und Du empfändest die Welt nicht von außen. Aber ist denn die äußere Welt nicht Dein Inneres? -- oder soll sie es nicht werden? -- von innen heraus lernt man Sehen, Hören, Fühlen, um das Äußere ins In¬ nere zu verwandlen, das ist nicht anders als wie wenn die Bienen den Blumenstaub in die Kelche vertragen, die für die Zukunft sich befruchten sollen. In der Seele liegt die Zukunft in vielfältigen Knospen, da muß aus reiner Geistesblüthe der lebendige Staub hinein getra¬ gen werden. Das scheint mir Zukunft zu sein. -- Jahre vergehen gleich einem tiefen Schlaf, wo wir nicht vor¬ wärts und nicht zurück uns bewegen, und wirkliche Zeitschritte sind nur die, in denen der Geist die Seele befruchtet, in der Zeiten Raum geht das wirkliche Le¬ ben aus solchen einzelnen befruchtenden Momenten wie die Blüthenperlen dicht an einander auf. -- Was ist auch Zeit in der nichts vorgeht? -- die nicht vom Geist befruchtet ist? -- Pause, bewußtloses Nichts! -- Raum, den wir durchschreiten, der noch unerfüllt ist. -- Aber jene Momente müssen noch so dicht gesäet werden, daß der ganze Raum ein ewiges Blüthenmeer von befruch¬ tenden Lebensmomenten sei. -- Alle Anreizung in selbst¬ ständiges Leben entwicklen, das Geist-bewaffnet nach eigenthümlicher Weise die Zukunftsblüthen erweckt, das
und Du empfändeſt die Welt nicht von außen. Aber iſt denn die äußere Welt nicht Dein Inneres? — oder ſoll ſie es nicht werden? — von innen heraus lernt man Sehen, Hören, Fühlen, um das Äußere ins In¬ nere zu verwandlen, das iſt nicht anders als wie wenn die Bienen den Blumenſtaub in die Kelche vertragen, die für die Zukunft ſich befruchten ſollen. In der Seele liegt die Zukunft in vielfältigen Knospen, da muß aus reiner Geiſtesblüthe der lebendige Staub hinein getra¬ gen werden. Das ſcheint mir Zukunft zu ſein. — Jahre vergehen gleich einem tiefen Schlaf, wo wir nicht vor¬ wärts und nicht zurück uns bewegen, und wirkliche Zeitſchritte ſind nur die, in denen der Geiſt die Seele befruchtet, in der Zeiten Raum geht das wirkliche Le¬ ben aus ſolchen einzelnen befruchtenden Momenten wie die Blüthenperlen dicht an einander auf. — Was iſt auch Zeit in der nichts vorgeht? — die nicht vom Geiſt befruchtet iſt? — Pauſe, bewußtloſes Nichts! — Raum, den wir durchſchreiten, der noch unerfüllt iſt. — Aber jene Momente müſſen noch ſo dicht geſäet werden, daß der ganze Raum ein ewiges Blüthenmeer von befruch¬ tenden Lebensmomenten ſei. — Alle Anreizung in ſelbſt¬ ſtändiges Leben entwicklen, das Geiſt-bewaffnet nach eigenthümlicher Weiſe die Zukunftsblüthen erweckt, das
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und Du empfändeſt die Welt nicht von außen. Aber iſt
denn die äußere Welt nicht Dein Inneres? — oder
ſoll ſie es nicht werden? — von innen heraus lernt
man Sehen, Hören, Fühlen, um das Äußere ins In¬
nere zu verwandlen, das iſt nicht anders als wie wenn
die Bienen den Blumenſtaub in die Kelche vertragen, die
für die Zukunft ſich befruchten ſollen. In der Seele
liegt die Zukunft in vielfältigen Knospen, da muß aus
reiner Geiſtesblüthe der lebendige Staub hinein getra¬
gen werden. Das ſcheint mir Zukunft zu ſein. — Jahre
vergehen gleich einem tiefen Schlaf, wo wir nicht vor¬
wärts und nicht zurück uns bewegen, und wirkliche
Zeitſchritte ſind nur die, in denen der Geiſt die Seele
befruchtet, in der Zeiten Raum geht das wirkliche Le¬
ben aus ſolchen einzelnen befruchtenden Momenten wie
die Blüthenperlen dicht an einander auf. — Was iſt
auch Zeit in der nichts vorgeht? — die nicht vom Geiſt
befruchtet iſt? — Pauſe, bewußtloſes Nichts! — Raum,
den wir durchſchreiten, der noch unerfüllt iſt. — Aber
jene Momente müſſen noch ſo dicht geſäet werden, daß
der ganze Raum ein ewiges Blüthenmeer von befruch¬
tenden Lebensmomenten ſei. — Alle Anreizung in ſelbſt¬
ſtändiges Leben entwicklen, das Geiſt-bewaffnet nach
eigenthümlicher Weiſe die Zukunftsblüthen erweckt, das
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Arnim, Bettina von: Die Günderode. Bd. 1. Grünberg u. a., 1840, S. 46. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/arnimb_guenderode01_1840/62>, abgerufen am 23.11.2024.
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