den Balken weg und drückte sich rückwärts gegen das Unterholz, um uns den Weg frei zu machen. Mein Pferd zögerte. Der Elefant bemerkte Dies, drückte sich noch tiefer in das Dickicht und wie- derholte sein "Urmf", aber entschieden in viel milderem Tone, offenbar in der Absicht, uns zu er- muthigen. Noch zitterte mein Pferd. Jch war viel zu neugierig auf das Beginnen der beiden klu- gen Geschöpfe, als daß ich mich eingemengt hätte. Der Elefant wich weiter und weiter zurück und wartete ungeduldig auf unseren Vorüberzug. Endlich betrat mein Pferd den Weg, zitternd vor Furcht. Wir kamen vorüber, und augenblicklich trat der Elefant aus dem Dickicht hervor, erhob seine Last von neuem und setzte seinen mühseligen Weg fort, wie vorher."
Der wildlebende Elefant zeigt übrigens mehr Einfalt als Klugheit. Seine Geistesfähigkeiten erheben sich nicht einmal zur List. Die reiche Natur, welche ihn umgibt und ernährt, überhebt ihn der Nothwendigkeit, seinen Verstand anzustrengen. Er lebt deshalb ein ruhiges und harmloses Leben. Dem Beobachter will es zuerst scheinen, als wäre er das stumpfsinnigste aller Geschöpfe. Sobald aber Angst oder Besorgniß über ihn kommt und zum Handeln zwingt, unterschätzt Niemand mehr seine Geistesgaben.
Es ist ganz falsch, wenn von dem Elefanten behauptet wird, daß er ein furchtbares Thier sei. Sein Wesen ist mild und ruhig. Er lebt eigentlich mit jedem Geschöpf in Freundschaft und Frieden. Ungereizt greift er niemals an, ja, im Gegentheil, er weicht allen Thieren, selbst kleinen, ängstlich aus. "Der ärgste Feind des Elefanten," sagt Tennent, "ist -- die Fliege." -- "Eine Maus," behauptet Cuvier, "entsetzt den zahmen Elefanten, daß er zittert." Alle die so schön ausgedachten Erzählungen von Kämpfen zwischen Elefant und Nashorn oder Elefant, Löwe und Tiger müssen unerbittlich in das Reich der Fabel geworfen werden. Jedes Raubthier hütet sich, den Elefanten an- zugreifen, und dieser gibt keinem Geschöpf Veranlassung zum Zorn oder zur Rachsucht. Einzelne Thiere, namentlich einzelne Vögel, leben sogar in besonderer Freundschaft mit ihm. Es sind dies in Südafrika die Madenhacker (Buphaga africana), im nördlichen die kleinen Kuhreiher (Ardeola Bubulcus), und in Jndien ähnliche gutmüthige Vögel, welche das große Säugethier beständig von Ungeziefer rein halten, freilich nur aus Selbstsucht, weil sie in ihren Freunden eben nur Brod- erzeuger sehen.
Der Kuhreiher gehört wesentlich zum Bilde des afrikanischen Elefanten. Man kann sich auch schwerlich einen hübscheren Anblick denken, als einen der gewaltigen, dunklen Riesen im ruhigen Dahinschreiten, auf welchem ein ganzes Dutzend der anmuthigen, blendend weißen Vögel sitzt oder herum wandelt, der eine ruhend, und der andere sich putzend, der dritte alle Falten der Haut untersuchend und hier und dort jagend, ein Kerbthier oder einen Egel, den sich der Elefant bei sei- nem nächtlichen Bade geholt, pickend aufnehmend.
Jede Elefantenherde ist eine große Familie und umgekehrt, jede Familie bildet ihre eigene Herde. Die Zahl solcher Gesellschaft kann sehr verschieden sein; denn die Herde kann von zehn, funfzehn, zwanzig Stück anwachsen bis auf Hunderte. Anderson sah am Ngamisee eine Herde, welche 50, Barth am Dschad eine solche von 96, Wahlberg im Kafferland eine andere von 200 Stück. Manche Reisende sprechen von vier- und fünfhundert Elefanten, welche sie zusammen gesehen haben wollen, übertreiben aber höchst wahrscheinlich. Jn den von mir durchreisten Ländern zählen die Her- den gewöhnlich nur 30 bis 50 Stück.
Die Familie bildet einen geschlossenen Verband unter sich. Kein anderer Elefant findet Zutritt und derjenige, welcher so unglücklich war, durch irgend welchen Zufall von einer Herde wegzukom- men, vielleicht übrig zu bleiben oder aus der Gefangenschaft zu entfliehen, ist gezwungen, ein Ein- siedlerleben zu führen. Er mag weiden in der Nähe der Herde, dieselben Trink- und Badeplätze besuchen; er mag der Familie nachziehen, wohin sie auch will: immer muß er in einer gewissen Ent- fernung sich halten; niemals wird er in den eigentlichen Familienkreis aufgenommen. Wagt er sich einzudrängen, so gibt es Schläge und Stöße von allen Seiten; selbst das harmloseste Elefantenweib schlägt mit seinem Rüssel auf ihn los. Solche Elefanten werden von den Jndiern Gundahs, oder,
Die Elefanten.
den Balken weg und drückte ſich rückwärts gegen das Unterholz, um uns den Weg frei zu machen. Mein Pferd zögerte. Der Elefant bemerkte Dies, drückte ſich noch tiefer in das Dickicht und wie- derholte ſein „Urmf‟, aber entſchieden in viel milderem Tone, offenbar in der Abſicht, uns zu er- muthigen. Noch zitterte mein Pferd. Jch war viel zu neugierig auf das Beginnen der beiden klu- gen Geſchöpfe, als daß ich mich eingemengt hätte. Der Elefant wich weiter und weiter zurück und wartete ungeduldig auf unſeren Vorüberzug. Endlich betrat mein Pferd den Weg, zitternd vor Furcht. Wir kamen vorüber, und augenblicklich trat der Elefant aus dem Dickicht hervor, erhob ſeine Laſt von neuem und ſetzte ſeinen mühſeligen Weg fort, wie vorher.‟
Der wildlebende Elefant zeigt übrigens mehr Einfalt als Klugheit. Seine Geiſtesfähigkeiten erheben ſich nicht einmal zur Liſt. Die reiche Natur, welche ihn umgibt und ernährt, überhebt ihn der Nothwendigkeit, ſeinen Verſtand anzuſtrengen. Er lebt deshalb ein ruhiges und harmloſes Leben. Dem Beobachter will es zuerſt ſcheinen, als wäre er das ſtumpfſinnigſte aller Geſchöpfe. Sobald aber Angſt oder Beſorgniß über ihn kommt und zum Handeln zwingt, unterſchätzt Niemand mehr ſeine Geiſtesgaben.
Es iſt ganz falſch, wenn von dem Elefanten behauptet wird, daß er ein furchtbares Thier ſei. Sein Weſen iſt mild und ruhig. Er lebt eigentlich mit jedem Geſchöpf in Freundſchaft und Frieden. Ungereizt greift er niemals an, ja, im Gegentheil, er weicht allen Thieren, ſelbſt kleinen, ängſtlich aus. „Der ärgſte Feind des Elefanten,‟ ſagt Tennent, „iſt — die Fliege.‟ — „Eine Maus,‟ behauptet Cuvier, „entſetzt den zahmen Elefanten, daß er zittert.‟ Alle die ſo ſchön ausgedachten Erzählungen von Kämpfen zwiſchen Elefant und Nashorn oder Elefant, Löwe und Tiger müſſen unerbittlich in das Reich der Fabel geworfen werden. Jedes Raubthier hütet ſich, den Elefanten an- zugreifen, und dieſer gibt keinem Geſchöpf Veranlaſſung zum Zorn oder zur Rachſucht. Einzelne Thiere, namentlich einzelne Vögel, leben ſogar in beſonderer Freundſchaft mit ihm. Es ſind dies in Südafrika die Madenhacker (Buphaga africana), im nördlichen die kleinen Kuhreiher (Ardeola Bubulcus), und in Jndien ähnliche gutmüthige Vögel, welche das große Säugethier beſtändig von Ungeziefer rein halten, freilich nur aus Selbſtſucht, weil ſie in ihren Freunden eben nur Brod- erzeuger ſehen.
Der Kuhreiher gehört weſentlich zum Bilde des afrikaniſchen Elefanten. Man kann ſich auch ſchwerlich einen hübſcheren Anblick denken, als einen der gewaltigen, dunklen Rieſen im ruhigen Dahinſchreiten, auf welchem ein ganzes Dutzend der anmuthigen, blendend weißen Vögel ſitzt oder herum wandelt, der eine ruhend, und der andere ſich putzend, der dritte alle Falten der Haut unterſuchend und hier und dort jagend, ein Kerbthier oder einen Egel, den ſich der Elefant bei ſei- nem nächtlichen Bade geholt, pickend aufnehmend.
Jede Elefantenherde iſt eine große Familie und umgekehrt, jede Familie bildet ihre eigene Herde. Die Zahl ſolcher Geſellſchaft kann ſehr verſchieden ſein; denn die Herde kann von zehn, funfzehn, zwanzig Stück anwachſen bis auf Hunderte. Anderſon ſah am Ngamiſee eine Herde, welche 50, Barth am Dſchad eine ſolche von 96, Wahlberg im Kafferland eine andere von 200 Stück. Manche Reiſende ſprechen von vier- und fünfhundert Elefanten, welche ſie zuſammen geſehen haben wollen, übertreiben aber höchſt wahrſcheinlich. Jn den von mir durchreiſten Ländern zählen die Her- den gewöhnlich nur 30 bis 50 Stück.
Die Familie bildet einen geſchloſſenen Verband unter ſich. Kein anderer Elefant findet Zutritt und derjenige, welcher ſo unglücklich war, durch irgend welchen Zufall von einer Herde wegzukom- men, vielleicht übrig zu bleiben oder aus der Gefangenſchaft zu entfliehen, iſt gezwungen, ein Ein- ſiedlerleben zu führen. Er mag weiden in der Nähe der Herde, dieſelben Trink- und Badeplätze beſuchen; er mag der Familie nachziehen, wohin ſie auch will: immer muß er in einer gewiſſen Ent- fernung ſich halten; niemals wird er in den eigentlichen Familienkreis aufgenommen. Wagt er ſich einzudrängen, ſo gibt es Schläge und Stöße von allen Seiten; ſelbſt das harmloſeſte Elefantenweib ſchlägt mit ſeinem Rüſſel auf ihn los. Solche Elefanten werden von den Jndiern Gundahs, oder,
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Die Elefanten.
den Balken weg und drückte ſich rückwärts gegen das Unterholz, um uns den Weg frei zu machen.
Mein Pferd zögerte. Der Elefant bemerkte Dies, drückte ſich noch tiefer in das Dickicht und wie-
derholte ſein „Urmf‟, aber entſchieden in viel milderem Tone, offenbar in der Abſicht, uns zu er-
muthigen. Noch zitterte mein Pferd. Jch war viel zu neugierig auf das Beginnen der beiden klu-
gen Geſchöpfe, als daß ich mich eingemengt hätte. Der Elefant wich weiter und weiter zurück und
wartete ungeduldig auf unſeren Vorüberzug. Endlich betrat mein Pferd den Weg, zitternd vor
Furcht. Wir kamen vorüber, und augenblicklich trat der Elefant aus dem Dickicht hervor, erhob
ſeine Laſt von neuem und ſetzte ſeinen mühſeligen Weg fort, wie vorher.‟
Der wildlebende Elefant zeigt übrigens mehr Einfalt als Klugheit. Seine Geiſtesfähigkeiten
erheben ſich nicht einmal zur Liſt. Die reiche Natur, welche ihn umgibt und ernährt, überhebt ihn
der Nothwendigkeit, ſeinen Verſtand anzuſtrengen. Er lebt deshalb ein ruhiges und harmloſes
Leben. Dem Beobachter will es zuerſt ſcheinen, als wäre er das ſtumpfſinnigſte aller Geſchöpfe.
Sobald aber Angſt oder Beſorgniß über ihn kommt und zum Handeln zwingt, unterſchätzt Niemand
mehr ſeine Geiſtesgaben.
Es iſt ganz falſch, wenn von dem Elefanten behauptet wird, daß er ein furchtbares Thier ſei.
Sein Weſen iſt mild und ruhig. Er lebt eigentlich mit jedem Geſchöpf in Freundſchaft und Frieden.
Ungereizt greift er niemals an, ja, im Gegentheil, er weicht allen Thieren, ſelbſt kleinen, ängſtlich
aus. „Der ärgſte Feind des Elefanten,‟ ſagt Tennent, „iſt — die Fliege.‟ — „Eine Maus,‟
behauptet Cuvier, „entſetzt den zahmen Elefanten, daß er zittert.‟ Alle die ſo ſchön ausgedachten
Erzählungen von Kämpfen zwiſchen Elefant und Nashorn oder Elefant, Löwe und Tiger müſſen
unerbittlich in das Reich der Fabel geworfen werden. Jedes Raubthier hütet ſich, den Elefanten an-
zugreifen, und dieſer gibt keinem Geſchöpf Veranlaſſung zum Zorn oder zur Rachſucht. Einzelne
Thiere, namentlich einzelne Vögel, leben ſogar in beſonderer Freundſchaft mit ihm. Es ſind dies in
Südafrika die Madenhacker (Buphaga africana), im nördlichen die kleinen Kuhreiher (Ardeola
Bubulcus), und in Jndien ähnliche gutmüthige Vögel, welche das große Säugethier beſtändig von
Ungeziefer rein halten, freilich nur aus Selbſtſucht, weil ſie in ihren Freunden eben nur Brod-
erzeuger ſehen.
Der Kuhreiher gehört weſentlich zum Bilde des afrikaniſchen Elefanten. Man kann ſich auch
ſchwerlich einen hübſcheren Anblick denken, als einen der gewaltigen, dunklen Rieſen im ruhigen
Dahinſchreiten, auf welchem ein ganzes Dutzend der anmuthigen, blendend weißen Vögel ſitzt oder
herum wandelt, der eine ruhend, und der andere ſich putzend, der dritte alle Falten der Haut
unterſuchend und hier und dort jagend, ein Kerbthier oder einen Egel, den ſich der Elefant bei ſei-
nem nächtlichen Bade geholt, pickend aufnehmend.
Jede Elefantenherde iſt eine große Familie und umgekehrt, jede Familie bildet ihre eigene Herde.
Die Zahl ſolcher Geſellſchaft kann ſehr verſchieden ſein; denn die Herde kann von zehn, funfzehn,
zwanzig Stück anwachſen bis auf Hunderte. Anderſon ſah am Ngamiſee eine Herde, welche 50,
Barth am Dſchad eine ſolche von 96, Wahlberg im Kafferland eine andere von 200 Stück.
Manche Reiſende ſprechen von vier- und fünfhundert Elefanten, welche ſie zuſammen geſehen haben
wollen, übertreiben aber höchſt wahrſcheinlich. Jn den von mir durchreiſten Ländern zählen die Her-
den gewöhnlich nur 30 bis 50 Stück.
Die Familie bildet einen geſchloſſenen Verband unter ſich. Kein anderer Elefant findet Zutritt
und derjenige, welcher ſo unglücklich war, durch irgend welchen Zufall von einer Herde wegzukom-
men, vielleicht übrig zu bleiben oder aus der Gefangenſchaft zu entfliehen, iſt gezwungen, ein Ein-
ſiedlerleben zu führen. Er mag weiden in der Nähe der Herde, dieſelben Trink- und Badeplätze
beſuchen; er mag der Familie nachziehen, wohin ſie auch will: immer muß er in einer gewiſſen Ent-
fernung ſich halten; niemals wird er in den eigentlichen Familienkreis aufgenommen. Wagt er ſich
einzudrängen, ſo gibt es Schläge und Stöße von allen Seiten; ſelbſt das harmloſeſte Elefantenweib
ſchlägt mit ſeinem Rüſſel auf ihn los. Solche Elefanten werden von den Jndiern Gundahs, oder,
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Brehm, Alfred Edmund: Illustrirtes Thierleben. Bd. 2. Hildburghausen, 1865, S. 693. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/brehm_thierleben02_1865/729>, abgerufen am 23.11.2024.
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