Mithülfe anderer Menschen bedarfst, laß es ja eine deiner vorzüglichsten Sorgen sein, daß du zu deinem Mitarbeiter keinen wählest, der mit diesem Selenfieber behaf- tet ist, und wär' er übrigens auch noch so ge- schikt, auch noch so talentenreich! Denn wie bald würdest du erleben, daß er jede etwas an- haltende Anstrengung zu beschwerlich, eure ge- meinschaftlichen Berufsgeschäfte zu simpel, zu einförmig, zu wenig nahrhaft für Geist und Herz fände, und daß er entweder den ihm zu- gefallenen Theil derselben gewissenlos vernach- lässigte, oder das Band, welches euch verknüpfte, plözlich und gewaltsam wieder zerrisse! Ruk- weise wird der Empfindsame so gut als einer, vielleicht noch besser wirken; aber dan auch plöz- lich die Hände wieder sinken lassen, stil stehen, oder zur Seite springen, und euer gemeinschaft- liches Werk mehr aufhalten als födern. Und die meisten Geschäfte des thätigen Lebens sind ein Weg, auf dem wir eines Gefährten bedürfen, der keine Luftsprünge macht, sondern Hand in Hand und Schrit vor Schrit fein ruhig und be-
dächtig
Mithuͤlfe anderer Menſchen bedarfſt, laß es ja eine deiner vorzuͤglichſten Sorgen ſein, daß du zu deinem Mitarbeiter keinen waͤhleſt, der mit dieſem Selenfieber behaf- tet iſt, und waͤr’ er uͤbrigens auch noch ſo ge- ſchikt, auch noch ſo talentenreich! Denn wie bald wuͤrdeſt du erleben, daß er jede etwas an- haltende Anſtrengung zu beſchwerlich, eure ge- meinſchaftlichen Berufsgeſchaͤfte zu ſimpel, zu einfoͤrmig, zu wenig nahrhaft fuͤr Geiſt und Herz faͤnde, und daß er entweder den ihm zu- gefallenen Theil derſelben gewiſſenlos vernach- laͤſſigte, oder das Band, welches euch verknuͤpfte, ploͤzlich und gewaltſam wieder zerriſſe! Ruk- weiſe wird der Empfindſame ſo gut als einer, vielleicht noch beſſer wirken; aber dan auch ploͤz- lich die Haͤnde wieder ſinken laſſen, ſtil ſtehen, oder zur Seite ſpringen, und euer gemeinſchaft- liches Werk mehr aufhalten als foͤdern. Und die meiſten Geſchaͤfte des thaͤtigen Lebens ſind ein Weg, auf dem wir eines Gefaͤhrten beduͤrfen, der keine Luftſpruͤnge macht, ſondern Hand in Hand und Schrit vor Schrit fein ruhig und be-
daͤchtig
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Mithuͤlfe anderer Menſchen bedarfſt, laß
es ja eine deiner vorzuͤglichſten Sorgen
ſein, daß du zu deinem Mitarbeiter keinen
waͤhleſt, der mit dieſem Selenfieber behaf-
tet iſt, und waͤr’ er uͤbrigens auch noch ſo ge-
ſchikt, auch noch ſo talentenreich! Denn wie
bald wuͤrdeſt du erleben, daß er jede etwas an-
haltende Anſtrengung zu beſchwerlich, eure ge-
meinſchaftlichen Berufsgeſchaͤfte zu ſimpel, zu
einfoͤrmig, zu wenig nahrhaft fuͤr Geiſt und
Herz faͤnde, und daß er entweder den ihm zu-
gefallenen Theil derſelben gewiſſenlos vernach-
laͤſſigte, oder das Band, welches euch verknuͤpfte,
ploͤzlich und gewaltſam wieder zerriſſe! Ruk-
weiſe wird der Empfindſame ſo gut als einer,
vielleicht noch beſſer wirken; aber dan auch ploͤz-
lich die Haͤnde wieder ſinken laſſen, ſtil ſtehen,
oder zur Seite ſpringen, und euer gemeinſchaft-
liches Werk mehr aufhalten als foͤdern. Und
die meiſten Geſchaͤfte des thaͤtigen Lebens ſind
ein Weg, auf dem wir eines Gefaͤhrten beduͤrfen,
der keine Luftſpruͤnge macht, ſondern Hand in
Hand und Schrit vor Schrit fein ruhig und be-
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Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 1. Hamburg, 1783, S. 191. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron01_1783/221>, abgerufen am 23.11.2024.
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