aber die schlechtesten Esel. Freilich wird er in Mitteleuropa und im Jnnern Afrikas auch am schlech- testen behandelt und am meisten vernachlässigt, während man ihn in den Ländern des nördlichen Afrikas und in Asien wenigstens durch Kreuzung zu veredeln sucht. Eine gute Behandlung wird auch im Morgenlande nur den werthvollen Eseln zu Theil; die übrigen führen fast ein ebenso trauriges Leben, als die unsrigen. Der Spanier z. B. putzt seinen Esel wohl mit allerlei Quasten und Rosetten, bunten Halsbändern, hübschen Satteldecken und dergleichen, behauptet auch, daß sein Grauthier sich noch einmal so stolz trage, wenn es im Schmuck ginge, sich also an der Aufmerksamkeit seines Herrn gar sehr ergötze, behandelt seinen armen vierbeinigen Diener aber überaus schlecht, läßt ihn hungern, arbeiten und prügelt ihn dennoch auf das Unbarmherzigste. Auch der gewöhnliche egyptische Esel hat nicht etwa ein beneidenswerthes Loos. Er ist Jedermanns Sklave und Jedermanns Narr. Jm ganzen Morgenlande fällt es Niemandem ein, zu Fuß zu gehen; sogar der Bettler hat gewöhnlich seinen Esel: er reitet auf ihm bis zu dem Orte, wo er sich Almosen erbitten will, läßt den Esel, wie er sich ausdrückt, auf "Gottes Grund und Boden" weiden und reitet Abends auf ihm wieder nach Hause.
Nirgends dürfte die Eselreiterei so im Schwunge sein, als in Egypten. Hier sind die willigen Thiere in allen größeren Städten geradezu unentbehrlich zur Bequemlichkeit des Lebens. Man ge- braucht sie, wie man unsere Lohnkutschen verwendet, und deshalb gilt es auch durchaus nicht für eine Schande, sich ihrer zu bedienen. Bei der Enge der Straßen jener Städte sind sie allein geeignet, die nothwendigen Wege abzukürzen und zu erleichtern. Daher sieht man sie in Kairo z. B. überall in dem ununterbrochenen Menschenstrome, welcher sich durch die Straßen wälzt. Die Eseltreiber Kairos bil- den einen eigenen Stand, eine förmliche Kaste, sie gehören zu der Stadt, wie die Minarets und die Palmen. Sie sind den Einheimischen, wie den Fremden unentbehrlich; sie sind es, denen man jeden Tag zu danken hat, und welche jeden Tag die Galle in Aufregung zu bringen wissen. "Es ist eine wahre Luft und ein wahrer Jammer," sagt der Kleinstädter in Egypten, "mit diesen Eselsjungen umzugehen. Man kann nicht einig mit ihnen werden, soll man sie für gutmüthiger oder bösartiger, störrischer oder dienstwilliger, träger oder lebhafter, verschmitzter oder unverschämter halten: sie sind ein Quirl von allen möglichen Eigenschaften." Der Reisende begegnet ihnen, sobald er in Alexandrien seinen Fuß an die Küste setzt. Auf jedem belebten Platze stehen sie mit ihren Thieren von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Die Ankunft eines Dampfschiffes ist für sie ein Ereigniß; denn es gilt jetzt, den in ihren Augen Unwissenden, bezüglich Dummen, zu erkämpfen. Der Fremde wird zunächst in drei bis vier Sprachen angeredet, und wehe ihm, wenn er englische Laute hören läßt. Dann entsteht um den Geldmann eine Prügelei, bis der Reisende das Klügste thut, was er thun kann, nämlich auf gut Glück einen der Esel besteigt und sich von dem Jungen nach dem ersten besten Gasthause schaffen läßt. So stellen sie sich zuerst dar; aber erst wenn man der arabischen Sprache kundig ist und statt des Kauderwelsches von drei bis vier durch sie gemißhandelten Sprachen in ihrer Zunge mit ihnen reden kann, lernt man sie kennen. Es ist überaus ergötzlich, ihre Redensarten, vor allem aber die ihren Thieren gespendeten Lobeserhebungen mit anzuhören.
"Sieh, Herr," sagt der Eine, "diesen Dampfwagen von einem Esel, wie ich ihn Dir anbiete, und vergleiche mit ihm die übrigen, welche die anderen Knaben Dir anpreisen! Sie müssen unter Dir zusammenbrechen; denn es sind erbärmliche Geschöpfe, und Du bist ein starker Mann! Aber der meinige! -- Jhm ist es eine Kleinigkeit, mit Dir wie eine Gazelle davon zu laufen." "Das ist ein Kahiriner Esel," sagt der Andere; "sein Großvater war ein Gazellenbock und seine Ururmutter ein wildes Pferd. Ei, du Kahiriner, lauf' und bestätige dem Herrn meine Worte! Mache deinen Eltern keine Schande, geh' an im Namen Gottes, meine Gazelle, meine Schwalbe!"
Der Dritte sucht beide womöglich noch zu überbieten, und in diesem Tone geht es fort, bis man endlich eines der Thiere bestiegen hat. Das wird nun durch unnachahmliches Zucken, Schlagen oder durch Stöße, Stiche und Schläge des an dem einen Ende zugespitzten Treibstockes in Galopp gebracht, und hinterher hetzt der Knabe, rufend, schreiend, anspornend, plaudernd, seine Lungen mißhandelnd,
Einhufer. — Der zahme Eſel.
aber die ſchlechteſten Eſel. Freilich wird er in Mitteleuropa und im Jnnern Afrikas auch am ſchlech- teſten behandelt und am meiſten vernachläſſigt, während man ihn in den Ländern des nördlichen Afrikas und in Aſien wenigſtens durch Kreuzung zu veredeln ſucht. Eine gute Behandlung wird auch im Morgenlande nur den werthvollen Eſeln zu Theil; die übrigen führen faſt ein ebenſo trauriges Leben, als die unſrigen. Der Spanier z. B. putzt ſeinen Eſel wohl mit allerlei Quaſten und Roſetten, bunten Halsbändern, hübſchen Satteldecken und dergleichen, behauptet auch, daß ſein Grauthier ſich noch einmal ſo ſtolz trage, wenn es im Schmuck ginge, ſich alſo an der Aufmerkſamkeit ſeines Herrn gar ſehr ergötze, behandelt ſeinen armen vierbeinigen Diener aber überaus ſchlecht, läßt ihn hungern, arbeiten und prügelt ihn dennoch auf das Unbarmherzigſte. Auch der gewöhnliche egyptiſche Eſel hat nicht etwa ein beneidenswerthes Loos. Er iſt Jedermanns Sklave und Jedermanns Narr. Jm ganzen Morgenlande fällt es Niemandem ein, zu Fuß zu gehen; ſogar der Bettler hat gewöhnlich ſeinen Eſel: er reitet auf ihm bis zu dem Orte, wo er ſich Almoſen erbitten will, läßt den Eſel, wie er ſich ausdrückt, auf „Gottes Grund und Boden‟ weiden und reitet Abends auf ihm wieder nach Hauſe.
Nirgends dürfte die Eſelreiterei ſo im Schwunge ſein, als in Egypten. Hier ſind die willigen Thiere in allen größeren Städten geradezu unentbehrlich zur Bequemlichkeit des Lebens. Man ge- braucht ſie, wie man unſere Lohnkutſchen verwendet, und deshalb gilt es auch durchaus nicht für eine Schande, ſich ihrer zu bedienen. Bei der Enge der Straßen jener Städte ſind ſie allein geeignet, die nothwendigen Wege abzukürzen und zu erleichtern. Daher ſieht man ſie in Kairo z. B. überall in dem ununterbrochenen Menſchenſtrome, welcher ſich durch die Straßen wälzt. Die Eſeltreiber Kairos bil- den einen eigenen Stand, eine förmliche Kaſte, ſie gehören zu der Stadt, wie die Minarets und die Palmen. Sie ſind den Einheimiſchen, wie den Fremden unentbehrlich; ſie ſind es, denen man jeden Tag zu danken hat, und welche jeden Tag die Galle in Aufregung zu bringen wiſſen. „Es iſt eine wahre Luft und ein wahrer Jammer,‟ ſagt der Kleinſtädter in Egypten, „mit dieſen Eſelsjungen umzugehen. Man kann nicht einig mit ihnen werden, ſoll man ſie für gutmüthiger oder bösartiger, ſtörriſcher oder dienſtwilliger, träger oder lebhafter, verſchmitzter oder unverſchämter halten: ſie ſind ein Quirl von allen möglichen Eigenſchaften.‟ Der Reiſende begegnet ihnen, ſobald er in Alexandrien ſeinen Fuß an die Küſte ſetzt. Auf jedem belebten Platze ſtehen ſie mit ihren Thieren von Sonnenauf- bis Sonnenuntergang. Die Ankunft eines Dampfſchiffes iſt für ſie ein Ereigniß; denn es gilt jetzt, den in ihren Augen Unwiſſenden, bezüglich Dummen, zu erkämpfen. Der Fremde wird zunächſt in drei bis vier Sprachen angeredet, und wehe ihm, wenn er engliſche Laute hören läßt. Dann entſteht um den Geldmann eine Prügelei, bis der Reiſende das Klügſte thut, was er thun kann, nämlich auf gut Glück einen der Eſel beſteigt und ſich von dem Jungen nach dem erſten beſten Gaſthauſe ſchaffen läßt. So ſtellen ſie ſich zuerſt dar; aber erſt wenn man der arabiſchen Sprache kundig iſt und ſtatt des Kauderwelſches von drei bis vier durch ſie gemißhandelten Sprachen in ihrer Zunge mit ihnen reden kann, lernt man ſie kennen. Es iſt überaus ergötzlich, ihre Redensarten, vor allem aber die ihren Thieren geſpendeten Lobeserhebungen mit anzuhören.
„Sieh, Herr,‟ ſagt der Eine, „dieſen Dampfwagen von einem Eſel, wie ich ihn Dir anbiete, und vergleiche mit ihm die übrigen, welche die anderen Knaben Dir anpreiſen! Sie müſſen unter Dir zuſammenbrechen; denn es ſind erbärmliche Geſchöpfe, und Du biſt ein ſtarker Mann! Aber der meinige! — Jhm iſt es eine Kleinigkeit, mit Dir wie eine Gazelle davon zu laufen.‟ „Das iſt ein Kahiriner Eſel,‟ ſagt der Andere; „ſein Großvater war ein Gazellenbock und ſeine Ururmutter ein wildes Pferd. Ei, du Kahiriner, lauf’ und beſtätige dem Herrn meine Worte! Mache deinen Eltern keine Schande, geh’ an im Namen Gottes, meine Gazelle, meine Schwalbe!‟
Der Dritte ſucht beide womöglich noch zu überbieten, und in dieſem Tone geht es fort, bis man endlich eines der Thiere beſtiegen hat. Das wird nun durch unnachahmliches Zucken, Schlagen oder durch Stöße, Stiche und Schläge des an dem einen Ende zugeſpitzten Treibſtockes in Galopp gebracht, und hinterher hetzt der Knabe, rufend, ſchreiend, anſpornend, plaudernd, ſeine Lungen mißhandelnd,
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Einhufer. — Der zahme Eſel.
aber die ſchlechteſten Eſel. Freilich wird er in Mitteleuropa und im Jnnern Afrikas auch am ſchlech-
teſten behandelt und am meiſten vernachläſſigt, während man ihn in den Ländern des nördlichen
Afrikas und in Aſien wenigſtens durch Kreuzung zu veredeln ſucht. Eine gute Behandlung wird auch
im Morgenlande nur den werthvollen Eſeln zu Theil; die übrigen führen faſt ein ebenſo trauriges
Leben, als die unſrigen. Der Spanier z. B. putzt ſeinen Eſel wohl mit allerlei Quaſten und Roſetten,
bunten Halsbändern, hübſchen Satteldecken und dergleichen, behauptet auch, daß ſein Grauthier ſich
noch einmal ſo ſtolz trage, wenn es im Schmuck ginge, ſich alſo an der Aufmerkſamkeit ſeines Herrn
gar ſehr ergötze, behandelt ſeinen armen vierbeinigen Diener aber überaus ſchlecht, läßt ihn hungern,
arbeiten und prügelt ihn dennoch auf das Unbarmherzigſte. Auch der gewöhnliche egyptiſche Eſel hat
nicht etwa ein beneidenswerthes Loos. Er iſt Jedermanns Sklave und Jedermanns Narr. Jm
ganzen Morgenlande fällt es Niemandem ein, zu Fuß zu gehen; ſogar der Bettler hat gewöhnlich
ſeinen Eſel: er reitet auf ihm bis zu dem Orte, wo er ſich Almoſen erbitten will, läßt den Eſel, wie
er ſich ausdrückt, auf „Gottes Grund und Boden‟ weiden und reitet Abends auf ihm wieder
nach Hauſe.
Nirgends dürfte die Eſelreiterei ſo im Schwunge ſein, als in Egypten. Hier ſind die willigen
Thiere in allen größeren Städten geradezu unentbehrlich zur Bequemlichkeit des Lebens. Man ge-
braucht ſie, wie man unſere Lohnkutſchen verwendet, und deshalb gilt es auch durchaus nicht für eine
Schande, ſich ihrer zu bedienen. Bei der Enge der Straßen jener Städte ſind ſie allein geeignet, die
nothwendigen Wege abzukürzen und zu erleichtern. Daher ſieht man ſie in Kairo z. B. überall in dem
ununterbrochenen Menſchenſtrome, welcher ſich durch die Straßen wälzt. Die Eſeltreiber Kairos bil-
den einen eigenen Stand, eine förmliche Kaſte, ſie gehören zu der Stadt, wie die Minarets und die
Palmen. Sie ſind den Einheimiſchen, wie den Fremden unentbehrlich; ſie ſind es, denen man
jeden Tag zu danken hat, und welche jeden Tag die Galle in Aufregung zu bringen wiſſen. „Es iſt
eine wahre Luft und ein wahrer Jammer,‟ ſagt der Kleinſtädter in Egypten, „mit dieſen Eſelsjungen
umzugehen. Man kann nicht einig mit ihnen werden, ſoll man ſie für gutmüthiger oder bösartiger,
ſtörriſcher oder dienſtwilliger, träger oder lebhafter, verſchmitzter oder unverſchämter halten: ſie ſind
ein Quirl von allen möglichen Eigenſchaften.‟ Der Reiſende begegnet ihnen, ſobald er in Alexandrien
ſeinen Fuß an die Küſte ſetzt. Auf jedem belebten Platze ſtehen ſie mit ihren Thieren von Sonnenauf-
bis Sonnenuntergang. Die Ankunft eines Dampfſchiffes iſt für ſie ein Ereigniß; denn es gilt jetzt,
den in ihren Augen Unwiſſenden, bezüglich Dummen, zu erkämpfen. Der Fremde wird zunächſt in
drei bis vier Sprachen angeredet, und wehe ihm, wenn er engliſche Laute hören läßt. Dann entſteht
um den Geldmann eine Prügelei, bis der Reiſende das Klügſte thut, was er thun kann, nämlich auf
gut Glück einen der Eſel beſteigt und ſich von dem Jungen nach dem erſten beſten Gaſthauſe ſchaffen
läßt. So ſtellen ſie ſich zuerſt dar; aber erſt wenn man der arabiſchen Sprache kundig iſt und ſtatt
des Kauderwelſches von drei bis vier durch ſie gemißhandelten Sprachen in ihrer Zunge mit ihnen
reden kann, lernt man ſie kennen. Es iſt überaus ergötzlich, ihre Redensarten, vor allem aber die
ihren Thieren geſpendeten Lobeserhebungen mit anzuhören.
„Sieh, Herr,‟ ſagt der Eine, „dieſen Dampfwagen von einem Eſel, wie ich ihn Dir anbiete,
und vergleiche mit ihm die übrigen, welche die anderen Knaben Dir anpreiſen! Sie müſſen unter
Dir zuſammenbrechen; denn es ſind erbärmliche Geſchöpfe, und Du biſt ein ſtarker Mann! Aber der
meinige! — Jhm iſt es eine Kleinigkeit, mit Dir wie eine Gazelle davon zu laufen.‟ „Das iſt ein
Kahiriner Eſel,‟ ſagt der Andere; „ſein Großvater war ein Gazellenbock und ſeine Ururmutter ein
wildes Pferd. Ei, du Kahiriner, lauf’ und beſtätige dem Herrn meine Worte! Mache deinen
Eltern keine Schande, geh’ an im Namen Gottes, meine Gazelle, meine Schwalbe!‟
Der Dritte ſucht beide womöglich noch zu überbieten, und in dieſem Tone geht es fort, bis man
endlich eines der Thiere beſtiegen hat. Das wird nun durch unnachahmliches Zucken, Schlagen oder
durch Stöße, Stiche und Schläge des an dem einen Ende zugeſpitzten Treibſtockes in Galopp gebracht,
und hinterher hetzt der Knabe, rufend, ſchreiend, anſpornend, plaudernd, ſeine Lungen mißhandelnd,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 368. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/390>, abgerufen am 23.11.2024.
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