ten Menschen. Die höhere Entwicklung, die erwachte Pro¬ duktivität, das Vernehmen der Idee in der Menschenseele, gibt ihr durch und durch eine andere Färbung, schafft sie durch und durch zu einer andern, so daß selbst das Unbe¬ wußte in ihr ein qualitativ andres ist als im Thier, ge¬ schweige denn Das, was in die Region des Weltbewußt¬ seins gehört. (Man erinnere sich hier dessen was weiter oben von der Eigenthümlichkeit des Verstandes in jedem Thiere und Menschen als Besonderm gesagt ist.) Gewöhn¬ lich trugen deßhalb die frühern Beobachter viel zu viel vom eignen Seelenleben in die Geschichte des Seelenlebens der Thiere, und gaben so oftmals auch der Darstellung der Affekte in ihnen eine zu menschliche Färbung; und aller¬ dings ist es schwer in dergleichen von sich in so weit zu abstrahiren und das Versetzen in eine durchaus andre Em¬ pfindungsweise immer nur approximativ zu erreichen.
Eine Art von Vorzug und doch eigentlich ein Verlust und Beweis der tiefen Stellung der Thierheit ist es üb¬ rigens daß die Leidenschaft in der Gefühlswelt des Thieres noch durchaus nicht möglich ist. Auch hier ist die zu geringe Objektivität des Thieres die Ursache und die Erklärung dieser Eigenthümlichkeit; denn die Leidenschaft setzt voraus, daß eine lebhafte Erfassung, eine gewisse Be¬ geisterung der Seele für die Idee eines andern Individuums oder für ein gewisses Thun in Bezug auf Individuen mög¬ lich sei, und hiezu fehlt es dem Thier theils an Entwick¬ lung des Geistes überhaupt, theils insbesondere an der Möglichkeit des Vernehmens einer fremden Idee.
Noch mehr als die Gefühlssphäre hängt auf das Ge¬ naueste zusammen mit der Erkenntniß -- der Wille. Wie es im Nervensystem nachgewiesen werden kann, daß es zwei verschiedene Richtungen in der Strömung der In¬ nervation gibt -- eine centrifugale und eine centripetale, welche in gesunder Stimmung des Organismus sich voll¬ kommen das Gleichgewicht halten, so soll auch Wollen, d. i.
ten Menſchen. Die höhere Entwicklung, die erwachte Pro¬ duktivität, das Vernehmen der Idee in der Menſchenſeele, gibt ihr durch und durch eine andere Färbung, ſchafft ſie durch und durch zu einer andern, ſo daß ſelbſt das Unbe¬ wußte in ihr ein qualitativ andres iſt als im Thier, ge¬ ſchweige denn Das, was in die Region des Weltbewußt¬ ſeins gehört. (Man erinnere ſich hier deſſen was weiter oben von der Eigenthümlichkeit des Verſtandes in jedem Thiere und Menſchen als Beſonderm geſagt iſt.) Gewöhn¬ lich trugen deßhalb die frühern Beobachter viel zu viel vom eignen Seelenleben in die Geſchichte des Seelenlebens der Thiere, und gaben ſo oftmals auch der Darſtellung der Affekte in ihnen eine zu menſchliche Färbung; und aller¬ dings iſt es ſchwer in dergleichen von ſich in ſo weit zu abſtrahiren und das Verſetzen in eine durchaus andre Em¬ pfindungsweiſe immer nur approximativ zu erreichen.
Eine Art von Vorzug und doch eigentlich ein Verluſt und Beweis der tiefen Stellung der Thierheit iſt es üb¬ rigens daß die Leidenſchaft in der Gefühlswelt des Thieres noch durchaus nicht möglich iſt. Auch hier iſt die zu geringe Objektivität des Thieres die Urſache und die Erklärung dieſer Eigenthümlichkeit; denn die Leidenſchaft ſetzt voraus, daß eine lebhafte Erfaſſung, eine gewiſſe Be¬ geiſterung der Seele für die Idee eines andern Individuums oder für ein gewiſſes Thun in Bezug auf Individuen mög¬ lich ſei, und hiezu fehlt es dem Thier theils an Entwick¬ lung des Geiſtes überhaupt, theils insbeſondere an der Möglichkeit des Vernehmens einer fremden Idee.
Noch mehr als die Gefühlsſphäre hängt auf das Ge¬ naueſte zuſammen mit der Erkenntniß — der Wille. Wie es im Nervenſyſtem nachgewieſen werden kann, daß es zwei verſchiedene Richtungen in der Strömung der In¬ nervation gibt — eine centrifugale und eine centripetale, welche in geſunder Stimmung des Organismus ſich voll¬ kommen das Gleichgewicht halten, ſo ſoll auch Wollen, d. i.
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ten Menſchen. Die höhere Entwicklung, die erwachte Pro¬
duktivität, das Vernehmen der Idee in der Menſchenſeele,
gibt ihr durch und durch eine andere Färbung, ſchafft ſie
durch und durch zu einer andern, ſo daß ſelbſt das Unbe¬
wußte in ihr ein qualitativ andres iſt als im Thier, ge¬
ſchweige denn Das, was in die Region des Weltbewußt¬
ſeins gehört. (Man erinnere ſich hier deſſen was weiter
oben von der Eigenthümlichkeit des Verſtandes in jedem
Thiere und Menſchen als Beſonderm geſagt iſt.) Gewöhn¬
lich trugen deßhalb die frühern Beobachter viel zu viel vom
eignen Seelenleben in die Geſchichte des Seelenlebens der
Thiere, und gaben ſo oftmals auch der Darſtellung der
Affekte in ihnen eine zu menſchliche Färbung; und aller¬
dings iſt es ſchwer in dergleichen von ſich in ſo weit zu
abſtrahiren und das Verſetzen in eine durchaus andre Em¬
pfindungsweiſe immer nur approximativ zu erreichen.
Eine Art von Vorzug und doch eigentlich ein Verluſt
und Beweis der tiefen Stellung der Thierheit iſt es üb¬
rigens daß die Leidenſchaft in der Gefühlswelt des
Thieres noch durchaus nicht möglich iſt. Auch hier iſt die
zu geringe Objektivität des Thieres die Urſache und die
Erklärung dieſer Eigenthümlichkeit; denn die Leidenſchaft
ſetzt voraus, daß eine lebhafte Erfaſſung, eine gewiſſe Be¬
geiſterung der Seele für die Idee eines andern Individuums
oder für ein gewiſſes Thun in Bezug auf Individuen mög¬
lich ſei, und hiezu fehlt es dem Thier theils an Entwick¬
lung des Geiſtes überhaupt, theils insbeſondere an der
Möglichkeit des Vernehmens einer fremden Idee.
Noch mehr als die Gefühlsſphäre hängt auf das Ge¬
naueſte zuſammen mit der Erkenntniß — der Wille.
Wie es im Nervenſyſtem nachgewieſen werden kann, daß
es zwei verſchiedene Richtungen in der Strömung der In¬
nervation gibt — eine centrifugale und eine centripetale,
welche in geſunder Stimmung des Organismus ſich voll¬
kommen das Gleichgewicht halten, ſo ſoll auch Wollen, d. i.
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Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846, S. 147. In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/carus_psyche_1846/163>, abgerufen am 23.11.2024.
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