Carus, Carl Gustav: Psyche. Zur Entwicklungsgeschichte der Seele. Pforzheim, 1846.lich bedingt, und dem Materiellen, woran das Ideelle 1 Diesen ursprünglichsten aller Gegensätze, diesen Gegensatz von
Idee und ätherischer Substanz oder Aether, wie ich ihn nenne, hat auch die ursprünglichste aller Philosophien -- die indische -- bereits bestimm¬ test anerkannt, und es ist wichtig daran zu erinnern, nicht als an eine Autorität -- denn vernünftige Erkenntniß kann Autorität nicht aner¬ kennen -- aber nur um zu zeigen, daß so frühe schon ein ungetrübtes Sinnen über das höchste Räthsel der Welt zu einem Resultate führen mußte, wie es auch unserer Zeit bei reifster Ueberlegung nicht anders sich darbieten kann. Schon bei den Hindu's also wird unterschieden (s. v. Bohlen d. alte Indien Thl. 2. S. 311 ed. f.) 1) die ewige Materie, die Natura naturans, der Aether -- als Prakriti oder Mulaprakriti, und 2) die Naturvernunft, die den Aether bestimmende, bedingende Idee -- als Buddhi, auch wohl als Weltseele Purusha. -- Ja schon dort hebt sich aus diesen beiden als ein Drittes -- die Unterscheidung des Ich, das Selbstbewußtsein (Ahankara) hervor. lich bedingt, und dem Materiellen, woran das Ideelle 1 Dieſen urſprünglichſten aller Gegenſätze, dieſen Gegenſatz von
Idee und ätheriſcher Subſtanz oder Aether, wie ich ihn nenne, hat auch die urſprünglichſte aller Philoſophien — die indiſche — bereits beſtimm¬ teſt anerkannt, und es iſt wichtig daran zu erinnern, nicht als an eine Autorität — denn vernünftige Erkenntniß kann Autorität nicht aner¬ kennen — aber nur um zu zeigen, daß ſo frühe ſchon ein ungetrübtes Sinnen über das höchſte Räthſel der Welt zu einem Reſultate führen mußte, wie es auch unſerer Zeit bei reifſter Ueberlegung nicht anders ſich darbieten kann. Schon bei den Hindu's alſo wird unterſchieden (ſ. v. Bohlen d. alte Indien Thl. 2. S. 311 ed. f.) 1) die ewige Materie, die Natura naturans, der Aether — als Prakriti oder Mulaprakriti, und 2) die Naturvernunft, die den Aether beſtimmende, bedingende Idee — als Buddhi, auch wohl als Weltſeele Purusha. — Ja ſchon dort hebt ſich aus dieſen beiden als ein Drittes — die Unterſcheidung des Ich, das Selbſtbewußtſein (Ahankara) hervor. <TEI> <text> <body> <div n="1"> <div n="2"> <p><pb facs="#f0057" n="41"/> lich bedingt, und dem Materiellen, <hi rendition="#g">woran</hi> das Ideelle<lb/> zur Erſcheinung kommen kann, zur reinen und klaren Ueber¬<lb/> zeugung gekommen ſei. In meinem Syſtem der Phyſiolo¬<lb/> gie habe ich darauf hingewieſen, wie <hi rendition="#g">hier</hi> es ſei, wo die<lb/><hi rendition="#g">Phyſik</hi> des Organismus in die <hi rendition="#g">Metaphyſik</hi> übergeht,<lb/> dieweil hier eine Trennung gedacht werden muß, welche<lb/> außerhalb und <hi rendition="#g">über</hi> der Wirklichkeit liegt. Die Wirklich¬<lb/> keit — wir ſelbſt — die Welt — Alles hat nur ein Da¬<lb/> ſein indem es zugleich und in untrennbarer Vereinigung<lb/> Idee und Subſtanz iſt. Nichtsdeſtoweniger vermögen wir<lb/> in unſerem eigenen ideellen Sein, in unſerem Geiſte zu<lb/> unterſcheiden, indem wir uns <hi rendition="#g">über</hi> die Natur ſtellen (<hi rendition="#g">meta</hi>¬<lb/> phyſiſch verfahren) zwiſchen dieſen beiden an ſich Untrenn¬<lb/> baren, und wir nennen nun das eine <hi rendition="#g">Idee</hi> — das Bild<lb/> des Seins vor allem Daſein — den Gottesgedanken —<lb/> das Urbild — als ſolches das ewig ſich ſelbſt gleiche, zeit-<lb/> und raumloſe — nur auf göttliche nicht auf räumliche<lb/> Weiſe Bewegte; das andere <hi rendition="#g">Subſtanz</hi>, oder beſſer (von<lb/> ᾽αει ϑέω „in ewiger Bewegung ſein”) — Aether — das<lb/> ewig Bewegliche und ewig wirklich Bewegte, das Zeit und<lb/> Raum durch dieſe Bewegung Bedingende, und ſo halten<lb/> wir dann wohl einigermaßen <hi rendition="#g">in Gedanken</hi> auseinander<lb/> was <hi rendition="#g">in Wahrheit und Weſenheit</hi> ewig verbunden<lb/> und untrennbar vereinigt iſt<note place="foot" n="1">Dieſen urſprünglichſten aller Gegenſätze, dieſen Gegenſatz von<lb/> Idee und ätheriſcher Subſtanz oder Aether, wie ich ihn nenne, hat auch<lb/> die urſprünglichſte aller Philoſophien — die indiſche — bereits beſtimm¬<lb/> teſt anerkannt, und es iſt wichtig daran zu erinnern, nicht als an eine<lb/> Autorität — denn vernünftige Erkenntniß kann Autorität nicht aner¬<lb/> kennen — aber nur um zu zeigen, daß ſo frühe ſchon ein ungetrübtes<lb/> Sinnen über das höchſte Räthſel der Welt zu einem Reſultate führen<lb/> mußte, wie es auch unſerer Zeit bei reifſter Ueberlegung nicht anders ſich<lb/> darbieten kann. Schon bei den Hindu's alſo wird unterſchieden (ſ. v.<lb/> Bohlen d. alte Indien Thl. 2. S. 311 <hi rendition="#aq">ed</hi>. f.) 1) die ewige Materie,<lb/> die <hi rendition="#aq">Natura naturans</hi>, <hi rendition="#g">der Aether</hi> — als <hi rendition="#aq">Prakriti</hi> oder <hi rendition="#aq">Mulaprakriti</hi>,<lb/> und 2) die Naturvernunft, die den Aether beſtimmende, bedingende <hi rendition="#g">Idee</hi><lb/> — als <hi rendition="#aq">Buddhi</hi>, auch wohl als Weltſeele <hi rendition="#aq">Purusha</hi>. — Ja ſchon dort<lb/> hebt ſich aus dieſen beiden als ein Drittes — die Unterſcheidung des Ich,<lb/> das <hi rendition="#g">Selbſtbewußtſein</hi> (<hi rendition="#aq">Ahankara</hi>) hervor.</note>.</p><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [41/0057]
lich bedingt, und dem Materiellen, woran das Ideelle
zur Erſcheinung kommen kann, zur reinen und klaren Ueber¬
zeugung gekommen ſei. In meinem Syſtem der Phyſiolo¬
gie habe ich darauf hingewieſen, wie hier es ſei, wo die
Phyſik des Organismus in die Metaphyſik übergeht,
dieweil hier eine Trennung gedacht werden muß, welche
außerhalb und über der Wirklichkeit liegt. Die Wirklich¬
keit — wir ſelbſt — die Welt — Alles hat nur ein Da¬
ſein indem es zugleich und in untrennbarer Vereinigung
Idee und Subſtanz iſt. Nichtsdeſtoweniger vermögen wir
in unſerem eigenen ideellen Sein, in unſerem Geiſte zu
unterſcheiden, indem wir uns über die Natur ſtellen (meta¬
phyſiſch verfahren) zwiſchen dieſen beiden an ſich Untrenn¬
baren, und wir nennen nun das eine Idee — das Bild
des Seins vor allem Daſein — den Gottesgedanken —
das Urbild — als ſolches das ewig ſich ſelbſt gleiche, zeit-
und raumloſe — nur auf göttliche nicht auf räumliche
Weiſe Bewegte; das andere Subſtanz, oder beſſer (von
᾽αει ϑέω „in ewiger Bewegung ſein”) — Aether — das
ewig Bewegliche und ewig wirklich Bewegte, das Zeit und
Raum durch dieſe Bewegung Bedingende, und ſo halten
wir dann wohl einigermaßen in Gedanken auseinander
was in Wahrheit und Weſenheit ewig verbunden
und untrennbar vereinigt iſt 1.
1 Dieſen urſprünglichſten aller Gegenſätze, dieſen Gegenſatz von
Idee und ätheriſcher Subſtanz oder Aether, wie ich ihn nenne, hat auch
die urſprünglichſte aller Philoſophien — die indiſche — bereits beſtimm¬
teſt anerkannt, und es iſt wichtig daran zu erinnern, nicht als an eine
Autorität — denn vernünftige Erkenntniß kann Autorität nicht aner¬
kennen — aber nur um zu zeigen, daß ſo frühe ſchon ein ungetrübtes
Sinnen über das höchſte Räthſel der Welt zu einem Reſultate führen
mußte, wie es auch unſerer Zeit bei reifſter Ueberlegung nicht anders ſich
darbieten kann. Schon bei den Hindu's alſo wird unterſchieden (ſ. v.
Bohlen d. alte Indien Thl. 2. S. 311 ed. f.) 1) die ewige Materie,
die Natura naturans, der Aether — als Prakriti oder Mulaprakriti,
und 2) die Naturvernunft, die den Aether beſtimmende, bedingende Idee
— als Buddhi, auch wohl als Weltſeele Purusha. — Ja ſchon dort
hebt ſich aus dieſen beiden als ein Drittes — die Unterſcheidung des Ich,
das Selbſtbewußtſein (Ahankara) hervor.
Suche im WerkInformationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
Voyant Tools ?Language Resource Switchboard?FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde von OCR-Software automatisch erfasst und anschließend gemäß den DTA-Transkriptionsrichtlinien von Muttersprachlern nachkontrolliert. Es wurde gemäß dem DTA-Basisformat in XML/TEI P5 kodiert.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |