlern mit ſeinem ehrwuͤr-
digen, in den ſchneegewob’nen Schleyer gehuͤllten
Haupte ſtand, wie auf der jungen, bebluͤmten Wieſe
der Prieſter des Sonnengottes.
Dann dacht’ ich an die ſchoͤnen Zeiten, wo der
fromme, dankbare Menſch alles, was um ihn war,
Waͤlder und Fluren, Quellen und Fluͤſſe, Thaͤler
und Berge mit dem Geiſt einer Gottheit belebte,
wo die Nymphen, die heitern Toͤchter der Natur,
durch Blumen und Fluren irrten, in jedem Bau-
me eine Dryas webte, uͤber dem klaren ſpiegeln-
den Waſſer der volle Buſen einer Goͤttinn ſchwoll
und der muntere Pan Gebirg und Wald mit ſei-
nem Floͤtenklang erfuͤllte. Da ſchwebte das ganze
Gewimmel der alten Goͤtter an mir voruͤber und
ich ſah ſie um mich wirken und laͤcheln, als die
Kraͤfte der heiligen, wirkenden Natur.
Jch wandelte durch die Ebene Mantineas und
ſuchte das Grab des Epaminondas. Nie vergeß’
ich dieſen Morgen. Die Sonne war eben aufge-
ſtiegen, und ſchien in ihrem wandelloſen Licht herab
auf die Erde, das ewige Spiel der Zerſtoͤrung und
Umwandlung. Jch wand mich durch das Rosma-
ringeſtraͤuch, das um die Graͤber meiner Vaͤter ſich
wob wie der Blumenkranz um das Haupt eines
abgeſchied’nen Greiſen und irrte traurend durch die
Ruinen und las die Jnſchriften auf dem alten Ge-
ſteine. Dann ſetzt’ ich mich nieder. Friſch blinkte
der Thau auf den Blaͤttern, im Glanz der Sonne,
die durch Lorbeer und Oliven ihre zitternden Strah-
len auf mich warf und mit warmem Kuſſe mir um
die Wangen ſpielte. Ueber den Rebenhuͤgeln lag
vor mir der Maͤnale mit ſeinen Fichten, der Arte-
miſios und der waldige Ourthenios ſtand zur Seite,
und in weiter Ferne daͤmmerten, wie ein Traum,
im roͤthlichen Morgenduft verſchwimmend, die wei-
ßen, ſchneeumwob’nen Rieſenſtirnen des Taygetos.
Da kniet’ ich nieder auf die geweihte Erde, und
betete die Sonne an, und ſchwur in Thraͤnen bey
den Geiſtern meiner Ahnen, wuͤrdig zu werden
ihrer erhabenen Heldengroͤße, und zu ſterben, wenn
die Zeit kommt, fuͤr mein unterdruͤcktes Vaterland.
Nun gieng ich durch die Haide von Tegeea,
wo traurig um die ungeheuern Truͤmmer der gelbe
Grashalm wanket, und bald lag das verarmte
Korinth vor mir, dem hohen, von zwey Meeren
beſpuͤhlten Geranion die Fuͤße kuͤſſend.
Umſonſt ſuchte mein Auge die Tempel der
Freude, wo einſt die ſchoͤne Jugend der Macht der
Aphrodite ihre Opfer brachte, und die Hetaͤren,
mild, wie ihr ſanfter Himmel, im Arm der Wol-
luſt, in tauſend ſchwelgenden Genuͤſſen die Triebe
freyer Maͤnner wiegten. Einſt war’s der Sitz der
Schoͤnheit, Kunſt und Freude: der Reichthum warf
ſeine Fuͤlle, wie Apfelbluͤthen, uͤber dieſe jugendli-
che Stadt … jetzt hatte die Armuth die gefall’nen
Bruͤder gebleicht wie zu Schatten und Geſpenſter.
Alles, was die Menſchen gebaut und geordnet, iſt
verſchwunden: wie ein Fremdling klimmet der ſpaͤte
Nachkomme um die Truͤmmer ſeiner Vaͤter, und
doch laͤchelt der Himmel noch ſo rein wie vordem,
und das Meer rauſcht ewig in ſeinen Ufern und
die Berge ſchauen ewig jung uͤber die verwandelte
Erde.
Von Korinth ſchifft’ ich nach Athen. Dort ſaß
ich Tagelang auf der Hoͤhe der Akropolis und ſah
durch die grauen Saͤulen und die jungen Lorbeere
hinuͤber zum bienenreichen Hymettos. Jch wandelte
an den verlaſſenen Ufern des Jlyſſos, und des ge-
trockneten Kephiſſos, .... und durfte mir nicht
ſagen: auch du biſt ein Grieche.
Nun kam ich durch das alte Boͤotien, durch-
wandelte die Waͤlder und Haiden des duͤrren Aeto-
liens, weinte uͤber die Raubhorden der Schluchten
von Manina, und goß meine Thraͤnen in den al-
ten weißen Acheloos. Wie eine Furie trieb mich
der Geiſt des alten Hellas durch die Laͤnder, eine
wilde Unruhe jagte mich uͤber die Berge und mein
Volk ſtand in ſeiner ganzen Niedrigkeit vor meiner
Seele. Jch ſchiffte ab von Teniadaͤ, ſtieg zu Dy-
ma ans Land und wandelte ins ſchoͤne Elis. Kin-
der! da ward vollendet das Bild! Wildverwobe-
nes Geſtraͤuche, Saͤulenſtuͤmpfe, Mauerſtuͤcke, zer-
broch’ne Basreliefs, Schilder, Trophaͤen bedeckten
das Thal von Olympia. Der Alpheus waͤlzte ſich
wie eine blaue Schlange, mit kuͤhner Windung
durch die Eb’ne, wo nur der Tod und die Zerſtoͤr-
ung wehte, die Woͤlfe des Pholoe und des Eryman-
thos in der Wildniß hauſen und nur hie und da
ein einſamer Mann in der ſchweigenden Gegend
graͤbt, dem Boden ſeine Schaͤtze abzugewinnen.
Mein Leben war Ein Schmerz geworden. Jch
verſank in Schwermuth wie der Mond in Wolken
und die Freyheit war mir zu einem fernen ver-
ſchwebenden Luftbild geworden.
Die Donner, die wilden Vorboten des Win-
ters, erſchollen am Himmel und ich war wieder in
Arkadien.
Die Blumen der Thale waren geſtorben, wie
meine ſeligen Traͤume. Jch ſuchte ſie vergebens.
Der Schnee umhuͤllte die Erde, wie die Silberlok-
ken das Haupt eines Greiſen, und die hochſtaͤmmi-
gen breitaͤſtigen Eichen ſtanden da, wie die Geiſter
ihrer Fruͤhlingsbluͤthen. Das Pente-daktylon
glaͤnzte mit ſeinen Schneehaͤuptern, wie eine milch-
weiße Wolke, im blauen Aether.
Da half ich nun den armen Bruͤdern die un-
baͤndigen Woͤlfe verſcheuchen von den Doͤrfern,
wann ſie herunterkamen in heulenden Schaaren
von den Waldgekluͤften des Lyceus, und des Abends
ſaß ich am Heerde, waͤrmte mich an der Flamme,
und horchte traͤumend den Maͤhrchen von Sylphen
zu, die der Aberglaube von Mund zu Mund ge-
leitet.
Der Fruͤhling kehrte wieder. Das Veilchen
blickte, wie der beſcheidene Wunſch unſers Jnnern,
aus dem Schnee. Die Fluren wurden frey, und
die Stoͤrche kamen wieder von Libyens Geſtaden,
und bauten ihre Neſter auf alte Mauern, auf hohe
Saͤulencapitaͤle. Es gruͤnten und bluͤthen Plata-
nen, Feigen und Maulbeerbaͤume. Jn meine Seele
kehrte kein Fruͤhling.
Da wandelt’ ich wieder am koͤniglichen Euro-
tas, und ſah die Schwaͤne ziehen in ſeinem blauen
Gewaͤſſer im Schatten des Lorbeers. Die Burg
von Sparta lag vor meinem Auge. Von den wei-
ßen Hoͤhen des Taygetos rollten donnernd die
Schneelawinen in die Thaͤler.
Ein alter Mann mit langem Barte ſaß am
Ufer unter einer jaͤhen Felswand. Er ſchien in
tiefe Gedanken verſunken.
Jch wuͤnſcht’ ihm einen guten Abend. Er
ſchaute auf. Jch ſah aus langen grauen Locken
ein altes, ehrwuͤrdiges Geſicht, mit hoher, freyer
Stirne, mit feurigem Auge, voll edler Wuͤrde
blicken. Ein tiefer Gram ſchwebte, wie der Schat-
ten einer Wolke, um ſeinen Mund.
Er ſchaute mich lange unbeweglich an und
ſchien ſich zu erfreuen an meinem Weſen. Dann
fragt’ er mich: wer biſt du?
Jch antwortete mit kuͤhnem Stolz: ein Grieche!
Der Alte ſtutzte. Woher kommſt du?
Von den Ruinen meiner Vaͤter.
Was ſuchſt du hier?
Einen Spartaner.
Wo biſt du geboren?
Zu Sparta.
Das Antlitz des Greiſen verklaͤrte ſich, wie die
grauen Bergesſcheitel, wann die Wolken uͤber ſie
hinwegwandeln und die Sonne heiter ſie beleuchtet.
Dann ſagt’ er: Und wenn du einen Sparta-
ner findeſt, Juͤngling mit dem Feuerauge?
O dann will ich an die Bruſt ihn preſſen, und
den Bruderkuß ihm auf die Lippen druͤcken und
mit ihm beweinen mein Vaterland.
Das Antlitz des Alten truͤbte ſich. Er ſagte:
Beweinen nur?
Nein! rief ich mit Leidenſchaft, leben und wir-
ken fuͤr mein Vaterland, daß es emporſteigt aus
den Truͤmmern, wie die Morgenſonne, und noch
einmal, wie ſie, die Rieſenbahn durchwandelt.
Aber ach! ich werde keinen finden. Die Spartaner
liegen im Grabe.
Juͤngling, du haſt einen gefunden, rief der
Greis mit Entzuͤcken und ſprang empor und ſchloß
mich in die Arme.
Ehrwuͤrdiger Vater, erwiedert’ ich, aus ſeinen
Armen mich befreyend, deine Haare ſind grau.
Bald wirſt du ins Grab ſteigen wie deine Vaͤter:
es braucht Jugend und Kraft, die Ketten zu loͤſen
von unſern Bruͤdern.
Fahre du fort, wo ich begonnen, rief er aus,
und pflege du, was ich gepflanzt. Du wirſt dich
um mich ſchlingen, wie der junge Epheu um den
alten Eichenſtamm, und wir wollen, Arm in Arm,
dahinſchweben uͤber die Lande, wie Engel des Welt-
gerichts, daß die Voͤlker ſich emporheben, wie fri-
ſche Akazien uͤber den Graͤbern, und die Helden-
bruſt ſchwellen fuͤhlen vom Donnerworte: Freyheit.
Jch ſtaunte ob der Begeiſterung des Alten. Jch
glaubte, es ſey ein Geiſt, der wieder heraufgeſtie-
gen, die Nachwelt zu erwecken, zu befeuern.
Sein Auge blickte ſinnend hinuͤber auf die Jn-
ſeln und ihre Roſen und Myrthen im Gewaͤſſer
des Eurotas und wandelte dann uͤber das Pente-
daktylon und den waldigen Tornika.
3
Jch wußte nicht, was er wollte mit dieſem
Blick, als er ſagte: Jſt ja doch das Land noch
ſchoͤn, wie vor drey Jahrtauſenden, als an den lor-
beerbeſchatteten Ufern man die Blumen pfluͤckte
zum Brautkranz fuͤr die ſchoͤne Helena, und auf
dem Taygetos die Opferflammen brannten dem ge-
feyerten Gotte!
Dann ward er wieder ein wenig ſtill, und
ſagte endlich: Folge mir in meine Wohnung. Jch
folgte ſchweigend.
Unterwegs erzaͤhlt’ ich mein fruͤheres Leben.
Der Alte ward immer heiterer, fiel mir wieder in
die Arme, rief: du mußt bey mir bleiben!
Wir wandelten ſo unſern Weg. Unvermerkt
ſtand ich unter hohen Felswaͤnden, die ein ſinſterer
Geiſt in regelloſem Wurf geſtaltet zu haben ſchien.
Aus verwobenem Myrthengeſtraͤuch ſprudelt’ eine
friſche Quelle und wandelte mit melodiſchem Mur-
meln durch die Felſen.
Jm Schatten hoher Eypreſſen und Lorbeer-
baͤume ſtand ein freundlich Haͤuschen, auf dem der
beruhigte Blick ſich erhohlte von den wilden Geſtal-
ten der Felsklippen.
Es iſt mein Haus, ſagte der Alte: es iſt auch
das deine.
Wir traten hinein. Ein gewoͤlbtes Zimmer um-
gab mich. Jch mußte mich niederſetzen. Der Alte
ſaß mir gegenuͤber.
Wir ſprachen noch eine Zeitlang, als er rief:
Theone!
Bald gieng die Thuͤre auf, und ein Maͤdchen
trat herein, weiß, wie die Schwaͤne des Eurotas,
mit langen, braunen Locken, und einem Auge voll
Unſchuld und Frieden. Laͤchelnd und unbefangen
gruͤßte ſie mich und den Alten. Jhr Anblick machte
einen wunderbaren Eindruck auf mein Herz: ich
fuͤhlte etwas quillen in meinem Jnnern, das ich
noch nie gefuͤhlt.
Bring uns das Abendbrod, Theone, rief
freundlich der Greis, und das Maͤdchen flog wieder
durch die Thuͤre.
Es iſt meine Tochter, ſagt’ er zu mir, wie ſie
draußen war.
Bald war ſie wieder da, und ſtellte einen
Korb voll friſcher Fruͤchte und einen großen ſteiner-
3 *
nen Krug voll Wein auf den Tiſch. Dann ent-
fernte ſie ſich wieder.
Wir ſprachen noch einige Stunden. Dann
wies mir der Greis ein Zimmer an, druͤckte mir
herzlich die Hand und ſchied. Jch ſetzte mich an’s
Fenſter. Der Mond blickte in ſeinem blaſſen Licht
zwiſchen zwey Felſen, die ihre Rieſenſchatten weit
uͤber die Flaͤche warfen. Unerklaͤrbare Schauer zo-
gen durch meine Bruſt. Der wunderbare Greis
mit ſeinem Feuer und das Gefuͤhl meiner Beſtim-
mung lag feyerlich vor meiner Seele, wie die
ſchlummernde Natur. Das Bild des zarten Maͤd-
chens umſchwebte mich, wie eine ſtille lindernde
Ahnung, und ſpielte mir heiter, wie das Mond-
licht, um die gekuͤhlten Wangen. So ſchlummert’
ich ein.
Kaum war die Sonne aufgegangen, da ſtand
Hilarion — ſo hieß der Alte — an meinem Lager
und ſagte: Wir wollen nach Sparta wandeln.
Wir giengen. Unterwegs ſagte Hilarion: Aus
den Kampfſpielen hohlten unſ’re Vaͤter ihre Staͤrke.
Aus ihm entſprang jene Vollkraft, jene erhabene
Geſinnung, jene Großheit und Fuͤlle des Lebens,
jene Harmonie des Geiſtes und Koͤrpers. Da galt
kein Stand, kein Rang: die angebor’ne Staͤrke
ſiegte. Da waren ſie Menſchen im vollen Sinn,
Kinder der allbeſeelten Natur, frey wie der Vogel
in den Luͤften und lebenskraͤftig wie die friſchbe-
thaute Blume. Da entſtand jener Gemeingeiſt, der
Alle beſeelte. Das iſt der Fehler unſerer Zeit, daß
der Einzelne ſich trennet vom Einzelnen und dar-
um nie ein Ganzes waltet. Wuͤrde Jeder ſich ſelbſt
vergeſſen und Alle zuſammenwirken zu Einem
Zwecke, da wuͤrde ein Volk entſtehen, groß wie das
untergegangene und ſtark genug, den Erbfeind zu
zernichten. Darum ſollen ſich unſere Juͤnglinge
uͤben in jenen Spielen, die Geiſt und Koͤrper ſtaͤr-
ken, und das wird der Keim ſeyn, aus dem der
ewigkraͤftige Heldenſinn entſproßt, jenes Zuſam-
menweben Aller fuͤr Eines.
Unterdeſſen waren wir nach Miſitra gelangt.
Laßt uns vorher zu meiner Tochter gehen, ſagte
Hilarion, indem er auf ein Haus deutete, das nahe
vor uns ſtand. Sie lebt hier bey einem Verwand-
ten. Sie iſt die Aeltere.
Hier lernt’ ich Caͤcilien kennen, die du fuͤr
deine Mutter hielteſt, Atalanta!
D’rauf giengen wir zu vielen wackern Maͤn-
nern, und ſprachen uͤber unſern Plan.
Jn wenigen Tagen waren unſere Wieſen voll
von Knaben, Juͤnglingen und Maͤnnern. Jetzt iſt
es deine Sache, ſprach Hilarion, zu ihnen zu
reden.
Die Bruſt ſchwoll mir von Begeiſterung. Auf
einem Raſen redet’ ich zu den Spartanern.
Meine Worte waren wie der Gießbach, der
von Felſenhoͤhen in die Thaͤler ſtrudelt, die Eichen
aus den Wurzeln reißt, und alles faßt und wo-
gend mit ſich fortreißt. Die Ungeſtuͤmmen riſſen
Zweige von den Lorbeerbaͤumen, und warfen ſie mit
lautem Rufen uͤber mich. Hilarion druͤckte mir
ſchweigend die Hand.
Von nun an kamen ſie taͤglich zuſammen zum
Ringen, Laufen und Werfen. Und wenn ich
ſchweißbedeckt am Abend nach Hauſe kam, trat mir
Theone entgegen und gab mir mein Abendbrod.
Da ruhte die wilde Kampfluſt und der tobende
Sinn: aus ihrem milden Auge quoll ein ſanfter
Friede, und wehte kuͤhlend und beſaͤnftigend durch
meine Seele.
Jch fuͤhlte mir ein neues Leben entſtehen;
meine Seele war geſtillt, erweitert, angefuͤllt, war
friſch, wie das Thal, wann die Morgenſonne
uͤber’m Huͤgel ſchwebt.
Oft druͤckten wir uns die Haͤnde, wann wir
allein waren und kuͤßten uns die Lippen, und wenn
der Vater kam, wand ſie erroͤthend ſich von meiner
Bruſt. Der Vater laͤchelte.
Oft auch ſaßen wir am Ufer des Eurotas, wo
uͤber uns ſich Lorbeer und Platanen woͤlbten und
die Trauerweiden in die klare Fluth ſich tauchten.
Die Schwaͤne ſpielten um Myrthen- und Ro-
ſengeſtraͤuch zu unſern Fuͤßen, und der Seidenbaum
wuͤrzte die Luft mit balſamiſchem Geruche.
Veilchen waren durch Theonens dunkle Locken
geflochten, die herabwallten uͤber den jugendlichen
Buſen. Sie war zart und mild wie das freundli-
che Schneegloͤckchen.
Ewige Geſundheit ſog ich aus ihrem keuſchen
Munde. Jch ſah in ihr das Bild der ewigen Ju-
gend. Das Leben fuͤhlt’ ich in ſeiner hoͤchſten Fuͤlle,
im Vollgenuß meiner Kraft und Staͤrke.
Unſer Gefuͤhl war rein wie das weiße Licht der
Sonne. Die ganze Schoͤne des griechiſchen Him-
mels hatte ſich abgedruͤckt in Theonens Koͤrper und
Seele.
Und wenn dann der Mond hervortrat und die
beſchneyten Gipfel des Taygetos im blaſſen daͤm-
mernden Lichte glaͤnzten, wie zartgehauchte Wolken-
bilder, da ſchwiegen wir und lauſchten der Nachti-
gall, die ihre Lieder in den Akazien aus der melo-
diſchen Kehle wogte, und wandelten Hand in Hand
wieder unſern Felſen zu.
Einsmals nahm Hilarion mich an der Hand
und fuͤhrte mich zu Theone. Dann gieng er
ſchweigend mit uns aus dem Hauſe. Die Sonne
ſtand am Mittagshimmel. Der Alte blickte die
junge Tochter an und dann mich und ſagte: Liebe
Kinder! ihr liebt euch! Das Maͤdchen erroͤthete,
mein Auge gluͤhte. Jch warf mich zu des Vaters
Fuͤßen; auch das Maͤdchen ſank auf ihre Kniee.
Hilarion legte unſ’re Haͤnde in einander, gab uns
ſeinen Segen und gieng ins Haus. Dann ſahen
wir einander an auf den Knieen und unſere Lippen
kuͤßten ſich zum ewigen Bunde.
Zu Sparta wurden wir getraut. Meine Bruͤ-
der kamen zuſammen auf der Wieſe, und feyerten
unſer Feſt. Die maͤnnliche Jugend ſtrebte in dem
Wettkampf nach den Preiſen, die wir ausgeſetzt,
und nach dem Mahle begannen Taͤnze und Spiele,
wo ſich die frohen, von Wein und Geſpraͤch trun-
kenen Juͤnglinge mit dem blumengeſchmuͤckten Maͤd-
chen bis zum Morgen unterhielten. Theone ſank
mir weinend an die Bruſt. Sie war mein, ganz
mein.
Selig verlebten wir den Sommer. Auch den
Winter hindurch dauerten unſ’re Spiele. Jch war
im Ringen und im Laufen der Erſte. Die Greiſe
ſorgten fuͤr die Ordnung und beſtimmten die Preiſe.
Hilarion ward wieder jung.
So kehrte der Fruͤhling wieder, und meine
Theone fuͤhlte ſich Mutter. Von nun ward ſie
mir heilig, das Kind und Abbild der erzeugenden
Natur. Da gebar ſie und du, liebe Atalanta, be-
trateſt die Welt.
Ueberſchwaͤnglich war deines Vaters Wonne.
Die Worte ſtarben ihm auf den Lippen. Er druͤckte
mit ſtummem Entzuͤcken die geſchwaͤchte blaſſe Mut-
ter und dann dich an ſeine Bruſt. Mein haͤuslich
Gluͤck war nun vollendet.
Da ward auf einmal Hilarion geheimnißvoll.
Jch draͤngte mich an ſein Herz, und er ſagte mir,
vom Norden ſegle eine Macht herbey, den Muſel-
mann auf ſeinem Boden anzugreifen. Jch ſtaunte,
ich ward entzuͤckt. Gott! rief ich begeiſtert, der
Tag iſt gekommen, auf den wir gewartet.
Jch ſtuͤrzte auf die Wieſe, verkuͤndet’ es den
Bruͤdern; alles eilte von einander.
Jn einigen Tagen war Miſitra unter Waffen.
Die Nachricht erſcholl durch die Thaͤler des Tayge-
tos. Die Voͤlker ſtanden auf.
Vor meinen Sinnen war nichts, als das Ge-
ſchnaube, das morddrohende Geraſſel anrennender
Kriegsroſſe, das Feld- und Stadtdurchhallende,
droͤhnende Waffengetoͤſe der geharniſchten Bruͤder,
das einherwogende Gebruͤlle vom Athem des Ares
geſchwellter Maͤnner — der furchtbare vom Wieder-
hall zuruͤckgetrieb’ne Donner der Geſchuͤtze — die
ſtoͤhnenden Seufzer und Gebete huͤlfeflehender, das
Bild der Panagia umfaſſender Jungfrau’n, him-
melanwirbelndes Staubgewoͤlke; — die Flamme
des allzerſtoͤrenden, maͤnnerzermalmenden Schlacht-
gewuͤhls — Mordende und Gemordete — Weinen-
de, den furchtbaren Geſang des Aïs und der Erin-
nyen Singende .....
Jch feuerte meine Genoſſen an: ſie raſten in
Kampfluſt. Der Bey von Miſitra ward gemordet.
Kinder! ich nahe nun dem ungluͤcklichſten Theil
meines Lebens. Laßt mich kurz ſeyn in meiner
Erzaͤhlung! … O ſie ſchmerzt mich.
Achaia, Arkadien und Argos hatten die Feſ-
ſeln abgeworfen. Orlow war mit ſechs Schiffen
erſchienen. Wir Mainotten wollten nach dem Jſth-
mos ziehen.
Noch wußte meine Theone nichts.
Den Tag vor dem Abzug trat ich vor ſie hin.
Die junge ſchoͤne Mutter ſaß auf einem Stuhle,
und ſaͤugt’ ihr Kind am weißen Buſen und blickte
ſo ſchmerzlich ſuͤß auf das Kleine herab, als wenn
ſein Trinken ſie verletzte. Dann druͤckte ſie mir die
Hand und laͤchelte.
Jch fiel ihr um den Hals. Theone, rief ich,
wir muͤſſen ſcheiden. Das Vaterland ruft. Bald
werd’ ich wieder in deine Arme eilen, und frey die
Freye an den Buſen druͤcken.
Sie war heftig erſchrocken: ihr Auge war uͤber-
fuͤllt mit Thraͤnen. Sie lag halb ohnmaͤchtig an
meiner Bruſt. Der Alte troͤſtete ſie. Aber ihr
ſchoͤnes Auge blieb naß noch den ganzen Abend.
O Caton ..... rief ſie einmal, wie zerfließend,
matt an meinen Lippen bebend. Jch verſtand ſie,
weinte mit ihr.
Mein innerer Kampf war fuͤrchterlich.
Aber der Geiſt der Freyheit ſtieg vor meinem
trunkenen Auge, wie ein Rieſe, aus der Erde.
Jch hatte uͤberwunden, preßte die Geliebte noch
einmal an meine Bruſt, druͤckte den letzten Kuß
auf ihre naſſen Wangen und eilte durch die Felſen.
Hilarion konnte nicht folgen. Die Nacht hin-
durch verſammelten wir uns. Mit Anbruch des
Tages nahm ich Abſchied von Hilarion uud eilte
mit meinen Schaaren gegen den Jſthmos.
Ueberall hatten die Griechen ſich erhoben und
ergriffen wuͤthend die Waffen.
Am Jſthmos ſtanden wir den Tuͤrken gegen-
uͤber.
Jch lag auf meinen Knieen wie die Sonne
emporſtieg, und flehte zum allbarmherzigen Gott,
Richter zu ſeyn des entſcheidungsvollen Kampfes.
Wir ſtuͤrzten in die Schlacht und wurden ge-
ſchlagen.
Jch weinte blutige Thraͤnen, aber noch ver-
zweifelt’ ich nicht. Der Seraskier war bis nach
Meſſenien gedrungen. Jch eilte durch den Pelo-
ponnes: neue Schaaren kampfluſtiger Mainotten
ſtroͤmten zuſammen.
Wir kaͤmpften, wie Raſende.
Umſonſt. Die geſchlagenen Bruͤder flohen aus-
einander und verloren ſich in den Gebirgen des
Pente-daktylon.
Da ſtand ich allein wieder auf der Erde, allein
in meinem Vaterland, wie einſt, als ich den Pelo-
ponnes durchwandelte.
Ueberall hoͤrt’ ich von dem Rauben und Mor-
den der zuͤgelloſen Griechen. Jch eilte auf ein
Schiff, landete am Vorgebirge Taͤnaros. Mit
Grauen ſah ich die ſchwarzen ſchaurigen Felſen,
auf deren jaͤhen Gipfeln, wie Adlerneſter, die Doͤr-
fer der Cacovouniotten ſchweben. Die Ungeheuer,
ſagten die Schiffer, haben fuͤrchterlich gehaust. Die
Albanier haben in Miſitra gewuͤthet.
Mich faßte Schrecken. Jch eilte der Heimath
zu, erreichte die Ufer des Vaſilipotamo, und der
Alte ſaß auf derſelben Stelle unter dem Lorbeer
an der Felswand, wie ich ihn einſt getroffen. Jch
flog auf ihn zu. Er ſtarrte mich an. Sein Ange-
ſicht war blaß, das Feuer ſeiner Augen erloſchen.
Er fragte dumpf: Juͤngling, was ſuchſt du
hier?
Troſt, rief ich, Troſt, am Buſen meines Wei-
bes.
Er ſtand auf und fuͤhrte mich zu den Felſen.
Kein Wort kam uͤber ſeine Lippen. Eine ſchreck-
liche Ahnung fuhr mir eiskalt durch die Seele.
Ein Grabhuͤgel war vor der Huͤtte; Roſen,
Akazien und Myrthen ſchlangen ſich um ihn.
Wo iſt Theone? fragt’ ich zitternd.
Der Alte ſah mich an, und ſagte dumpf: Jhr
Leib liegt unter dieſem Huͤgel, ihre Seele iſt bey
Gott.
Jch ſtuͤrzte beſinnungslos uͤber den Huͤgel.
Der Alte hob mich auf und ſprach finſter: Du
kommſt vom Grabe deines Vaterlandes und ver-
zweifelſt am Grabe deines Weibes?
Jch verſtand ihn, aber umſonſt. Vaterland
und Weib waren mir Eins geworden.
Wo iſt mein Kind, rief ich jetzt von neuem
ſchaudernd. Es lebt, erwiederte Hilarion. Caͤcilie
trat aus dem Hauſe, brachte mir mein Kind.
Ach erlaßt mir, zu erzaͤhlen, wie meine Theo-
ne ſtarb! … Albanier mordeten ſie: ich darf, ich
kann nicht weiter ſagen.
Den andern Morgen fand ich den Alten nicht
im Bett. Jch eilte ans Fenſter: er ſaß auf Theo-
nens Grabhuͤgel. Jch ſtuͤrzte auf ihn zu, er hatte
nur noch wenige Kraͤfte: ſein Leben war wie die
balderloͤſchende Lampe.
Jch ſank zu ſeinen Fuͤßen. Er ſprach: Mein
Leben iſt zu Ende. Meiner Traͤume ſchoͤnſter war,
frey zu ſehen mein Vaterland. Aber wo nicht
Einigkeit herrſcht, wo alle ſich nicht opfern fuͤr
Eines, da wird nichts Großes werden. Die Acht
verfolgt dich, mein Sohn. Fliehe aus Griechen-
land. Lebe gar nicht darinn, wenn du nicht frey
darinn leben kannſt. Wand’re nach Deutſchland.
Caͤcilie eilte aus dem Hauſe. Er ergriff ihre
Hand. Auch ſie ſank weinend zu ſeinen Fuͤßen.
Caton, ſprach der Greis, ſey du meiner Tochter
Schutz. Nimm ſie mit dir nach Deutſchland. Jn
einem Gewoͤlb’ unter dem Hauſe findet ihr Reich-
thuͤmer genug, bis ans Ende des Lebens zu gelan-
gen. Gebt euch die Hand.
Dann brach er noch Roſen und Akazien von
dem Grabe, und ſagte, zum blauen Himmel hin-
aufblickend, mit einer Thraͤne: das Leben iſt ſchoͤn
in Griechenland. Dank dir, Gott, daß ich in ihm
ward, in ihm ſterbe. Dann blickt’ er uns noch
einmal liebend an und verſchied.
Wir begruben ihn den andern Tag. Jch oͤff-
nete das Grab und den Sarg meiner Theone. Jch
ſah noch einmal ihren ſchoͤnen Koͤrper. Dann ſchloß
ich ihn auf ewig. Des Nachts brachten wir unſere
Schaͤtze ſammt dem Sarg auf einen Wagen. Zu
Calamata ſchifften wir uns ein.
Mit heißen Thraͤnen ſah ich die ſchoͤnen Ufer
im Meer verſchwimmen, troͤſtete Caͤcilien und hatte
fuͤr mich keinen Troſt.
Unſere Reiſe war gluͤcklich. Wir waͤhlten uns
dieſen Platz und bauten unſere Haͤuſer.
O Kinder, ich konnte nicht leben ohne Begei-
ſterung, und hatte doch nichts mehr, das mich be-
geiſtern koͤnnte.
Mein Schmerz war unermeßlich.
Caͤciliens zarte Seele verſteht ihn: eine wun-
derſame Freundſchaft ſchließt unſere Herzen zuſam-
men, ſeit wir unſer Griechenland verließen. Jn
dieſem Gewoͤlbe betrauert’ ich mein Vaterland und
meine Theone. Jhre Huͤlle ruht im Sarkophage.
Du wuchſeſt auf, liebe Atalanta, und wußteſt
nicht, daß ich dein Vater bin und Griechenland
deine Heimath. Jch wollte dir den Schmerz erſpa-
ren, und lieber eine Mutter dir geben, als einen
Vater. Du ſollteſt, durfteſt es nicht wiſſen. Fra-
ge mich nicht.
4
Jch wollte dir ein Abbild ſchaffen des ſchoͤnen
Landes in unſerm Garten.
Nun weißt du ja, du Liebe, du biſt meine
Tochter, eine Griechinn.
Caton ſchwieg. Wir ſah’n uns an, und ſan-
ken ihm zu Fuͤßen. Er neigte ſein Haupt zu uns
herab, hob uns ſanft auf, ergriff unſere Haͤnde
und legte ſie auf den Sarkophag. Dann blickte
ſein Auge geruͤhrt hinan und er ſagte: Jhr liebt
euch, Kinder, nehmt meinen Segen.
Wir ſanken einander in die Arme, weinten vor
Entzuͤcken.
Spaͤt ſtiegen wir wieder aus dem Gewoͤlbe.
Phaethon an Theodor.
Geſtern waren wir auf der Burg. Atalanta und
ich giengen voraus. Caton und Caͤcilie folgten. Es
war ein heiterer Herbſttag.
Wir wandelten den Waldpfad hinauf, und hat-
ten bald den ſchlanken Berg erſtiegen. Wir irrten
durch’s verwitterte Burggemaͤuer, durch’s zerbroͤk-
kelte, moosbewachſene Ruingeſtein, das innig, wie
Geiſt und Gemuͤth, mit jungem traurig einſamem
Buſchwerk ſich verwob.
Durch halbzerfall’ne Mauerboͤgen und Fenſter-
oͤffnungen blickte der blaue Himmel und die verſil-
berten Fernen, und der Blick ſuchte oft vergebens
die aͤuſſerſten Berge von der gleichfarbigen Luft zu
trennen.
Das weiße, roſenbekraͤnzte Maͤdchen lag an
meiner Bruſt. Jch ſah mit ſtummer Wonne auf
4 *
ſie herab und war entzuͤckt, wie eine ſolche Schoͤn-
heit, eine ſolche Jugend mir am Herzen ruhte.
Caton kam mit Caͤcilien.
Wir ſetzten uns nieder unter einem ſchlanken,
von Epheuranken umſchlung’nen Thurm.
Caton war ungewoͤhnlich heiter und ſagte end-
lich: Wir wollen, liebe Kinder, uͤber Unſterblich-
keit ſprechen. Auf dieſer Hoͤhe, wo wir nichts mehr
uͤber uns ſehen, als den blauen Himmel, in dem
die ungeheuren Welten des Schoͤpfers ſchwimmen,
fuͤhlen wir uns freyer und voller, und es iſt als
ob der luftiggewobene Schleyer um unſere Seele
ſich hinanhoͤbe in weiten, fließenden Falten.
Atalanta ſoll beſtimmen, wer ſprechen ſoll!
Sie ſaß zu meiner Seite und blickte mich lie-
bevoll an. Caton rief: Ja, Phaethon ſoll uns fuͤr
Unſterblichkeit ſprechen.
Nun denn, wenn ihr ſo wollt, ſo erfuͤll’ ich
euern Wunſch, erwiedert’ ich. Aber ihr muͤßt mir
vergeben, wenn ich meinen Worten zuweilen einen
hoͤhern Schwung leihe, wenn ich in Bildern ſpre-
che. Denn ich glaube, ſo will es der Gegenſtand.
Das ſteht zu dir, verſetzte Caton.
Jch hielt ungefaͤhr folgende Rede:
Die Seele, meine Lieben, iſt unſterblich! Jede
Kraft, die durch ſich ſelbſt wirkt und ohne eine
fremde regelnde Kraft ſich ſelbſt bewegt, iſt unſterb-
lich. Denn ſie bewegt ſich ewig und wird nie von
ſich ſelbſt verlaſſen. Dagegen jeder Koͤrper ſterblich
iſt, der nur durch eine fremde Kraft, von auſſen,
Bewegung und eine Art von Leben erhaͤlt, weil
jene fremde Kraft ja aufhoͤren kann, auf den Koͤr-
per zu wirken.
So lehrt uns der goͤttliche Platon.
Vernichtung iſt Aufloͤſung eines zuſammenge-
ſetzten Koͤrpers in ſo viele Theile, daß die Sinne
ſie nicht mehr bemerken koͤnnen. Die voͤllige
Vernichtung aber eines Koͤrpers iſt nicht
denkbar. Die Theile bleiben, wenn ſie auch
nicht mehr bemerkbar ſind, ewig im Raume. Die
Seele aber iſt eine reine, einfache, geiſtige Kraft,
die durch ſich ſelbſt Bewegung und Leben erhaͤlt.
Sie hat keine Theile, iſt ein unzertrennbares Gan-
zes. Wie koͤnnte ſie alſo aufgeloͤſt, zernichtet wer-
den? Wer trennt die reine lodernde Flamme, und
zerlegt ſie in Theile?
Weil die Seele eine unzuſammengeſetzte, durch
ſich ſelbſt bewegte Kraft iſt, ſo hat ſie auch keinen
Anfang, wie ſie kein Ende hat. Laßt mich ſie be-
gleiten auf ihrem Stufengange!
Jn der ganzen Natur iſt eine mit unmerklichen
Sproſſen aufſteigende Leiter zu bemerken. Nichts
bleibt einen Augenblick in derſelben Geſtalt, auf
derſelben Stelle. Zwar ſcheint die Fluth, die ſich
von jaͤhem Felsgeklipp ins Thal ſtuͤrzt, eine ein-
zige bewegungsloſe Waſſerſaͤule, aber es ſind nur
neue Tropfen, die andern ſchnell die Stelle raͤu-
men: die Flamme ſcheint ein unveraͤnderlicher Feu-
erſtrom, aber es ſind nur einzelne Funken, die nur
entſpruͤhen, wenn die andern verloͤſchen. Dieſe
Stufenleiter geht durch’s Reich der Pflanzen, Stei-
ne, durch alle Koͤrper.
Auch im Thier iſt eine einfache treibende Kraft,
die ſelbſtſtaͤndig einen Koͤrper bewegt und waͤrmt.
Durch ein Dreyfaches wird der Menſch zum Men-
ſchen. Er iſt Pflanze, Leben, Seele oder Geiſt.
Das Thier hat wohl das Leben, aber nicht den
Geiſt. Unſterblich iſt der Geiſt, aber auch das Le-
ben iſt es. Darum kann auch das Thier nicht
ſterblich ſeyn. Und waͤr’ es nicht eben ſo ungerecht
von der Gottheit, das Thier im Verhaͤltniß zu uns
in ewiger Niedrigkeit zu halten, als es ungerecht
waͤre, unſer Sehnen nach Gottaͤhnlichkeit nicht zu
ſtillen? Das Leben bildet ſich allmaͤhlig zum
Geiſt herauf, das Thier zum Menſchen, der
Menſch zur Einung mit Gott, dem Geiſte,
der alle Geiſter in ſich aufnimmt.
Die Seele entſteht durchaus nicht erſt, wenn
der Koͤrper entſteht. Jm Mutterſchooß kann zwar
wieder etwas Koͤrperliches, Organiſches entſtehen,
aber nichts Geiſtiges, Einfaches ſich bilden. Denn
wie koͤnnte das Geiſtige aus dem Koͤrperlichen ent-
ſpringen? Und uͤberhaupt kann ja das Geiſtige
nicht entſtehen, weil es die Bewegung nicht von
Auſſen erhaͤlt.
Die Seele ſtammt von Gott. Aus einem uns
unbekannten Grunde, vielleicht zur Strafe, bekam
ſie die Huͤlle des Koͤrpers. Darum ſehnt ſie ſich
ewig wieder nach der Gottheit. Jhr hoͤchſtes Stre-
ben iſt, zuſammenzuſchwimmen mit ihr.
Gott ſelbſt aber iſt ſo wenig zu beſchreiben, als
die Schoͤnheit. Jeder Begriff von ihm iſt ein Un-
ding. Er iſt das in ſich Wahre, Schoͤne und Gu-
te, alles Daſeyns Schoͤpfer, alles Lebens, aller
Liebe Vater, der Geiſt der Geiſter … der Alleinige
ſelbſt, das ἑν α1F50;τω des Platon!
Das ganze Weben und Wirken der Seele auf
dieſer Welt bezieht ſich auf jene ewige Sehnſucht.
Je lebhafter dieſe iſt, deſto mehr befreyt die Seele
ſich von der Herrſchaft des Koͤrpers, deſto beſſer iſt
ſie, deſto naͤher der Gottheit. Ohne dieſe Sehn-
ſucht waͤre das Univerſum ein Traum.
Der Koͤrper ſchließt den Geiſt in ſeine Huͤlle,
wie der Blumentopf die wachſende, keimende Wur-
zel. Jmmer reicher, ſaftiger und voller wird der
Keim und draͤngt ſich am Ende ſiegend aus dem
engen Topfe.
Der Koͤrper iſt wie ein Spiegel, durch den
die Seele alles beſchauen und erkennen kann, aber
nicht unmittelbar, nicht rein und ganz. Einſt
wird ſie, wenn ſie frey iſt, die Dinge ſchauen, wie
ſie ſind, ohne Huͤlle, nicht nur an der Oberflaͤche,
durch und durch.
Auch in der Bildung des Koͤrpers offenbarte
ſich der ſchaffende goͤttliche Verſtand. Er iſt das
ſchoͤnſte, vollendetſte Werk des Schoͤpfers; denn die
Seele iſt ja kein Werk, ſondern entfloſſen aus Gott,
ewig, einfach.
Auch die Aufloͤſung des Koͤrpers geſchieht nicht
ploͤtzlich, ſondern nur allmaͤhlich. Wenn er endlich
ſtirbt, ſo loͤſen die edelſten geiſtigen Saͤfte ſich von
ihm ab, und bilden einen fuͤr uns unbegreiflichen
feinern und zartgewebten Lichtkoͤrper. Denn nicht
mehr das rauhe Element der Erde bildet die Huͤlle,
ſondern das zartere des Lichts.
Aber nicht auf einmal kann die befreyte Seele
nun der Gottheit nahe kommen. Der Abſtand iſt
zu groß. Darum ſchwebt ſie auf eine andere
Welt, wo ſie vollkomm’nerer Wirkſamkeit ſich er-
freuet. Da aber alle Seelen, die in unſerer Welt
waren, einen gleichorganiſirten Koͤrper hatten, ſo
muß auch bey allen dieſelbe Koͤrperaufloͤſung, die-
ſelbe Bildung einer neuen Huͤlle Statt finden. Aus
eben dieſem Grunde kommen ſie auch in die gleiche
Welt. Denn die Abſtufungen von Vervollkomm-
nung unter uns ſind zu gering gegen das Rieſen-
maͤßige des Unendlichen νουν πας ὁμοιος ἐςι ϰαι ὁ ἐλασ-σων. Αναξαγ.. So wandeln wir
von einer Welt zur andern, wie Bienen von Blu-
me zu Blume. Denn unſer Seyn auf die-
ſer Erde iſt ſo wenig ein Leben, als ein
Atom eine Welt.
Wir werden immer reiner und vollkomm’ner,
je naͤher wir der Gottheit kommen, aus der wir
entſtanden ſind.
Alles, was iſt im Weltall, iſt ſchoͤn und gut,
von den Millionen im Aether ſchwimmenden Wel-
ten bis zum Blumenblaͤttchen, das auf einer Spie-
gelwelle ſchwimmt, von der Rieſenſonne, die ihre
Lichtwogen durch den unermeßlichen Raum auf un-
ſere wandelnde Erde ſendet, bis zum einſamleuch-
tenden Weben des Gluͤhkaͤfers auf der daͤmmernden
Nebelhaide. Er iſt ja gebildet vom Geiſte des
Schoͤnen und Guten. Das ganz zu fuͤhlen, das
allein zu fuͤhlen, das iſt das Streben mit dem wir
wandeln von Sonne zu Sonne, von einer Mittel-
ſtraße zur andern, uns vollendend und annaͤhernd
dem Hoͤchſten, in ewiger, ununterbroch’ner Stu-
fenleiter. Unſer Daſeyn entfaltet ſich immer groͤ-
ßer und freyer; unſere Kraͤfte ſchwellen gewaltig
an, und wirken immer mit groͤßerer Staͤrke, ſchaf-
fen und weben immer mit reicherer Fuͤlle. Noch
brauchen wir einen Koͤrper, daß unſer Geiſt nicht
erblinde vom allreinen Licht, von der heiligen, all-
durchdringlichen Schoͤne Gottes. Jmmer reiner
aber wird der ewige zur Reife ſchwellende Geiſt,
immer mehr Feſtigkeit erhaͤlt er durch die in immer
groͤßern Erſcheinungen geoffenbarte Gottheit, immer
rieſenmaͤßiger werden die Fluͤgel, je mehr ſie ge-
traͤnkt werden von der zarten wallenden Morgen-
ſchoͤne des unendlichen Vaters. Unſere Koͤrper wer-
den immer feiner, aͤtheriſcher, farbloſer, reiner,
bis wir endlich gar keine Huͤlle mehr brauchen,
Geiſt und Geiſt mit der Gottheit zuſammenfließen,
und in ihr, im Anſchau’n unſerer Vollkommenheit,
in alle Ewigkeit fortleben.
Jch ſchwieg. Schoͤn! rief Caton. Du haſt
dich gezeigt, wie ich’s erwartete. Schwaͤrmeriſch ..
Aber beſeligend, liſpelte Atalanta, und druͤckte
mir die Hand mit einem Blicke, der mir ihre tiefe
ſchoͤne Seele in ihrer unendlichen Durchſichtigkeit
zeigte.
Caͤcilie weinte, und ſagte endlich zum blauen
Himmel blickend, mit thraͤnenvollem Auge: Jch
werde euch wiederſehen, Vater und Schweſter!
Caton ſah ſie ſchmerzlich an.
Wir ſtanden auf. Atalanta huͤpfte an meiner
Hand den waldigen Bergpfad hinunter. Wir wa-
ren wie Kinder.
Phaethon an Theodor.
Sieh! wenn ſie vor mir ſteht, und ſo ein uner-
klaͤrbar liebes Weſen um Aug’ und Lippen laͤchelt,
wenn ſie mich ſo anſieht, ſo ganz voll Unſchuld,
Liebe, voll graͤnzenloſer Hingebung, das keuſche
Maͤdchen! Bruder! und ich mir denke, wie ein
friſcher ſchoͤner Knade laͤchelt in ihren Armen, ihr
Ebenbild, nur kuͤhner, gewaltiger, wilder als die
ewig ſanfte, laͤchelnde junge Mutter — und der
Kleine die Aermchen nach mir ausſtreckt und ſie
ſelbſt, die Liebliche, mit ihrer Mutterliebe blickt
auf den wilden Knaben an ihrem Buſen, und dann
auf mich … wenn ich dann nimmer kann, und
der Guten, Zarten ihre Lippen kuͤſſe, … der Mutter,
der Keuſchen, die mein iſt … auf ewig mein. .....
Denke dir, was du willſt, da ſtehen mir die
Sinne ſtill.
Phaethon an Theodor.
Die plaſtiſche Vollkommenheit der Formen iſt nur
dann Schoͤnheit, wenn eine Jdee ſie beſeelt.
Wie der Geiſt den Koͤrper, muß eine
Seele die Form beleben.
Die Schoͤnheit muß rein und klar das Geiſtige
gleichſam verkoͤrpert zeigen, wie Waſſer den Him-
mel.
Die wahre Schoͤnheit kann nicht ſeyn ohne
dieſe Einung des Geiſtigen und Sinnlichen. Das
Geiſtige muß auf der Form ruhen, wie befruchten-
der Thau auf der Blume.
Die Schoͤnheit der Form ohne den beſeelenden
Hauch des Geiſtes kann zwar dem Auge, das nicht
eingeweiht iſt, die wahre Schoͤnheit zu erkennen,
eine wahre ſcheinen, aber ſie iſt es nicht.
Wenn ſich aber beydes eint, wie mit einem
weichen Kuß der Liebe, dann entzuͤckt es nicht ſo-
wohl die Sinne, als den Geiſt. Er oͤffnet ſich
dann in ſeiner Fuͤlle, wie die aufgehende Morgen-
roſe.
Die hoͤchſte Eigenſchaft dieſer Schoͤnheit iſt
Reinheit. Sie iſt wie eine weiße, geſtaltete Licht-
flamme. Auch iſt ſie maͤßig bey aller Fuͤlle. Jhr
Auge iſt die unergruͤndbare Tiefe der Seele, das
innigſte, waͤrmſte Leben des Gemuͤths, das Em-
pfindung aus ſich ſendet, wie Lichtſtrahlen die Son-
ne. Der Mund iſt das Geheimniß der Einung
durch den Kuß, und die Strahlen, die durch das
Auge floſſen, quillen aus ihm in dem Augenblick,
wo die Sehnſucht geſtillt wird. Aus dieſer Einung
aber wird ein drittes erzeugt, und der ſchwellende
Buſen iſt die Fuͤlle der Fruchtbarkeit.
Das helle Sonnenlicht drang durch die Fen-
ſter. Atalanta ſtand vor mir. Jch folgte der Na-
tur in der Bildung ihrer Schoͤnheit, und ahmte
ſie nach in ihren fließenden Formen, in ihren Wel-
lenlinien, in ihren zartgehauchten Rundungen, in
ihren wallenden Woͤlbungen. Wie der Schleyer
vom ſeligſten, tiefſten Geheimniß, war die letzte
Huͤlle gefallen, und ihr Buſen quoll, wie zarte
Milch, aus dem dunkeln Gewande. Jhn deckte
halb die Hand und das Auge ruhte jungfraͤulich
verſchaͤmt auf ihm.
Mein Auge zitterte, wie das Auge des Juͤng-
ers, wenn der Schleyer ſich luͤftet vom Allerge-
heimſten, und er mit heiliger Scheu ſich angerei-
het ſieht an die Eingeweihten.
Phaethon an Theodor.
Heut kommt ein Brief: ich erbrech’ ihn. Er iſt
von meinem Fuͤrſten. Er ruft mich zuruͤck. Jch
ſoll die Buͤſte ſeiner Gemahlinn ausarbeiten. Jch
ſoll. .... O ich muß, muß fort!
Am Anfang konnt’ ich’s nicht uͤberdenken. Es
war wie ein betaͤubender Schlag, wo die Beſinn-
ung ſchwindet, und die Seele bewußtlos in ein
dumpfes Starren ſich verliert.
Dann wacht’ ich auf, ſtuͤrzte zu Atalanta,
fiel ihr weinend um den Hals.
Sie erſchrack. Jch gab ihr den Brief. Jhr
großes Auge fuͤllte ſich mit Thraͤnen. Schmerzlich-
liebend ſah ſie mich an, ergriff meine Hand, ſtam-
melte: Phaethon!
5
Jch ſah’s, wie ſie ſich halten, wie ſie mir ih-
ren Schmerz verbergen wollte. Durch ihr Auge
ſprach’s in zaͤrtlichen wunderbaren Schauern. O
die Meine! die Gute!.. Bruder! ſie ſank mir mit
lautem Weinen an mein Herz.
Wir konnten nichts ſprechen. Ein dunkel ge-
wobener Schleyer dehnte ſich um unſer klares Be-
wußtſeyn.
Caton und Caͤcilie traten herein. Sie laſen
den Brief. Caͤcilie druͤckte Atalanten an die Bruſt,
troͤſtete ſie, aber das Maͤdchen weinte immer heftiger.
Caton ſah mich traurig an, druͤckte dann mei-
ne Hand und ſagte: Lieber Freund, wir haben uns
lieb. Du wirſt wiederkehren. Sie bleibt ja die
Deine.
Phaethon an Theodor.
Noch bin ich wie von Sinnen. Es kam zu uner-
wartet. Jch ſaß die halbe Nacht hindurch bey den
drey Saͤulen. Fuͤrchterliche Ahnungen ſtiegen aus
den Schatten.
Sie zu verlaſſen .... Gott! das iſt zu viel
fuͤr mich. Wenn ich des Morgens aufſtehe, laͤchelten
mir ihre Wangen zum Kuſſe, wie die friſche Mor-
genroͤthe: eh’ ich des Abends zu Bette gehe, druͤck’
ich ſie noch einmal an meine Bruſt und blicke mit
ihr zu den Sternen, und danke dem Schoͤpfer fuͤr
unſer Gluͤck, fuͤr unſere Wonne. O ich war wie-
der zum Kind geworden, zum liebenden, geliebten
Kinde, das ſein goͤttliches Daſeyn kaum fuͤhlte
vor ſeiner Trunkenheit, ſeiner lautern, innigen Be-
geiſterung.
5 *
Und das alles nun voruͤber!.. Jch werde un-
ter fremden Menſchen wandeln, die mich nicht lie-
ben, die ich nicht lieben kann. Kein Blick aus ih-
rem Auge ſtaͤrkt mich mehr. Kein Haͤndedruck,
kein Kuß!
O Theodor! nicht beten, nicht weinen mehr
mit ihr.....!
Bruder! die Blaͤtter fallen ſchon vom Baume.
Der Wanderer tritt uͤber ſie. Auch mein Herbſt iſt
da, aber ich aͤrndte keine Fruͤchte; ich ſehe nur
dem Winter in’s bleiche verglommene Auge.
Jch will nicht weiter ſchreiben. Du faſſeſt
doch nicht, wie mir iſt!
Phaethon an Theodor.
Uebermorgen iſt meine Abreiſe beſtimmt. Mir iſt
fuͤrchterlich bang darauf.
Atalanta iſt wie ein and’res Weſen. Jhr An-
eſicht iſt blaß, wie der Mond. Sie weint faſt im-
mer und ſpricht wenig. Aber in ihrem Auge
ſchwimmt der ganze Schmerz ihrer Seele. Sie
ſcheint ihn mit Gewalt zu unterdruͤcken. Nur
manchmal bricht er hervor in heißen Thraͤnen,
wenn ich zu wild bin und die Bebende ans Herz
preſſe. Caton iſt wenig um mich.
Alles zu verlaſſen! .... Das alte Mauſo-
leum .. das Schloͤßchen .. die drey Saͤulen … den
Tempel des Eros … den heitern See .... meine
Polyxena … Caton, Caͤcilia … und ſie, ſie! Ach
Theodor! das kann ich nicht denken! auch ſie! mein
Leben, meinen Himmel!
Menſchen, die mich nicht kennen, nicht lieben,
nicht verſtehen .... O da ſteh’ ich ſtille!
Das Woͤrtchen: Tod. war fuͤr mich
Unſinn! Aber nun.. o!
Reiße mich los von Gott, wie von
ihr, dann bin ich — todt!
Phaethon an Theodor.
Die Sonne gieng auf. Heut iſt der Abſchiedstag.
Morgen vor Tagesanbruch reit’ ich vom Schloſſe
weg. O Theodor! bete fuͤr mich!
Den Abend ſaßen wir noch beyſammen, und
ſprachen von all’ den Freuden, die wir genoſſen in
der Zeit. Naͤher und immer naͤher kam die Stunde
des Abſchieds. Jch ergriff Atalanta’s Hand und
zog ſie mit mir hinaus ins Freye.
Der Himmel war mit Sternen uͤberſaͤ’t. Mein
Jnneres war uͤbervoll von der Empfindung der
Stunde: mein Auge irrte wild umher auf den Ge-
ſtalten der Nacht. Zwiſchen den drey Saͤulen blink-
te der Abendſtern in mattem ſchwankendem Licht.
Alles ſchwieg: nur der leiſe Windhauch ſpielte mit
den Blaͤttern des Roſengebuͤſches, und erklang,
wie die Erinnerung geſchwundener Abende, vor
meinen trunkenen Sinnen. Atalanta gieng mir
zur Seite.
Auch wir ſchwiegen lange. Nur manchmal
bebten unſere Lippen: gedenke mein! und dann
zerfloſſen die Worte wieder in die Thraͤnen unſers
Schmerzes.
Da begann ich endlich: O blicke hinauf, Ge-
liebte! hinauf zum geſtirnten Himmel. Da wan-
delt der Schoͤpfer unter den Sternen, wie der
Gaͤrtner unter ſeinen Blumen. Er iſt die ewige
Liebe. Gott iſt die ewige Liebe. Atalanta! denke
dieſen erhab’nen Gedanken. Er iſt das ewige, un-
erklaͤrbare Weſen, das jene ſchweren Rieſenwelten
durch die Unendlichkeit geſtreut hat, wie leichten,
zarten Samen, das ſie aus dem Elemente rief,
werden ließ und geſtaltete! Wenn die Morgenſonne
mit ihrem Hochroth uͤber den gluͤhenden Huͤgeln
ſchwebt und durch die Eichenwipfel quillend unſere
Haͤupter beſcheint, wenn dann alles ſtille wird, ein
hohes, feyerliches Gefuͤhl unſern Buſen ſchwellt
und wir zu vernehmen glauben, ein dunkles Et-
was wehe mit ſeinem beſeligenden Geiſte daher uͤber
Wieſen und Gruͤnde, Waͤlder und Berge, und alles
gluͤhe, lebe und oͤffne ſich bey ſeinem allbelebenden
Hauche … er iſt’s, der Gott der Liebe iſt’s.
Wir wandeln auf ſeiner Erde, die Abbilder ſeiner
Schoͤnheit und Fuͤlle und liebend druͤckt er uns taͤg-
lich an ſeinen Buſen. Er kuͤßt uns, der unſicht-
bare himmliſche Vater, mit dem Strahle des Mon-
des und der Sonne die Wangen, wie ſeinen gelieb-
ten Kindern. Er ſpricht aus jeder Blume zu un-
ſerm Herzen im Geiſte ſeiner Maͤßigung und Groͤße.
Ja, ſagte Atalanta, wir wollen nicht mehr
weinen. Er iſt ja unſer Vater, wir ſind ſeine
Kinder. Wer iſt es, Phaethon, der unſere
Herzen fuͤllte mit dieſem uͤberſchwaͤnglichen Ge-
fuͤhl, mit dieſer heilig gelaͤuterten Flamme?
Jſt es nicht Gott, der ſich regt in uns, wenn un-
ſere Seelen beben vom Hauche der trunkenen Ahn-
ung, und ſtreben nach einem unerklaͤrbar ſeligen
Etwas, und dann in einander ſchwimmen, wie
quillende Lichter, iſt es nicht Gott?
Gott … ſtammelt’ ich weinend und durchſchau-
ert von ihrer Heiligkeit.
Wenn zwey Herzen ſich einen, Phaethon, fuhr
ſie fort, dann ſteigen ſie auf, wie Weihrauchſaͤulen
zu Gott. Wir ſind nur in Gott, wir lie-
ben nur in Gott. Wir ſind Eins mit ihm,
wenn unſer Auge ſich trifft und unſer Verlangen
ſich ſtillt: Dann ahnen wir ihn nicht mehr: wir
ſehen ihn in ſeinem innigſten, gluͤhendſten Weben.
Er iſt’s, wenn unſere Lippen im Kuß an einander
beben, er iſt der Kuß ſelbſt. Er iſt die Thraͤne,
die in unſerm Auge zittert, wann wir fuͤhlen, wie
wir uns lieben.
Wir muͤſſen uns trennen, Geliebter. Aber
wir lieben uns ja in Gott: wir finden uns auch
wieder in ihm. Darum iſt unſere Trennung nur
ſcheinbar, wir ſind ewig in einander, ewig Eins,
wir ſind Eins in Gott! Wenn du des Nachts durch
die ſchweigenden Fluren wandelſt und den Mond
am Himmel blinken ſieheſt, und die heilige Stille
dich umwaltet, dann denk’, auch ihr Auge blickt ja
empor, voll Thraͤnen, auch um ihre Lippen ſpielt
ſein beſcheidenes Licht, wie um die deinigen: dann
wirſt du mich finden im Licht des Mondes: wir
werden Eins ſeyn in ihm: unſer Sehnen wird ſich
kuͤhlen und ſtillen in ihm, und du wirſt deine Liebe
erkennen im Geiſte der Natur, die um dich liegt,
zu der ich gehoͤre, wie du, und du wirſt dann ſtille
werden und die Thraͤnen trocknen und glauben, ich
lieg’ an deinem Buſen.
O Atalanta! … Geliebte! rief ich halb wahn-
ſinnig und ſtuͤrzte mich ihr zu Fuͤßen: vergieb mir,
Heilige! den Schmerz meiner Seele!
Da ſank auch ſie auf ihre Kniee und betete
mit gefalteten Haͤnden: du Gott, unſer liebender
Vater, wir fuͤhlen deine Naͤhe!
Dann blickte ſie mich an — die ganze Fuͤlle
des Himmels quoll in ihrem Auge ...... und
ſprach: Mein Herz iſt rein und keuſch, o Gott!
wie das Blau deines Himmels, wie die Blumen
auf deiner Erde! Juͤngling, bleib’ auch du
rein, dann finden wir uns wieder in
Gott!
Sie konnte nicht mehr, ſank an meine Bruſt;
wir lagen ſtumm an einander in Einem gluͤhenden
Kuſſe, tranken unſterbliche Wonne aus unſern Lip-
pen. Unſere Seelen ſtiegen aus der Huͤlle, wie
der reine koͤrperloſe Duft aus der Blume. Wir
ſahen nichts mehr, hoͤrten nichts mehr, die Sinne
ſchwanden uns: unſere Entzuͤckung war zu groß.
Wir erwachten aus der Betaͤubung, hoben uns
auf.
Wir wandelten zuruͤck. Mein Auge wandte
ſich nicht vom Himmel: ich traͤumte, wir wandeln
ſo, Arm in Arm, von Stern zu Stern, durch die
weite unermeßliche Schoͤpfung Gottes.
Nun ſtanden wir vor dem Hauſe. Da fuͤhlt’
ich ganz .... ganz den Schmerz der Trennung.
Sie ſchwieg. Aber ich wußte doch, wie’s in ihrem
Herzen ſchwoll.
Wie wir uns trennten, Theodor, ich weiß es
nicht. Nur das weiß ich, daß wir uns noch ein-
mal am Buſen lagen. O Lieber! wie ſie weinte!
wie ſie weinte!
Kaum war ich wieder auf meinem Zimmer,
ſo traten Caton und Caͤcilie herein. Der Vater
meiner Atalanta druͤckte mich warm aber gefaßt
an ſeine Bruſt, zog mich ans Fenſter, und ſagte-
voll wunderbarer Jnnigkeit:
Freund! ſchone ſie! ſolch’ ein uͤberſchwaͤng-
liches Gefuͤhl, wie das ihre zu dir, begreift in ſei-
ner Unausſprechlichkeit nicht ein Menſch auf Erden.
Es iſt nicht Liebe, was ſie fuͤhlt … wenn ſie mit
Geiſt, Seele, Gemuͤth in dich verſchwimmt …
nenn’s wie du willſt. Du findeſt keinen Namen.
Ein Hinaufſchauern zu Gott mit dir iſt all’ ihr
Weſen. Daß ob dem Geiſte nur der junge ſchoͤne
Koͤrper nicht leide! O ſchone ſie!
Jch verſtand ihn. Sie war vor mir in ihrer
ganzen Heiligkeit, in ihrer ganzen, unendlich durch-
ſichtigen Seele .. Alles, alles Seele! Die Worte
ſchwanden mir: meine Thraͤnen ſprachen!
Nun ſitz’ ich allein beym Schein der Lampe an
meinem Tiſche. Meine Seele iſt zu voll .... O
ſchone ſie! ....
Lebe wohl, Theodor, mir ahnet, als ob ich
dir nie mehr ſchriebe von hier.
Phaethon an Theodor.
Von einem Dorf aus ſchreib’ ich dir, mein Lieber!
das zwey Tagreiſen entfernt iſt von Caͤciliens
Schloſſe.
O ihr Traͤume, ihr ſeligen Traͤume von ewig-
er Wonne, die ihr mich umquollet, wie der Kuß
des Mondlichts, warum ſeyd ihr entfloh’n, wie
weſenloſe Dunſtgebilde? ach! warum ſo bald ent-
floh’n?
Man weckte mich. Jch kleidete mich an. O
Gott, mit welcher Empfindung! Dann blickt’ ich
noch einmal die dunkeln Haͤuſer an, wo die Ge-
liebte ſchlummerte.
Es war ſo ſchaurig ſtill umher. Jedes verwe-
hende Ach waͤre hoͤrbar geweſen.
Lebe wohl, Geliebte! lebe wohl, rief ich noch
einmal in heißen Thraͤnen, ſchwang mich auf’s
Pferd und flog zum Hofthor hinaus.
Nach und nach ward der Oſten von daͤmmern-
dem Blaßgelb umſaͤumt. Die Nacht war nicht
mehr ſo grauſig ſtill. Ein Vogel ſang hie und da
ſein Morgenlied auf einem Zweige.
Mit jedem Schritte ward’s mir ſchwerer um’s
Herz. Eine namenloſe Gewalt zog mich zuruͤck.
Vielleicht, dacht’ ich, ſchlaͤgt ſie nun die Augen
auf, und .... weint!
Die Morgenglocken vom Dorfe klangen her-
uͤber mit ihren wohlbekannten Toͤnen durch die Stille.
Da gieng die Sonne auf und ſchwebte, wie
ein glutrother Flammenball, in ihrer ganzen uner-
meßlichen Groͤße hinter grauem, am Horizont gela-
gertem Dufte. Der truͤbe, duͤnngewobene Schleyer
des huͤllenden Morgennebels verbarg die ferne Land-
ſchaft dem Blick.
Jch war auf einem Huͤgel, wo auf dem ein-
ſam verlaſſenen Boden alte breitaͤſtige Eichen und
einzeln ſtehende Tannen dunkelſchattend in großart-
igen Gruppen dem Aug’ entgegentraten.
Die dichten, mit Gezweig vermaͤhlten Baͤume
breiteten einen ernſten, hellgrauen Schatten umher
und die Sonne goß durch die Aeſte zitternd mit
mondaͤhnlicher Beleuchtung einen ungewiſſen Licht-
ton uͤber die ſaftgruͤnen Wieſengruͤnde.
Durch die Eichenblaͤtter fluͤſterte der wallende
Windhauch, wie Kuͤſſe der Liebe.
Jch ſtieg ab, blieb lange ſitzen auf einem
Stein, und weinte wie ein Kind. Wohin ich kom-
me, wußt’ ich nicht, aber woher? ach das fuͤhlt’
ich nur zu lebhaft.
Bruder! ich kann dir dieſes Gefuͤhl nicht ſchil-
dern. Die Welt war mir anders, ich hatte mich
ſelbſt verloren.
Der Morgennebel ſchwand nach und nach und
die Sonne verſilberte den verklaͤrten Himmel mit
milchweißen Feuerſtrahlen. Es war, als ob der
Herr durch das Silbermeer in edler ſtiller Majeſtaͤt
nach geoͤffneten Himmelsthoren ſich enthuͤllte und
mittheilte, und um ihn ſelige Geiſter und Engel
ſchwebten, wie ausfließende Lichtſtrahlen ſeiner
graͤnzenloſen Herrlichkeit. Mein Schmerz aber blieb
in meiner Bruſt.
O wenn ich in die Zukunft blicke, da klingt’s
mir, wie eine Ahnung: Das werd’ ich nicht uͤber-
leben. Mein heißes Herz wird ſich verbluten.
Phaethon an Theodor.
Schon ſeit einigen Tagen bin ich in der Stadt.
Die Fuͤrſtin iſt mir geſtern geſeſſen. Es iſt eine
Frau von vieler Bildung, aber wenig Jnnigkeit
und warmem Gefuͤhl.
Man zieht mich in vielfache Zerſtreuungen.
Aber es iſt doch umſonſt. Die Welle ſchlaͤgt an
den ſtarren kalten Felſen, aber ſie wogt ihn nicht
dahin, ihr Andrang macht nur ein grauſig Getoͤſe.
Viele Menſchen ſind um mich, aber wenige,
denen ich mich naͤhern mag. Da iſt niemand, der
mich verſtuͤnde, meinem Herzen in ſeinem Erguß
entgegen kaͤme, von dem’s wieder zuruͤckklaͤnge in
mein Jnneres.
Und doch haͤtt’ ich ſo noͤthig, mir Troſt zu
ſaugen von eines Freundes Lippen! O ich haͤtt’ es
ſo noͤthig!
Es erkrankt ſo nach und nach, mein Herz,
und ſchwindet dahin in ſeiner eigenen Fuͤlle.
6 *
Phaethon an Theodor.
Es iſt ſchrecklich, wie wenig die Menſchen Theil
nehmen an einander … Gluͤckliche und Ungluͤckli-
che, Lachende und Weinende … nirgends ein Blick
aus reinem uneigennuͤtzigem Herzen … keine Tu-
gend geliebt um ihrer ſelbſt willen .... alles nur
Eitelkeit und Selbſtliebe. Jeder geht nur ſeinen
eig’nen Weg, und nach dem Schmerz des Bruders
fragt er wenig.
Und jene allwirkende Verbindung von Verſtand
und Gemuͤth, wie iſt ſie ſo ſelten! Das Herz, das
warme, jugendliche, muß um den Geiſt ſich ſchling-
en, wie Roſen um die ernſte Stirne eines Greiſen,
wie zarte junge Akazienblaͤtter um graue unerſchuͤt-
terliche Mauern.
Der Verſtand ohne Herzenswaͤrme macht un-
ertraͤgliche Pedanten, das Herz ohne den ernſten
Blick des Verſtandes wird zur Schwachheit.
Mich halten ſie fuͤr einen Schwaͤrmer und
Sonderling. Der eine laͤchelt, der andere ſpoͤttelt
und wieder einer ruͤmpft bedaͤchtlich die Naſe.
Und ich moͤchte doch alle umfaſſen, alle lieben!
Jch ſtand geſtern ſo vor einem Menſchen, der
redlich und brav vom Morgen zum Abend arbeitet
und ſich erſtaunlich viel zu machen weiß aus dem
bischen Gelehrſamkeit, das er mit Muͤhe zuſam
mengeſcharrt. Jch wußte von ihm, er habe noch
nie geliebt, und .... laͤchle nur! ich ſah den Men-
ſchen an mit einer ſeltſamen Bewegung: ich wun-
derte mich, daß der Arme nur ſtehen koͤnne ohne
Liebe, und er glaubte gar, er ſey vergnuͤgt.
Das lern’ ich einſeh’n, es kann keine Allge-
meinheit mehr geben in unſerer Zeit: jeder Verſuch
iſt vergebens. Darum iſt es das Kluͤgſte, den
Schmerz in die Bruſt zu preſſen und zu wirken
fuͤr ſich und andere, ſo viel als moͤglich.
Lieber, es giebt Dinge, die das innigſte Hei-
ligthum unſerer Seele ſind und Werth und Gehalt
verlieren, wenn man ſie ausſpricht. Drum laß
mich ſchweigen. Nur das!
Laͤnger kann’s doch nicht mehr ſo dauern. Jch
glaube, unſere Zeit ringt mit einer ſchweren großen
Geburt; es werden unſere Umſtaͤnde ſich umgeſtal-
ten, und neue Bahnen einer angemeſſener’n Wirk-
ſamkeit eroͤffnen den Vielen, die jetzt nicht wiſſen,
wo aus noch ein!
Phaethon an Theodor.
Sieh! das Sehnen, das unausſprechliche Sehnen
in meiner Bruſt kannſt du nicht begreifen! Auf
dem Gipfel eines hohen Berges lieg’ ich halbe Tage
lang .... unter mir die Erde mit ihren Waͤldern,
Wegen, Bergen und Doͤrfern, ſo rein, ſo keuſch,
die ewig junge, liebende! der blaue Himmel uͤber
mir! … die fernen Berge ſo wunderzart in blaſſen
Duft gehaucht .... die Vergangenheit wie ein wei-
nender Engel, mit ihrem lieben Munde mir die
Wangen kuͤſſend … all’ ihre Bilder und Farben …
die Zukunft im Spiegel meiner Ahnung, wie ein
Regenbogen in den ſonnenhellen Thraͤnen meiner
Wehmuth glaͤnzend … da lieg’ ich, nur ſo ein
kleines Maͤnnchen! und doch meine Wuͤnſche, mei-
nen wundgeweinten Blick von den ragenden Hoͤhen
hinuͤber ſtreckend in die ungeheuern Fernen, wo ſie
lebt, die Liebe, Gute .... ahnend, durchſchauert
von Schmerz und Wonne .. mich fuͤhlend als das
wunderbare Kind der Natur .... ſo ganz zerfließ-
end in Eins .. in Ein Sehnen nach ihr … O
Theodor, Theodor! ich gehe zu Grunde.
Phaethon an Theodor.
Jch bin ſo empfindlich, ſo verletzbar. Das macht
mich ungluͤcklich unter den Menſchen. Wohin ich
mich bewege, ſtoß’ ich an, und das ſchmerzt, und
wird nach und nach zu Einer großen, vielleicht un-
heilbaren Wunde.
Jch weiß nicht, iſt’s meine Schuld oder der
Menſchen. Jeder nimmt mich nur theilweiſe,
nimmt mich nicht ganz: darum bin ich jedem ein
anderer und keinem der wahre, der ganze.
Jch wuͤrde verzweifeln in dieſer Zeit: aber ein
unendlich ſeltſames Etwas fuͤhl’ ich quillen aus dem
Tief-Jnnerſten, aus dem Geiſte ſelbſt, aus dem
Mittelpunkte meines Weſens, und gruͤnden und
bilden aus all’ der Fuͤlle eine ſelige Einheit, ſchaf-
fen und ordnen darinn, und erzeugen ein volles,
jugendlichſtrebendes Bewußtſeyn.
Jch blicke dann in mich ſelbſt zuruͤck, ver-
ſchwimme trunken in meiner eigenen Tiefe, fuͤhl’ aus
der erſten Quelle mein Jch, mein Seyn, fuͤhl’ es im
Anſchau’n einer ſelbſtgeſchaffenen Welt, im Buſen.
Das, Bruder, das iſt ſo etwas Rieſenhaftes, die-
ſes in ſich ſchauen, dieſes in ſich verſchwimmen,
das muß die Wonne der Gottheit ſeyn.
Jch kann’s nicht leugnen, ich bin ſtolz. Jch
fuͤhle lebhaft in mir etwas Urſpruͤngliches, Unge-
ſchaffenes, Unzerſtoͤrbares, etwas Unabhaͤngiges,
das ſich genug iſt in ſeiner eigenen Fuͤlle, waltet
und herrſcht, etwas das ewig anſtrebt, voll Kraft
und innerer Staͤrke, etwas .... Goͤttliches.
Das fuͤhlen alle die Vielen nicht, die ſich weg-
werfen und kruͤmmen, ſey es vor Gott oder Men-
ſchen.
Jch laſſe alle Kraͤfte meines Jnnern wogen
und walten, ſich anſtrengen und erneuern. Aber
ich geſteh’ es mir ſelbſt, ich halte ſie nicht in
Zucht, im Gleichmaaß.
Meine Seele hat Freyheit, kann waͤhlen nach
Gefallen, und richten, unmittelbar, aus eigener
Quelle, uͤber Seyn und Nichtſeyn. Das iſt das
Goͤttliche in mir, der unveraͤnderliche Wille, zu
waͤhlen zwiſchen Gutem und Boͤſem. Das iſt die
hohe ewig lebendige Liebe. Jch fuͤhle, ich bin, bin
Menſch!
Ueberall iſt Leben und Waͤrme; ich gebe Leben
und nehme Leben. Wie unendlich viel Schoͤnes
und Gutes um mich, wie viel tauſend zum Genuß
einladende Dinge! und … ich kann’s doch nicht
mehr recht genießen. Einſt hab’ ich alles gewagt,
alles gepflegt und genoſſen, ich hab’ auch geduldet,
o uͤberſchwaͤnglich viel geduldet. Nun iſt’s aus ....
aus, Bruder! Durch alle meine Nerven, meine
Muskeln klang es einſt, lebe, genieße! die Stimme
ſchweigt: ich harre vergebens auf ſie. Jch ſehne
mich nach ihr, weine nach ihr, aber ſie … ſchweigt.
Die Blumen meiner Kindheit ſind wohl noch,
bluͤhen immer noch, aber ich kann, ich darf ſie
nicht pfluͤcken. Jch ſog einſt meinen Muth, Glau-
ben und Vertrauen aus ihren Kelchen: mir fehlt
nun der Sinn fuͤr ihren Geruch.
O ſieh! nicht das Untergehen fuͤrcht’ ich, aber
jenes Dahinſchwinden, jene allmaͤhlige Aufloͤſung,
jenes Verdorren und Vertrocknen. So mit einmal
aus den Wurzeln geriſſen werden .... mit einem-
mal .... das moͤcht’ ich lieber!
Die Menſchen ſind mir viel zu altklug, haben
viel zu wenig Kinderſinn. Das Friſche, Jugend-
liche, die Einfalt iſt doch mehr, als all’ das ver-
drießliche Fortſchlendern, das in einander Greifen
von tauſend verwobenen Sitten und Gebraͤuchen.
Das iſt die hoͤchſte, die alleinwahre Tugend,
die unmittelbar aus dem Jnnern quillt, ohne Ge-
ſetz und Vorſchrift, ohne Buchſtaben und Wort,
mitten aus dem Geiſte, durch ſeine eigenthuͤmliche
Kraft, durch die Stimme des Goͤttlichen in ihm.
So geradezu handeln, wie’s einem der Geiſt ein-
giebt, dem innern Drange folgen und dem unver-
dorb’nen Sinn und Herzen, das gefaͤllt mir, und
das thun die Kinder.
Jch hab’ auch ſo einen Knaben um mich. Du
ſollteſt den Jungen ſehen mit ſeiner vollen Trau-
benwange, ſeinem Feuerauge, ſeinen langen blon-
den Locken.
Oft wandl’ ich an ſeiner Hand durch ſtille
gruͤne Wieſen; der Kleine vergnuͤgt mich mit tau-
ſend ſonderbaren Fragen, die ich oft nicht zu beant-
worten weiß. O dieſes Schaffen und Treiben,
dieſes Hinanſteigen von der Folge zum Grund, iſt
dem Menſchen ſo eigen! .... Und wenn dann das
blaue Gebirge vor uns daͤmmert, woruͤber ich her-
kam, Theodor! da wird alles, jeder Pulsſchlag
wird zum Schmerz, zu einer unuͤberwindlichen
Sehnſucht, die mich hinuͤberzieht uͤber alle Fernen
zu ihr. Jch blicke dann hinaus mit blutendem
Herzen, und preſſe den Knaben an mich und ſeuf-
ze: waͤrſt du mein, waͤre ſie deine Mutter …! o
ich vergehe uͤber dem Gedanken!
Und wenn des Nachts der Mond am Himmel
iſt, dann wandl’ ich hinaus allein ins Freye. Das
magiſche Licht und die rieſigen Schatten … das
Zuſammenſchwimmen der Bilder und Geſtalten im
Duft .... die zitternden, funkelnden Wellen im
Lichtregen .... das geheime tiefe Rauſchen und
Wogen durch Blaͤtter und Aeſte … der Mond uͤber
den alten Eichenkronen ſchwebend .... der hohe
feyerliche Geiſt uͤber der Gegend wallend, .... die
Ruhe und Bewegung, die Kinder ſeines Hauches ..
das Licht im Waſſer und das Leben und Regen in
den Pflanzen .....
Und dann die Welten, wie ſie wandeln in
ihrem Rieſengange, zuſammenſchwimmen, wie
bleiche Milch, wie unausſprechliche zerfließende Reg-
ungen unſerer Sehnſucht .... Ein blaſſer Nebel
die unendlichen Koͤrper der Schoͤpfung … daͤm-
mernd, wie Traͤume von Blumen .... in ewigem,
unveraͤnderlichem Schwung … alle, alle! ſchneller
als Gedanken, geworfen und geſchleudert aus der
Hand des ordnenden allwaltenden Geiſtes .... Kin-
der des Unermeßlichen … dieſe Fuͤlle, dieſe Groͤße,
und doch dieſe Ahnung .....!
Atalanta, da weiß ich mich nicht zu faſſen.
Jch verliere mich ſelbſt: ich kann die Ordnung der
Welten nicht begreifen … ſie wirbeln unter einan-
der … Millionen und wieder Millionen Sonnen …
ich hoͤre das Sauſen und Droͤhnen ihres Schwung-
es, das Donnern ihres Zuſammenſtoßens .... alle
wanken und zittern, erloͤſchen, zertruͤmmern ſich …
alles, alles im Wirbel .... alles aus Schranken
und Fugen … die ganze Schoͤpfung … Ein Klang,
Ein Krachen, Ein Knarren .... uͤber mir! unter
mir!
Wo bin ich, Atalanta, du Ueberſchwaͤngliche?
ich bin nicht mehr, ich fuͤhle nicht mehr; aus ....
aus! die Schoͤpfung, das Daſeyn aus! … Das
All ein Nichts .....!
Atalanta an Phaethon.
Warum dieß fuͤrchterliche Gluͤhen? dieß verwirrte
innerliche Beben? dieſer Abfall von der Natur?
O du, den ich liebe, mit dir iſt’s weit gekom-
men. Phaethon, mein Auge fuͤllt ſich mit Thraͤ-
nen, mit Thraͤnen fuͤr deine Seele!
Warum haſt du den Weg verloren? O Phae-
thon, dachteſt du denn nicht an mich?
Jch ſah dich und bebte. Wie eine Erinnerung
aus den Tagen eines ſchoͤneren Lebens, wie die Er-
fuͤllung einer ſeligen Ahnung, war der Blick deines
Auges.
Da ſchwammen wir zuſammen, Seele mit
Seele, Geiſt mit Geiſt, ſchauernd in Wonne! Du
fuͤhlteſt, du lebteſt in mir, und ich in dir. Unſer
Daſeyn war verſchmolzen, uͤber und uͤber getaucht
in uͤberſchwaͤngliches Entzuͤcken, wie zuſammenge-
floſſene Woͤlkchen ins gluͤhende wallende Meer der
Abendroͤthe.
Du fuͤhrteſt mich mit dir fort, die Bebende,
wie der kuͤhne Adler die zarte Taube. Jch folgte
dir und ſchwindelte nicht.
Mein Jnneres entfaltete ſich, wie der lebens-
reiche geſchloſſene Blumenkeim, an deinem Buſen,
Geliebter, an deinem Munde! Du dachteſt und
ich fuͤhlte, du dachteſt und ich ahnte. Du warſt
der ſchaffende kraͤftige Sinn: ich war, voll erwie-
dernder Liebe, voll Willen und Neigung, die Ueber-
legung, und aus uns entſproſſen, wie heitere laͤ-
chelnde Kinder, die Weisheit und Tugend.
Jch hieng an dir mit einem Buſen voll Liebe,
wie Jmmergruͤn um ſonnige Felſen, und wir
ſchwaͤrmten, wie jugendliche Sommervoͤgel, um al-
les Gute und Schoͤne, und ſogen jene Fuͤlle dar-
aus, jene allbeſeelte Jnnigkeit, die ſo lebendig
macht, ſo offen fuͤr jede Stimme der Gottheit in
uns und außer uns.
Unſer ganzes Weſen war Andacht. Wenn wir
wandelten in der Natur, unſer Jnneres ſo wogte
7 *
und doch ſo tiefbeſeligt war, aus Baͤumen und
Blaͤttern, Blumen und Graͤſern, aus Wellen und
Wolken nur Eines uns uͤberquoll, der Geiſt der
Gottheit in ſeiner ſtillen ruhigen Groͤße, außer uns,
in uns alles ſo innig war, ſo warm und ſo voll ..
ſo Vieles und das Viele nur Eines … dieſe Fuͤlle
und doch dieſer ſelige Gleichklang … ewiger Fruͤh-
ling, ewige Jugend ..! o das war ſchoͤn!
Ordnung uͤberall und Uebereinſtimmung! Und
du haſt das geheimnißvolle Band aus dem innern
Auge verloren, das dieſe Manigfaltigkeit zur Ein-
heit bringt? Ueberall Leben und Liebe! Du allein
biſt ohne Glauben, Hoffnung und Zuverſicht?
Hab’ ich die Kraft verloren, dich gluͤcklich zu
machen?
O warum dieſe verzehrende Gluth, dieß be-
taͤubende Sehnen? du biſt ſo unruhig geworden, ſo
wild in der Ferne, und meine Seele liebt dich doch
mit ſo viel Frieden, ſo viel Ruhe, und doch ſo
viel Staͤrke.
Die hoͤchſte Liebe iſt wie das Schwei-
gen der allbeſeelten, ſtummlebendigen
Natur .... tief und ruhig, wie das klare
unermeßliche Meer, ewig … unergruͤnd-
lich … unausſprechlich!
Ahneſt du das nicht in ſtillen Naͤchten, wenn
du allein biſt, und doch ſo warm dich geliebt fuͤh-
leſt, ſo innig gedruͤckt an den Mutterbuſen der
Natur.
Die Schoͤpfung iſt wie ein ungeheurer Baum,
der ewig ſich gleich bleibt. Auf ihm bluͤhen, wach-
ſen und welken die Welten, ſie gluͤhen im dunkeln
Raume, wie freundliche, goldene Fruͤchte im dun-
kel ſchwellenden Laube. Unter ihm wandelt Gott.
Sein Geiſt durchſaͤuſelt den Baum und ſtaͤrkt und
erhaͤlt mit Liebe die Fruͤchte. Sagen dir das nicht
die Sterne des Himmels?
Lieber! o wie machſt du mir bange? Wie
moͤcht’ ich um dich ſeyn, dich zu ſchuͤtzen, in Liebe
zu erhalten. Gedenkſt du der Nacht, wo wir uns
gelobten, uns zu ſuchen im Mond, dem keuſchen
Bilde der ruhigen, unveraͤnderlichen Gottheit? O
geliebter Juͤngling, warum vergaßeſt du denn den
heiligen Schwur?
Die drey Saͤulen ſind verlaſſen. Einſam ſteht
der geliebte Homeroskopf, wo jene Fuͤlle der Ge-
ſichte, wie zartbewegtes Laub, um uns ſpielte.
Nur im Tempel des Eros ſitz ich oft einſam und
lange, und weine, … weine um dich! Da ſchwe-
ben zu mir heran die Geiſter geſchwundener Stun-
den. Die Vergangenheit nahet an der Hand der
Erinnerung, wie ein weinendes Kind am Arme
der Mutter, und dein Bild, dein Weſen begegnet
mir, wie das Wehen zarter Lindenbluͤthe.
Oft bin ich heiter. Mein Schmerz iſt ſo ſuͤß.
Natur .. Gott .. Unſterblichkeit .. Liebe! alles wird
mir Eins .. Ein uͤberſtroͤhmendes Gefuͤhl! Ein
tiefer, ſich ſelbſt ſtaͤrkender Sinn!
Caton iſt wieder ſtill geworden, aber ohne
Schmerz. Nur manchmal wird er off’ner und ver-
klaͤrter, wann wir des Abends von Griechenland
ſprechen. Dann blickt er oft lange ſtumm in Caͤci-
liens Auge, ſeufzt und ſchweigt. Oft mahnen ſie
ſich auch an die Tage, wo ſie am Eurotas lebten.
Jch werde dann ſtill und immer ſtiller und weiß
nicht warum? Er iſt ſo ernſt, ſo groß. Sein
Schweigen iſt ſo tief.
Lebe wohl, Phaethon! Lege meine Worte in
deinen Buſen!
Ruhe kehre dir von oben, Friede von Gott!
O kein Maͤdchen hat inniger, heißer geweint um
den Geliebten, als das deine um dich.
Gedenke meiner, Phaethon! gedenke jener
Nacht, wo wir uns trennten!
Phaethon an Theodor.
O Theodor! Freund meiner Jugend, es iſt weit
mit mir gekommen!
Ach ihre Seele iſt ſo rein, ſo lauter, und die
meine, wie wuͤſt, wie verworren!
O wie ſie mich liebt! .... mich! mich!
Das iſt das erhabenſte, was ich denke: Sie
liebt mich, dieſe Seele voll Gottheit! ſie liebt mich!
Und dieſe Liebe, die ich fuͤhle, die meinen ganzen
Geiſt durchſchauert .. Unſterblichkeit .. Gott! das
fließt zuſammen mit ihr, innig! gluͤhend! beſeli-
gend!
Und Vorſehung, Bruder! Vorſehung! welch’
ein Gedanke! Ein Geiſt ruht auf uns, voll Liebe,
voll Wahrheit! Und doch — ich kann mir das nicht
mehr ſo denken, wie ſonſt!
Jch kenne die Ruhe nicht mehr, jenes goͤttliche
Schweigen der Seele, jenes befriedigte Anſchau’n
der inneren Welt.
So lang ich hier bin, hab’ ich noch nie in
meinem Homer geleſen. Jch bin ja geſchieden von
dieſer Welt voll Ruhe, voll Licht, voll Einheit.
Jch leſe nichts mehr, als die griechiſchen Brie-
fe, die ſie mir ſchreibt. Da glaub’ ich oft ihre
Seele in einem Wort zu finden, ſchaue ſtarr hin,
kuͤſſe das Wort, bis ich es nimmer ſehe vor mei-
nen Thraͤnen!
Bey Nacht, auf einſamen Wegen, durch oͤde,
verlaſſene Felder, da hab’ ich meine Luſt.
Jch ſitze auf einem Berge. Da bin ich dann
allein. Kalte dunkle Schauer wehen um mich:
meine Seele antwortet in dumpfen verklingenden
Toͤnen. Das Weltgebaͤude betracht’ ich dann.
Wenn ich ruhig bin, und in mir beſeligt durch
den Geiſt der Gottheit, der in meiner Seele we-
bet, dann glaub’ ich die Muſik der Welten zu ver-
nehmen: ich glaube zu hoͤren, wie ſie ſich ſchwin-
gen und klingen, in der ungemeſſenen Bahn!
Theodor! am Sternenhimmel bluͤht meine
einzige Wonne. Die Gottheit ſteht nie ſo groß,
ſo klar, ſo uͤberſchwaͤnglich da in ihrer Fuͤlle vor
mir, als wenn ich zum naͤchtlichen Himmel hin-
aufblicke.
Manchmal faß’ ich wieder dieſe Ordnung und
Einheit.
Ewig bewegen ſich die Welten, ewig! und
doch nach einem Geſetze! Jm Rieſenſchwunge, den
unſere Sinne nicht faſſen, und doch nach Regel
und Ordnung!
Ueberall Seyn und Werden! im ganzen uner-
meßlichen All! Welten daͤmmern, wie blaſſe Nebel-
flecken, wie milchweiße verſchwimmende Streifen,
werdend, ſich geſtaltend, in allmaͤhlich reifendem
Entfalten .. ſich ſammelnd aus dem unendlichen
Stoß in die rieſigen Formen .. Welten ſind gewor-
den, wurden gebildet aus dem gewaltigen Element,
wie volle, bluͤhende Blumen aus dem Keime ....
ſchwimmen im ewigen Aether, in Jugend und Voll-
endung .... Welten ſchwinden zuſammen, ver-
trocknend, erſtarrend, alternd, ſich loͤſend vom
Waſſer, dem Naͤhrenden, Traͤnkenden, .... abge-
ſpiegelt der Menſch mit ſeinem Werden,
Wachſen und Welken in den Geſtalten
der Schoͤpfung!
An- und zuruͤckſtrebend, ſich naͤhernd und ent-
fernend, liebend und haſſend, die Koͤrper gegen
einander im uferloſen Raume!
Und wie Kinder der Liebe, wie unwillkuͤhrliche
Regungen unſeres Jnnern, geſchweifte Rieſenko-
meten mit gewaltigem Gange wandelnd durch die
bewegten Welten … glaͤnzend im unerforſchten
Laufe bald uͤber unſerm Weltenkranze, bald ſchrei-
tend zwiſchen Mond und Erde; und all’ das Wech-
ſelwirken, getrieben, geſchwungen vom Allmaͤchti-
gen! alles im ewigen Gange, durch Einen Hauch
ſeines Odems, durch Eine Bewegung ſeiner
Hand ……!
Phaethon an Theodor.
Sieh! Theodor! immer geht es weiter! Kein
Stillſtand, ewiger Stufengang! Das iſt ſo der Na-
tur gemaͤß!
O laͤchle nicht! … Weine! weine!
Ruhe, Stille, Frieden, Demuth, Zuverſicht
und Muth .... davon weiß ich nichts mehr.
O mein Name! der Sohn eines Himmliſchen
kein Himmliſches ſelbſt … ein Mann gemiſcht aus
irdiſchem und uͤberirdiſchem Stoff vermaß ſich, den
Sonnenwagen zu fuͤhren durch’s All .., mit kuͤh-
nem Selbſtvertrauen, verblendet von Uebermuth,
verlaſſen von oben! Die Roſſe des Wagens ſchnaub-
ten! O Bruder! der Arme konnte die Ungebaͤndigten
nicht leiten: ſie rannten aus der Bahn, verbrann-
ten die Erde.! der Uebermuͤthige, mit ſeiner endli-
chen Kraft ſich bruͤſtend, ward niedergeſchmettert
vom Blitze des Olympiers ..!
Ach! die irdiſche Kraft, die ſich ſelbſt
die Schranken nicht ſetzt, wirft der zuͤr-
nende Gott zuruͤck.
Auf dem Kirchhof ſitz’ ich Naͤchtelang. Dieſe
Stille, dieſes Schweigen umher! todt, verſtorben,
verlaſſen alles, alles! uͤber mir, unter mir, in mir!
nur ein mattes, verwehendes Beben im geruͤttelten
Zweige, im fluͤſternden Blatte! die Geiſter der Ver-
ſchiedenen im einſamen Zittern des Grashalms,
im grauen, traurigen Leichenſtein, im daͤmmernden,
herabwallenden Mondlicht webend! noch ſo eine
dumpfe Ruͤckerinnerung von all’ der Fuͤlle, von all’
dem uͤberſchwaͤnglichen Seyn, dem ewigen Wogen
und Fließen, und nun dieß Nichts! dieß Dahin-
ſchwinden! .... auf all’ dieß Gerege, ſolche Toden-
ſtille! ſolch’ ein ſtummes Verzweifeln in mir
ſelbſt …!
Und dann auf einmal iſt’s, wie ein geſchwun-
genes Rad in meinem Gehirn. Jch kann nichts
mehr denken, nichts mehr fuͤhlen, O Bruder,
Bruder! wie wird’s werden?
Phaethon an Theodor.
Der Wirbel wird nicht lange mehr dauern!
Hoͤre! nur Gott weiß es, der Allliebende, aber
auch der Allgerechte! meine Unſchuld iſt befleckt …
Jch bin nicht mehr rein. O ſchaudre! ſchaudre!
Und ſie! o Theodor! mein Theodor! ich ſehe
keine Rettung mehr.
Nur einmal meine Hand zu tauchen in die
Feuerwogen des Morgenroths und erwaͤrmt zu wer-
den von ſeiner unſterblichen Fuͤlle uͤber und uͤber …
Nur Einmal Gott zu ſchauen, wie er iſt, ohne
Huͤlle, Bild, Geſtalt und Farbe, ihn! die ewige,
wandelloſe Liebe! Dann gaͤb’ es kein Nichts mehr
fuͤr mich! meine Bruſt waͤre voll von den Wellen
ſeines unverſiegbaren Lichtquells! Leben wieder in
mir! Frieden und Ruhe der Gottheit!
Unſterbliche Liebe! Eins iſt Alles und Alles iſt
Eins … das fuͤhlt ich einſt! und … nun?
Meine Seele hieng einſt an der Natur, wie
der Saͤugling an den Bruͤſten der Mutter: ich
fuͤhlte mich ſo groß, ſo ewig, ſo geliebt!
Gluͤhend, zerfließend weinte meine Seele vor
Wonne! Ein Lied des Dankes, Eine Freudenthraͤne
war mein Leben.
O ſie haͤtte mich gluͤcklich gemacht! Bruder!
wenn ich vor ihr ſtand, und mein Blick ſich verlor
im Seelenmeer ihres Auges, und ihr Mund laͤchel-
te, als ob er mich baͤte, ihn zu kuͤſſen, ſo innig,
ganz Liebe, ſo ganz Hingebung, und ſie nichts
wußte, nichts kannte, als mich .... ich ihr alles,
alles war, und ſie ſo ganz befriedigt, all’ ihr Seh-
nen und Wuͤnſchen geſtillt ſchien in meinen Ar-
men …!
Jhr Auge befruchtete die Keime meiner Seele.
Sie ſchoſſen alle auf und ſtanden alle in Bluͤthe:
ihre Thraͤnen waren der linde, traͤnkende Thau.
Jhre Seele floß von ihrem Buſen, von ihrem Au-
ge in das meine, unbegraͤnzt, endlos, ewig!
Nun iſt auch ſie allein. Es wandeln ja ſchwe-
re ungeheure Sonnen durch die Raͤume des Alls,
ohne Erde.
Es ſchwimmen ja graͤnzenloſe ungeſtaltete Flek-
ken im Unermeßlichen, die noch nicht gereifet ſind,
die erſt in Jahrtauſenden zu Rieſenwelten ſich bilden.
Sie und das ganze All des unendli-
chen Gottes iſt mir Eines. Es druͤcken
beyde mich nieder.
Phaethon an Theodor.
Schickſal? o das macht mich wahnſinnig! zu ſte-
hen am Abgrund .. hinunter zu ſtarren in ſeine
Tiefen .. Bruder! nur Ein Sprung! die Felſen-
rippen gaͤhnen! und die Stimme aus dem Jnnern
donnernd: hinunter! nachhallend durch meine tiefſte
Seele: hinunter! Du mußt! magſt du wollen oder
nicht .... dich lenkt ein Gott, nur Taͤuſchung iſt
dein Wille! Hinunter! … O Fluch dem Gedanken!
Phaethon an Theodor.
Maaß zu halten bey ſolcher Fuͤlle, das war ſonſt
mein Hoͤchſtes. Jch kann’s nicht mehr!
Auch jene ſuͤße Bewegung des Herzens kenn’
ich nicht mehr, wo es, ſo einig mit ſich ſelbſt, ſich
regt und wallet, wie die gluͤhenden Feuerwellen des
Meeres am Abend, ſo zart, ſo verſchmolzen, und
doch ſo liebend-einig!
Ein kalter ſchauriger Froſt durchwirbelt meine
Seele, und wenn er einmal weicht, ſo iſt’s keine
freundliche, begeiſternde Freude, die an ſeine Stelle
tritt, es iſt eine zuckende Wonne, ein verzehrendes
Sehnen, das durch mein Jnneres faͤhrt und ſchnelle
verrauſcht, und der alten Nacht die Stelle wieder
raͤumt.
Und beten? Warum kann ich nicht mehr beten?
Sieh! da hatt’ ich geſtern meinen Knaben vor mir
ſtehen, faßt’ ihn, hob ihn auf, druͤckt’ ihn weinend
an meinen Buſen, kuͤßte ſeine vollen, unſchuldigen
Wangen und ſtammelte: Bete! Ach! und … er
betete! ſo klar! ſo innig! ſo harmlos! als kennt’
er ihn, zu dem er betete, als fuͤhlt’ er ſeine Naͤhe!
Und mich! wie er mich anſah! Jch ließ ihn ſinken,
als duͤrft’ ich ihn nicht anhauchen, das reine, gott-
befreundete Weſen.
Theodor! waͤr’ ich einmal frey, und hielte
mich die Erde nicht mehr an ſich, die Erde, die ich
nicht lieben kann, dann ſtuͤrzt’ ich in den leeren
Raum, der ſich ausdehnt zwiſchen den wandelnden
Welten des Schoͤpfers, dann ſtuͤrzt’ ich ewig, von
einem Weltſyſtem in’s andere … voruͤber an allen
Millionen Sonnen und Monden … begegnete den
Kometen, die vor Jahrtauſenden ſich unſerer Erde
naͤherten, die in Jahrtauſenden noch kommen wer-
den … Bruder! ewig, ewig wuͤrd’ ich taumeln und
fallen, und kein Ufer, keinen Grund, keine Graͤnze
finden .. immer tiefer und immer weiter und doch
kein Ende .. Jahrtauſende ſtuͤrzen durch’s All, und
doch kein Ende! ..
8 *
Phaethon an Atalanta.
Atalanta, du Liebe, Gute, laß mich zuruͤckgehen
in die Tage der Wonne.
Die Seelen aller Menſchen haben einſt das
Heilige, das Wahre, das Weſentliche geſehen in
ſeiner Goͤttlichkeit.
Auch wir ſchwebten einſt mit der Gottheit in
der Hoͤhe, wir waren in ihr, Eins mit ihr, lenk-
ten mit ihr das unermeßliche All.
Aber es ſchwanden uns die Fluͤgel. Wir ſan-
ken tiefer und immer tiefer durch die Schoͤpfung,
und fielen auf unſere Erde. Da wand ſich der
Koͤrper um uns, die unſterblichen Seelen: eine kur-
ze, bald welkende Huͤlle ſchloß ſich um unſer un-
vergaͤngliches Weſen.
Atalanta! wir liebten einſt das Schoͤne, das
Gute, ganz, wie es iſt, goͤttlich und uͤbermenſch-
lich. Wie ein belebender’ Saft quoll es ſtaͤrkend
und kraͤftigend durch unſer Jnnerſtes und traͤnkte
die wachſenden Fluͤgelkeime, — Aber wir liebten
das Boͤſe und fielen!
Ach! das eine Roß, das meine Seele lenkt an
ihrem Wagen, will wohl hinan, will uͤber den
Kreis des Himmels, will zur Anſchauung der Gott-
heit, aber das andere haͤlt mich ſchnaubend an der
Erde. Jch ringe, kaͤmpfe, aber die Schwungkraft
meiner Fluͤgel iſt gelaͤhmt.
Einſt ſchwammen, webten und wirkten wir in
Gott und ſahen die Schoͤnheit, wie trunk’ne Ein-
geweihte, im Wogen und Wallen ihres lauteren
Lichtes. Nun wandeln wir, in einen Koͤrper ge-
huͤllt, wir goͤttlichen Weſen, getrennt von unſerer
Mutter, der Gottheit, ewig uns ſehnend nach ihr,
auf einem Planeten, den wir einſt kaum kannten
als bleich-daͤmmerndes Lichtbild. So klein war er
uns im Anſchau’n der Gottheit.
So kamen wir auf die Erde. Du wardſt in
Griechenland in einen Koͤrper gehuͤllt, und ich im
rauheren Norden. Wir kannten uns nicht, wenn
wir ſchon einſt zuſammenwebten in Gott.
Wir ſahen uns, wir kuͤßten uns, wie zwey be-
bende gluͤhende Strahlen, entfloſſen aus Einem
Urlicht der Sonne.
Wir fuͤhlten uns leichter und freyer in unſerer
Koͤrperhuͤlle. Maͤchtiger und gewaltiger wuchſen die
Federn aus ihren Wurzeln.
Wir ſahen uns, ſtrebten, gluͤhten, uns zu
einen, ganz in einander zu fließen. Dein Ange-
ſicht, du Goͤttliche, war mir der reine, ſeelenvolle
Abdruck der koͤrperloſen Schoͤne.
Geſtillt war unſer Schmachten, unſer Sehnen.
Wir liebten, wir hatten gefunden, was wir be-
wußtlos ſuchten. Die Urſchoͤnheit bebte, wie kla-
res, quillendes Mondlicht, durch’s Nebeldunkel un-
ſers Jnnern: wie das verſchwebende Saͤuſeln der
Linde, klang die alte liebende Stimme der Erin-
nerung.
Wir brachten einander naͤher der Gottheit,
durch Liebe, durch unausſprechliche Liebe.
O Atalanta! was thaten wir nicht fuͤr ein-
ander!
Atalanta an Phaethon.
Juͤngling! haſt du kein Gefuͤhl fuͤr mein Weinen
um dich?
Nicht ſo, Geliebter, kannſt du mich lieben;
nicht das iſt die wahre, innige Liebe. Du biſt eine
wilde lodernde Flamme, die praſſelnd aufſchlaͤgt,
und ſchnell erloͤſchend, ſich ſelbſt, wie das Daſeyn
and’rer, verzehret. Du nannteſt mich dein Maͤd-
chen, das du liebeſt, und du liebeſt mich ſo wenig,
daß du mich toͤdteſt?
Einſt war unſer Gefuͤhl ſuͤße, innige, keuſche
Blumenliebe. Gluͤhende Wonne flocht ſich in ewi-
ger Jugend durch unſere Tage, wie Roſen durch
unſere Haare!
Wenn du vor mir ſtandeſt und dein blaues
Auge gluͤhte, voll Geiſt, voll geſtillter Sehnſucht,
voll ſeliger Liebe, voll heiliger keuſcher Neigung ..
ſo treu, ſo voll Glauben und Gott … Juͤngling,
wenn du ſo vor mir ſtandeſt und deine dunkeln
Locken von deinen Schlaͤfen wogten, wie um das
Haupt eines jugendlichen Gottes .... da weinten
Aug’ und Seele in mir, und allmaͤchtig, in Einem
Wirbel, ſchlug mein Jnneres, wie eine wogende
Weihrauchſaͤule, nach oben! nicht Maͤdchen, nicht
Kind mehr … mit Gott mich vereinend in einem
Kuſſe der Liebe! wie auferſtanden als reiner, ge-
laͤuterter Geiſt aus dem Grabe, ſchwebend uͤber der
Erdenhuͤlle, wie die ewig junge Morgenſonne in
ihrer wallenden Lichtfuͤlle uͤber der alten Erde.
Jch ſah ja Gott in dir. Er ſprach aus dei-
nem Auge, wenn du weinteſt, oder mich anlaͤchel-
teſt, aus deinen Lippen, wenn ſie die Worte der
Liebe ſtammelten, wenn ſie im Kuß an den meini-
gen brannten; aus deinem ganzen Weſen ſprach
der ewige, liebende Gott.
Da faßt’ ich ihn wieder und drang durch ſein
keuſches lauteres Himmelblau, und erkannt’ ihn
mit dem verklaͤrten Auge meines Geiſtes. Und
das quoll wieder zu dir! hinuͤber und heruͤber!
ewig erwiedert!
Du hatteſt mich geſehen! Das weiße Roß,
das du lenkteſt am Wagen, ward erfuͤllt mit tiefer
Liebe. Das ſchwarze toſt’ und ſchaͤumte ſchnau-
bend an dem Zuͤgel, und zog voll wilder Brunſt,
den Wagen tobend mit ſich fort. Jch war dein
Liebling geworden, aber vor deinem Geiſte ſchwebte
die Erinnerung der aͤchten Schoͤne und fuͤllte dei-
nen Buſen an mit keuſcher, heiliger Scheu. Denn
die wahre Schoͤnheit iſt rein, wie das weiße Sil-
berlicht der Sonne, und unberuͤhrbar, wie die Un-
ſchuld der Jungfrau.
Du zogſt die Zuͤgel und die Roſſe ſtuͤrzten.
Jch bebte.
Wir kamen uns nahe, und immer naͤher. Die
Liebe quoll wie ein Strom von deinen Augen in
die meinen, von meinen in die deinen. Unſere
Geiſter waren erfuͤllt von ihr.
Und nun? ....
Phaethon, warum haſt du deinem wuͤthenden
Roſſe die Zuͤgel gelaſſen, daß es ſchnaubt und wie-
hert und die wallende Maͤhne ſchuͤttelt? Kennſt du
nimmer den alldurchdringlichen Strahl der heiligen
Liebe, die von Seele zu Seele zittert, wie der
Echoklang von Berg zu Berg? Jſt die heilige
Scheu, der ruhige, ſich immer verſtaͤrkende Sinn,
das heitere zuͤchtige Gefuͤhl, gewichen aus deinem
Buſen?
Juͤngling! lenke deine Roſſe! Deine Arme ſind
ſtark. Der Strahl der Gottheit in deinem Jnnern
iſt warm und groß. Lenke deine Roſſe! Das Maͤd-
chen deiner Liebe weint um dich! O ſchone die
Weiche! die erbebt vor dem Geſchnaube deiner zuͤ-
gelloſen Roſſe. Schone ſie! ſie ſinkt auf die Kniee
vor dir, und bittet dich weinend: Liebender! ſchone
die Arme, die dich liebt.
Phaethons Zuſtand war ſchrecklich. Er rang
und kaͤmpfte ſich wund.
Den Tag uͤber arbeitet’ er. Man hoͤrt’ ihn
oft die halbe Nacht hindurch laut weinen. Keine
Seele war um ihn, die ihn haͤtte troͤſten, ſeinen
Schmerz haͤtte lindern koͤnnen. Wenn er ein Buch
zur Hand nahm, ſo warf ers gleich wieder auf die
Seite.
Vor den Leuten preßt er ſeinen Schmerz in
die Bruſt: aber er ſprach laut genug aus dem wil-
den Gluͤhen der Augen, dem blaſſen, eingefall’nen
Geſichte.
Er ſchwelgte, ſtuͤrzte ſich in Genuͤſſe aller Art.
Seine Seele ward immer finſt’rer, wilder, verdor-
bener, immer ſchwerer wurde die Rettung.
Viele, die ihn kannten, wollte er nicht mehr
kennen. Jn ſeinen Reden verlor er immer den Fa-
den wieder, machte die wunderbarſten Combinatio-
nen, und ſchien oft das Vergangene von dem Ge-
genwaͤrtigen nicht mehr unterſcheiden zu koͤnnen.
Jmmer aber ſprach er von Reinheit. Er hatte
lauter fixe Jdeen, die ihm niemand beruͤhren durfte.
Am liebſten lief er durch Waͤlder oder uͤber
Berge. Er glaubte ſeinem Schmerz zu entgehen,
und wenn es nicht moͤglich war, ſo knirſcht’ er in
Anfaͤllen von Verzweiflung.
An Theodor ſchrieb er nur abgebrochene Saͤtze
wie folgende:
Phaethon an Theodor.
Mit Gott zu kaͤmpfen, war das nicht von jeher
mißlich? Die Rieſen, die Gebirge thuͤrmten auf ein-
ander, und mit gewaltiger Kraft die wandelloſe
Macht des Vaters der Goͤtter und der Menſchen
ſtuͤrzen wollten, die eichenſtarken Maͤnner — warf
ewig unerſchuͤttert, den Donner von der Hoͤhe
ſchmetternd, allmaͤchtig der erzuͤrnte Gott zu Bo-
den.
Wie mir alles einſt Leben war, iſt mir alles
nun Tod, wohin ich blicke.
Die Millionen Welten, die werden, ſind und
vergehen, wie der Menſch, die aus dem Elemente
ſprangen, wie Blaſen, und wachſen —! ich bin ſo
gar nichts gegen das unermeßliche All.
Ewiges Seyn … Ewiges Nichts … wie fuͤrch-
terliche Feinde ſich gegenuͤber liegend, einander zer-
ſioͤrend und aufreibend, beyde … mir gleich ver-
haßt .... Mir wirbelt’s!
Denke dir das Nichts! Bruder! das Nichts! ..
Menſch!
Was iſt auf Erden der Menſch? was der
Blumenſtaub auf dem Blatte. Sie verwehen.
Als ich mich noch ſo ewig fuͤhlte, o!
da war ich wie ein Gott!
Auf das ewige Sehnen und Kaͤmpfen, das
Ringen und Treiben muß doch Ermattung folgen,
und auf Ermattung? … Tod?
Eine Thraͤne im Auge meines Maͤdchens ....
Ein Blick in ihre Seele … ein Kuß in ihre reinen
Wangen — Ein ſtummer Druck ihrer Hand —
machte mich das nicht unſterblich?
Das Leben iſt ein ungeheures Meer, in dem
wir ſchwimmen, bis ſeine Wogen uns verſchlingen.
Es iſt Gott wohl ein liebender Gott, aber ich
fuͤhle doch, wenn er mich an ſeinen Buſen druͤckt,
daß ich ſo klein bin gegen ihn.
O ſich ihm zu naͤhern und nicht zu
Nichts zu werden! vor ihm bleiben zu
koͤnnen! dazu muß man rein ſeyn, wie
ſie, wie ſie!
Wir Menſchen ſind nur Wolken, die voruͤber-
wandeln am Himmel, und manchmal durchgluͤht
werden von ſeinem Hochroth: aber ſie verwehen,
wie Traͤume.
Alles, was er noch in dieſer Zeit zeichnete,
trug den Stempel ſeiner Geiſtesverwirrung: him-
melſtuͤrmende, zuruͤckgeſchleuderte Rieſen; Eichen-
ſtaͤmme, ſammt den Wurzeln aus dem Boden ge-
wirbelt, und uͤber wildes jaͤhes Felsgeklippe tau-
melnd: engelſchoͤne Maͤdchen, die Haͤnde betend zu
Gott hebend; abgezehrte, die Haͤnde ringende, zu
Boden liegende Juͤnglinge; Kirchhoͤfe, worin beym
Mondlicht die Geiſter uͤber den Graͤbern ſchweben
und einſame Menſchen um ihre verſtorbenen Ge-
liebten trauern. Dann zeichnet’ er wieder Atalan-
ta, mit duͤnnem, fließendem Gewande, mit auf-
ſtrebenden Fluͤgeln, auf Wolken ſchwebend, in den
langen fließenden Locken junge Blumen, mit zar-
tem offenem Buſen, die gotttrunkenen Augen zu
einem großen Auge hebend, das uͤber ihr aus wal-
lendem Lichte quoll, womit er das Auge Gottes
bezeichnen wollte. Das wiederhohlt’ er hundertmal
und fuͤgte zuletzt immer ſeltſamere Bilder und Zei-
chen hinzu. Er verſchloß alles ſorgfaͤltig, was er
gebildet.
Wenn er einen ſchoͤnen weiſſen Knaben ſah,
druͤckt’ er ihn an den Buſen, weinte, nannt’ ihn
ein Kind der Sonne.
Gegen Erwachſene war er verſchloſſen und ge-
heimnißvoll. Die Worte Gott, Natur, kamen nie
auf ſeine Lippen.
Um dieſe Zeit erhielt er einen Brief von Ata-
lanta, der ſich ſchloß auf folgende Weiſe:
Jch ſtand am See. Der Mond ſchien eben ſo
hell auf die ſtille daͤmmernde Gegend, wie einſt, als
wir mit einander in den Kahn traten. Blaſſes
Gewoͤlke kuͤßte die verſchwimmenden Bilder der
Berge. Der Wind ſpielte, wie ein liebender Geiſt,
in den Blaͤttern; uͤberall war ein ſanftes, inniges
Wogen in der Natur, in den ſilbernen zitternden
Wellen, in dem wankenden Laube, in den Bildern
Baͤume auf dem Waſſerſpiegel, in den Wolken des
lautern Aethers. Selbſt der dunkle Himmel ſchien
zu quillen und zu wogen, wie ein ſeelenvolles,
lieberfuͤlltes Auge. Und doch war’s ſo eine heilige
Stille, ſo ein uͤberſchwaͤnglich-ſuͤßes Schweigen.
Jch ſchaukelte mich allein im Kahne. Mein
Auge hob ſich zum Mond und weinte ſeine Thraͤ-
nen hinauf und trank Ruhe, Demuth und Frieden
aus ſeinem Lichte. Jmmer ſtiller und ſtiller ward
mein Gemuͤth, und immer lauterer, voller. Ein
unbegreiflich ſeliges Sehnen ſchwang mich fort.
Dann verlor ſich mein naſſes Aug’ in Himmel und
Waſſer, drang tiefer und immer tiefer, bis es
ſchwamm in Licht und Dunkel.
Jch ſchlummert’ ein im Kahne. Mir traͤumte,
es waͤre auch Mondnacht und ich triebe in der
naͤmlichen Gegend auf dem See. An dich dacht’
ich. Vom Ufer heruͤber, aus dem Laube, ſchweb-
ten unendlich zarte Toͤne, drangen durch mein tief
Jnnerſtes, voll Liebe, voll Jnnigkeit, voll reiner
Seele. Mit einemmal hob ſich der Kahn im Ge-
waͤſſer: ich erſchrak. Ein weißer zarter Knabe mit
blonden Locken und duftenden Roſenkraͤnzen lenkte
mit roſenrothen Banden ein paar blendendweiße
9
Schwaͤne durch die Luft. Seine Naͤhe war wun-
derbar beſeligend. Er ſchwebte zu mir in den Kahn
und legte ſeine Haͤndchen um meinen Hals und
blickte mich ſo liebend an mit ſeinem blauen Auge
und kuͤßte meine Lippen. Dann zogen die Schwaͤ-
ne den Kahn durch die Luftwellen weiter und im-
mer weiter: es ſchwand das Dunkel: mich umwog-
te das glaͤnzendſte, reinſte Licht. Da wacht’ ich
auf. Der Kahn war wieder an’s Ufer getrieben
worden. Jch ſtieg aus, aber den Traum ſagt’ ich
weder dem Vater, noch Caͤcilien.
Die Guten ſagen, ich ſey blaß geworden.
Dieſe Tage fuͤhl’ ich koͤrperliche Schmerzen. Viel-
leicht ſchweb’ ich bald hinuͤber! Eine Ahnung ſagt
es mir.
Erſchrick nicht, du bange zerruͤttete Seele! …
Jch bringe zu Gott einen Buſen voll unſterblicher
Liebe.
Mit ſtarrem Entſetzen legte Phaethon den Brief
aus der Hand. Von nun an war alle Ruhe fuͤr
ihn dahin. Er rang mit Wahnſinn.
Alles Maaß verlor er in Genuͤſſen. Der Fuͤrſt
erfuhr davon und verwies es ihm nachdruͤcklich.
Phacthon wurde trotzig, ſtolz und uͤbermuͤthig.
Es war umſonſt, daß ihn Freunde warnten. Er
hielt ſie fuͤr keine Freunde.
Eine Krankheit warf ihn nieder, aber ſeine
Natur war ſtark und hielt die Stuͤrme aus.
Um dieſe Zeit kam unvermuthet ſein Theodor
an, den er noch immer warm und treu liebte. Er
erſchrack uͤber Phaethons Ausſehn.
Er gab ſich alle Muͤhe, die Gemuͤthskrankheit
des Freundes zu lindern oder gar zu heilen. Er
haͤtt’ ihm eine Reiſe zu Atalanta vorgeſchlagen,
aber er kannte den Ungluͤcklichen, und wußte wohl,
wie dann ſeine entflammten Lebensgeiſter vollends
rasten, alles Maaß verloͤren.
Phaethon war oft muͤrriſch, immer empfind-
lich, leicht zu beleidigen, und wenn er es war, ſo
tobt’ er bald, bald weint’ er wieder. Theodor gab
ihm nach, fuͤgte ſich ihm ganz. Er duldete alle
ſeine Launen und Stimmungen, kam ihm uͤberall
entgegen mit Liebe. Phaethon fuͤhlt’ es wohl.
Halbe Tagelang ſprach er von Griechenland,
aber immer unzuſammenhaͤngend. Er verſicherte,
daß er dahin gehe, ſobald es der Fuͤrſt erlaube.
9 *
Auf ſeinem Klavier ſpielt’ er wilde, grelle
Fantaſieen, und wenn er etwas ruhiger wurde,
haucht’ er ein brennendes Gefuͤhl in unendlich trau-
rigen Elegieen aus.
Theodor erfuhr ſeine Ausſchweifung. Er war
entſetzt. Faſt gab er den Armen verloren.
Er war immer um ihn, bat ihn oft mit Thraͤ-
nen, an ſeinem Halſe liegend, ſich zu beſſern.
Phaethon ward dann raſend, ſeine Augen rollten
wuͤthend im Kreiſe, Zuckungen wandelten den Un-
gluͤcklichen an. Er weinte laut, raufte ſich die
Haare.
Theodor ſchwieg endlich.
Einſt kam er des Morgens auf ſein Zimmer.
Vor Schrecken blieb er ſtehen. Phaethon kniete
an der Wand. Sein Kopf lag auf einem Stuhle.
Theodor lief auf ihn zu. Der Arme regte ſich
nicht. Er ſchuͤttelt’ ihn voll Entſetzen. Endlich be-
wegt’ er ſich, drehte den Kopf zuruͤck, und ſah den
Freund mit einen fuͤrchterlich irren, vergluͤhenden
Blick an, voll verbiſſenem Schmerz, voll Wahn-
ſinn. Die Haare hiengen ihm wild uͤber das Ge-
ſicht. Ploͤtzlich ſprang er auf und ergriff den
Freund am Halſe mit einem wuͤthenden Schrey.
Dieſer hielt ihm mit Muͤhe die Arme. Phaethon
ſtuͤrzte ſtumm zu Boden.
Ein Brief lag auf dem Tiſche. Mit Zittern
ergriff ihn Theodor. Er war von Atalanta.
Atalanta an Phaethon.
Empfange die letzten Worte deiner Atalanta, und
weine mit ihr, aber heilige, ſelige Thraͤnen, wie
ſie einſt in deinem Auge ſchwammen, als wir noch,
bluͤhend und geſund, wie befreundete Quellen, in
einander floſſen.
Deine Geliebte gehoͤrt der Erde nicht mehr an.
Jhr einziges, ihr uͤberſchwaͤnglich bruͤnſtiges Seh-
nen gieng nach dem Himmel. Er laͤchelt mich an,
o Phaethon, ſo unſchuldig, ſo ſuͤß, wie die Mut-
ter ihr wiedergefundenes Kind.
Meine Huͤlle wird erſtarren, aber meinen Geiſt
erfuͤllt die Waͤrme der Gottheit, meine Seele die
Fuͤlle des Himmels. Ein tiefes ſeliges Wogen
durchbebt mein Tief-Jnnerſtes. Wie ſonſt nur
mein Aug’ in den Aether, verſchwimm’ ich nun
ganz in ſein ewiges Blau, wie eine Thraͤne!
Meine Huͤlle wird ſinken, aber mein unſterb-
licher Geiſt ſteigt aus dem welkenden Koͤrper, wie
ewiger Duft aus dem Kelche der ſterblichen Blume.
Jch werde ſterben!
Zittre nicht, bebe nicht! Nur weinen darfſt du,
weinen mit einem Auge voll Glauben und Him-
mel.
O Phaethon! Gott ſtaͤrke deinen Muth. Die
du liebteſt, wirſt du verlieren!
Ach freylich bin ich noch jung. Jch haͤtte noch
lange, lange leben koͤnnen, in deinen Armen! Aber
das wollte mein liebender Vater nicht.
Jch ſtand noch da, wie die aufgehende Roſe.
Das Morgenroth ſandte ſeine Lichtwogen auf mich,
und ſpielte mit ſeinem unſterblichen Strahl um
meine kindlichen Wangen. Alles gluͤhte, webte,
regte ſich am Buſen der warmen Sonne! Alles
war Eins! Ein unendlicher Schauer der Wonne!
Schoͤner Juͤngling! Du warſt mein Gluͤck!
Du fandeſt mich in meinem innerſten, geheimſten
Heiligthum, in meiner tiefſten Seele, wohin nur
Gott dringt. Du drangeſt hinein, umfaßteſt mein
Jch in Einem Kuſſe … Alles Ewigkeit! unermeß-
liches Leben!
Selig, ſelig war die Ahnung der geoffenbarten
Gottheit, die in unſerm endloſen, entzuͤckten Geiſte
quoll, wie die Thraͤne der Feuerwonn’ in einem
frommen Auge.
Auch auf dieſer Erde ſchon ſollt’ uns ein ewig-
es Gluͤck werden.
Es ward nicht.
Dein Maͤdchen weint. Es ſollte dein Weib,
ſollte Mutter werden. Juͤngling, wenn du keuſch
biſt, wie dein Maͤdchen, ſo fuͤhle mein weinend
Herz. Ein laͤchelndes Kind an meinen reinen Bu-
ſen! dich .. mich, eine ewige, alldurchgluͤhende Liebe
darin zu fuͤhlen! unſer ſchoͤnſtes, heiterſtes Daſeyn
in dem jungen blumigen Weſen zu finden! die Liebe
des Vaters und der Mutter, wie geſtaltet! O Juͤng-
ling! was die Gottheit ihr ſelbſt, iſt die reine keu-
ſche Mutter dem Kinde. Wie ſie das zarte weiche
Geſchoͤpf, das verloren waͤre ohne ihre Liebe, mit
der Milch ihres Buſens naͤhret, ſo naͤhret die Gott-
heit ſie ſelbſt mit ihrer ewigen, lauteren Fuͤlle.
Jch durfte nicht Mutter werden! Jch ſterbe noch ſo
jung.
Mein Gott wollt’ es. Jch habe mich ihm
ganz ergeben. Kennſt du dieſe entzuͤckendſte der
Wonnen, dieſes graͤnzenlos ſelige Gefuͤhl noch? zu
leben, zu ſeyn in ihm, dem Geiſte der Liebe? zu
gluͤhen in ihm wie in einem warmen, allesdurch-
quillenden Lichte! zu ſchauen in die endloſe Tiefe
ſeines Weſens, wie ein Aug’ in den klaren, und
doch unergruͤndbaren Aether ....!
Und iſt der Tod denn ſchrecklich. Jſt das Mor-
genroth nicht ſchoͤn nach der kurzen Nacht? Jſt der
Tod nicht die erhabendſte Wiedergeburt des unſterb-
lichen Geiſtes? nicht der Triumph der Seele uͤber
den Koͤrper? O! aus dem Grabe bluͤht, wie eine
ewig junge Blume, neues gluͤhenderes Leben, voll-
eres ſchoͤneres Daſeyn. Roſen und Myrten, die
Blumen der Liebe, ſind die Sinnbilder des Todes.
Es iſt das ſeligſte Hochzeitfeſt, das Feſt der
ewigen und innigen Verbindung mit Gott. Juͤng-
ling! die deine Braͤut auf Erden war, feyert es
nun mit Gott fuͤr die Ewigkeit.
Siehe, du Lieber, wenn du in ſtillen Naͤchten
hinaufblickſt in den Aether, dann irrt dein Auge
voll geſtillter Sehnſucht durch die Sterne, aber voll
Licht, voll Liebe. Denn auf einem der Sterne
wandelt dein Maͤdchen, wandeln die Geiſter all’
deiner Geliebten. Auch ſie blickt dann mit einem
hoͤhern Auge nieder auf die kleine, unendlich ferne
Erde, wo du wandelſt, und denket dein.
Die letzte Scheidwand faͤllt! O laß uns noch
einmal mit einander beten, beten, wie unſterbliche
Geiſter, wie Kinder des allliebenden Gottes:
Heilig, Gott, iſt deine Welt, das Werk dei-
ner Allmacht; Licht der Lichter, Kraft der Kraͤfte,
du Geiſt der Reinheit! Dein Weſen iſt wie eine
lautere Flamme! nur die Reinen kommen
zu dir! .... Nimm uns auf, deine Kinder! nimm
uns auf an deinen Buſen!
Phaethon, Phaethon, wir ſeh’n uns druͤben!
Meine Seele fuͤllen unendliche Geſichte!
Wir werden ſchweben in deinem Morgenroth,
o Gott, und uns baden in ſeinen wallenden Wo-
gen, wie milchweiße Schwaͤne, auf- und untertau-
chen in den gluͤhenden Wellen voll Licht und Waͤr-
me! dahin fliegen durch’s All, Arm in Arm, zwey
ſelige Geiſter. Unſere Haͤupter umwallt die ewige
Schoͤne Gottes, auf unſerer Stirne ſchwebt der
große Gedanke der unſterblichen Schoͤpfung; unſer
Aug’ iſt die goͤttliche Kraft des hellen befreyten
Geiſtes, der das Weſen durchdringt ſeines lieben-
den Gottes! auf unſern Wangen bebt die Liebe des
Allerhalters, die er kund thut dem Menſchen in al-
len Sonnen und Monden, Erden und Milchſtraß-
en, in jedem ſaftigen Kraut, jedem ſtuͤſternden
Blatte, jedem freundlichen Sonnenblick: unſere
Bruſt ſchwellet die Wonne der Unſterblichkeit, un-
ſers freyen, goͤttlichen Wirkens und Webens in
Gott: in ihr draͤngt ſich zuſammen die ganze uͤber-
ſchwaͤngliche Fuͤlle des Guten und Schoͤnen, das
im Weltall keimet und reifet ..!
Schon fuͤhl’ ich mich freyer, ſchaue die Bahn,
auf der ich wandle zum Schoͤpfer, wandle ſo
ſchnell, wie der Gedanke, entgegen der ewigen
Wonne, dem ewigen reineren Seyn, entgegen der
heranwallenden Schoͤne Gottes.
Phaethon, willſt du deine Braut auf Erden
noch an deine Bruſt druͤcken, ſo eile! ſo eile!
Ein Bote war gekommen und hatte den Brief
gebracht. Zugleich erzaͤhlt’ er auch das Naͤhere
von Atalanta’s Krankheit.
Theodor wußte ſich kaum zu faſſen: er war
entſchloſſen, Phaethon dahin zu begleiten.
Er weckt’ ihn aus ſeiner Betaͤubung, wollte
ſprechen, und konnt’ es nicht vor Weinen. Phae-
thon bekam von neuem Zuckungen. Theodor mußt’
ihm mit Gewalt die Arme halten. Der Ungluͤck-
liche ſprach nichts: nur einmal ſtieß er mit einem
fuͤrchterlichen Seufzer die Worte aus: Nur die
Reinen kommen zu Gott!
Theodor beſtellte den Augenblick ein Paar
Reitpferde und hielt ſelbſt beym Fuͤrſten an. Er
bekam die Erlaubniß.
Sie ritten ab. Tag und Nacht brauſten ſie fort.
Jn dritthalb Tagen ritten ſie zum Schloßthor
hinein.
Ein Brief von Theodor, den er an einen ſeiner
Freunde ſchrieb, meldet folgendes:
Theodor an Moͤr .....
Es iſt entſchieden mit unſerm Freunde! Es iſt
fuͤrchterlich entſchieden!
Der Phaethon, der einſt jene große Welt im
Buſen trug, der einſt das geliebteſte Kind der lie-
benden Natur war, der einſt ſo kuͤhn unter uns al-
len ſtand, wie ein gewaltiger, in die Wolken ge-
ſtreckter Rieſenberg unter niedern Huͤgeln ..! der
Phaethon iſt ..... wahnſinnig!
Weine mit mir! Beweine den Armen! O was
hab’ ich gelitten in dieſen Tagen!
Noch bin ich wie betaͤubt, zittre, ſchaud’re in
allen Nerven.
Wir ritten Tag und Nacht. Den andern Mor-
gen wechſelten wir die Pferde.
Phaethon ſprach kein Wort. Mit fliegenden,
vom Wind gewirbelten Haaren rannt’ er beſinn-
ungslos die Straße dahin!
Zwey Naͤchte durch ſchliefen wir nicht.
Am dritten Tag waren wir in der Naͤhe des
Schloſſes. Phaethon ſprang vom Pferde, ſtuͤrzte
mir wuͤthend um den Hals, und preßte mich rie-
ſenmaͤßig an ſeine klopfende Bruſt.
Da ſtand ich einſt .... rief er fuͤrchterlich wei-
nend .... Gott! Gott! verlaß mich nicht! Seine
Lippen ſchaͤumten. Es war das letzte vernuͤnftige
Wort, das ich von ihm hoͤrte.
Wir ſtuͤrmten durch’s Schloßthor hinein. Es
war ein heiterer ſchoͤner Abend. Der Weſten
brannte von wallendem Golde.
Ein Diener lief uns entgegen. Seyd ihr da?
rief er ſchluchzend, ſie ſtirbt! ſie ſtirbt!
Wir rannten die Treppen hinauf. Phaethon
riß eine Thuͤre auf. O Gott! Jch muß aufhoͤren,
die Worte ſchwimmen vor meinen Augen.
Freund! ich ſah ſie, die mir Phaethon einſt
mit ſolch’ trunkenen Worten geſchildert! Jch ſah ſie
in ihren letzten Augenblicken.
Hoͤre und bete!
Ein hochgewoͤlbtes Zimmer umfieng uns, wo
oben auf blauem Grunde die lieblichſten Engelsge-
ſtalten in tauſendfachen Stellungen ſchwebteſt. Auf
einem mit Purpur uͤberwallten Bette lag ſie .....
Ein ſterbender Engel!
Jhr blaſſes Haupt ruhte matt auf einem Kiſ-
ſen. Jhre dunkeln Locken lagen in langen Wallun-
gen um ſie her. Hellgruͤne Akazien, gluͤhende Ro-
ſen waren im Kranz um ihr Haupt geſchlungen.
Ein paar große dunkle Augen voll Himmel und
Frieden blickten traurig, und doch ſelig die Umſte-
henden an. So lag die Blaſſe, die Schoͤne!
An ihrem Bette knieete ſeine Caͤcilie, wie in
einen unausſprechlichen Koͤrper hingegoſſen, ohne
Seufzer, ohne Sprache. Ein hoher Mann ſtand
am Haupte der Sterbenden, der die Stirn mit ſei-
ner Hand verdeckte. Caton war’s, ihr Vater.
Das Wort faßt dieſe Scene nicht!
Phaethon lag vor ihr, bedeckte ihr bleiches
Angeſicht mit ſeinen wilden Locken, kuͤßte ſie wuͤth-
end.
Er ſprach kein verſtaͤndliches Wort. Nur fuͤrch-
terliche Seufzer ſtoͤhnt’ er aus.
Sie wand ſich los mit ſchwachen Kraͤften und
erhob ſich etwas, und neigte ſich gegen den Knie-
enden.
Gott! du haſt Menſchen, die dir gleichen!
Dieſes Auge! ach dieſes uͤberſchwaͤngliche Auge,
mit dem ſie ihn anſah! ſo unendlich wunderbar-
ſchauernd! ſo voll Trauer; voll Milde! halb ver-
letzt und doch voll unausſprechlicher goͤttlicher Liebe!
Er aber gluͤhte: ſein Blick rollte wild. Aber
er fuͤhlte doch die Seele in dem Auge, die Fuͤlle,
die Liebe!
Der große Mann gieng ans Fenſter. Es war,
als ob er’s nicht mehr aushalten koͤnnte!
Atalanta ergriff halb zitternd Phaethons Hand.
Eine Thraͤne glaͤnzt’ in ihrem Auge. Der junge
zarte Buſen hob ſich, voll Lieb’ anſchwellend, un-
ter den Tuͤchern. Sie ſagte mit einem tiefen Seuf-
zer: ach warum biſt du ſo gefallen?
O das ſagte ſie ſo unendlich traurig, ſo zer-
floſſen in Wehmuth, und doch ſo ganz voll Liebe!
Er aber raste. Mit einem graͤßlichen Oh!
ſtuͤrzt’ er von neuem uͤber ſie. Seine Lippen brann-
ten auf den ihren.
Wir hoͤrten ſie weinen. Sie konnte ſich nicht
los machen. Wir richteten den Wahnſinnigen auf.
Wie ſie ſich wieder frey ſah, weinte ſie noch
ſtaͤrker. Dann liſpelte ſie wieder wie betend: Ach!
warum muß ich ihn ſo wieder ſehen!
Sie ſchien ſich wieder zu ſammeln. Wieder
ergriff ſie ſeine Hand und ſagte: auch ſo biſt du
noch mein!
Dann verſchwamm ihr Blick in den Wogen
des Abendroths durch die hohen offenen Bogenfen-
ſter.
Sie ward verklaͤrt.
Dahinein, ſagte ſie mit einer Engelsſtimme,
dahinein werd’ ich tauchen, ein unſterblicher Geiſt,
10
mich baden im ewigen Licht. Auch du, .... ihr
Auge blickte ſchmerzlich-liebend auf den Ungluͤckli-
chen .... auch du wirſt einſt wieder im Licht wal-
len, wenn deine Seele zu Gott ſchwebet.
Sie ſank in ſeine Arme, die Liebende! Blu-
men und Locken ruhten auf ihm.
Noch einmal blickte ſie auf, und ſah den Va-
ter an und die weinende Caͤcilie! Dann ſank ſie
wieder an Phaethons Bruſt, ſeufzte nur noch in
einem namenloſen Tone: Rein …!
Lange blieben ſie an einander.
Er hielt ſie, kuͤßte ſie: ihr Auge war geſchloſ-
ſen, ihre Wangen fuͤhlten ſeine Kuͤſſe nicht mehr;
ihren Buſen fuͤllte nicht mehr das warme jugendli-
che Leben.
Wir alle ſchluchzten laut. Phaethon hielt knie-
end die todte Braut an Mund und Bruſt.
Wir wollten ihn losmachen. Er blickt’ uns
raſend an, mit funkelndem Auge. Wir ließen ihn.
Erſtarrt blieben wir ſtehen.
Er legte ſie wieder auf das Kiſſen, ſo ſanft,
ſo zaͤrtlich! und kniete neben ſie hin!
Jch trat der Abgeſchiedenen nahe. Mich uͤber-
wallte die unausſprechliche Schoͤne. Wie Milch
war ihr ganzes Angeſicht. Und dieſe Lippen! wie
noch warm von den Kuͤſſen, die Phaethon auf die
Weichen gedruͤckt hatte!
Caton ſchien gefaßt. Caͤcilie war untroͤſtlich.
Atalanta’s Tod, Phaethons Wahnſinn hatten zu
ſehr auf ſie gewirkt. Man mußte ſie ohnmaͤchtig
wegtragen.
Phaethon wollte das Zimmer durchaus nicht
verlaſſen. Er ſprach kein vernuͤnftiges Wort mehr.
Die ganze Nacht ſoll er im Zimmer auf und
abgegangen ſeyn, ohne ein Wort zu ſprechen.
Am naͤchſten Morgen dankte mir Caton freund-
lich fuͤr meine Begleitung. Wir giengen auf das
Zimmer, wo die Todte lag. Phaethon war nicht
da. Wir erſchracken.
Aber bald that ſich die Thuͤre auf und Phae-
thon trat herein mit allerley Blumen, Jaßminen,
Lavendel, Ringelblumen, Tulpen, Roſen, Lilien,
10 *
Narciſſen, Nelken, Tremſen, Akazienzweigen und
rothen und blauen Kornblumen. Er hatte ein lang-
es rothes Tuch um ſich geworfen, in dem er die
Blumen zum Theile trug. Uns ſchien er gar nicht
zu bemerken.
Er trat auf das Bett zu, legte ſeine Huͤlle zu-
ruͤck, kuͤßte die bleichen ſchoͤnen Wangen der Ge-
liebten, und bedeckte ſie ganz mit Blumen. Dann
knieet’ er wieder vor ſie hin, ſchlang ſeine Arme
um ſie, und regte ſich nicht weiter.
Wir wagten ihn nicht zu ſtoͤren. Die Heilung
ſchien unmoͤglich. Die Diener, welche die Nacht
durch wachen mußten, ſagten, er habe nur wenig
geſchlummert, viel im Schlaf geſprochen, ſie haͤt-
ten dem Bette durchaus nicht nahe kommen duͤrfen.
Den ganzen Tag nahm er nichts zu ſich. Mit
uns ſprach er kein Wort. Die Nacht hindurch blieb
er wieder neben ihrem Bette ſitzen.
Am andern Morgen ſollte ſie begraben werden.
Man wollt’ ihn mit Gewalt aus dem Zimmer brin-
gen. Er wehrte ſich verzweifelt, ſchlug einen der
Maͤnner zu Boden. Dann verhielt er ſich ruhiger.
Man brachte den Sarg herein. Da riß er ſich
wieder los. Kein Arm war nun ſtark genug, den
Raſenden zu halten. Seine Kraft war rieſen-
maͤßig.
Er kniete vor das Maͤdchen, weinte laut, kuͤßte
ſie auf Mund und Stirne, loͤste ihre Locken auf,
faßte ſie dann um den Leib, legte ihr wankendes
Haupt an ſeinen Buſen und trug ſie zum Sarg.
Keine fremde Hand durfte ſie anruͤhren. Er legte
ſie ſelbſt hinein. Bey all’ dem ſprach er nichts.
Caton fuͤhrte Caͤcilien herein. Sie war ent-
kraͤftet und lehnte ſich an Catons Bruſt. Sie zer-
floß in Thraͤnen, wie ſie das junge geliebte Maͤd-
chen im Sarge ſah, und die vielen Blumen auf
ihr, und den wahnſinnigen Juͤngling daneben knie-
end. Auch Catons maͤnnliches Auge war voll
Thraͤnen.
Auf einmal ſchlug Phaethon den Sargdeckel
zu. Caͤcilie ſank mit einem lauten Schrey zu Bo-
den. Man brachte ſie weg. Phaethon laͤchelte.
Der Sarg ward in ein Gewoͤlbe des Mauſo-
leums getragen. Phaethon folgte. Gegen Abend
bracht’ ihn Caton wieder herauf. Nun erſt nahm
er wieder etwas zu ſich.
Am vierten Morgen nahm̄ ich Abſchied. Phae-
thon wollte durchaus nicht mit mir. Er ſchien
mich kaum zu kennen. Wie ich ihm um den Hals
fiel, weint’ er auch und ſprach lauter ſeltſame
Worte: Was ich denn von ihm wolle? … Er ſey
ja unſichtbar — er habe laͤngſt ſchon keinen Koͤr-
per mehr … ich ſolle nur ruhig ſeyn, er wolle mir
ſchon auch blaue Tremſen bringen .... Gott liebe
ja ſeine Menſchen .... ob ich’s denn nicht geſehen,
wie der Mond ſein Auge zugedruͤckt habe ...... er
ſey ſehr gern im Himmel, werde ſich naͤchſtens auch
einen Regenbogen machen und fuͤr das Uebrige
werd’ er ſchon ſorgen.
Mit blutendem Herzen empfahl ich Caton noch
einmal die Sorge fuͤr den Armen, nahm Abſchied
von der kranken Caͤcilie, und ſchied.|
Ach! Freund, das Viele, das mir begegnet,
draͤngt ſich ſo eng und maͤchtig vor meinen Sinnen
zuſammen, daß ich mich nicht mehr zu faſſen weiß.
Du kannteſt ihn ja, wie er war. Du wuͤrdeſt
ſchaudern, wenn du ſaͤheſt, wie er iſt.
Alles, alles hat er verloren, was er hatte,
was ihn ſo groß machte, was ihn zu Gott hinan-
hob, er hat alles verloren, ſich ſelbſt, die Welt
und Gott.
Menſch! … was biſt du in deinem
Stolze?
Jch will nicht weiter ſagen. Es iſt fuͤrchter-
lich. Meine Sinne verwirren ſich ſchon ob dem
Gedanken. Lebe wohl!
Phaethons Raſerey gieng in einen ſtillen Wahn-
ſinn uͤber.
Caton that alles, was er konnte. Es half
nichts.
Von allen ſeinen Freunden und Bekannten,
von ſeinem ganzen vorigen Leben, ſelbſt von Ata-
lanta ſprach er nie ein Wort. Alles, was er uͤber
die Lippen brachte, waren Worte aus einer Menge
fremder Sprachen unter einander gemiſcht und tau-
ſend ſonderbare Saͤtze voll Unſinn und Halbſinn.
Nur einmal lief er davon und gieng in das
Dorf, wo er einſt gewohnt. Er wußte noch Jo-
hannes Haus, oͤffnete die Thuͤre. Der Gute ſaß
am Fenſter, ſah die ſchreckliche Geſtalt zur Thuͤre
hereinkommen, kannte ſie nicht, erſchrack. Phae-
thon legte ſich uͤber einen Tiſch herein, blickt’ ihm
ſtarr ins Geſicht, ſagte mit fuͤrchterlicher Stimme,
durch den Bart murmelnd: Phaethon! und lief
wieder zur Thuͤre hinaus. Er gieng aber wieder
dem Schloſſe zu. Von da an beſucht’ ihn Johan-
nes faſt alle Tage. Der Wahnſinnige ſchien ſich
aber an nichts zu erinnern.
Wenn er Caton oder Caͤcilie beleidigt hatte,
kam er immer wieder zu ihnen, bat ſie in lauter
Worten ohne Sinn um Vergebung.
Er ſpielte viel auf dem Klavier, aber lauter
verwirrte Fantaſieen. Schrecklich war’s, den Wahn-
ſinnigen ſpielen zu hoͤren.
Des Nachts ſtand er meiſtens auf und wandelte
durch den Garten oder durch die Gaͤnge des Schloſſes.
Wenn er ein Kind ſah, winkt’ er ihm freundlich,
wollt’ es zu ſich locken, aber die Kinder flohen ihn.
Alles, was er bekommen konnte von Papier,
uͤberſchrieb er in dieſer Zeit. Hier ſind einige Blaͤt-
ter aus ſeinen Papieren, die zugleich einen tiefen
Blick in den ſchrecklichen Zuſtand ſeines verwirrten
Gemuͤthes geben. Jm Original ſind ſie abgetheilt,
wie Verſe, nach Pindariſcher Weiſe.
Jn lieblicher Blaͤue bluͤhet mit dem metall-
enen Dache der Kirchthurm. Den umſchwebet
Geſchrey der Schwalben, den umgiebt die ruͤhrend-
ſte Blaͤue. Die Sonne gehet hoch daruͤber und
faͤrbet das Blech, im Winde aber oben ſtille kraͤhet
die Fahne. Wenn einer unter der Glocke dann her-
abgeht, jene Treppen, ein ſtilles Leben iſt es, weil,
wenn abgeſondert ſo ſehr die Geſtalt iſt, die Bild-
ſamkeit herauskommt dann des Menſchen. Die
Fenſter, daraus die Glocken toͤnen, ſind wie Thore
an Schoͤnheit. Naͤmlich, weil noch der Natur nach
ſind die Thore, haben dieſe die Aehnlichkeit von
Baͤumen des Walds. Reinheit aber iſt auch Schoͤn-
heit. Jnnen aus Verſchiedenem entſteht ein ernſter
Geiſt. So ſehr einfaͤltig aber die Bilder, ſo ſehr
heilig ſind die, daß man wirklich oft fuͤrchtet, die
zu beſchreiben. Die Himmliſchen aber, die immer
gut ſind, alles zumal, wie Reiche, haben dieſe,
Tugend und Freude. Der Menſch darf das nach-
ahmen. Darf, wenn lauter Muͤhe das Leben, ein
Menſch aufſchauen und ſagen: ſo will ich auch
ſeyn? Ja. So lange die Freundlichkeit noch am
Herzen, die Reine, dauert, miſſet nicht ungluͤcklich
der Menſch ſich mit der Gottheit. Jſt unbekannt
Gott? Jſt er offenbar wie der Himmel? dieſes
glaub’ ich eher. Des Menſchen Maaß iſt’s. Voll
Verdienſt, doch dichteriſch, wohnet der Menſch auf
dieſer Erde. Doch reiner iſt nicht der Schatten
der Nacht mit den Sternen, wenn ich ſo ſagen
koͤnnte, als der Menſch, der heißet ein Bild der
Gottheit.
Giebt es auf Erden ein Maaß? Es giebt ’kei
nes. Naͤmlich es hemmen den Donnergang nie die
Welten des Schoͤpfers. Auch eine Blume iſt ſchoͤn,
weil ſie bluͤhet unter der Sonne. Es findet das
Aug’ oft im Leben Weſen, die viel ſchoͤner noch zu
nennen waͤren als die Blumen. O! ich weiß das
wohl! Denn zu bluten an Geſtalt und Herz, und
ganz nicht mehr zu ſeyn, gefaͤllt das Gott? Die
Seele aber, wie ich glaube, muß rein bleiben,
ſonſt reicht an das Maͤchtige auf Fittigen der Adler
mit lobendem Geſange und der Stimme ſo vieler
Voͤgel. Es iſt die Weſenheit, die Geſtalt iſt’s.
Du ſchoͤnes Baͤchlein, du ſcheineſt ruͤhrend, indem
du rolleſt ſo klar, wie das Auge der Gottheit,
durch die Milchſtraße. Jch kenne dich wohl, aber
Thraͤnen quillen aus dem Auge. Ein heiteres Le-
ben ſeh’ ich in den Geſtalten mich umbluͤhen der
Schoͤpfung, weil ich es nicht unbillig vergleiche
den einſamen Tauben auf dem Kirchhof. Das La-
chen aber ſcheint mich zu graͤmen der Menſchen,
naͤmlich ich hab’ ein Herz. Moͤcht’ ich ein Komet
ſeyn? Jch glaube. Denn ſie haben die Schnellig-
keit der Voͤgel; ſie bluͤhen an Feuer, und ſind wie
Kinder an Reinheit. Groͤßeres zu wuͤnſchen, kann
nicht des Menſchen Natur ſich vermeſſen. Der Tu-
gend Heiterkeit verdient auch gelobt zu werden vom
ernſten Geiſte, der zwiſchen den drey Saͤulen we-
het des Gartens. Eine ſchoͤne Jungfrau muß das
Haupt umkraͤnzen mit Myrthenblumen, weil ſie
einfach |iſt ihrem Weſen nach und ihrem Gefuͤhl.
Myrthen aber giebt es in Griechenland.
Wenn einer in den Spiegel ſiehet, ein Mann,
und ſiehet darinn ſein Bild, wie abgemahlt; es
gleicht dem Manne. Augen hat des Menſchen
Bild, hingegen Licht der Mond. Der Koͤnig Oedi-
pus hat ein Auge zuviel vielleicht. Dieſe Leiden
dieſes Mannes, ſie ſcheinen unbeſchreiblich, unaus,
ſprechlich, unausdruͤcklich. Wenn das Schauſpiel
ein ſolches darſtellt, kommt’s daher. Wie iſt mir’s
aber, gedenk’ ich deiner jetzt? Wie Baͤche reißt das
Ende von Etwas mich dahin, welches ſich wie Aſien
ausdehnet. Natuͤrlich dieſes Leiden, das hat Oedi-
pus. Natuͤrlich iſt’s darum. Hat auch Hercules
gelitten? Wohl. Die Dioſcuren in ihrer Freund-
ſchaft haben die nicht Leiden auch getragen? Naͤm-
lich wie Hercules mit Gott zu ſtreiten,
das iſt Leiden. Und die Unſterblichkeit im Neide
dieſes Lebens, dieſe zu theilen, iſt ein Leiden auch.
Doch das iſt auch ein Leiden, wenn mit Sommer-
flecken iſt bedeckt ein Menſch, mit manchen Flecken
ganz uͤberdeckt zu ſeyn! Das thut die ſchoͤne Son-
ne: naͤmlich die ziehet alles auf. Die Juͤnglinge
fuͤhrt die Bahn ſie mit Reizen ihrer Strahlen wie
mit Roſen. Die Leiden ſcheinen ſo, die Oedipus
getragen, als wie ein armer Mann klagt, daß ihm
etwas fehle. Sohn Laios, armer Fremdling in
Griechenland! Leben iſt Tod, und Tod iſt auch ein
Leben.
Solche Papiere verwahrt’ er ſorgfaͤltig. Wenn
er zeichnete, waren’s lauter Figuren, die keinen
Sinn hatten.
Ploͤtzlich ſtarb Caͤcilie. Von Atalanta’s Tod
an war ſie nicht mehr geſund. Catons Schmerz
war unermeßlich. Der wahnſinnige Phaethon
ſchmuͤckt’ ihre Leiche auch mit Blumen.
Noch ein Jahr blieb Caton auf dem Schloſſe.
Dann gab er den ungluͤcklichen Freund einem wak-
kern Tiſchler in ſein Haus, der im Dorfe wohnte.
Caton verſchwand an einem Morgen vom
Schloſſe. Die drey Saͤrge ſeiner Geliebten hatte
er mit ſich genommen. Er hatte das Schloß ver-
kauft. Man glaubte, er ſey nach Griechenland ge-
gangen.
Phaethons Zuſtand ward immer elender. Er
ſpielte nicht mehr Klavier, ſchrieb kein Wort mehr,
den ganzen Tag lief er in ſeinem Zimmer auf
und ab.
Jm Sommer klagt’ er immer uͤber Unruhe und
Beklemmung. Er wandelte dann gewoͤhnlich bey
Nacht im Haus umher.
Der Tiſchler nahm ihn oft mit ſich auf’s Feld.
Er mußt’ ihn aber huͤten.
Ein alter Freund Phaethons ſchrieb nach viel-
en Jahren einmal an einen andern Freund:
Jch kam durch’s Dorf T… Hier beſucht’ ich
den wahnſinnigen Phaethon, der in der ganzen
Umgegend bekannt iſt.
Wir waren einſt Jugendfreunde. Sein hoher
ſtrebender Geiſt, ſein edler kraͤftiger Sinn, ſein
heißes Herz, ſelbſt ſeine koͤrperliche Schoͤnheit
macht’ ihm alle Herzen gewogen. Geliebt, geach-
tet ward er, wohin er kam.
Uns allen war er ein Raͤthſel. Er galt fuͤr
einen Schwaͤrmer. Jmmer klagt’ er uͤber tauſend-
erley Dinge, wollte alles in groͤßerm Maaße; als
wir begreifen, als wir geben konnten. Mit unſe-
rer Freundſchaft war er nie zufrieden. Das wolle
nichts heißen; wir ſollten ihn viel gluͤhender lieben.
O denke dir den ſchoͤnen wunderbaren Juͤng-
ling mit den blauen Augen, dem blaſſen lieben An-
geſicht, den langen braunen Locken! Denke dir ihn
zuruͤck!
Seine Geſchichte iſt dir bekannt. Laß dir er-
zaͤhlen und ſchaud’re, wie ich ihn traf.
Jch ſtieg eine enge ſteinerne Treppe hinab, die
von einem kleinen Bergabhang zu einem einſamen
Tiſchlerhauſe fuͤhrte. Da ſollt’ er wohnen! Jch
trat die ſchmale Stiege hinauf. Ein freundliches
junges Maͤdchen trat mir entgegen. Jch fragte das
huͤbſche Kind nach Phaethon. Sie oͤffnete eine
Thuͤre! … Jn einem kleinen engen Stuͤbchen ſtand
ein Mann mit langem wildem Barte, nur halb
angekleidet, mit großen, unbeſchnitt’nen Naͤgeln,
die Haͤnde auf dem Ruͤcken zuſammenſchließend,
ſich unaufhoͤrlich gegen mich verneigend. Er iſt’s,
ſagte das Maͤdchen. Jch ſtand da, wie ein Gerich-
teter. Die Worte ſtarben mir auf der Zunge.
Das Maͤdchen ſprach mir Muth ein. Jch gieng end-
lich auf ihn zu und gab mich ihm zu erkennen. Er
verneigte ſich noch tiefer, ſchuͤttelte den Kopf, und
liſpelte: Eure koͤnigliche Majeſtaͤt kenn’ ich nicht!
nein! nein! kenn’ ich nicht! nein! Jch ſchauderte.
Er ſtand an der Thuͤre, die Hand auf einen
Stuhl geſtuͤtzt und die Fuͤße uͤber einander legend.
Unaufhoͤrlich ſprach er mit ſich ſelbſt in einer Miſch-
ung fremder Sprachen und ſelbſterfundener Worte.
Jch ſah ihn ſtarr an. Nur noch matte Spuren
ſeiner alten Schoͤnheit hatte die furchtbare Krank-
heit zuruͤckgelaſſen: in ſeinem großen Aug’ allein
war noch Geiſt, ein unausſprechlich ſonderbarer
Blick, der mir durch Mark und Bein ſchauerte.
Jch fragt’ ihn noch Einiges. Er antwortete
aber auf alles mit unverſtaͤndlichen Worten und
verſicherte mich, das koͤnne, das duͤrfe er nicht be-
antworten.
Auf einmal verneigt’ er ſich wieder und noch
tiefer als vorher. Jch glaubte, er wolle, daß ich
ihn verlaſſe, und trat hinaus. Außen blieb ich
noch eine Zeitlang ſtehen und ſah, wie er im Zim-
mer auf und abgieng. Jch dachte an die wilden
Thiere, die ſo in ihrem Kaͤfig wandeln, und rannte
ſchaudernd die Treppen hinunter.
Wird der verwegen aus den Schran-
ken getretene, ſich mit Gott zu meſſen
erkuͤhnende, in ſeinem Rieſenſchmerz in
und durch ſich ſelbſt zermalmte Geiſt an-
derswo Licht, Maaß und Wahrheit fin-
den, und wie?
Reizet ihn nicht, den hoͤchſten Geiſt!
Lernt ihn erkennen durch .... Ruhe!
Dann liebet! dann betet an! Nur wer
bey Fuͤlle Maaß haͤlt, iſt ihm aͤhnlich,
dem Maaße ſelbſt!
Druckfehler.
Erſter Theil.
Dedikation Seite 3, Zeile 1 ſtatt verſchunden lies ver-
ſchwunden.
Seite 20, Zeile 12 ſt. empfaͤnglicher l. empfaͤnglichen.
— 20, — 20 ſt. ausſprach l. anſprach.
— 21, — 16 ſt. Hypolytos l. Hippolytos.
— 21, — 17 ſt. Duͤmmſten l. Duͤnnſten.
— 25, — 26 ſt. (dem knieenden Knaben) l. — dem
knienden Knaben —
— 37, — 8 ſt. Geſchlechten l. Geſchlechtern.
— 46, — 20 ſt. τες l. τις.
— 46, — 21 ſt. ἐπυιησε l. ἐποιησε.
— 46, — 21 ſt. εδε l. ἐςι.
— 46, — 22 ſt. εται l. ἐςαι.
— 64, — 17 ſt. Partenios l. Parthenios.
— 64, — 20 ſt. Kitharone l. Kithaͤron.
— 70, — 20 ſt. Fuͤlle, l. Fuͤlle.
— 74, — 10 ſt. 6 l. ſechs.
— 76, — 19 ſt. Wieſe, l. Wieſe.
— 81, — 19 ſt. des weiſen Diſtima l. der weiſen
Diotima.
— 85, — 5 ſt. Ton l. Thon.
— 91, — 12 ſt. Gerichts l. Geſichts.
— 111, — 6 ſt. Anmuth l. Armuth.
— 133, — 9 ſt. der Geiſt, das Groͤßte l. das Groͤßte.
— 150, — 16 ſt. Homeros. l. Homeros?
Zweiter Theil.
Seite 1, Zeile 2 ſtatt facultèès lies faculties.
— 1, — 4 ſt. a angel l l. an angel!
— 1, — 6 ſt. animale! l. animal!
— 12, — 6 ſt. geſtorben — ſeyn l. geſtorben-ſeyn.
— 18, — 21 ſt. Griechin l. Griechinn.
— 24, — 19 ſt. nach Miſitra l. von Miſitra.
— 27, — 9 ſt. Ourthenios l. Parthenios.
— 29, — 7 ſt. Teniadaͤ l. Oeniadaͤ.
— 56, — 4 ſt. ἀυτω l. ἀυτο.
— 57, — 23 ſt. νουν l. νους.
— 57, — 23 ſt. ὁμειϩων l. ὁ μειϩων.
— 58, — 18 ſt. Mittelſtraße l. Milchſtraße.
— 96, — 23 ſt. Ahnung l. Ordnung.
— 106, — 17 ſt. Stoß l. Stoff.
— 128, — 23 ſt. in den Bildern l. in den Bildern
der.
— 143, — 7 ſt. ſchwebteſt l. ſchwebten.