Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783.

Bild:
<< vorherige Seite

Du. Wenigstens haben sie Ihnen doch nicht
geschadet. Das ist vermuthlich mehr, als Sie
von denen Frauensleuten sagen können, mit wel-
chen Sie umgehen.

Er. Ich gestehe, das ist wahr. Aber bei
alle dem wolt' ich lieber ein halbes Jahr lang
mit meinem Wundarzte zu thun haben, als ein
ganzes Jahr mit Ihren Staatsdamen.

Du. Sie wissen, der Geschmak ist verschie-
den; und jeder folgt immer gern seinem eignen.

Er. Richtig! Aber, Stanhope, du hast
einen verteufelt seltsamen Geschmak. Den ganzen
Vormittag bist du bei deiner Kindermuhme, den
ganzen Abend in Staatsgeselschaften, und den
ganzen langen Tag fürchtest du dich vor dem alten
Vater in England. Du bist doch ein wunderli-
cher Kerl. Ich fürchte, man wird gar nichts aus
dir machen können.

Du. Das fürchte ich wirklich auch.

Er. Nun, so mags sein! Gute Nacht! Sie
haben doch, hoffe ich, nichts dawider, wenn ich
mich heute Abend wakker betrinke? Denn das
wird gewiß zutreffen.

Du.
L 4

Du. Wenigſtens haben ſie Ihnen doch nicht
geſchadet. Das iſt vermuthlich mehr, als Sie
von denen Frauensleuten ſagen koͤnnen, mit wel-
chen Sie umgehen.

Er. Ich geſtehe, das iſt wahr. Aber bei
alle dem wolt’ ich lieber ein halbes Jahr lang
mit meinem Wundarzte zu thun haben, als ein
ganzes Jahr mit Ihren Staatsdamen.

Du. Sie wiſſen, der Geſchmak iſt verſchie-
den; und jeder folgt immer gern ſeinem eignen.

Er. Richtig! Aber, Stanhope, du haſt
einen verteufelt ſeltſamen Geſchmak. Den ganzen
Vormittag biſt du bei deiner Kindermuhme, den
ganzen Abend in Staatsgeſelſchaften, und den
ganzen langen Tag fuͤrchteſt du dich vor dem alten
Vater in England. Du biſt doch ein wunderli-
cher Kerl. Ich fuͤrchte, man wird gar nichts aus
dir machen koͤnnen.

Du. Das fuͤrchte ich wirklich auch.

Er. Nun, ſo mags ſein! Gute Nacht! Sie
haben doch, hoffe ich, nichts dawider, wenn ich
mich heute Abend wakker betrinke? Denn das
wird gewiß zutreffen.

Du.
L 4
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div n="1">
        <pb facs="#f0173" n="167"/>
        <p><hi rendition="#fr">Du.</hi> Wenig&#x017F;tens haben &#x017F;ie Ihnen doch nicht<lb/>
ge&#x017F;chadet. Das i&#x017F;t vermuthlich mehr, als Sie<lb/>
von denen Frauensleuten &#x017F;agen ko&#x0364;nnen, mit wel-<lb/>
chen Sie umgehen.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Er.</hi> Ich ge&#x017F;tehe, das i&#x017F;t wahr. Aber bei<lb/>
alle dem wolt&#x2019; ich lieber ein halbes Jahr lang<lb/>
mit meinem Wundarzte zu thun haben, als ein<lb/>
ganzes Jahr mit Ihren Staatsdamen.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Du.</hi> Sie wi&#x017F;&#x017F;en, der Ge&#x017F;chmak i&#x017F;t ver&#x017F;chie-<lb/>
den; und jeder folgt immer gern &#x017F;einem eignen.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Er.</hi> Richtig! Aber, <hi rendition="#fr">Stanhope</hi>, du ha&#x017F;t<lb/>
einen verteufelt &#x017F;elt&#x017F;amen Ge&#x017F;chmak. Den ganzen<lb/>
Vormittag bi&#x017F;t du bei deiner Kindermuhme, den<lb/>
ganzen Abend in Staatsge&#x017F;el&#x017F;chaften, und den<lb/>
ganzen langen Tag fu&#x0364;rchte&#x017F;t du dich vor dem alten<lb/>
Vater in England. Du bi&#x017F;t doch ein wunderli-<lb/>
cher Kerl. Ich fu&#x0364;rchte, man wird gar nichts aus<lb/>
dir machen ko&#x0364;nnen.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Du.</hi> Das fu&#x0364;rchte ich wirklich auch.</p><lb/>
        <p><hi rendition="#fr">Er.</hi> Nun, &#x017F;o mags &#x017F;ein! Gute Nacht! Sie<lb/>
haben doch, hoffe ich, nichts dawider, wenn ich<lb/>
mich heute Abend wakker betrinke? Denn das<lb/>
wird gewiß zutreffen.</p><lb/>
        <fw place="bottom" type="sig">L 4</fw>
        <fw place="bottom" type="catch"> <hi rendition="#fr">Du.</hi> </fw><lb/>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[167/0173] Du. Wenigſtens haben ſie Ihnen doch nicht geſchadet. Das iſt vermuthlich mehr, als Sie von denen Frauensleuten ſagen koͤnnen, mit wel- chen Sie umgehen. Er. Ich geſtehe, das iſt wahr. Aber bei alle dem wolt’ ich lieber ein halbes Jahr lang mit meinem Wundarzte zu thun haben, als ein ganzes Jahr mit Ihren Staatsdamen. Du. Sie wiſſen, der Geſchmak iſt verſchie- den; und jeder folgt immer gern ſeinem eignen. Er. Richtig! Aber, Stanhope, du haſt einen verteufelt ſeltſamen Geſchmak. Den ganzen Vormittag biſt du bei deiner Kindermuhme, den ganzen Abend in Staatsgeſelſchaften, und den ganzen langen Tag fuͤrchteſt du dich vor dem alten Vater in England. Du biſt doch ein wunderli- cher Kerl. Ich fuͤrchte, man wird gar nichts aus dir machen koͤnnen. Du. Das fuͤrchte ich wirklich auch. Er. Nun, ſo mags ſein! Gute Nacht! Sie haben doch, hoffe ich, nichts dawider, wenn ich mich heute Abend wakker betrinke? Denn das wird gewiß zutreffen. Du. L 4

Suche im Werk

Hilfe

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)
XML (TEI P5 inkl. att.linguistic)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Voyant Tools ?

Language Resource Switchboard?

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien im Double-Keying-Verfahren von Nicht-Muttersprachlern erfasst und in XML/TEI P5 nach DTA-Basisformat kodiert.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/173
Zitationshilfe: Campe, Joachim Heinrich: Theophron oder der erfahrne Rathgeber für die unerfahrne Jugend. Bd. 2. Hamburg, 1783, S. 167. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/campe_theophron02_1783/173>, abgerufen am 11.12.2024.