Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865.Einhufer. -- Das Maulthier. Der Maulesel. hat man einen Haß zwischen beiden beobachtet, welcher bis zu erbitterten Kämpfen ausartet. DieKreuzung bedarf manchfaltiger Vorbereitung und besonderer Kunstgriffe. Der Eselhengst paart sich leicht mit der Stute, nicht so aber diese mit ihm oder der Hengst mit der Eselin. Gewöhnlich ver- bindet man der Stute, welche durch einen Esel beschlagen werden soll, die Augen, damit sie den ihr aufgedrungenen Liebhaber nicht sehen kann, auch führt man ihr erst ein schönes Pferd vor und vertauscht dieses dann mit dem Esel. Mit dem Pferdeheugst muß man Dasselbe thun, was man mit der Stute that. Weit leichter gelingt es, Pferd und Esel zur Paarung zu bringen, wenn man beide von Jugend auf an einander gewöhnt, also zusammen aufgezogen hat. Hierdurch ver- lieren die Thiere einen guten Theil der natürlichen Abneigung. Bereits die alten Römer sorgten dafür, daß Esel und Pferde, welche zur Maulthierzucht benutzt werden sollten, ununterbrochen bei- sammen lebten; die Spanier und Südamerikaner wenden dieses Verfahren noch heute an. Man gibt die jungen Eselsfohlen wenige Tage, nachdem sie geboren sind, säugenden Pferdestuten bei, deren Mutterliebe in den meisten Fällen bald alle Abneigung gegen das aufgedrungene Pflegekind besiegt. Zwischen der Alten und dem Säugling bildet sich nach kurzer Zeit eine große Anhänglichkeit aus; ja, es kann soweit gehen, daß der junge Esel gegen seines Gleichen einen größeren Widerwillen zeigt, als gegen Pferde. Jn Südamerika gibt es Eselhengste, welche durchaus nicht mehr zu einer Paarung mit Eselinnen zu bringen sind. Eigenthümlich ist das Benehmen dieser von Pferden bemutterten Eselhengste. Die Südameri- Eine der nothwendigsten Bedingungen zur Maulthierzucht ist besondere Pflege der trächtigen Wegen der größeren Nutzbarkeit züchtet man fast ausschließlich Maulthiere. Nur in Spanien Einhufer. — Das Maulthier. Der Mauleſel. hat man einen Haß zwiſchen beiden beobachtet, welcher bis zu erbitterten Kämpfen ausartet. DieKreuzung bedarf manchfaltiger Vorbereitung und beſonderer Kunſtgriffe. Der Eſelhengſt paart ſich leicht mit der Stute, nicht ſo aber dieſe mit ihm oder der Hengſt mit der Eſelin. Gewöhnlich ver- bindet man der Stute, welche durch einen Eſel beſchlagen werden ſoll, die Augen, damit ſie den ihr aufgedrungenen Liebhaber nicht ſehen kann, auch führt man ihr erſt ein ſchönes Pferd vor und vertauſcht dieſes dann mit dem Eſel. Mit dem Pferdeheugſt muß man Daſſelbe thun, was man mit der Stute that. Weit leichter gelingt es, Pferd und Eſel zur Paarung zu bringen, wenn man beide von Jugend auf an einander gewöhnt, alſo zuſammen aufgezogen hat. Hierdurch ver- lieren die Thiere einen guten Theil der natürlichen Abneigung. Bereits die alten Römer ſorgten dafür, daß Eſel und Pferde, welche zur Maulthierzucht benutzt werden ſollten, ununterbrochen bei- ſammen lebten; die Spanier und Südamerikaner wenden dieſes Verfahren noch heute an. Man gibt die jungen Eſelsfohlen wenige Tage, nachdem ſie geboren ſind, ſäugenden Pferdeſtuten bei, deren Mutterliebe in den meiſten Fällen bald alle Abneigung gegen das aufgedrungene Pflegekind beſiegt. Zwiſchen der Alten und dem Säugling bildet ſich nach kurzer Zeit eine große Anhänglichkeit aus; ja, es kann ſoweit gehen, daß der junge Eſel gegen ſeines Gleichen einen größeren Widerwillen zeigt, als gegen Pferde. Jn Südamerika gibt es Eſelhengſte, welche durchaus nicht mehr zu einer Paarung mit Eſelinnen zu bringen ſind. Eigenthümlich iſt das Benehmen dieſer von Pferden bemutterten Eſelhengſte. Die Südameri- Eine der nothwendigſten Bedingungen zur Maulthierzucht iſt beſondere Pflege der trächtigen Wegen der größeren Nutzbarkeit züchtet man faſt ausſchließlich Maulthiere. Nur in Spanien <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <div n="3"> <div n="4"> <p><pb facs="#f0394" n="372"/><fw place="top" type="header">Einhufer. — Das Maulthier. Der Mauleſel.</fw><lb/> hat man einen Haß zwiſchen beiden beobachtet, welcher bis zu erbitterten Kämpfen ausartet. Die<lb/> Kreuzung bedarf manchfaltiger Vorbereitung und beſonderer Kunſtgriffe. Der Eſelhengſt paart ſich<lb/> leicht mit der Stute, nicht ſo aber dieſe mit ihm oder der Hengſt mit der Eſelin. Gewöhnlich ver-<lb/> bindet man der Stute, welche durch einen Eſel beſchlagen werden ſoll, die Augen, damit ſie den<lb/> ihr aufgedrungenen Liebhaber nicht ſehen kann, auch führt man ihr erſt ein ſchönes Pferd vor und<lb/> vertauſcht dieſes dann mit dem Eſel. Mit dem Pferdeheugſt muß man Daſſelbe thun, was man<lb/> mit der Stute that. Weit leichter gelingt es, Pferd und Eſel zur Paarung zu bringen, wenn<lb/> man beide von Jugend auf an einander gewöhnt, alſo zuſammen aufgezogen hat. Hierdurch ver-<lb/> lieren die Thiere einen guten Theil der natürlichen Abneigung. Bereits die alten Römer ſorgten<lb/> dafür, daß Eſel und Pferde, welche zur Maulthierzucht benutzt werden ſollten, ununterbrochen bei-<lb/> ſammen lebten; die Spanier und Südamerikaner wenden dieſes Verfahren noch heute an. Man gibt<lb/> die jungen Eſelsfohlen wenige Tage, nachdem ſie geboren ſind, ſäugenden Pferdeſtuten bei, deren<lb/> Mutterliebe in den meiſten Fällen bald alle Abneigung gegen das aufgedrungene Pflegekind beſiegt.<lb/> Zwiſchen der Alten und dem Säugling bildet ſich nach kurzer Zeit eine große Anhänglichkeit aus;<lb/> ja, es kann ſoweit gehen, daß der junge Eſel gegen ſeines Gleichen einen größeren Widerwillen<lb/> zeigt, als gegen Pferde. Jn Südamerika gibt es Eſelhengſte, welche durchaus nicht mehr zu einer<lb/> Paarung mit Eſelinnen zu bringen ſind.</p><lb/> <p>Eigenthümlich iſt das Benehmen dieſer von Pferden bemutterten Eſelhengſte. Die Südameri-<lb/> kaner überlaſſen die Eſelinnen auf den ausgedehnten Weiden einzig und allein der Führung ihrer<lb/> Hengſte, und dieſe üben auch das ihnen übertragene Amt mit der größten Gewiſſenhaftigkeit aus.<lb/> Nicht ſo thun jene. Sie werden bald faul und lauſen anſtatt der Herde voran, hinter den Stuten<lb/> her, gleichſam als wollten ſie ſich noch jetzt bemuttern laſſen. Man iſt deshalb gezwungen, die zur<lb/> Maulthierzucht beſtimmten Pferdeſtuten von unvollkommen verſchnittenen Pferdehengſten führen<lb/> zu laſſen.</p><lb/> <p>Eine der nothwendigſten Bedingungen zur Maulthierzucht iſt beſondere Pflege der trächtigen<lb/> Pferde- und Eſelſtuten; denn die Natur rächt ſich wegen der gewaltſamen Eingriffe in ihre Geſetze.<lb/> Gerade bei den durch Eſel beſchlagenen Pferdeſtuten oder umgekehrt bei den durch Pferde belegten<lb/> Eſelinnen kommen Fehlgeburten am häuſigſten vor. Die Pferdeſtute trägt das Maulthier etwas<lb/> länger, als ihr eigenes Fohlen; das neugeborene Maulthier ſteht aber viel eher auf den Beinen,<lb/> als das junge Pferd; auch währt die Zeit ſeines Wachsthums länger, als beim Pferde. Unter vier<lb/> Jahren darf man kein Maulthier zur Arbeit anhalten; dafür währt ſeine Kraft jedoch regelmäßig<lb/> bis in das zwanzigſte und dreißigſte, nicht ſelten ſogar bis in das vierzigſte Jahr. Ein Reiſender<lb/> berichtet von einem Maulthiere, welches 52 Jahr alt wurde, und ein römiſcher Schriftſteller erzählt,<lb/> daß eins in Athen ſogar ein Alter von 80 Jahren erreichte.</p><lb/> <p>Wegen der größeren Nutzbarkeit züchtet man faſt ausſchließlich Maulthiere. Nur in Spanien<lb/> und Abiſſinien habe ich Mauleſel geſehen; hier ſchien es gar keine Maulthiere zu geben. Das<lb/> Maulthier vereinigt die Vorzüge ſeiner beiden Eltern in ſich. Seine Genügſamkeit und Ausdauer,<lb/> ſein ſanfter, ſicherer Tritt ſind Erbtheile des Eſels, ſeine Kraft und ſein Muth ein Geſchenk ſeiner<lb/> Mutter. Jn allen Gebirgsländern hält man die Maulthiere für ganz unentbehrlich; in Südamerika<lb/> ſind ſie Daſſelbe, was dem Araber die Kamele ſind. Ein gutes Maulthier trägt ein Laſt von<lb/> 300 Pfund und legt mit ihr täglich 6 bis 7 Meilen zurück. Dabei bemerkt man ſelbſt nach längerer<lb/> Reiſe kaum eine Abnahme der Kräfte, auch wenn das Futter nur ſpärlich und ſo ſchlecht iſt,<lb/> daß ein Pferd es gar nicht genießen würde. Dazu kommt, daß ſich der Reiter mit vollſter Zuver-<lb/> ſicht dem ſicheren Thiere auch auf den ſchwierigſten Pfaden anvertrauen kann. Jn Spanien wendet<lb/> man das Maulthier allgemein zum Ziehen an, und zahlt gern dieſelben Summen für ein Paar guter<lb/> „Mulas‟, welche ein paar Pferde koſten. Der Spanier iſt ſtolz auf ſein Maulthier und putzt es<lb/> mit allerlei Flitterwerk, namentlich mit rothen Quaſten und Schnüren, bunten Satteldecken u. dgl.<lb/> beſtmöglichſt heraus; er behandelt es jedoch nur ſelten gut. Zwar wird es ordentlich abgewartet,<lb/></p> </div> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [372/0394]
Einhufer. — Das Maulthier. Der Mauleſel.
hat man einen Haß zwiſchen beiden beobachtet, welcher bis zu erbitterten Kämpfen ausartet. Die
Kreuzung bedarf manchfaltiger Vorbereitung und beſonderer Kunſtgriffe. Der Eſelhengſt paart ſich
leicht mit der Stute, nicht ſo aber dieſe mit ihm oder der Hengſt mit der Eſelin. Gewöhnlich ver-
bindet man der Stute, welche durch einen Eſel beſchlagen werden ſoll, die Augen, damit ſie den
ihr aufgedrungenen Liebhaber nicht ſehen kann, auch führt man ihr erſt ein ſchönes Pferd vor und
vertauſcht dieſes dann mit dem Eſel. Mit dem Pferdeheugſt muß man Daſſelbe thun, was man
mit der Stute that. Weit leichter gelingt es, Pferd und Eſel zur Paarung zu bringen, wenn
man beide von Jugend auf an einander gewöhnt, alſo zuſammen aufgezogen hat. Hierdurch ver-
lieren die Thiere einen guten Theil der natürlichen Abneigung. Bereits die alten Römer ſorgten
dafür, daß Eſel und Pferde, welche zur Maulthierzucht benutzt werden ſollten, ununterbrochen bei-
ſammen lebten; die Spanier und Südamerikaner wenden dieſes Verfahren noch heute an. Man gibt
die jungen Eſelsfohlen wenige Tage, nachdem ſie geboren ſind, ſäugenden Pferdeſtuten bei, deren
Mutterliebe in den meiſten Fällen bald alle Abneigung gegen das aufgedrungene Pflegekind beſiegt.
Zwiſchen der Alten und dem Säugling bildet ſich nach kurzer Zeit eine große Anhänglichkeit aus;
ja, es kann ſoweit gehen, daß der junge Eſel gegen ſeines Gleichen einen größeren Widerwillen
zeigt, als gegen Pferde. Jn Südamerika gibt es Eſelhengſte, welche durchaus nicht mehr zu einer
Paarung mit Eſelinnen zu bringen ſind.
Eigenthümlich iſt das Benehmen dieſer von Pferden bemutterten Eſelhengſte. Die Südameri-
kaner überlaſſen die Eſelinnen auf den ausgedehnten Weiden einzig und allein der Führung ihrer
Hengſte, und dieſe üben auch das ihnen übertragene Amt mit der größten Gewiſſenhaftigkeit aus.
Nicht ſo thun jene. Sie werden bald faul und lauſen anſtatt der Herde voran, hinter den Stuten
her, gleichſam als wollten ſie ſich noch jetzt bemuttern laſſen. Man iſt deshalb gezwungen, die zur
Maulthierzucht beſtimmten Pferdeſtuten von unvollkommen verſchnittenen Pferdehengſten führen
zu laſſen.
Eine der nothwendigſten Bedingungen zur Maulthierzucht iſt beſondere Pflege der trächtigen
Pferde- und Eſelſtuten; denn die Natur rächt ſich wegen der gewaltſamen Eingriffe in ihre Geſetze.
Gerade bei den durch Eſel beſchlagenen Pferdeſtuten oder umgekehrt bei den durch Pferde belegten
Eſelinnen kommen Fehlgeburten am häuſigſten vor. Die Pferdeſtute trägt das Maulthier etwas
länger, als ihr eigenes Fohlen; das neugeborene Maulthier ſteht aber viel eher auf den Beinen,
als das junge Pferd; auch währt die Zeit ſeines Wachsthums länger, als beim Pferde. Unter vier
Jahren darf man kein Maulthier zur Arbeit anhalten; dafür währt ſeine Kraft jedoch regelmäßig
bis in das zwanzigſte und dreißigſte, nicht ſelten ſogar bis in das vierzigſte Jahr. Ein Reiſender
berichtet von einem Maulthiere, welches 52 Jahr alt wurde, und ein römiſcher Schriftſteller erzählt,
daß eins in Athen ſogar ein Alter von 80 Jahren erreichte.
Wegen der größeren Nutzbarkeit züchtet man faſt ausſchließlich Maulthiere. Nur in Spanien
und Abiſſinien habe ich Mauleſel geſehen; hier ſchien es gar keine Maulthiere zu geben. Das
Maulthier vereinigt die Vorzüge ſeiner beiden Eltern in ſich. Seine Genügſamkeit und Ausdauer,
ſein ſanfter, ſicherer Tritt ſind Erbtheile des Eſels, ſeine Kraft und ſein Muth ein Geſchenk ſeiner
Mutter. Jn allen Gebirgsländern hält man die Maulthiere für ganz unentbehrlich; in Südamerika
ſind ſie Daſſelbe, was dem Araber die Kamele ſind. Ein gutes Maulthier trägt ein Laſt von
300 Pfund und legt mit ihr täglich 6 bis 7 Meilen zurück. Dabei bemerkt man ſelbſt nach längerer
Reiſe kaum eine Abnahme der Kräfte, auch wenn das Futter nur ſpärlich und ſo ſchlecht iſt,
daß ein Pferd es gar nicht genießen würde. Dazu kommt, daß ſich der Reiter mit vollſter Zuver-
ſicht dem ſicheren Thiere auch auf den ſchwierigſten Pfaden anvertrauen kann. Jn Spanien wendet
man das Maulthier allgemein zum Ziehen an, und zahlt gern dieſelben Summen für ein Paar guter
„Mulas‟, welche ein paar Pferde koſten. Der Spanier iſt ſtolz auf ſein Maulthier und putzt es
mit allerlei Flitterwerk, namentlich mit rothen Quaſten und Schnüren, bunten Satteldecken u. dgl.
beſtmöglichſt heraus; er behandelt es jedoch nur ſelten gut. Zwar wird es ordentlich abgewartet,
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |