Beyer, Conrad: Deutsche Poetik. Handbuch der deutschen Dichtkunst nach den Anforderungen der Gegenwart. Zweiter Band. Stuttgart, 1883.p2b_224.001 O der Helle, die dem guten Schwärmer p2b_224.002 Nichts zu zeigen hat, als seine Nacht! p2b_224.003 O des Lichtes, das den Glauben ärmer, p2b_224.004 Und die Weisheit doch nicht reicher macht! p2b_224.005 Stolze Weisheit! durftest du mir's rauben, p2b_224.006 Das erhabne, stille Seelenglück? p2b_224.007 Nimm, was du mir gabst; nur meinen Glauben, p2b_224.008 Meine Hoffnung nur gieb mir zurück, p2b_224.009 Daß mein Haupt auf ihren Schoß sich neige, p2b_224.010 Und dies Herz, das schwere Seufzer trug, p2b_224.011 Jhr die Narben von den Wunden zeige, p2b_224.012 Welche mir das harte Leben schlug! p2b_224.013 Wie geschreckt von einem grausen Fluche, p2b_224.014 Der aus einem Himmel mich verstieß, p2b_224.015 Fahr' ich zitternd auf, und suche p2b_224.016 Mein verlornes Paradies. p2b_224.017 Friede war um mich. Durch Blumenstellen p2b_224.018 Wandelte mein unbefangner Schritt, p2b_224.019 Wie ein Lenztag, der aus seinem hellen, p2b_224.020 Sonnenroten Morgenhimmel tritt. p2b_224.021 Hin, dahin ist diese holde Jugend u. s. w. p2b_224.022 Bruchstück aus dem Laienevangelium, von Fr. von Sallet. p2b_224.039 O Morgenland! wie ein Erinnern schallend - p2b_224.040 Wie Heimweh zieht's nach deinen Märchenfernen. p2b_224.041 Hier lag die Menschheit in der Wiege lallend, p2b_224.042 Und langte spielend nach des Himmels Sternen. - p2b_224.043
Jm Taumel rasend und im Stumpfsinn brütend, p2b_224.044 Wich dein Geschlecht aus schöner Menschheit Gleise, p2b_224.045 Doch sann, der Kindheit Tiefsinn still behütend, p2b_224.046 Jm Schatten deiner Palmen mancher Weise. p2b_224.001 O der Helle, die dem guten Schwärmer p2b_224.002 Nichts zu zeigen hat, als seine Nacht! p2b_224.003 O des Lichtes, das den Glauben ärmer, p2b_224.004 Und die Weisheit doch nicht reicher macht! p2b_224.005 Stolze Weisheit! durftest du mir's rauben, p2b_224.006 Das erhabne, stille Seelenglück? p2b_224.007 Nimm, was du mir gabst; nur meinen Glauben, p2b_224.008 Meine Hoffnung nur gieb mir zurück, p2b_224.009 Daß mein Haupt auf ihren Schoß sich neige, p2b_224.010 Und dies Herz, das schwere Seufzer trug, p2b_224.011 Jhr die Narben von den Wunden zeige, p2b_224.012 Welche mir das harte Leben schlug! p2b_224.013 Wie geschreckt von einem grausen Fluche, p2b_224.014 Der aus einem Himmel mich verstieß, p2b_224.015 Fahr' ich zitternd auf, und suche p2b_224.016 Mein verlornes Paradies. p2b_224.017 Friede war um mich. Durch Blumenstellen p2b_224.018 Wandelte mein unbefangner Schritt, p2b_224.019 Wie ein Lenztag, der aus seinem hellen, p2b_224.020 Sonnenroten Morgenhimmel tritt. p2b_224.021 Hin, dahin ist diese holde Jugend u. s. w. p2b_224.022 Bruchstück aus dem Laienevangelium, von Fr. von Sallet. p2b_224.039 O Morgenland! wie ein Erinnern schallend ─ p2b_224.040 Wie Heimweh zieht's nach deinen Märchenfernen. p2b_224.041 Hier lag die Menschheit in der Wiege lallend, p2b_224.042 Und langte spielend nach des Himmels Sternen. ─ p2b_224.043
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(Jn ähnlicher Weise und in diesem Metrum breitet sich die Dichtung p2b_224.023
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sich als ein vom despotischen Schicksal hin- und hergeworfenes Wesen. Dennoch p2b_224.027
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schmachtet er nach Zuversicht, nach Trost. ─ ─ ─ Dies ist der p2b_224.029
hauptsächliche Jnhalt des 1. Gesangs dieses großen, aus 6 Gesängen bestehenden p2b_224.030
Lehrgedichtes über die Unsterblichkeit. Der aufmerksame Leser findet, wie p2b_224.031
die Didaxis bald aus dem Gefühl, bald aus dem Verstand quillt, weshalb p2b_224.032
ihn das Gedicht bald ergreift, bald kalt läßt, ohne viel mehr zu bewirken, p2b_224.033
als die ruhelose Stimmung von Punkt zu Punkt weiter zu drängen. Jm 6. Gesang p2b_224.034
kommt der Dichter zur Ansicht, daß eine zweifache Natur im Menschen p2b_224.035
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Bruchstück aus dem Laienevangelium, von Fr. von Sallet.
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O Morgenland! wie ein Erinnern schallend ─ p2b_224.040
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Jm Schatten deiner Palmen mancher Weise.
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