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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.

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Einhufer. -- Der afrikanische Steppenesel.
Stoßen gelitten, war sogar hinter dem Wagen hergeschleift worden, und lief nach einem kurzen
Aufenthalte in Moskau doch noch mit ebensowenig Ruhe, als vorher, über hundert Meilen, bis
Petersburg. Hier kam sie freilich höchst mager und so elend an, daß sie sich kaum auf den
Füßen erhalten konnte; aber sie kam bald wieder zu Kräften, und als sie gegen den Herbst starb,
war nicht jene Erschöpfung die Ursache, sondern die Kälte, die Nässe des Klimas, des Bodens
und der Weide, und endlich auch die Mittel, welche man anwandte, um eine auf ihrer Haut
ausgebrochene böse Räute zu vertreiben. Auch dieser Krankheit ungeachtet erholte sie sich genug-
sam, um einen Theil ihrer vorigen Munterkeit und Schnelligkeit, um ihre anderen, vom Lastesel
sehr verschiedenen Eigenschaften und Vorzüge zu zeigen. Der feuchtkalte Herbst brachte ihr den
Tod. Sie wurde auf der nassen Weide bald hufrissig, und diese Krankheit nahm so überhand,
daß die Hufe sich endlich stückweise von den Füßen abschälten. Sie war übrigens sehr zahm und
folgte den Leuten, welche sie fütterten und tränkten, wie ein Hund nach. Mit Brod konnte man
sie locken, wohin man sie haben wollte. Nur wenn man sie an der Halfter gegen ihren Willen
leiten wollte, zeigte sie sich eigensinnig.

Jch sah das stolze Thier lebend im kaiserlichen Thiergarten zu Schönbrunn. Dort befindet
sich gegenwärtig ein Paar; aber beide sind sehr wild und unzugänglich. Unsere schöne Abbildung ist
nach ihnen gefertigt.

Der Hamar el Wadi oder afrikanische Steppenesel (Asinus africanus) ähnelt in
Größe und Ansehen seinem gezähmten Nachkömmling in Egypten, in seinem Austande und seinem
Wesen aber ganz den wildlebenden asiatischen Verwandten. Er ist groß, schlank und hübsch gebaut,
bald aschgrau, bald isabellfarben, an der Unterseite heller, mit deutlich ausgesprochenem Schulterkreuz
und einigen mehr oder weniger bemerkbaren Querstreifen an der Außenseite des Unterfußes. Die
Mähne ist ziemlich schwach und kurz, die Quaste am Schwanze aber stark und lang.

Dieses Thier findet sich wahrscheinlich in allen Steppenländern östlich vom Nil. Um den At-
bara,
den Hauptzufluß des göttlichen Stromes, ist er häufig, ebenso auch in den Barkaebenen;
sein Verbreitungskreis reicht bis an die Küste des rothen Meeres. Hier lebt er unter ganz ähn-
lichen Verhältnissen, wie der Dschiggetai und Kulan. Jeder Hengst führt eine Herde von 10 bis
15 Stuten, und bewacht und vertheidigt sie. Er ist ausnehmend scheu und vorsichtig, seine Jagd
daher überaus schwierig. Von einem Reisenden, welcher den Weg vom rothen Meere nach Char-
thum gemacht hatte, erfuhr ich, daß die Wildesel, wie die Pferde Paraguays, oft auf das Lager-
feuer zulaufen, etwa 400 Schritt davon sich aufstellen und stutzen, bei der geringsten Bewegung im
Lager aber mit hoch emporgehobenem Schweife eilenden Laufes davonjagen. Zahme Eselinnen sollen
sie nicht selten wegführen und unter ihre Herden aufnehmen.

Alle im Süden und wahrscheinlich auch die in Habesch benutzten zahmen Esel scheinen von dieser
Art abzustammen, denn nach der Versicherung der Araber gleichen ihnen die Wildesel täuschend. Mir
wurden Esel gezeigt, von denen man behauptete, sie in der Jugend eingefangen und gezähmt zu
haben. Jch weiß nicht, ob diese Behauptung der Wahrheit entsprach: soviel aber kann ich versichern,
daß sie sich von den anderen dort gebräuchlichen Eseln nur durch etwas stolzere Haltung und größere
Ausdauer unterschieden. Mehrere Male habe ich solche Thiere benutzt und dabei beobachten können,
daß sie ebenso lenksam und anspruchslos waren, wie die im Hausstande geborenen. Der hamburger
Thiergarten besitzt einen jungen, von einem Paare des Steppenesels abstammenden Hengst, wel-
ches, irre ich nicht, durch Heuglin nach Wien gebracht worden war. Dieser Hengst ist ein schönes,
munteres, kluges Geschöpf. Er hat sich seine edle Haltung bewahrt und macht deshalb einen
sehr guten Eindruck auf den Beschauer. Sein Wesen ist nicht minder angenehm. Er ist gut-
müthig, seinem Wärter und seinen Bekannten sehr zugethan, zeigt aber oft einen gewissen Muth-
willen, welcher seine Behandlung oder mindestens ein innigeres Verhältniß mit ihm erschwert.
Obwohl er Liebkosungen verlangt und, wie es scheint, mit Dank anerkennt, kann er es sich doch

Einhufer. — Der afrikaniſche Steppeneſel.
Stoßen gelitten, war ſogar hinter dem Wagen hergeſchleift worden, und lief nach einem kurzen
Aufenthalte in Moskau doch noch mit ebenſowenig Ruhe, als vorher, über hundert Meilen, bis
Petersburg. Hier kam ſie freilich höchſt mager und ſo elend an, daß ſie ſich kaum auf den
Füßen erhalten konnte; aber ſie kam bald wieder zu Kräften, und als ſie gegen den Herbſt ſtarb,
war nicht jene Erſchöpfung die Urſache, ſondern die Kälte, die Näſſe des Klimas, des Bodens
und der Weide, und endlich auch die Mittel, welche man anwandte, um eine auf ihrer Haut
ausgebrochene böſe Räute zu vertreiben. Auch dieſer Krankheit ungeachtet erholte ſie ſich genug-
ſam, um einen Theil ihrer vorigen Munterkeit und Schnelligkeit, um ihre anderen, vom Laſteſel
ſehr verſchiedenen Eigenſchaften und Vorzüge zu zeigen. Der feuchtkalte Herbſt brachte ihr den
Tod. Sie wurde auf der naſſen Weide bald hufriſſig, und dieſe Krankheit nahm ſo überhand,
daß die Hufe ſich endlich ſtückweiſe von den Füßen abſchälten. Sie war übrigens ſehr zahm und
folgte den Leuten, welche ſie fütterten und tränkten, wie ein Hund nach. Mit Brod konnte man
ſie locken, wohin man ſie haben wollte. Nur wenn man ſie an der Halfter gegen ihren Willen
leiten wollte, zeigte ſie ſich eigenſinnig.

Jch ſah das ſtolze Thier lebend im kaiſerlichen Thiergarten zu Schönbrunn. Dort befindet
ſich gegenwärtig ein Paar; aber beide ſind ſehr wild und unzugänglich. Unſere ſchöne Abbildung iſt
nach ihnen gefertigt.

Der Hamar el Wadi oder afrikaniſche Steppeneſel (Asinus africanus) ähnelt in
Größe und Anſehen ſeinem gezähmten Nachkömmling in Egypten, in ſeinem Auſtande und ſeinem
Weſen aber ganz den wildlebenden aſiatiſchen Verwandten. Er iſt groß, ſchlank und hübſch gebaut,
bald aſchgrau, bald iſabellfarben, an der Unterſeite heller, mit deutlich ausgeſprochenem Schulterkreuz
und einigen mehr oder weniger bemerkbaren Querſtreifen an der Außenſeite des Unterfußes. Die
Mähne iſt ziemlich ſchwach und kurz, die Quaſte am Schwanze aber ſtark und lang.

Dieſes Thier findet ſich wahrſcheinlich in allen Steppenländern öſtlich vom Nil. Um den At-
bara,
den Hauptzufluß des göttlichen Stromes, iſt er häufig, ebenſo auch in den Barkaebenen;
ſein Verbreitungskreis reicht bis an die Küſte des rothen Meeres. Hier lebt er unter ganz ähn-
lichen Verhältniſſen, wie der Dſchiggetai und Kulan. Jeder Hengſt führt eine Herde von 10 bis
15 Stuten, und bewacht und vertheidigt ſie. Er iſt ausnehmend ſcheu und vorſichtig, ſeine Jagd
daher überaus ſchwierig. Von einem Reiſenden, welcher den Weg vom rothen Meere nach Char-
thum gemacht hatte, erfuhr ich, daß die Wildeſel, wie die Pferde Paraguays, oft auf das Lager-
feuer zulaufen, etwa 400 Schritt davon ſich aufſtellen und ſtutzen, bei der geringſten Bewegung im
Lager aber mit hoch emporgehobenem Schweife eilenden Laufes davonjagen. Zahme Eſelinnen ſollen
ſie nicht ſelten wegführen und unter ihre Herden aufnehmen.

Alle im Süden und wahrſcheinlich auch die in Habeſch benutzten zahmen Eſel ſcheinen von dieſer
Art abzuſtammen, denn nach der Verſicherung der Araber gleichen ihnen die Wildeſel täuſchend. Mir
wurden Eſel gezeigt, von denen man behauptete, ſie in der Jugend eingefangen und gezähmt zu
haben. Jch weiß nicht, ob dieſe Behauptung der Wahrheit entſprach: ſoviel aber kann ich verſichern,
daß ſie ſich von den anderen dort gebräuchlichen Eſeln nur durch etwas ſtolzere Haltung und größere
Ausdauer unterſchieden. Mehrere Male habe ich ſolche Thiere benutzt und dabei beobachten können,
daß ſie ebenſo lenkſam und anſpruchslos waren, wie die im Hausſtande geborenen. Der hamburger
Thiergarten beſitzt einen jungen, von einem Paare des Steppeneſels abſtammenden Hengſt, wel-
ches, irre ich nicht, durch Heuglin nach Wien gebracht worden war. Dieſer Hengſt iſt ein ſchönes,
munteres, kluges Geſchöpf. Er hat ſich ſeine edle Haltung bewahrt und macht deshalb einen
ſehr guten Eindruck auf den Beſchauer. Sein Weſen iſt nicht minder angenehm. Er iſt gut-
müthig, ſeinem Wärter und ſeinen Bekannten ſehr zugethan, zeigt aber oft einen gewiſſen Muth-
willen, welcher ſeine Behandlung oder mindeſtens ein innigeres Verhältniß mit ihm erſchwert.
Obwohl er Liebkoſungen verlangt und, wie es ſcheint, mit Dank anerkennt, kann er es ſich doch

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[364/0386] Einhufer. — Der afrikaniſche Steppeneſel. Stoßen gelitten, war ſogar hinter dem Wagen hergeſchleift worden, und lief nach einem kurzen Aufenthalte in Moskau doch noch mit ebenſowenig Ruhe, als vorher, über hundert Meilen, bis Petersburg. Hier kam ſie freilich höchſt mager und ſo elend an, daß ſie ſich kaum auf den Füßen erhalten konnte; aber ſie kam bald wieder zu Kräften, und als ſie gegen den Herbſt ſtarb, war nicht jene Erſchöpfung die Urſache, ſondern die Kälte, die Näſſe des Klimas, des Bodens und der Weide, und endlich auch die Mittel, welche man anwandte, um eine auf ihrer Haut ausgebrochene böſe Räute zu vertreiben. Auch dieſer Krankheit ungeachtet erholte ſie ſich genug- ſam, um einen Theil ihrer vorigen Munterkeit und Schnelligkeit, um ihre anderen, vom Laſteſel ſehr verſchiedenen Eigenſchaften und Vorzüge zu zeigen. Der feuchtkalte Herbſt brachte ihr den Tod. Sie wurde auf der naſſen Weide bald hufriſſig, und dieſe Krankheit nahm ſo überhand, daß die Hufe ſich endlich ſtückweiſe von den Füßen abſchälten. Sie war übrigens ſehr zahm und folgte den Leuten, welche ſie fütterten und tränkten, wie ein Hund nach. Mit Brod konnte man ſie locken, wohin man ſie haben wollte. Nur wenn man ſie an der Halfter gegen ihren Willen leiten wollte, zeigte ſie ſich eigenſinnig. Jch ſah das ſtolze Thier lebend im kaiſerlichen Thiergarten zu Schönbrunn. Dort befindet ſich gegenwärtig ein Paar; aber beide ſind ſehr wild und unzugänglich. Unſere ſchöne Abbildung iſt nach ihnen gefertigt. Der Hamar el Wadi oder afrikaniſche Steppeneſel (Asinus africanus) ähnelt in Größe und Anſehen ſeinem gezähmten Nachkömmling in Egypten, in ſeinem Auſtande und ſeinem Weſen aber ganz den wildlebenden aſiatiſchen Verwandten. Er iſt groß, ſchlank und hübſch gebaut, bald aſchgrau, bald iſabellfarben, an der Unterſeite heller, mit deutlich ausgeſprochenem Schulterkreuz und einigen mehr oder weniger bemerkbaren Querſtreifen an der Außenſeite des Unterfußes. Die Mähne iſt ziemlich ſchwach und kurz, die Quaſte am Schwanze aber ſtark und lang. Dieſes Thier findet ſich wahrſcheinlich in allen Steppenländern öſtlich vom Nil. Um den At- bara, den Hauptzufluß des göttlichen Stromes, iſt er häufig, ebenſo auch in den Barkaebenen; ſein Verbreitungskreis reicht bis an die Küſte des rothen Meeres. Hier lebt er unter ganz ähn- lichen Verhältniſſen, wie der Dſchiggetai und Kulan. Jeder Hengſt führt eine Herde von 10 bis 15 Stuten, und bewacht und vertheidigt ſie. Er iſt ausnehmend ſcheu und vorſichtig, ſeine Jagd daher überaus ſchwierig. Von einem Reiſenden, welcher den Weg vom rothen Meere nach Char- thum gemacht hatte, erfuhr ich, daß die Wildeſel, wie die Pferde Paraguays, oft auf das Lager- feuer zulaufen, etwa 400 Schritt davon ſich aufſtellen und ſtutzen, bei der geringſten Bewegung im Lager aber mit hoch emporgehobenem Schweife eilenden Laufes davonjagen. Zahme Eſelinnen ſollen ſie nicht ſelten wegführen und unter ihre Herden aufnehmen. Alle im Süden und wahrſcheinlich auch die in Habeſch benutzten zahmen Eſel ſcheinen von dieſer Art abzuſtammen, denn nach der Verſicherung der Araber gleichen ihnen die Wildeſel täuſchend. Mir wurden Eſel gezeigt, von denen man behauptete, ſie in der Jugend eingefangen und gezähmt zu haben. Jch weiß nicht, ob dieſe Behauptung der Wahrheit entſprach: ſoviel aber kann ich verſichern, daß ſie ſich von den anderen dort gebräuchlichen Eſeln nur durch etwas ſtolzere Haltung und größere Ausdauer unterſchieden. Mehrere Male habe ich ſolche Thiere benutzt und dabei beobachten können, daß ſie ebenſo lenkſam und anſpruchslos waren, wie die im Hausſtande geborenen. Der hamburger Thiergarten beſitzt einen jungen, von einem Paare des Steppeneſels abſtammenden Hengſt, wel- ches, irre ich nicht, durch Heuglin nach Wien gebracht worden war. Dieſer Hengſt iſt ein ſchönes, munteres, kluges Geſchöpf. Er hat ſich ſeine edle Haltung bewahrt und macht deshalb einen ſehr guten Eindruck auf den Beſchauer. Sein Weſen iſt nicht minder angenehm. Er iſt gut- müthig, ſeinem Wärter und ſeinen Bekannten ſehr zugethan, zeigt aber oft einen gewiſſen Muth- willen, welcher ſeine Behandlung oder mindeſtens ein innigeres Verhältniß mit ihm erſchwert. Obwohl er Liebkoſungen verlangt und, wie es ſcheint, mit Dank anerkennt, kann er es ſich doch

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Zitationshilfe: Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 364. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/386>, abgerufen am 23.11.2024.