Thieres auf, welches seine Begleiter als Antilope erkennen wollten. Man verfolgte das Wild augenblicklich im vollen Galopp, und bekam es, Dank der Geschicklichkeit des Hundes, auch wirklich wieder zu Gesicht. Da sah man zu nicht geringer Verwunderung, daß die vermeintliche Antilope ein Wildesel war. "Jch beschloß," sagt der Reisende, "diesem prachtvollen Thiere mit meinem außerordentlich geschwinden Araber nachzureiten; allein alle Bemühungen des edlen Rosses waren vergeblich, bis das Wild plötzlich still stand und mir Gelegenheit gab, es in der Nähe zu betrachten. Mit einem Male aber floh es wieder mit Gedankenschnelle dahin, Luftsprünge machend, ausschlagend und auf der Flucht scherzend, als ob es nicht im geringsten ermüdet und die Hatze ihm nur eine Lust wäre."
Die Sinne des Kulan, zumal Gehör, Gesicht und Geruch, sind so fein, daß ihm in freier Steppe gar nicht beizukommen ist. Dabei ist er außerordentlich genügsam und kommt höchstens einen Tag um den anderen zur Tränke, weshalb der Anstand auf ihn meist vergeblich ist. Salz- haltige Pflanzen sind ihm die angenehmste Nahrung, nebst diesen die bittermilchigen, wie Löwen- zahn, die Saudistel u. dgl.; aber auch Kleearten, Luzern und allerlei Schotenpflanzen werden nicht verschmäht. Zuwider sind ihm dagegen alle wohlriechenden, balsamischen Pflanzen, Sumpfkräuter, Ranunkeln und alle stachlichten Gewächse, auch die Distel, welche der zahme Esel doch gern frißt. Salziges Wasser liebt er mehr, als frisches, jedoch muß es rein sein; denn trübes trinkt er nie.
Ueber die Zeit der Paarung und des Wurfes ist Nichts bekannt geworden.
Der Kulan ist für die Steppenbewohner ein wichtiges Thier. Bei den Kirgisen gilt sein Fleisch als das leckerste von allen, und auch die Perser, welche ihn "Jschacki" oder Bergesel nennen, scheinen gleicher Ansicht zu sein. Sogar die Araber, welche sonst sehr heiklich sind, was die Nah- rung anlangt, und einen zahmen Esel niemals essen würden, betrachten den Kulan als ein sehr edles Wild. Wahrscheinlich war es bei den Hebräern nicht anders. Und daß die Römer nach jungen Onagern lüstern waren, wissen wir gewiß. Plinius erzählt uns, daß die besten Ouager in Phrygien und Lykaonien gefunden würden. "Die Füllen dieser Thiere," sagt der alte Natur- forscher, "sind als Leckerbissen unter dem Namen Lalisiones bekannt. Mäcen war der erste, wel- cher bei seinen Gastereien Maulthierfüllen statt jenes ausländischen Wildprets einführte." Die Perser benutzen außer dem Fleisch die Galle des Wildesels als Augenmittel, die Bucharen seine Haut zur Anfertigung von Chagrain oder von Stiefeln, welche sehr theuer bezahlt werden. Alle Mittelasiaten jagen deshalb dem edlen Thiere eifrig und zwar auf die verschiedenste Weise nach. Die Kirgisen suchen es nur aus dem Verborgenen zu schießen, die Perser hingegen tiefen Gruben ab, bedecken sie leicht mit Zweigen und Gras und füllen sie unten bis zu einer gewissen Höhe mit Heu an, damit die hereinfallenden sich nicht verletzen. Dann treibt man die Kulans nach den Thälern hin, in welchen man die Gruben angelegt hat, und verkauft die gefangenen jungen Füllen zur Zucht an die Stutereien der Vornehmen des Landes zu theueren Preisen. Aus diesen Gefangenen zieht man die schönsten und flinksten Reitesel, deren man sich in Persien und Arabien bedient, und zahlt gern 75 bis 100 Dukaten für das Stück. Sie haben noch alle guten Eigenschaften ihrer wil- den Stammeltern: die schöne Bildung, den munteren Anstand und die Schnelligkeit im Lauf, ihre Genügsamkeit und die Ausdauer. Niebuhr schätzt den Weg, welchen ein Reitesel im gleich- förmigen Schritt alle halbe Stunden zurücklegt, auf 1750 doppelte Menschenschritte, während die großen Lastkamele nur 975, und die kleinen oder Dromedare höchstens 1500 ablegen können. Er gibt an, daß man unter den arabischen Reiteseln viele sinde, welche in der Färbung genau mit dem Kulan übereinkommen Jch dagegen habe auf allen meinen Reisen in Nordostafrika keinen Esel gesehen, welcher jene Angabe bestätigt hätte.
Pallas berichtet von einer Wildeselin, welche nach Petersburg gebracht wurde, vorher aber sehr schlecht abgewartet worden war. Gleichwohl hatte dieses Thier im Sommer den Weg von Astrachan bis Moskau, über zweihundert deutsche Meilen, in beständigem Laufe hinter dem Post- wagen ausgehalten, ohne mehr als ein paar Nächte zu rasten, hatte dabei noch durch Fallen und
Der Onager.
Thieres auf, welches ſeine Begleiter als Antilope erkennen wollten. Man verfolgte das Wild augenblicklich im vollen Galopp, und bekam es, Dank der Geſchicklichkeit des Hundes, auch wirklich wieder zu Geſicht. Da ſah man zu nicht geringer Verwunderung, daß die vermeintliche Antilope ein Wildeſel war. „Jch beſchloß,‟ ſagt der Reiſende, „dieſem prachtvollen Thiere mit meinem außerordentlich geſchwinden Araber nachzureiten; allein alle Bemühungen des edlen Roſſes waren vergeblich, bis das Wild plötzlich ſtill ſtand und mir Gelegenheit gab, es in der Nähe zu betrachten. Mit einem Male aber floh es wieder mit Gedankenſchnelle dahin, Luftſprünge machend, ausſchlagend und auf der Flucht ſcherzend, als ob es nicht im geringſten ermüdet und die Hatze ihm nur eine Luſt wäre.‟
Die Sinne des Kulan, zumal Gehör, Geſicht und Geruch, ſind ſo fein, daß ihm in freier Steppe gar nicht beizukommen iſt. Dabei iſt er außerordentlich genügſam und kommt höchſtens einen Tag um den anderen zur Tränke, weshalb der Anſtand auf ihn meiſt vergeblich iſt. Salz- haltige Pflanzen ſind ihm die angenehmſte Nahrung, nebſt dieſen die bittermilchigen, wie Löwen- zahn, die Saudiſtel u. dgl.; aber auch Kleearten, Luzern und allerlei Schotenpflanzen werden nicht verſchmäht. Zuwider ſind ihm dagegen alle wohlriechenden, balſamiſchen Pflanzen, Sumpfkräuter, Ranunkeln und alle ſtachlichten Gewächſe, auch die Diſtel, welche der zahme Eſel doch gern frißt. Salziges Waſſer liebt er mehr, als friſches, jedoch muß es rein ſein; denn trübes trinkt er nie.
Ueber die Zeit der Paarung und des Wurfes iſt Nichts bekannt geworden.
Der Kulan iſt für die Steppenbewohner ein wichtiges Thier. Bei den Kirgiſen gilt ſein Fleiſch als das leckerſte von allen, und auch die Perſer, welche ihn „Jſchacki‟ oder Bergeſel nennen, ſcheinen gleicher Anſicht zu ſein. Sogar die Araber, welche ſonſt ſehr heiklich ſind, was die Nah- rung anlangt, und einen zahmen Eſel niemals eſſen würden, betrachten den Kulan als ein ſehr edles Wild. Wahrſcheinlich war es bei den Hebräern nicht anders. Und daß die Römer nach jungen Onagern lüſtern waren, wiſſen wir gewiß. Plinius erzählt uns, daß die beſten Ouager in Phrygien und Lykaonien gefunden würden. „Die Füllen dieſer Thiere,‟ ſagt der alte Natur- forſcher, „ſind als Leckerbiſſen unter dem Namen Lalisiones bekannt. Mäcen war der erſte, wel- cher bei ſeinen Gaſtereien Maulthierfüllen ſtatt jenes ausländiſchen Wildprets einführte.‟ Die Perſer benutzen außer dem Fleiſch die Galle des Wildeſels als Augenmittel, die Bucharen ſeine Haut zur Anfertigung von Chagrain oder von Stiefeln, welche ſehr theuer bezahlt werden. Alle Mittelaſiaten jagen deshalb dem edlen Thiere eifrig und zwar auf die verſchiedenſte Weiſe nach. Die Kirgiſen ſuchen es nur aus dem Verborgenen zu ſchießen, die Perſer hingegen tiefen Gruben ab, bedecken ſie leicht mit Zweigen und Gras und füllen ſie unten bis zu einer gewiſſen Höhe mit Heu an, damit die hereinfallenden ſich nicht verletzen. Dann treibt man die Kulans nach den Thälern hin, in welchen man die Gruben angelegt hat, und verkauft die gefangenen jungen Füllen zur Zucht an die Stutereien der Vornehmen des Landes zu theueren Preiſen. Aus dieſen Gefangenen zieht man die ſchönſten und flinkſten Reiteſel, deren man ſich in Perſien und Arabien bedient, und zahlt gern 75 bis 100 Dukaten für das Stück. Sie haben noch alle guten Eigenſchaften ihrer wil- den Stammeltern: die ſchöne Bildung, den munteren Anſtand und die Schnelligkeit im Lauf, ihre Genügſamkeit und die Ausdauer. Niebuhr ſchätzt den Weg, welchen ein Reiteſel im gleich- förmigen Schritt alle halbe Stunden zurücklegt, auf 1750 doppelte Menſchenſchritte, während die großen Laſtkamele nur 975, und die kleinen oder Dromedare höchſtens 1500 ablegen können. Er gibt an, daß man unter den arabiſchen Reiteſeln viele ſinde, welche in der Färbung genau mit dem Kulan übereinkommen Jch dagegen habe auf allen meinen Reiſen in Nordoſtafrika keinen Eſel geſehen, welcher jene Angabe beſtätigt hätte.
Pallas berichtet von einer Wildeſelin, welche nach Petersburg gebracht wurde, vorher aber ſehr ſchlecht abgewartet worden war. Gleichwohl hatte dieſes Thier im Sommer den Weg von Aſtrachan bis Moskau, über zweihundert deutſche Meilen, in beſtändigem Laufe hinter dem Poſt- wagen ausgehalten, ohne mehr als ein paar Nächte zu raſten, hatte dabei noch durch Fallen und
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[363/0385]
Der Onager.
Thieres auf, welches ſeine Begleiter als Antilope erkennen wollten. Man verfolgte das Wild
augenblicklich im vollen Galopp, und bekam es, Dank der Geſchicklichkeit des Hundes, auch wirklich
wieder zu Geſicht. Da ſah man zu nicht geringer Verwunderung, daß die vermeintliche Antilope
ein Wildeſel war. „Jch beſchloß,‟ ſagt der Reiſende, „dieſem prachtvollen Thiere mit meinem
außerordentlich geſchwinden Araber nachzureiten; allein alle Bemühungen des edlen Roſſes waren
vergeblich, bis das Wild plötzlich ſtill ſtand und mir Gelegenheit gab, es in der Nähe zu betrachten.
Mit einem Male aber floh es wieder mit Gedankenſchnelle dahin, Luftſprünge machend, ausſchlagend
und auf der Flucht ſcherzend, als ob es nicht im geringſten ermüdet und die Hatze ihm nur eine
Luſt wäre.‟
Die Sinne des Kulan, zumal Gehör, Geſicht und Geruch, ſind ſo fein, daß ihm in freier
Steppe gar nicht beizukommen iſt. Dabei iſt er außerordentlich genügſam und kommt höchſtens
einen Tag um den anderen zur Tränke, weshalb der Anſtand auf ihn meiſt vergeblich iſt. Salz-
haltige Pflanzen ſind ihm die angenehmſte Nahrung, nebſt dieſen die bittermilchigen, wie Löwen-
zahn, die Saudiſtel u. dgl.; aber auch Kleearten, Luzern und allerlei Schotenpflanzen werden nicht
verſchmäht. Zuwider ſind ihm dagegen alle wohlriechenden, balſamiſchen Pflanzen, Sumpfkräuter,
Ranunkeln und alle ſtachlichten Gewächſe, auch die Diſtel, welche der zahme Eſel doch gern frißt.
Salziges Waſſer liebt er mehr, als friſches, jedoch muß es rein ſein; denn trübes trinkt er nie.
Ueber die Zeit der Paarung und des Wurfes iſt Nichts bekannt geworden.
Der Kulan iſt für die Steppenbewohner ein wichtiges Thier. Bei den Kirgiſen gilt ſein Fleiſch
als das leckerſte von allen, und auch die Perſer, welche ihn „Jſchacki‟ oder Bergeſel nennen,
ſcheinen gleicher Anſicht zu ſein. Sogar die Araber, welche ſonſt ſehr heiklich ſind, was die Nah-
rung anlangt, und einen zahmen Eſel niemals eſſen würden, betrachten den Kulan als ein ſehr
edles Wild. Wahrſcheinlich war es bei den Hebräern nicht anders. Und daß die Römer nach
jungen Onagern lüſtern waren, wiſſen wir gewiß. Plinius erzählt uns, daß die beſten Ouager
in Phrygien und Lykaonien gefunden würden. „Die Füllen dieſer Thiere,‟ ſagt der alte Natur-
forſcher, „ſind als Leckerbiſſen unter dem Namen Lalisiones bekannt. Mäcen war der erſte, wel-
cher bei ſeinen Gaſtereien Maulthierfüllen ſtatt jenes ausländiſchen Wildprets einführte.‟ Die
Perſer benutzen außer dem Fleiſch die Galle des Wildeſels als Augenmittel, die Bucharen ſeine
Haut zur Anfertigung von Chagrain oder von Stiefeln, welche ſehr theuer bezahlt werden. Alle
Mittelaſiaten jagen deshalb dem edlen Thiere eifrig und zwar auf die verſchiedenſte Weiſe nach. Die
Kirgiſen ſuchen es nur aus dem Verborgenen zu ſchießen, die Perſer hingegen tiefen Gruben ab,
bedecken ſie leicht mit Zweigen und Gras und füllen ſie unten bis zu einer gewiſſen Höhe mit Heu
an, damit die hereinfallenden ſich nicht verletzen. Dann treibt man die Kulans nach den Thälern
hin, in welchen man die Gruben angelegt hat, und verkauft die gefangenen jungen Füllen zur
Zucht an die Stutereien der Vornehmen des Landes zu theueren Preiſen. Aus dieſen Gefangenen
zieht man die ſchönſten und flinkſten Reiteſel, deren man ſich in Perſien und Arabien bedient, und
zahlt gern 75 bis 100 Dukaten für das Stück. Sie haben noch alle guten Eigenſchaften ihrer wil-
den Stammeltern: die ſchöne Bildung, den munteren Anſtand und die Schnelligkeit im Lauf, ihre
Genügſamkeit und die Ausdauer. Niebuhr ſchätzt den Weg, welchen ein Reiteſel im gleich-
förmigen Schritt alle halbe Stunden zurücklegt, auf 1750 doppelte Menſchenſchritte, während die
großen Laſtkamele nur 975, und die kleinen oder Dromedare höchſtens 1500 ablegen können. Er
gibt an, daß man unter den arabiſchen Reiteſeln viele ſinde, welche in der Färbung genau mit
dem Kulan übereinkommen Jch dagegen habe auf allen meinen Reiſen in Nordoſtafrika keinen
Eſel geſehen, welcher jene Angabe beſtätigt hätte.
Pallas berichtet von einer Wildeſelin, welche nach Petersburg gebracht wurde, vorher aber
ſehr ſchlecht abgewartet worden war. Gleichwohl hatte dieſes Thier im Sommer den Weg von
Aſtrachan bis Moskau, über zweihundert deutſche Meilen, in beſtändigem Laufe hinter dem Poſt-
wagen ausgehalten, ohne mehr als ein paar Nächte zu raſten, hatte dabei noch durch Fallen und
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 363. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/385>, abgerufen am 23.11.2024.
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